TOPOLOGIE I 1. Einleitende Bemerkungen Hauptgegenstand dieser

Werbung
TOPOLOGIE I
BERNHARD HANKE
1. Einleitende Bemerkungen
Hauptgegenstand dieser Vorlesung ist die sogannte algebraische Topologie. Sie entwickelt systematische Methoden, um folgende Fragen zu
beantworten: Es seien X und Y topologische Räume. Sind X und Y
homöomorph? Sind X und Y homotopieäquivalent? Zur Erinnerung:
Definition.
• Ein stetige Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, falls
es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f ◦ g = idY und
g ◦ f = idX . Die Räume X und Y heißen homöomorph, falls es einen
Homöomorphismus X → Y gibt. Wir schreiben dann X ≈ Y .
• Sind f, g : X → Y stetige Abbildungen, so nennen wir f und g
homotop, falls es eine stetige Abbildung H : X × [0, 1] → Y gibt mit
H(x, 0) = f (x) und H(x, 1) = g(x) für alle x ∈ X (dies bedeutet
anschaulich, dass wir f in g deformieren können; die Punkte in [0, 1]
fassen wir dabei als Zeitparameter auf). In diesem Fall schreiben
wir f ' g.
• Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt Homotopieäquivalenz, falls
es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f ◦ g ' idY und g ◦ f '
idX . Die Räume X und Y heißen homotopieäquivalent (oder vom
gleichen Homotopietyp), falls es eine Homotopieäquivalenz X → Y
gibt. Wir schreiben dann X ' Y . Ein Raum heißt zusammenziehbar,
falls er homotopieäquivalent zum einpunktigen Raum ist.
Homotopie definiert eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller stetigen Abbildungen X → Y und Homöomorphismus und Homotopieäquivalenz
Äquivalenzrelationen auf der Klasse aller topologischen Räume. Homöomorphe Räume sind homotopieäquivalent, aber die Umkehrung gilt in der Regel
nicht: Die Räume Rn sind alle zusammenziehbar, aber (falls n > 0) sicher
nicht homöomorph zum einpunktigen Raum.
Im allgemeinen stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Sind X und
Y tatsächlich homöomorph oder homotopieäquivalent, so kann man dies
nachweisen, indem man einen Homöomorphismus oder eine Homotopieäquivalenz explizit konstruiert. Und dies ist in vielen Fällen tatsächlich möglich.
Sind aber X und Y nicht homöomorph oder homotopieäquivalent, so muss
1
2
BERNHARD HANKE
man sich einen Grund einfallen lassen, warum es keine einzige stetige Abbildung X → Y mit den gewünschten Eigenschaften geben kann. Die Konstruktion von stetigen Abbildungen X → Y hilft hier aber nicht weiter. Wir
zitieren:
Satz 1.1. Die 2-Sphäre S 2 und der 2-Torus T 2 = S 1 × S 1 (“Fahrradschlauch”) sind nicht homotopieäquivalent. Die Räume Rn und Rm sind
genau dann homöomorph, falls n = m.
Die zweite Aussage wurde erst im Jahre 1910 mathematisch lückenlos
bewiesen - sie wird mit den Methoden dieser Vorlesung aber leicht zu zeigen
sein.
Die Idee der algebraischen Topologie ist die folgende: Konstruiere für
jeden topologischen Raum X (eventuell mit gewissen Zusatzeigenschaften)
ein diskretes Objekt F (X). Dies kann eine Menge sein oder eine Gruppe oder ein komplizierteres algebraisches Objekt wie z. B. ein Ring. Die
Konstruktion sollte funktoriell sein, d.h. ist f : X → Y eine stetige Abbildung, so erhalten wir eine induzierte Abbildung F (f ) : F (X) → F (Y ), die
die algebraischen Strukturen von F (X) und F (Y ) respektiert. Weiterhin
sollte für stetige Abbildungen f : X → Y , g : Y → Z die Kompositionsregel F (g ◦ f ) = F (g) ◦ F (f ) gelten und F (idX ) = idF (X) . Angenommen, f : X → Y ist ein Homöomorphismus. Es sei g : Y → X invers
zu f . Haben wir eine Zuordnung F wie oben gefunden, dann folgt, dass
F (f ) : F (X) → F (Y ) und F (g) : F (Y ) → F (X) zueinander inverse Abbildungen sind, die die jeweiligen algebraischen Strukturen respektieren, d.h.
F (X) und F (Y ) sind isomorph (als Gruppe, o.ä.). Wenn wir weiterhin annehmen, dass wir F (X) für viele Räume X berechnen können, dann können
wir hoffen, dass sich bei dieser Berechnung herausstellt, dass F (X) und
F (Y ) nicht isomorph sind (als Gruppen o.ä.). Für algebraische Objekte
kann man dies sehr oft direkt zeigen (z.B. sind zwei Vektorräume genau
dann isomorph, wenn sie die gleich Dimension haben). Sind aber F (X)
und F (Y ) nicht isomorph, so können X und Y nicht homöomorph gewesen sein. Die algebraische Topologie realisiert diese Programm auf äußerst
befriedigende Weise: Sie konstruiert Funktoren F der obigen Art von der
Kategorie der topologischen Räume in algebraische Kategorien wie Gruppen, Vektorräume, etc. so dass die entsprechenden Objekte F (X) einerseits
effektiv berechnet werden können, aber immer noch so viel Struktur von
X widerspiegeln, dass man interessante Folgerungen über X ziehen kann.
Die in der algebraischen Topologie konstruierten Funktoren F haben in der
Regel die Eigenschaft, dass homotope Abbildungen f, g : X → Y die gleiche Abbildung F (f ) = F (g) : F (X) → F (Y ) induzieren. In diesen Fällen
folgt daraus, dass F (X) und F (Y ) nicht isomorph sind, dass X und Y nicht
einmal homotopieäquivalent sein können.
In dieser Vorlesung werden wir drei derartige Konstruktionen kennenlernen:
• Homologiegruppen,
TOPOLOGIE I
3
• Homotopiegruppen,
• Bordismusgruppen.
Die Homologiegruppen einzuführen wird zwar einige Zeit in Anspruch
nehmen. Wenn sie einmal zur Verfügung stehen, ist der Umgang mit ihnen
allerdings sehr bequem und viele schöne Sätze können wir mit ihrer Hilfe
beweisen. Neben obigen Tatsachen, erwähne ich den Jordanschen Kurvensatz
Satz 1.2. Es sei f : S n−1 → Rn eine topologische Einbettung (d.h. f ist stetig und injektiv). Dann besteht Rn \ f (S n−1 ) aus genau zwei Komponenten,
wobei genau eine beschränkt und eine unbeschränkt ist.
Eine weitere wichtige Anwendung ist der Satz von Borsuk-Ulam:
Satz 1.3. Es sei f : S n → Rn eine stetige Abbildung. Dann existiert ein
Punkt x ∈ S n mit f (x) = f (−x).
Des weiteren werden wir eine wichtige Invariante, die Eulercharakteristik
eines Simplizialkomplexes untersuchen und die Eulersche Polyederformel beweisen:
Satz 1.4. In einem konvexen Polyeder im R3 gilt für die Anzahl e der Ecken,
k der Kanten und f der Flächen die Formel
e − k + f = 2.
Das schöne an dieses Anwendungen ist, dass die Homologietheorie zwar
für den Beweis eine entscheidende Rolle spielt, aber in den Sätzen selbst
nicht vorkommt.
Homologiegruppen kann man insbesondere für simpliziale Komplexe und
sogenannten CW -Komplexe effektiv berechnen. Wir werden diese Klassen
von Räumen ausführlich diskutieren. Während der Diskussion der Homologiegruppen werden wir parallel einige Grundlagen der homologischen Algebra entwickeln.
Die Homotopiegruppen sind einfacher zu definieren als Homologiegruppen
und in gewisse Hinsicht die grundlegenderen Invarianten. Allerdings sind sie
viel schwerer zu berechnen als Homologiegruppen und zum Beispiel für keine der Sphären S n mit n ≥ 2 vollständig bekannt. Die Bordismusgruppen
schlagen eine Brücke zur Differenzialtopologie, d.h. zur Untersuchung differenzierbarer Mannigfaltigkeiten. Diese liefern einerseits viel Beispielmaterial für die Anwendung der Homologietheorie, gestatten es aber andererseits
auch, das interessante Wechselspiel von differentialtopologischen Methoden
(insbesondere Transversalität) und Methoden aus der Homologie- und Homotopietheorie zu studieren.
Heutzutage ist die algebraische Topologie eine hochentwickelte Theorie
mit zahlreichen Bezügen zur Differentialgeomtrie, zur algebraischen Geometrie und zur Algebra.
4
BERNHARD HANKE
2. Simpliziale und singuläre Homologie
Bevor wir Homologiegruppen für beliebige topologische Räume definieren,
veranschaulichen wir zunächst die wesentliche Idee im speziellen Fall der
Simplizialkomplexe. Für die weitere Entwicklung der Theorie werden wir
uns allerdings dann einen etwas anderen Zugang wählen. Später in der
Vorlesung werden wir wieder auf die Simplizialkomplexe zurückkommen.
Es sei N ∈ N eine natürliche Zahl. Wir erinnern: Ein affines n-Simplex
(oder auch n-dimensionales Simplex im RN (wobei 0 ≤ n ≤ N ) ist die
konvexe Hülle von n + 1 affin unabhängigen Punken p0 , . . . , pn+1 ∈ RN .
Affin unabhängig bedeutet, dass die Vektoren p1 − p0 , . . . , pn − p0 linearPunabhängig im RN Psind. Diese konvexe Hülle kann mit der Menge
{ ni=0 ti pi | 0 ≤ ti ≤ 1, ti = 1} ⊂ RN identifiziert werden (wir können dies
hier auch als Definition der konvexen Hülle nehmen). Wir nennen p0 , . . . , pn
die Ecken dieses affines Simplex. Die konvexe Hülle einer (nicht notwendig
echten) Teilmenge von {p0 , . . . , pn } heißt eine Seite des affinen n-Simplex.
Diese Seiten sind selbst affine Simplizes. Ein endlicher geometrischer Simplizialkomplex im RN ist eine Menge S endlich vieler affiner Simplizes im
RN mit den folgenden Eigenschaften:
• Ist K ∈ S und T ⊂ K eine Seite von T , so ist T ∈ S.
• Sind K1 , K2 ∈ S, so ist K1 ∩ K2 eine Seite von K1 und von K2 oder
leer.
S
Die Vereinigung K∈S K ⊂ RN wird der zu S gehörende Polyeder genannt
und mit |S| bezeichnet. Der Simplizialkomplex S heißt Triangulierung von
|S|. Eine feste Teilmenge des RN kann durchaus verschiedene Triangulierungen besitzen. Ein geordneter geometrischer Simplizialkomplex im RN ist
ein geometrischer Simplizialkomplex S zusammen mit einer totalen Ordnung auf der Menge aller Punkte im RN , die als Ecken von Simplizes in S
auftreten. Ist K ∈ S ein Simplex in einem geordneten Simplizialkomplex
mit Ecken v0 , . . . , vn , so bezeichnen wir dieses Simplex mit hv0 , . . . , vn i falls
mit der induzierten Ordnung v0 < v1 < . . . < vk gilt. Es sei nun S ein
geordneter geometrischer Simplizialkomplex. Eine simpliziale n-Kette in S
ist eine formale Linearkombination
X
λσ · σ ,
σ∈Sn
wobei Sn ⊂ S die Menge der geordneten n-dimensionalen Simplizes bezeichnet und λσ ∈ Z für alle σ ∈ Sn . Wir bezeichnen mit Cn (S) die Menge der
simplizialen n-Ketten. Diese Menge besitzt offensichtlich die Struktur einer
abelschen Gruppe (durch Addition der Koeffizienten in Z). Eine n-Kette
kann nicht direkt als geometrisches Objekt interpretiert werden (obwohl wir
später sehen werden, dass dies in vielen Fällen doch möglich ist), die auftretenden Simplizes selbst sind aber geometrische Objekte und dies erlaubt es
uns, gewisse geometrische Operationen auf diese formalen Ketten zu übertragen. Speziell geht es hier um den Übergang von einem n-Simplex auf
TOPOLOGIE I
5
seinen Rand. Dieser ist geometrisch gesehen einfach die Vereinigung seiner
(n − 1)-dimensionalen Seiten. Diese Seiten müssen aber noch “richtig” orientiert werden: Ist hp0 , . . . , pn i ∈ S ein (orientiertes) n-Simplex, so setzen
wir
n
X
∂hp0 , . . . , pn i :=
(−1)i hp0 , . . . , pˆi , . . . , pn i
i=0
wobei der Hut bedeutet, dass die i-te Ecke in dem betreffenden Simplex
weggelassen wird (es handelt sich also um die der entsprechenden Ecke gegenüberliegende (n − 1)-dimensionale Seite). Auf der rechten Seite steht
nun tatsächlich wieder eine formale Linearkombination von (geordneten)
(n − 1)-Simplizes. Durch lineare Fortsetzung erhalten wir einen Gruppenhomomorphismus
∂n : Cn → Cn−1 .
Einzelne Simplizes in S haben immer einen nichtleeren Rand (falls die Dimension mindestens 1 ist), aber es kann durchaus vorkommen, dass für eine
Kette c ∈ Cn gilt ∂c = 0. So eine Kette entspricht dann einem “geschlossenen” (d.h. randlosen) geometrischen Gebilde in S und wird n-Zykel genannt.
Es sei
Zn (S) := ker ∂n ⊂ Cn (S)
die Gruppe der n-Zykeln (wir setzen ∂0 = 0, also Z0 (S) = C0 (S)). Homologie zählt nun in gewisser Weise n-Zykeln, aber gewisse n-Zykeln werden
ignoriert, nämlich die n-Ränder. Dazu beachte man die fundamentale Gleichung
Proposition 2.1. Für n ∈ N, n ≥ 1, gilt ∂n−1 ◦ ∂n = 0.
Beweis. Nur die Fälle n ≥ 2 sind interessant. Wir rechnen
X
∂n−1 ◦ ∂n hv0 , . . . , vn i =
(−1)i (−1)j hv0 , . . . , vˆj , . . . , vˆi , . . . , vn i +
j<i
X
(−1)i (−1)j−1 hv0 , . . . , vˆi , . . . , vˆj , . . . , vn i .
j>i
Diese Summe ist 0, denn vertauscht man in der zweiten Summe i und j, so
erhält man das Negative der ersten Summe.
Geometrisch entspricht dies der Aussage “Ränder von Rändern sind leer”.
Bezeichen wir mit
Bn (S) := im ∂n+1 ⊂ Cn (S)
die Untergruppe der n-Ränder, so ist also Bn (S) in Wirklichkeit schon Untergruppe von Zn (S). Die n-Zykel, die einfach nur n-Ränder sind, werden
nun in der Homologie nicht gezählt (sondern in gewisser Weise nur die “wesentlichen” n-Zykel). Die n-te Homologiegruppe Hn (S) des gegebenen geordneten Simplizialkomplexes ist somit definiert als die Quotientengruppe
Hn (S) := Zn (S)/Bn (S) .
6
BERNHARD HANKE
D.h. ein Element in Hn (S) wird durch einen n-Zykel c ∈ Zn (S) repräsentiert
und zwei n-Zykel c, d ∈ Zn (S) repräsentierten die gleiche Homologieklasse,
falls c − d ein Rand ist, d.h. falls es ein x ∈ Cn+1 (S) gibt mit ∂x = c − d.
Beispiel. Es seien p0 := (0, 0), p1 := (1, 0), p2 := (0, 1) ∈ R2 mit der durch
die Indizes angedeuteten totalen Ordnung. Weiterhin sei
S := {hp0 i, hp1 i, hp2 i, hp0 , p1 i, hp1 , p2 i, hp0 , p2 i}
Dann ist C0 (S) ∼
= Z3 mit Erzeugern a := hp0 i, b := hp1 i, c := hp2 i, C1 (S) ∼
=
3
Z mit Erzeugern X := hp0 , p1 i, Y := hp1 , p2 i, Z := hp0 , p2 i und Ci (S) = 0
für alle i > 1. Weiterhin ist
∂X = b − a, ∂Y = c − b, ∂Z = c − a .
∼
Somit gilt H0 (S) = Z mit Erzeuger [a] (die Eckigen Klammern deuten Übergang zu Restklassen an, insbesondere ist [a] = [b] = [c]) und H1 (S) ∼
= Z mit
Erzeuger [X + Y − Z], Hi = 0 für alle i > 1.
Für n ∈ N, n ≥ 0, definieren wir das geometrische Standard-n-Simplex
n
X
X
n
∆ := {
ti ei | 0 ≤ ti ≤ 1 ,
ti = 1} ⊂ Rn+1 .
i=0
∈ Rn+1 ,
Dabei bezeichnet ei
0 ≤ i ≤ n, den i-ten Standard-Basisvektor. Die
Menge {e0 , . . . , ei } ist in der offensichtlicher Weise total geordnet (durch die
Indizes). Das Simplex ∆n besitzt eine kanonische Triangulierung (gegeben
als die Menge aller seiner Seiten).
TOPOLOGIE I
7
Es ist etwas unhandlich, die Homologietheorie direkt an den geometrischen Simplizialkomplexen zu entwickeln (wir werden allerdings später auf
diesen Spezialfall zurückkommen). Der folgende Aufbau bietet mehr Flexibilität.
Definition. Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist ein singuläres
n-Simplex in X eine stetige Abbildung
σ : ∆n → X .
Wir bezeichnen mit ∆n (X) die Menge der singulären n-Simplizes in X und
mit Cn (X) die freie abelsche Gruppe über ∆n (X), d.h. Elemente von Cn (X)
sind formale Linearkombinationen
X
λσ · σ ,
σ∈∆n (X)
wobei alle λσ ∈ Z und λσ = 0 für alle bis auf endlich viele σ ∈ ∆n (X). Die
Elemente von Cn (X) werden singuläre n-Ketten in X genannt.
Wir definieren für n ≥ 1 den Randoperator
∂n : Cn (X) → Cn−1 (X)
auf den singulären n-Simplizes von X durch
n
X
∂n σ :=
(−1)i σ|he0 ,...,eˆi ,...,en i .
i=0
Dabei bezeichnet he0 , . . . , eˆi , . . . , en i die i-te Seite von ∆n . Diese idenfifizieren wir mit ∆n−1 vermittels des affinen Homöomorphismus
∆n−1 → he0 , . . . , eˆi , . . . , en i
der die j-te Ecke von ∆n−1 auf ej ∈ Rn+1 abbildet, falls j < i und auf ej+1 ,
falls j ≥ i. Damit ist ∂σ in der Tat eine singuläre (n − 1)-Kette in X. Zur
Bequemlichkeit setzen wir noch ∂0 := 0. Wir erhalten für n ≥ 0
Zn (X) := ker ∂n ⊂ Cn (X) ,
die Gruppe der singulären n-Zykel in X und
Bn (X) := im ∂n+1 ⊂ Cn (X) ,
die Gruppe der singulären n-Ränder in X.
Ganz analog zu vorhin zeigt man die fundamentale Gleichung
∂n−1 ◦ ∂n = 0
für n ≥ 1.
Damit ist Bn (X) eine Untergruppe von Zn (X) für alle n ≥ 0 und wir
können
Hn (X) := Zn (X)/Bn (X)
definieren. Dies ist die n-te singuläre Homologiegruppe von X. Diese Gruppen sind der zentrale Gegenstand im ersten Teil dieser Vorlesung. Es wird
8
BERNHARD HANKE
sich zeigen, dass sie sich relativ einfach berechnen lassen und andererseits
wichtige Eigenschaften des topologischen Raumes X widerspiegeln.
Bevor wir fortfahren, abstrahieren wir noch die bisher eingeführte Struktur.
Definition. Ein Kettenkomplex ist eine Paar (C∗ , ∂∗ ) = ((Cn )n∈N , (∂n )n∈N )
bestehend aus Familien von abelschen Gruppen Cn und Gruppenhomomorphismen ∂n : Cn → Cn−1 (wir setzen C−1 := 0, d.h. ∂0 = 0) mit der
Eigenschaft, dass ∂n−1 ◦ ∂n = 0 für alle n ≥ 1. Wir setzen Zn (C∗ ) := ker ∂n
(Gruppe der n-Zykeln), Bn (C∗ ) := im ∂n+1 , (Gruppe der n-Ränder) und
Hn (C∗ ) := Zn (C∗ )/Bn (C∗ ) (n-te Homologiegruppe von (C∗ , ∂∗ )) für n ≥ 0.
Der singuläre Kettenkomplex (C∗ (X), ∂∗ ) eines topologischen Raumes X
ist ein Beispiel für einen Kettenkomplex.
Wir bemerken, dass die singulären Homologiegruppen funktoriell in X
sind. Sei dazu f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen
Räumen. Ist σ : ∆n → X ein singuläres n-Simplex in X, so ist f ◦ σ :
∆n → Y ein singuläres n-Simplex in Y . Damit erhalten wir Abbildungen
von abelschen Gruppen
fn : Cn (X) → Cn (Y ) .
Diese sind mit den Randoperatoren ∂n verträglich, d.h. für alle n ≥ 0 ist
fn ◦ ∂n+1 = ∂n+1 ◦ fn+1 .
Insbesondere gilt also fn (Zn (X)) ⊂ Zn (Y ) und fn (Bn (X)) ⊂ Bn (Y ) und
wir erhalten induzierte Abbildungen
Hn (f ) : Hn (X) → Hn (Y )
für alle n ≥ 0. Da offensichtlich Hn (idX ) = idHn (X) für alle n und
Hn (f ◦ g) = Hn (f ) ◦ Hn (g) für g : X → Y und f : Y → Z, definieren
die Homologiegruppen Hn also Funktoren Top → AbGr von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der abelschen Gruppen. Als
unmittelbare Folgerung notieren wir:
Proposition 2.2. Homöomorphe Räume haben isomorphe singuläre Homologiegruppen.
TOPOLOGIE I
9
Definition. Es seien (C∗ , ∂∗ ) und (D∗ , ∂∗ ) Kettenkomplexe. Eine Kettenabbildung f∗ : C∗ → D∗ ist eine Folge fn : Cn → Dn von Gruppenhomomorphismen, die mit den Randoperatoren verträglich sind, d.h.
fn ◦ ∂n+1 = ∂n+1 ◦ fn+1 . Wir erhalten somit induzierte Abbildungen
f∗ : Z∗ (C) → Z∗ (D), f∗ : B∗ (C) → B∗ (D) und f∗ : H∗ (C) → H∗ (D)
(die wir alle mit f∗ bezeichnen). Ein Kettenisomorphismus ist eine Kettenabbildung, die eine inverse Kettenabbildung besitzt
Wir erinnern:LIst (Ai )i∈I eine Familie (abelscher) Gruppen, so ist die
direkte Summe i∈I Ai die Menge der Familien (ai )i∈I , ai ∈ Ai , wobei alle
bis auf endlich viele ai gleich 0 sind, versehen mit der komponentenweisen
Verknüpfung.
Proposition 2.3. Es sei X ein topologischer Raum und π0 (X) die Menge
der Wegekomponenten von X. Dann induzieren die Inklusionen C ,→ X
(für alle C ∈ π0 (X)) einen Isomorphismus
M
H∗ (C) ∼
= H∗ (X) .
C∈π0 (X)
Dies liegt daran, das jede singuläre Kette in X kanonisch als Summe
singulärer Ketten in den einzelnen Wegekomponenten geschrieben werden
kann (jedes singuläre Simplex liegt ja ganz in einer Wegekomponente).
Zusammen mit der folgenden Proposition können wir H0 für jeden topologischen Raum berechnen.
Proposition 2.4. Es sei X ein wegzusammenhängender nichtleerer topologischer Raum. Dann ist
H0 (X) ∼
=Z
und wir können als Erzeuger die Klasse eines beliebigen 0-Simplex ∆0 → X
wählen.
Beweis. Wir können jedes singuläre 0-Simplex in X einfach als Punkt in X
auffassen. Da ∂0 = 0 ist also
X
Z0 (X) = {
λx · x | λx ∈ Z}
x∈X
wobei fast alle λx = 0. Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus
X
X
: Z0 (X) = C0 (X) → Z ,
λx · x 7→
λx ∈ Z .
Wir behaupten, dass eine Abbildung
: H0 (X) = Z0 (X)/B0 (X) → Z
induziert, d.h. dass |B0 (X) = 0. Sei dazu σ : [0, 1] → X ein singuläres
1-Simplex. Dann ist (∂σ) = (σ(1) − σ(0)) = 1 − 1 = 0, wie gewünscht.
Zu zeigen bleibt, dass : H0 (X) → Z ein Isomorphismus ist. Da X 6= ∅,
ist surjektiv. Für die Injektivität sei x0 ∈ X beliebig und für alle x ∈ X
10
BERNHARD HANKE
sei wx : [0, 1] → X ein Weg von x0 nach x, den wir als singuläres 1-Simplex
in X auffassen. Es sei nun
X
c=
λx · x ∈ Z0 (X)
P
mit (c) = λx = 0. Wir müssen zeigen, dass c homolog zu 0 ist. Aber
X
c − ∂(
λx · wx )
ist homolog zu c und
X
X
X
c − ∂(
λx wx ) =
λx · x0 = (
λx ) · x0 = 0
wegen (c) = 0.
Wir beweisen nun:
Satz 2.5. Es seien f, g : X → Y homotope Abbildungen. Dann gilt
f∗ = g∗ : H∗ (X) → H∗ (Y ) .
Korollar 2.6. Homotopieäquivalente Räume haben isomorphe Homologiegruppen.
Als Vorbereitung führen wir ein neues Konzept ein.
Definition. Es seien φ∗ , ψ∗ : C∗ → D∗ Kettenabbildungen. Eine Kettenhomotopie von φ∗ nach ψ∗ ist eine Folge von Homomorphismen Pn : Cn →
Dn+1 mit
∂P + P ∂ = φ∗ − ψ∗ .
Existiert so eine Kettenhomotopie, so nennen wir φ∗ und ψ∗ kettenhomotop.
Man überprüft leicht:
Proposition 2.7. Kettenhomotope Kettenabbildungen induzieren die gleichen Abbildungen zwischen Homologiegruppen.
Beweis von Satz 2.5. Es sei
H : X × [0, 1] → Y
eine Homotopie von f nach g. Es seien hv0 , . . . , vn i und hw0 , . . . , wn i die
Ober-, bzw. Unterseite des Produktes ∆n × [0, 1] ⊂ Rn+1 × R mit ihrer
kanonischen Struktur als geordnete affine Simplizes (d.h. vi = (ei , 0) und
wi = (ei , 1)). Für n ≥ 0 definieren wir nun den Prisma-Operator P :
Cn (X) → Cn+1 (Y ) durch
X
(−1)i (H ◦ (σ × id))|hv0 ,...,vi ,wi ,...,wn i ∈ Cn+1 (Y )
P (σ) :=
0≤i≤n
für jedes singuläre n-Simplex σ : ∆n → X. Man zeigt nun mit einer expliziten Rechnung (siehe Hatcher, S. 112), dass (als Abbildungen
Cn (X) → Cn (Y ))
∂ ◦ P = g∗ − f∗ − P ◦ ∂
TOPOLOGIE I
11
mit anderen Worten, P : Cn (X) → Cn+1 (Y ), n ≥ 0, ist eine Kettenhomotopie zwischen den Abbildungen f∗ : C∗ (X) → C∗ (Y ) und g∗ : C∗ (X) →
C∗ (Y ). Daraus folgt mit der vorherigen Proposition die Behauptung.
12
BERNHARD HANKE
3. Relative Homologie und Ausschneidung
Es sei X ein topologischer Raum und A ⊂ X eine Teilmenge (versehen mit
der Unterraumtopologie). Wir sprechen in dieser Situation auch von einem
Raumpaar. Dabei kann auch A = ∅ sein. Die Inklusion i : A ,→ X induziert
einen Kettenabbildung i : C∗ (A) → C∗ (X), die in jedem Grad injektiv ist.
Insofern können wir C∗ (A) als Unterkomplex von C∗ (X) in folgendem Sinne
auffassen.
Definition. Es sei (C∗ , ∂) ein Kettenkomplex. Ein Unterkomplex von C∗
ist eine Folge (Dn )n≥0 mit den folgenden Eigenschaften:
• Dn ⊂ Cn ist eine Untergruppe ,
• ∂(Dn ) ⊂ Dn−1 für alle n ≥ 1.
Insbesondere ist dann D∗ mit dem von C∗ induzierten Randoperator selbst
ein Kettenkomplex.
Ist C∗ ein Kettenkomplex und D∗ ⊂ C∗ ein Unterkomplex, so können wir
den Quotientenkomplex C∗ /D∗ definieren, indem wir
(C∗ /D∗ )n := Cn /Dn
setzen und beachten, dass der Randoperator ∂ von C∗ Abbildungen
∂nC/D : Cn /Dn → Cn−1 /Dn−1
C/D
C/D
induziert. Diese erfüllen offensichtlich ∂n−1 ◦ ∂n
setzen wie üblich wieder
C/D
∂0
= 0 für alle n ≥ 1 (wir
= 0).
Definition. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Der relative singuläre Kettenkomplex (C∗ (X, A), ∂) ist definiert als der Quotientenkomplex C∗ (X)/C∗ (A).
Die Homologiegruppen dieses Komplexes sind die relativen singulären Homologiegruppen von (X, A) und werden mit Hn (X, A) bezeichnet.
Ist A = ∅ können wir Hn (X, A) und Hn (X) kanonisch identifizieren. Homologieklassen in Hn (X, A) werden durch singuläre Ketten in X repräsentiert, deren Rand ganz in A liegt und zwei solche Ketten sind homolog in
(X, A), wenn man nach Addition einer geeigneten Kette in A zu ihrer Differenz einen Rand in X erhält.
Wir können die Kategorie T op(2) betrachten, deren Objekte die Paare
topologischer Räume und deren Morphismen (X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen f : X → Y mit f (A) ⊂ B sind (diese Eigenschaft bleibt bei
Komposition zweier Abbildungen erhalten). Die relativen Homologiegruppen definieren für n ≥ 0 Funktoren
Hn : T op(2) → AbGr ,
wie man direkt aus der Definition folgern kann. Darüberhinaus erhalten wir
folgendes Resultat zur Homotopieinvarianz:
TOPOLOGIE I
13
Proposition 3.1. Es seien (X, A) und (Y, B) Raumpaare und f, g :
(X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen von Raumpaaren (d.h. f (A) ⊂ B und
g(A) ⊂ B). Falls f und g homotop sind und eine Homotopie H : X ×[0, 1] →
Y so gewählt werden kann, dass H(A × [0, 1]) ⊂ B für alle t ∈ [0, 1] (d.h. es
handelt sich um eine Homotopie durch Abbildungen von Raumpaaren), so
gilt
f∗ = g∗ : Hn (X, A) → Hn (Y, B)
für alle n ≥ 0.
Beweis. Der früher konstruierte (von H induzierte) Prismaoperator P :
Cn (X) → Cn+1 (Y ) erfüllt P (Cn (A)) ⊂ Cn+1 (B), da sich H auf eine Homotopie f |A ' g|A : A → B einschränkt. Wir erhalten damit Abbildungen
der Quotientenkomplexe
P : Cn (X, A) = Cn (X)/Cn (A) → Cn+1 (X)/Cn+1 (A)
und diese erfüllen wieder die Gleichung
∂ ◦ P + P ◦ ∂ = g∗ − f∗
als Abbildungen C∗ (X, A) → C∗ (Y, B). Also sind g∗ und f∗ kettenhomotop.
Es stellt sich die Frage, wie die relative Homologie Hn (X, A) mit H∗ (X)
und H∗ (A) zusammenhängen. Diese Frage wollen wir nun untersuchen.
Definition. Ein Kettenkomplex (C∗ , ∂) heißt exakt, falls seine Homologie
verschwindet, d.h. für alle n ≥ 0 gilt
im ∂n+1 = ker ∂n .
Ein Kettenkomplex heißt kurz exakt, falls er von der Gestalt
0→A→B→C→0
mit abelschen Gruppen A, B, C und exakt ist.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet misst die Homologie eines Kettenkomplexes also sein Abweichen von der Exaktheit. Man kann Exaktheit
gewisser Kettenkomplexe oft durch Eigenschaften von Gruppenhomomorphismen ausdrücken. So ist
f
• 0 → A → B exakt genau dann, falls f inektiv ist,
g
• B → C → 0 exakt genau dann, falls g surjektiv ist,
f
• 0 → A → B → 0 exakt genau dann, falls f ein Isomorphismus ist
und
f
g
• 0 → A → B → C → 0 exakt genau dann, falls f injektiv ist, g◦f = 0
ist und g einen Isomorphismus B/im f ∼
= C induziert.
14
BERNHARD HANKE
Sind A und C abelsche Gruppen, so erhalten wir eine offensichtliche kurze
exakte Sequenz
a7→(a,0)
(a,c)7→c
0 → A → A ⊕ C → C → 0.
Aus der Existenz einer kurzen exakten Sequenz 0 → A → B → C → 0 folgt
jedoch nicht, dass B ∼
= A ⊕ C wie das Beispiel
n7→2n
0 → Z → Z → Z/2 → 0
zeigt.
Definition. Eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen ist ein Diagramm der Form
f∗
g∗
0 → A∗ → B∗ → C∗ → 0
von Kettenkomplexen A∗ , B∗ und C∗ und Kettenabbildungen (wir fassen
hier 0 als Kettenkomplex auf, der in jedem Grad die Null-Gruppe ist), so
dass man in jedem Grad eine kurze exakte Sequenz
0 → An → Bn → Cn → 0
erhält.
Ist (X, A) ein Raumpaar, so erhält man nach Definition von C∗ (X, A)
eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen
0 → C∗ (A) → C∗ (X) → C∗ (X, A) → 0 .
Es sei nun wieder 0 → A∗ → B∗ → C∗ → 0 eine kurze exakte Sequenz von
Kettenkomplexen wie oben. Da es sich bei den Abbildungen f∗ : A∗ → B∗
und g∗ : B∗ → C∗ um Kettenabbildungen handelt, erhalten wir induzierte
Abbildungen f∗ : H∗ (A) → H∗ (B) und g∗ : H∗ (B) → H∗ (C). Es stellt sich
die Frage, ob man auf diese Weise wieder eine kurze exakte Sequenz
0 → H∗ (A) → H∗ (B) → H∗ (C) → 0
erhält. Dies ist im allgemeinen nicht der Fall wie das Beispiel der singulären
Homologie des Raumpaares ([0, 1], {0, 1}) zeigt (man erhält im Grad ∗ =
0 keine exakte Sequenz). Das folgende Ergebnis ist fundamental in der
homologischen Algebra.
Proposition 3.2 (Schlangenlemma). Die obige exakte Sequenz 0 → A∗ →
B∗ → C∗ → 0 induziert für alle n ≥ 1 Gruppenhomomorphismen φn :
Hn (C) → Hn−1 (A), so dass die Folge
φn
. . . →Hn (A) → Hn (B) → Hn (C) → Hn−1 (A) → . . . → H0 (B) → H0 (C) → 0
exakt ist.
TOPOLOGIE I
15
Beweis. Die Konstruktion von φn geht wie folgt: Es sei x ∈ Hn (C) eine
gn
Homologieklasse, die durch c ∈ Cn (C) repräsentiert wird. Da Bn → Cn
surjektiv ist, gibt es ein b ∈ Bn mit g(b) = c. Da g∗ eine Kettenabbildung
ist, gilt gn−1 (∂ B b) = 0, also ist (wegen der Exaktheit von 0 → An−1 →
Bn−1 → Cn−1 → 0) das Element b im Bild von fn−1 . Es sei a ∈ An−1 mit
fn−1 (a) = b. Man zeigt nun folgendes
• ∂ A (a) = 0, d.h. a repräsentiert eine Homologieklasse y ∈ Hn−1 (A).
• Trifft man in der obigen Beschreibung andere Wahlen, d.h. wählt
man c0 mit [c0 ] = [c] = x, ein b0 ∈ Bn mit fn (b0 ) = c0 und a0 ∈ An−1
mit fn−1 (a0 ) = ∂b0 , so ist a0 homolog zu a, d.h. es gibt ein z ∈ An
mit ∂ A (z) = a − a0 .
Wir erhalten somit durch die Setzung φn (x) := y eine wohldefinierte Abbildung Hn (C) → Hn−1 (A). Diese ist ein Gruppenhomomorphismus: Sind
x1 , x2 ∈ Hn (C) Homologieklassen, die durch c1 und c2 repräsentiert werden,
und wählt man b1 , b2 und a1 , a2 gemäß der obigen Beschreibung, so sind
b1 +b2 und a1 +a2 erlaubte Wahlen für die Homologieklase x1 +x2 = [c1 +c2 ],
so dass wir φn (x1 + x2 ) = [a1 + a2 ] = [a1 ] + [a2 ] = φn (x1 ) + φn (x2 ) erhalten.
Entsprechend verfährt man mit additiven Inversen.
Nun ist zu zeigen, dass die erhaltene Folge
. . . → Hn (B) → Hn (C) → Hn−1 (A) → Hn−1 (B) → Hn−1 (C) → . . .
wirklich exakt ist. Diese und die beiden obigen Aussagen zeigt man mit
einer sogenannten Diagrammjagd. Die Details finden sich in Hatcher, S. 116
f. (siehe insbesondere Theorem 2.16).
In der Regel bezeichnet man den Homomorphismus φn : Hn (C) →
Hn−1 (A) auch mit ∂n und nennt ihn verbindenden Homomorphismus. Angewandt auf die relativen Homologiegruppen erhalten wir also:
Satz 3.3. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Dann gibt es Homomorphismen
∂n : Hn (X, A) → Hn−1 (A), die die Sequenz
∂
n
. . . → Hn (X) → Hn (X, A) →
Hn−1 (A) → Hn−1 (X) → . . .
exakt machen.
Die verbindenen Homomorphismen ∂n haben in diesem Kontext eine besonders einfache Beschreibung: Ist x ∈ Hn (X, A) eine relative Homologieklasse, die durch eine Kette c ∈ Cn (X) repräsentiert wird mit ∂c ∈ Cn−1 (A),
so repräsentiert ∂c genau die Klasse ∂n (x) ∈ Hn−1 (A).
16
BERNHARD HANKE
Ist X ein topologischer Raum, so definieren wir die reduzierte Homologie
e ∗ (X) von X als die Homologie des Kettenkomplexes
H
∂
∂
. . . C2 (X) →2 C1 (X) →1 C0 (X) → Z → 0 ,
wobei ∂n die üblichen Randabbildungen sind und
X
X
:
λσ · σ 7→
λσ ∈ Z
σ∈∆0 (X)
der sogenannte Augmentierungshomomorphismus ist (dieser trat bei der Berechnung der Homologie eines wegzusammenhängenden Raumes schon einmal auf). Offensichtlich ist ◦ ∂1 = 0. Wir fassen den Gruppe Z ganz rechts
im obigen Kettenkomplex als Eintrag im Grad −1 auf, so dass möglicherweise auch Homologie im Grad −1 entstehen kann. Wir definieren noch die
e n (X, A) := Hn (X, A) für alle n
relativen reduzierten Homologiegruppen H
(auch falls A = ∅).
Offensichtlich definieren die reduzierten Homologiegruppen wieder Funktoren T op → AbGp, bzw. T op(2) → AbGp und homotope Abbildungen
induzieren die gleichen Abbildungen in Homologie. Weiterhin haben wir
e n (X) = Hn (X) für alle n ≥ 1.
Proposition 3.4.
• H
e 0 (X) →
• Falls X 6= ∅, so existiert ein kurze exakte Sequenz 0 → H
π
H0 (X) →∗ Z → 0, wobei π : X → {P } die Abbildung auf den
einpunktigen Raum ist und wir H0 ({P }) mit Z identifizieren. Wir
e 0 (X) mit ker π∗ identifizieren. Diese kurze exakte Sekönnen also H
quenz spaltet, wobei man als Spalt eine Abbildung i∗ : H0 ({P }) →
H0 (X) nehmen kann, die von einer beliebigen Inklusion i : {P } ,→ X
induziert ist. Diese Abbildung i∗ hängt dann davon ab, in welche Wegekomponenten von X der Punkt P abgebildet wird. Insbesondere ist
e 0 (X) ⊕ Z, jedoch nicht auf kanonische Weise.
also H0 (X) ∼
=H
e n (X) = 0 für alle n. Diese Tatsa• Falls X kontrahierbar ist, so ist H
che ist der Hauptgrund für die Betrachtung der reduzierten Homologie.
e n (X) = 0 für n ≥ 0 und H
e −1 (X) = Z.
• Falls X = ∅, so ist H
• Ist (X, A) ein beliebiges Raumpaar, so existiert eine lange exakte
Sequenz
e 1 (X, A) → H
e 0 (A) → H
e 0 (X) → H
e 0 (X, A) → H
e −1 (A) → H
e −1 (X) → 0
... → H
Die letzte fundamentale Eigenschaft der singulären Homologie ist der folgende Satz:
Satz 3.5 (Ausschneidungssatz). Es sei (X, R) ein Raumpaar und U ⊂ R
eine Teilmenge mit U ⊂ int(R). Dann induziert die Inklusion (X − U, R −
U ) → (X, R) Isomorphismen
Hn (X − U, R − U ) → Hn (X, R)
für alle n ≥ 0.
TOPOLOGIE I
17
Wir werden den Ausschneidungssatz in der folgenden äquivalenten Formulierung beweisen: Seien A, B ⊂ X Teilmengen, so dass X = int(A) ∪ int(B).
Dann induziert die Inklusion (A, A ∩ B) ,→ (X, B) Isomorphismen in Homologie. Die Äquivalenz zum Ausschneidungssatz sieht man wie folgt: Sind
Teilmengen A, B ⊂ X mit X = int(A) ∪ int(B) gegeben, so können wir den
Ausschneidungssatz mit R := B, U := B − A ⊂ R anwenden und erhalten die gewünschte Aussage für die Inklusion (A, A ∩ B) → (X, B). Sind
umgekehrt R und U wie im Ausschneidungssatz, so betrachten wir die Teilmengen A := X − U , B := R von X und wenden an, dass die Inklusion
(A, A ∩ B) → (X, B) Isomorphismen in Homologie induziert.
Topologisch beruht der Ausschneidungssatz auf der Tatsache, dass jede
singuläre Kette in X auf systematische Weise durch eine Kette ersetzt werden kann (durch Verfeinerung von Simplizes), deren Simplizes entweder ganz
in A oder ganz in B liegen. Dabei ist wichtig, dass X sogar vom Innern von
A und von B überdeckt wird.
Dieser Übergang zu feinen Ketten“ kann folgendermaßen formalisiert
”
werden. Es sei X ein topologischer
S Raum und U := (Ui )i∈I eine Familie von
Teilmengen von X, so dass X = int(Ui ). Wir definieren C∗U (X) als den Ufeinen Unterkomplex von C∗ (X) der von singulären Simplizes erzeugt wird,
deren Bild ganz in einem Ui liegen (dabei darf i vom jeweiligen Simplex
abhängen). Dass es sich um einen Unterkomplex handelt, ist klar. Wir
erhalten eine offensichtliche Inklusion von Kettenkomplexen
i : C∗U (X) → C∗ (X) .
Proposition 3.6 (Verfeinerung von Ketten). Die Kettenabbildung i ist eine Kettenhomotopieäquivalenz. Insbesondere induziert sie Isomorphismen
von Homologiegruppen. Darüberhinaus existieren ein Homotopieinverses
ρ : C∗ (X) → C∗U (X) und eine Kettenhomotopie D : C∗ (X) → C∗+1 (X)
von i ◦ ρ nach idC∗ (X) mit den folgenden Eigenschaften:
• ρ ◦ i = idC∗U (X) .
• Für alle i ∈ I gilt: ρ : C∗ (X) → C∗U (X) und D : C∗ (X) → C∗+1 (X)
bilden Ketten, die ganz in Ui liegen, wieder auf Ketten ab, die ganz
in Ui liegen.
Bevor wir diese Proposition zeigen, folgern wir den Ausschneidungssatz:
Es seien A, B Teilmengen von X wie in der alternativen Formulierung des
{A,B}
Ausschneidungssatzes. Wir schreiben C∗ (A + B) statt C∗
(X) und
wählen i, ρ und D wie in der Proposition. Wir erhalten induzierte Kettenabbildungen
ρ : C∗ (X)/C∗ (A) → C∗ (A+B)/C∗ (A) , i : C∗ (A+B)/C∗ (A) → C∗ (X)/C∗ (A)
mit ρ ◦ i = id und i ◦ ρ ' id vermöge der induzierten Kettenhomotopie
D : C∗ (X)/C∗ (A) → C∗+1 (X)/C∗+1 (A), .
Für die Existenz dieser Abbildungen benutzen wir, dass die (ursprünglichen)
Abbildungen i, ρ und D Simplizes in A wieder auf Simplizes in A abbilden.
18
BERNHARD HANKE
Die Inklusion C∗ (A + B)/C∗ (A) → C∗ (X)/C∗ (A) induziert also einen Isomorphismus von Homologiegruppen. Die von der Inklusion C∗ (B) → C∗ (X)
induzierte Kettenabbildung C∗ (B)/C∗ (A ∩ B) → C∗ (A + B)/C∗ (A) ist ein
Isomorphismus von Kettenkomplexen (beide Seiten werden erzeugt von singulären Simplizes die ganz in B, und nicht ganz in A liegen). Daher induziert
auch die Komposition
C∗ (B)/C∗ (A ∩ B) → C∗ (A + B)/C∗ (A) → C∗ (X)/C∗ (A)
Isomorphismen von Homologiegruppen und das zeigt den Ausschneidungssatz.
TOPOLOGIE I
19
Der Beweis von Proposition 3.6 beginnt mit der baryzentrischen Unterteilung affiner Simplizes.
Es sei K := hv0 , . . . , vn i ⊂ RN ein affines Simplex. Sein Schwerpunkt ist
definiert als der Punkt
n
X
1
b :=
vi .
n+1
i=0
Wir definieren die baryzentrische Unterteilung von K durch Induktion
über dim K als die Menge der Simplizes der Form hbi, hw0 , . . . , wk i oder
hb, w0 , w1 , . . . , wk i wobei hw0 , . . . , wk i ein Simplex in der baryzentrischen Unterteilung einer Seite hv0 , . . . , v̂i , . . . , vn i von K ist. Ist K := hv0 , . . . , vn i ⊂
RN ein beliebiges affines Simplex, so definieren wir den Durchmesser von S
diam K := max kx − yk
x,y∈K
Es gilt
diam K ≤ max kvi − vj k ,
0≤i<j≤n
P
denn ist v = ti vi ∈ K gegeben, und w ∈ K beliebig, so gilt
X
X
X
kw−vk = k
ti (w−vi )k ≤
ti kw−vi k ≤
ti max kw−vi k = max kw−vi k .
i
i
Man schätzt nun kvi − wk auf die gleiche Weise ab, indem man w =
schreibt.
P
t0i vi
Proposition 3.7. Es sei K = hv0 , . . . , vn i ⊂ RN ein affines Simplex. Dann
gilt für jedes Simplex S der baryzentrischen Unterteilung von K
n
diam S ≤
diam K .
n+1
Beweis. Es sei b der Schwerpunkt von K und hw0 , . . . , wl i ein Simplex in
der baryzentrischen Unterteilung von K. Es seien 0 ≤ i < j ≤ l. Sind
wi 6= b 6= wj , so liegen wi und wj in der baryzentrischen Unterteilung einer
Seite von K, so dass die Behauptung durch Induktion über n folgt (man
beachte hier, dass aus k ≤ n folgt, dass k/(k + 1) ≤ n/(n + 1)). Sei nun
wj = b. Es genügt, den Abstand von wj zu einer beliebigen Ecke vi von K
nach oben abzuschätzen. Es sei
X
1
bi :=
vα
n
0≤α≤n,α6=i
der Schwerpunkt der (n − 1)-dimensionalen Seite hv0 , . . . , v̂i , . . . , vn i von K,
die vi gegenüberliegt. Es ist dann
b=
Damit ist kb − vi k =
Behauptung.
n
n+1 kbi
n
1
vi +
bi
n+1
n+1
− vi k. Da kbi − vi k ≤ diam K, folgt die
20
BERNHARD HANKE
Die baryzentrische Unterteilung affiner Simplizes kann wie folgt auf singuläre Ketten übertragen werden. Wir führen dies in zwei Schritten durch.
Es sei zunächst Y ⊂ RN ein konvexer Teilraum. Wir definieren LCn (Y )
als die Untergruppe von Cn (Y ), die von den affin-linearen singulären Simplizes
∆n → Y
erzeugt wird. Jedes solche affin-lineare Simplex ist durch die Bilder der
Ecken ei ∈ Rn+1 von ∆n festgelegt, wir bezeichnen mit hv0 , v1 , . . . , vn i das
affin-lineare Simplex in Y mit ei 7→ vi . Jeder Randoperator schränkt sich
zu einer linearen Abbildung
∂n : LCn (Y ) → LCn−1 (Y )
ein, so dass wir auf diesem Wege einen Unterkomplex LC∗ (Y ) von C∗ (Y ) erhalten. Wir definieren weiterhin LC−1 (Y ) := Z erzeugt vom leeren Simplex
h∅i und den Randopertor ∂0 : LC0 (Y ) → LC−1 (Y ) durch ∂0 (hv0 i) := 1 für
alle v0 ∈ Y . Damit erhalten wir CL∗ (Y ) als augmentierten Kettenkomplex
mit einem Eintrag im Grad −1 isomorph zu Z. Ist b ∈ Y ein beliebiger
Punkt, so erhalten wir lineare Abbildungen b : LCn (Y ) → LCn+1 (Y ) ( Ke”
gel mit Spitze b“) durch die Setzungen b(h∅i) := hbi und
b(hv0 , . . . , vn i) := hb, v0 , . . . , vn i .
Proposition 3.8. Für alle n ∈ N ∪ {−1} gilt die Formel
∂b + b∂ = id
wobei wir ∂−1 := 0 setzen. Insbesondere definiert b eine Kettenhomotopie
auf dem augmentierten Komplex LC∗ (Y ) von der Identität zur Nullabbildung.
Motiviert durch die obige Konstruktion der baryzentrischen Unterteilung
definieren wir für n ≥ 0 den Unterteilungsoperator S : LCn (Y ) → LCn (Y )
induktiv als die Identität auf LC0 und LC−1 und, falls S : LCn (Y ) →
LCn (Y ) schon definiert wurde, definieren wir S : LCn+1 (Y ) → LCn+1 (Y )
durch
S(σ) := bσ (S(∂σ)) ,
P
1
wobei σ : ∆n+1 → Y ein lineares Simplex ist und bσ := σ( n+1
i=0 n+2 ei ) das
Bild des Schwerpunktes von σ bezeichnet.
Proposition 3.9. Der baryzentrische Unterteilungsoperator S ist eine Kettenabbildung LC∗ (Y ) → LC∗ (Y ).
Beweis. Direkt aus der Definition folgt, dass S auf LC1 (Y ) (ebenso wie
auf LC0 (Y )) die Identität ist. Daher gilt ∂S = S∂ auf LC0 (Y ) und auf
LC−1 (Y ). Falls σ ∈ LCn (Y ) ein lineares Simplex ist mit n ≥ 1, so erhalten
wir
∂(Sσ) = ∂ bσ (S(∂σ) = S∂σ − bσ (∂S∂σ) = S∂σ .
TOPOLOGIE I
21
Die zweite Gleichheit gilt wegen ∂bσ + bσ ∂ = id und die letzte Gleichheit
benutzt die Tatsache, dass ∂S = S∂ auf LCn (Y ) durch Induktion über
n.
22
BERNHARD HANKE
Die folgende Aussage formalisiert die entscheidende Eigenschaft des Unterteilungsoperators S.
Proposition 3.10. Die Kettenabbildung S : LC∗ (Y ) → LC∗ (Y ) ist kettenhomotop zur Identität.
Beweis. Die Kettenhomotopie T : LCn (Y ) → LCn+1 (Y ) wird für n = −1
als Null definiert und durch die Formel
T (σ) := bσ (σ − T ∂σ)
für n ≥ 0. Die Gleichung
∂T + T ∂ = id −S
auf LCn (Y ), n ≥ 0, zeigt man wieder durch Induktion über n mit einer
direkten Rechnung (siehe Hatcher, S. 122 Mitte). An dieser Stelle ist die
Augmentierung nützlich.
Wir können nun diese Konstruktionen nun auf beliebige singuläre Ketten ausdehnen. Sei also X ein topologischer Raum und σ : ∆n → X ein
singuläres Simplex. Wir setzen
S(σ) := σ∗ (S(id∆n )) ,
wobei wir id∆n als lineares Simplex in der konvexen Menge ∆n ⊂ Rn+1
auffassen und σ∗ : LCn (∆n ) ⊂ Cn (∆n ) → Cn (X) die von σ induzierte
Kettenabbildung ist. Ganz analog definieren wir T : Cn (X) → Cn+1 (X) auf
σ ∈ Cn (X) durch
T (σ) := σ∗ (T (id∆n )) .
Man zeigt nun durch explizite Rechnungen (vgl. Hatcher, S. 122 unten und
S. 123 oben).
Proposition 3.11. S ist eine Kettenabbildung C∗ (X) → C∗ (X) und T ist
eine Kettenhomotopie von S zur Identität auf C∗ (X).
Um zu beliebig kleinen singulären Simplizes zu gelangen, müssen wir den
Unterteilungsoperator noch iterieren. Mit einer leichten Rechnung (siehe
Hatcher, S. 123, Punkt 4) erhält man:
Proposition 3.12. Es sei m ≥ 0. Dann ist der iterierte Unterteilungsoperator S m = S ◦ S . . . ◦ S eine Kettenabbildungen C∗ (X) → C∗ (X)
und
zur Identität. Eine Kettenhomotopie ist durch Dm :=
P kettenhomotop
i gegeben, wobei T : C (X) → C
T
◦
S
∗
∗+1 (X) die oben betrachtete
0≤i<m
Kettenhomotopie ist.
Wir kommen nun zum Beweis von Proposition 3.6. Die entscheidende Beobachtung ist: Für jedes singuläre Simplex σ : ∆n → X existiert ein m ≥ 0,
so dass S m (σ) ∈ C∗U (X). Dazu betrachtet man die Überdeckung von ∆n
durch die Familie (σ −1 (int(Ui )) offener Teilmengen, wählt eine LebesgueZahl für diese Überdeckung (d.h. jede Teilmenge von ∆n mit Durchmesser
< ist ganz in einer Menge aus dieser Üeberdeckung enthalten). An diesem Punkt ist es wichtig, dass wir eine offene Überdeckung von ∆n haben
TOPOLOGIE I
23
(sonst existiert nicht unbedingt eine Lebesgue-Zahl) und dazu brauchten
wir die Tatsache, dass bereits (intUi ) eine Überdeckung von X bilden (und
dies korrespondiert ja letztlich zur Bedingung U ⊂ int(A) im Ausschneidungssatz). Wählen wir m nun so groß, dass (n/(n + 1))m ≤ , so gilt
also S m (σ) ∈ C∗U (X) wie gewünscht. Wir definieren für jedes σ : ∆n → X
die Zahl m(σ) als die kleinste Zahl m mit dieser Eigenschaft - es gilt dann
offensichtlich S k (σ) ∈ C∗U (X) für alle k ≥ m(σ). Die kleine technische
Schwierigkeit an dieser Stelle ist nur, dass m(σ) von σ abhängt. Das ist
aber kein echtes Problem:
Es sei D : Cn (X) → Cn+1 (X) durch die Gleichung
σ 7→ Dm(σ) (σ) ∈ Cn+1 (X)
definiert. Aus der Gleichung
∂Dm(σ) σ + Dm(σ) ∂σ = σ − S m(σ) σ
(Proposition 3.12) folgt nun
∂Dσ + D∂σ = σ − S m(σ) σ + Dm(σ) (∂σ) − D(∂σ)
und wenn wir ρ(σ) als den Ausdruck in den großen Klammern rechts definieren, erhalten wir ∂Dσ + D∂σ = σ − ρ(σ). Und außerdem folgt aus
dieser Definition, dass ρ(∂σ) = ∂(ρ(σ)), d.h. ρ : C∗ (X) → C∗ (X) ist eine
Kettenabbildung und kettenhomotop zur Identität vermittels der Kettenhomotopie D. Wir behaupten nun, dass das Bild von ρ tatsächlich in C∗U (X)
liegt. Sei dazu σ : ∆n → X ein singuläres Simplex. Wir müssen zeigen, dass
S m(σ) σ + Dm(σ) (∂σ) − D(∂σ) ∈ C∗U (X) .
Dies ist für den ersten Summanden klar. Für die verbleibende Differenz
beachtet man, dass für σj , die Restriktion von σ auf die j-te Seite von ∆n ,
gilt: m(σj ) ≤ m(σ) (denn die j-te Seite ist ja eine Teilmenge
von ∆n ). Daher
P
besteht (Dm(σ) −D)(∂σ) aus Summanden der Form m(σj )≤i<m(σ) T ◦S i (σj ).
Jeder dieser Summanden liegt in C∗U (X), denn dies gilt für S i (σj ), falls
i ≥ m(σj ) und außerdem bildet die Kettenhomotopie T Elemente in C∗U (X)
wieder auf solche ab (dies sieht man direkt mit der Definition von T ). Wir
haben damit die gesuchte Kettenabbildung ρ : C∗ (X) → C U (X) gefunden.
Da m(σ) = 0, falls σ schon U-fein ist, gilt ρ ◦ i = idC∗U (X) . Weiterhin ist
D eine Kettenhomotopie von i ◦ ρ nach idC∗ (X) und D und ρ haben die
zusätzlich in Proposition 3.6 angegebenen Eigenschaften. Dies folgt direkt
aus der Konstruktion von ρ und von D.
Damit ist der Beweis von Proposition 3.6 und damit auch der Beweis der
Ausschneidungssatzes abgeschlossen.
Wir haben jetzt die fundamentalen Eigenschaften der singulären Homologietheorie nachgewiesen. Wir fassen sie in den Eilenberg-Steenrod Axiomen
für eine Homologietheorie zusammen.
24
BERNHARD HANKE
Definition.(Eilenberg-Steenrod-Axiome) Eine Homologietheorie ist eine
Folge von Funktoren
Hn : T op(2) → AbGp ,
wobei n ∈ Z, und natürlichen Transformationen ∂n : Hn (X, A) →
Hn−1 (X, ∅) n ∈ Z, mit den folgenden Eigenschaften (wir schreiben im folgenden der Kürze wegen Hn (X) statt Hn (X, ∅)):
• (Homotopieinvarianz) Es seien f, g : (X, A) → (Y, B) stetige Abbildungen, die als Abbildungen von Raumpaaren homotop sind. Dann
gilt f∗ = g∗ : Hn (X, A) → Hn (Y, B).
• (lange exakte Sequenz) Die Inklusionen A ,→ X und X = (X, ∅) ,→
(X, A) induzieren eine lange exakte Sequenz
∂
n
. . . → Hn (A) → Hn (X) → Hn (X, A) →
Hn−1 (A) → . . .
• (Ausschneidung) Ist U ⊂ A eine Teilmenge mit U ⊂ int(A), dann
induziert die Inklusion (X − U, A − U ) → (X, A) Isomorphismen
Hn (X − U, A − U ) → Hn (X, A).
Ist (Hn , ∂n ) eine Homologietheorie in diesem Sinne, so nennt man die
Folge von abelschen Gruppen (Hn ({P }))n∈Z die Koeffizienten der Theorie.
Falls die Koeffizienten in allen Graden außer im Grad 0 die Nullgruppe
sind, nennt man die Homologietheorie gewöhnlich. Oft verlangt man auch
noch, dass eine Homologietheorie das Summenaxiom erfüllt: Für eine Familie (Xi )i∈I von topologischen Räumen induzieren die Inklusionen Xi ,→ X
Ṡ
in
die
disjunkte
Summe
Xi (mit der Summentopologie) Isomorphismen
L
∼
i∈I Hn (Xi ) = Hn (X).
Es handelt sich also bei der singulären Homologie um eine gewöhnliche
Homologietheorie im Eilenberg-Steenrodschen Sinne, die das Summenaxiom
erfüllt. Die Berechnungen und Anwendungen in den folgenden Kapiteln
werden in der Regel nur auf diese Axiome zurückgreifen und nicht auf die
explizite Konstruktion der singulären Homologietheorie mittels singulärer
Ketten.
Wir werden später sehen, dass eine Homologietheorie in diesem axiomatischen Sinne, die das Summenaxiom erfüllt, auf der Kateogorie der sogenannten CW-Komplexe (diese wird später definiert und umfasst z.B. die
Kategorie der Simplizialkomplexe) festgelegt ist, wenn man die Koeffizienten der Theorie kennt.
4. Erste Berechnungen und Anwendungen
Wir geben zunächst eine alternative Beschreibung der relativen Homologiegruppen.
Definition. Es sei (X, A) ein Raumpaar. Wir nennen (X, A) gut, falls A 6=
∅, A abgeschlossen in X und A starker Deformationsretrakt einer Umgebung
von A ist, d.h. es gibt eine Umgebung U von A in X und eine stetige
TOPOLOGIE I
25
r
Abbildung r : U → A, so dass die Komposition U → A ,→ U homotop zu
idU relativ A ist (d.h. Punkte in A bleiben während der gesamten Homotopie
konstant, insbesondere ist r|A = idA ).
Ist (X, A) gut, so gibt es also insbesondere eine Umgebung U von A in
X, so dass die Inklusion A ,→ U eine Homotopieäquivalenz ist.
Beispiel. Das Paar (Dn , S n−1 ) ist gut für alle n ≥ 0.
Wir erhalten nun das folgende wichtige Resultat: Relative Homologiegruppen sind für gute Raumpaare nichts anderes als die reduzierten Homologiegruppen eines Quotientenraumes.
Proposition 4.1. Es sei (X, A) ein gutes Raumpaar. Dann induziert die
Quotientenabbildung q : (X, A) → (X/A, A/A) Isomorphismen
für alle n ≥ 0.
e n (X/A)
Hn (X, A) → Hn (X/A, A/A) = H
Beweis. Wegen A 6= ∅ ist A/A ⊂ X/A einfach ein Punkt und wir erhalten
durch Betrachtung der langen exakten Sequenz für reduzierte Homologie
e n (A/A) → H
e n (X/A) → H
e n (X/A, A/A) → H
e n−1 (A/A) → . . .
... → H
e n (A/A) = 0 für alle n, dass die von der Inklusion (X/A, ∅) →
und wegen H
e n (X/A) → H
e n (X/A, A/A) =
(X/A, A/A) induzierten Abbildungen H
Hn (X/A, A/A) für alle n ≥ 0 Isomorphismen sind. Daher können wir
e n (X/A) identifizieren. Es sei nun U ⊂ X eine UmgeHn (X/A, A/A) und H
bung, so dass A ⊂ U ein starker Deformationsretrakt ist. Wir betrachten
das induzierte kommutative Diagramm
Hn (X, A)


q∗ y
−−−−→
Hn (X, U )


q∗ y
←−−−−
Hn (X − A, U − A)


q∗ y
Hn (X/A, A/A) −−−−→ Hn (X/A, U/A) ←−−−− Hn (X/A − A/A, U/A − A/A)
Die linke obere und linke untere Abbildung ist ein Isomorphismus wie
man an der langen exakten Sequenz für das Tripel (X, U, A), bzw. für
das Tripel (X/A, U/A, A/A) sieht. Man beachte dabei, dass die Inklusionen (A, A) → (U, A) und (A/A, A/A) → (U/A, A/A) Homotopieäquivalenzen von Paaren sind, da A → U starker Deformationsrektrakt ist. Somit ist Hn (U, A) = Hn (A, A) = 0 und entsprechend Hn (U/A, A/A) = 0
für alle n. Dies impliziert, dass in der langen exakten Sequenz für die
betrachteten Tripel jeder dritte Term 0 ist. Die rechte obere und rechte untere Abbildung sind Isomorphismen nach dem Ausschneidungssatz.
Die rechte vertikale Abbildung ist ein Isomorphismus, da die Abbildung
q : X → X/A einen Homöomorphismus von Raumpaaren (X − A, U − A) →
(X/A−A/A, U/A−A/A) induziert. Da das Diagramm kommutiert, ist auch
die linke vertikale Abbildung ein Isomorphismus und das war zu zeigen. 26
BERNHARD HANKE
Ist (X, A) ein gutes Raumpaar, so induziert die lange exakte Homologiesequenz also eine lange exakte Sequenz
e n (A) → H
e n (X) → H
e n (X/A) → H
e n−1 (A) → . . .
... → H
wendet man dies auf das Raumpaar (Dn , S n−1 ) an und beachtet, dass
Dn /S n−1 und S n homöomorph sind (warum?), so erhalten wir per Induktion
über n ≥ 0 das folgende grundlegende Resultat.
Satz 4.2. Es ist
Z falls i = n
n ∼
e
Hi (S ) =
0 falls i 6= n
Zur Erinnerung: Ist X ein topologischer Raum und A ⊂ X ein Teilraum,
so heißt A ein Retrakt von X, falls es eine stetige Abbildung (Retraktion)
r : X → A gibt mit r|A = idA .
Satz 4.3. Ist n ≥ 0, so ist S n kein Retrakt von Dn+1 .
Beweis. Angenommen r : Dn+1 → S n ist eine Rektration. Die Inklusion
S n → Dn+1 werde mit i bezeichnet. Dann gilt also r ◦ i = idS n . Nach
Anwendung des reduzierten Homologiefunktors erhalten wir, dass die Komposition
r∗ e
i∗ e
e n (S n ) →
Hn (S n ) .
Hn (Dn+1 ) →
H
e n (S n ) übereinstimmt. Setzen wir unsere Berechnunmit der Identität auf H
gen ein, erhalten wir also eine Komposition der Form Z → 0 → Z, die mit
idZ übereinstimmt. Dies ist aber nicht möglich.
Korollar 4.4 (Brouwerscher Fixpunktsatz). Es sei f : Dn → Dn stetig.
Dann hat f einen Fixpunkt, d.h. es existiert ein x ∈ Dn mit f (x) = x.
Beweis. Angenommen f : Dn → Dn ist eine fixpunktfreie stetige Abbildung.
Wir konstruieren eine stetige Abbildung r : Dn → S n−1 , indem wir für
x ∈ Dn den Strahl, der in f (x) beginnt und durch x läuft bis zum Rand von
Dn verlängern und den entstehenden Schnittpunkt mit r(x) bezeichnen. Es
ist nicht schwer zu zeigen, dass diese Abbildung stetig ist. Offensichtlich gilt
r|S n−1 = idS n−1 , d.h. r ist eine Retraktion von Dn auf S n−1 . Dies steht
aber im Widerspruch zum eben bewiesenen Satz.
TOPOLOGIE I
27
Wir können nun auch die topologische Invarianz der Dimension euklidischer Räume beweisen.
Satz 4.5. Es seien U ⊂ Rm und V ⊂ Rn nichtleere offene Teilmengen.
Falls U und V homöomorph sind, gilt m = n.
Beweis. Für x ∈ U betrachten wir die lokalen Homologiegruppen von U in
x, definiert als Hk (U, U − {x}) (k ∈ N). Nach dem Ausschneidungssatz, der
langen exakten Homologiesequenz zusammen mit der Zusammenziehbarkeit
von Rm , sowie der Homotopieinvarianz ist
e k−1 (Rm − {x}) ∼
e k−1 (S m−1 )
Hk (U, U − {x}) ∼
= Hk (Rm , Rm − {x}) ∼
=H
=H
d.h. Hk (U, U − {x}) ∼
= Z, falls k = m und = 0 sonst. Entsprechend verhalten sich die lokalen Homologiegruppen Hk (V, V − {y}) für y ∈ V . Ist
φ : U → V ein Homöomorphismus, so erhalten wir für x ∈ U einen induzierten Homöomorphismus von Raumpaaren (U, U − {x}) ≈ (V, V − {φ(x)})
und dadurch induzierte Isomorphismen von lokalen Homologiegruppen. Somit ist m = n.
Falls x ∈ X und {x} abgeschlossen in X ist (dies ist z.B. der Fall, wenn
X Hausdorffsch ist), so hängen nach dem Ausschneidungssatz die lokalen
Homologiegruppen an x nur von der Topologie von X in einer Umgebung
von x ab.
e i (S n ) ist das
Eine weitere wichtige Anwendung der Berechnung von H
Konzept des Abbildungsgrades.
e n (S n ) ∼
Es sei φ : H
= Z ein Isomorphismus. Ist f : S n → S n eine stetige
Abbildung, so gibt es genau eine Zahl z ∈ Z, so dass
f∗
e n (S n )
e n (S n ) −−−
−→ H
H




φy
φy
Z
17→z
−−−−→
Z
Diese Zahl hängt nicht von der Wahl des Isomorphismus φ ab: Ist ψ :
e n (S n ) ∼
H
= Z ein weiterer Isomorphismus, so ist φ ◦ ψ −1 : Z → Z ein Gruppenisomorphismus und daher gegeben durch Multiplikation mit ±1. Wenn wir
im obigen Diagram φ durch ψ ersetzen, werden also die vertikalen Abbildungen mit der Muliplikation mit 1 oder mit −1 komponiert. Daher ändert
sich z nicht.
Wir definieren
deg f := z .
Dies ist der Abbildungsgrad von f .
Die wesentlichen Eigenschaften des Abbildungsgrades sind in Hatcher, S.
134 f., zusammengefasst.
Wir erwähnen zwei schöne Anwendungen des Abbildungsgrades.
28
BERNHARD HANKE
Definition. Ein Vektorfeld über der n-dimensionalen Sphäre S n ist eine
stetige Abbildung
v : S n → Rn+1 ,
so dass v(x) ⊥ x für alle x ∈ S n ⊂ Rn+1 .
Satz 4.6. Die Sphäre S n , n ≥ 1, hat genau dann ein nirgends verschwindendes Vektorfeld, falls n ungerade ist.
Beweis. Siehe Hatcher, S. 135.
Falls n = 2 ist das der Igelsatz: Einen (zweidimensionalen) Igel kann man
nicht kämmen.
Ist G eine Gruppe und X ein topologischer Raum, so ist eine Gruppenwirkung von G auf X das gleiche wie ein Gruppenhomomorphismus
G → Homöo(X) von G in die Gruppe der Homöomorphismen von X. Dieses
Datum ist gleichbedeutend mit einer Abbildung
φ:G×X →X,
so dass für alle g ∈ G die Abbildung φ(g, −) : X → X stetig ist und für
alle x ∈ X und g, h ∈ G φ(gh, x) = φ(g, φ(h, x)) und φ(e, x) = x, falls
e ∈ G das neutrale Element ist. Diese letzte Beschreibung hat den Vorteil,
dass sie sich später leicht auf stetige oder differenzierbare Wirkungen von
topologischen oder Liegruppen anpassen lässt. Die Gruppenwirkung φ heißt
frei, falls φ(g, x) 6= x für alle g 6= e und x ∈ X.
Satz 4.7. Es sei n gerade und G wirke frei auf S n . Dann ist G = {e} oder
G∼
= Z/2.
Beweis. Hatcher, S. 135 unten.
TOPOLOGIE I
29
In vielen Situationen können wir den Abbildungsgrad einer Abbildung
durch die Betrachtung sogenannter lokaler Abbildungsgrade bestimmen.
Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung und y ∈ S n und x ∈ f −1 (y) ⊂
S n . Angenommen, der Punkt x hat eine offene Umgebung U , die kein
weiteres Urbild von y enthält. Wir erhalten mit Auschneidung und der
langen exakten Homologiesequenz kanonische Isomorphismen
e k (S n ) ,
Hk (U, U − {x}) ∼
= Hk (S n , S n − {x}) ∼
=H
dabei benutzen wir, dass S n −{x} ≈ Rn zusammenziehbar ist (und daher die
reduzierte Homologie verschwindet). Die letzte Gruppe können wir für k = n
nach Wahl eines Erzeugers mit Z identifizieren. Die induzierte Abbildung
f∗ : Hn (U, U − {x}) → Hn (S n , S n − {y}) ist also durch Multiplikation mit
einer eindeutig bestimmten ganzen Zahl, dem lokalen Abbildungsgrad von f
bei x gegeben ist. Dieser hängt nicht von der speziellen Wahl von U ab.
Wir bezeichnen ihn mit deg f |x.
Proposition 4.8. Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung und y ∈ S n
ein Punkt mit nur endlich vielen Urbildern x1 , . . . , xm . Insbesondere ist für
alle xi der lokale Abbildungsgrad deg f |xi wie eben definiert. Es gilt dann
deg f =
m
X
deg f |xi .
i=1
Beweis. Wir wählen paarweise disjunkte offene Umgebungen Ui ⊂ S n von
xi wie eben bei der Definition des lokalen Abbildungsgrades. Wir betrachten
nun die Komposition
∼
e n (S n ) → Hn (S n , S n − {x1 , . . . , xm }) =
Ψ : H
[
[
M
M
˙
˙
e n (S n )
Hn ( Ui ,
(Ui − {xi })) ∼
Hn (Ui , Ui − {xi }) ∼
H
=
=
i
i
i
i
wobei die erste Abbildung durch Inklusion von Raumpaaren, die zweite Abbildung das Inverse des Ausschneidungsisomorphismus und die dritte Abbildung die Zerlegung von Homologie gemäß verschiedener Wegekomponenten
ist. Die letzte Abbildung ist auf jedem Summanden der kanonische Isomorphismus von oben. Wir behaupten, dass die Komposition von Ψ mit der
Lm e
n
n
e
Projektion
i=1 Hn (S ) → Hn (S ) auf einen beliebigen Summanden die
Identität ist. Diese Komposition ist aber (für den i-ten Summanden) gleich
der Komposition
e n (S n ) → Hn (S n , S n − {xi }) ∼
e n (S n )
H
=H
wobei die zweite Abbildung wieder der kanonische Isomorphismus von oben
ist. Dies zeigt die Behauptung. Die Aussage der Proposition folgt nun durch
30
BERNHARD HANKE
Betrachten des kommutativen Diagramms
f∗
e n (S n )
H


Ψy
e n (S n )
H


∼
=y
−−−−→
P
L e
(c1 ,...,cm )7→
f∗ (ci )
Hn (Ui , Ui − {xi }) −−−−−−−−−−i−−−→ Hn (S n , S n − y)
Bei der Definition des Abbildungsgrades ist es auch manchmal sinnvoll,
Punkte x, y ∈ S n , sowie Umgebungen V von y und U von x zu betrachten mit f (U − {x}) ⊂ V − {y}. Die in der induzierten Abbildungen
f∗ : Hn (U, U − {x}) → Hn (V, V − {y}) auftretenden Homologiegruppen
e n (S n ) identifiziert werden. Induziert in
können dann beide kanonisch mit H
dieser Situation f zusätzlich einen Homöomorphismus U ≈ V , so ist der
lokale Abbildungsgrad von f bei x gleich ±1. Man kann auf diese Weise in
vielen Situationen den Abbildungsgrad von Abbildungen dadurch bestimmen, dass man Urbildpunkte mit Vorzeichen“ zählt. Das richtige Vorzei”
chen kann dabei oft durch differentialtopologische Betrachtungen ermittelt
werden.
Man kann die letzte Proposition dazu benutzen, Abbildungen S n → S n
von beliebigem Abbildungsgrad zu konstruieren, falls n ≥ 1, siehe Hatcher,
Example 2.31.
Man sieht leicht (vergleiche Übung Blatt 7, Aufgabe 1, oder auch Hatcher,
Proposition 2.33):
Proposition 4.9. Es sei f : S n → S n eine stetige Abbildung. Dann stimmt
der Abbildungsgrad von f mit dem Abbildungsgrad der Einhängung von f ,
Σf : ΣS n → ΣS n überein (nachdem man ΣS n mit S n+1 identifiziert hat).
Dies kann man dazu benutzen, um stetige Abbildungen S n → S n , n ≥ 2,
zu konstruieren, bei denen beliebige vorgegebenen z ∈ Z als lokale Abbildungsgrade auftreten.
Wir kommen nun zu einer dem Ausschneidungssatz eng verwandten Methode, Homologiegruppen zu berechnen: Die Mayer-Vietoris-Sequenz. Es
sei X ein topologischer Raum und es seien A, B ⊂ X Unterräume, so dass
X = int(A) ∪ int(B). Die Inklusionen iA : A ∩ B → A, iB : A ∩ B → B,
jA : A → X, jB : B → X, induzieren Kettenabbildungen
φ : C∗ (A ∩ B) → C∗ (A) ⊕ C∗ (B) , c 7→ ((iA )∗ (c), (iB )∗ (c))
und
ψ : C∗ (A) ⊕ C∗ (B) → C∗ (A + B) , (x, y) 7→ (jA )∗ (x) − (jB )∗ (x) ,
wobei der Komplex der {A, B}-kleinen Simplizes C∗ (A + B) im Beweis des
Ausschneidungssatzes vorkam. Wir erhalten eine kurze exakte Sequenz von
Kettenkomplexen
φ
ψ
0 → C∗ (A ∩ B) → C∗ (A) ⊕ C∗ (B) → C∗ (A + B) → 0
TOPOLOGIE I
31
In der induzierten langen exakten Sequenz können wir die Homologie von
C∗ (A + B) durch H∗ (X) ersetzen und erhalten die Mayer-Vietoris Sequenz
∂
. . . → Hn (A ∩ B) → Hn (A) ⊕ Hn (B) → Hn (X) → Hn−1 (A ∩ B) → . . . .
Der verbindende Homomorphismus ∂ hat folgende explizite Beschreibung:
Ist c ∈ Hn (X) eine Homologieklasse, so repräsentiere man c durch eine
Summe x + y von singulären Ketten in C∗ (X) mit x ∈ C∗ (A) und y ∈
C∗ (B). Dies geht zum Beispiel mit baryzentrischer Unterteilung. Nach
Voraussetzung gilt dann ∂x = −∂y, somit muss ∂x ∈ Cn−1 (A∩B) sein. Dies
ist ein Repräsentant von ∂(c). Eine entsprechende Mayer-Vietoris-Sequenz
existiert auch für die reduzierten Homologiegruppen.
Man kann die Mayer-Vietoris-Sequenz auch alleine aus den EilenbergSteenrod-Axiomen ableiten. Mehr dazu in den Übungen. Ähnlich wie oben
bei der Betrachtung guter Paare ist es oft nützlich, die Mayer-VietorisSequenz für etwas allgemeinerer Überdeckungen X = A ∪ B zur Verfügung
zu haben:
Proposition 4.10. Es seien A, B ⊂ X Teilmengen mit der folgenden Eigenschaft: Es ist X = A ∪ B und es gibt Umgebungen U von A und V von
B, so dass die Inklusionen A ⊂ U , B ⊂ V und A ∩ B ⊂ U ∩ V Homotopieäquivalenzen sind (hier ist es im Gegensatz zu den guten Paaren nicht
nötig, dass es sich um starke Deformationsretrakte handelt). Dann existiert
eine lange exakte Mayer-Vietoris-Sequenz
∂
. . . → Hn (A ∩ B) → Hn (A) ⊕ Hn (B) → Hn (X) → Hn−1 (A ∩ B) → . . . .
wobei die ersten beiden Abbildungen wie eben definiert sind. Eine ensprechende Sequenz existiert für reduzierte Homologie
Dies folgt direkt aus einem Vergleich mit der entsprechenden MayerVietoris-Sequenz für die Überdeckung X = U ∪ V (diese erfüllt nach Voraussetzung X = int(U ) ∪ int(V )).
32
BERNHARD HANKE
Man kann mit der Mayer-Vietoris-Sequenz bequem die Homologiegruppen
des Torus T 2 und der Kleinschen Flasche K berechnen und erhält
H0 (T 2 ) = Z , H1 (T 2 ) ∼
= Z ⊕ Z , H2 (T 2 ) ∼
= Z , Hi (T 2 ) = 0 falls i > 2
und
H0 (K) = Z , H1 (K) ∼
= Z ⊕ Z/2 , Hi (K) = 0 falls i > 1 .
Der Fall der Kleinschen Flasche ist z.B. in Hatcher, Example 2.47., ausgeführt.
Eine weitere Anwendung der Mayer-Vietoris-Sequenz ist der verallgemeinerte Jordansche Kurvensatz. Als Vorbereitung zeigen wir:
Satz 4.11.
i. Es sei D ⊂ S n ein Teilraum, der zu einem abgeschlose i (S n − D) = 0 für
senen Ball Dk ⊂ Rk homöomorph ist. Dann ist H
alle i ≥ −1.
ii. Es sei S ⊂ S n ein Teilraum, der zu einer Sphäre S k ⊂ Rk+1
e i (S n − S) = Z, falls i = n − k − 1
homöomorph ist. Dann ist H
und 0 sonst. Insbesondere ist also k ≤ n.
Man beachte, dass die Teilmengen D und S in diesem Theorem abgeschlossen in S n sein müssen, da sie kompakt sind (sie sind ja nach Voraussetzung homöomorph zu kompakten Räumen) und S n Hausdorffsch ist.
Zum Beweis von Theorem 4.11 i. machen wir Induktion nach k. Der Fall
k = 0 ist klar (D ist dann einfach ein Punkt). Für den Induktionsschritt sei
D ⊂ S n und h : Dk → D ein Homöomorphismus. Wir können über einen
weiteren Homöomorphismus Dk mit dem k-dimensionalen Würfel I k (wobei
I = [0, 1]) identifizieren. Wir überdecken S n − h(I k−1 × {1/2}) durch die
beiden offenen Teilmengen
A := S n − h(I k−1 × [0, 1/2]) , B := S n − h(I k−1 × [1/2, 1]) .
Wir erhalten mit der Induktionsvoraussetzung und der Mayer VietorisSequenz Isomorphismen
e i (A ∩ B) ∼
e i (A) ⊕ H
e i (B)
H
=H
e i (S n − h(I k )) =
für alle i ≥ −1. Wir nehmen nun an, es gibt ein 0 6= [c] ∈ H
e i (A ∩ B). Dann folgt aus dieser Argumentation, dass c auch entweder in
H
A oder in B kein Rand ist (beachte A ∩ B ⊂ A und A ∩ B ⊂ B). Indem wir
dieses Verfahren fortsetzen, erhalten wir eine absteigende Folge
I k−1 × [0, 1] ⊃ I k−1 × C1 ⊃ I k−1 × C2 ⊃ I k−1 × C3 ⊃ . . .
so dass c kein Rand in S n − h(I k−1 × Cj ) ist. Dabei sind Cj ⊂ [0, 1] abgeschlossene Intervalle, deren Länge gegen 0 geht und deren Schnitt somit
genau einen Punkt p ∈ [0, 1] enthält. Insbesondere ist also
\
(I k−1 × Cj ) = I k−1 × {p} ≈ I k−1 .
j
Wir wissen aber nach der
dass c ein Rand in S n −
T Induktionsvoraussetzung,
k−1
n
k−1
h(I
×{p}) = S −h( j I
×Cj ) ist. Es sei v ∈ Ci+1 (S n −h(I k−1 ×{p}))
TOPOLOGIE I
33
eine singuläre Kette (wobei jetzt i + 1 ≥ 0) mit ∂v = c. Da v nur endlich
viele singuläre Simplizes umfasst und das Bild jedes Simplex kompakt ist,
ist v bereits eine singuläre Kette in einer abgeschlossenen Teilmenge von
S n − h(I k−1 × {p}), somit gibt es (z.B. wegen der Normalität von S n ) ein
> 0, so dass v eine Kette in S n − h(I k−1 × [p − , p + ]) ist und damit
ist v bereits eine Kette in einem S n − h(I k−1 × Cj ). In diesem Raum gilt
dann aber wieder die Gleichung ∂v = c im Widerspruch dazu, dass c 6= 0 ∈
e i (S n − h(I k−1 × Cj )) nach Konstruktion der Cj . Dies ist ein Widerspruch
H
und zeigt Teil i.
34
BERNHARD HANKE
Für den Beweis von Teil ii. machen wir wieder Induktion nach k, wobei
der Fall k = 0 klar ist. Es sei nun h : S k → S n eine stetige Einbettung
(d.h. stetig und injektiv), somit ist h : S k → h(S k ) ein Homöomorphismus.
Wir schreiben nun S k als die Vereinigung der oberen und unteren abgek und D k und überdecken S n − h(S k−1 ) durch
schlossenen Hemisphären D+
−
k ) und B := S n − h(D k ). Unter Ausnutzung von Teil i.
A := S n − h(D+
−
erhalten wir dann mit der Mayer-Vieotoris-Sequenz Isomorphismen
e i (S n − h(S k−1 )) ∼
e i−1 (S n − h(S k ))
H
=H
und daraus folgt die Behauptung von Teil ii.
Der Beweis von Teil i. ist einer der seltenen Fälle, wo wir uns nicht allein
auf die Eilenberg-Steenrod-Axiome berufen können, sonderen die Konstruktion der singulären Theorie benutzen müssen.
Es gibt Beispiele (gehörnte Sphären von Alexander) von Teilmengen
D ⊂ S 3 , die homöomorph zu D3 sind, so dass aber S 3 − D nicht einfach zusammenhängend ist. Insbesondere ist R3 − D nicht unbedingt homöomorph
zu R3 wie dies bei einer Standardeinbettung der Fall ist.
Für k = n − 1 ist Teil ii. des vorigen Theorems der verallgemeinerte
Jordansche Kurvensatz: Es sei φ : S n−1 ⊂ S n eine topologische Einbettung
(d.h. φ ist stetig und injektiv, insbesondere ist φ ein Homöomorphismus
von S n−1 auf S := φ(S n−1 ) ⊂ S n ). Dann besteht S n − φ(S n−1 ) aus genau
e 0 (S n − S) = Z, somit H0 (S n − S) = Z ⊕ Z).
zwei Wegekomponenten (denn H
Weiterhin ist jede dieser Wegekomponenten offen (denn S n − S ist lokal
wegzusammenhängend und selbst offen in S n ) und hat die Homologie eines
Punktes.
Für n = 2 ist das der klassische Jordansche Kurvensatz:
Satz 4.12. Es sei φ : S 1 → R2 eine stetige Einbettung. Dann besteht
R2 − φ(S 1 ) aus genau zwei Komponenten, von denen genau eine beschränkt
ist.
Beweis. Man betrachtet die induzierte Abbildungen φ : S 1 → R2 →
(R2 )+ = S 2 und wendet den verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatz an.
Anschließend entfernt man den Punkt im Unendlichen wieder.
Dies ist eine gute Gelegenheit die Begriffe der Komponenten und Wegekomponenten eines Raumes zu wiederholen. Ist X ein topologischer Raum,
so sind die Wegekomponenten von X die Äquivalenzklassen bezüglich der
Relation x und y lassen sich durch einen Weg verbinden “. Die Kompo”
nenten sind die Äquivalenzklassen bezüglich der Relation x und y liegen
”
in einem zusammenhängenden Teilraum von X“. Dabei heißt ein Raum
zusammenhängend falls er nicht disjunkte Vereinigung zweier nichtleerer offener Teilmengen ist. Jede Wegekomponente ist in einer Komponente enthalten, denn jeder Weg, der zwei Punkte in X verbindet, ist ein zusammenhängender Raum (als Bild eines zusammenhängenden Raumes). Die
Umkehrung gilt aber in der Regel nicht (da es zusammenhängende Räume
TOPOLOGIE I
35
gibt, die nicht wegzusammenhängend sind). Weiterhin sind die Wegekomponenten wegzusammenhängend (dies kann man sehr einfach zeigen) und
die Komponenten zusammenhängend. Letzteres ist etwas schwieriger: Sei
K ⊂ X eine Komponente. Ist x ∈ K, so ist K nach Definition die Vereinigung aller zusammenhängenden Teilmengen von X, die x enthalten. Man
zeigt nun aber relativ leicht: Ist (Ui )i∈I eine Familie zusammenhängender
Teilmengen
eines Raumes X und gilt Ui ∩ Uj 6= ∅ für alle i, j ∈ I, so ist
S
i Ui zusammenhängend. Wir haben auch:
Lemma 4.13. Die Komponenten eines Raumes X sind abgeschlossene Teilmengen von X.
Beweis. Man zeigt zunächst (dies ist nicht schwer): Ist U ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum, so auch U . Ist K ⊂ X eine Komponente (wobei
X 6= ∅), so ist daher K in einer Komponente Q von X enthalten und wegen
K ∩ Q 6= ∅ muss K = Q gelten (da wir es mit Äquivalenzklassen zu tun
haben). Also ist K = K.
In der Regel sind allerdings die Wegekomponenten weder abgeschlossen
noch offen und die Komponenten nicht offen in X.
Es gilt aber:
Lemma 4.14. Es sei X lokal wegzusammenhängend, d.h. jeder Punkt in
X hat eine wegzusammenhängende Umgebung. Dann stimmen die Komponenten mit den Wegekomponenten von X überein und diese sind sowohl
abgeschlossen als auch offen in X.
Beweis. Es sei K ⊂ X eine Komponente und x ∈ K. Wir betrachten
die Menge W ⊂ K aller Punkte, die sich mit x durch einen Weg in K
verbinden lassen. Diese Menge ist offen in K: Ist w ∈ W , so wählen wir
eine wegzusammenhängende Umgebung U ⊂ X von w. Da U offensichtlich
zusammenhängend ist und K schneidet, muss somit U ⊂ K gelten und
wegen w ∈ U gilt dann sogar U ⊂ W . Daher ist W offen in K. Ist w ∈ K\W ,
so wählt man wieder eine wegzusammenhängende Umgebung U von w in
X. Mit dem gleichen Argument wie eben gilt U ⊂ K und daher kann kein
Punkt in U in W liegen. Somit ist W auch abgeschlossen in K. Da K
zusammenhängend und W 6= ∅ ist, muss somit W = K gelten. Also ist
K wegzusammenhängend. K ist also in einer Wegekomponente enthalten.
Da jede Wegekomponenten in einer Komponente von X liegt, stimmt diese
Wegekoponente mit K überein.
Direkt aus der dem lokalen Wegzusammenhang folgt, dass die Wegekomponenten in einem lokal wegzusammenhängenden Raum offen sind. Da sie
mit den Komponenten übereinstimmen, sind sie also offen und abgeschlossen.
Der folgende Zusatz zum verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatz wird
in den Übungen behandelt:
36
BERNHARD HANKE
Proposition 4.15. Es sei φ : S n−1 → S n eine topologische Einbettung.
Dann besteht das Komplement S n − φ(S n−1 ) aus genau zwei Komponenten.
Weiterhin stimmt der Rand jeder dieser Komponenten mit im φ überein.
Als Anwendung des verallgemeinerten Jordanschen Kurvensatzes zeigen
wir die Invarianz des Gebietes.
Satz 4.16. Es sei U ⊂ Rn offen und es sei φ : U → Rn eine stetige Abbildung, so dass die induzierte Abbildung φ : U → φ(U ) ein Homöomorphismus
ist. Dann ist φ(U ) ⊂ Rn offen. Mit anderen Worten: Ist eine Teilmenge
X ⊂ Rn homöomorph zu einer offenen Teilmenge im Rn , so ist X selbst
offen in Rn .
Beweis. Damit wir uns besser auf Theorem 4.11 beziehen können, fassen wir X als Teilmenge von S n = (Rn )+ auf. Es sei φ : U → X
ein Homöomorphismus, wobei U ⊂ Rn offen ist. Es sei x ∈ X beliebig. Wir wählen einen kleinen abgeschlossenen Ball B (φ−1 (x)) um φ−1 (x)
(mit > 0), der ganz in U enthalten ist (U ist ja offen in Rn ). Wir erhalten somit Teilmengen D := φ(B (φ−1 (x))), homöomorph zu Dn und
S := φ(∂B (φ−1 (x))), homöomorph zu S n−1 . Zusammen mit Theorem 4.11,
i. ist also S n − D offen und wegzusammenhängend und S n − S ist offen
und besteht aus genau zwei Wegekomponenten. Da D − S als Bild des wegzusammenhängenden Raumes B (φ−1 (x)) auch wegzusammenhängend ist,
müssen die beiden Wegekomponenten von S n − S die Mengen S n − D und
D −S sein. Da S n −S lokal wegzusammenhängend ist, sind die Wegekomponenten offene Mengen von S n − S und damit auch offen in S n (denn S n − S
ist offen in S n ). Insbesondere ist D − S offen in S n und damit eine offene
Umgebung von x in S n , die ganz in X enthalten ist.
5. ∆-Komplexe, CW-Komplexe und ihre Homologie
Wir werden in diesem Abschnitt Verallgemeinerungen von Simplizialkomplexen kennenlernen und ihre Homologie berechnen. Wir bezeichnen wie
üblich mit ∆n das Standard-n-Simplex und mit int(∆n ) sein Inneres, d.h.
∆n − ∂∆n , wobei ∂∆n der Rand von ∆n ist (d.h. die Vereinigung der
höchstens (n − 1)-dimensionalen Seiten).
Definition. Ein ∆-Komplex ist ein topologischer Raum X zusammen mit
einer Familie (σα )α∈I von stetigen Abbildungen (genannt charakteristische
Abbildungen) σα : ∆n(α) → X so dass die folgenden Bedingungen erfüllt
sind:
• Die Restriktion σα |int∆n(α) : int∆n(α) → X ist injektiv und jeder
Punkt in X liegt im Bild ( offenes Simplex“) genau einer solchen
”
Restriktion.
• Ist σα : ∆n(α) → X eine charakteristische Abbildung und τ ⊂ ∆n(α)
eine (n(α) − 1)-dimensionale Seite, so ist σα |τ : ∆n(α)−1 → X wieder
eine charakteristische Abbildung wobei wir τ und ∆n(α)−1 kanonisch
identifizieren (dabei soll die Ordnung der Ecken erhalten bleiben).
TOPOLOGIE I
37
• A ⊂ X ist offen genau dann, falls alle σα−1 (A) offen in ∆n(α) sind.
Jeder geordnete Simplizialkomplex besitzt offensichtlich die Struktur eines
∆-Komplexes, es gibt aber viele ∆-Komplexe, die nicht direkt als Simplizialkomplex beschrieben werden können: In einem Simplizialkomplex sind
die Simplizes durch ihre Ecken schon eindeutig festegelegt, dies ist jedoch in
einem ∆-Komplex nicht unbedingt der Fall.
38
BERNHARD HANKE
Ist X ein ∆-Komplex, so sei Cn∆ (X) die freie abelsche Gruppe, die von
den Abbildungen σα : ∆n(α) → X erzeugt wird, wobei n(α) = n. Dies ist eine Untergruppe der singulären n-Ketten Cn (X) und die Einschränkung des
Randopertors ∂ : Cn (X) → Cn−1 (X) auf C ∆ (X) definiert eine Abbildung
∆ (X). Dies folgt aus dem zweiten Punkt obiger Definiti∂ : Cn∆ (X) → Cn−1
on. Damit wird C∗∆ (X) ein Unterkomplex von C∗ (X). Wir bezeichnen mit
H∗∆ (X) die Homologiegruppen des Kettenkomplexes C∗∆ (X).
Allgemeiner sei X ein ∆-Komplex und A ⊂ X ein Teilkomplex (d.h A ist
eine Teilmenge von X und ist selbst ein ∆-Komplex, wobei alle charakteristischen Abbildungen von A auch charakteristische Abbildungen von X sind).
Wir definieren dann den Kettenkomplex C∗∆ (X, A) wie üblich als den Quotientenkomplex C∗∆ (X)/C∗∆ (A). Es ist wieder C∗∆ (X, A) ein Unterkomplex
von C∗ (X, A).
Ist X ein geordneter Simplizialkomplex, dann stimmt C∗∆ (X) (mit der induzierten ∆-Komplex-Struktur auf X) mit dem simplizialen Kettenkomplex
überein, wie er im ersten Abschnitt definiert wurde. Insbesondere folgt aus
dem nächsten Satz, dass simpliziale und singuläre Homologie für Simplizialkomplexe übereinstimmen.
Satz 5.1. Es sei X ein ∆-Komplex und A ⊂ X ein Unterkomplex, möglicherweise A = ∅. Dann induziert die Inklusion C∗∆ (X, A) ,→ C∗ (X, A)
Isomorphismen von Homologiegruppen.
Als Vorbereitung brauchen wir
Lemma 5.2. Für n ≥ 0 ist die relative singuläre Homologiegruppe
Hi (∆n , ∂∆n ) isomorph zu Z für i = n und = 0 sonst. Die Identität
∆n → ∆n
aufgefasst als Element in Cn (∆n , ∂∆n ) ist ein Zykel und die entsprechende
Homologieklasse erzeugt Hn (∆n , ∂∆n ).
Beweis. Alle Aussagen bis auf die letzte sind klar (man beachte (∆n , ∂∆n ) ≈
(Dn , S n−1 ). Diese wird per Induktion gezeigt, wobei der Fall n = 0 trivial
ist. Angenommen, die Aussage ist für n − 1 gezeigt. Es sei Λ ⊂ ∆n die
Vereinigung von genau n der (n − 1)-dimensionalen Seiten von ∆n (d.h.
Λ umfasst alle bis auf eine (n − 1)-dimensionale Seite). Das Raumpaar
(∆n , Λ) hat verschwindende Homologie (dies ist leicht zu sehen). Daher ist
der verbindende Homomorphismus
φ : Hn (∆n , ∂∆n ) → Hn−1 (∂∆n , Λ)
in der langen exakten Sequenz für das Tripel (∆n , ∂∆n , Λ) ein Isomorphismus. Wir betrachten die Inklusion ∆n−1 ,→ ∂∆n als die fehlende Seite
in Λ. Die induzierte Inklusion (∆n−1 , ∂∆n−1 ) → (∂∆n , Λ) induziert einen
Isomorphismus
ψ : Hn (∆n−1 , ∂∆n−1 ) ∼
= Hn (∂∆n , Λ)
TOPOLOGIE I
39
von relativen Homologiegruppen, denn es handelt sich um gute Raumpaare
und die induzierte Abbildung
∆n−1 /∂∆n−1 → ∂∆n /Λ
ist ein Homöomorphismus. Der Isomorphismus φ schickt den Zykel id∆n auf
den Zykel ± id∆n−1 (aufgefasst als die fehlende Seite in Λ) in Cn−1 (∂∆n , Λ),
der Isomorphismus ψ schickt den Zykel id∆n−1 auf genau den gleichen Zykel
(eventuell bis aufs Vorzeichen). Daher folgt die Aussage des Lemmas per
Induktion.
Schließlich benötigen wir noch die folgende rein algebraische Aussage.
Proposition 5.3. (Fünferlemma). Es sei ein kommutatives Diagramm
A −−−−→ B −−−−→ C −−−−→ D −−−−→ E










γy
y
y
y
y
A0 −−−−→ B 0 −−−−→ C 0 −−−−→ D0 −−−−→ E 0
gegeben, wobei die Zeilen exakte Sequenzen abelscher Gruppen sind. Sind
von den vertikalen Abbildungen alle bis auf γ Isomorphismen, so ist auch γ
ein Isomorphismus.
Beweis. Diagrammjagd.
40
BERNHARD HANKE
Wir zeigen nun Satz 5.1. Es sei zunächst X endlich dimensional und A =
∅. Für k ∈ N sei X k das k-Skelett von X, d.h. die Vereinigung der Bilder von
Simplizes der Dimension höchstens k (aufgefasst als Unterkomplex von X).
Wir zeigen nun durch Induktion nach k, dass die Abbildungen Hn∆ (X k ) →
Hn (X k ) Isomorphismen sind (für alle n). Der Fall k = 0 ist einfach, denn
X 0 ⊂ X erbt von X die diskrete Topologie: Ist Z ⊂ X 0 eine Teilmenge, so ist
n(α)
für alle α das Urbild φ−1
(bestehend aus einer Menge von Ecken)
α (Z) ⊂ ∆α
endlich und somit abgeschlossen. Also ist Z eine abgeschlossene Teilmenge in
X. Daraus folgt, dass jede Teilmenge von X 0 (in der Unterraumtopolologie)
offen in X 0 ist und das war zu zeigen. Wir nehmen nun an, die Aussage ist
für k − 1 gezeigt. Für n ≥ 0 erhalten wir ein kommutatives Diagramm mit
exakten Zeilen
∆
∆
∆
∆
∆
Hn+1
(X k , X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn
(X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn
(X k ) −
−−−−−
→ Hn
(X k , X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn−1
(X k−1 )










y
y
y
y
y
Hn+1 (X k , X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn (X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn (X k ) −
−−−−−
→ Hn (X k , X k−1 ) −
−−−−−
→ Hn−1 (X k−1 )
Wir wollen das Fünferlemma anwenden. Der zweite und letzte senkrechte
Pfeil sind Isomorphismen durch Induktion nach k. Wir kümmern uns nun
um den ersten und vierten Pfeil. Die Gruppe Hn∆ (X k , X k−1 ) ist = 0, falls
k 6= n und isomorph zur direkten Summe von Kopien von Z parametrisiert
über die n-Simplizes σα : ∆n → X, falls k = n. Dies folgt direkt aus
der Definition von H∗∆ . Für die Berechnung der entsprechenden singulären
Homologiegruppen betrachten wir die Abbildung
[
˙
ψ:
(∆kα , ∂∆kα ) → (X k , X k−1 )
α,n(α)=k
wobei auf dem α-ten Raumpaar die Abbildung σα anzuwenden ist. Diese
Abbildung induziert einen Homöomorphismus
[
[
˙
˙
Ψ : ∆kα / ∂∆kα ≈ X k /X k−1 .
Dabei ist die Bijektivität und Stetigkeit leicht. Es sind aber Bilder von
Ṡ
Ṡ
abgeschlossenen Mengen auch abgeschlossen: Es sei A ⊂ ∆k / ∂∆k abgeschlossen. Wir müssen zeigen, dass das Urbild von Ψ(A) in X k abgeschlossen ist, was wir dadurch testen, dass wir die Urbilder unter φα ansehen
(für alle charakteristischen Abbildungen der ∆-Komplexstruktur von X k ).
Sei zunächst n(α) < k. Ist Ψ(A) ∩ [X k−1 ] 6= ∅ so ist dieses Urbild ganz
n(α)
∆α
also abgeschlossen. Ist aber Ψ(A) ∩ [X k−1 ] = ∅, so ist dieses Urbild leer, also ebenfalls abgeschlossen. Es sei nun n(α) = k. Dann stimmt
dieses Urbild genau mit dem Urbild von A unter der stetigen Abbildung
Ṡ
Ṡ
Ṡ
∆kα ,→ n(α)=k ∆kα → ∆kα / ∂∆kα überein und ist damit wieder abgeschlossen. Daher induziert ψ einen Isomorphismus von Homologiegruppen (denn
es handelt sich um gute Raumpaare). Die Gruppe
[
[
˙
˙
Hn ( ∆kα , ∂∆kα )
TOPOLOGIE I
41
ist aber gleich 0, falls n 6= k und isomorph zur direkten Summe von Kopien
von Z parametrisiert über die n-Simplizes von X, falls n = k Weiterhin ist
ein Erzeuger der Gruppe Hn (∆nα , ∂∆nα ) durch die die Identität id∆n gegeben.
Somit ist Hn (X k , X k−1 ) gleich 0, falls k 6= n und gleich der direkten Summe
von Kopien von Z parametrisiert über die charakteristischen Abbildungen
σα : ∆n(α) → X mit n(α) = n, falls n = k. Und ein Erzeuger der α-ten
Kopie von Z ist durch die charakteristische Abbildung σα gegeben. Damit
ist der erste und vierte senkrechte Pfeil im obigen Diagramm auch ein Isomorphismus und die Aussagee des Satzes folgt (für endlichdimensionales X)
durch Induktion nach k. Falls X unendlich dimensional ist, benutzen wir die
Tatsache, dass das Bild jedes singulären Simplex in X in einem X k enthalten ist, denn dieses Bild ist kompakt und kann daher überhaupt nur endlich
viele offene Simplizes in X treffen (siehe Hatcher, S. 130). Daraus kann
man die Injektivität und Surjektivität der Abbildung Hn∆ (X) → Hn (X) aus
den bereits bewiesenen Tatsachen ableiten. Der Fall A 6= ∅ folgt mit einem
Fünferlemmaargument aus dem absoluten Fall. Damit ist Satz 5.1 bewiesen.
42
BERNHARD HANKE
Definition. Ein CW-Komplex ist ein topologischer Raum X, zusammen
mit einer Folge von abgeschlossenen Unterräumen
X0 ⊂ X1 ⊂ X2 ⊂ X3 ⊂ . . .
mit X n = X und der folgenden Eigenschaft: X 0 ist (mit der Unterraumtopologie) eine diskrete Menge von Punkten. X n entsteht aus X n−1 durch
Anheften von abgeschlossenen n-Bällen entlang der Ränder, d.h.
[
˙
X n = X n−1 ∪(φα )α∈I
Dn .
α∈I α
Ṡ
Dabei ist I eine beliebige Indexmenge, α∈I Dαn ist eine disjunkte Vereinigung von Kopien der abgeschlossenen Einheitskugel Dn und (φα ) ist eine
Familie von Abbildungen
S
φα : ∂Dαn → X n−1 .
Jedes φα heißt anheftende Abbildung. Weiterhin trägt X die Finaltopologie bezüglich der Filtrierung X 0 ⊂ X 1 ⊂ . . ., d.h. eine Teilmenge A ⊂ X
ist genau dann abgeschlossen, wenn für alle n ∈ N der Schnitt A ∩ X n
abgeschlossen in X n ist. (Man kann diese Bedingung genausogut mit of”
fen“ formulieren). Ist X = X n für ein n, so nennt man X n-dimensional
und falls man für X insgesamt (d.h. in allen Dimensionen zusammengenommen) nur endlich viele Bälle benötigt, endlich. Die Teilmenge X n ⊂ X heißt
n-Gerüst oder n-Skelett von X.
Wir erläutern dieses Konzept an einigen Beispielen (siehe Hatcher, S. 6.
ff).
Sehr viele Eigenschaften von CW-Komplexen werden durch Induktion
über die n-Gerüste gezeigt. Wir diskutieren einige punktmengentopologische
Eigenschaften von CW-Komplexen. Eine eingehende Diskussion dazu findet
sich in Hatcher, Appendix A.
Proposition 5.4. CW-Komplexe sind Hausdorffsch (siehe Übung). Allgemeiner sind CW-Komplexe sogar normal (siehe Hatcher, Prop. A.3)
Ist ein CW-Komplex X gegeben, so betrachten wir die oben beschriebene Zerlegung von X (also insbesondere auch die Abbildungen φα und die
Identifizierungen von X n mit der Verklebung von X n−1 und den n-Bällen)
als Teil der Struktur von X. Jede Abbildung φα : ∂Dn → X n−1 lässt sich
in offensichtlicher Weise zu einer stetigen Abbildung Φα : Dn → X n ⊂ X
erweitern, die man eine charakteristische Abbildung nennt. Das Bild jeder
solchen Abbildung nennt man eine abgeschlossene Zelle in X. Abgeschlossene Zellen sind tatsächlich abgeschlossene Teilmengen von X (als Bilder von
kompakten Mengen in einem Hausdorffraum), jedoch nicht homöomorph
zu echten abgeschlossenen Bällen (da Punkte auf dem Rand des Balles Dn
identifiziert werden). Wir haben aber
Proposition 5.5.
• Es sei Φα : Dn → X eine charakteristische Abbildung. Dann ist die Einschränkung Φα |intDn → X eine topologische Einbettung (d.h. ein Homöomorphismus auf das Bild). Man
TOPOLOGIE I
43
nennt jedes Bild einer solchen eingeschränkten Abbildung eine Zelle in X (dies ist in der Regel keine offene Teilmenge in X!). Die
n-dimensionalen Zellen werden mit enα bezeichnet. Aus der Definition von CW-Komplexen folgt, dass jeder Punkt in genau einer Zelle
liegt.
• Der Abschluss einer Zelle in X ist eine abgeschlossene Zelle.
• Jede abgeschlossene Zelle in X trifft nur endlich viele Zellen.
Beweis. Es faktorisiert Φα : Dn → X n als Abbildung Dn → Dn / ∼→ X,
wobei ∼ genau die Punkte auf dem Rand von Dn identifiziert, die durch
φα : ∂Dn → X n−1 auf den gleichen Punkt abgebildet werden. Die induzierte stetige Abbildungen Dn / ∼→ X ist eine topologische Einbettung, da
die Quelle kompakt und das Ziel Hausdorffsch sind. Daher ist auch die Einschränkung auf die Teilmenge intDn ⊂ Dn / ∼ eine topologische Einbettung.
Diese Einschränkung stimmt aber mit der zu betrachtenden Einschränkung
von Φα überein. Damit ist der erste Teil gezeigt. Für den zweiten Teil ist
zunächst klar, dass der Abschluss einer Zelle in einer abgeschlossenen Zelle
enthalten ist (denn diese ist abgeschlossen in X). Dass der Abschluss keine echte Teilmenge dieser abgeschlossenen Zelle sein kann, zeigt man durch
Betrachtung des Homöomorphismus Dn / ∼→ Φα (Dn ) von eben. Um den
dritte Teil nachzuweisen, machen wir uns allgemeiner folgendes klar: Jede kompakte Teilmenge C eines CW-Komplexes X trifft nur endlich viele
Zellen von X. Ein Beweis dazu findet sich in Hatcher Prop. A.1.
Definition. Es sei X ein CW-Komplex. Ein Unterkomplex von X ist
eine Teilmenge A ⊂ X, die selbst mit der Struktur eines CW-Komplexes
versehen ist, so dass An ⊂ X n für alle n und alle anheftenden Abbildungen
∂Dαn → An−1 auch anheftende Abbildungen von X sind. Ein CW-Paar ist
ein Raumpaar (X, A), wobei X ein CW-Komplex und A ein Unterkomplex
ist.
Proposition 5.6.
• Für alle n ist X n ein Unterkomplex von X und
n
X ist ein Unterkomplex von X m , falls n ≤ m.
• Ist (X, A) ein CW-Paar, so ist (X, A) ein gutes Raumpaar (siehe
Hatcher, Prop. A.5).
• Jede Zelle eines CW-Komplexes ist in einem endlichen Unterkomplex enthalten.
Nach dem zweiten Teil gibt es also für jedes CW-Paar (X, A) natürliche
e i (X/A), falls A 6= ∅.
Isomorphismen Hi (X, A) ∼
=H
Der große Vorteil der CW-Komplexe ist ihre Flexibilität. So besitzen
Produkte, Quotienten nach Unterkomplexen und Einhängungen von CWKomplexen induzierte CW-Komplex-Strukturen. Siehe Hatcher, S. 8.
Wir kommen nun zur Berechnung der Homologiegruppen von CWKomplexen.
44
BERNHARD HANKE
Definition. Es sei (Xi , xi )i∈I eine Familie von punktierten Räumen, d.h.
xi ∈ Xi . Die Einpunktvereinigung der punktierten Räume (Xi , xi ) ist definiert als der Quotient
_
[
˙
Xi := Xi /{xi | i ∈ I} .
i
Geometrisch gesehen werden also alle Räume Xi an den Punkten xi miteinander verklebt.
Im Sommersemester ist uns die Einpunktvereinigung schon einmal in der
Form des Bouquets von Sphären begegnet. Als direkte Folgerung von Proposition 4.1 und der Tatsache, dass reduzierte Homologie das gleiche wie
(d.h. kanonisch isomorph zur) Homologie relativ zu einem (beliebigen) Basispunkt ist, haben wir
Proposition 5.7. Es sei (Xi , xi )i∈I eine Familie von punktierten Räumen,
so dassW alle Paare (Xi , {xi }) gut sind. Dann induzierten die Inklusionen
Xi ,→ i Xi einen Isomorphismus
M
_
e n (Xi ) ∼
e n ( Xi )
H
=H
i
i
für alle n ≥ 0.
Direkt aus der Definition von CW-Komplexen folgt
Lemma 5.8. Es sei X ein CW-Komplex. Dann ist X n /X n−1 homöomorph
zur Einpunktvereinigung von Kopien von S n (an einem einmal festegelegten
Basispunkt von S n ), parametrisiert über die n-Zellen von X.
Da (X n , X n−1 ) gute Raumpaare sind, ergibt sich damit, dass
n
n−1 ) gleich 0 ist, falls n 6= i und isomorph zur direkten SumHi (X
L ,X
me
Z, falls i = n, wobei die direkte Summe über die Menge der n-Zellen
von X parametrisiert ist. Weiterhin haben wir
Proposition 5.9.
• Hk (X n ) = 0, falls k > n. Insbesondere ist
Hk (X) = 0, falls k > dim X.
• Für k < n induziert die Inklusion X n ,→ X Isomorphismen
Hk (X n ) ∼
= Hk (X).
Beweis. Man betrachtet die lange exakte Sequenz für die Raumpaare
(X n , X n−1 ):
Hk+1 (X n , X n−1 ) → Hk (X n−1 ) → Hk (X n ) → Hk (X n , X n−1 )
und beachtet, dass die beiden äußeren Gruppen gleich 0 sind, falls k 6=
n, n − 1. Falls k > n, gilt also Hk (X n ) ∼
= Hk (X n−1 ) ∼
= ... ∼
= Hk (X 0 ) = 0,
0
denn X ist eine diskrete Menge von Punkten und k > 0. Falls X endlichdimensional ist, folgt der zweite Teil ganz ähnlich, denn unter den gegebenen
Voraussetzungen gilt Hk (X n ) ∼
= Hk (X n+1 ) ∼
= Hk (X n+2 ) ∼
= . . .. Falls X
unendlichdimensional ist, folgt der zweite Teil aus dem bereits Gezeigten
durch die Beobachtung, dass jedes singuläre Simplex in X (und damit jede
TOPOLOGIE I
45
singuläre Kette) in einem kompakten Teilraum von X und damit in einem
endlichen Teilkomplex enthalten ist. (Ein Beweis, der nur die EilenbergSteenrod-Axiome und nicht die spezielle Konstruktion der singulären Homologie benutzt, kann mit Hilfe einer Abbildungsteleskopkonstruktion geführt
werden, siehe Hatcher, S. 138).
Wir kommen nun zur Berechnung der Homologie von CW-Komplexen.
Es sei X ein CW-Komplex. Wir definieren den zellulären Kettenkomplex
von X wie folgt. Es sei
Cncell (X) := Hn (X n , X n−1 ) ,
dies ist eine freie abelsche Gruppe über der Menge der n-Zellen von X. Für
n > 0 definieren wir den zellulären Randoperator
cell
∂ncell : Cncell (X) → Cn−1
(X)
als den verbindenden Homomorphismus
Hn (X n , X n−1 ) → Hn−1 (X n−1 , X n−2 )
in der langen exakten Sequenz für das Tripel (X n , X n−1 , X n−2 ). Dabei
setzen wir X n−2 = ∅, falls n = 1. Wie üblich setzen wir ∂0 = 0.
cell
= 0 für alle n ≥ 0, d.h.
Proposition 5.10.
• ∂ncell ◦ ∂n+1
cell
cell
(C (X), ∂ ) ist wirklich ein Kettenkomplex.
• Die Homologie dieses Kettenkomplexes ist isomorph zur singulären
Homologie H∗ (X).
Beweis. Aus der Konstruktion des verbindenden Homomorphismus für
Raumtripel folgt, dass wir dcell
n+1 als Komposition
∂n+1
jn
Hn+1 (X n+1 , X n ) → Hn (X n ) → Hn (X n , X n−1 )
schreiben können, wobei die Abbildung ∂n+1 der verbindende Homomorphismus in der langen exakten Sequenz für das Raumpaar (X n+1 , X n ) ist und
der zweite Homomorphismus von der Inklusion j : (X n , ∅) → (X n , X n−1 )
cell die Komposition
induziert ist. Daher enthält ∂ncell ◦ ∂n+1
jn
∂
n
Hn−1 (X n−1 )
Hn (X n ) → Hn (X n , X n−1 ) →
zweier aufeinanderfolgender Abbildungen der langen exakten Sequenz für
das Raumpaar (X n , X n−1 ). Diese Komposition ist aber gleich 0.
Für den zweiten Teil verweisen wir auf Hatcher, S. 139, Beweis von Theorem 2.35.
Direkte Folgerungen sind: Ist X ein CW-Komplex ohne n-Zellen, so ist
Hn (X) = 0. Hat allgemeiner X genau k n-Zellen, so ist Hn (X) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe, die von (höchstens) k Elementen erzeugt
wird. Und hat X keine Zellen in aufeinanderfolgenden Dimensionen (wie
46
BERNHARD HANKE
z.B. CP N ), so ist Hn (X) isomorph zur freien abelschen Gruppe über den
n-Zellen von X (denn ∂∗cell = 0 in diesem Fall). Insbesondere haben wir
Hn (CP N ) ∼
=Z
falls n gerade mit 0 ≤ n ≤ 2N und Hn (CP N ) = 0 sonst.
Wir wollen noch eine explizite Formel für den Randoperator ∂ncell herleiten. Falls n = 1, so ist dies leicht, denn es geht um den verbindenenden
Homomorphismus
H1 (X 1 , X 0 ) → H0 (X 0 ) .
Wir können H0 (X 0 ) kanonisch mit einer direkten Summe von Kopien von
Z identifizieren, wobei diese Kopien genau den 0-Zellen in X entsprechen
(man beachte, dass H0 (pt.) einen kanonischen Erzeuger hat). Die Gruppe
H1 (X 1 , X 0 ) kann mit Hilfe der charakteristischen Abbildungen Φα : Dα1 →
X 1 mit einer direkten Summe von Kopien von H1 (D1 , ∂D1 ) identifiziert
werden, parametrisiert über die 1-Zellen von X. Die Gruppe H1 (D1 , ∂D1 )
hat aber ebenfalls einen kanonischen Erzeuger, indem wir D1 = [−1, 1] ⊂ R
mit dem Simplex ∆1 -identifizieren. Dabei soll −1 der Ecke e0 und 1 der Ecke
e1 entsprechen. Wenn wir die Mengen der i-Zellen in X mit Z(i) bezeichnen,
haben wir nun also Isomorphismen
M
M
H1 (X 1 , X 0 ) ∼
Z , H0 (X 0 ) ∼
Z.
=
=
Z(1)
Z(0)
Bezüglich dieser Isomorphismen ist ∂1cell als eine lineare Abbildung gegeben,
die den α-ten Erzeuger von H1 (X 1 , X 0 ) auf φα (1)−φα (−1) ∈ H0 (X 0 ) abbildet. Dabei ist φα : ∂D1 → X 0 die anheftende Abbildung der α-ten 1-Zelle
in X.
Es sei nun n ≥ 1. Wir fixieren Homöomorphismen
ωn : Dn /∂Dn ≈ S n .
Wir konstruieren nun für n ≥ 1 induktiv Erzeuger von Hn (Dn , ∂Dn )
e n (S n ) wie folgt. Für n = 0 ist S 0 = {−1, 1} ⊂ R und die
und von H
e 0 (S 0 ).
formale Differenz 1 − (−1) ∈ H0 (S 0 ) definiert einen Erzeuger von H
e n−1 (S n−1 ) gegeben, so beachten wir, dass
Ist n ≥ 1 und ein Erzeuger von H
der verbindende Homomorphismus
e n−1 (S n−1 )
Hn (Dn , S n−1 ) → H
ein Isomorphismus ist und erhalten somit einen Erzeuger von Hn (Dn , S n−1 ).
Die Quotientenabbildung Dn → Dn /S n−1 induziert einen Isomorphismus
e n (Dn /S n−1 ) = H
e n (S n ) = Hn (S n )
Hn (Dn , S n−1 ) → H
so dass wir einen ganz bestimmten Erzeuger von Hn (S n ) erhalten. Wir
benutzen dabei in der letzten Gleichung, dassn ≥ 1, und in der vorletzten
Gleichung den Homöomorphismus ωn .
Die Gruppe Cncell (X) = Hn (X n , X n−1 ) ist (induziert von den charakteristischen Abbildungen Φα : Dαn → X n ⊂ X) kanonisch isomorph zur direkten
TOPOLOGIE I
47
Summe von Kopien von Hn (Dn , ∂Dn ), parametrisiert über die Menge Z(n)
der n-Zellen von X. Durch die obige Wahl des Erzeugers von Hn (Dn , ∂Dn )
erhalten wir also Isomorphismen
M
Cncell (X) ∼
Z,
=
Z(n)
wobei Z(n) die Menge der n-Zellen in X ist. Die durch die charakterische
Abbildung Dαn → X gegebene Zelle in X bezeichnen wir mir enα . Für eine
n-Zelle enα und eine (n − 1)-Zelle en−1
in X bezeichne die ganze Zahl dαβ
β
den Abbildungsgrad der Komposition
φα
qβ
S n−1 → X n−1 → X n−1 /X n−2 → S n−1
wobei φα : ∂Dαn → X n−1 die anheftende Abbildung für enα ist, die zweite Abbildung die Projektion auf den Quotienten und die Abbildung qβ :
X n−1 /X n−2 → S n−1 wie folgt definiert ist: Wir betrachten die charakteristische Abbildung
Φβ : (Dβn−1 , ∂Dβn−1 ) → (X n−1 , X n−2 )
der Zelle en−1
in X. Wir erhalten eine induzierte Abbildung
β
Dn−1 /∂Dn−1 → X n−1 /X n−2
und über die Identifizierung ωn−1 eine induzierte Abbildung Φ0β : S n−1 →
X n−1 /X n−2 . Der Quotient X n−1 /X n−2 ist aber homöomorph zu einer Einpunktvereinigung von Sphären S n−1 parametrisiert über die (n − 1)-Zellen
in X und die Abbildung Φ0β bildet S n−1 homöomorph auf genau eine dieser
Sphären ab. Die Abbildung qβ ist auf dieser Sphäre genau das Inverse von
Φ0β und bildet alle anderen Sphären auf der Verklebepunkt in der Einpunktvereinigung ab. Da jede abgeschlossene n-Zelle in X höchstens endlich viele
(n − 1)-Zellen trifft, sind bei festem α nur endlich viele der Zahlen dαβ von
0 verschieden.
Wir bezeichnen den α-ten Erzeuger in Cncell (X) ebenfalls mit enα (die Erzeuger dieser Gruppe sind ja in bijektiver Korrespondenz mit den n-Zellen
in X).
Proposition 5.11. Der zelluläre Randoperator ist bezüglich dieser Erzeuger
durch die Formel
X
∂n (enα ) =
dαβ en−1
β
gegeben. Man beachte, dass die Summe auf der rechten Seite endlich ist
(siehe die vorhergehende Bemerkung).
Ein Beweis findet sich in Hatcher, S. 140 f. Wir empfehlen, die Beispiele
in Hatcher, S. 141 ff. zur Berechnung der zellulären Homologie genau zu
studieren.
Wenn man die Randoperatoren ∂ncell wie eben explizit beschreiben will,
muss man Homöomorphismen ωn : Dn /S n−1 ≈ S n wählen (wie wir in der
obigen Herleitung gesehen haben). Unsere obige Formel ändert sich eventuell
48
BERNHARD HANKE
um ein Vorzeichen (das aber nur von n abhängt), wenn man andere Identifizierungen Dn /S n−1 ≈ S n wählt. Da sich durch diese Vorzeichen aber die
Homologie des entstehenden Kettenkomplexes nicht ändert (Zykeln bleiben
Zykeln und Ränder bleiben Ränder), ist man bei diesen Wahlen relativ frei.
Man darf aber in jeder Dimension n nur eine Wahl des Homöomorphismus
ωn vornehmen.
TOPOLOGIE I
49
6. Homologie mit Koeffizienten, der Satz von Borsuk-Ulam
Die folgende Konstruktion erscheint zunächst nicht sehr viel Neues zu
bringen. Sie ist aber
für viele Anwendungen sehr nützlich.
Es sei G eine abelsche Gruppe. Ist X ein topologischer Raum, so definieren wir die singuläre Homologie von X mit Koeffizienten in G wie folgt:
Für n ∈ N sei Cn (X; G) die abelsche Gruppe bestehend aus den formalen
Linearkombinationen
X
λσ · σ ,
σ∈∆n (X)
wobei nun λσ ∈ G und λσ = 0 für alle bis auf endlich viele σ ∈ ∆n (X)
(die Menge der singulären n-Simplizes in X). D.h. die vor den singulären
Simplizes auftretenden Koeffizienten sind nun nicht aus Z, sondern aus der
Koeffizientengruppe“ G. Wir definieren Randoperatoren
”
∂ : Cn (X; G) → Cn−1 (X; G)
auf den singulären Simplizes in X durch die alte Formel. Insbesondere
gilt wieder die Gleichung ∂n−1 ◦ ∂n = 0 und wir haben die n-te singuläre
Homologiegruppe von X mit Koeffizienten in G
Hn (X; G) := ker ∂n /im ∂n+1 .
Diese Definition ist wieder funktoriell in X, d.h. ist f : X → Y eine stetige
Abbildung, so erhalten wir induzierte Abbildungen
f∗ : Cn (X; G) → Cn (Y ; G) , f∗ : Hn (X; G) → Hn (Y ; G)
Wir erhalten für Raumpaare (X, A) ganz ähnlich wie früher relative singuläre Kettengruppen mit Koeffizienten in G
Cn (X, A; G) := Cn (X; G)/Cn (A; G)
wobei wir Cn (A; G) vermöge der injektiven Abbildung i∗ : Cn (A; G) →
Cn (X; G), die von der Inklusion i : A → X induziert ist, als Untergruppe von
Cn (X; G) auffassen. Die lange exakte Homologiesequenz für Raumpaare, die
Homotopieinvarianz und der Ausschneidungssatz gelten ähnlich wie früher
für Homologie mit Koeffizienten. Das gleiche gilt für die Mayer-VietorisSequenz. Ähnlich wie früher zeigt man, dass H0 (P ; G) = G und Hn (P ; G) =
0 für n > 0 gilt, falls P der einpunktige Raum ist. Insbesonde definiert
H∗ (−; G) eine Homologietheorie im Sinne von Eilenberg und Steenrod; diese
Theorie hat nun aber Koeffizienten G. Definiert man noch die reduzierte
e ∗ (X; G) über den obigen Kettenkomplex, nachdem man ihn
Homologie H
durch die Abbildung
X
X
λσ σ 7→
λσ ∈ G
: C0 (X; G) → G ,
σ∈∆0 (X)
augmentiert hat (wir fassen also G als Eintrag im Grad −1 im augmentierten
e n (S n ; G) ∼
Kettenkomplex auf), so zeigt eine Rechnung wie früher, dass H
=
50
BERNHARD HANKE
e i (S n ; G) = 0 für alle i 6= n gilt. Ist G ein Körper, so sind die
G und H
Homologiegruppen Hn (X, A; G) Vektorräume über G.
Leider ist der Beweis des folgenden - offensichtlich erscheinenden - Resultates etwas umständlich.
Proposition 6.1. Ist f : S n → S n eine stetige Abbildung vom Grad n, so
ist die induzierte Abbildung
e n (S n ; G) → H
e n (S n ; G)
H
durch Multiplikation mit n gegeben.
e n (S n ) und H
e n (S n ; G)
Beweis. Die Aufgabe besteht darin, die Gruppen H
miteinander zu vergleichen.
Zunächst beobachten wir: Ist φ : G1 → G2 ein Homomorphismus
von abelschen Gruppen, so erhalten wir induzierte Homomorphismen φ∗ :
H∗ (X; G1 ) → H∗ (X; G2 ) und entsprechend für Raumpaare. Diese Homomorphismen kommutieren mit den Abbildungen H∗ (X; G1 ) → H∗ (Y ; G1 ),
bzw. H∗ (X; G2 ) → H∗ (Y ; G2 ), induziert von einer stetigen Abbildung
X → Y . Ensprechendes gilt für Raumpaare. Weiterhin kommutiert φ∗
mit den verbindenen Homomorphismen in der langen exakten Sequenz für
Raumpaare. Mit anderen Worten: Wir erhalten eine natürliche Transformation H∗ (−; G1 ) → H∗ (−; G2 ) von Homologietheorien.
Es sei nun g ∈ G ein beliebiges Element und φ : Z → G der eindeutig bestimmte Homomorphismus, der 1 auf g abbildet. Wir haben einen expliziten
e 0 (S 0 ) → Z induziert durch
Isomorphismus H
C0 (S 0 ) → Z , α · [+1] + β · [−1] 7→ α .
Die Einträge in eckigen Klammern sind die Punkte von S 0 , aufgefasst als
0-Simplizes. Durch eine analoge Abbildung C0 (S 0 ; G) → G erhalten wir
e 0 (S 0 ; G) ∼
einen Isomorphismus H
= G. Mit diesen Isomorphismen ist dann
das Diagramm
e 0 (S 0 )
H


φ∗ y
∼
=
−−−−→ Z


φy
∼
=
e 0 (S 0 ; G) −−−
H
−→ G
e n (S n ), bzw. von
kommutativ. Wir gehen nun die Berechnung von H
e n (S n ; G) über die lange exakte Sequenz des guten Raumpaares (Dn , S n−1 )
H
nocheinmal durch. Dabei erhalten wir jeweils ein kommutatives Diagramm
e n (S n )
H


φ∗ y
∼
=
←−−−−
Hn (Dn , S n−1 )


φ∗ y
∼
=
−−−−→
e n−1 (S n−1 )
H


φ∗ y
∼
=
=
e n (S n ; G) ←−∼
e n−1 (S n−1 ; G)
H
−−− Hn (Dn , S n−1 ; G) −−−−→ H
TOPOLOGIE I
51
wobei die ersten Isomorphismen durch Abbildung (Dn , S n−1 ) →
(Dn /S n−1 , ∗) ≈ (S n , ∗) induziert sind (hier wählen wir einen beliebigen Homöomorphismus Dn /S n−1 ≈ S n ) und die zweiten Isomorphismen
die verbindenden Homomorphismen in den langen exakten Sequenzen des
Raumpaares (Dn , S n−1 ) sind. Wir erhalten damit induktiv Isomorphismen
e n (S n ) ∼
e n (S n ; G) ∼
H
= Z und H
= G, die das Diagramm
∼
=
e n (S n )
H


φ∗ y
−−−−→ Z


φy
∼
=
e n (S n ; G) −−−
H
−→ G
kommutativ machen. Da weiterhin das Diagramm
e n (S n )
H


φ∗ y
f∗
−−−−→
e n (S n )
H


φ∗ y
f∗
e n (S n ; G) −−−
e n (S n ; G)
H
−→ H
kommutiert und die erste Zeile nach Definition des Abbildunggrades Multiplikation mit n ist, bildet die untere Zeile (nach Zwischenschalten des Isoe n (S n ; G) ≈ G von oben) das Element g auf n · g ab. Da g ∈ G
morphismus H
e n (S n ; G) ∼
beliebig gewählt war und der Isomorphismus H
= G nicht von der
Auswahl von g abhängt, folgt daraus die Behauptung.
Ist X ein CW-Komplex, so können wir wie früher den zellulären Kettenkomplex mit Einträgen
Cncell (X; G) := Hn (X n , X n−1 ; G)
und einem Randoperator wie früher definieren. Insbesondere ist Cncell (X; G)
isomorph zu einer direkten Summe von Kopien von G parametrisiert über
die n-Zellen von X. Mit den Bezeichnungen und Wahlen der relevanten Erzeuger wie im vorigen Kapitel (d.h. enα steht für den Erzeuger von
Cncell (X; G) = Hn (X n , X n−1 ; G), der zur α-ten n-Zelle von X gehört, etc.)
hat der zelluläre Randoperator wieder die Form
X
,
∂ncell (enα ) =
dαβ en−1
β
mit der gleichen Definition von dαβ wie früher. Dies benutzt die eben bewiesene Proposition 6.1.
Beispiel. Wir betrachten den reell-projektiven Raum RP n und berechnen
seine Homologie mit Koeffizienten Z/2 (= Z/2Z). Der zelluläre Kettenkomplex (mit Koeffizienten Z) hat genau einen Erzeuger in den Graden 0
bis n (korrespondierend zur zellulären Struktur von RP n ) und die in der
obigen Formel auftretenden Abbildungsgrade dαβ sind abwechselnd 0 oder
2 (bzw. −2 wenn man die Orientierungen der Zellen ändert). Da in der
52
BERNHARD HANKE
Gruppe Z/2 Multiplikation mit 2 die Nullabbildung ist, ist also der Randoperator im zellulären Kettenkomplex C∗cell (RP n ; Z/2) gleich 0 und es ist
Hi (RP n ; Z/2) ∼
= Z/2, falls 0 ≤ i ≤ n, und = 0 sonst. Es tritt insbesondere
auch in Graden Homologie mit Z/2-Koeffizienten auf, in denen die ganzzahlige Homologie verschwindet.
Verwenden wir als Koeffizienten eine abelsche Gruppe G, in der Multiplikation mit 2 ein Isomorphismus ist (also z.B. G = Z/p mit einer Primzahl
p 6= 2), so erhält man durch eine ähnliche Betrachtung H0 (RP n ; G) = G und
Hi (RP n ; G) = 0 für alle i > 0, falls n gerade ist. Falls n ungerade ist, haben
wir H0 (RP n ; G) = G, Hi (RP n ; G) = 0 für 0 < i < n und Hn (RP n ; G) = G.
Die genaue Beziehung zwischen H∗ (X) und H∗ (X; G) wird durch die sogenannten universellen Koeffizientenformeln beschrieben. Diese benötigen
etwas mehr homologische Algebra und werden später besprochen.
TOPOLOGIE I
53
Wir werden nun die Homologie mit Koeffizienten mit dem sogannten
Transferhomomorphismus verbinden, um dann den Satz von Borsuk-Ulam
zu zeigen.
e → X eine endliche Überlagerung mit Blätterzahl k (siehe
Es sei p : X
Skript zur Einführung in die Topologie, Kapitel 13). Wir definieren eine
Abbildung
e
τ : H∗ (X) → H∗ (X)
als die induzierte Abbildung einer Kettenabbildung
e ,
τ : C∗ (X) → C∗ (X)
die wie folgt gegeben ist: Es sei σ : ∆n → X ein singuläres Simplex. Es
e seien die Ursei x ∈ X das Bild der Ecke e0 ∈ ∆n und x̃1 , x̃2 , . . . , x̃k ∈ X
e
e →X
bilder von x unter der Überlagerungsprojektion p : X → X. Da X
n
eine Überlagerung und ∆ einfach zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend ist, existiert für alle i = 1, . . . , k eine stetige Abbildung
e
σ
ei : ∆n → X
mit p ◦ σ
ei = σi und σ
ei (e0 ) = x̃i und diese Abbildung ist durch die letzte
Forderung eindeutig bestimmt (dies folgt aus dem Liftungstheorem, siehe
Skript zur Einführung in die Topologie, Satz 13.11). Wir setzen
τ (σ) :=
k
X
i=1
e .
σ
ei ∈ Cn (X)
Die folgenden Eigenschaften sind leicht zu überprüfen:
• τ ist eine Kettenabbildung. (Dies folgt wieder mit der Existenz und
Eindeutigkeit von Liftungen von Abbildungen ∆m → X zu Abbile falls man einen solchen Lift auf e0 ∈ ∆m festlegt).
dungen ∆m → X,
• Die Komposition p∗ ◦ τ ist gegeben durch Multiplikation mit k.
• Operiert eine endliche Gruppe G frei auf den Hausdorffräumen X
und Y (die Quotientenabbildungen X → X/G und Y → Y /G auf
die Quotientenräume sind dann Überlagerungen mit Blätterzahl |G|,
denn die Operationen sind eigentlich diskontinuierlich (dies benutzt
die Hausdorffeigenschaft), vgl. Hatcher, Proposition 1.40. und
Übung 23 in Sektion 1.3) und ist f : X → Y eine äquivariante
(d.h. mit den Gruppenwirkungen verträgliche) stetige Abbildung,
so kommutiert
f
e∗ (Y /G)
C∗ (X/G) −−−∗−→ C




τy
τy
C∗ (X)
f∗
−−−−→
C∗ (Y )
Dabei ist f : X/G → Y /G von f induziert.
54
BERNHARD HANKE
e nennt man TransferDie von τ induzierte Abbildung τ : H∗ (X) → H∗ (X)
homomorphismus. Sie ist nicht von einer Abbildung zwischen topologischen
e → X und damit die induzierte
Räumen induziert (die Abbildung p : X
Abbildung p∗ von Homologien gehen ja in die andere Richtung). Man sieht
sofort, dass die Tranferabbildung auf genau die gleiche Weise für beliebige
Koeffizientengruppen definiert werden kann.
Ist nun k = 2, so erhalten wir eine kurze exakte Sequenz
p∗
τ
e Z/2) →
0 → C∗ (X; Z/2) → C∗ (X;
C∗ (X; Z/2) → 0 .
Die Injektivität der ersten Abbildung ist klar, die Surjektivität der letzten
Abbildung folgt wieder aus der Liftbarkeit von singulären Simplizes in X.
P
e im Kern von p∗ , so bedeutet dies genau, dass zu
Liegt eine Kette λσ σ ∈ X
n
e
jedem σ : ∆ → X mit λσ 6= 0 (also gleich 1, da Z/2 nur zwei Elemente hat)
auch der von σ verschieden Lift σ 0 von p◦σ : ∆n → X mit dem Koeffizienten
1 versehen ist. Mit anderen Worten: ker p∗ = im τ . Da die Komposition
p∗ ◦ τ Multiplikation mit 2 und damit (wegen Z/2-Koeffizienten) gleich 0
ist, folgt die Exaktheit der obigen Sequenz. Die induzierte lange exakten
Sequenz
p∗
τ
e Z/2) → Hn (X; Z/2) → Hn−1 (X; Z/2) → . . .
. . . Hn (X; Z/2) → Hn (X;
heißt Transfersequenz. Mit ihrer Hilfe zeigen wir nun das folgende Resultat.
Proposition 6.2. Jede ungerade Abbildung f : S n → S n (d.h. f ist stetig
und f (−x) = −x für alle x) hat ungeraden Grad.
Beweis. Wegen Proposition 6.1 reicht es zu zeigen, dass die Abbildung
f∗ : Hn (S n ; Z/2)(∼
= Z/2) → Hn (S n ; Z/2) die Identität ist (falls der Abbildungsgrad von f gerade wäre, dann wäre die Multiplikation mit deg f ja
die Nullabbildung auf Z/2). Wir nehmen im folgenden zunächst n ≥ 1 an
und betrachten die Transfersequenz mit Z/2-Koeffizienten für die zweifache
Überlagerung p : S n → RP n :
τ
p∗
τ
0 → Hn (RP n ) → Hn (S n ) → Hn (RP n ) → Hn−1 (RP n ) →
p∗
Hn−1 (S n ) → Hn−1 (RP n ) → . . . → H0 (RP n ) → 0
Die Sequenz beginnt mit 0, da Hn+1 (RP n ; Z/2) = 0 (RP n hat ja die Struktur
eines n-dimensionalen CW-Komplexes). Da die Homologie Hi (S n ; Z/2) = 0
für 0 < i < n und alle Einträge in der obigen exakten Sequenz entweder
gleich 0 oder gleich Z/2 sind (dies sieht man schnell mit zellulärer Homologie), folgt aus der Exaktheit der Sequenz, dass
• Hi (RP n ) ∼
= Hi−1 (RP n ), falls 1 ≤ i ≤ n,
n
• Hn (RP ) ∼
= Hn (S n ),
• H0 (S n ) ∼
= H0 (RP n ).
Und diese Isomorphismen sind durch die entsprechenden Abbildungen in
obiger Sequenz gegeben. Mit der antipodalen G := Z/2-Wirkung ist nach
Voraussetzung die gegebenen Abbildung f : S n → S n äquivariant. Wir
TOPOLOGIE I
55
erhalten somit eine induzierte Abbildung f : RP n → RP n und die induzierten Abbildungen f∗ : H∗ (S n ) → H∗ (S n ) und f ∗ : H∗ (RP n ) → H∗ (RP n )
bilden obige Transfersequenz in sich ab (d.h. das entstehende Diagramm
ist kommutativ), siehe obige Bemerkung. Da f∗ : H0 (S n ) → H0 (S n ) offensichtlich ein Isomorphismus ist, gilt dies mit den drei obigen Tatsachen
per Induktion auch für die Abbildung f ∗ : Hn (RP n ) → Hn (RP n ) und für
f∗ : Hn (S n ) → Hn (S n ). Die letzte Abbildung ist wegen Hn (S n ) = Z/2 also
die Identität und dies wollten wir zeigen.
Den Fall n = 0 beweist man leicht selbst (indem man einen expliziten Repräsentanten von H0 (S 0 ) hinschreibt und auswertet, was bei der Anwendung
von f∗ passiert).
Satz 6.3 (Borsuk-Ulam). Es sei f : S n → Rn stetig. Dann gibt es einen
Punkt x ∈ S n mit f (x) = f (−x).
Beweis. Angenommen, f : S n → Rn ist stetig, erfüllt aber nicht die Folgerung des Satzes. Dann ist die Abbildung
f (x) − f (−x)
g : S n → S n−1 , x 7→
,
kf (x) − f (−x)k
wohldefiniert, da nach Annahme f (x) 6= f (−x) für alle x ∈ S n gilt. Nach
Konstruktion ist die Komposition
S n → S n−1 ,→ S n , x 7→ g(x)
ungerade, hat also nach der letzten Proposition ungeraden Grad. Andererseits faktorisiert diese Abbildung durch S n−1 und hat daher Grad 0 (denn
Hn (S n−1 ) = 0). Widerspruch.
Der Satz von Borsuk-Ulam hat weitreichende Anwendungen in den verschiedensten Bereichen der Mathematik, insbesondere auch in der Kombinatorik. Wir empfehlen zur weiteren Lektüre das schöne Buch von J.
Matousek, Using the Borsuk-Ulam theorem, Springer-Verlag.
56
BERNHARD HANKE
Satz 6.4 (Ham-Sandwich-Theorem). Es seien K1 , . . . , Kn ⊂ Rn Lebesguemessbare beschränkte Teilmengen. Dann existiert eine Hyperebene H ⊂ Rn
(d.h. ein affiner Teilraum der Dimension n − 1), der jede Teilmenge Ki
genau halbiert, d.h. die Anteile von Ki , die auf den beiden Seiten von H
liegen, haben gleiches Maß(für alle 1 ≤ i ≤ n).
Beweis. Wir bezeichnen das Lebesgue-Maßauf Rn mit µ und definieren eine
Abbildung f = (f1 , . . . , fn ) : S n → Rn wie folgt: Es sei (u0 , . . . , un ) ∈ S n ⊂
Rn+1 . Falls (u1 , . . . , un ) 6= 0, definieren wir
• Hu+ := {x ∈ Rn | x1 u1 + . . . + xn un ≤ u0 },
• Hu := {x ∈ Rn | x1 u1 + . . . + xn un = u0 } = ∂Hu+ .
und setzen
fi (u) := µ(Hu+ ∩ Ki ) .
Weiterhin setzen wir fi (+1, 0, . . . , 0) := µ(Ki ) und fi (−1, 0, . . . , 0) := 0.
Wir behaupten, dass f stetig ist. Es sei dazu (uk ) eine Folge von Punkten
in S n mit limk uk = u. Wir müssen zeigen, dass limk fi (uk ) = fi (u) für
alle i ∈ {1, . . . , n}. Falls u0 = ±1, so gilt diese Behauptung wegen der
Beschränktheit von Ki . Sei also nun u0 6= ±1, d.h. (u1 , . . . , un ) 6= 0.
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit gilt dann auch (uk1 , . . . , ukn ) 6= 0 für
alle k. Es sei χk die charakteristische Funktion von Hu+k ∩ Ki und χ die
charakteristische Funktion von Hu+ ∩ Ki . Dann gilt für alle x ∈
/ Hu , dass
lim χk (x) = χ(x)
k→∞
mit anderen Worten: Die Folge der messbaren Funktionen χk konvergiert
fast überall gegen χ (denn µ(Hu ) = 0). Da diese Folge uniform durch eine
L1 - Funktion nach oben beschränkt ist (nämlich durch die charakteristische Funktion von K1 ∪ . . . ∪ Kn ) folgt aus dem Satz von der majorisierten
Konvergenz
Z
Z
lim fi (uk ) = lim
k
k
χk dµ =
χdµ = fi (u)
und das war zu zeigen.
Nach dem Satz von Borsuk-Ulam existiert ein u ∈ S n mit f (u) = f (−u).
Man überlegt sich leicht, dass u0 6= ±1 (fall µ(Ki ) 6= 0 für mindestens ein i der andere Fall ist ohnehin trivial) und dass die entsprechende Hyperebene
Hu ⊂ Rn die im Satz behauptete Eigenschaft hat.
7. Euler-Charakteristik und Lefschetzscher Fixpunktsatz
Es sei X ein topologischer Raum, n ≥ 0 und Hn (X) sei endlich erzeugt
(falls wir die Koeffizienten nicht notieren, benutzen wir Z als Koeffizienten). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn X ein endlicher CW-Komplex
ist. Wir definieren die n-te Bettizahl von X als den Rang rk Hn (X) der
endlich erzeugten abelschen Gruppe Hn (X) (dies ist die Anzahl der Elemente einer beliebigen Basis der endlich erzeugten freien abelschen Gruppe
Hn (X)/Tor Hn (X) oder auch gleich der Anzahl der Z-Summanden, wenn
TOPOLOGIE I
57
wir Hn (X) als direkte Summe von zyklischen Gruppen schreiben). Die n-te
Bettizahl von X wird mit bn (X) oder auch nur mit bn bezeichnet.
Definition. Es sei X ein endlicher CW-Komplex. Für n ≥ 0 sei cn die
Anzahl der n-Zellen in X. Dann ist die Eulercharakteristik von X definiert
als
∞
X
χ(X) :=
(−1)n cn .
n=0
Ist X ein endlicher zweidimensionaler Simplizialkomplex (oder allgemeiner ∆-Komplex), so ist also
χ(X) = e − k + f ,
die Wechselsumme der Anzahl e der Ecken, k der Kanten und f der Flächen
in X. Wir wollen zeigen, dass χ(X) nur von der Homologie von X abhängt:
Satz 7.1. Es gilt
χ(X) =
X
(−1)n bn (X) .
Beweis. Der Beweis beruht auf der folgenden rein algebraischen Tatsache:
Ist 0 → A → B → C → 0 eine kurze exakte Sequenz von endlich erzeugten
abelschen Gruppen, so gilt
rk B = rk A + rk C .
Wir setzen dazu A0 = A/Tor A, etc. und betrachten die induzierte Sequenz
f
g
0 → A0 → B 0 → C 0 → 0 .
x7→2x
Diese ist im allgmeinen nicht exakt (z.b. falls man mit 0 → Z → Z →
Z/2 → 0 startet). Man überlegt sich aber leicht:
• f ist injektiv,
• g ist surjektiv,
• ker g/im f ist eine Torsionsgruppe.
Es sei φ : C 0 → B 0 ein Split von g, d.h. φ ◦ g = idC 0 . Die Abbildung φ
existiert, da C 0 frei ist. Dann ist im f ∩ im φ = 0 und B 0 /(im f ⊕ im φ) eine
Torsionsgruppe, wie man sich mit dem vorher Gesagten überlegt. Daraus
folgt
rk B = rk B 0 = rk(im f ⊕ im φ) = rk A0 + rk C 0 = rk A + rk C .
Für den Beweis von Theorem 7.1 betrachten wir einen beliebigen Kettenkomplex
∂
k
0 → Ck →
Ck−1 → . . . → C1 → C0 → 0
58
BERNHARD HANKE
bestehend aus endlich erzeugten abelschen Gruppen. Wir erhalten die
Gruppen der n-Zykeln Zn , der n-Ränder Bn und der n-ten Homologie
Hn = Zn /Bn für alle n. Wir haben damit kurze exakte Sequenzen
∂
n
0 → Zn → Cn →
Bn−1 → 0
0 → Bn ,→ Zn → Hn → 0 .
Mit dem eben Gezeigten gilt also rk Cn = rk Zn + rk Bn−1 und rk Zn =
rk Bn + rk Hn . Wir setzen die zweite Gleichung in die erste ein, Muln
tiplizieren mit (−1)
über n. Die resultierende Gleichung
P
P∞ und addieren
∞
n
n H ist gerade die Behauptung.
(−1)
C
=
(−1)
n
n
n=0
n=0
Beispiel. χ(S n ) = 1 + (−1)n , χ(CP n ) = n + 1, χ(RP n ) = 1, falls n gerade
und χ(RP n ) = 0, falls n ungerade.
Es sei g ≥ 1. Die orientierte Fläche vom Geschlecht g, Σg , ist der Quotientenraum eines regelmäßigen 4g-Ecks im R2 nach Verklebung der Randsegmente die sich durch die Bezeichungen α1 , β1 , α1−1 , β1−1 , α2 , β2 , . . . , αk−1 , βk−1
der Randsegemente ergeben, wenn wir den Rand des 4g-Ecks einmal durchlaufen. Wir setzen noch Σ0 = S 2 . Man kann sich Σg als eine Fläche im R3
mit g Löchern“ vorstellen. Man sieht durch direktes Abzählen der erhal”
tenen Zellen: χ(Σg ) = 2 − 2g. Insbesondere werden die Flächen Σg durch
ihre Eulercharakteristik unterschieden.
Korollar 7.2 (Eulersche Polyederformel). Es sei P ⊂ R3 ein konvexes
Polyeder (d.h. die konvexe Hülle einer endlichen Menge von Punkten im
R3 ). Es sei e die Anzahl der Ecken, k die Anzahl der Kanten und f die
Anzahl der Seitenflächen von P . Dann ist e − k + f = 2.
Beweis. Der Rand von P besitzt die Struktur eines CW-Komplexes mit e 0Zellen, k 1-Zellen und f 2-Zellen. Da offensichtlich ∂P ≈ S 2 und χ(S 2 ) = 2,
folgt die Behauptung aus Satz 7.1.
Sind X1 und X2 endliche CW-Komplexe, so besitzt X1 × X2 ebenfalls die
Struktur eines CW-Komplexes. Um dies einzusehen, definieren wir für jedes
Paar von charakteristischen Abbildungen φ1 : Dn1 → X1 und φ2 : Dn2 → X2
eine Abbildung
ψ : Dn1 +n2 ≈ Dn1 × Dn2
φ1 ×φ2
→ X1 × X2 ,
wobei das Inverse des ersten Homöomorphismus (für n1 6= 0 6= n2 ) durch
die radiale Streckung auf der konvexen Teilmenge Dn1 × Dn2 ⊂ Rn1 × Rn2 =
Rn1 +n2 gegeben ist, vgl. Einführung in die Topologie, Prop. 7.5. Wir
definieren nun das k-Gerüst von X1 × X2 als die Teilmenge
X10 × X2k ∪ X11 × X2k−1 ∪ . . . ∪ X1k × X20 ⊂ X1 × X2 .
Mit dieser Setzung entsteht dann (X1 × X2 )k+1 aus (X1 × X2 )k durch
Anheftung von (k + 1)-Zellen vermittels der Einschränkung aller oben beschriebenen Abbildungen ψ : Dn1 +n2 → X, n1 + n2 = k + 1, auf den Rand
TOPOLOGIE I
59
von Dn1 +n2 . Da alle beteiligten Räume kompakt und Hausdorffsch sind,
ist es nicht schwer zu zeigen, dass (X1 × X2 )k+1 wirklich homöomorph zu
diesem Anheftungsraum ist. Eine ganz ähnliche Konstruktion funktioniert
auch, falls genau einer der Räume X1 oder X2 unendlich sind. Falls beide
Komplexe unendlich sind, ist allerdings die durch obige (durch sukzessives
Anheften von Zellen gegebene) Konstruktion erhaltene CW Topologie auf
X1 × X2 im allgemeinen feiner als die Produkttopologie. Diese Schwierigkeit
spielt aber in der Praxis in der Regel keine Rolle.
Durch direktes Abzählen von Zellen erhalten wir:
Proposition 7.3. Es seien X und Y endliche CW-Komplexe. Dann gilt
χ(X × Y ) = χ(X) · χ(Y ).
Eng verwandt mit der Eulercharakterist ist die sogenannte Lefschetzzahl. Es sei dazu X ein endlicher Simplizialkomplex und f : X → X
eine stetige Abbildung. Dann ist für alle n ≥ 0 die Abbildung fn :
Hn (X; Z) → Hn (X; Z) eine lineare Abbildung zwischen endlich erzeugten abelschen Gruppen. Wir erhalten somit eine induzierte Abbildung
fn : Hn (X)/Tor → Hn (X)/Tor von endlich erzeugten freien abelschen
Gruppen. Stellen wir diese Abbildung nach Wahl einer Basis durch eine
Matrix dar, erhalten wir durch Aufsummieren der Diagonalelemente die
Spur trfn . Diese Definition hängt nicht von der Wahl der Basis ab. Wir
setzen
X
L(f ) :=
(−1)n trfn .
Falls f = id, gilt also L(f ) = χ(X). Der folgende Satz ist eine weitreichende
Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes.
Satz 7.4 (Lefschetzscher Fixpunktsatz). Falls L(f ) 6= 0, so gibt es ein
x ∈ X mit f (x) = x.
Für den Beweis dieser Tatsache verweisen wir auf den entsprechenden
Abschnitt im Hatcher.
60
BERNHARD HANKE
8. Mannigfaltigkeiten und Orientierung
Definition. Eine n-dimensionale (topologische) Mannigfaltigkeit ist ein
Hausdorffraum M , so dass jeder Punkt in M eine offene Umgebung besitzt,
die homöomorph zu Rn ist.
Es gibt Räume, die die zuletzt genannte Eigenschaft besitzen, aber nicht
Hausdorff sind. Ein Beispiel ist die Gerade mit zwei Ursprüngen (R × {1} ∪
R × {0})/ ∼, wobei ∼ jeden Punkt (x, 0) mit (x, 1) identifiziert, falls x 6= 0
ist.
Ist X ein topologischer Raum und A ⊂ X ein Teilraum, so schreiben wir
H∗ (X|A) := H∗ (X, X − A). Besteht A nur aus einem Punkt a, so ist dies
die lokale Homologie von X bei a, wie sie schon früher betrachtet wurde.
e i (M |x) = Z, falls i = n und
Ist M eine n-Mannigfaltigkeit, so haben wir H
e
Hi (M |x) = 0, falls i 6= n. Daher ist die Dimension einer Mannigfaltigkeit
eine topologische Invariante (d.h. Mannigfaltigkeiten verschiedener Dimension können nicht homöomorph sein).
Man nimmt bei der Definition von Mannigfaltigkeiten oft noch die Forderung hinzu, dass der betrachtete Raum das zweite Abzählbarkeitsaxiom
erfüllt. Dies wird aber erst bei sogenannten Teilungen der Eins wichtig, die
später betrachtet werden.
Beispiel. S n ist eine kompakte Mannigfaltigkeit. Quotienten von Mannigfaltigkeiten nach freien Operationen endlicher Gruppen sind Mannigfaltigkeiten. Dies umfasst die reell-projektiven Räume. Die komplex projektiven
Räume CP n sind ebenfalls kompakte Mannigfaltigkeiten.
Mannigfaltigkeiten sehen also lokal so aus wie Rn , ihre globale Gestalt
kann jedoch sehr vielfältig sein.
Wir wollen in diesem Abschnitt klären, was eine globale Orientierung einer n-Mannigfaltigkeit ist. Man definiert üblicherweise eine Orientierung
des Rn als eine geordnete Basis des Vektorraums Rn , wobei zwei geordnete
Basen die gleiche Orientierung definieren, falls die Matrix des Basiswechels
positive Determinante hat. Insbesondere gibt es also genau 2 Orientierungen. Ist A : Rn → Rn eine invertierbare lineare Abbildung, so nennt man
A orientierungserhaltend, falls det A > 0, sonst orientierungsumkehrend. A
bildet eine orientierte Basis von Rn genau dann auf eine gleich orientierte
Basis ab, falls A orientierungserhaltend ist. Lineare Abbildungen operieren
aber nicht nur auf Basen, sondern auch auf lokaler Homologie. Wir können
daher den Begriff der Orientierung auf folgende Weise rein homologisch fassen.
Definition. Ist x ∈ Rn , so ist eine lokale Orientierung von Rn in x gegeben
durch die Wahl eines Erzeugers von Hn (Rn |x) ∼
= Z.
TOPOLOGIE I
61
Es gibt also immer genau zwei lokale Orientierungen. Falls x = 0, passt
das sehr gut zur klassischen Definition: Es gibt genau zwei Orientierungen
und ist A : Rn → Rn eine invertierbare lineare Abbildung und h ∈ Hn (Rn |0)
eine lokale Orientierung, so gilt A∗ (h) = h, bzw. = −h, genau dann, falls
det A > 0, bzw. det A < 0 (vgl. Übung 3 auf Blatt 5).
Folgende Beobachtung ist von zentraler Bedeutung: Sind x, y ∈ Rn , so
bestimmt jede lokale Orientierung bei x eine bei y und umgekehrt. Man
wählt dazu einen große offene Kugel B ⊂ Rn mit x, y ∈ B. Die Inklusionen x, y ∈ Rn induzieren dann Abbildungen Hn (Rn |B) → Hn (Rn |x) und
Hn (Rn |B) → Hn (Rn |y). Diese sind beide Isomorphismen, wie man schnell
nachrechnet. Wir erhalten also einen Isomorphismus Hn (Rn |x) ∼
= Hn (Rn |y).
Man zeigt leicht, dass dieser Isomorphismus nicht von der Wahl von B
abhängt: Ist B 0 eine weiterer offener Ball mit x, y ∈ Rn , so gibt es einen
offenen Ball B ⊂ Rn , der B und B 0 umfasst und ein offensichtliches kommutatives Diagramm zeigt dann die Behauptung. Damit gilt:
Proposition 8.1. Jede lokale Orientierung von Rn an einem Punkt x ∈ Rn
legt lokale Orientierungen an jedem anderen Punkt y ∈ Rn eindeutig fest.
Definition. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Eine lokale Orientierung von
M in x ∈ M ist gegeben durch einen Erzeuger µx ∈ Hn (M |x) ∼
= Z.
Nun sind aber die lokalen Orientierungen an verschiedenen Punkten in M
nicht mehr unbedingt in eindeutiger Weise aufeinander bezogen, da obige
Konstruktion in allgemeinen Mannigfaltigkeiten nicht funktioniert. Folgende Definition ist aber immer noch möglich:
Definition. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Eine Orientierung von M
ist eine Abbildung µ, die jedem Punkt x ∈ M eine lokale Orientierung
µx ∈ Hn (M |x) zuordnet, so dass folgende lokale Konsistenzbedingung erfüllt
ist: Ist x ∈ M , so existiert eine offene Umgebung von x homöomorph zu
Rn und eine offene Kugel B ⊂ Rn , so dass für alle y ∈ B (aufgefasst als
offene Teilmenge von M ) die lokalen Erzeuger µy ∈ Hn (M |y) alle Bild eines
festen Erzeugers µB ∈ Hn (M |B) ∼
= Z unter der kanonischen Abbildung
Hn (M |B) → Hn (M |y) sind. Falls eine Orientierung von M existiert, so
nennen wir M orientierbar, sonst nicht orientierbar.
62
BERNHARD HANKE
Wir führen folgende Sprechweise ein: Ist x ∈ M , so ist eine offene Kugel
um x das Bild einer offenen Kugel B ⊂ Rn unter einem Homöomorphismus
von Rn auf eine offene Umgebung von x, so dass x im Bild von B liegt. Die
offenen Kugeln bilden offensichtlich einer Basis der Topologie auf M .
Proposition 8.2. Es sei M eine zusammenhängende orientierbare Mannigfaltigkeit. Dann existieren genau zwei Orientierungen von M .
Beweis. Ist x ∈ M , so existieren genau zwei lokale Orientierungen in
Hn (M |x) ∼
= Z. Für jedes y ∈ M wählen wir einen Weg γ : [0, 1] → M von x
nach y. Es sei µ eine Orientierung von M . Es existiert dann eine endliche
Menge von offenen Kugeln B1 , . . . , Bk ⊂ M , so dass im γ ⊂ B1 ∪ . . . ∪ Bk .
Zusätzlich können wir annehmen, dass B1 ∩ B2 6= ∅, B2 ∩ B3 6= ∅, etc., und
dass wir in der lokalen Konsistenzbedingung für µ mit den Bällen Bi arbeiten können. Die von µ induzierte lokale Orientierung µx legt dann alle
anderen lokalen Orientierung in B1 , damit auch in B2 (wegen B1 ∩ B2 6= ∅)
etc. fest. Damit ist die lokale Orientierung an y festgelegt.
Man kann nach dem gleichen Verfahren lokale Orientierungen in einer
Mannigfaltigkeit entlang von Wegen fortsetzen (indem man einen gegebenen
Weg durch offene Bälle in M überdeckt). Es kann aber passieren, dass man
so keine globale Orientierung erhält, da es in der Regel keine kanonische
Wahl für einen Weg gibt, der zwei Punkte in M verbindet.
Wir konstruieren nun für jede n-Mannigfaltigkeit eine zweiblättrige Überf → M mit einer orientierbaren Mannigfaltigkeit M
f wie folgt.
lagerung M
Wir setzen
f := {µx | x ∈ M und µx ist lokale Orientierung an x} .
M
f: Ist B ⊂ M eine offene Kugel und
Wir definieren eine Topologie auf M
∼
f die Menge aller Paare
µB ∈ Hn (M |B) = Z ein Erzeuger, so sei UµB ⊂ M
µx mit x ∈ B und µx das Bild von µB unter der kanonischen Abbildung
Hn (M |B) → Hn (M |x). Die Teilmengen UµB sind die Basis einer Topologie
f und mit dieser Topologie ist p : M
f → M , µx 7→ x, eine zweiblättrige
auf M
Überlagerung, denn jede offene Kugel B ⊂ M wird gleichmäßig überlagert.
f eine n-Mannigfaltigkeit.
Insbesondere ist also auch M
f ist orientierbar.
Proposition 8.3. M
f, so wählen wir die lokale Orientierung µx ∈ Hn (M |x) =
Beweis. Ist µx ∈ M
f|µx ). Für die letzte Gleichheit benutzen wir, dass es offene UmgebunHn (M
f und von x ∈ M gibt, die durch die Überlagerungsabbildung
gen von µx in M
p homöomorph aufeinander abgebildert werden. Man prüft leicht nach, dass
f konsistent ist. das so gegebene System von lokalen Orientierungen auf M
f sogar eine bevorzugte Orientierung
Aus diesem Beweis folgt, dass es auf M
gibt.
TOPOLOGIE I
63
Proposition 8.4. Es sei M eine Mannigfaltigkeit. Dann ist M genau dann
f → M eine triviale Überlagerung ist.
orientierbar, falls M
Beweis. Orientierungen von M stehen in eineindeutiger Beziehung mit
f → M , d.h. stetigen Abbildungen φ : M → M
f mit
Schnitten von p : M
p ◦ φ = idM . Eine zweiblättrige Überlagerung ist aber genau dann trivial,
wenn ein Schnitt existiert.
Ist M zusammenhängend, so beachte man, dass eine zweiblättrige Überlagerung M 0 → M genau dann trivial ist, falls M 0 aus genau zwei Komponenten besteht.
Korollar 8.5. Ist M eine zusammenhängende Mannigfaltigkeit und hat
π1 (M ) keine Untergruppe von Index 2, so ist M orientierbar.
Beweis. Nach Überlagerungstheorie besitzt unter der gemachten Annahme
M keine zusammenhängende zweiblättrige Überlagerung. Insbesondere ist
f nicht zusammenhängend, somit ist M
f → M die triviale Überlagerung
M
und infolgedessen ist M orientierbar.
64
BERNHARD HANKE
Der nächste Satz zeigt den engen Zusammenhang von Orientierbarkeit
mit der Existenz einer sogannten Fundamentalklasse.
Satz 8.6. Es sei M eine kompakte zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit.
• Falls M orientierbar ist, dann ist für alle x ∈ M die kanonische
Abbildung Hn (M ) → Hn (M |x) ein Isomorphismus. Insbesondere
gilt dann Hn (M ) ∼
= Z und die Wahl einer Fundamentalklasse von
M , d.h. eines Erzeugers von Hn (M ), entspricht genau der Wahl
einer Orientierung von M .
• Falls M nicht orientierbar ist, dann gilt Hn (M ) = 0.
• Hn (M ; Z/2) ∼
= Z/2, unabhängig davon, ob M orientierbar ist oder
nicht.
• Hi (M ) = 0 für alle i > n.
Bevor wir diesen Satz zeigen, verallgemeinern wir den Begriff der Orientierung. Zur Erinnerung: Ist G eine beliebige abelsche Gruppe und M eine
n-Mannigfaltigkeit, so ist Hn (M |x; G) ∼
=G∼
= Hn (M |B; G) für jedes x ∈ M
und jede offene Kugel B ⊂ M . Der Beweis geht analog zum Beweis für
Z-Koeffizienten.
Definition. Es sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit und G eine
abelsche Gruppe. Eine verallgemeinerte G-Orientierung ist eine Zuordnung
x 7→ µx ∈ Hn (M |x; G)
die jedem Punkt x ∈ M ein Element (aber nicht notwendigerweise einen
Erzeuger) µx ∈ Hn (M |x; G) ∼
= G zurdnet, so dass die folgende lokale Konsistenzbedingung erfüllt ist: Ist x ∈ M , so existiert eine offene Kugel B ⊂ M
um x, so dass für alle y ∈ B die Elemente µy ∈ Hn (M |y) Bild eines festen Elementes µB ∈ Hn (M |B; G) ∼
= G unter der kanonischen Abbildung
Hn (M |B; G) → Hn (M |y; G) sind.
Proposition 8.7. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit.
Dann ist M genau dann orientierbar, falls es eine verallgemeinerte ZOrientierung von M gibt, die an einem Punkt von M von 0 verschieden
ist.
Eine Richtung ist klar, die andere ist Gegenstand der Übung.
Lemma 8.8. Es sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, G eine abelsche Gruppe und und A ⊂ M eine kompakte Teilmenge.
• Ist x 7→ µx eine verallgemeinerte G-Orientierung von M , dann gibt
es genau eine Klasse αA ∈ Hn (M |A; G) deren Bild in Hn (M |x; G)
für alle x ∈ A mit µx übereinstimmt.
• Hi (M |A; G) = 0 falls i > n.
Dieses Lemma impliziert Satz 8.6 wie folgt: Ist M zusammenhängend,
kompakt, µ eine (klassische) Orientierung von M und x ∈ M , so folgt aus
dem ersten Teil des Lemmas (mit A = M ), dass die Restriktionsabbildung
Ψ : Hn (M ; Z) → Hn (M |x; Z)
TOPOLOGIE I
65
surjektiv und injektiv ist: Es sei α ∈ Hn (M ; Z) das eindeutig bestimmte
Element, dessen Restriktion auf y mit µy übereinstimmt für alle y ∈ M . Da
µx ∈ Hn (M |x; Z) ∼
= Z ein Erzeuger ist, folgt daraus direkt die Surjektivität
von Ψ. Für die Injektivitiät sei c ∈ ker Ψ. Man zeigt nun mittels des
Wegzusammenhangs von M , dass die Einschränkung von c in Hn (M |y; Z)
gleich 0 ist für alle y ∈ M (überdecke dazu einen Weg von x nach y durch
kleine offene Kugeln in M ). Nach der Eindeutigkeit von α gilt also α = α+c
und somit c = 0.
Um den zweiten Teil von Satz 8.6 zu zeigen, sei c 6= 0 ∈ Hn (M ; Z).
Offensichtlich definieren die Einschränkungen von c auf Hn (M |x; Z), x ∈ M ,
eine verallgemeinerte Z-Orientierung von M . Nach Proposition 8.7 genügt
es zu zeigen, dass es ein p ∈ M gibt, so dass die Einschränkung von c
auf Hn (M |p; Z) ungleich 0 ist. Wäre dies aber nicht der Fall, so würde
aus der EindeutigkeitsAussage des Lemmas (mit der verallgemeinerten ZOrientierung x 7→ 0 ∈ Hn (M |x; Z) für alle x ∈ M ) folgen, dass c = 0, im
Widerspruch zur Annahme.
Der dritte Teil des Satzes folgt aus dem Lemma und der Beobachtung,
dass die Abbildung, die x ∈ M auf das eindeutige von 0 verschiedene
Element µx ∈ Hn (M |x; Z/2) ∼
= Z/2 abbildet, eine verallgemeinerte Z/2Orientierung von M definiert (die lokale Konsistenz ist leicht zu zeigen).
Man kann dann nämlich ähnlich zu vorhin zeigen, dass für alle x ∈ M die
Restriktionssabbildung Hn (M ; Z/2) → Hn (M |x; Z/2) ∼
= Z/2 ein Isomorphismus ist.
Der vierte Teil des Satzes folgt direkt aus dem Lemma (mit A := M ).
66
BERNHARD HANKE
Beweis. Der Beweis läuft in mehreren Schritten. Für gewisse Details verweisen wir auf die Argumente in Hatcher, S. 236 f. Wir lassen im folgenden
die Koeffizienten G in unserer Notation weg. Zunächst beobachtet man:
Falls A, B ⊂ M kompakte Teilmengen sind, so dass das Lemma für A, B
und A ∩ B gilt, dann auch für A ∪ B. Dazu betrachtet man die (relative)
Mayer-Vietoris Sequenz
φ
ψ
0 → Hn (M |A ∪ B) → Hn (M |A) ⊕ Hn (M |B) → Hn (M |A ∩ B)
wobei links 0 steht wegen der Annahme, dass das Lemma für A ∩ B gilt.
Wenn wir die Abbildungen in Homologie, die von Inklusionen herkommen,
unterdrücken, ist φ(a) = (a, a) und ψ(x, y) = x − y. Diese Sequenz zeigt
sofort, dass Hi (M |A ∪ B) = 0, falls i > n. Die erste Aussage des Lemmas
(für A ∪ B) zeigt man mit Diagrammjagd.
In einem zweiten Schritt zeigt man, dass es genügt, den Fall M = Rn
zu untersuchen. Wir nehmen also an, dieser Fall sei bereits gezeigt. Sei
nun wieder M beliebig. Dann ist jede kompakte Teilmenge A endliche Vereinigung von kompakten Teilmengen A1 , . . . , Am , von denen jede in einer
offenen Teilmenge ≈ Rn in M enthalten ist. Man macht nun Induktion
nach m. Falls m = 1 (d.h. A = A1 ist in einer offenen Teilmenge ≈ Rn
enthalten), so ist die Aussage des Lemmas für dieses A klar, denn nach
Ausschneidung ist dann H∗ (M |A) ∼
= H∗ (Rn |A). Es sei nun das Lemma
für alle kompakten Teilmengen in M gezeigt, die Vereinigung von m − 1
Mengen A1 , . . . , Am−1 der obigen Art sind. Ist nun A ⊂ M kompakt und
Vereinigung von m Mengen A1 , . . . , Am dieser Art, wenden wir den ersten
Schritt des Beweises auf A1 ∪ . . . ∪ Am−1 und Am an. Diese beiden Kompakta erfüllen das Lemma nach Voraussetzung. Aber der Schnitt dieser beiden
Mengen stimmt mit (A1 ∩ Am ) ∪ . . . ∪ (Am−1 ∩ Am ) überein und ist damit
wieder Vereinigung von m − 1 kompakten Teilmengen, von denen jede in einer offenen Umgebung ≈ Rn enthalten ist. Wir können also auch auf diesen
Schnitt die Induktionsvoraussetzung anwenden.
Im dritten Schritt zeigen wir das Lemma im Falle M = Rn und falls A
Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer Mengen ist. Da der Schnitt
je zweier kompakter konvexer Mengen wieder eine solche ist, kann man sich
induktiv, ähnlich wie vorher, auf den Fall beschränken, dass A ⊂ Rn eine
kompakte konvexe Teilmenge ist. Dafür kann man aber das Lemma durch
eine direkte Rechnung beweisen, denn dann ist die Restriktionssabbildung
Hi (M |A) → Hi (M |x) für alle x ∈ A und alle i ≥ 0 ein Isomorphismus (dies
folgt aus der Konvexität von A). Dies liefert den zweiten Teil des Lemmas.
Für den ersten Teil findet man mit dem eben Gesagten für ein festes x ∈ A
genau eine Klasse αA ∈ Hn (M |A), deren Einschränkung in Hn (M |x) mit
µx übereinstimmt. Aus der lokalen Konsistenz von µ folgt nun, dass die
Einschänkungen von αA mit µy für alle y ∈ A übereinstimmt.
Es sei nun A ⊂ Rn eine beliebige kompakte Teilmenge. Man zeigt
das Lemma durch Betrachtung expliziter singulärer Ketten. Es sei α ∈
Hi (Rn |A) repräsentiert durch einen relativen singulären Zykel z. Dann ist
TOPOLOGIE I
67
∂z eine Kette in Rn − A, es sei C ⊂ Rn − A die Vereinigung der Bilder der
singulären Simplizes in dieser Kette. Da C als Vereinigung endlich vieler
kompakter Teilmengen selbst kompakt ist, hat C positiven Abstand von A.
Wir können daher A durch endlich viele abgeschlossene Kugeln überdecken,
die C nicht treffen. Es sei K die Vereinigung dieser Kugeln. Dann definiert z auch einen relativen Zykel in Ci (Rn |K) und damit ein Element
β ∈ Hi (Rn |K), das sich auf α einschränkt. Da K Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer Mengen ist, haben wir Hi (Rn |K) = 0 für i > n
(siehe den dritten Schnitt), daher ist β = 0, also auch α = 0. Ist die Einschränkgung von α auf alle Hn (Rn |x) mit x ∈ A gleich 0, dann auch die
Einschränkung von β auf alle Hn (Rn |x) mit x ∈ K. Denn jedes x ∈ K liegt
in einem abgeschlossenen Ball B ⊂ Rn , der A berührt und damit ist bereits die Einschränkung von β auf Hn (Rn |B) = 0, da - mit einem beliebigen
y ∈ B - die Abbildung Hn (Rn |B) → Hn (Rn |y) ein Isomorphismus ist. Aus
dem dritten Schritt (K ist ja Vereinigung endlich vieler kompakter konvexer
Mengen) folgt nun, dass β = 0, also auch α = 0. Dies zeigt die Eindeutigkeit
im ersten Punkt des Lemmas. Für die ExistenzAussagen beachten wir, dass
A in einer kompakten, konvexen Teilmenge B ⊂ Rn (z.B. ein einer abgeschlossenen Kugel) enthalten ist. Damit gibt es nach dem dritten Schritt
ein α ∈ Hn (Rn |B) mit den richtigen Restriktionen auf Hn (Rn |x), x ∈ B.
Dieses Element α schränken wir nun einfach auf Hn (Rn |A) ein.
Korollar 8.9. Es sei M eine zusammenhängende kompakte n-dimensionale
Mannigfaltigkeit.
Dann gilt: M ist genau dann orientierbar, falls
Hn (M ; Z) 6= 0. In diesem Fall gilt Hn (M ; Z) ∼
= Z und jeder Erzeuger dieser
Gruppe entspricht auf kanonische Weise einer Orientierung von M .
Falls M orientierbar ist, so nennen wir jeden Erzeuger von Hn (M ; Z) ∼
=Z
eine Fundamentalklasse von M . Es existieren dann genau zwei Fundamentalklassen und diese entsprechen genau den beiden Orientierungen von M .
Proposition 8.10. Es sei M eine nichtkompakte zusammenhängende ndimensionale Mannigfaltigkeit. Dann gilt Hi (M ; G) = 0 für alle i ≥ n und
beliebige Koeffizienten G.
Zum Beweis verweisen wir auf Hatcher, S. 239. Das folgende Resultat ist
ebenfalls grundlegend für die Theorie der Mannigfaltigkeiten:
Satz 8.11. Es sei M eine kompakte Mannigfaltigkeit. Dann ist für alle
i ≥ 0 die Homologie Hi (M ; Z) eine endlich erzeugte abelsche Gruppe (und
gleich 0, falls i > dim M ).
Insbesondere können wir also für kompakte Mannigfaltigkeiten M die
Eulercharakteristik
χ(M ) :=
dim
XM
i=0
definieren.
rk Hi (M ; Z)(=
dim
XM
i=0
bi )
68
BERNHARD HANKE
Definition. Ein topologischer Raum X heißt lokal zusammenziehbar, falls
für jeden Punkt x ∈ X folgendes gilt: Ist U eine Umgebung von x, so
existiert eine weitere Umgebung V ⊂ X von x mit V ⊂ U und so dass die
Inklusion V ,→ U homotop zu einer konstanten Abbildung ist.
Es ist nicht schwer zu zeigen, dass topologische Mannigfaltigkeiten lokal
zusammenziehbar sind.
Satz 8.12. Es sei K ⊂ Rn eine lokal zusammenziehbare abgeschlossene Teilmenge. Dann gibt es eine Umgebung U ⊂ Rn von K, so dass die Inklusion
K ,→ U ein Retrakt ist (d.h es existiert eine stetige Abbildung r : U → K
mit r|K = idK ).
Es gilt auch die Umkehrung dieses Satzes: Ist K ⊂ Rn eine (nicht unbedingt abgeschlossene Teilmenge) und Retrakt einer Umgebung in Rn , so ist
K lokal zusammenziehbar. Diese Umkehrung werden wir aber nicht beweisen, sondern verweisen dazu auf Hatcher, S. 526 unten f.
Wir nennen einen topologischen Raum X einen Euklidischen Umgebungsretrakt, falls folgendes gilt: Es existiert eine topologische Einbettung
X ,→ Rn in einen Euklidischen Raum und für jede solche Einbettung ist
das Bild Retrakt einer Umgebung in Rn . Zusammen mit der Einbettbarkeit
kompakter Mannigfaltigkeiten in Euklidische Räume (siehe Übungsblatt 12)
haben wir also:
Korollar 8.13. Kompakte topologische Mannigfaltigkeiten sind Euklidische
Umgebungsretrakte.
Beweis von Satz 8.11: Es sei M ⊂ Rn eine kompakte Mannigfaltigkeit.
Es sei U ⊂ Rn eine Umgebung von M , so dass eine Retraktion r : U → M
existiert. Da M kompakt ist, existiert ein k > 0 mit der folgenden Eigenschaft: Es sei W ⊂ Rn ein n-dimensionaler Würfel mit Seitenlänge 1/2k und
Eckenkoordinaten von der Form z/2k , z ∈ Z. Falls dann W ∩ M 6= ∅, so gilt
W ⊂ U . Wir wählen ein solches k und betrachten die Vereinigung V aller
1/2k Würfel im Rn , die M berühren. Nach Wahl von k ist M ⊂ V . Da M
kompakt ist, ist W ein endlicher CW-Komplex und hat somit endlich erzeuge Homologiegruppen. Die Einschränkung r|V : V → M ist ebenfalls eine
Retraktion. Wir können also M als Retrakt eines endlichen CW-Komplexes
schreiben. Durch Anwenden der Funktorialität des Homologiefunktors sieht
man, dass r∗ : H∗ (V ) → H∗ (M ) surjektiv ist (mit beliebigen Koeffizienten).
Somit hat M endlich erzeuge Homologiegruppen.
Bevor wir Theorem 8.12 beweisen, noch eine Bemerkung zur Fortsetzung
von stetigen Abbildungen auf CW-Komplexen.
Proposition 8.14. Es sei X ein CW-Komplex und Y ein topologischer
Raum. Es sei f : X n−1 → Y eine stetige Abbildung. Dann sind äquivalent:
• f lässt sich zu einer stetigen Abbildung X n → Y fortsetzen.
• Es sei
[
˙
X n = X n−1 ∪(φα )α∈I
Dαn
α∈I
TOPOLOGIE I
69
Dann sind alle Kompositionen f ◦ φα : ∂Dn → Y homotop zu konstanten Abbildungen.
Beweis. Der Beweis folgt aus der folgenden Beobachtung: Ist φ : ∂Dn → Y
eine stetige Abbildung, so lässt sich φ genau dann auf Dn fortsetzen, falls φ
homotop zu einer konstanten Abbildung ist.
Wir kommen nun zum Beweis von Theorem 8.11. In einem ersten Schritt
konstruieren wir eine CW-Struktur auf X := Rn \ K, mit immer kleineren Zellen, wenn wir uns K nähern: Für k ≥ 0 sei Ck die Menge der ndimensionalen abgeschlossenen Würfel im Rn mit Seitenlänge 1/2k , deren
Eckenkoordinaten alle von der Form z/2k mit z ∈ Z sind. Jeder Würfel in
Ck wird also in 2n Würfel aus der Menge Ck+1 zerlegt. Es sei nun A0 ⊂ C0
die Menge der von K disjunkten Würfel und dann induktiv Ak+1 ⊂ Ck+1
die Menge der von K disjunkten Würfel, die nicht ganz in einem Würfel aus
A0 ∪ . . . ∪ Ak enthalten sind. Die Vereinigung
∞
[
A=
Ai
i=0
n
R ist)
überdeckt dann X (da X offen in
und induziert eine offensichtliche
n-dimensionale CW-Struktur auf X (die entsprechenden Zellen identifiziert
man am besten in einem Bild).
Wir erhalten auf diese Weise zwei Topologien auf X: Die Unterraumtopologie von Rn und die CW-Topologie. Wir behaupten, dass diese Topologien
übereinstimmen (diese Diskussion ist für den weiteren Beweis wichtig, wird
aber im Hatcher nicht geführt). Jede abgeschlossene Zelle der CW-Struktur
ist ein abgeschlossener Würfel in RN und somit auch abgeschlossen in X.
Also ist jede in X abgeschlossene Menge auch abgeschlossen bezüglich der
CW-Topologie (da dann der Schnitt mit jeder abgeschlossen Zelle abgeschlossen ist). Es sei umgekehrt C ⊂ X eine Teilmenge, so dass der Schnitt
von C mit jeder abgeschlossene Zelle abgeschlossen ist. Wir wollen zeigen,
dass C auch bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen ist. Sei dazu
(ci )i∈N eine Folge von Punkten in C, die bezüglich der Unterraumtopologie
gegen einen Punkt x ∈ X konvergiert. Wir müssen zeigen, dass x ∈ C. Nach
dem eben Gesagten gibt es eine offene Umgebung von x in X, die in einem
endlichen Teilkomplex E der CW-Struktur enthalten ist. E ist als endlicher
CW-Komplex kompakt, daher hat (ci ) eine bzgl. der CW-Topologie konvergente Teilfolge in E, wir nehmen an, (ci ) konvergiert selbst. Es sei c ∈ E
der Grenzwert. Da C ∩ E abgeschlossen in (E, CW − Topologie) ist (nach
Voraussetzung an C), gilt c ∈ C. Wir müssen also nur noch zeigen, dass
c = x. Dies folgt aber daraus, dass die Identität
(E, CW − Topologie) → (E, Unterraumtopologie)
stetig (und damit auch folgenstetig) ist, denn jede Teilmenge in E, die
bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen ist, ist abgeschlossen in
Rn (E ⊂ Rn ist ja als Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Würfel
70
BERNHARD HANKE
bezüglich der Unterraumtopologie abgeschlossen), also auch abgeschlossen
in X, damit auch bezüglich der CW-Topologie auf X und damit auch abgeschlossen in (E, CW − Topologie).
Wir definieren nun induktiv einen Unterkomplex Z ⊂ X (wobei X mit
der gerade konstruierten CW-Struktur versehen ist) und eine (bzgl. der
CW-Topologie auf Z) stetige Abbildung r : Z → K wie folgt: Z 0 := X 0
und r bildet x ∈ Z 0 auf einen beliebigen Punkt r(x) ∈ K, ab mit
dist(x, r(x)) = min(y, x)
y∈K
(man sieht leicht, dass dieses Minimum angenommen wird). Angenommen,
Z k und r : Z k → K sind schon definiert. Eine (k + 1)-Zelle ek+1 ⊂ X k+1
soll nun genau dann in Z k+1 liegen, wenn sich r|∂ek+1 : ∂ek+1 → K auf
ek+1 fortsetzen lässt (d.h. homotop zu einer konstanten Abbildung ist). In
diesem Fall wählen wir als r|ek+1 so eine Fortsetzung, und zwar eine, deren
Bild in K einen Durchmesser hat, der kleiner ist als zweimal das Infimum der
Durchmesser der Bilder aller möglichen Fortsetzungen. Wir fahren induktiv
fort und setzen Z := Z n .
Wir zeigen nun die folgenden beiden Tatsachen:
• Definieren wir r auf K als die Identität, so erhalten wir eine stetige
Abbildung r : Z ∪K → K (wobei Z ∪K mit der Unterraumtopologie
versehen ist).
• Z ∪ K ist eine Umgebung von K ⊂ Rn .
Offensichtlich ist r an jedem Punkt in Z stetig, denn die Unterraumtopologie von Z stimmt mit der CW-Topologie überein. Es sei nun p ∈ K.
Wir zeigen, dass r in p stetig ist und dass eine Umgebung von p in Z ∪ K
enthalten ist. Sei dazu > 0 beliebig. Es sei B ⊂ K der offene Ball um x
mit Radius (bzgl. der von Rn induzierten Metrik). Aufgrund der lokalen
Kontrahierbarkeit gibt es eine Folge von offenen Umgebungen
B =: Un ⊃ Vn ⊃ Un−1 ⊃ Vn−1 ⊃ . . . ⊃ U0 ⊃ V0
von p in K, so dass jede Inklusion Vi ,→ Ui homotop zu einer konstanten
Abbildung ist und außerdem 2·diamUi < diamVi+1 für alle 0 ≤ i ≤ n−1. Es
sei η > 0 so klein, dass der offene η-Ball (in K) um p in U0 enthalten ist. Nun
sei W ⊂ X der Unterkomplex bestehend aus denjenigen abgeschlossenen
Zellen, die ganz im η/2-Ball (in Rn ) um p enthalten sind. Dann ist r auf
ganz W definiert und bildet jede Zelle in W nach B ab. Dafür zeigt man
zunächst, dass r(W 0 ) ⊂ V0 und macht Induktion über die Gerüste von W
(unter Ausnutzung der obigen Eigenschaften der Mengen Ui und Vi ). Da
W ∪ K eine Umgebung von p in Rn ist und p beliebig gewählt war, ist somit
Z ∪ K eine Umgebung von K. Da beliebig war und W im η/2-Ball um
p enthalten ist, ist aber r auch stetig in p. Dies schließt den Beweis von
Theorem 8.12 ab.
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen