Lineare Algebra I Prof. Dr. M. Rost Übungen — Blatt 2 (WS 2010/2011) Abgabetermin: Donnerstag, 28. Oktober http://www.math.uni-bielefeld.de/~rost/la1 Erinnerungen und Ergänzungen zur Vorlesung: Im Folgenden werden wieder einige Definitionen und Bemerkungen aus der Vorlesung zusammengefaßt. Einige Dinge wurden noch nicht explizit erwähnt und werden in der nächsten Vorlesung besprochen. Eine Gruppe ist eine Menge G zusammen mit einer Abbildung G×G→G (g, h) 7→ gh Es gelten folgende Axiome: (1) Assoziativität: (gh)k = g(hk) (g, h, k ∈ G) (2) Neutrales Element: Es gibt genau ein Element e ∈ G mit eg = g = ge (g ∈ G) (3) Inverses Element: Zu jedem Element g ∈ G gibt es genau ein Element h ∈ G mit gh = hg = e Dieses Element heißt das Inverse von g und wird mit g −1 bezeichnet. Die Gruppe G heißt kommutativ oder abelsch wenn gilt: (4) Kommutativität: gh = hg (g, h ∈ G) 2 In der Vorlesung wurde bei der Definition lediglich die Existenz eines LinksNeutralen bzw. Links-Inversen gefordert und gezeigt, daß man damit automatisch ein neutrales Element wie in (2) hat und daß Links-Inverse auch Rechts-Inverse sind. Dies soll hier wiederholt werden: Sei e ein Links-Neutrales von G, sei h ein Links-Inverses von g und g ′ ein LinksInverses von h. Dann folgt: gh = e(gh) = (g ′h)(gh) = g ′ (hg)h = g ′ (eh) = g ′ h = e Also ist h auch ein Rechts-Inverses von g. Ferner: ge = g(hg) = (gh)g = eg = g Also ist ein Links-Neutrales auch Rechts-Neutrales. Sind e, e′ neutral, so folgt nun leicht: e = ee′ = e′ Das neutrale Element ist also eindeutig bestimmt. Jetzt wird noch die Eindeutigkeit des Inversen nachgetragen: Gegeben sei g. Es sei h ein Links-Inverses von g, also hg = e, und es sei k ein Rechts-Inverses von g, also gk = e. Dann folgt h = he = h(gk) = (hg)k = ek = k Da jedes Links-Inverse von g auch Rechts-Inverses von g ist, gibt es nur ein einziges Links-Inverses und damit auch nur einziges Inverses von g. Die Potenzen eine Gruppen-Elementes g ∈ G werden wie üblich gebildet: g 1 = g, g 2 = gg, g −2 = g −1 g −1, etc. Genauer hat man die folgende induktive Definition für n ∈ Z: g0 = e g n = g(g n−1) n −1 g = g (g n+1 (n > 0) ) (n < 0) Wegen der Assoziativität hat man die üblichen Regeln: g n+m = g n g m (n, m ∈ Z) (g n )m = g nm (n, m ∈ Z) 3 Für das Inverse eines Produktes gilt: (gh)−1 = h−1 g −1 Tatsächlich: (h−1 g −1)(gh) = h−1 (g −1 g)h = h−1 eh = h−1 h = e Die einfachste Gruppe ist die sogenannte triviale Gruppe. Sie besteht nur aus einem einzigen Element, ihrem neutralen Element: G = {e}. Definition. Es sei G eine Gruppe. Eine Untergruppe von G ist eine nichtleere Teilmenge U ⊂ G die abgeschlossen unter Produkten und Inversen-Bildung ist: ∀g, h ∈ U : gh ∈ U, g −1 ∈ U Die triviale Gruppe {e} ist Untergruppe von jeder Gruppe. Die Ordnung einer Gruppe ist die Anzahl |G| ihrer Elemente. Eine Gruppe G heißt endlich wenn sie nur endlich viele Elemente hat: |G| < ∞. Weitere Bemerkungen zu Notationen bei Gruppen Die Abbildung (g, h) 7→ gh wird auch “Gruppen-Verknüpfung”, “Produkt”, “Multiplikation”, etc. genannt und auch als g · h, g ∗ h, g ◦ h, etc. geschrieben. Das neutrale Element wird auch “Eins-Element” genannt und oft einfach mit 1 oder 1G bezeichnet. Bei einer abelschen Gruppe wird die Verknüpfung manchmal geschrieben als (g, h) 7→ g + h Man spricht dann von einer “additiv geschriebenen” Gruppe. In diesem Fall wird das neutrale Element mit 0 = 0G bezeichnet und das Inverse eines Elementes g mit −g. Manchmal wird das Produkt auch explizit angegeben und man schreibt (G, ·), (G, ∗), (G, +), etc. Bei einer additiv geschriebenen Gruppe spricht man nicht von “Potenzen” eines Elementes, sondern entsprechend von “Vielfachen” und schreibt für n ∈ Z: ng = 0G (n = 0) ng = g + (n − 1)g (n > 0) ng = −g + (n + 1)g (n < 0) 4 Beispiel: (R, +): Die Menge der reellen Zahlen R zusammen mit der Addition bildet eine abelsche Gruppe. Beispiel: (R\{0}, ·): Die Menge der von 0 verschiedenen reellen Zahlen zusammen mit der Multiplikation bildet eine abelsche Gruppe. Beispiel: ({+1, −1}, ·): Diese Gruppe besteht nur aus zwei Elementen und ist ein Untergruppe von (R \ {0}, ·). Zyklische Gruppen Dies sind besonders einfache Gruppen. Definition. Eine Gruppe heißt zyklisch, falls es ein Element a ∈ G gibt, so daß alle Elemente von G Potenzen von a sind: G = { an | n ∈ Z } Es sind hier zwei Fälle zu unterscheiden: |G| = ∞: Die unendliche zyklische Gruppe. Dies ist gerade die (additiv geschriebene) Gruppe (Z, +) der ganzen Zahlen. |G| < ∞: Die endlichen zyklische Gruppen. Es sei n ≥ 1 eine natürliche Zahl. Für k ∈ Z sei σk die Drehung der Ebene (= R2 ) um den Nullpunkt mit dem Winkel 2πk/n. Es gilt dann σ0 = id, σk ◦ σl = σk+l , σk+n = σk , Die Menge der Drehungen σk besteht also genau aus den n Elementen σk , k = 0, 1, . . . , n − 1 Schreibt man das Hintereinanderausführen von Abbildungen als Produkt, so gilt mit σ = σ1 : σk = σ k Damit wird Cn = { σ k | k = 0, 1, . . . , n − 1 } eine Gruppe mit dem neutralen Element e = id und der Relation σn = e Es ist die zyklische Gruppe der Ordnung n. 5 Permutations-Gruppen Es sei M eine Menge. Eine Permutation (oder Vertauschung) von M ist eine bijektive Abbildung f M− →M Die Menge der Permutationen von M wird mit S(M) bezeichnet, also f S(M) = { M − → M | f ist eine Bijektion } Die Menge S(M) ist auf natürliche Weise eine Gruppe. Die Gruppen-Verknüpfung ist die Komposition von Abbildungen f g := f ◦ g Das neutrale Element ist die Identitäts-Abbildung idM : M → M idM (x) = x Das Inverse von f ∈ S(M) ist die inverse Abbildung f −1 gegeben durch f −1 (x) = y ⇔ x = f (y) (x, y ∈ M) Die Assoziativität ist leicht einzusehen (vgl. Vorlesung). Ist M = {1, . . . , n}, so schreibt man für S(M) auch Sn , also Sn = Menge der Permutationen der Zahlen 1, 2, . . . , n Sn heißt auch symmetrische Gruppe. Die Gruppen GLn (R) Die Matrizen M(m, n, R) bilden eine Gruppe bezüglich der Addition von Matrizen. Hierbei ist das neutrale Element die Null-Matrix. Diese Gruppe ist abelsch. Interessanter wird es, wenn wir die Multiplikation von Matrizen betrachten. Für die Menge der invertierbaren n × n-Matrizen schreibt man: GLn (R) = GL(n, R) = { A ∈ Mn (R) | A ist invertierbar } = { A ∈ Mn (R) | ∃B ∈ Mn (R) : AB = En } Diese Menge bildet zusammen mit dem Matrizen-Produkt eine Gruppe. Ihr neutrales Element ist En . Die Assoziativität folgt aus der Assoziativität des MatrizenProduktes. Die Gruppe GLn (R) heißt auch die allgemeine lineare Gruppe über R. Die Bezeichnung stammt von “general linear group”. Im Rahmen der Vorlesung ist dieses Beispiel vielleicht etwas verfrüht, weil wir Invertierbarkeit von Matrizen und die Determinante noch nicht näher besprochen 6 haben. Für n = 2 allerdings können wir die allgemeine lineare Gruppe schon konkret beschreiben. Für einen Körper K ist a b GL2 (K) = a, b, c, d ∈ K, ad − bc 6= 0 c d mit dem Inversen −1 1 d −b a b = c d ad − bc −c a Die Dieder-Gruppen Dn In der Vorlesung wurden die Diedergruppen als die Isometriegruppe eines regelmäßigen n-Ecks in der Ebene eingeführt. Ihre Elemente sind entsprechende Drehungen und Spiegelungen. Hier sind die Notationen. Es sei n ≥ 1 fest gewählt. Es sei σ die Drehung der Ebene (=R2 ) um den Nullpunkt mit Winkel 2π/n. Ferner sei τ die Spiegelung an der x-Achse. Die Diedergruppe Dn besteht nun aus allen möglichen Kombinationen, die aus σ und τ durch Hintereinanderausführen (g, h) 7→ gh := g ◦ h von Abbildungen der Ebene gebildet werden können. Man hat folgende Relationen: (1) τ 2 = id (2) σ n = id (3) τ στ = σ −1 (4) (τ σ)2 = id Die ersten beiden Relationen sind evident: Zweifaches Ausführen einer Spiegelung ist die Identität. Ferner: n-faches Ausführen einer Drehung mit dem Winkel 2π/n ist die Drehung mit Winkel 2π, also die Identität. Damit hat man auch schon die Inversen von τ und σ: τ −1 = τ σ −1 = σ n−1 Kurz gesagt: Die Gruppen U = {id, τ } und Cn (siehe oben) sind Untergruppen von Dn . 7 Zu den Relationen (3) und (4): Ist ρ eine Drehung um den Nullpunkt mit dem Winkel α, so ist τ ρτ die Drehung um den Winkel −α. Dies macht man sich am besten geometrisch klar. Die Drehung um den Winkel −α aber das Inverse von ρ. Also gilt τ ρτ = ρ−1 (3′ ) Daraus folgt nun (τ ρ)2 = τ ρτ ρ = ρ−1 ρ = id Dies kann man sich auch direkt geometrisch überlegen: τ ρ ist eine Spiegelung (an welcher Achse?). Aus (3′ ) erhält man (mit ρ = σ i ) τ σ i τ = σ −i Man kann dies auch formal aus (3) schliessen, siehe Aufgabe 1. Dies zeigt auch (τ σ i )−1 = σ i τ Zusammenfassend stellt man fest, daß die Menge Dn = {id, σ, σ 2 , . . . , σ n−1 , τ, τ σ, . . . , τ σ n−1 } = { σ i , τ σ i | i = 0, . . . , n − 1 } abgeschlossen unter Kompositionen und Inversen-Bildung ist und damit eine Gruppe bildet. Sie hat 2n Elemente. 8 Aufgabe 1. Es sei G eine Gruppe, es sei g, h ∈ G und n ∈ Z. Man zeige (hgh−1)n = hg n h−1 Hinweis. Man zeige zunächst (1) (hgh−1 )−1 = hg −1h−1 (2) (hgh−1 )n = hg n h−1 (n > 0) Für (2) bietet sich ein Induktionsbeweis an. Aufgabe 2. (1) Man zeige: Eine Gruppe G ist genau dann abelsch wenn ghg −1 h−1 = e für alle g, h ∈ G. (2) Es sei G eine Gruppe mit g 2 = e für alle g ∈ G. Man zeige, daß G abelsch ist. Hinweis. (2) ist ein bißchen trickreich. Man versuche, ghg −1 h−1 als Produkt von Quadraten k 2 zu schreiben. Aufgabe 3. Es sei A= 0 1 , 1 0 B= 0 −1 1 −1 Man verifiziere die Relationen (E ist die 2 × 2 Einheitsmatrix) A2 = E, B 3 = E, ABAB = E und schließe, daß G = {E, B, B 2 , A, AB, AB 2 } eine Gruppe bildet. Für je zwei Elemente von G gebe man jeweils das Produkt an. Anmerkung. Als abstrakte Gruppe ist G gerade die Dieder-Gruppe D3 , nur in einer etwas anderen konkreten Beschreibung. (Man sagt G und D3 sind isomorph.) Aufgabe 4. Man zeige |Sn | = n!. Hinweis. Diese eher kombinatorische Aufgabe hat nicht unbedingt etwas mit Gruppentheorie zu tun. Sie gehört zur Allgemeinbildung!