5. Die Option

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40
5.
Die Option
5.1.
Einleitung
Gleich wie Futures gehören auch Optionen zur Familie der Derivaten, d.h. ihr Wert entwickelt
sich entsprechend dem zugrundeliegenden Basiswert. Dieser kann beliebiger Natur sein. Die
Anzahl der gehandelten Option hat in den vergangenen Jahren explosionsartig zugenommen. Allein an der Schweizer Börse waren Ende Januar 1998 762 Optionen kotiert. Selbst
wenn man die Möglichkeit, in bestimmte Basiswerte zu investieren, eingrenzt, bleibt in einigen Basistiteln eine noch immer fast unüberschaubare Anzahl an Optionen übrig. Selbst Anlageprofis laufen Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Obwohl sich die Optionen auf den gleichen Basiswert beziehen, können sie wegen ihrer Ausgestaltung völlig verschiedene Chancen und Risiken aufweisen. Ein Beispiel soll dies illustrieren:
Ein Aktie X wird heute zum Kurs von CHF 1'000 gehandelt. Der Anleger steht nun vor der
Wahl, sich zwischen zwei Optionen zu entscheiden. Die erste wird heute zum Kurs von
CHF 5.00 gehandelt. Sie gibt dem Anleger das Recht, bis in zwei Monaten eine Aktie zum
Preis von CHF 1'100 zu erwerben. Die zweite Option wird zum Kurs von CHF 40.00 gehandelt und gibt dem Anleger das Recht, bis in zwei Monaten eine Aktie zu CHF 1'000 zu beziehen.
Beispiel
Kurs Aktie am 1. April
1'000.00
Kurs Aktie am 1. Juni
Option 1
Option 2
2 Monate
2 Monate
1'100.00
1'000.00
Verhältnis
1:1
1:1
Kurs Option
5.00
40.00
Laufzeit
Strike
Kurs Basistitel
- Strike
innerer Wert bei Verfall
Kaufpreis am 1. April
Erfolg
1'080.00
Option 1
Option 2
1'080.00
1'080.00
-1'100.00
-1'000.00
-
80.00
5.00
40.00
-5.00
40.00
Nach zwei Monaten steht der Kurs der Aktie X bei CHF 1'080. Die erste Option ist somit
wertlos, die zweite hat bei Verfall einen Wert von CHF 80.00. Während unser Anleger bei der
ersten Option einen Totalverlust erleiden würde, würde er bei der zweiten einen Gewinn von
100% erzielen.
Die Wahl des Strikepreises ist nur eine von vielen Grössen, die über Erfolg eines Engagements in Optionen entscheidet. Das Kapitel befasst sich im ersten Teil mit der Erklärung der
Option und deren verschiedenen Preisänderungsfaktoren. Die Berechnung des Optionsprei-
41
ses stellt den „pièce de résistance“ dieses Kapitels dar. Es folgt im Anschluss an den Abschnitt mit den verschiedenen Kennzahlen.
Abb. 5-1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Optionen nach ihrem Basistitel und
Abb. 5-2 soll einen Überblick über die verschiedenen Arten von Optionen vermitteln.
OPTION AND UNDERLYING ASSET
OPTIONS ON ACTURALS
(SPOT)
OPTIONS ON FUTURES
Stock Index Futures Options
Interest Rate Futures Options
Currency Futures Options
Commodity Futures Options
Precious Metal Futures Options
Stock Options
Stock Index Options
Interest Rate Options
Currency Options
Abbildung 5-1: Darstellung der Optionen nach ihrem Basistitel
Optionen
OTC
(over the counter)
Optionen
Standardisierte
Optionen
Warrants
Options aus Optionsanleihe
Stillhalteroptionen
dynamisch abgesicherte Optionen
Abbildung 5-2: Überblick über den Optionsmarkt
5.2.
Was ist eine Option
Eine Option ist eine vertragliche Vereinbarung, welche für den Optionskäufer das Recht, für
den Optionsschreiber die Pflicht beinhaltet, eine bestimmte Ware, zu einem bestimmten
Zeitpunkt und einem im voraus bestimmten Preis zu kaufen bzw. verkaufen. Weil der Käufer
das Recht, aber nicht die Pflicht hat, werden Optionsgeschäfte auch als bedingte1 Termingeschäfte bezeichnet.
5.2.1.
Die Option, eine Versicherung
Jeder Anleger, der in Wertpapieren investiert, sieht sich früher oder später mit der Frage des
Risikos und wie er dies am zweckmässigsten reduzieren kann, konfrontiert. Der eine Weg
führt über die Diversifikation2. Dieser sind aber dort Grenzen gesetzt, wo das systematische1
1
2
Vgl. Abb. 2-1 Übersicht über die derivaten Finanzmärkte
Vgl. Abschnitt 3.1. Das unsystematische Risiko
42
Risiko zum Tragen kommt. Dem systematischen Risiko kann mit Optionen abgeholfen werden und zwar in solcher Weise, dass jedes Risiko ausgeschlossen werden kann. Dabei darf
aber nicht vergessen werden, dass mit der Reduktion des Risikos auch die Chance auf überdurchschnittliche Erträge abnimmt.
Die Option kann mit einer Versicherung verglichen werden. Der Versicherungsnehmer zahlt
eine Prämie für einen Versicherungsschutz. Tritt der Schadensfall ein, wendet er sich an die
Versicherung. Diese ist auf Grund des Vertrages verpflichtet, den Versicherungsnehmer für
den entstandenen Schaden zu entschädigen.
Man stelle sich eine Normalverteilungskurve (Abb. 5-3) vor, in welcher auf der Abszisse die
Rendite, auf der Ordinate die Wahrscheinlichkeitsdichte eingetragen ist. Damit ergibt sich bei
einer Anlage mit geringem Risiko (Obligation) eine kleine durchschnittliche Rendite mit einer
hohen Wahrscheinlichkeitsdichte und einer minimalen Streuung. Eine Anlage mit einem hohen Risiko wie bspw. die Aktien einer Jungunternehmung hat eine hohe Rendite mit einer
Wahrscheinlichkeitsdichte
kleinen Wahrscheinlichkeitsdichte und einer breiten Streuung.
Obligation
Blue Chip
Jungunternehmung
Rendite
5%
10%
15%
Abbildung 5-3: Wahrscheinlichkeitsdichte verschiedener Anlagen
Anleger, die einen grossen Aktienanteil aufweisen und sich einem zu grossen Risiko ausgesetzt fühlen, werden Umschichtungen in ihrem Portefeuille vornehmen. Diese werden so
getätigt, dass sich eine tiefere Rendite mit einer grösseren Wahrscheinlichkeitsdichte und
einer minimalen Streuung ergibt. Die Normalverteilungskurve verschiebt sich nach links. Dieses Resultat wird erreicht, wenn der Anleger seine Aktien verkauft und gleichzeitig Geldmarktpapiere kauft. Die Form der Normalverteilungskurve bleibt symmetrisch. Dieses Um-
1
Vgl. Abschnitt 3.2. Das systematische Risiko
43
schichten mit dem Ziel der Risikominderung ist mit sehr hohen Transaktionskosten verbunden.
Die vorher beschriebene Variante kann aber nicht das Ziel der Übung sein. Gesucht ist eine
Form der Risikoelimination, die das Portefeuille gegen Verluste absichert, aber trotzdem die
Chancen der Renditeerzielung offen hält. Die Option bietet uns exakt diese Chance. Durch
den Einsatz eines Puts vermindert sich die Chance auf überdurchschnittliche Erträge. Die
Möglichkeit, durchschnittliche Erträge zu erzielen bleibt aber bestehen, und das Verlustrisiko
ist begrenzt oder ganz eliminiert. Grafisch muss man sich das folgendermassen vorstellen
(Abb. 5-4). Die normalverteilte Kurve wird asymmetrisch. Der Anleger tauscht durch den
Kauf des Puts die rechte Hälfte der Verteilungsfläche gegen die linke ein. Richtig eingesetzt
ist dies eine ganz wesentliche Bereicherung der Finanzinstrumente. Es eröffnet dem Anleger
die Möglichkeit jede nur denkbare Risikoverteilung zu kreieren und zwar auf eine solche
Weise, dass sowohl die Bedürfnisse des konservativen als auch des aggressiven Anlegers
befriedigt werden können.
Wahrscheinlichkeitsdichte
begrenztes
Verlustpotential
Grösseres Gewinnpotential
5%
grösseres Verlustpotential
10%
verringertes
Gewinnpotential
Abbildung 5-4: Asymmetrische Verteilung mit Put Optionen
Das öfter als hochspekulative verschrieene Anlageinstrument der Option, welches nur für
„Gambler“ gut sein soll, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als konservatives Versicherungsinstrument.
5.3.
Allgemeines
Wie Termingeschäfte gibt es auch Optionen schon seit langer Zeit. Meistens handelte es
sich um massgeschneiderte Kontrakte, die auf zwei Partner zugeschnitten waren. Die Handelbarkeit war aus diesem Grund lange Zeit eingeschränkt oder ganz unmöglich. Mit der
Standardisierung gewisser Spezifikationen im Optionsvertrag wurde ein einfacher Handel mit
44
einer grossen Transparenz ermöglicht1. Dies hat letztendlich auch wesentlich zum heutigen
Erfolg dieses Anlageinstrumentes beigetragen.
Optionen treten in verschiedensten Ausprägungen auf. Zum Teil sind die Unterschiede sehr
klein, aber in der Auswirkung von wesentlicher Bedeutung. Die Komplexität des Optionsmarktes übersteigt denjenigen der Futures bei weitem.
5.4.
Einflussfaktoren des Optionspreises
Folgende Faktoren beeinflussen den Preis der Optionen:
¾ Optionsstyle
¾ Strikepreis
¾ Verfall
¾ Wert des Basiswertes
¾ Volatilität
¾ Die Höhe des risikolosen Zinssatzes
¾ Die erwarteten Dividendenzahlungen
Auf Faktoren wie steuerliche und rechtliche Vorschriften, Transaktionskosten u.ä. wird nicht
eingegangen.
5.4.1.
Optionsstyle
Optionen treten nach ihrem Style betrachtet in zwei Formen auf:
¾ American Style
¾ European Style
Der Besitzer einer europäischen Option kann sein Recht, den Basistitel zu erwerben oder zu
veräussern, nur an einem bestimmten Zeitpunkt geltend machen, normalerweise am Verfalltag. Amerikanische Optionen beinhalten das Recht, die Option während der ganzen Laufzeit auszuüben. Aus diesem Grunde werden amerikanische Optionen höher bewertet als
die europäischen.
Die Begriffe „amerikanisch“ und „europäisch“ sagen über den Handelsort nichts aus. Europäische Optionen werden vor allem am OTC* Markt gehandelt. Dieser wird in einem späteren
1
*
Vgl. Ernst Müller-Möhl, Optionen und Futures, 3. Auflage, Zürich 1995, S. 50
over the counter
45
Abschnitt noch detailliert erklärt. Amerikanische Optionen werden vorwiegend an Börsen
gehandelt.
5.4.2.
Strikepreis
Der Strikepreis ist eines der wesentlichen Elemente des Optionsvertrages. Er legt fest, zu
welchem Preis der Inhaber/Schreiber eines Calls/Puts einen Basistitel kaufen/verkaufen
kann oder muss.
Die Wahl des Strikes ist ein u.a. ein Faktor, der darüber entscheidet, ob die anvisierte Optionsstrategie zum Erfolg führt. Im Zusammenhang mit dem Strikepreis treten die Begriffe „in
the money“, „at the money“ und „out of the money“ auf. (Siehe auch Beispiel in der Einleitung dieses Kapitels)
Strikepreis
=
Tagespreis
Strikepreis
>
Tagespreis
Strikepreis
<
Tagespreis
5.4.3.
Call
at the money
innerer Wert = 0
out of the money
innerer Wert = 0
in the money
innerer Wert > 0
Put
at the money
innerer Wert = 0
in the money
innerer Wert > 0
out of the money
innerer Wert = 0
Der Verfall
Die Wahl des Verfalls steht im Zusammenhang mit der beabsichtigten Optionsstrategie und
ist für den Erfolg von Bedeutung. Im Gegensatz zu einer Aktie, die theoretisch eine unbeschränkte Laufzeit hat, steht man bei einer Option unter einem permanenten Zeitdruck. Erwartet ein Anleger steigende Kurse der Aktie X im Verlaufe der nächsten drei Monate, so
sollte er eine Call Option erwerben, die eine Restlaufzeit von mindestens drei Monaten aufweist. Würde er eine Laufzeit von zwei Monaten wählen und die erwartete Preissteigerung
würde erst im dritten Monat erfolgen, wäre die Option unter Umständen wertlos.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bspw. eine Aktie im Wert steigt, erhöht sich mit zunehmender
Laufzeit. Je kürzer die Restlaufzeit ist, desto mehr nähert sich die Option dem inneren Wert.
Optionen mit längerer Laufzeit, mit gleichem Strike und Basiswert weisen darum immer einen höheren Wert auf.
5.4.3.1.
Zeitwert und innerer Wert
Der Wert einer Option setzt sich aus zwei Grössen zusammen. Der eine ist der innere Wert,
dieser resultiert aus der Differenz zwischen dem Strikepreis und dem momentanen Marktwert des Basistitels.
46
Die zweite Grösse wird als Zeitwert bezeichnet. Dieser widerspiegelt die Erwartungen der
Marktteilnehmer über die Preisentwicklung des Basistitels unter Berücksichtigung der Zinskosten für dessen Finanzierung1. Mit abnehmender Restlaufzeit verringert sich der Zeitwert,
bis er am Verfalltag null ist.
Der Einfluss der Zinskomponente sowie derjenige der Volatilitäten erhöht sich je grösser die
Restlaufzeit der Option ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Zeitwert drei bis
vier Monate vor Verfall grundlegend ändert. Je kürzer die Restlaufzeit ist, desto weniger sind
Anleger bereit, eine Prämie zu bezahlen. Somit verstärkt sich der Zeitwertverfall der Option
in den letzten Monaten überproportional.
5.4.4.
Wert des Basiswertes
Je höher der Preis des Basiswertes einer Option ist, desto höher ist ihr innerer Wert. Call
Optionen werden aus diesem Grund bei steigendem Aktienkurs teurer und bei sinkendem
Preis der Basis günstiger. Put Optionen verhalten sich umgekehrt .
5.4.5.
Die Volatilität
Die Volatilität beruht auf den individuellen Erwartungen der Anleger über die Preisentwicklung eines Wertpapiers. Je grösser die Unsicherheit ist, desto höher wird die Volatilität in
einem Titel sein, was sich wiederum im Zeitwert einer Option widerspiegelt. Es wird zwischen der historischen Volatilität und der implizierten Volatilität unterschieden.
Die historische Volatilität ergibt sich aus den täglichen in der Vergangenheit festgestellten
Kursbewegungen. Legt man einer Investitionsentscheidung die historische Volatilität zugrunde, geht man davon aus, dass diese in der Zukunft konstant ist. Betrachtet man die enormen Kursschwankungen der jüngsten Vergangenheit, so ist die historische Volatilität*
als Entscheidungsgrundlage abzulehnen.
In jedem Preis einer Option ist ein Wert für eine Volatilität vorhanden, die der Markt als die
richtige bewertet. Mit Hilfe der Optionsspreisformel von Black & Scholes kann die implizierte
Volatilität ermittelt werden. Verschiedene Optionen mit gleicher Basis können auf diese Weise miteinander verglichen werden.
1
Vgl. Ernst Müller-Möhl, Optionen und Futures, 3. Auflage, Zürich 1995, S. 55
als historisch ist bei dieser Aussage eine Betrachtung der Volatilität über mehrere Jahre gemeint. Kurzfristig
bzw. innerhalb eines Zykluses kann sehr wohl die historische Volatilität als Entscheidungsgrundlage dienen.
*
47
Die Volatilität gibt an, in welchen prozentualen Bandbreiten die erwartete Rendite eines Wertpapiers liegt. Die praktische Bedeutung dieser Aussage wird im Anhang 5-1 anhand eines Beispieles erklärt.
Die Volatilität gibt die Gesamtheit der individuellen Einschätzungen der Marktteilnehmer wieder und geht wie oben erwähnt in den Optionspreis ein. Ob dieser Wert jedoch der faire Wert
ist oder nicht, sei dahingestellt. Für Marktteilnehmer, die eine höhere Volatilität als fair betrachten würden, ist die Option preiswert, für Markteilnehmer mit einer konträren Beurteilung
teuer.
Mit abnehmender Restlaufzeit sinkt die Volatilität, da die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen Kursveränderung abnimmt. Bei Longpositionen ist das Risiko bei
steigender und bei sinkender Volatilität gleich gross, weil sich der maximale Verlust auf den
Einsatz beschränkt. Die Gewinnchancen steigen hingegen bei sinkender Volatilität und können beim Call unbegrenzt und beim Put ein Vielfaches sein.
5.4.6.
Die Höhe des risikolosen Zinssatzes
Kauft oder verkauft man Wertschriften auf Termin, so ist für die Berechnung des Preises der
risikolose Zinssatz von Bedeutung. Die Option stellt ein solches Termingeschäft dar.
Der Käufer eines Calls kann das Geld während der Laufzeit in risikolosen Wertschriften anlegen. Der Verkäufer finanziert dem Käufer während dieser Zeit den Vertragsgegenstand.
Dafür will dieser natürlich entschädigt werden und zwar in Form einer höheren Optionsprämie. Steigt nun der risikolose Zinssatz, so verringert sich der Barwert des zukünftigen Cash
Flows. Folglich verteuert sich der Wert des Calls und vermindert sich der Wert des Puts1.
5.4.7.
Die Höhe der erwarteten Dividendenausschüttungen
Am Tag der Ausschüttung kommt es zu einem Kursabschlag der Aktie, theoretisch um den
Betrag der Dividende. Dies verringert den inneren Wert der Option und erhöht somit den
Preis einer Verkaufsoption und verringert den einer Kaufoption. Zu erwartende Dividendenzahlungen beeinflussen dadurch auch schon den Kaufpreis einer Option.
5.5. Optionskennzahlen
Die Anwendung von Optionskennzahlen erleichtert die Beurteilung von Optionspositionen
hinsichtlich ihres Risikos sowohl bei Hedge-, Arbitrage- oder Spekulationsstrategien. Mit Hilfe
des Black-Scholes-Modells kann die Preisdynamik von Optionen im Hinblick auf künftige
1
Vgl. http://www.wu-wien.ac.at/usr/h89/h8926526/2.html#2322
48
Parameterschwankungen berechnet werden. Es handelt sich um die partielle Ableitungen
der Optionspreisformel, welche als Standardbezeichnung folgende griechische Buchstaben
enthalten1:
¾ Delta
¾
Vega
¾ Gamma
¾
Omega
¾ Theta
¾
Rho
5.5.1.
Das Delta
Das Delta misst die Veränderung des Optionspreises bei der Veränderung des Basisobjektes um eine Einheit. Der Delta-Wert einer Option gibt an, um wieviel Prozent sich der
Optionspreis verändert, wenn der Preis des zugrundeliegenden Basiswertes sich um
eine Einheit verändert. Mathematisch gesehen ist das Delta die erste Ableitung der Optionspreisfunktion nach dem Basiswert. Die Werte können bei einem Call zwischen 0 und 1
liegen, da zwischen einem Call und dem Basiswert eine positive Korrelation besteht. Bei einem Put liegen die Werte zwischen 0 und –1, weil eine negative Korrelation besteht. Bei einem Call bedeutet ein Delta-Wert von 1, dass die Option tief im Geld ist und die Laufzeit gegen Null strebt. Bei einem Put verhält es sich genau gegenteilig.
Im Zusammenhang mit den Optionsrisiken ist das Verständnis für die Deltaveränderung von
äusserster Bedeutung. Dabei begegnen wir zwei zentralen Begriffen:
¾ das Hedgeratio
¾ die Deltaneutralität
Deltaneutralität bedeutet, dass ein Portefeuille bei einer Kursschwankung durch entgegengesetzte Wertbewegungen dennoch den gleichen Gesamtwert behält.
Das Hedgeratio gibt an, wieviel Optionen bspw. einer Aktie gegenüberstehen müssen, um
ein deltaneutrales Portefeuille zu erhalten.
Optionsdelta =
Anzahl Optionen =
1
Veränderung des Optionsdeltas
Veränderung des Aktienpreises
Wert des Basistitels
Kontraktgrösse
Vgl. http://www.wu-wien.ac.at/usr/h89/h8926526/2.html#2322
* Optionsdelta
49
5.5.2.
Das Gamma
Das Gamma zeigt die Veränderung des Deltas bei Veränderung des Aktienkurses. Oder wenn man so will, kann man das Gamma als Delta des Deltas bezeichnen. Mathematisch betrachtet ist das Gamma die zweite Ableitung der Optionspreisfunktion. Da der Kurvenverlauf des Deltas nicht linear ist, sondern der Verlauf der Funktion „x2“ darstellt, ist die
Steigung in jedem Punkt der Kurve eine andere. Gamma gibt nun an, um wieviel sich der
Betrag des Deltas ändert, wenn sich der Kurs des Basiswertes um eine Einheit ändert. Ein
Gamma von 0,1 bedeutet somit, dass sich das Delta bspw. von 0,5 auf 0,6 ändert. Ist eine
Option „out of the money“ nimmt ihr Gammawert zu, bis sie bei „at the money“ den höchsten
Gammawert erreicht und dieser dann wieder abnimmt, je weiter die Option im Geld liegt. Für
Schreiber von Optionen sind Optionen mit einem hohen Gamma sehr riskant, das sich deren
Delta schon bei geringen Preisänderungen des Basistitels rasch verändert1.
Das Gamma ist dann von besonderer Bedeutung, wenn man sein Portefeuille dynamisch
absichern will, d.h. dass man die Absicherungsposition laufend an die aktuelle Marktentwicklung anpasst.
5.5.3.
Das Theta
Das Theta, auch „Time-Delta“ genannt, zeigt die Änderung des Optionspreises, wenn
die Restlaufzeit sich um einen Tag verringert. Ein Theta von bspw. 0,1 bewirkt einen
Rückgang der Optionsprämie von 0,10 GE.
5.5.4.
Das Vega (Kappa)
Das Vega beschreibt die prozentuale Veränderung der Option, wenn sich die Volatilität
der Option um ein Prozent ändert. Mathematisch handelt es sich um die erste Ableitung
der Optionspreisformel nach der Volatilität.
Obwohl dieser Optionskennzahl in der Praxis wenig Beachtung geschenkt wird und sie teilweise auch in Lehrbüchern nicht erwähnt wird, handelt es sich um eine sehr wichtige Kennzahl. In der Praxis wird gerade über die Volatilität sehr viel geschrieben und ein grosser Teil
der Anleger trifft Investitionsentscheidungen für Optionen auf Grund der implizierten Volatilität. Demzufolge sollte dem Vega eine ebenso wichtige Bedeutung beigemessen werden.
1
Vgl. Igor Uszczapowski, Optionen und Futures verstehen, 3., erweiterte Auflage, München 1995, S. 30 ff.
50
5.5.5.
Das Omega
Das Omega vergleicht, ähnlich dem Delta, den Zusammenhang von Wertveränderungen bei
einer Option und Wertveränderungen bei dem ihr zugrunde liegenden Wertpapier, mit dem
Unterschied, das hier prozentuale Veränderungen gemessen werden. D. h. es wird gemessen um wieviel Prozent sich der Preis einer Option verändert, wenn sich ihr Basispreis
um ein Prozent verändert. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Elastizität
des Optionspreises .
5.5.6.
Das Rho
Das Rho gibt an, um welchen Betrag sich der Optionspreis ändert, wenn sich der risikolose Zinssatz um eine Einheit verändert. Es handelt sich um die erste partielle Ableitung des Optionspreises nach dem risikolosen Zinssatz. Das Rho für Puts und Calls tendiert
gegen Null je mehr sich die Option dem Verfall nähert. Bei kurzen Laufzeiten ist der fixe
Zinssatz nicht von sehr grosser Bedeutung, und der Optionspreis verliert immer mehr an
Sensibilität gegenüber dieser Grösse.
5.6.
Die Call-Put-Parität
Die Call-Put-Parität zeigt die Abhängigkeit zwischen dem Preis eines Calls und demjenigen
eines Puts. Dazu folgendes Beispiel:
Ein Anleger hat ein Portefeuille mit einem bestimmten Wert. Dieses möchte er gegen einen
Kurszerfall absichern. Ergo kauft er eine Put Option. Somit wäre sein Portefeuille gegen einen Kursrückgang abgesichert, die unbegrenzte Gewinnchance bleibt aber nach wie vor bestehen.
Dasselbe Resultat erreicht ein anderer Anleger, wenn er sich einen Call kauft und die restlichen Mittel in eine risikolose Anlage investiert.
Beispiel:
Wert Aktie
Strike
Zinssatz risikolose Anlage
Laufzeit
Wert Put
1'000.00
1'050.00
2.50%
1 Jahr
100.00
Call
Wert Aktie
Wert Put
Strikepreis
Abgezinst
Wert Call
1'050.00
1'024.39
1'024.39
75.61
1'100.00
Put
1'000.00
100.00
1'100.00
51
Diesem Beispiel liegt somit folgende Formel zugrunde:
 1 
K + P( x ) = S * 
 + C
1 + i 
Legende:
K
=
P
=
S
=
C
=
aktueller Kurs
Kurs Put
Strike
Kurs Call
Wäre der Kurs des Puts im oben erwähnten Beispiel CHF 80.00, würde man ihn als zu billig
bezeichnen und für den Arbitrageur würde sich die Gelegenheit ergeben, risikolose Gewinne
zu erzielen, indem er einen Call verkauft, einen Put kauft, eine Aktie kauft und den Betrag
des diskontierten Strike Preises zum risikolosen Zinssatz aufnimmt. Damit würden sich folgende Zahlungsströme ergeben:
Verkauf Call
Kauf Put
Kauf Aktie
Geldaufnahme
Arbitragegewinn
75.61
-80.00
-1'000.00
1'024.39
20.00
Die Arbitrageure werden nun so lange Geschäfte tätigen, bis kein Arbitragegewinn mehr erzielt werden kann. Dass die Put-Call-Parität in der Praxis nicht vorhanden ist, ist im Zusammenhang mit folgenden Faktoren zu sehen1:
¾ Unterschiedliche Liquidität
¾ Transaktionskosten
¾ Inäquivalenz zugrundeliegender Kassapositionen
¾ Spread (Geld- /Briefkurs)
Werden während der Laufzeit der Option noch Dividenden ausgeschüttet, so müssen diese
in die Formel miteinbezogen werden. Die Formel würde folgendermassen erweitert werden:
 1 
K + P( x) = S * 
+C + D
1+ i 
Legende:
K
=
P
=
S
=
C
=
D
=
aktueller Kurs
Kurs Put
Strike
Kurs Call
Dividende agezinst
Handelt es sich um eine American Style Option, so kann die Formel nur als eine Ungleichung angegeben werden.
1
Vgl. Ernst Müller-Möhl, Optionen und Futures, 3. Auflage, Zürich 1995, S. 101
52
Legende:
K
=
P
=
S
=
C
=
 1 
K + P( x) < S * 
+C
1 + i 
aktueller Kurs
Kurs Put
Strike
Kurs Call
Abschliessend kann somit festgestellt werden, dass sich der Preis eines Calls auf Grund des
Preises des Puts ergibt und vice versa.
5.7.
Die Bewertung von Optionen
Bewertungsmethoden
Das
Binominalmodell
Das Modell
von
Black & Scholes
Das Garman-Kohlhagen
Modell
Die
Monte Carlo
Methoden
Abbildung 5-5: Bewertungsmethoden
Diese Arbeit beschränkt sich auf die Erklärung des Black & Scholes Modells, da dieses in
der Praxis die grösste Bedeutung hat.
Das Binomialmodell lässt sich grafisch einfach mittels einer Baumstruktur darstellen. Der
Rechenaufwand wird vor allem bei mehreren Perioden und Zuständen sehr aufwendig. Auf
Grund dessen wird es nur für Spezialfälle und komplexe Basiswerte angewandt.
Das Garman-Kohlhagen1 Modell ist eine erweiterte Form des Black & Scholes Modell und
wird bei Devisenoptionen angewandt.
Auf das Monte Carlo Modell2 wird wegen der geringeren Genauigkeit als das Black & Scholes Modell in der Praxis verzichtet.
5.7.1.
Das Black & Scholes Modell
Die Black & Scholes Formel ist trotz den diversen einschränkenden Bedingungen sowohl im
theoretischen als auch im praktischen Einsatz sehr verbreitet. Die Herleitung der Formel, auf
welche hier verzichtet wird, ist sehr komplex. Ein Grund für die Popularität der Formel liegt
1
2
Vgl. http://www.wu-wien.ac.at/usr/h89/h8926526/2.html#2322
Vgl. http://www.wu-wien.ac.at/usr/h89/h8926526/2.html#2322
53
darin, dass man durch Eingabe von verschiedenen Werten einen Optionspreis erhält. Ist die
Formel in einem Rechner gespeichert, können Optionspreise innert Sekunden geliefert werden1.
In vollkommenen Kapitalmärkten wird davon ausgegangen, dass jede risikolose Zusammensetzung eines Portefeuilles die gleiche Rendite wie der Zinssatz für risikolose Anlagen haben
muss. Unter einer risikolosen Investition wird ein Hedge Portefeuille verstanden, dass durch
dementsprechende Long- und Shortpositionen Risiken ausschliesst. Bei Änderungen der
Kurse am Kassamarkt verändern sich die Kurse der Optionen in entgegengesetzter Richtung. Der Wert des Portefeuilles bleibt somit – unabhängig von der Stärke der Kursschwankungen – immer gleich.
Für die Bewertung von Optionen gehen Black & Scholes von folgenden Annahmen aus:
¾ die Optionen sind europäisch
¾ die Aktienkurse sind normalverteilt
¾ die Transaktionskosten sind gleich Null
¾ es gibt keine steuerlichen Belastungen
¾ es gibt keine Dividende oder sonstige Ausschüttungen
¾ es gibt keine Hindernisse beim Short-Selling von Aktien
¾ Aktien und Optionen sind beliebig teilbar
¾ der kurzfristige Zinssatz ist konstant
¾ die Standardabweichung bleibt während der Laufzeit konstant
Durch mehrere Ableitungen, auf die hier nicht näher eingegangen wird, erhält man folgende
Formel für die Bewertung von europäischen Optionen:

Pa
ln 
−t
 ( Ps * q )
d1 =
σ * t


 + σ * t
2
d2

Pa
ln 
−t
 ( Ps * q )
=
σ * t


 − σ * t
2
Pc = Pa * N ( d 1 ) − Ps * q − t * N ( d 2 )
Legende:
Pc
Pp
Pa
Ps
i
1
=
=
=
=
=
Preis des Calls
Preis des Puts
Aktienpreis
Strikepreis
Risikofreier Zinssatz
q
t
σ
N( )
=
=
=
=
Zinsfaktor (1 + i)
Laufzeit der Option in Jahren
Standardabweichung (Volatilität)
Kumulative Normalverteilung
Vgl. Keith Redhaead, Financial Derivatives, Hertfordshire, 1997, S. 273
54
Die Variable d1 stellt das wichtigste Glied in der Black & Scholes Formel dar. Sie beschreibt
die Wahrscheinlichkeit, dass die Option bei Verfall „in-the-money“ ist und somit einen inneren
Wert hat.
Die zwei Terme können folgendermassen gedeutet werden1:
Term:
Pa * N(d1)
Diskontierter erwarteter Aktienkurs bei Optionsfälligkeit unter der Voraussetzung, dass
Pa > Ps ist.
Term:
Ps * q-t * N(d2)
Diskontierter Basispreis unter der Voraussetzung, dass Pa > Ps ist.
Das Beispiel im Anhang 5-2 soll zum besseren Verständnis der Black & Scholes Formel
führen.
Fairer Preis der Put Option:
Für die Ermittlung des fairen Preises einer Put Option stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung2.
-
Herleitung des Put Preises
-
Auflösen der Formel für die Put-Call-Parität nach dem Put Preis
In der Praxis wird gewöhnlich der Call Preis ermittelt und anschliessend der Preis des Puts
durch Auflösen der Put-Call-Parität Formel berechnet.
Bei den vorangegangenen Betrachtungen sind wir jeweils von Optionen ausgegangen, deren
Basistitel während der Laufzeit keine Dividenden ausschütten. Berücksichtigt man diese, so
vermindert sich der Wert der Call Option, und der Wert der Put Option wird sich dementsprechend erhöhen. Der Preis der Call Option kann nun wie folgt korrigiert werden: Man subtrahiert den Barwert der erwarteten Dividende vom aktuellen Kurswert.
Die vorzeitige Ausübung von amerikanischen Call Optionen, deren zugrundeliegenden Basistitel keine Dividende ausschütten, kann niemals rational begründet werden, weil man dabei den Zeitwert der Option verlieren würde. Will sich ein Anleger von seinen Optionen trennen, ist auf jeden Fall ein Verkauf vorzuziehen, da er sowohl den Zeitwert, als auch den in-
1
2
Vgl. Bernd Rudolph, Derivate Finanzinstrumente, Stuttgart 1995, S. 106
Vgl. Keith Redhaead, Financial Derivatives, Hertfordshire, 1997, S. 281
55
neren Wert der Aktie verkauft. In diesem Fall sind amerikanische und europäische Optionen
gleichzusetzen1.
Bei amerikanische Optionen mit Dividendenausschüttung würde eine vorzeitige Ausübung
Sinn machen, wenn der Verlust des inneren Wertes der Option den Zeitwert des Calls übersteigt. Im Falle einer nur einmaligen Dividendenzahlung bis zum Verfall der Option gibt es
somit zwei mögliche Ausübungszeitpunkte, nämlich kurz vor dem Ex-Datum und bei Verfall.
Man berechnet den Barwert der Aktien, korrigiert um die Dividende, zu beiden Zeitpunkten.
Dadurch erhalten wir zwei Optionspreise. Den höheren der beiden benutzen wir als den fairen Preis2. Auch hier würde der Anleger aber besser abschneiden, wenn er die Option statt
vorzeitig auszuüben verkaufen würde. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass man auch in
diesem Fall amerikanische und europäische Optionen gleichsetzen kann.
Die Berechnung des Optionspreises stellt wie eingangs des Kapitels erwähnt das „Pièce de
résistance“ dar. Selbst die nur rudimentäre mathematische Analyse der Black & Scholes
Formel bereitet den meisten Anlegern und Beratern Kopfschmerzen. Der beste Weg, das
Gefühl für die Formel zu bekommen, ist die praktische Anwendung.
5.8.
Zusammenfassung
Nach dem Durcharbeiten dieses Kapitel wird es dem Leser klar geworden sein, um was für
ein komplexes Anlageinstrument es sich bei der Option handelt. Auf mathematische und statistische Grundkenntnisse kann nicht verzichtet werden. Um langfristig erfolgreich zu sein,
müssen die verschiedenen Optionskennzahlen verstanden und richtig eingesetzt werden und
zwar jeweils in einer Gesamtbetrachtung. Die Betrachtung einer einzigen Kennzahl kann
zu Fehlentscheidungen führen, die unter Umständen mit grossen Verlusten verbunden
sind. Je nach dem was für eine Strategie verfolgt wird, kann sich jedoch das Schwergewicht
von der einen zur anderen Kennzahl verlagern.
1
2
Vgl. Keith Redhaead, Financial Derivatives, Hertfordshire, 1997, S. 276
Vgl. Keith Redhaead, Financial Derivatives, Hertfordshire, 1997, S. 278
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