Gewebespende - Projekt Leben retten

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Gewebespende
Wer der Organspende uneingeschränkt zustimmt, willigt damit auch in die
Entnahme von Geweben ein. Wer einen Organspendeausweis ausfüllt, der trifft
nicht eine, sondern zwei Entscheidungen. Mit der Organspende einher geht
auch die Einwilligung in eine Gewebespende, die Spende von Haut, Knochen,
Herzklappen oder der Augenhornhaut. Obwohl auf den Spenderausweisen
Organe und Gewebe nebeneinander aufgeführt sind, ist kaum bekannt, dass
zwischen einer Organ und einer Gewebespende große Unterschiede bestehen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation mbH (DGFG) ist seit
2007 eine unabhängige, gemeinnützige Organisation in der Rechtsform einer
gemeinnützigen GmbH. Gesellschafter sind die Medizinische Hochschule
Hannover (MHH), das Universitätsklinikum Leipzig sowie das
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Die DGFG ist ein Netzwerk
deutscher Kliniken, Gewebebanken und transplantierender Einrichtungen.
Unsere Partner sind ausschließlich im Bereich der nicht-kommerziellen
Gewebespende tätig. Die DGFG ist das größte Netzwerk der Gewebemedizin in
Deutschland. Seit 2005 befindet sich der Sitz der Gesellschaft in der
niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Hier sind rund 15
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Gewebespendekoordinatoren sind in
sieben Regionen an Universitätsklinika und großen Krankenhäusern im
gesamten Bundesgebiet im Einsatz.
Alle erwirtschafteten Überschüsse werden unmittelbar zur weiteren Förderung
der Gewebemedizin eingesetzt. Die Erwirtschaftung eines deutlichen
Überschusses unter Berücksichtigung des gesetzlich geltenden Handelsverbots
für Gewebetransplantate ist weder möglich noch wünschenswert.
Die DGFG ist die Nachfolgegesellschaft der gemeinnützigen Gesellschaft für
Gewebetransplantation (DSO-G), einer Tochter der Deutschen Stiftung
Organtransplantation. Die DSO hat ihre Tochter 1997 mit der Koordination der
Gewebespende in Deutschland beauftragt. Durch das Inkrafttreten des
Gewebegesetzes im Jahr 2007 war eine räumliche und rechtliche Trennung
erforderlich.
Das Deutsche Institut für Zell- und Gewebeersatz entstand aus einer Initiative
von Ärzten und Naturwissenschaftlern aus der Berliner Humboldt-Universität
sowie den Universitäten Leipzig und Erlangen-Nürnberg.
Das Institut verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.
Zielsetzung ist die Versorgung von Operateuren, die humane
Gewebetransplantate zur Behandlung krankheits- oder unfallbedingter
Gewebedefekte benötigen. Grundlage der Verwendung muss stets die
Beurteilung des Operateurs sein, dass eine Verwendung humaner
Gewebetransplantate aus medizinischen Gründen geboten ist.
Gespendetes Gewebe wird in gemeinnützigen Institutionen wie dem Deutschen
Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) gereinigt, aufbereitet und
weiterverarbeitet. Knochen beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen
oder in gebrauchsfertige Formate gestückelt. Das Endprodukt wird als
Arzneimittel den Ärzten auf den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung
gestellt.
Der aktuelle DIZG-Katalog hat ein entsprechendes Angebot: hochwertige
Knochenchips, "gemahlen mit der Spierings Bone Mill". Komplette
Achillessehnen und Patellasehnen mit vorgeformten Knochenansätzen.
Menschliche Haut, zellfrei und gefriergetrocknet, in Größeneinheiten von einem
Quadratzentimeter bis hin zu Gewebeflächen von 16 mal 24 Zentimetern.
Weichgewebe, knorpelfreie Oberschenkelknochenköpfe, Teile des Schienbeins
in Span- und Keilform.
Bei all dem handelt es sich um medizinisch nutzbringende Mittel, die dazu
beitragen können, das Leiden Kranker zu mildern - wenn auch nicht so
unmittelbar wie die Organspende. So gäbe es denn an der Praxis der
Gewebespende nichts auszusetzen, wenn man denn davon ausgehen könnte,
dass diejenigen, die ihre Zustimmung zur Organ- wie auch Gewebespende
kundtun, wissen, welchen Verfahren und Praktiken sie eigentlich zustimmen.
Es spricht nicht viel dafür, dass dieses Wissen existiert.
Die Institute fertigen aus Leichen medizinische Ersatzteile. Sie verwerten dabei
fast alles, was der menschliche Körper zu bieten hat: Knochen, Knorpel,
Sehnen, Muskelhüllen, Haut, Augenhornhäute, Herzbeutel oder Herzklappen.
So entfettet und reinigt man entnommene Knochen, schneidet, sägt oder fräst
sie zurecht, sterilisiert, verpackt sie.
In Deutschland ist der Markt für Gewebeprodukte noch klein. Beispielsweise für
Knochen: Experten schätzen, dass bundesweit in Kliniken lediglich 30 000
Transplantate pro Jahr eingesetzt werden, großteils zum Knochenaufbau bei
Hüftoperationen und in der Wirbelsäulenchirurgie.
Ganz anders in den USA: Nach Angaben der US-Vereinigung Orthopädischer
Chirurgen werden jedes Jahr mehr als eine Million Knochenteile verpflanzt. In
keinem anderen Land lässt sich mit Leichenteilen so viel Geld verdienen.
Würde eine Leiche in ihre Einzelteile zerlegt, verarbeitet und verkauft, käme
man auf einen Erlös von bis zu 250 000 Dollar. Für eine einzige Leiche!
Insgesamt macht die US-Gewebebranche rund eine Milliarde Dollar Umsatz pro
Jahr.
Die Überzeugung, dass der Körper weit mehr als eine Sache ist, prägt auch
Beschlüsse der Weltgesundheitsorganisation, des EU-Parlaments und des
Europarats. Sie alle verurteilen, dass mit dem menschlichen Körper Handel
getrieben wird, um Gewinne zu machen. In Deutschland regelt das
Transplantationsgesetz die Entnahme von Gewebe. Als Spender kommt nur in
Frage, wer selbst der Entnahme zugestimmt hat. Stellvertretend können
nach dem Tod die nächsten Angehörigen einwilligen.
Ausdrücklich heißt es zudem in Paragraf 17:
„Es ist verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines
anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.“ Den Medizinern, die das
Gewebe entnehmen, darf lediglich eine angemessene Entschädigung gezahlt
werden. Wer gegen das Handelsverbot verstößt, wird mit einer Freiheitsstrafe
von bis zu fünf Jahren bedroht.
Nach der gesetzlichen Neuregelung von Gewebespenden vor fünf Jahren sind
im Netzwerk der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) die
Spender- und Transplantationszahlen bei Hornhäuten und Amnion stark
angestiegen. Aber bei humanen Herzklappen, Blutgefäßen und Muskuloskelettalen Gewebe sind die Spenderzahlen zum Teil zurück gegangen oder sie
stagnieren. Das geht aus dem Jahresbericht 2011 der Deutschen Gesellschaft
für Gewebetransplantation (DGFG) in Hannover hervor.
"Der zeitweilige Rückgang etwa bei Herzklappen liegt daran, dass die Spende
nur in Kombination mit einer Organspende möglich ist", sagt DGFG-Sprecher
Tino Schaft. Wenn ein Herz, das zur Entnahme freigegeben wurde, nicht als
Transplantat geeignet ist, können oft doch die Herzklappen als Gewebespende
entnommen werden. "Da aber die Organspenden zurück gehen, schrumpfen
auch die Spenderzahlen bei den Herzklappen", so Schaft. "Zudem ist nicht
allen Ärzten klar, im Aufklärungsgespräch auch explizit die Gewebespende
anzusprechen."
Die Folge: Die Spenderzahl bei den Herzklappen bei den DGFG-NetzwerkMitgliedern sank zwischen 2007 und 2011 von 292 auf 147, zwischenzeitlich
lag sie sogar 2009 bei nur 86 Spenden. Die Anzahl der Blutgefäß-Spenden
stieg nur leicht von 163 auf 186, so der Jahresbericht der DGFG. Die
Amnionspenden stiegen zwischen 2007 und 2011 von null auf 1038, bei
Hornhäuten von 1935 auf 3090. Seit 2007 unterliegen alle
Gewebezubereitungen dem Arzneimittelgesetz. Um den Handel mit Gewebe
auszuschließen, schrieb der Gesetzgeber ein Handelsverbot ins
Transplantationsgesetz (TPG). Allerdings sind längst nicht alle Spender- und
Spende-Zahlen bekannt. Außerdem können nicht alle Gewebespenden auch
transplantiert werden. Das neue Gesetz schreibt umfangreiche Untersuchungen
der Gewebe vor, erklärt Schaft. "Es werden aufwändige Verfahren eingesetzt,
alle Spenden werden zum Beispiel virologisch und mikrobiologisch geprüft."
Die Untersuchungen werden in den Gewebebanken vorgenommen. Laut Schaft
können rund 70 Prozent der gespendeten Hornhaut-Transplantate schließlich
Patienten transplantiert werden. Diese Zahlen aus dem Jahresbericht sind zu
relativieren. Denn im Netzwerk der DGFG, die ausdrücklich nur mit
gemeinnützigen Partnern zusammenarbeitet, sind nur zehn von rund 25
Gewebebanken in Deutschland organisiert, sowie zwei Knochenbanken und drei
Herzklappenbanken. Die Zahl der Knochenbanken, die nicht in der DGFG
organisiert sind, ist unklar.
Klar indessen ist: Der Bedarf an Hornhäuten, Herzklappen oder Blutgefäßen
übersteigt das Angebot bei Weitem. So brauche man in Deutschland 6000 bis
8000 Hornhäute im Jahr und 300 bis 500 Herzklappen, wie die Zahl der
schließlich jährlich verpflanzten Gewebe gezeigt hat, erklärt Tino Schaft.
Bei den Herzklappen muss aufgrund der Mangelsituation im Notfall auch eine
künstliche oder aus Schweineherzen gewonnene Klappe eingesetzt werden.
Der Mangel bei anderen Gewebeteilen führt zu einer längeren Wartezeit, laut
DGFG wartet die Hälfte der Hornhautempfänger im Netzwerk drei Monate auf
das Transplantat. Zudem gebe es für Gewebe deutlich mehr potenzielle
Spender als Organspender. Während in Deutschlands Kliniken jährlich rund
4000 Menschen für eine Organspende in Frage kämen, sind es potenziell
400.000 Menschen, die in Krankenhäusern an Herzkreislaufversagen gestorben
sind, und für eine Gewebespende in Frage kommen, berichtet Schaft.
Obwohl der Mangel an Gewebespenden also nicht die Dramatik hat, wie der
Mangel an Organspenden, fehlen doch Knochen, Klappen und Blutgefäße. "Oft
sprechen die Ärzte mit ihren Patienten nur über die Organspende", bedauert
Schaft, "dabei wird im Organspendeausweis nach der Entnahme von Organen
und auch Gewebe gefragt." "Wenn etwa ein zur Transplantation frei gegebenes
Herz nicht geeignet ist, brauchen wir die Meldung, dass wenigsten die
Herzklappen zur Verfügung stehen."
Gewebespenden werden nicht sofort transplantiert, sondern zunächst in
speziellen Gewebebanken gereinigt, aufgearbeitet und konserviert. Dies
gewährleistet eine Grundversorgung an Transplantaten, da die Zahl der
Gewebespenden schwankt. Zudem erhält die Patientin oder der Patient im
Notfall ohne lange Wartezeit ein Transplantat. Das dort gelagerte Gewebe wird
auf Krankheitserreger untersucht und nach bestimmten Methoden gelagert, um
Infektionen bei der Empfängerin oder dem Empfänger zu verhindern. Die
Gewebebanken sind jeweils auf wenige, ganz bestimmte Transplantate
ausgerichtet. So gibt es in Deutschland 20 Hornhautbanken, zum Beispiel in
Würselen bei Aachen, Rostock oder Dresden. Darin lagern Augenhornhaut,
-lederhaut und Amnion. Dagegen existieren bundesweit nur wenige
überregionale muskulo-skelettale Banken, unter anderem in der Berliner
Charité, in denen Knochen, Muskeln, Bänder und Haut aufbereitet werden.
Auch Herzklappenbanken sind selten und überwiegend Universitätskliniken
angegliedert, wie in Kiel, Berlin oder Bad Oeynhausen.
Nicht alle Betroffenen erhalten sofort das notwendige Transplantat, weil es
nicht genügend Gewebespenderinnen und Gewebespender gibt. Die
Patientinnen und Patienten kommen dann auf die Wartelisten, zum Beispiel der
Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) oder von
Unikliniken, die Gewebebanken haben. Denn in Deutschland gibt es im
Gegensatz zur Organtransplantation keine bundesweite Liste aller wartenden
Menschen. Und es existieren, anders als bei Organen, auch keine
Zuteilungskriterien der Transplantate. Die DGFG hat eigene Richtlinien
entwickelt. Dabei sind Dringlichkeit, Erfolgsaussicht für eine Genesung nach
der Transplantation und Chancengleichheit (Wer wartet wie lange auf ein
Transplantat?) ausschlaggebend.
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