Der eindim. harmonische Oszillator - Institut für Physik

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Dr. W. Seifert, Institut für Physik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Der eindimensionale harmonische Oszillator
Das lineare Kraftgesetz F (x) = −kx mit der Federkonstanten k liefert die Dgl. für den
harmonischen Oszillator
mẍ = −kx
=⇒
ẍ + ωo2 x = 0
mit ωo =
p
k/m .
(1)
Wird die Kreisfrequenz ωo als konstant angenommen, handelt es sich bei (1) um eine lineare und homogene Dgl. mit konstanten Koeffizienten, die mit dem Exponentialansatz gelöst
werden kann. Der Ansatz x(t) = Aeλt liefert die charakteristische Gleichung
λ2 + ωo2 = 0
mit den imaginären Wurzeln
λ1 = iωo , λ2 = −iωo .
Damit ergibt sich als allgemeine Lösung der Dgl. (1)
x(t) = Aeiωo t + Be−iωo t .
(2)
Man beachte, dass diese komplexe Darstellung der reellen Lösung x(t) nur gültig ist, wenn die
rechte Seite eine Summe von komplexer und konjugiert komplexer Funktion ist; dann erhält
man den doppelten Realteil dieser Funktion. Da die komplexen Exponetialfunktionen bereits
zueinander konjugiert komplex sind, fordern wir noch B = A? , verwenden im Folgenden die
Eulersche Formel
e±iϕ = cos ϕ ± i sin ϕ
und erhalten mit ϕ = ωo t
x(t) = (A + A? ) cos (ωo t) + (A − A? ) i sin (ωo t) .
(3)
Mit den komplexen Konstanten A = Ar + iAi sowie B = A? = Ar − iAi , die nur 2 reelle
Konstanten enthalten, ergibt sich schliesslich die reelle Darstellung der Lösung in der Form
x(t) = 2Ar cos (ωo t) − 2Ai sin (ωo t) =: c1 cos (ωo t) + c2 sin (ωo t) .
(4)
Man beachte, dass die 2 freien Konstanten beliebig gewählt werden können; die letzte Variante in Gl. (4) ist die gebräuchlichere.
Aus physikalischer Sicht ist weiterhin die Lösung des Anfangswertproblems (AWP) von Interesse. Für Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0
x(0) = xo ,
ẋ(0) = vo .
erhält man die Konstanten c1 = xo sowie c2 = vo /ωo und damit die Lösung des AWP in der
bekannten Form
x(t) = xo cos (ωo t) +
vo
sin (ωo t) .
ωo
(5)
Man beachte, dass man – obwohl kaum praktiziert – die Anfangswerte auch in die komplexe
Lösung (2) einsetzen kann. Die komplexen Konstanten A und B sind dann
vo
1
A = (xo + i ) ,
2
ωo
1
vo
B = A? = (xo − i ) .
2
ωo
Wegen A + A? = xo und A − A? = i ωvoo ergibt sich nach kurzer Rechnung wieder die Lösung
(5).
Wir ergänzen noch, dass eine dritte Löungsdarstellung existiert, wobei Amplitude a und
Phasenverschiebung φo die 2 unabhängigen Konstanten sind.
Für die allgemeine Lösung der Dgl. (1) gibt es also 3 Darstellungen:
x(t) = Aeiωo t + Be−iωo t ,
B = A? komplex
(6)
= c1 cos (ωo t) + c2 sin (ωo t)
(7)
= a cos (ωo t − φo ) .
(8)
Die letzte Darstellung erhält man mit Hilfe des Additionstheorems:
cos (α − β) = cos α cos β + sin α sin β ,
wobei offenbar gilt:
c1 = a cos φo ,
c2 = a sin φo .
(9)
Man beachte, dass der Kosinus eine gerade Funktion ist, denn es gilt: cos (−α) = cos α .
Wir geben noch ein Beipiel an und besprechen dabei auch den Energiesatz:
Gegeben sei eine harmonische Schwingung
x(t) = 4 cos (ωo t) + 3 sin (ωo t) .
Aufgabe: Berechnen Sie Amplitude und Phase dieser Schwingung und berechnen Sie die
mechanische Gesamtenergie !
Lösung: Wir verwenden (9) und finden
c1 = a cos φo = 4 ,
c2 = a sin φo = 3 .
Quadrieren bzw. Dividieren liefert a = 5 , tan φo = 3/4.
Die Überlagerung einer Kosinus- und einer Sinus-Schwingung liefert also wieder eine harmonische Schwingung, hier ein Kosinus mit der Amplitude a = 5 und einer Phasenverschiebung
φo = 36, 9 Grad.
k
2
m 2
2 ẋ .
Die potentielle Energie des harmonischen Oszillators ist U (x) =
x2 , wobei F (x) = −dU/dx
gelten muss. Die kinetische Energie des Oszillators ist T =
Der Energiesatz bilanziert
die Summe von potentieller und kinetischer Energie
m 2 m 2 2
ẋ + ωo x = T + U = E .
2
2
(10)
Da keine Reibungskräfte gegeben sind, ist die mechanische Energie eine Erhaltungsgrösse:
kinetische und potentielle Energie hängen von der Position x und der dortigen Geschwindigkeit ẋ ab, die Summe beider ändert sich aber im Zuge der Bewegung nicht. Dies kann man
·
beweisen durch Multiplikation der Dgl. (1) mit x und Integration bzgl. t bzw. umgekehrt
durch Differenzieren des Energiesatzes (10) nach der Zeit!
Setzt man die Lösung x(t) = 5 cos (ωo t − ϕ0 ) und ihre Zeitableitung in den Energiesatz (10)
ein, erhält man für unser Beispiel die konstante mechanische Energie
E=
25
mωo2 = const.
2
Hinweis zum gedämpften harmonischen Oszillator
Die Reibungskraft wird beim harmonischen Oszillator üblicherweise geschwindigkeitsproportional (mit dem Reibungskoeffizienten r) angesetzt. Damit erhält man die Dgl.
mẍ = −kx − rẋ =⇒ ẍ + γ ẋ + ωo2 x = 0 .
(11)
Dabei wird als Vereinfachung γ = r/m angesetzt; mitunter findet man in der Literatur auch
r/m = 2γ. Werden γ und ωo als konstant angenommen, kann wieder der Exponentialansatz
verwendet werden, wobei die charakteristische Gleichung
λ2 + γλ + ωo2 = 0
für den Fall ωo > γ/2 (schwache Dämpfung) die folgenden komplexen Wurzeln liefert:
λ1 = −γ/2 + iω, λ2 = −γ/2 − iω
mit ω =
p
ωo2 − γ 2 /4 .
Die weitere Rechnung ist analog zur obigen und liefert die 3 Lösungsdarstellungen
x(t) = Ae(−γ/2+iω)t + Be(−γ/2−iω)t ,
− γ2 t
= e
(c1 cos (ωt) + c2 sin (ωt))
− γ2 t
= ae
B = A?
cos (ωt − φo ) .
(12)
(13)
(14)
Man beachte, dass sich für γ → 0 die Darstellungen des ungedämpften Oszillators ergeben,
und dass nur eine schwache Dämpfung mit der o.a. Bedingung ωo > γ/2 diese Lösung liefert.
Wichtig ist, dass ein gedämpftes System wegen ω < ωo immer langsamer schwingt als ein
ungedämpftes System. Die mechanische Energie ist hier keine Erhaltungsgrösse!
Weitere relle Lösungen ergeben sich für den aperiodischen Grenzfall (ωo = γ/2) sowie für den
Kriechfall ( ωo > γ/2); dazu sei auf Lehrbücher zur Theoretischen Mechanik verwiesen.
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