Vortrag als PDF

Werbung
EHEC / HUS Ausbruch
in Niedersachsen
Roesebeckstr. 4-6
30449 Hannover
Fon 0511/4505-0
Fax 0511/4505-140
18. Robert Koch-Tagung
2. September 2011
Dr. Matthias Pulz
www.nlga.niedersachsen.de
Einordnung des Infektionsgeschehens
größter bekannter HUS Ausbruch und einer der größten
EHEC Ausbrüche weltweit
Deutschland, Stand 25.07.11
3.469 EHEC Fälle
• davon 426 asymptomatisch
• 18 Patienten verstorben
852 HUS-Fälle
• 32 Patienten verstorben
Niedersachsen, Stand 3. 08.2011
714 EHEC-Fälle
• 7 Patienten verstorben
141 HUS-Fälle
• 8 Patienten verstorben
Ausbruchsstamm
Mikrobiologische Charakteristika
Escherichia coli (STEC/EHEC) Serotyp O104:H4
Stx 2 : positiv; Stx 1: negativ
Intimin (eae): negativ
Eisenaufnahmesystem (iha): positiv
Phänotyp: Sorbitol-fermentierend
Resistenz: Extended-Spectrum-Betalactamase (ESBL)
Herkunft des Stamms wird unterschiedlich bewertet
Infektiologische Besonderheiten
Inkubationszeit: 8 Tage (Median)
Dauer zwischen Durchfall-Beginn und Beginn des HUS: 5 Tage (Median)
Ausscheidungsdauer: 23 Tage (0 – 67 Tage) (Daten des NLGA)
Epidemiekurve
(dargestellt ist der Erkrankungsbeginn von EHEC- und HUS-Fällen)
Räumliche Verteilung der
Inzidenzraten der HUS-Fälle.
Reiseassoziierte Fälle sind dem
Expositionsort zugeordnet.
(Quelle: RKI)
Das aktuelle EHEC-Ausbruchsgeschehen
Chronologie der ersten Tage aus der Sicht des NLGA (1)
Freitag 20.05.2011
Robert Koch-Institut berichtet erstmals über Häufung von HUS-Fällen in
Hamburg
NLGA wird über ungewöhnliche Häufung von Fällen von blutigem
Durchfall im Landkreis Lüneburg informiert
NLGA informiert Nds. Sozial und Landwirtschaftsministerium sowie die
Landkreise/ kreisfreien Städte über das aktuelle Geschehen
Nds. Sozialministerium unterrichtet Presse über das aktuelle
Infektionsgeschehen
Zentrale Botschaft
• Bei Auftreten von blutigem Durchfall sofort in ärztliche Behandlung begeben
• Unverzügliche Meldung von Krankheitsfällen
Das aktuelle EHEC-Ausbruchsgeschehen
Chronologie der ersten Tage aus der Sicht des NLGA (2)
Samstag 21.05., Sonntag 22.05.
Breite Medienberichterstattung
Erste Interviewanfragen
Erstmalige Erstellung des ab sofort täglichen Lageberichts
Erste Hinweis auf Verzehr von Gemüse als mögliche Quelle
Besonderheiten des Ausbruchsgeschehens werden bekannt
(überwiegend gesundheitsbewusste Frauen betroffen)
Das aktuelle EHEC-Ausbruchsgeschehen
Chronologie der ersten Tage aus der Sicht des NLGA (3)
Montag 23.05.
Pressekonferenz von Gesundheitsministerin Özkan
NLGA aktiviert Krisenstab seines Zentrums für Gesundheits- und
Infektionsschutz (ZGI)
NLGA schaltet Hot-line für Bürger
Bereitstellung von Internet-Informationen; Inf.fo
Erste Telekonferenz mit RKI und Länderbehörden
Ab sofort regelmäßige Medienpräsenz, insbesondere NDR
Das aktuelle EHEC-Ausbruchsgeschehen
Chronologie der ersten Tage aus der Sicht des NLGA (4)
Dienstag, 24.05.
Versand eines Fragebogens an die Landkreise/ kreisfreien Städte
Befragung von HUS-Patienten in der MHH gemeinsam mit dem
Gesundheitsamt der Region Hannover
Ab sofort laufende Unterrichtung des LAVES
Mittwoch 25.05.
Verzehrsempfehlung von RKI und BfR
Warnung vor Verzehr von rohen Tomaten, Gurke, Blattsalat in
Norddeutschland
26.05.2011
Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks
gibt auf einer ad hoc einberufenen Pressekonferenz in Hamburg
bekannt, dass Wissenschaftler des Hamburger Hygieneinstituts
an vier Salatgurken das Ehec-Bakterium gefunden haben.
Drei der Gurken stammten aus Spanien, von der vierten sei
die Herkunft vorerst noch unklar.
05.06.2011
Erkenntnisse aus
Untersuchungen über
die Vertriebswege von
Sprossen während der
Zeit des „Sprossenverdachts“:
Letztlich ließ sich in 41
Clustern ein Bezug zu
Sprossen aus
Bienenbüttel herstellen.
Gärtnerhof Bienenbüttel
Sprossenproduktion
Gärtnerhof Bienenbüttel
15 Mitarbeiter
5 Fälle (alles Teilzeitkräfte; Abwiegen und Verpacken)
•
•
•
•
•
F1 blutiger Durchfall am 6.5.; kein Labornachweis
F2 blutiger Durchfall am 11.5.; kein Labornachweis
F3 blutiger Durchfall am 12.5.; stx2, O104
F4 keine Symptome; stx2, O104
F5 keine Symptome; stx2, O104
Stuhlproben
Befragung: ( u.a. Sprossen, Gemüse, Auslandsreisen)
• Erhöhtes Risiko: Knoblauch, Broccoli, Bockshorn
• Geringeres Risiko: Alfalfa, Rettich
Gärtnerhof Bienenbüttel
28 Haushaltsangehörige von Mitarbeitern
Stuhlproben (3 Proben pro Person)
• 3x Nachweis von stx2 in einer Probe
Befragung: ( u.a. Sprossen, Gemüse, Auslandsreisen, Tierkontakte)
• 25 FB vorhanden
• 9 Sprossen verzehrt (6x Alfalfa, 3x Kichererbsen)
Weitere Aktivitäten in Bienenbüttel
(RKI, BfR, NLGA, LAVES)
Umfangreiche Beprobung und Untersuchung von
Sprossen bzw. aus dem Produktionsbereich
Intensive Begutachtung der Wasserversorgung/ der
Abwasserkanäle des Gärtnerhofs sowie der unmittelbaren
Umgebung und Untersuchung zahlreicher Wasserproben
Ergebnis: kein Nachweis des Ausbruchsstamms trotz
intensivster Beprobung
Rezeptbasierte Restaurant-Kohortenstudie
10.06.2011
Hypothesen zu Bienenbüttel als Ausgangspunkt des
Infektionsgeschehens
Kontamination der Sprossen durch eine/n (unwissentlich)
infizierte/n Mitarbeiterin oder Mitarbeiter
Verwendung von kontaminiertem Wasser im Produktionsprozess, evtl. Kontamination des Wassers durch
Ausscheidungen von unwissentlich infizierten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Einsatz kontaminierten Saatgutes
24.06.2011: Frankreich meldet lokalen EHEC-Ausbruch
Französische Public Health Institut INVS meldet einen lokalen EHEC O104
Ausbruch in Bordeaux mit 8 Fällen (davon 5 Fälle von HUS)
Erkrankungsbeginn am 5 -21. Juni spricht sehr dafür, dass diese
Erkrankungen mit dem Ausbruch in Deutschland in Zusammenhang stehen.
Offenbar keine Reiseanamnese nach Deutschland, aber Exposition zu
Sprossen, die lokal gezogen wurden. Infektion in Frankreich wahrscheinlich.
Bisher keine Informationen zu möglichen Kontakten mit Fällen aus
Deutschland.
BfR, BVL und RKI, 5. Juli 2011
Bestimmte Chargen von aus Ägypten stammenden Bockshornkleesamen
mit hoher Wahrscheinlichkeit für die EHEC-Ausbrüche in Deutschland
und Frankreich verantwortlich.
EU-Kommission verhängt Rückruf und Importverbot für 15 Sprossensamen
aus Ägypten
Mitte August 2011: Expertenteam der EU in Ägypten (Provinzen mit Sprossenanbau)
Kein Nachweis von EHEC in Sprossensamen aus Ägypten
Indizien bleiben bestehen
evtl. Aufhebung des Importstopps in den kommenden 14 Tagen
Aktivitäten des NLGA
Hot-line
Täglicher Lagebericht für MS und kommunale Gesundheitsbehörden
Auswertung der standardisierten Befragungen aller Fälle durch die
Gesundheitsämter
Untersuchung von Krankheitshäufungen, auch vor Ort
Mehrfach Begehungen und Befragungen in Bienenbüttel
Intensive Laboraktivitäten
Hinweise auf Cluster, Produkte und Einzelhändler
Unterstützung des LAVES, das Vertriebswege, Zwischen- und
Großhändler recherchiert und einzelne Lebensmittel beprobt
Identifizierung von Ausscheidern
Untersuchung von Mitarbeitern und deren Angehörigen in Bienenbüttel
Anpassung der Empfehlungen für Fälle und Kontaktpersonen
Regelmäßige Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene
Laboraktivitäten des NLGA
3 519 Laboruntersuchungen von 1 696 Personen
durchgeführt
Untersuchungsanlass zur Erstuntersuchung
29% Erkrankte
16% Kontrolluntersuchung von Erkrankten
55% Umgebungsuntersuchung
Befund von allen Erstuntersuchungen
18% EHEC positiv
• 81% stx2
– 89% O104 (NRZ-Befund oder stx2 + ESBL-Bildung)
Die Chronologie des EHEC-Ausbruchs im Überblick
20.5. RKI informiert Bundesländer über vermehrte HUS Fälle in HH
21./22.5. Explorative Befragung durch RKI in HH
• erwachsene Frauen mit gesunder Ernährung, keine Rohmilch, kein Fleisch
24./25.5. Fall-Kontroll-Studie durch RKI in HH
• Gemüsewarnung (Salat, Tomate, Gurke)
24.5. Meldung über Erkrankungsfälle auf Gärtnerhof Bienebüttel
25.5. Identifikation von EHEC O104:H4 (NRZ HUS und NRZ EHEC)
26.05.2011 EHEC auf spanischen Gurken nachgewiesen; PK der hamburger Gesundheitsbehörde
5.6. Warnung vor Sprossenverzehr in Niedersachsen (Ministerium für Landwirtschaft)
6.6. Gärtnerhof Bienenbüttel wird geschlossen
6.6. – 7.7. Aktivitäten auf Gärtnerhof: Befragung, Stuhluntersuchung, Probenahme
6.-9.6. Restaurant-Studie des RKI in Lübeck
10.6. Warnung vor dem Verzehr von Sprossen durch RKI, BfR u. BVL
24.6. Informationen über Ausbruch in Bordeaux, F;
Kita-Feier am 8.6.
5.7. RKI, BfR u. BVLerklären Ausbruch für aufgeklärt
Ursache: Bockshornkleesamen aus Ägypten
26.07.2011 RKI erklärt Ausbruch
für beendet
Ähnliche/ vergleichbare Ausbrüche
Japan, 1996
USA, 2006
USA, 2008
Deutschland, 2011
S. Saintpaul
EHEC O104
EHEC O157
EHEC O157
(Rettichsprossen)
(Spinat)
(Chillischoten)
(Sprossen)
____________________________________________________________________________
Anzahl der Fälle
~ 12.000
~ 210
~ 1.500
~ 4.000
Todesfälle
Zeitraum der ersten
Erkrankung bis zur
Erkennung d. Ausbruchs
3 -11
> 7 Wochen
3
2
> 45
~ 3 Wochen
~ 4 Wochen
Erkennung des Ausbruchs
bis zur Identifikation der > 4 Wochen
Infektionsquelle
~ 5 Tage
~ 7 Wochen
~ 3 Wochen
Dauer des Ausbruchs
~ 6 Wochen
~ 16 Wochen
> 6 Wochen
~ 12 Wochen
~ 2 Wochen
Krause/ RKI, 20.06.2011
Schlussbemerkungen (1)
Engagement der betroffenen GÄ
Zusammenarbeit zwischen ÖGD und Veterinär- und
Lebensmittelbehörden
Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden von Bund,
Ländern und Kommunen
Studien des RKI
Schlussbemerkungen (2)
Kontrolle/ Behandlung von Sprossen
Versorgung von HUS-Patienten in Krankenhäusern
Mediale Berichterstattung
Meldewesen
Dr. Hubert Meyer,
Editorial 3/2011
„Nicht die verschiedenen Institute des Bundes, sondern die niedersächsischen
Behörden befanden sich auf der richtigen Fährte.“
„Nicht abstrakte Spekulationen, sondern mühsame, detektivische Kärrnerarbeit
vor Ort fügte das Puzzle zusammen.“
„Die Mitarbeiter der Veterinär- und Lebensmittelämter Hand in Hand mit den
Kolleginnen und Kollegen der Gesundheitsämter in den niedersächsischen
Landkreisen und der Region Hannover haben die Proben, die Interviews mit
den Erkrankten und die Fakten geliefert.“
„Das LAVES und das Landesgesundheitsamt haben analysiert und bewertet.“
„Das Zusammenspiel hat funktioniert. Keine noch so starke „schnelle
Eingreiftruppe“ aus Berlin oder sonst wo kann dieses Engagement und die
Kenntnisse vor Ort ersetzen.“
Herunterladen