2 Algebraische Grundstrukturen

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2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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8. November 2002
2
Algebraische Grundstrukturen
Definitionen. Eine binäre Operation (binary operation) oder zweistellige Verknüpfung auf
einer Menge M ist eine Abbildung
M × M −→ M , (m, n) 7−→ mn(= m · n = m + n) .
Eine binäre Operation auf der Menge M heißt
• assoziativ, wenn für alle m, n, p ∈ M gilt:
(mn)p = m(np) ;
• kommutativ, wenn für alle m, n ∈ M gilt:
mn = nm ;
Bezeichnungen. Eine binäre Operation wird
• additiv genannt, wenn sie kommutativ ist und durch das Pluszeichen symbolisiert wird:
mn = m + n ;
• multiplikativ genannt, wenn sie durch ein Malzeichen symbolisiert wird:
mn = m · n = m × n .
Eine Halbgruppe ist eine Menge H zusammen mit einer assoziativen binären Operation. Eine
Halbgruppe ist
• abelsch, wenn die Operation kommutativ ist, benannt nach Niels Henrik Abel, ∗
Findø (bei Stavanger) 5. Februar 1802, † Froland (bei Arundal) 6. April 1823; Statue von
Vigeland im Fogner–Park in Oslo.
Bezeichnungen. Eine Halbgruppe ist
• additiv, wenn die Operation additiv ist;
• multiplikativ, wenn die Operation multiplikativ ist.
Beispiele.
• Die Menge N der natürlichen Zahlen bildet zusammen mit der üblichen Addition eine
additive Halbgruppe, Bezeichnung (N, +).
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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• Die Menge N der natürlichen Zahlen bildet zusammen mit der üblichen Multiplikation
eine multiplikative abelsche Halbgruppe, Bezeichnung (N, ·).
• Ebenso bildet die Menge Z der ganzen Zahlen zusammen mit der üblichen Multiplikation
eine multiplikative abelsche Halbgruppe, Bezeichnung (Z, ·).
• Auch die zweielementige Menge {1, −1} zusammen mit der üblichen Multiplikation bildet
eine Halbgruppe. Im Fall endlicher Mengen verwendet man zur Darstellung der binären
Operation die sogenannte Verknüpfungstafel :
·
1 −1
1
1 −1
−1 −1
1
• Die Menge der stochastischen Matrizen der Dimension n bildet zusammen mit der Matrizenmultiplikation eine nichtkommutative Halbgruppe:
0, 8 0, 2
0, 1 0, 9
0, 18 0, 82
·
=
0, 7 0, 3
0, 5 0, 5
0, 22 0, 78
0, 1 0, 9
0, 8 0, 2
0, 71 0, 29
·
=
0, 5 0, 5
0, 7 0, 3
0, 75 0, 25
• Die Menge N der natürlichen Zahlen bildet zusammen mit der üblichen Potenzbildung
keine Halbgruppe. Es gilt zwar
(22 )2 = 42 = 16 = 24 = 2(2
2)
aber
3
(33 )3 = 39 6= 327 = 3(3 ) .
Das allgemeine Assoziativgesetz.
Jede binäre Operation läßt sich zu einer n-ären Operation erweitern (2 < n ∈ N):
m1 m2 m3 . . . mn = (. . . ((m1 m2 )m3 ) . . .)mn .
Satz. In den abgeleiteten n-ären Operationen einer Halbgruppe dürfen beliebig Klammern gesetzt werden:
m1 m2 m3 . . . mn = (m1 m2 . . . mk )(mk+1 . . . mn ) .
Demonstration eines Spezialfalles:
(m1 m2 )(m3 m4 ) = m12 (m3 m4 ) = (m12 m3 )m4 = ((m1 m2 )m3 )m4 = m1 m2 m3 m4 .
Das allgemeine Kommutativgesetz.
Satz. In den abgeleiteten n-ären Operationen einer abelschen Halbgruppe dürfen die Element
beliebig vertauscht werden:
m1 . . . mi . . . mj . . . mn = m1 . . . mj . . . mi . . . mn .
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Demonstration eines Spezialfalles:
m1 m4 m3 m2 = m1 (m4 (m3 m2 )) = m1 ((m3 m2 )m4 ) = m1 ((m2 m3 )m4 ) = m1 m2 m3 m4 .
Wenn immer man eine mathematische Struktur untersucht, interessiert sich nicht nur für die
einzelnen Objekte dieser Struktur, sondern man setzt die Objekte mit einander in Verbindung.
Im Falle von algebraischen Strukturen geschieht dies durch sogenannte strukturerhaltende Abbildungen.
Definition. Es seien G und H Halbgruppen. Eine Abbildung f : G −→ H (genau genommen
handelt es sich um eine Abbildung zwischen den zugehörigen Mengen) heißt Homomorphismus,
wenn sie mit den binären Operationen verträglich ist, das heißt, wenn für alle x, y ∈ G gilt:
f (xy) = f (x)f (y) .
⊂
Wortstamm griechisch: oµoι̃oς = ähnlich, gleichartig, µoρϕή = Gestalt, Form
Die Halbgruppe G ist die Quelle oder der Definitionsbereich (englisch: source oder domain)
des Homomorphismusses f , die Halbgruppe H das Ziel oder der Wertevorrat (englisch: target
oder codomain).
Beispiele.
• Die Multiplikation mit einer festen natürlichen Zahl ist wegen des Distributivgesetzes ein
Homomorphismus der additiven Halbgruppe der natürlichen Zahlen in sich selbst. Sei
a ∈ N festgegeben. Für die Abbildung
f : N −→ N , x 7−→ a · x
berechnen wir
f (x + y) = a · (x + y) = a · x + a · y = f (x) + f (y) .
Damit ist diese Abbildung ein Homomorphismus.
• Die Potenzbildung mit fester ganzzahliger Basis ist aufgrund der Potenzgesetze ein Homomorphismus von der additiven Halbgruppe der natürlichen Zahlen in die multiplikative
Halbgruppe der ganzen Zahlen. Sei dazu eine ganze Zahl a ∈ Z fest gegeben. Für die
Abbildung
f : N −→ Z , x 7−→ ax
berechnen wir
f (x + y) = ax+y = ax · ay = f (x) · f (y) .
Damit ist die Abbildung f ein Homomorphismus der beschriebenen Art. Hierbei interessieren einige Sonderfälle
– a = 0: Die Abbildung f ist konstant, das heißt, sie nimmt nur einen Wert an, den
Wert 0.
– a = 1: Die Abbildung f ist ebenfalls konstant mit dem Wert 1.
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– a = −1: Die Abbildung f nimmt nur die Werte 1 und -1 an. Sie läßt sich als
Homomorphismus (N, +) −→ ({1, −1}, ·) auffassen. Die geraden Zahlen werden auf
1, die ungeraden auf -1 abgebildet.
Definitionen und Bezeichnungen.
1. Ein neutrales Element für eine binäre Operation auf einer Menge M ist ein Element
e ∈ M , derart dass für alle m ∈ M gilt:
em = m = me .
Im Fall einer additiven Verknüpfung spricht man von einen Nullelement, bezeichnet durch
0, im Fall einer multiplikativen Verknüpfung vom Einselement, bezeichnet durch 1.
2. Eine Halbgruppe heißt Monoid, wenn ein neutrales Element existiert.
Satz. Zu einer binären Operation gibt es höchstens ein neutrales Element.
Beweis. Es sei e1 und e2 neutrale Elemente für eine binäre Operation auf der Menge M . Dann
gilt:
e1 = e1 e2
= e2
wegen der Neutralität von e2
wegen der Neutralität von e1 .
12. November 2002
Beispiele.
• Die Halbgruppe (N, +) ist kein Monoid, die Null fehlt. Durch Hinzunahme der Zahl 0
erhält man das additive Monoid (N0 , +).
• Die Halbgruppe (N, ·) ist ein abelsches Monoid mit der 1 als neutralem Element.
• Die Halbgruppe (Z, ·) ist ein abelsches Monoid mit der 1 als neutralem Element.
• Die Halbgruppe ({1, −1}, ·) ist ein Monoid.
• Die Halbgruppe der stochastischen Matrizen der Dimension n ist ein nichtabelsches Monoid mit dem Einselement En .
• Es sei M eine beliebige Menge. Die Menge aller Abbildungen f : M → M zusammen mit
der Verkettung ist ein (im allgemeinen nichtabelsches) Monoid mit der Identität
id M : M −→ M , m 7−→ m
als neutralem Element.
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Für den Vergleich von Monoiden hat man den folgenden Begriff.
Definition. Es seien G und H Monoide mit den neutralen Elementen eG und eH . Eine Abbildung f : G −→ H (genau genommen handelt es sich um eine Abbildung zwischen den
zugehörigen Mengen) heißt (Monoid)-Homomorphismus, wenn sie mit der binären Operation
verträglich ist und das neutrale Element erhält, das heißt, wenn zusätzlich gilt:
f (eG ) = eH .
Beispiele.
• Für jedes a ∈ N0 ist die Multiplikation mit a als Abbildung (N0 , +) → (N0 , +) ein
Monoidhomomorphismus:
f : N0 −→ N0 , x 7−→ a · x .
Es gilt ja immer a · 0 = 0.
• Durch die Festsetzung a0 = 1 für alle a ∈ Z wird die Potenzbildung mit der Basis a zu
einem Monoidhomomorphismus (N0 , +) → (Z0 , ·)
• Die Abbildung
f : (Z, +) −→ ({1, −1}, ·) , z 7−→
1, z gerade,
−1, z ungerade
ist ein Monoidhomomorphismus.
• Gegenbeispiel. Die einelementige Menge {0} zusammen mit der Operation 0 · 0 = 0 lässt
sich als Monoid mit dem neutralen Element 0 auffassen. Die Einbettung in (N0 , ·) ist ein
Homomorphismus, aber kein Monoidhomomorphismus.
Definitionen und Bezeichnungen.
1. Es sei M ein Monoid mit neutralem Element e. Ein Element b ∈ M heißt invers zu dem
Element a ∈ M , wenn gilt:
ab = e = ba .
In diesem Fall ist auch a invers zu b.
2. Ein Monoid heißt Gruppe, falls zu jedem Element ein Inverses existiert.
3. Eine Gruppe heißt abelsch, wenn die zugehörige Operation kommutativ ist.
4. Bezeichnungen: Eine Gruppe wird als
• multiplikativ bezeichnet, wenn die zugehörige Operation als Multiplikation geschrieben wird, und als
• additiv, wenn die zugehörige Operation als Addition geschrieben wird (nur bei abelschen Gruppen).
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5. Eine Gruppe heißt endlich, wenn sie nur endlich viele Elemente enthält. In diesem Fall
nennt man die Anzahl der Elemente die Ordnung der Gruppe.
Beispiele.
• Die Menge der natürlichen Zahlen einschließlich der Null zusammen mit der Addition,
also (N0 , +), ist keine Gruppe.
• Die Menge der natürlichen Zahlen einschließlich der Null zusammen mit der Multiplikation, also (N0 , ·), ist keine Gruppe.
• Die Menge der ganzen Zahlen zusammen mit der Addition, also (N0 , +) ist eine Gruppe.
• Die Menge B = { nz | z, n ∈ N} der Bruchzahlen (ohne Null) zusammen mit der Multiplikation, also (B, ·) ist eine Gruppe.
• Die Menge Q = { nz | z ∈ Z, n ∈ N} der rationalen Zahlen zusammen mit der Addition,
also (Q, +) ist eine Gruppe.
• Die Menge der rationalen Zahlen zusammen mit der Multiplikation ist keine Gruppe. Zur
Null gibt es kein inverses Element; durch Null kann nicht dividiert werden.
• Die Menge Q∗ = Q \ {0} der von Null verschiedenen rationalen Zahlen zusammen mit
der Multiplikation ist eine Gruppe.
• Analog hat man die additive Gruppe der reellen Zahlen und multiplikative Gruppe der
von Null verschiedenen reellen Zahlen.
• Die Menge der Kongruenzabbildungen der Ebene auf sich (Achsenspiegelungen, Drehung,
Verschiebungen, Schubspiegelungen) zusammen mit der Verkettung ist eine Gruppe.
• Jede einelementige Menge lässt sich auf genau eine Weise zu einer Gruppe machen.
• Das Paar ({1, −1}, ·) ist eine Gruppe mit zwei Elementen.
• Die Frage nach einer Gruppe mit drei Elementen e, a, b führt – wie wir gleich sehen
werden – auf die folgende notwendigerweise auf die folgende Verknüpfungstafel:
e
a
b
e
e
a
b
a
a
b
e
b
b
.
e
a
Das diese Operation assoziativ ist, kann man in endlich vielen Schritten (27 Gleichungen)
nachrechnen, ergibt sich aber auch aus einem allgemeinen Zusammenhang. Im wesentlichen gibt es nur eine Gruppe der Ordnung 3.
• Zunächst einige Begriffe im Zusammenhang mit Abbildungen. Es seien M und N beliebige
Mengen. Eine Abbildung f : M → N heißt
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– injektiv, wenn verschiedene Argumente verschiedene Werte haben:
m1 6= m2 =⇒ f (m1 ) 6= f (m2 ) ,
das bedeutet ein Element des Zieles höchstens ein Urbild hat;
– surjektiv, wenn jedes Element des Zieles mindestens ein Urbild hat;
– bijektiv, wenn sie injektiv und surjektiv ist; dann hat jedes Element des Zieles genau
ein Urbild, es gibt damit eine Umkehrabbildung f −1 : N → M mit den Eigenschaften
f −1 ◦ f = id M , f ◦ f −1 = id N .
Eine bijektive Abbildung einer Menge in sich selbst heißt Permutation. Die Permutationen
einer festen Menge bilden eine Gruppe mit der Identität als neutralem Element und den
Umkehrabbildungen als Inversen.
Für eine natürliche Zahl n betrachtet man die Gruppe der Permutationen der Menge
{1, 2, . . . , n}; sie heißt symmetrische Gruppe auf n Elementen und hat die Ordnung n!.
Diese Gruppe wird durch Sn bezeichnet und ihre Elemente werden häufig als Wertetabelle
in Form eine 2 × n-Matrix angegeben:
1
2
...
n
π=
.
π(1) π(2) . . . π(n)
Die Operation für Sn definieren wir definieren wir etwas abweichend vom üblichen, wir
nehmen die Verkettung in der umgekehrten Reihenfolge. Für π, % ∈ Sn setzen wir
π% = π % .
Das Symbol bedeutet nach den DIN-Normen, dass erst die links davon stehende Abbildung ausgeführt wird, und danach die rechts stehende:
π% = %◦π.
Beispiel:
1 2 3
2 3 1
1 2 3
3 2 1
=
1 2 3
2 1 3
Satz. Es sei M ein Monoid. Dann gilt:
1. Das neutrale Element ist zu sich selbst invers.
2. Zu jedem Element gibt es höchstens ein inverses Element.
Beweis. 1. ee = e nach der Definition des neutralen Elements.
2. Es seien b und c invers zu a. Dann berechnen wir:
b = be = bac = ec = c .
.
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Bezeichnungen. Im multiplikativen Fall schreibt man für das zu a inverse Element b = a−1 –
dann hat man auch a = b−1 – im additiven Fall b = −a, a = −b. Bei Verwendung der multiplikativen Schreibweise für ein abelsches Monoid verwendet man auch die Bruchschreibweise:
b=
1
c
, cb−1 = b−1 c = .
b
a
Bemerkungen. Eine Menge von geordneten Paaren aus Elementen einer Menge M heißt
zweistellige Relation auf M . Ein bekanntes Beispiel ist die Größer-Relation auf R:
{(a, b) ∈ R2 | a > b} .
Bei einem Monoid M bildet die Menge
{(a, b) ∈ M | b invers zu a}
eine zweistellige Relation auf M , und zwar eine symmetrische Relation: Wenn ein Paar (a, b)
zu der Relation gehört, dann gehört auch das Paar (b, a) zu der Relation.
Eine wichtige Eigenschaft für Relationen ist außerdem die Reflexivität. Sie besagt, dass jedes
Element zu sich selbst in Relation steht. Die Relation invers zu“ bei einer Gruppe ist im
”
allgemeinen nicht reflexiv. Sie würde bedeuten, dass jedes Element zu sich selbst invers ist. Das
ist bei der angegebenen Gruppe aus zwei Elementen zwar der Fall, aber nicht bei der Gruppe
aus drei Elementen.
15. November 2002
Es gibt jedoch eine Gruppe der Ordnung 4, deren Elemente alle zu sich selbst invers sind:
G = {(±1, ±1)} zusammen mit der komponentenweisen Multiplikation. Die Verknüpfungstafel
läßt sich leicht berechnen.
·
(1, 1)
(1,−1) (−1, 1) (−1,−1)
(1, 1)
(1, 1)
(1,−1) (−1, 1) (−1,−1)
(1,−1)
(1,−1)
(1, 1) (−1,−1) (−1, 1) .
(−1, 1) (−1, 1) (−1,−1)
(1, 1)
(1,−1)
(−1,−1) (−1,−1)
(1,−1) (−1, 1)
(1, 1)
Allgemein kann man beweisen, dass die Ordnung einer endlichen Gruppe, in der jedes Element
zu sich selbst invers ist, eine Potenz von 2 ist.
Allgemein heißt ein zu sich selbst inverses Element in einem Monoid Involution. In der Gruppe der Kongruenzabbildungen der euklidischen Ebene sind die Achsenspiegelungen und die
Punktspiegelungen (= Drehung um 180◦ ) Involutionen. Da sich jede Kongruenzabbildung als
Verkettung von höchstens drei Achsenspiegelungen darstellen lässt, wird die Gruppe der Kongruenzabbildungen von ihren Involutionen erzeugt.
In der Gruppe der Permutationen einer Menge sind die Transpositionen, die Permutationen, die
genau zwei Elemente vertauschen, Involutionen. Ist die Menge endlich, so ist jede Permutation
als Verkettung von Transpositionen darstellbar, das heißt, die symmetrische Gruppe Sn wird
ebenfalls von Involutionen erfolgt.
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Der Satz besagt, dass man bei einer Gruppe G neben der definierenden binären Operation noch
eine einstellige Operation, die Inversenbildung zur Verfügung hat:
G −→ G , a 7−→ a−1
in der multiplikativen Schreibweise. In diesem Zusammenhang kann man die Existenz des eindeutig bestimmten neutralen Elements auch noch als nullstellige Operation auffassen.
Als Rechenregel halten wir noch fest:
(a−1 )−1 = 1 .
Da der Gruppenbegriff eine der wichtigsten Strukturen der Mathematik überhaupt beschreibt,
soll er im folgenden noch genauer analysiert werden. Dabei verwenden wir, wenn nichts anderes
explizit gesagt wird, die multiplikative Schreibweise.
Satz. In einer Gruppe haben alle Gleichungen eine eindeutige Lösung. Genauer: Sind a, b, c
beliebige Elemente einer Gruppe, so gibt es eindeutig bestimmte Elemente x, y in der Gruppe,
derart dass gilt:
ay = c ,
xb = c .
Beweis. Es sind Existenz und Eindeutigkeit von x und y zu zeigen.
x: Zur Existenzbeweis machen wir den Ansatz: x = c · b−1 und berechnen
(c · b−1 ) · b = c · (b−1 · b) = c · 1 = c ;
also ist diese x tatsächlich eine Lösung. Ist d eine weitere Lösung der zweiten Gleichung, gilt
also auch d · b = c, so berechnen wir:
d = d · 1 = d · (b · b−1 ) = (d · b) · b−1 = c · b−1 ;
das ergibt die Eindeutigkeit.
Analog beweist man, dass a−1 · c die eindeutig bestimmte Lösung der ersten Gleichung ist. Als Folgerung aus diesem ergeben sich die Kürzungsregeln.
Für Elemente a, b1 , b2 einer Gruppe gilt:
ab1 = ab2 =⇒ b1 = b2 (Linkskürzungsregel) ,
b1 a = b2 a =⇒ b1 = b2 (Rechtskürzungsregel) .
Beweis. Wir setzen im ersten Fall c = ab1 = ab2 . Da die Gleichung ay = c nur eine Lösung hat,
ist b1 = b2 . Der zweite Fall lässt sich analog behandeln.
Daraus erhält man auch eine wichtige Rechenregel:
Für Elemente a, b einer Gruppe gilt:
(a · b)−1 = b−1 · a−1 .
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Beweis. Wir berechnen
(a · b) · (a · b)−1 = 1 = a · a−1 = a · 1 · a−1 = a · b · b−1 · a−1 = (a · b) · (b−1 · a−1 ) .
Aus der Linkskürzungsregel folgt die Behauptung.
Bemerkung. Ein Element eines Monoids heißt invertierbar, wenn es ein Inverses besitzt. Die
eben durchgeführte Rechnung zeigt, dass das Produkt von invertierbaren Elementen in einem
Monoid auch invertierbar ist. Damit bilden die invertierbaren Elemente eines Monoid bezüglich
der induzierten Operation eine Gruppe. So bilden die invertierbaren quadratischen Matrizen
eine Gruppe in dem multiplikativen Monoid der quadratischen Matrizen der Dimension n. Diese
Gruppe heißt allgemeine lineare Gruppe und wird durch GL(n; R) bezeichnet.
Homomorphismen zwischen Gruppen haben eine besonders schöne Eigenschaft.
Satz. Es seien G und H Gruppen und f : G → H ein Homomorphismus, das heißt, eine mit
der Operation verträgliche Abbildung. Dann ist f auch mit dem neutralen Element und der
Inversenbildung verträglich.
Beweis. Wir verwenden die multiplikative Schreibweise für die Operation und berechnen in H:
f (1) · f (1) = f (1 · 1) = f (1) = 1 · f (1) .
Aus der Rechtskürzungsregel folgt nun: f (1) = 1.
Weiter berechnen wir für beliebiges a ∈ G:
f (a) · f (a−1 ) = f (a · a−1 ) = f (1) = 1 = f (a) · (f (a))−1 .
Aus der Linkskürzungsregel folgt nun: f (a−1 ) = (f (a))−1 .
Beispiele.
• Eine Matrix A ∈ Rm,n als Abbildung Rn → Rm aufgefasst ist ein Homomorphismus
zwischen den zugehörigen additiven Gruppen.
• Die Exponentialfunktion lässt sich als Homomorphismus von der additiven Gruppe R in
die multiplikative Gruppe R∗ auffassen:
exp : (R, +) −→ (R∗ , ·) , x 7−→ ex .
• Die schon betrachtete Abbildung
f : (Z, +) −→ ({1, −1}, ·) , z 7−→
1, z gerade,
−1, z ungerade
ist ein Homomorphismus.
Definition. Eine Teilmenge U einer Gruppe G heißt Untergruppe von G, wenn sie gegenüber
den Operationen abgeschlossen ist, das heißt, wenn gilt:
• a, b ∈ U =⇒ a · b ∈ U , U ist eine Unterhalbgruppe;
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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• 1 ∈ U , wenn dies zusätzlich zu der ersten Eigenschaft gilt, ist U ein Untermonoid;
• a ∈ U =⇒ a−1 ∈ U .
Eine Untergruppe bildet mit den induzierten Operationen selbst eine Gruppe.
Beispiele.
• Die Menge, die nur aus dem neutralen Element besteht, ist immer Untergruppe der zugehörigen Gruppe. Ebenso ist die ganze Gruppe Untergruppe von sich selbst. Diese beiden
Untergruppen, die es zu jeder Gruppe gibt, heißen triviale Untergruppen.
• Die Menge 2Z der geraden Zahlen ist einer Untergruppe der additiven Gruppe Z.
• Allgemeiner ist für jedes n ∈ N die Menge nZ der durch n teilbaren ganzen Zahlen eine
Untergruppe der additiven Gruppe Z. Dabei gilt
1Z = Z .
• Die Menge B der Bruchzahlen ist eine Untergruppe der multiplikativen Gruppe Q∗ .
• Die Menge R∗+ der positiven reellen Zahlen ist eine Untergruppe der multiplikativen Gruppe R∗ .
• Die Mengen der Diagonalmatrizen, der oberen und unteren Dreiecksmatrizen sind Untergruppen der additiven Gruppe der quadratischen Matrizen der Dimension n (für alle
n ∈ N).
19. November 2002
• Die Menge der Diagonalmatrizen, deren Diagonalelemente alle von Null verschieden sind,
ist eine Untergruppe der allgemeine linearen Gruppe GL(n; R) (für alle n ∈ N).
• Die Menge der Verschiebungen (Translationen) ist eine Untergruppe der Gruppe der Kongruenzabbildungen der euklidischen Ebene.
• Die Menge der Vielfachen eines n-Tupels reeller Zahlen ist ein Untervektorraum von Rn :
{t · (r1 , r2 , . . . , rn ) | t ∈ R}
für festes (r1 , r2 , . . . , rn ) ∈ Rn .
• Die Untergruppen der symmetrischen Gruppe S3 .
Die Elemente einer symmetrischen Gruppe Sn können abgekürzt durch die Zykelschreibweise angegeben werden: Ein k-Tupel (k ≤ n) (a1 , a2 , . . . , ak ) von paarweise verschiedenen
Elementen der Menge {1, 2, . . . , n} beschreibt die Permutation, die gegeben ist durch
aj −
7 → aj+1
für j ∈ {1, 2, . . . k − 1}
ak −
7 → a1
p 7−→ p
für p 6∈ {a1 , a2 , . . . , ak }
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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Eine solche Permutation heißt Zykel, man sagt, dass die Elemente a1 , a2 , . . . , ak zyklisch
vertauscht werden. Die Zahl k ∈ N heißt Länge des Zykels. Zykel der Länge 1 beschreiben
die Identität, das neutrale Element der symmetrischen Gruppe Sn . Zykel der Länge 2
sind gerade die Transpositionen. Jede Permutation lässt sich in eine Verkettung paarweise disjunkter Zykel zerlegen. Diese Zerlegung ist bis auf die Reihenfolge eindeutig. Das
Produkt paarweise disjunkter Zykel hängt nicht von der Reihenfolge ab. Zykel der Länge
1 werden dabei normalerweise nicht mit angeschrieben. Ausnahme: die Identität wird in
der Zykelschreibweise durch (1) symbolisiert.
Für die Elemente der symmetrischen Gruppe S3 haben wir die folgende Zykeldarstellung:
1 2 3
1 2 3
1 2 3
2 1 3
=(1),
1 2 3
2 3 1
=(12),
1 2 3
3 2 1
=(123),
1 2 3
3 1 2
=(132),
=(13),
1 2 3
1 3 2
=(23).
Man findet die folgenden Untergruppen
Ordnung Untergruppen
1
{(1)}
2
{(1), (12)}, {(1), (13)}, {(1), (23)}
3
{(1), (123), (132)}
6
S3
Definitionen und Bezeichnungen. Es seien G eine Gruppe und U ein Untergruppe von G.
Für beliebiges g ∈ G heißt die Menge
gU = {gu | u ∈ U }
Linksnebenklasse von U in G, die Menge
U g = {ug | u ∈ U }
Rechtsnebenklasse von U in G. Ist G abelsch, so stimmen Links- und Rechtsnebenklassen überein. Im additiven Fall schreibt man dann auch g+U . Wir bemerken, dass auch die Untergruppe
U selbst eine Nebenklasse ist: für g ∈ U ist gU = U g = U .
Beispiele.
• Wir nehmen G = (R2 , +) und U = {(r, r) | r ∈ R}; geometrisch ist G eine Ebene mit einem kartesischen Koordinatensystem und U die Winkelhalbierende des ersten Quadraten.
Mit Hilfe von g = (0, 1) erhalten wir die Nebenklasse
g + U = {(r, r + 1) | r ∈ R} ,
das ist die Parallele zu U durch den Punkt (0,1), das heißt, die Gerade mit der Gleichung
y = x + 1. Die Menge aller Nebenklassen von U ist gerade die Menge aller Parallelen zu
der Winkelhalbierenden.
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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• Wir nehmen G = S3 und zunächst U = {(1), (12)}. Wir finden die folgenden Nebenklassen:
g
gU
Ug
(1)
(1)
(12)
(123) {(123), (23)} {(123), (13)},
(132) {(132), (13)} {(132), (23)}.
Nehmen wir als U jedoch die einzige Untergruppe der Ordnung 3, das heißt, U =
{(1), (123), (132)}, so führt jedes g 6∈ U zu derselben (Rechts- und Links-) Nebenklasse:
gU = U g = {(12), (13), (23)} .
Definition. Eine Menge T von Teilmengen einer Menge M heißt Zerlegung oder Partition
(englisch: partition) von M , wenn aus lauter nichtleeren Teilmengen besteht und jedes Element
von M zu genau einer Teilmenge in T gehört, formaler:
1. A 6= ∅ für alle A ∈ T ;
S
2. M = T ;
3. Für alle A, B ∈ T mit A 6= B gilt A ∩ B = ∅.
Die Bedingung 3. lässt sich auch folgendermaßen formulieren:
3∗. Für alle A, B ∈ T mit A ∩ B 6= ∅ gilt A = B.
Satz. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Die Menge der Linksnebenklassen
von U bildet eine Partition von G, ebenso die Menge der Linksnebenklassen.
Beweis. Wir verifizieren die Bedingungen 1., 2. und 3∗. für die Menge der Linksnebenklassen.
1. Wegen g = g · 1 ∈ gU ist gU 6= ∅, für alle g ∈ G.
2. Wegen g = g · 1 ∈ gU für alle g ∈ G ist
G=
[
gU .
g∈G
3∗. Es sei g1 U ∩ g2 U 6= ∅. Wir finden und wählen ein g0 ∈ g1 U ∩ g2 U .
• Aus g0 ∈ g1 U folgt g0 = g1 u1 für ein u1 ∈ U .
• Aus g0 ∈ g2 U folgt g0 = g2 u2 für ein u2 ∈ U .
Beides zusammen ergibt:
g1 u1 = g2 u2 ,
g1 = g2 u2 u−1
1 ,
g2 = g1 u1 u−1
2 .
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
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Zu zeigen ist: g1 U = g2 U .
⊂“: Sei g = g1 u ∈ g1 U gegeben. Dann berechnen wir:
”
−1
g = g2 u2 u−1
1 u = g2 (u2 u1 u) ∈ g2 U ,
denn U ist Untergruppe und gehört das aus Elementen von U gebildete Element u2 u−1
1 u
auch zu U .
⊃“: Sei g = g2 u ∈ g2 U gegeben. Dann berechnen wir:
”
−1
g = g1 u1 u−1
2 u = g1 (u1 u2 u) ∈ g1 U ,
denn U ist Untergruppe und gehört das aus Elementen von U gebildete Element u1 u−1
2 u
auch zu U .
Satz. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Alle (Links- und Rechts-)
Nebenklassen von U in G sind gleichmächtig zu U . Ist U endlich, so haben alle Nebenklassen
die gleiche Zahl von Elementen.
Beweis. Zwei Mengen sind bekanntlich gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung zwischen
ihnen gibt. Für jedes g ∈ G besitzt die Abbildung
f : U −→ gU , u 7−→ gu
eine Umkehrabbildung. Um das einzusehen, bemerken wir, dass für jedes v = gu ∈ gU gilt:
g −1 v = g −1 gu = u ∈ U . Damit definiert die Zuordnung v 7→ g −1 v eine Abbildung h : gU → U .
Wir berechnen:
h ◦ f (u) = h(gu) = g −1 gu = u für alle u ∈ U , also h ◦ f = id U , und
f ◦ h(v) = f (g −1 v) = gg −1 v = v für alle v ∈ gU , also f ◦ h = id gU .
Damit ist h Umkehrabbildung zu f und folglich ist f bijektiv.
Folgerung. Satz von Lagrange oder Euler-Lagrange.
Joseph Louis Lagrange, ∗ Turin 25. 1. 1736, † Paris 10. 4. 1813, 1755 – 1766 Professor für
Geometrie an der Königlichen Artillerieschule in Turin, 1766 – 1787 Präsident der Preußischen
Akademie der Wissenschaften in Berlin, 1787 – 1813 Mitglied der Französischen Akademie
der Wissenschaften, in der Revolutionszeit Mitglied der Belohnungskommission für nützliche
Erfindungen und Mitvorsteher der Münze1 .
Leonhard Euler, ∗ Basel 15. 4. 1707, † St. Petersburg 18. 9. 1783, 1731 – 1741 sowie 1766
– 1783 Professor für Mathematik an der Akademie in St. Petersburg, 1741 – 1766 Mitglied
der Preußischen Akademie der Wissenschaften, aber 1759 amtierender Präsident, der wohl
produktivste Mathematiker aller Zeiten, die vielbändige Gesamtausgabe seiner Schriften ist
noch lange nicht abgeschlossen.
Die Ordnung einer Untergruppe U einer endlichen Gruppe G ist ein Teiler der Ordnung der
Gruppe G:
|G|/|U | ∈ N .
1
siehe: Fritz Schmidt: 200 Jahre französische Revolution – Problem und Satz von Napoleon mit Variationen,
Seiten 15-29 in: Didaktik der Mathematik, Band 18, Heft 1 (1990).
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
15
Beweis. Wir wählen g1 ∈ U . Dann gilt U = g1 U . Ist U = G, so sind wir fertig, dann ist
auch |U | = |G| und |G|/|U | = 1 ∈ N. Andernfalls wählen wir der Reihe nach g2 ∈ G \ g1 U ,
g3 ∈ G \ (g1 U ∪ g2 ), g4 ∈ G \ (g1 U ∪ g2 ∪ g3 ), . . .
Da die Gruppe G endlich ist, muss das Verfahren nach endlich vielen Schritten abbrechen, mit
der Wahl eines Elementes gk , k ∈ N, derart dass gilt
G=
k
[
gj U .
j=1
Graphisch:
U=
g3 U g2 U g1 U | U |
......
gk U
| G|
k
Da die Mengen, die diese Vereinigung bilden, paarweise disjunkt sind, ist die Anzahl der Elemente der Vereinigung gleich der Summe der Anzahlen der einzelnen Teilmengen:
|G| =
k
X
j=1
Satz
|gj U | =
k
X
|U | = k · |U | ,
j=1
woraus sich die Behauptung:
|G|/|U | = k ∈ N
unmittelbar ergibt.
22. November 2002
Die Zahl k im Beweis des Satzes von Lagrange ist sowohl die Anzahl der Linksnebenklassen als
auch die Anzahl der Rechtsnebenklassen. Sie berechnet sich als Quotient aus den Ordnungen
der Gruppe und der betrachteten Untergruppe. Dies motiviert die folgenden
Bezeichnungen und Sprechweisen. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von
G. Wir bezeichnen die Menge der Linksnebenklassen von U in G mit G/U , die Menge der
Rechtsnebenklassen mit U \G. Für endliches G gilt dann
|G/U | = |G|/|U | = |U \G| .
Jede Nebenklasse V ist die Angabe eines ihrer Elemente g festgelegt, sie wird durch das Element
g repräsentiert. Ein Element g ∈ V heißt Repräsentant für V = gU .
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
16
Ist die Gruppe G abelsch und damit die Unterscheidung zwischen Links- und Rechtsnebenklassen unnötig, so bezeichnen wir die von einem Gruppenelement g repräsentierte Nebenklasse,
auch kürzer mit [g] oder ḡ.
Es stellt sich die Frage, wann zwei Elemente die gleiche (Links- oder Rechts-) Nebenklasse
repräsentieren.
Lemma. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Dann gilt für alle
g1 , g2 ∈ G:
g1 U = g2 U ⇐⇒ g2−1 g1 ∈ U
U g1 = U g2 ⇐⇒ g1 g2−1 ∈ U
(⇐⇒ g1−1 g2 ∈ U ) ,
(⇐⇒ g2 g1−1 ∈ U ) .
Beweis. Wir weisen die Behauptung für die Linksnebenklassen nach, für die Rechtsnebenklassen ergibt sie sich analog.
=⇒“: Aus g1 U = g2 U folgt zunächst g1 ∈ g2 U , das heißt, g1 = g2 u für ein u ∈ U . Multiplikation
”
von links mit g2−1 ergibt g2−1 g1 = g2−1 g2 u = u ∈ U .
⇐=“: Es sei g2−1 g1 = u1 ∈ U , das heißt, g1 = g2 u1 mit u1 ∈ U . Dann gilt für ein beliebiges
”
Element g1 u ∈ g1 U auch g1 u = g2 u1 u = g2 (u1 u) ∈ g2 U . Also haben wir g1 U ⊂ g2 U . Für die
umgekehrte Inklusion setzen wir
−1
u2 = u−1
1 = g1 g2
und erhalten g2 = g1 u2 mit u2 ∈ U . Der Rest folgt analog.
bf Bemerkung. Im den additiven Fall liegen zwei Elemente genau dann in der gleichen Nebenklasse, wenn ihre Differenz zu U gehört:
a1 + U = a2 + U ⇐⇒ a1 − a2 = a1 + (−a2 ) ∈ U .
Vorbemerkung zum nächsten Satz. Selbstverständlichkeiten für endliche Mengen sind im
unendlichen Fall nicht allgemein richtig. Ist etwa eine Teilmenge U einer endlichen Menge M
gleichmächtig zu der ganzen Menge, so ist die Teilmenge gleich der ganzen Menge: U = M . Im
unendlichen Fall ist etwa 2Z, die Menge der geraden Zahlen, gleichmächtig zur Menge Z aller
ganzen Zahlen, aber nicht gleich der Menge Z. So folgt der nächste Satz für endliche Gruppen
aus der Tatsache, dass die Anzahl der Linksnebenklassen nach dem bisher bewiesenen gleich
dem Quotienten aus Ordnung der Gruppe und der Ordnung der Untergruppe ist, und dass
dasselbe auch für die Anzahl der Rechtsnebenklassen gilt.
Satz. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Die Mengen der Linksnebenklassen und der Rechtsnebenklassen sind gleichmächtig.
Beweis. Wir zeigen, dass die Abbildung
f : G/U −→ U \G , gU 7−→ U g −1
wohldefiniert ist und eine Umkehrabbildung besitzt.
wohldefiniert“:
”
g1 U = g2 U =⇒ g2−1 g1 ∈ U =⇒ g2−1 (g1−1 )−1 ∈ U =⇒ U g1−1 = U g2−1 .
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
17
Offensichtlich definiert nun die Zuordnung U g 7→ g −1 U eine Umkehrabbildung zu f . Damit ist
f auch als bijektiv erkannt.
Folgerung und Definition. Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Ist
G/U eine endliche Menge, so auch U \G und umgekehrt. In diesem Fall haben beide Mengen
die gleiche Anzahl von Elementen. Diese Anzahl heißt Index von U in G. Dabei braucht die
Gruppe G selbst nicht endlich zu sein.
Beispiel. Für n ∈ N \ {1} hat die Untergruppe U = nZ in der additvien Gruppe G = (Z, +)
den Index n. Das folgt aus den Regeln für die Division mit Rest: Zu jeder ganzen Zahl z gibt
es genau ein Paar (q, r) mit q ∈ Z, r ∈ {0, 1, ..., n − 1} und z = n · q + r, das heißt, z ∈ r + U .
Das bedeutet, die Nebenklassen von U in G sind die n Mengen U , 1 + U , 2 + U , . . . , n − 1 + U .
Die Nebenklasse r + U besteht genau aus den Zahlen, die bei der Division mit Rest den Rest
r ergeben. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auf häufig von Restklassen anstelle
von Nebenklassen.
Zur Erkennung von Untergruppen dient häufig das
Untergruppenkriterium. Eine Menge U von Elementen einer Gruppe G ist genau dann eine
Untergruppe, wenn U nicht leer und abgeschlossen gegenüber Quotienten ist, das heißt, wenn
die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
• U 6= ∅,
• a, b ∈ U =⇒ a · b−1 ∈ U .
Beweis. ⇒“: Ist U Untergruppe von G, so haben wir 1 ∈ U , also U 6= ∅. Weiter gilt für a,
”
b ∈ U wegen der Abgeschlossenheit von U gegenüber der Inversenbildung b−1 ∈ U und wegen
der Abgeschlossenheit gegenüber der Multiplikation auch a · b−1 ∈ U .
⇐“: Da U nach Voraussetzung nicht leer ist, finden wir ein Element a0 ∈ H. Die angegebene
”
−1
Bedingung liefert dann zunächst 1 = a0 · a−1
= 1 · b−1 ∈ U für alle b ∈ H und
0 ∈ U , dann b
schließlich a · b = a · (b−1 )−1 ∈ U für alle a, b ∈ H. Also ist H abgeschlossen gegenüber der
Multiplikation.
Definitionen und Bezeichnungen. Es seien G und H Gruppen, sowie f : G → H ein
Homomorphismus. Die Menge
ker f = {a ∈ G | f (a) = 1}
heißt Kern von f , die Menge
im f = {c ∈ H | es gibt ein a ∈ G mit f (a) = c}
heißt Bild von f .
Satz. Kerne und Bilder von Homomorphismen sind Untergruppen der Quelle beziehungsweise
des Zieles des jeweiligen Homomorphismus.
Beweis. Es seien G und H Gruppen, sowie f : G → H ein Homomorphismus. Wir verwenden
das Untergruppenkriterium.
• f (1) = 1 ⇒ 1 ∈ ker f ⇒ ker f 6= ∅,
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
• a, b ∈ ker f ⇒
18
f (a · b−1 ) = f (a) · f (b−1 ) = 1 · (f (b))−1 = 1 · 1 = 1
⇒ a · b−1 ∈ ker f .
Also ist ker f Untergruppe der Gruppe G.
• f (1) = 1 ⇒ 1 ∈ im f ⇒ im f 6= ∅,
• c, d ∈ im f ⇒ Wir finden Elemente a, b ∈ G mit f (a) = c und f (b) = d. Damit berechnen
wir
f (a · b−1 ) = f (a) · f (b−1 ) = c · (f (b))−1 = c · d−1
⇒ c · d−1 ∈ im f .
Damit ist im f Untergruppe der Gruppe H.
Beispiele.
• Der Kern des zu einer Matrix A ∈ Rm,n gehörenden Homomorphismus ist die Lösungsmenge des zugehörigen homogenen Gleichungssystems; diese ist – wie im 1. Kapitel festgestellt
– eine Untergruppe der additiven Gruppe Rn . Das inhomogene Gleichungssystem Ax = b
ist genau dann lösbar, wenn b zum Bild der Abbildung gehört.
• ker exp = {0}, im exp = R∗+ .
• Für die Abbildung
f : (Z, +) −→ ({1, −1}, ·) , z 7−→
1, z gerade,
−1, z ungerade
gilt:
ker f = 2Z , im f = {1, −1} .
Die Abbildung ist surjektiv.
• Ist U eine Untergruppe der Gruppe G, so ist U zusammen mit der induzierten Operation
selbst eine Gruppe. Die Einbettung
U −→ G , a 7−→ a
ist ein Homorphismus, dessen Kern nur aus dem neutralen Element besteht und dessen
Bild die Menge U selbst ist. Damit ist jede Untergruppe Bild eines Homomorphismus.
Die Bedeutung des Kerns liegt zum Teil in der folgenden Aussage.
Lemma. Ein Homomorphismus ist genau dann injektiv, wenn sein Kern nur aus dem neutralen
Element besteht.
Beweis. Es seien G und H Gruppen, sowie f : G → H ein Homomorphismus. Es ist
f injektiv ⇐⇒ ker f = {1}
zu zeigen.
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
19
=⇒“: Da f injektiv ist, ergibt sich für g ∈ G aus f (g) = 1 = f (1) unmittelbar g = 1, also
”
ker f = {1}
⇐=“: Wir berechnen für g1 , g2 ∈ G mit f (g1 ) = f (g2 ):
”
f (g1 · g2−1 ) = f (g1 ) · (f (g2 ))−1 = f (g1 ) · (f (g1 ))−1 = 1 ,
also g1 ·g2−1 ∈ ker f . Da nach Voraussetzung ker f = {1} ist, folgt g1 ·g2−1 = 1, das heißt, g1 = g2 .
Das liefert die Injektivität des Homomorphismus f .
26. November 2002
Das Lemma besagt, dass ein Homomorphismus bereits dann injektiv ist, wenn das Urbild des
neutralen Elements nur ein Element enthält. Dann enthält das Urbild jedes Elements des Zieles
(des Wertevorrats) höchstens ein Element. Diese Tatsache wird durch Bezeichnungen und ein
weiteres Lemma präzisiert.
Bezeichnungen. Für eine Abbildung f : g → H schreiben wir
• f −1 (h) = {g ∈ G | f (g) = h} für alle h ∈ H und
• f −1 (V ) = {g ∈ G | f (g) ∈ V } für alle V ⊂ H.
Ist f ein Homomorphismus zwischen Gruppen, so ist in dieser Symbolik
ker f ) = f −1 (1) .
Lemma. Es seien G und H Gruppen, sowie f : G → H ein Homomorphismus. Dann gilt für
alle h ∈ H:
f −1 (h) 6= ∅ =⇒ f −1 (h) (Links- und Rechts-) Nebenklasse von ker f .
Beweis. Es sei für ein h ∈ H das Urbild f −1 (h) 6= ∅. Wir wählen ein g0 ∈ f −1 (h) und behaupten:
g0 ker f = f −1 (h) = ker f g0 .
Zum Nachweis genügt aus Symmetriegründen die erste Gleichung zu beweisen.
⊂“: Für alle u ∈ ker f berechnen wir:
”
f (g0 · u) = f (g0 ) · f (u) = h · 1 = h ,
also g0 · u ∈ ker f . Das bedeutet g0 ker f ⊂ f −1 (h).
⊃“: Für alle g ∈ f −1 (h) berechnen wir:
”
f (g0−1 · g) = f (g0 )−1 · f (g) = h−1 · h = 1 ,
also g0−1 · g = u ∈ ker f und damit g = g0 · u ∈ g0 ker f .
An dieser Stelle sind einige Vokabeln zu lernen.
Definitionen. Es seien G und H Gruppen. Ein Homomorphismus f : G → H heißt
• Monomorphismus, falls f injektiv ist (⇐⇒ ker f = {1});
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
20
• Epimorphismus, falls f surjektiv ist (⇐⇒ im f = H);
• Isomorphismus, falls er Mono- und Epimorphismus ist;
• Endomorphisus, falls G = H;
• Automorphismus, falls er ein Endo- und Isomorphismus ist.
Nun stellt sich die Frage treten alle Untergruppen einer Gruppe auch als Kerne von Homomorphismen auf? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Sie lautet auch nicht allgemein
ja“.
”
Beispiel. Wir betrachten die additive Gruppe (Z, +) der ganzen Zahlen. Ihre Untergruppen
sind die Mengen nZ, für alle n ∈ N0 , wobei 0Z = {0} und 1Z = Z die trivialen Untergruppen
sind.
Nachweis, dass (Z, +) keine weiteren Untergruppen besitzt, das heißt, dass jede Untergruppe
von der Form nZ für ein n ∈ N0 ist. Es sei U eine beliebige Untergruppe von (Z, +). O.B.d.A.
können wir annehmen, dass U keine triviale Untergruppe ist. Dann enthält U von Null verschiedene Elemente. Da U Untergruppe, also abgeschlossen gegenüber der Inversenbildung ist,
muss U auch positive Elemente, also natürliche Zahlen enthalten. Wir setzen
n = min U ∩ N = min{m ∈ N | m ∈ U }
und behaupten:
nZ = U !
⊂“: Zunächst beweisen wir durch vollständige Induktion: n · q ∈ U für alle q ∈ N:
”
Induktionsanfang bei q = 1: Nach der Definition von n ist n · 1 = n ∈ U .
Induktionsschluss: Ist n·q ∈ U , so ist wegen der Abgeschlossenheit von U bezüglich der Addition
auch n · (q + 1) = n · q + n · 1 = n · q + n ∈ U .
Da U das neutrale Element enthält, folgt weiter n · 0 = 0 ∈ U , und, da U abgeschlossen
gegenüber der Inversenbildung ist, haben wir schließlich auch n · (−q) = −n · q ∈ U für alle
q ∈ N.
⊃“: Es sei u ∈ U gegeben. Die Division mit Rest liefert ein Paar (q, r) ∈ Z × {0, 1, 2, . . . , n − 1}
”
mit u = n · q + r. Aufgrund des bereits bewiesenen ist n · q ∈ U . Da U Untergruppe ist, ist dann
auch r = u − n · q ∈ U . Nach der Definition von n gilt aber {1, 2, . . . , n − 1} ∩ U = ∅, also ist
r = 0 und damit u = n · q ∈ nZ.
Damit ist gezeigt, dass die additive Gruppe (Z, +) der ganzen Zahlen nur die angegebenen
Untergruppen besitzt.
• Die triviale Untergruppe {0} ist Kern des durch die Identität id Z beschriebenen Homomorphismus.
• Die triviale Untergruppe Z ist Kern des konstanten Homomorphismus
Z −→ {0} , z 7−→ 0 .
• Für n > 1 ist nZ Kern des in den Übungen betrachteten Homomorphismus
Z −→ Z/nZ = Zn , z 7−→ z̄ ,
der jeder ganzen Zahl z ihre Restklasse modulo n“ zuordnet.
”
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
21
Dieses Bespiel lässt sich verallgemeinern. Zur Vorbereitung beweisen wir noch das folgende
Lemma. Das Bild eines Homomorphismus, dessen Quelle eine abelsche Gruppe ist, ist als
Gruppe aufgefasst, selbst abelsch (unabhängig davon, ob das Ziel des Homomorphismus abelsch
ist).
Beweis. Es seien G und H Gruppen, G abelsch, sowie f : G → H ein Homomorphismus. Dann
gilt für c und d ∈ im f :
c = f (a) , d = f (b) =⇒ cd = f (a)f (b) = f (ab) = f (ba) = f (b)f (a) = dc .
Satz. Jede Untergruppe einer abelschen Gruppe ist Kern eines Homomorphismus.
Beweis. Es seien o.B.d. A. A eine additive Gruppe und U eine Untergruppe von A. Aufgrund
des Hilfssatzes genügt es eine additive Gruppe C und einen Homomorphismus f : A → C mit
ker f = U zu konstruieren.
Als Elemente von C nehmen wir die Menge A/U der Nebenklassen von U in A.
Jetzt ist die Addition zu definieren.
Sind V und W Nebenklassen, so wählen wir Repräsentanten a ∈ V und b ∈ W und setzen:
V + W = [a + b] .
Es ist zu zeigen, dass diese Festsetzung wohldefiniert ist, das heißt unabhängig von der Auswahl
der Repräsentanten, formal:
[a1 ] = [a2 ] , [b1 ] = [b2 ] =⇒ [a1 + b1 ] = [a2 + b2 ]
Dazu überlegen wir:
[a1 ] = [a2 ] ⇒ a1 − a2 ∈ U
[b1 ] = [b2 ] ⇒ b1 − b2 ∈ U
U Untergruppe
=⇒
(a1 − a2 ) + (b1 − b2 ) = (a1 + b1) − (a2 + b2 ) ∈ U =⇒
=⇒ [a1 + b1 ] = [a2 + b2 ] .
Als nächstes zeigen wir, dass (C, +) eine additive Gruppe ist.
Kommutativität:
[a] + [b] = [a + b] = [b + a] = [b] + [a] .
Assoziativität:
([a] + [b]) + [c] = [a + b] + [c] = [(a + b) + c] = [a + (b + c)] = [a] + [b + c] = [a] + ([b] + [c]) .
Neutrales Element:
[a] + [0] = [a] = [0] + [a] ,
das heißt die Untergruppe U , die durch die 0 repräsentiert wird, ist das neutrale Element.
Inverse Elemente:
[a] + [−a] = [0] = [−a] + [a] .
Schließlich behaupten wir: Die Abbildung
p : A −→ C , a 7−→ [a]
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
22
ist ein Homomorphismus mit ker p = U :
Homomorphie:
p(a + b) = [a + b] = [a] + [b] = p(a) + p(b) .
ker p:
f (a) = [0] = U ⇐⇒ a ∈ U .
Damit ist der Satz vollständig bewiesen.
Für nichtabelsche Gruppen ist die Situation nicht so einfach. Zur Vorbereitung des Ergebnisses
beweisen wir:
Lemma. Es seien G und H Gruppen, sowie f : G → H ein Homomorphismus. Dann gilt:
• g ∈ G, u ∈ ker f =⇒ g · u · g −1 ∈ ker f .
• Die Linksnebenklassen von ker f stimmen mit den Rechtsnebenklassen überein:
G/ ker f = ker f \G .
Beweis. 1. f (g ·u·g −1 ) = f (g)·f (u)·f (g −1 ) = f (g)·1·f (g)−1 = f (g)·f (g)−1 = 1 =⇒ g ·u·g −1 ∈
ker f .
2. Wir behaupten: Für alle g ∈ G gilt gU = U g:
1.
⊂“: v ∈ gU =⇒ v = g · u für ein u ∈ U =⇒ v = g · u · g −1 · g = (g · u · g −1 ) · g ∈ U g.
”
1.
⊃“: v ∈ U g =⇒ v = u · g für ein u ∈ U =⇒ v = g · g −1 · u · g = g · (g −1 · u · (g −1 )−1 ) ∈ gU . ”
Satz und Definition. Für eine Untergruppe U einer Gruppe G sind die folgenden Eigenschaften
äquivalent:
1. Für alle g ∈ G und u ∈ U gilt g · u · g −1 ∈ U .
2. Die Linksnebenklassen von U stimmen mit den Rechtsnebenklassen überein:
G/U = U \G .
Eine Untergruppe einer Gruppe heißt normale Untergruppe oder Normalteiler der Gruppe,
wenn sie eine und damit beide der angegebenen Eigenschaften erfüllt.
Beweis. 1. =⇒ 2.“: wie im Beweis des vorherigen Lemmas.
”
2. ⇐= 1.“: Es seien g ∈ G und u ∈ U gegeben. Wegen gu ∈ gU = U g gibt es ein v ∈ U mit
”
gu = vg. Daraus ergibt sich g · u · g −1 = v ∈ U .
Folgerung. Kerne von Homomorphismen sind Normalteiler, in anderen Worten: nur Normalteiler können Kerne von Homomorphismen sein.
29. November 2002
Satz. Jeder Normalteiler einer Gruppe ist Kern eines Homomorphismus mit der Gruppe als
Quelle.
Beweis. Es seien G eine Gruppe und U ein Normalteiler von G. Wir haben eine Gruppe H
und einen Homomorphismus f : G → H mit ker f = U zu konstruieren. Als Elemente von H
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
23
nehmen wir die Nebenklassen von U in G (da U Normalteiler ist, brauchen wir nicht zwischen
Links- und Rechtsnebenklassen zu unterscheiden):
H = G/U = U \G .
Multiplikation: Es seien V und W Nebenklassen. Wir wählen Repäsentanten g ∈ V und h ∈ W .
Dann setzen wir V · W = (g · h)U . Es ist vor allem die Unabhängigkeit von der Auswahl der
Repräsentanten zu zeigen.
Wir betrachten weitere Repräsentanten g · u1 ∈ V und h · u2 ∈ W und behaupten:
(g · u1 · h · u2 )U = (g · h)U .
Dies folgt aus
(g · u1 · h · u2 ) · (g · h)−1 = g · u1 · h · u2 · h−1 ·g −1 ∈ U .
| {z }
∈U
Assoziativität, sowie Existenz des neutralen Elements und der inversen Elemente ergeben sich
wie im additiven Fall.
Definition. Es seien G eine Gruppe und U ein Normalteiler in G. Die im vorangehenden Satz
konstruierte Gruppe mit der Menge G/U heißt Faktorgruppe von G nach U oder G modulo U ;
im additiven Fall spricht man auch von Restklassengruppe.
Beispiele.
• Untergruppen vom Index 2 haben genau eine Linksnebenklasse und genau eine Rechtsnebenklasse. Diese müssen notwendigerweise übereinstimmen. Also sind Untergruppen vom
Index 2 immer Normalteiler. Ist G eine Gruppe und U eine Untergruppe vom Index 2, so
ist U der Kern des Homomorphismus
1, g ∈ U
G −→ ({1, −1}, ·) , g 7−→
.
−1, g 6∈ U
• Die symmetrische Gruppe S3 hat eine Untergruppe der Ordnung 3, also vom Index 2,
diese ist Normalteiler und damit Kern eines Homomorphismus.
• Die übrigen nichttrivialen Untergruppen der symmetrischen Gruppe S3 haben die Ordnung 2 und damit den Index 3. Für die Untergruppe {(1), (12)} haben wir bereits gezeigt,
dass die Linksnebenklassen von den Rechtsnebenklassen verschieden sind. Dies gilt auch
für die beiden anderen Untergruppen der Ordnung 2. Alle drei sind damit keine Normalteiler.
In Zahlbereichen arbeiten wir mit zwei Operationen, Addition und Multiplikation. Solche Strukturen wollen wir als nächstes untersuchen.
Definitionen. Ein Tripel (R, +, ·), bestehend aus einer Menge R und zwei binären Operationen
+ (Addition)und · (Multiplikation) auf R, heißt Ring, wenn gilt:
1. Das Paar (R, +) ist eine additive Gruppe.
2. Das Paar (R, ·) ist eine Halbgruppe.
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
24
3. Es gelten die Distributivgesetze, das heißt, für alle a, b, c ∈ R gilt:
a · (b + c) = a · b + a · c ,
(a + b) · c = a · c + b · c ;
dabei wird die Punkt vor Strich“-Konvention verwandt.
”
Sind Addition und Multiplikation festgelegt, so spricht man kurz vom Ring R statt vom Ring
(R, +, ·).
Ein Ring R heißt
• kommutativ, wenn die Multiplikation kommutativ ist,
• Ring mit Eins, wenn er bezüglich der Multiplikation ein Monoid ist,
• nullteilerfrei, wenn für alle a, b ∈ R gilt:
a · b = 0 =⇒ a = 0 oder b = 0 .
Beispiele.
1. (Z, +, ·), der Ring der ganzen Zahlen; es handelt sich um einen kommutativen, nullteilerfreien Ring mit Eins.
2. (2Z, +, ·), der Ring der geraden ganzen Zahlen; es handelt sich um einen kommutativen,
nullteilerfreien Ring (ohne Eins).
3. Für alle n ∈ N \ {1} haben wir (Zn , +, ·), den Restklassenring modulo n; es handelt sich
um einen kommutativen Ring mit Eins. Dieser Ring ist genau dann nullteilerfrei, wenn n
eine Primzahl ist.
Beweis. =⇒“: Wir zeigen die Kontraposition: n keine Primzahl ⇒ Es gibt Nullteiler. Sei
”
n = p · q mit 1 < p, q < n. Dann gilt: [p] 6= [0] 6= [q], aber [p] · [q] = [p · q] = [n] = [0].
⇐=“: Es sei n eine Primzahl. Wir betrachten zwei Restklassen [p], [q] mit [p] · [q] =
”
[p · q] = [0], das heißt, p · q ∈ nZ, p · q = n · r für ein r ∈ Z. Aus dem Satz von der
eindeutigen Primzahlzerlegung folgt nun, dass n entweder ein Teiler von p oder ein Teiler
von q ist, also entweder p ∈ nZ oder q ∈ nZ ist. Das bedeutet aber: entweder ist [p] = 0
oder es ist [q] = 0.
4. (Rn,n , +, ·), der Ring der n × n-Matrizen; es handelt sich um einen im allgemeinen nichtkommutativen Ring mit Eins. Die Diagonalmatrizen bilden einen kommutativen Teilring“
”
mit Eins.
5. Es sei A eine additive Gruppe. Für zwei Endomorphismen f und g von A definieren wir
die Abbildung
f + g : A −→ A , a 7−→ f (a) + g(a) .
Diese Abbildung ist auch ein Endomorphismus:
(f + g)(a + b) = f (a + b) + g(a + b) = f (a) + f (b) + g(a) + g(b) =
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
25
= f (a) + g(a) + f (b) + g(b) = (f + g)(a) + (f + g)(b) .
Die Menge End A der Endomorphismen von A zusammen mit dieser Addition ist ein
additive Gruppe. Zum Beweis bemerken wir zunächst, zwei Abbildungen genau dann
gleich sind, wenn sie für alle Argumente den gleichen Wert haben.
• Kommutativität: (f + g)(a) = f (a) + g(a) = g(a) + f (a) = (g + f )(a).
• Assoziativität: ((f + g) + h)(a) = (f + g)(a) + h(a) = (f (a) + g(a)) + h(a) =
f (a) + (g(a) + h(a)) = f (a) + (g + h)(a) = (f + (g + h))(a).
• Neutrales Element: die konstante Abbildung 0 : A → A, a 7→ 0.
• Inverse Elemente: −f : A → A, a 7→ −f (a).
Als zweite binäre Operation auf der Menge End A betrachten wir die Verkettung. Wir
setzen
f ·g = f ◦g.
Da die Verkettung von Abbildungen assoziativ ist, haben wir eine Halbgruppe mit Eins
id A, also ein Monoid.
Die Distributivgesetze gelten:
(f · (g + h))(a) = f ((g + h)(a)) = f (g(a) + h(a)) = f (g(a)) + f (h(a)) =
= (f · g)(a) + (f · h)(a) = (f · g + f · h)(a) .
((f + g) · h)(a) = (f + g)(h(a)) = f (h(a)) + g(h(a)) = (f · h)(a) + (g · h)(a) =
= (f · h + g · h)(a) .
Damit haben wir den Ring (End A, +, ·), den Endomorphismenring der additiven Gruppe
A.
Zusätzliche Rechenregeln in einem Ring R.
0 · a = 0 = a · 0 für alle a ∈ R .
Beweis. Aus
0 · a + 0 · a = (0 + 0) · a = 0 · a = 0 + 0 · a
folgt mit der Kürzungsregel 0 · a = 0. Analog ergibt sich 0 = a · 0.
(1)
a · (−b) = −a · b = (−a) · b ,
(2)
(−a) · (−b) = a · b .
Beweis. (1): Aus
a · (−b) + a · b = a · (−b + b) = a · 0 = 0
−a · b + a · b = 0
(−a) · b + a · b = (−a + a) · b = 0 · a = 0
folgt die gewünschte Gleichungskette.
(2):(−a) · (−b) = −((−a) · b) = −(−ab) = ab . 2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
26
3. Dezember 2002
Definition. Ein Ring K = (K, +, ·) heißt Körper (englisch: field ), wenn gilt:
1. K ist ein nullteilerfreier kommutativer Ring; damit ist die Menge K ∗ = K \ {0}
gegenüber der Multiplikation abgeschlossen, also mit der induzierten Multiplikation
selbst eine kommutative Halbgruppe.
2. (K ∗ , ·) ist eine Gruppe.
Zusätzliche Rechenregeln in einem Körper:
0 6= 1
Für alle a, b ∈ K gilt:
a·b=0⇔a=0∨b=0
(Nullteilerfreiheit).
Beweis. ⇒“: K ∗ ist gegenüber der Multiplikation abgeschlossen.
”
⇐“: bereits für Ringe allgemein bewiesen.
”
Beispiele. 1. Q, der Körper der rationalen Zahlen:
o
nz
| z ∈ Z, n ∈ N ,
Q=
n
z Zähler“, n Nenner“.
”
”
2. R, der Körper der reellen Zahlen:
(
)
∞
X
R= z+
dj 10−j | z ∈ Z , dj ∈ {0, 1, 2, . . . 9} für alle j ∈ N ,
j=1
dj j-te Dezimalstelle“ oder j-te Dezimale“.
”
”
3. (Gegenbeispiel) Die Menge R2 = R × R zusammen mit komponentenweiser Addition
und Multiplikation ist ein kommutativer Ring mit Eins, aber nicht nullteilerfrei:
(1, 0) · (0, 1) = (0, 0) .
4. C, der Körper der komplexen Zahlen:
(C, +) = (R2 , +) .
Zur Definition der Multiplikation betten wir die additive Gruppe C in den Matrizenring R2,2 ein mit Hilfe der Zuordnung
a −b
ϕ : (a, b) 7−→
;
b
a
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
27
Diese Zuordnung definiert eine injektive, mit der Addition verträgliche Abbildung,
also einen Monomorphismus bezüglich der Addition. Das Bild ist gegenüber der
Matrizenmultiplikation abgeschlossen:
a1 −b1
a2 −b2
a1 a2 − b1 b2 −a1 b2 − b1 a2
·
=
;
b1
a1
b2
a2
a1 b 2 + b 1 a2
a1 a2 − b 1 b 2
damit induziert die assoziative und gegenüber der Addition distributive Matrizenmultiplikation eine assoziative und gegenüber der Addition distributive Multiplikation auf C:
(a1 , b1 ) · (a2 , b2 ) = (a1 a2 − b1 b2 , a1 b2 + b1 a2 )
mit dem neutralen Element
ϕ
−1
1 0
0 1
= (1, 0) .
Damit haben wir auf jeden Fall einen Ring mit Eins, der offensichtlich auch kommutativ ist.
Für die Elemente von C, die komplexen Zahlen, ist eine besondere Schreibweise
üblich:
(a, 0) = a ,
(0, 1) = ı ,
(a, b) = (a, 0) + b · (0, 1) = a + bı .
Ist z = a + bı, so heißt a Realteil von z – symbolisch: a = Re z und b Imaginärteil
von z – symbolisch b = Im z. Damit erhalten die Operation folgende Form:
(a1 + b1 ı) + (a2 + b2 ı) = (a1 + a2 ) + (b1 + b2 )ı ,
ı2 = −1 ,
(a1 + b1 ı) · (a2 + b2 ı) = (a1 · a2 − b1 · b2 ) + (a1 · b2 + b1 · a2 )ı .
Jede von Null verschiedene komplexe Zahl ist invertierbar, das Inverse findet man
durch Rationalmachen des Nenners“:
”
a − bı
a − bı
a
−b
1
=
= 2
= 2
+ 2
ı.
2
2
a + bı
(a + bı)(a − bı)
a +b
a +b
a + b2
Da die Null in einem Ring bezüglich der Multiplikation nicht invertierbar ist, ist C∗ =
C \ {0} die Menge der invertierbaren Element und damit aufgrund eines früheren
Satzes eine Gruppe. Da diese Gruppe abgeschlossen gegenüber der Multiplikation
ist, ist C auch nullteilerfrei.
5. Zp , der Restklassenkörper modulo p, für jede Primzahl p, insbesondere Z2 . Wir haben
bereits bewiesen, dass Zp für jede Primzahl p ein nullteilerfreier kommutativer Ring
ist. Es bleibt zu zeigen, dass (Z∗p , ·) eine Gruppe ist. Offensichtlich ist 1̄, die durch
1 repräsentierte Restklasse, ein neutrales Element. Zum Nachweis der Existenz von
Inversen verwenden wir folgenden Hilfssatz aus der Mengenalgebra:
Es sei M eine endliche Menge. Für eine Abbildung f : M −→ M sind die folgenden
Eigenschaften äquivalent:
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
28
(a) injektiv,
(b) surjektiv,
(c) bijektiv.
Beweis. Es sei m = |M |, die Anzahl der Elemente von M . Wir zeigen zunächst:
(a)⇐⇒(b).
(a)=⇒(b)“: Ist f injektiv, so muss f notwendigerweise m verschiedene Werte haben.
”
Dies müssen aber alle Elemente von M sein. Damit ist f surjektiv.
(b)=⇒(a)“: Wäre f nicht injektiv, gäbe es also zwei Stellen in M , die den gleichen
”
Wert unter f haben, so würde f insgesamt höchsten m−1 verschiedene Werte haben,
könnte also nicht surjektiv sein.
Liegt also (a) vor, so auch (b) und damit nach Definition auch (c). Das zeigt
(a)=⇒(c). Analog ergibt sich (b)=⇒(c).
(c)=⇒(a), (b) ergibt sich unmittelbar aus der Definition des Begriffs ‘ bijektiv“. ”
Wir beweisen nun die Existenz eines Inversen zu einer Restklasse ā ∈ Z∗p . Dazu
betrachten wir die Abbildung
Z∗p −→ Z∗p , x̄ 7−→ ā · x̄
und überlegen:
ā · x̄ = ā · ȳ =⇒ ā · (x̄ − ȳ) = 0
nullteilerfrei
=⇒
x̄ − ȳ = 0 =⇒ x̄ = ȳ .
Damit ist die Abbildung injektiv, also nach dem Hilfssatz auch surjektiv. Dass der
Wert 1̄ angenommen wird, bedeutet gerade die Existenz eines x̄ ∈ Z∗p mit ā · x̄ = 1̄.
6. Dezember 2002
6. GF (22 ), das Galoisfeld aus vier Elementen; die additive Gruppe ist (Z2 × Z2 , +) mit
der Verknüpfungstafel:
+
(0, 0)
(1, 1)
(1, 0)
(0, 1)
(0, 0)
(0, 0)
(1, 1)
(1, 0)
(0, 1)
(1, 1)
(1, 1)
(0, 0)
(0, 1)
(1, 0)
(1, 0)
(1, 0)
(0, 1)
(0, 0)
(1, 1)
(0, 1)
(0, 1)
(1, 0) .
(1, 1)
(0, 0)
(1, 0)
(0, 0)
(1, 0)
(0, 1)
(1, 1)
(0, 1)
(0, 0)
(0, 1) .
(1, 1)
(1, 0)
Eine Multiplikation definieren wir durch
·
(0, 0)
(1, 1)
(1, 0)
(0, 1)
(0, 0)
(0, 0)
(0, 0)
(0, 0)
(0, 1)
(1, 1)
(0, 0)
(1, 1)
(1, 0)
(0, 1)
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
29
Der Vergleich mit der Verknüpfungstafel der additiven Gruppe Z3 :
+
0̄
1̄
2̄
0̄
0̄
1̄
2̄
1̄
1̄
2̄
0̄
2̄
2̄
0̄
1̄
zeigt alle notwendigen Körpereigenschaften außer der Distributivität. Wir verzichten
auf das vollständige Nachrechnen und überprüfen nur ein Beispiel:
(1, 0) · [(0, 1) + (1, 0)] = (1, 0) · (1, 1) = (1, 0) ,
(1, 0) · (0, 1) + (1, 0) · (1, 0) = (1, 1) + (0, 1) = (1, 0) .
Allgemeiner kann man zeigen, dass es zu jeder natürlichen Zahl n > 1 bis auf Isomorphie höchsten einen Körper mit genau n Elementen gibt; es gibt einen solchen
Körper dann und nur dann, wenn n eine Primzahlpotenz ist.
Definition. Es sei K ein Körper. Ein K-Vektorraum oder Vektorraum über K ist ein Paar
(V, ·), bestehend aus einer additiven Gruppe und einer Operation · von K auf V , das ist
eine Abbildung
· : K × V → V, (λ, v) 7→ λ · v = λv ,
– genannt Multiplikation mit Skalaren – derart dass folgende Gleichungen gelten:
(1)
(2)
(3)
(4)
λ · (v + w)
(λ + µ) · v
(λµ) · v
1·v
=
=
=
=
λ · v + λ · w Punkt vor Strich ,
λ · v + µ · v Punkt vor Strich ,
λ · (µ · v) ,
v.
Bedingung (1) besagt, dass für festes λ ∈ K die Abbildung
ϕλ : V −→ V , v 7−→ λv
ein Homomorphismus ist. Analog bedeutet Bedingung (2), dass für festes v ∈ V die
Abbildung
ψv : K −→ V , λ 7−→ λv
ein Homomorphismus ist. Daraus ergeben sich für das Arbeiten mit einem Vektorraum
die folgenden
zusätzlichen Rechenregeln.
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
λ·0
0·v
λ · (−v)
(−λ) · v
(−1) · v
λ · (v − w)
(λ + µ) · (v + w)
λ−1 λv
=
=
=
=
=
=
=
=
0,
0,
−(λ · v) ,
−(λ · v) ,
−v ,
λ·v −λ·w,
λ·v +µ·v +λ·w+µ·w,
v = λλ−1 v .
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
30
Beweis. (5): Der Homomorphismus ϕλ ist mit dem neutralen Element verträglich.
(6): Der Homomorphismus ψv ist mit dem neutralen Element verträglich.
(7): Der Homomorphismus ϕλ ist mit der Inversenbildung verträglich.
(8): Der Homomorphismus ψv ist mit der Inversenbildung verträglich.
(8)
(4)
(9): (−1) · v = −(1 · v) = −v.
(1)
(7)
(10): λ · (v − w) = λ · (v + (−w)) = λ · v + λ · (−w)) = λ · v + (−λ · w) = λ · v − λ · w.
(1)
(2)
(11): (λ + µ) · (v + w) = (λ + µ) · v + (λ + µ) · w = λ · v + µ · v + λ · w + µ · w.
(4)
(4)
(12): λ−1 · (λ · v) = (λ−1 λ) · v = 1 · v = v = 1 · v = (λλ−1 ) · v = λ · (λ−1 · v).
Sprechweisen. Bei festem Grundkörper K sagt man einfach Vektorraum“ statt K-Vek”
”
torraum“. Die Elemente eines Vektorraums werden Vektoren genannt. Speziell ist das
neutrale Element von V der Nullvektor oder der Ursprung des Vektorraums. Die Elemente
des Grundkörpers nennt man dann auch Skalare.
Beispiele. 1. K = R, V = Rn , λ(r1 , . . . , rn ) = (λr1 , . . . , λrn ).
In diesem R-Vektorraum wird vor allem bei geometrischen Betrachtungen gearbeitet.
Dabei verwenden wir auch geometrische Sprechweisen. Insbesondere gebrauchen wir
das Wort Punkt“ synonym mit Vektor“.
”
”
2. K = R, V = Rm,n , der Vektorraum der (m × n)-Matrizen
3. Zu jedem Körper K betrachtet man den Vektorraum K[x] der Polynome in der
Unbestimmten x mit Koeffizienten aus K. Ein Polynom in der Unbestimmten x mit
Koeffizienten aus K ist ein formaler Ausdruck
P = P (x) = µ0 + µ1 x + µ2 x2 + . . . + µn xn ,
wobei die µi , i = 0, 1, . . . , n, Elemente aus K sind; die µi heißen Koeffizienten des
Polynoms. Man schreibt auch
P = P (x) =
∞
X
µj x j
j=1
mit der Nebenbedingung fast alle µj = 0“, wobei fast alle synonym gebraucht
”
wird mit alle bis auf endlich viele. Zur Behandlung der Polynome benötigen wir den
Begriff des Grades eines Polynoms:
−1,
µj = 0 für alle j ∈ N0 ,
Grad P (x) =
max{j ∈ N0 | µj 6= 0} sonst.
P
P∞
j
j
Wir definieren für P = ∞
j=1 µj x und Q =
j=1 νj x die Summe in K[x] durch
P +Q=
∞
X
(µj + νj )xj .
j=1
Damit diese Definition sinnvoll ist, ist zu zeigen, dass fast alle Summen µj + νj
verschwinden. Für j > Grad P , Grad Q ist aber sowohl µj = 0 als auch νj = 0
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
31
und damit µj + νj = 0. Dass diese Addition die Menge K[x] zu einer additiven
Gruppe macht, ist offensichtlich. Eine Multiplikation mit Skalaren ergibt sich durch
die Festsetzung:
∞
X
λP =
λµj xj .
j=1
Aus den Rechenregeln im Körper K folgen die Vektorraumgesetze unmittelbar.
4. F(M, R), Vektorraum der reellwertigen Funktionen mit Quelle M für jede beliebige
Menge M . Allgemeiner F(M, R), Vektorraum der Abbildungen von einer Menge M
in einen Vektorraum V .
5. Jeder Körper lässt sich als Vektorraum über sich selbst auffassen. Allgemeiner ist
jeder Erweiterungskörper L eines Körpers K ein K-Vektorraum. So ist der Körper
C der komplexen Zahlen ein R-Vektorraum, und und das Galoisfeld GF (4) ist ein
Z2 -Vektorraum.
6. Jede abelsche Gruppe, in der jedes Element zu sich selbst invers ist, ist in kanonischer
Weise eine Z2 -Vektorraum.
7. Zum Abschluss noch ein etwas exotisches Beispiel (ohne detaillierte Beweise): Es sei
M eine beliebige Menge. Auf der Potenzmenge von M
Pot M = {U | U ⊂ M }
betrachten wir die symmetrische Differenz 4 als binäre Verknüpfung:
U 4 V = (U ∪ V ) \ (U ∩ V ) .
Wir verzichten auf den Nachweis der Assoziativität; die Kommutativität ist offensichtlich, die leere Menge ist neutrales Element und jedes Element ist zu sich selbst
invers. Also haben wir einen Z2 -Vektorraum.
Definition. Es seien V und W K-Vektorräume. Eine Abbildung f : V −→ W heißt
• homogen, wenn sie mit der Multiplikation mit Skalaren verträglich ist:
f (λu) = λf (u) .
• K-linear, wenn sie homogen und ein Homomorphismus, also mit allen Vektorraumoperationen verträglich ist.
Damit ist eine lineare Abbildung mit beliebigen Linearkombinationen verträglich.
k
k
X
X
f(
λj v j ) =
λj f (vj ) .
j=1
Beispiele.
j=1
1. Die zu einer (m × n)-Matrix A gehörende Abbildung
A : Rm −→ Rn
ist linear, wie im 1. Kapitel bewiesen.
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
32
2. Die Identität id V ist linear, für jeden Vektorraum V .
3. Es seien U , V und W Vektorräume über demselben Körper, sowie f : U → V und
g : V → W lineare Abbildungen. Dann ist auch die Verkettung
g
U
g ◦ f : W ←− V ←− U
linear.
4. Es sei V ein Vektorraum. Die Multiplikation mit einem festen Skalar µ ∈ K:
f : V −→ V , v 7−→ µv
ist linear:
f (λv) = µ(λv) = (µλ)v = (λµ)v = λ(µv) = λf (v) ,
f (u + v) = µ(u + v) = µu + µv = f (u) + f (v) .
5. Es seien V und W K-Vektorräume, sowie f : V → W ein (linearer) Isomorphismus.
Die Umkehrabbildung f −1 ist linear.
Beweis. Wir berechnen
f −1 (w1 + w2 ) = f −1 (f (f −1 (w1 )) + f (f −1 (w2 ))) =
= f −1 (f (f −1 (w1 ) + f −1 (w2 ))) = f −1 (w1 ) + f −1 (w2 ) ,
sowie
f −1 (λw) = f −1 (λf (f −1 (w))) = f −1 (f (λf −1 (w))) = λf −1 (w) .
Definition. Es sei V ein K-Vektorraum. Eine Teilmenge U von V ist ein Untervektorraum oder
linearer Unterraum von V , wenn sie eine Untergruppe und bezüglich der Multiplikation
mit Skalaren abgeschlossen ist, das heißt, für alle u ∈ U und λ ∈ K auch λu zu U gehört.
Bemerkung. Ein Untervektorraum eines K-Vektorraumes bildet zusammen mit den induzierten Operationen selbst einen K-Vektorraum.
10. Dezember 2002
Unterraumkriterium. Ist V ein K–Vektorraum,

 1.
2.
V ⊃ U Untervektorraum ⇐⇒

3.
so gilt:
U 6= ∅ ,
u + w ∈ U für alle u , w ∈ U ,
λu ∈ U für alle λ ∈ K , u ∈ U .
Beweis. =⇒“: trivial
”
⇐=“: Im Hinblick auf das Untergruppenkriterium ist nur noch zu zeigen:
”
u, w ∈ U =⇒ u − w ∈ U .
Aber mit w gehört nach 3. −w = (−1) · w zu U und damit nach 2. auch v − w = v + (−w).
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
Beispiele
33
1. Die trivialen Untervektorräume eines beliebigen Vektorraumes V sind die einelementige Menge {0} und die ganze Menge V .
2. Die Lösungsmengen homogener linearer Gleichungssysteme sind – wie im 1. Kapitel
bewiesen – lineare Unterräume.
3. Die Ursprungsgeraden in Rn sind Untervektorräume.
P
j
4. Ist P = P (x) = ∞
j=0 µj x ein Polynom mit Koeffizienten in einem Körper K und
λ ∈ K, so bezeichnet P (λ) das Element von K, das man durch Einsetzen von λ für
die Unbestimmte x erhält:
∞
X
P (λ) =
µj λ j .
j=0
So bestimmt jedes Polynom P = P (x) die Polynomfunktion K → K, λ 7→ P (λ). Die
Menge der Polynomfunktionen ist ein Untervektorraum des Vektorraums F(K, K)
aller Funktion K → K.
5. Die Menge aller Polynome vom Grad höchstens k (k ∈ N0 ) ist ein Untervektorraum
des Vektorraums K[x], aber nicht die Menge aller Polynome vom Grad k. Diese
Menge enthält das neutrale Element nicht und ist auch nicht abgeschlossen gegenüber
der Addition; die Summe von zwei Polynomen vom Grad k kann einen Grad kleiner
als k haben.
6. Kern und Bild einer linearen Abbildung sind Untervektorräume der Quelle beziehungsweise des Zieles der Abbildung.
Beweis. Es seien V und W Vektorräume, sowie f : V → W eine lineare Abbildung.
Es wurde bereits bewiesen, dass ker f und im f Untergruppen von V beziehungsweise W sind. Damit ist nur noch die Abgeschlossenheit gegenüber der Multiplikation
mit Skalaren zu zeigen:
u ∈ ker f, λ ∈ K =⇒ f (λu) = λf (u) = λ0 = 0 =⇒ λu ∈ ker f ,
w ∈ im f, λ ∈ K =⇒ w = f (v) , λw = λf (v) = f (λv) ∈ im f .
Satz. Ein Durchschnitt einer Menge von Untervektorräumen eines festen Vektorraumes V ist
ein Untervektorraum von V .
Beweis. Es sei U eine Menge von Untervektorräumen von V . Zu zeigen:
\
U = {u ∈ V | u ∈ U für alle U ∈ U }
ist ein Untervektorraum von V .
1. Wegen 0 ∈ U für alle U ∈ U ist
T
U 6= ∅.
2. Aus v, w ∈ U für alle U ∈ U folgt v + w ∈ U für alle U ∈ U , also v + w ∈
T
U.
T
3. Aus λ ∈ K und v ∈ U für alle U ∈ U folgt λv ∈ U für alle U ∈ U , also λv ∈ U .
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
34
Konvention. Für U = ∅ setzt man
\
U =V .
Dies geschieht in Übereinstimmung mit den Spielregeln der Logik. Die Mengenbildung
{u ∈ V | u ∈ U für alle U ∈ U }
ist zu lesen: Man nehme alle Elemente von V , die der hinter dem senkrechten Strich
stehenden einschränkenden Bedingung genügen. Wenn es keine einschränkende Bedingung
gibt, so hat man eben alle Elemente von V .
Definitionen, Bezeichnungen und Satz. Es seien V ein Vektorraum und J eine beliebige
Menge. Es bezeichne V die Menge aller Untervektorräume von V . Eine Abbildung
J −→ V , j 7−→ Uj
heißt Familie von Unterräumen zur Indexmenge J und wird durch (Uj )j∈J bezeichnet.
Der Durchschnitt
\
Uj
j∈J
einer solchen Familie von Unterräume ist wieder ein Unterraum.
Bemerkung. Sind U und W Untervektorräume des Vektorraumes V , so ist U ∪W genau dann
ein Untervektorraum von V , wenn entweder U ⊂ W oder W ⊂ U gilt.
⇒“: Zu zeigen: U 6⊂ W ⇒ W ⊂ U
”
Sei w ∈ W . Wähle u ∈ U \W . Dann ist u+w 6∈ W , denn sonst wäre u = (u+w)−w ∈ W .
Nach Voraussetzung ist aber u + w ∈ U ∪ W , und damit folgt u + w ∈ U , woraus sich
damit w = (u + w) − u ∈ U ergibt.
⇐“: U ⊂ W ⇒ U ∪ W = W , W ⊂ U ⇒ U ∪ W = U .
”
Im allgemeinen ist also eine Vereinigung von Untervektorräumen eines Vektorraumes V
kein Untervektorraum von V . Aber es gibt immer einen kleinsten Untervektorraum, der
die Vereinigung umfasst.
Satz. Es seien U und W Untervektorräume eines Vektorraumes V . Dann ist auch
U + W = {u + w | u ∈ U, w ∈ W }
ein Untervektorraum von V , und zwar der kleinste Untervektorraum, der U ∪W enthält in
dem folgenden Sinn: Ist T ein Untervektorraum von V mit T ⊃ U ∪W , so ist T ⊃ U +W .
Darüberhinaus gilt
\
(?)
U +W =
T,
wobei T = {T ∈ V | T ⊃ U ∪ W }.
Beweis. Zum Nachweis, dass U + W ein Untervektorraum ist, benutzen wir das Unterraumkriterium.
1. 0 ∈ U und 0 ∈ W =⇒ 0 = 0 + 0 ∈ U + W =⇒ U + W 6= ∅.
2 ALGEBRAISCHE GRUNDSTRUKTUREN
35
2. u1 +w1 ∈ U +W und u2 +w2 ∈ U +W =⇒ u1 +w1 +u2 +w2 = (u1 + u2 ) + (w1 + w2 ) ∈
| {z } | {z }
∈U
U + W.
∈W
3. λ ∈ K, u + w ∈ U + W =⇒ λ(u + w) = |{z}
λu + |{z}
λw ∈ U + W .
∈U
∈W
Ist T ein Untervektorraum von V mit T ⊃ U ∪ W , so gilt für u + w ∈ U + W mit u ∈ U
und w ∈ W auch u, w ∈ T , also u + w ∈ T und damit U + W ⊂ T .
Nachweis von (?): ⊂“: Sei v ∈ U + W gegeben. Nach Definition gilt: v = u + w für
”
ein u ∈ T
U und ein
T w ∈ W . Dann haben wir u, w ∈ U ∪ W ⊂ T fürTalle T ∈ T , also
u, w ∈ T
T. Da T ein Untervektorraum ist, ist auch v = u + w ∈ T . Das beweist
U + W ⊂ T.
⊃“: Für alle u ∈ U gilt u = u + 0 ∈ U + W ; also haben wir U ⊂ U + W . Analog ergibt
”
sich W
T ⊂ U + W und U ∪ W ⊂ U + W . Damit
T gilt U + W ∈ T . Da für alle T ∈ T gilt:
T ⊃ T haben wir insbesondere U + W ⊃ T .
Satz. Ist U ein Untervektorraum des Vektorraumes V , so gibt es zu der Faktorgruppe V /U
eine eindeutig bestimmte Multiplikation mit Skalaren, derart dass V /U zusammen mit
dieser Multiplikation ein Vektorraum und die kanonische Projektion V → V /U eine linear
Abbildung ist.
Beweis. Es muss gelten: λ[v] = [λv]. Es ist zu zeigen, dass dies zu einer wohldefinierten
Multiplikation mit Skalaren führt: [v] = [v1 ] ⇒ v − v1 ∈ W ⇒ λ(v − v1 ) = λv − λv1 ∈
W ⇒ [λv] = [λv1 ].
Definition. Es sei V ein Vektorraum. Eine Teilmenge A ⊂ V heißt affiner Unterraum von V ,
wenn sie leer oder Nebenklasse eines linearen Unterraumes U ist, also gilt:
A = U + w = {u + w|u ∈ U }
mit einem Aufpunkt w ∈ V . Die Bedingung besagt, dass die Menge A das Bild des
Untervektorraumes U unter der Verschiebung
+w : V → V , u 7→ u + w0
ist. Sie ist äquivalent zu der Forderung, dass die Menge von A − w = {v − w|v ∈ A} einen
Untervektorraum von V bildet.
Bemerkung. Ist A ein nichtleerer affiner Unterraum des Vektorraumes V , so ist der zugehörige
Untervektorraum U eindeutig bestimmt. Als Aufpunkt w kann jedoch jeder Vektor in A
gewählt werden.
Beispiel. Die Lösungsmengen inhomogener linearer Gleichungssysteme sind affine Unterräume.
Um dieses formulieren zu können, ist es notwendig, in die Begriffsbildung affiner Unter”
auem“ die leere Menge miteinzuschließen. Nebenklassen sind ja nach Definition nicht leere
Teilmengen.
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