Fein tafeln in historischem Täfer Von MARTIN GMÜR 28 Februar 2004 Tages Anzeiger LOKAL-TERMIN Die Akazie gehört zu den besten, aber nicht teuersten Restaurants der Stadt und erzählt zudem einiges über die Geschichte Winterthurs. Legendär ist die langjährige Wirtin Vera Malagoli, die in der Akazie Spaghetti kochte - lange bevor die Spaghetti-Factorys, die Pizzerien und Bindellas Imperium die Schweiz mit italienischer Pasta-Gastronomie zudeckten. «Sigolinhöhle» hiess das Lokal unter Insidern, erinnert sich Winterthurs ehemaliger Stadtpräsident Urs Widmer, der oft selber in der Küche aushalf und häufiger Gast war. Mit Sigolin pflegte die Wirtin die Kupferkessel zu polieren, die das rustikale Interieur schmückten. Pfeifenrauchen war streng verboten, weil der Rauch das Kupfer oxidieren liess. Regelmässige Gäste waren auch die Maler der Künstlergruppe, die der Wirtin im Hüttenbuch in Text und Bild huldigten. Geblieben aus diesen alten Tagen sind zwei Dinge: das dunkle Wandtäfer, das laut Widmer aus der Villa Wehntal des Handelshausgründers Salomon Volkart stammt, und das Lokal als Treffpunkt: Beim Besuch diese Woche tafelten nebenan ein Chefarzt, ein Unternehmer, eine Nationalrätin und mehr Frauen als Männer. Ein Lokal für «Meebesseri» ist die Akazie jedoch nicht, wohl aber eines für Besseresser - gepflegt, aber nicht gestopft. Wirtin Sabine Wiedemann und ihr kochender Geschäftspartner Christoph Graf bringen feine Kost auf den Teller, welche die stark strapazierten Begriffe «marktfrisch und saisonal» verdient. Mit Ausnahme von Brot und Nudeln ist alles hausgemacht - von der Kaninchenlebermousse, die als Amuse-gueule auf Toast gereicht wird, bis zur Meringue, die den Dessertteller schmückt. Seit knapp zwei Jahren heissen Wiedemann und Graf die Gäste in der renovierten und modernisierten Akazie willkommen, zuvor hatten sie sich im Obergass ein treue und begeisterte Kundschaft aufgebaut. Das Abendmenü wechselt wöchentlich, diese Woche standen Grapefruit-Avocado-Salat, Zitronenrisotto mit gebratenem Tintenfisch, Forellenfilets mit Pinienkernen, Knoblauchkartoffelstock und Karotten sowie ein Apfeltiramisù oder ein Käseteller für 58 Franken auf der Karte. Den feinen Fisch mit der ungewöhnlichen Beilage allein gabs für 34 Franken. Aus der alle drei Wochen wechselnden Abendkarte fiel die Wahl auf den zarten Lammrücken mit dicker Nusskruste und separat gratinierten Kartoffeln (36.50 Franken). Rotwein zu Fisch sei heute kein Verbrechen mehr, sagte die Wirtin und empfahl den leichten Cannonau aus Sardinien, die Flasche zu 42, das Dezi zu 6.50 Franken. Wie schon im Obergass sind auch in der Akazie die Desserts die Krönung und eine Qual bei der Wahl: Camparimousse mit Grapefruitsalat für den Gaumen, wersbitter-säuerlich mag, Windbeutel mit Schoggimoussefüllung und Orangenfilets fürs Schleckmaul (je 11 Franken). Und was das Elternherz besonders freut: Kinder werden - wie die Erwachsenen auch - nicht nur herzlich begrüsst und aufmerksam umsorgt, sondern essen freiwillig und stressfrei Karotten -, «weil sie so gut sind». Restaurant Akazie, Stadthausstr. 10. Mittagsmenüs für 19, 21.50 und rund 28 Franken. 52 Plätze, Reservation mittags und abends ist empfehlenswert. Sonntag geschlossen. Telefon 052 212 17 17. Tamedia AG (Tages Anzeiger) Dokument TANZ000020040228e02s0002f