Manuskript Beitrag: Abgründe an Korruption – Deutsche U-Boote für Griechenland Sendung vom 12. November 2013 von Eleni Klotsikas und Reinhard Laska Anmoderation: Ein mächtiger Mann muss in den Knast. Zwanzig Jahre bekam der ehemalige Verteidigungsminister Griechenlands. Er und mehrere Verwandte und Mitarbeiter hatten Schmiergeld in Millionenhöhe kassiert. Das kam aus Deutschland. Rüstungsfirmen, die U-Boote an die griechische Marine verkaufen wollten, halfen so nach bei der Kaufentscheidung. Die deutschen Manager allerdings kommen besser weg – mit Geldstrafen. Eleni Klotsikas und Reinhard Laska ließen sich das schmutzige Geschäft erklären: vom griechischen Kronzeugen. In aller Offenheit. Text: Griechische Popen taufen in Kiel ein neues U-Boot für die griechische Marine, gebaut in Deutschland auf der Howaldtswerft. Am 2. November 2010 geht es auf die Reise in Richtung Griechenland. Für die deutsche Werft ein Milliardengeschäft. Weitere Boote sind bestellt, zum größten Teil bereits bezahlt. Bei dem Deal flossen über Jahre Millionen Bestechungsgelder, über den Vertriebspartner Ferrostaal. Der Journalist Tassos Telloglu hat die Korruption deutscher Unternehmen nicht nur in diesem Fall genau recherchiert. O-Ton Tassos Telloglu, Journalist: Der Hauptnutznießer des griechischen Beitritts in den Euro waren die deutschen Firmen. Sie haben große Verträge besonders vom Staat gekriegt. Und solche Verträge kriegst du nicht in Griechenland, wenn du nicht unter dem Tisch zahlst. Die Bestechungsgelder flossen direkt an griechische Regierungsmitglieder. Hauptempfänger: das griechische Verteidigungsministerium. An seiner Spitze damals, Akis Tsochatzopoulos. Er kassierte allein bei dem U-Boot Deal geschätzt 55 Millionen Euro. Jetzt wurde ihm der Prozess gemacht. Zwanzig Jahre Haft, so urteilten die Athener Richter und schickten auch seine engsten Mitarbeiter ins Gefängnis – sogar Frau und Tochter. Er war der Kronzeuge, der 78-jährige Nikos Zigras, Cousin des Ministers. Er diente als Geldbote und Strohmann. Vor Gericht packte Zigras aus, erklärte wie deutsche Unternehmen Schmiergelder nach Griechenland schafften. O-Ton Nikos Zigras, Kronzeuge: Ich habe das Geld entgegengenommen, dass der Minister mit den Rüstungsunternehmen ausgehandelt hat. Angeblich stammte es aus einem Investmentfonds, tatsächlich aber waren es Schmiergelder. Wir bekamen es ganz klar für eine Gegenleistung - nämlich für Investitionen und Projekte, die der Minister für die Firmen umgesetzt hatte. Anfangs schicken deutsche Unternehmen regelmäßig Boten mit Koffern voller Geld nach Athen. Denn der Minister liebt Bares. Treffpunkt sind große Hotels. Zigras nimmt das Geld in Empfang, bringt es seinem Cousin, dem Minister ins Büro. O-Ton Nikos Zigras, Kronzeuge: Irgendwann wurde das schwierig, mit dem Bargeld. Nun stellten die Firmen Schecks auf bestimmte Firmen aus. Auf Offshore-Firmen, die ich vorher für ihn gegründet hatte . So ist das Geld über Umwege nach Griechenland gekommen. Die schmutzigen Millionen aus Deutschland legt der Minister in schönen Immobilien an, aber er schätzt auch luxuriöse Reisen. Höhepunkt: die glamouröse Hochzeit mit seiner zweiten Frau Vicky Stamati. Das Paar feiert im Pariser Hotel Vier Jahreszeiten. Allmählich fragen sich selbst die Griechen, woher das ganze Geld eigentlich stammt. O-Ton Tassos Telloglu, Journalist: Sein Lebensstil wurde angeprangert. Und das war sozusagen der Skandal der Republik, die Lebensweise dieses ehemaligen Ministers. Doch an den Rüstungsausgaben wird lange nicht gerüttelt, stattdessen verschuldet sich das Land immer weiter. Militärparade in Saloniki vor einigen Wochen. Selbst in der Krise will der griechische Staat Stärke zeigen. Das hat Tradition. Jahrzehnte ließ sich Griechenland sein Militär mehr kosten als andere EU-Staaten. Und das freute besonders die deutsche Rüstungsindustrie. Die schmierte ihren besten Kunden, den NATO–Partner Griechenland. Transparency International hat Korruption bei 100 Rüstungsunternehmen untersucht, besonders schlecht schnitten die Deutschen ab. O-Ton Christian Humborg, Transparency International: Das heißt, diese Firmen sind vergleichsweise intransparent und besonders schlecht aufgestellt in Sachen Korruptionsbekämpfung. Wie Ferrostaal. Die deutsche Justiz ging gegen die Manager des U-Boot Geschäftes vor. Doch von den 50 Beschuldigten wurden nur zwei verurteilt. Das Gericht lässt sich auf einen Deal ein. Geständnis gegen Bewährungsstrafe. Die Akte wird geschlossen. Anders in Griechenland. Keine Milde für die Täter. Sechs Verurteilte sitzen hinter Gittern. O-Ton Stelios Garipis, Anwalt: Das ist ein Siegeszug bei der Bekämpfung europäischer Korruptionsskandale und schafft ein neues Verhältnis zwischen den Politikern und dem Volk. Wenn aber in Deutschland die Gerichte Kompromisse schließen, Deals machen, dann haben wir und andere Staaten es schwer, herauszufinden, was wirklich passiert ist. In Athen laufen die Ermittlungen weiter. Neue Prozesse werden folgen. Nikos Zigras wird wieder als Kronzeuge auftreten. O-Ton Nikos Zigras, Kronzeuge: Was ich getan habe, wiegt schwer. Deshalb habe ich während des Prozesses das griechische Volk um Entschuldigung gebeten, immer wieder. Ich trage eine große Last, darüber bin ich mir völlig im Klaren. Keine Reue bei Ferrostaal. Vorstandsvorsitzender Mitscherlich kommt mit einem Bußgeldbescheid davon und erklärt er öffentlich, Zitat: „Moralisch bin ich mit mir im Reinen. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Heute liegen die teuer bezahlten Boote im Trockendock in Piräus. Um sie seetüchtig zu machen, will die Kieler HDW frisches Geld, aber Griechenland ist pleite. So gehen am Ende die arbeitslosen Werftarbeiter auf die Straße, rund 1000 sind es. Sie warten seit über 20 Monaten auf ihren Lohn. O-Ton Vasilis Tsimpidis, Werftarbeiter Wir schlagen uns mit Hilfsjobs durch, arbeiten in einer Pizzeria, leben von der Rente unserer Eltern, oder müssen Kredite aufnehmen. O-Ton Vasilis Karakitsos, Werftarbeiter: Wir fordern, dass wir wieder auf der Werft arbeiten können, dass wir endlich unseren Lohn bekommen. Und dass die UBoote, die wir teuer bezahlt haben, fertig gebaut werden. Danach sieht es aber nicht aus. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.