M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT Gerhard Adam Claus Nolte-Ernsting Arno Bücker Jörg Neuerburg Josef Tacke Arndt Glowinski Rolf Günther MagnetresonanzCholangiopankreatikographie zur nichtinvasiven Gangdiagnostik ZUSAMMENFASSUNG Die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) ist eine neue nichtinvasive Methode zur Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems. Unter Anwendung stark T2 gewichteter Sequenzen lassen sich Gallenwege und der Pankreasgang ohne Anwendung von Kontrastmittel entweder in einem Projektionsbild oder in dünnschichtigen Einzelbildern darstellen. Als wichtigste Indikation gilt heute die Diagnostik von Gallengangsteinen, wo sie eine der endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) vergleichba- re diagnostische Genauigkeit aufweist. Daneben bietet sich die MRCP bei technisch nicht durchführbarer ERCP an. Bei Tumoren der Gallenwege und des Pankreas ist die Indikation zur MRCP noch nicht hinreichend definiert. Insgesamt stellt die MRCP heute eine nichtinvasive diagnostische Alternative zur ERCP dar. Schlüsselwörter: Magnetresonanztomographie, Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie, Gallenwege, endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie Magnetic Resonance Cholangio-Pancreatography Magnetic resonance cholangio-pancreatography (MRCP) is a new non-invasive method for bile duct and pancreatic duct imaging. Using heavily T2-weighted sequences, MRCP allows delineation of the bile ducts by a projection image or by a number of thin single slice images. Today, the most important application of MRCP is the diagnosis of bile duct stones, where MRCP yields a similar diagnostic accuracy compared with ERCP. Moreover, MRCP is useful, if endoscopic retrograde cannulation of the papilla (ERCP) is technically not possible. Its role in the diagnostic work-up of bile duct and pancreatic tumors needs to be defined. MRCP offers a non-invasive diagnostic alternative to ERCP. Key words: Magnetic resonance imaging, magnetic resonance cholangio-pancreatography, bile duct, endoscopic retrograde cholangio-pancreatography D urch ständige Weiterentwicklungen technischer Möglichkeiten hat die Magnetresonanztomographie einen hohen Stellenwert in der klinischen Radiologie. Die Einführung und Optimierung von Techniken (17, 20, 23, 43, 47), die in kurzer Zeit die selektive Darstellung flüssigkeitsgefüllter Organstrukturen zuläßt, hat unter anderem zur Entwicklung der sogenannten Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) geführt. Bei diesem Verfahren werden die langen T2-Relaxationszeiten der Gallen- und Pankreasflüssigkeit ausgenutzt, um das pankreatiko-biliäre Gangsystem, ohne Anwendung von Kontrastmitteln, sehr signalreich darzustellen, im Gegensatz zu den umgebenden Organen mit kurzen T2-Relaxationszeiten. Bisher war die Diagnostik der Gallengänge und des Pankreasganges die Domäne der endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) und, als nichtinvasives Verfahren, auch des Ultraschalls. Ergänzt wurde die Gangdiagnostik durch die Computertomographie der Oberbauchorgane und zum Teil auch durch die konventionelle Magnetresonanztomographie. Die perkutane Feinnadelcholangiographie spielt als invasives Verfahren heute in der Diagnostik keine Rolle mehr, wird jedoch im Rahmen der perkutanen Entlastung bei Obstruktionen der Gallenwege eingesetzt, in der Regel dann, wenn die endoskopische Drainage oder auch Stenteinlage technisch nicht möglich ist. Die ERCP, als Goldstandard der Gangdarstellung, hat verfahrensbedingt einige Nachteile: Neben ihrer Untersucherabhängigkeit, die gute Ergebnisse nur in der Hand des Erfahrenen zuläßt (3, 24), weist sie eine Reihe wichtiger Komplikationen auf, wie Organperforation, Blutung und die iatrogene Pankreatitis (10, 30, 39). Klinik für Radiologische Diagnostik (Direktor: Prof. Dr. med. Rolf Günther) Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen SUMMARY In der folgenden Übersicht möchten wir die Technik und den derzeitigen Stellenwert dieses noch relativ neuen und klinisch, außerhalb von Zentren, noch nicht etablierten Verfahrens der MRCP bei den wichtigsten Krankheitsbildern der Gallenwege und des Pankreasganges erörtern, und derzeitige Indikationen und zukünftige Entwicklungen kritisch würdigen. Technik Einheitliche Empfehlungen und Richtlinien zur Durchführung einer MRCP gibt es derzeit nicht. Unter einer Vielzahl von Techniken, die in der Regel von den apparativen Voraussetzungen abhängig sind, sollen die wichtigsten im folgenden erwähnt werden. Alle MRCP-Techniken nutzen die langen T2-Relaxationszeiten der Gallenflüssigkeit aus. Unter Anwendung stark T2-gewichteter Spinechooder auch Gradientenechotechniken Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 (53) A-2297 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT werden die Gallenwege und auch der Pankreasgang signalreich dargestellt, während die umgebenden parenchymatösen Organe fast kein Signal liefern. Dadurch wird ein optimales Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis zwischen Gallenflüssigkeit und Umgebungsgewebe erreicht. Eine Kontrastmittelgabe ist bei der MRCP nicht erforderlich. Schnelle Spinecho-Techniken mehrere 90 Grad Pulse eingestrahlt werden. Dadurch lassen sich zwar auch die Untersuchungszeiten im Vergleich zu konventionellen Spinecho-Techniken verkürzen, sie liegen jedoch in Abhängigkeit von der Schichtzahl bei 2D-Akquisition im Bereich von zwei bis vier Minuten. Wenn sie mit einer 3D-Akquisition verbunden werden, die eine multiplanare Rekonstruktion erlaubt, sind etwa zehn Minuten erforderlich (6, 20, 25, 35, 40, 50). Naturgemäß können derartige Aufnahmen nicht mehr beim Atemstillstand erzeugt werden; eine Bewegungsartefaktkompensation durch eine Atemtriggerung wird erforderlich, was wiederum eine Verlängerung der Untersuchungszeit bedingt. Durch die Kombination aller oben genannten Methoden mit einer Als Prototyp aller schnellen Spinecho-Techniken kann die RARE(Rapid Acquisition with Relaxation Enhancement-)Technik angesehen werden (17, 23). Es handelt sich um eine Einzelschußaufnahmetechnik, mit der entweder das gesamte Gallen- und Pankreasgangsystem mit einer einzelnen dicken Schicht (5 bis 7 cm Schichtdicke) als Projektionsbild aufgenommen werden kann oder sequentiell zahlreiche dünne Schichten (5 bis 7 mm Schichtdicke) akquiriert werden können, die sich später zu einer Maximumintensitätsprojektion rekonstruieren lassen. Die Modifikation der RARE-Technik durch eine reduzierte k-Raum-Abtastung (Half Fourier Methode) wird als HASTE-Technik (Half-Fourier single-shot Turbo-Spinecho) bezeichnet. Dieses Verfahren erlaubt kürzeste Untersuchungszeiten zur Erstellung eines MRCP- Bildes, die Abbildung 1: 62 Jahre alte Patientin mit Choledocholithiasis. sich zwischen zwei und zehn HASTE-Projektionsbild, Schichtdicke 8 cm. Die Steine (Pfeilspitzen) Sekunden bewegen (11, 12, sind als fast signalarme Aussparungen in der signalreichen Galle 20, 22, 28, 31). Der Vorteil sichtbar. Normale Konfiguration des Pankreasganges (Pfeil). dieser Technik liegt eindeutig darin, daß sie in einer Atemstill- spektralen Fettunterdrückung kann standsperiode durchgeführt werden das Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis kann. Die Lage der Schichten ist be- weiter verbessert werden. liebig auswählbar (zum Beispiel koAuch wir verwenden für die ronar, parakoronar oder parasagit- MRCP ein Untersuchungsprotokoll, tal), so daß die Darstellung des das aus der Kombination einer dikGangssystems dem Bild in der ERCP ken HASTE-Einzelschicht (= Prosehr ähnlich ist. jektionsbild) und einer dünnschichDaneben werden schnelle (Tur- tigen Mehrschicht-HASTE-Sequenz bo) Spinecho-Verfahren eingesetzt, besteht. Letztere bietet den Vorteil, bei denen im Gegensatz zur RARE- daß Befunde in den dünnschichtigen oder HASTE-Technik pro Einzelbild Aufnahmen detaillierter betrachtet A-2298 (54) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 werden können. Daneben sind sie als Maximumintensitätsprojektion rekonstruierbar. GradientenechoTechniken Vor der klinischen Einführung der schnellen Spinecho-Sequenztypen wurden die ersten Erfahrungen mit der MRCP mit Hilfe von T2/T2* gewichteten Gradientenecho-Techniken gewonnen (16, 27, 35). Neben der starken Anfälligkeit für sogenannte Suszeptibilitätsartefakte, die zum Beispiel zwischen Gallensteinen und Gallenflüssigkeit oder chirurgischen Klips nach Cholezystektomie in Nachbarschaft der Gallenwege auftreten können, sind diese Techniken auch stärker bewegungsartefaktanfällig als die SpinechoTechniken. Alle Techniken können gegebenenfalls mit konventionellen MRTSequenzen zur Schnittbildgebung der Oberbauchorgane kombiniert werden. Daneben lassen sich gleichzeitig auch schnelle kontrastmittelverstärkte 3D-MR-Angiogramme des Oberbauches akquirieren, so daß alle diagnostisch wichtigen Informationen in einer Untersuchung aufgenommen werden können. Spulen Wurden anfänglich alle Untersuchungen noch mit der Ganzkörperspule durchgeführt, stellen heute sogenannte Körper-Array-Spulen, die im Prinzip wie mehrere zusammengeschaltete Oberflächenspulen arbeiten, das Optimum für die Bildgebung der Gallenwege dar (36, 37, 38, 43). Patientenvorbereitung Die Patienten sollten vor der Untersuchung möglichst drei Stunden nüchtern sein, um eine gute Füllung der Gallenwege zu erzielen. Die Gabe von Spasmolytika zur Reduktion der Darmmotilität, die ebenfalls störende Bewegungsartefakte erzeugen kann, ist nicht obligat, genauso wenig wie die Verabreichung eines oralen Kon- M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT trastmittels zur Markierung des oberen Gastrointestinaltraktes. Sekretin verbessert die Darstellbarkeit des Pankreasganges. Kontraindikationen wie etwa eine akute Pankreatitis oder ein akuter Schub einer chronischen Pankreatitis sind zu beachten (26). Kontraindikationen Wie bei allen magnetresonanztomographischen Untersuchungen gelten auch bei der MRCP die gleichen Kontraindikationen. Insbesondere sollten die Patienten vor der Untersuchung sehr kritisch nach implantierten zerebralen Gefäßklips und kardialen Schrittmachern befragt werden. Der zuweisende Arzt sollte sich vorher bei diesen Patienten mit dem untersuchenden Radiologen beraten und alle verfügbaren Informationen diesbezüglich austauschen, um eine sichere Untersuchung zu gewährleisten. Daneben kann auch die Klaustrophobie ein wichtiger Grund sein, die Untersuchung nicht durchzuführen. Die sehr kurzen Untersuchungszeiten ermöglichen es jedoch fast immer, den Patienten zu einer MR-Untersuchung zu motivieren. Alternativ kann die MRCP bei Klaustrophobie in einem offenen Niederfeldmagneten durchgeführt werden, wobei Einschränkungen bezüglich der diagnostischen Qualität in Kauf genommen werden müssen (46). Normalbefunde Gallenblase Die Diagnostik von Gallenblasenerkrankungen wie Steine, Polypen und Tumoren gehört nicht zum primären Anwendungsgebiet der MRCP, sondern wird auch in Zukunft die Domäne der Sonographie und gegebenenfalls der CT bleiben. Die Gallenblase ist jedoch auch in der MRCP beurteilbar. Konkremente stellen sich vor allem bei dünnschichtigen Meßsequenzen als signalarme Strukturen in der signalreichen Gallenflüssigkeit dar. Bei einer akuten Cholezystitis läßt sich die Wandverdickung und das perifokale Ödem abgrenzen. Liegt ein Gallenblasenkarzinom vor, ist auf den Axialen mit angefertigten Schichten die Ausdehnung des Tumors in die Leber, die Leberpforte und auch eine Infiltration in die angrenzenden Gallenwege zu erkennen. Interessant kann die Anwendung auch beim MirizziSyndrom sein, weil der zur Obstruktion des D. hepaticus communis führende Gallenstein von Lymphknoten oder gegenüber einem zentralen Gallengangskarzinom beziehungsweise Gallenblasenkarzinom differenziert werden kann. Intra- und extrahepatische Gallenwege Die nicht erweiterten intrahepatischen Gallenwege können in der MRCP bis in das äußere Drittel der Leber verfolgt werden (5, 20, 47), in der Regel sind sie jedoch nur bis laufs des D. cysticus oder eines aberrierenden rechtsseitigen D. hepaticus von 95 Prozent beziehungsweise 98 Prozent gefunden werden (44). Pankreasgang Der normale, nicht erweiterte Pankreasgang läßt sich in der MRCP in 95 Prozent der Fälle darstellen (44). Schlechter ist die Erfassung des D. pancreaticus minor (Santorini), der etwa in der Hälfte der Fälle abbildbar ist (7). Über die Nachweishäufigkeit weiterer akzessorischer Pankreasgänge liegen noch keine hinreichenden Beobachtungen vor. Wichtig ist jedoch, daß mit Hilfe der MRCP die häufigste Normvariante im Bereich des Pankreskopfes, das Pankreas divisum sehr sicher diagnostiziert werden kann. Für die Treffsicherheit wurden hier Ergebnisse publiziert, die zwischen 85 und 100 Prozent liegen (7). Pathologische Befunde Anomalien der Gallenwege Mit Hilfe der MRCP lassen sich nichtinvasiv die Anomalien der intra- und extrahepatischen Gallenwege, wie etwa Choledochuszysten oder ein gemeinsamer AusfühAbbildung 2: 72 Jahre alte Patientin mit Pankreaskopfkarzinom. rungsgang (common channel) Die ERCP erlaubte keine Sondierung der Gänge. Deutlicher Auf- nachweisen (26, 48). Ebenso stau des D. choledochus (großer Pfeil) und des Pankreasganges läßt sich das Caroli-Syndrom (kleiner Pfeil). Die intrahepatischen Gallenwege (gebogene Pfei- diagnostizieren – eine kongele) sind nicht gestaut. Gallenblase (Pfeilspitze), nebenbefundlich nitale Erweiterung der intragroße rechtsseitige Nierenzyste (offener Pfeil). HASTE-Projekti- hepatischen Gallenwege, die onsbild, 8 cm Schichtdicke. häufig durch intra- und extrahepatische Gangsteine, choletwa proximal der Hepatikusgabel angioläre Abszesse und auch cholandarstellbar. Die extrahepatischen gioläre Karzinome kompliziert wird (2, Gallenwege sind in jedem Fall voll- 33). Zur Wertigkeit des Verfahrens bei ständig abzugrenzen (36). Wichtig ist Atresie der Gallenwege liegen bisher in diesem Zusammenhang auch die keine ausreichenden Erfahrungen vor. Genauigkeit der MRCP in der ErfasCholedocholithiasis sung anatomischer Varianten, die bei der laparoskopischen CholezystekDas typische Bild von Gallentomie von Bedeutung sein können. In einer Serie mit 171 Patienten gangsteinen in der MRCP sind rundlikonnte hier eine hohe diagnostische che fast signalfreie Aussparungen in Genauigkeit im Vergleich mit der der sonst immer signalreichen GallenERCP bei der Beurteilung des Ver- flüssigkeit (Abbildung 1). Zur sicheDeutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 (55) A-2299 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT ren Erfassung sollten neben Projektionsaufnahmen immer Einzelschichtaufnahmen, gegebenenfalls in einer orthogonalen Ebene zum Projektionsbild vorliegen, die den Befund sichern. Die Erkennbarkeit der Steine hängt davon ab, ob sie sich in normal weiten oder dilatierten Gallenwegen, beziehungsweise in den intrahepatischen oder extrahepatischen Gallenwegen befinden. Steine bis zu 3 mm Größe können auch in nicht erweiterten Gängen erkannt werden (8, 34, 43). Je nach Methode werden Sensitivitäten und Spezifitäten zwischen 80 und 95 Prozent angegeben. In einem nicht selektionierten Kollektiv von 300 Patienten wurde über eine Sensitivität, Spezifität und eine diagnostische Genauigkeit von 100 Prozent berichtet (12). Fallstricke bei der Frage nach Gallengangsteinen stellen die Hämobilie, Aerobilie oder auch chirurgische Klips dar. Daneben können Flußauslöschphänomene durch benachbarte Gefäße ein intraduktales Konkrement vortäuschen. Die Diagnostik von Gallengangsteinen ist derzeit die wichtigste Indikation zur MRCP (8, 12, 14, 15, 16, 18, 21, 34, 36, 41). Obwohl hierzu auch die Sonographie und die Computertomographie eingesetzt werden können, ist zu berücksichtigen, daß beide Verfahren eine hohe Spezifität von etwa 90 Prozent aufweisen, die Sensitivität lediglich zwischen 20 Prozent und 85 Prozent (5, 32, 48) liegt. Der Vorteil der Computertomographie ist darin zu sehen, daß mit ihr auch kleinste Konkremente mit einem Durchmesser von 1 mm erkannt werden können, sofern diese verkalkt sind. Nicht verkalkte Konkremente entgehen jedoch der CT. Darmluft behindert die CT-Diagnostik im Gegensatz zur Sonographie nicht, während sie die sonographische Erkennung kleiner distaler Gallengangsteine meist unmöglich macht. Die ERCP besitzt eine Sensitivität und Spezifität von 90 Prozent beziehungsweise 98 Prozent (10). Sie ist jedoch invasiv, weist die oben genannten Risiken auf und ist zudem bei voroperierten Patienten nicht immer durchführbar (1, 45). Als weiteres Verfahren steht die Endosonographie zur Verfügung, die jedoch die Nachteile einer endoskopischen Untersuchung aufweist. Tumoren der intra- und extrahepatischen Gallenwege Die Diagnostik von Gallengangkarzinomen der Hepatikusgabel (Klatskin-Tumoren) sowie der distalen Choledochuskarzinome ist oftmals schwierig und erfordert oft mehrere bildgebende Methoden. Die Sonographie und die Computertomographie stehen an erster Stelle, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der Erfassung hepatischer Metastasen und lokoregionärer Lymphknotenmetastasen. Zur Erfassung der Tumorausdehnung ist jedoch eine ERCP oder eine perkutane transhepatische Feinnadelcholangiographie (PTC) erforderlich. Beide Verfahren sind gleichzeitig therapeutisch einsetzbar, da die gestaute Galle drainiert werden kann. Während mit der Verfahrens ist auch hier im Vergleich mit der ERCP hoch (11, 15, 18). Umfangreiche Studien, die beide Verfahren miteinander vergleichen, stehen noch aus. Sklerosierende Cholangitis Das typische Befundmuster bei sklerosierender Cholangitis, das aus stenosierten und erweiterten Gangabschnitten besteht, läßt sich auch mit Hilfe der MRCP beobachten. Ob das gesamte Ausmaß der Veränderungen wie in der ERCP darstellbar ist, hängt jedoch vom Grad der duktalen Stenosierung ab. Extrem enge Gallenwege entgehen der MRCP, insbesondere in der Peripherie der Leber, da hier kaum ein intraduktales Flüssigkeitssignal zu akquirieren ist. Inwieweit die MRCP zur Therapie- oder Verlaufskontrolle als Ersatz für die ERCP herangezogen werden kann, müssen weitere Untersuchungen klären. Pankreas c Akute und chronische Pankreatitis: Distale Gallengangssteine stellen eine häufige Ursache der Pankreatitis dar und lassen sich in der MRCP nachweisen. Es muß jedoch erwähnt werden, daß bei diesen Patienten die Durchführung einer MRCP nicht unprobleAbbildung 3: 42 Jahre alte Patientin mit Whipple-Operation beim matisch sein kann, da die KoMagenkarzinom. Im Verlauf fiel ein erneuter Anstieg der Chole- operationsfähigkeit des Patistaseparameter auf. Die ERCP war bei biliodigestiver Anastomose enten ohne Analgosedierung nicht möglich. Die MRCP zeigt eine deutliche Stauung der intrahe- je nach Schwere der Erkranpatischen Gallenwege bei hochgradiger Stenose im Bereich der bi- kung eingeschränkt sein kann. liodigestiven Anastomose (Pfeil), die nach Anlage einer perkuta- Die ERCP, bei der gleichzeitig nen Drainage erfolgreich durch eine Ballondilatation behandelt der Stein entfernt werden werden konnte. HASTE-Projektionsbild, Schichtdicke 8 cm. kann, ist hier nicht unumstritten, da sie gerade bei älteren ERCP oder auch der PTC das Gal- Patienten eine relativ hohe postinterlenwegsystem meist nur bis zum Ver- ventionelle Letalität von bis zu fünf schluß dargestellt werden kann, sind Prozent aufweist (3, 24). Vergleichenmit der MRCP die Gallenwegab- de Untersuchungen zur Wertigkeit der schnitte sowohl distal als auch proxi- MRCP bei der akuten Pankreatitis im mal des Verschlusses abgrenzbar. So- Vergleich zur ERCP stehen jedoch aus. mit kann eine genaue AusdehnungsBei der chronischen Pankreatitis bestimmung vorgenommen werden lassen sich mit der MRCP die gleiund gegebenenfalls das weitere Pro- chen Befunde wie bei der ERCP erzedere für den Fall einer perkutanen heben: duktale Stenosen, Duktektasioder endoskopischen Drainage fest- en, Steine und Zystenbildungen (4). gelegt werden. Die Genauigkeit des Nach den bisherigen, von relativ ge- A-2300 (56) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT ringen Patientenzahlen ausgehenden, Untersuchungen liegt dabei die Sensitivität der MRCP zwischen 70 und 100 Prozent (19). Nicht zu erwarten ist, daß die MRCP zur Lösung des oft schwierigen differentialdiagnostischen Problems zwischen chronischer Pankreatitis und Pankreaskarzinom beitragen kann. Hier wird weiterhin die dynamische CT und MRT in Form anatomischer Schnittbildgebung eine wichtige Rolle spielen, obwohl auch diesen Verfahren Grenzen gesetzt sind. Wo immer nötig kann zur Diagnosesicherung auch eine CT oder sonographisch gesteuerte Feinnadelpunktion durchgeführt werden, um den Befund zytologisch zu sichern. c Pankreaskarzinom: Die Veränderungen des Pankreasganges in der MRCP bei Vorliegen eines Pankreaskopfkarzinoms sind ähnlich wie in der ERCP: Zeichen der Raumforderung, doppeltes Duktuszeichen, irreguläre Stenosierung des Pankreasganges oder der Gangabbruch (Abbildung 2). Die MRCP wird sicherlich diskrete Veränderungen in Seitenästen des Pankreashauptganges, wie sie zufällig bei der ERCP in frühen Stadien des Pankreaskarzinoms gefunden werden können, aufgrund der geringeren Ortsauflösung nicht erfassen können. Beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom spielt die MRCP, ebenso wie bei den seltenen zystischen serösen oder muzinösen Pankreastumoren, derzeit eher eine untergeordnete Rolle. Über die reine Gangdarstellung hinaus kann die MR-Tomographie wichtige Zusatzinformationen bei der Gesamtdarstellung des Pankreas, der Gefäße und mit Einschränkung auch der regionalen Lymphknoten liefern. Diese Informationen lassen sich jedoch auch mit der Computertomographie oder der Sonographie gewinnen. Die Zuordnung, ob es sich bei einem Tumor des Pankreaskopfes um einen echten Papillentumor oder ein distales Gallengangskarzinom, beziehungsweise Pankreasadenokarzinom handelt, ist nach den bisherigen Erfahrungen mit der MRCP schwierig (15). Die ERCP bietet hier noch den Vorteil, daß die Papille und ihre Funktion direkt oder unter Röntgenkontrolle inspiziert werden kann. Wertung und Ausblick Als derzeit wichtigste Indikation zur MRCP kann, neben der technisch nicht durchführbaren ERCP (Abbildung 3), die Choledocholithiasis angesehen werden. Die MRCP weist in der Diagnostik von Gallengangsteinen der ERCP vergleichbare diagnostische Treffsicherheiten auf. Ihre Rolle in der Diagnostik von Gallengang- und Pankreastumoren ist noch nicht hinreichend definiert, jedoch ermöglicht die MRCP immer eine Darstellung des gesamten Gallenwegs und Pankreasgangsystems, unabhängig von der Lokalisation der tumorbedingten Stenose. Darüber hinaus kann sie im gleichen Untersuchungsgang mit einer üblichen MRTomographie und auch MR-Angiographie kombiniert werden, so daß neben der Gangdarstellung auch eine Organ-, Gefäß- und Lymphknotenbildgebung möglich ist. Ihr Vorteil gegenüber der ERCP ist die fehlende Invasivität, die zugleich auch ihr Nachteil ist, da sie nicht die Möglichkeiten der Papillotomie und Steinentfernung bietet. Eine rein diagnostische ERCP kann jedoch heute durch die MRCP ersetzt werden. Im Vergleich zur Sonogra- phie ist die MRCP untersucherunabhängig und ist nicht von patientenbedingten Faktoren wie Adipositas oder starker Darmgasüberlagerung bei der Darstellung der extrahepatischen Gallenwege abhängig. Wo sich die MRCP in Zukunft in den diagnostischen Algorithmus bei Gallenwegserkrankungen einreihen wird, kann derzeit noch nicht endgültig bestimmt werden. Neben der Verfügbarkeit des Verfahrens wird nicht zuletzt auch der Kostenfaktor eine wichtige Rolle spielen, der nicht zu Ungunsten der MRCP ausfallen muß. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1999; 96: A-2297–2301 [Heft 37] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist. Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Gerhard Adam Klinik für Radiologische Diagnostik Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Pauwelsstraße 30 · 52074 Aachen Risikofaktoren für die sporadische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Um mögliche, bisher unbekannte Risikofaktoren für die sporadische Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) zu finden, führte eine Gruppe australischer Wissenschaftler eine bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Studie mit 241 Patienten (entweder mit neuropathologisch bestätigter oder klinisch diagnostizierter CJD) und 784 Kontrollpersonen durch. Dabei stellte sich heraus, daß chirurgische Eingriffe offenbar das Risiko für CJD signifikant erhöhen. Gleiches galt für Wohnort oder Arbeit auf einer Farm oder auf dem Markt, wenn diese länger als zehn Jahre dauerte. Keine Zusammenhänge wurden gefunden für Bluttransfusionen oder Organtransplantationen, ausgedehnte zahnärztliche Behandlungen oder andere Berufe. Diese Ergebnisse, so die Wissenschaftler, bestätigen die Hypothese, daß es bei Operationen auf bisher unbekannte Weise zu Kontaminationen mit CJD kommen könnte und dies als Ursache eines Teils der sporadisch auftretenden Fälle gelten könnte. Um die Hypothese zu festigen, sind jedoch nach Ansicht der Forschungsgruppe weitere unabhängige Studien notwendig, die versuchen sollten, dieses Ergebnis zu wiederholen. silk Collins S, Law MG: Surgical treatment and risk of sporadic Creutzfeldt-JakobDisease: a case-control-study. Lancet 1999; 353: 693–697. Dr. S. Collins, Australian National Creutzfeld-Jakob Disease Registry, Department of Pathology, University of Melbourne, Parkville, Victoria, 3052 Australia. Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 (57) A-2301 M E D I Z I N KOMMENTAR/FÜR SIE REFERIERT U Kein Vorteil bei liberalem Transfusionsregime nter der Sektion „Für Sie referiert“ wurde im Deutschen Ärzteblatt, Heft 21, vom 28. Mai 1999, über eine kontrollierte, multizentrische Studie berichtet, in der bei 838 Intensivpatienten die Auswirkungen eines liberalen Transfusionsregimes (angestrebter Hämoglobinwert: 10 bis 12 g pro dl) mit einem restriktiven Transfusionsregime (angestrebter Hämoglobinwert: 7 bis 9 g pro dl) auf die Letalität beziehungsweise Morbidität der Patienten verglichen wurden (Hébert et al., N Eng J Med 1999; 340: 409–417). Leider wurden hierbei einige der Kernaussagen dieser äußerst bedeutsamen Untersuchung mißverständlich beziehungsweise falsch dargestellt. So ist es nicht richtig, daß die Krankenhausletalität in beiden Gruppen von Patienten gleich war. Vielmehr verstarben in der restriktiv trans- fundierten Gruppe mit 22,2 Prozent signifikant weniger Patienten als in der liberal transfundierten Gruppe mit 28,1 Prozent (p = 0,05). Auch belegen die in der Veröffentlichung angegebenen Daten nicht – wie in der Zusammenfassung im Deutschen Ärzteblatt irrtümlich angegeben – einen Vorteil höherer HämoglobinKonzentrationen bei den Patienten mit kardialen Erkrankungen. Vielmehr fand sich bei Patienten mit kardialen Erkrankungen kein signifikanter Unterschied in der Letalität innerhalb der ersten 30 Tage in Abhängigkeit vom Transfusionsregime (20,5 Prozent versus 22,9 Prozent, p = 0,69). Die Inzidenz neu aufgetretener kardialer Komplikationen (Myokardinfarkt, Lungenödem, Angina pectoris) lag insgesamt in der Gruppe der liberal transfundierten Patienten sogar jeweils deutlich höher als bei Karotischirurgie: zu häufig operiert? gen einer arteriellen Verschlußkrankheit sowie eine Hypertonie Prädiktoren, die für eine operative Intervention sprechen. Nur bei Vorliegen von vier oder mehr dieser Risikofaktoren empfehlen die Autoren die Karotischirurgie, die übrigen Patienten sollen konservativ behandelt werden. acc Daten der Europäischen KarotisThrombarteriektomie-Studie zeigen, daß symptomatische Patienten mit höhergradigen Stenosen der A. carotis interna von einer operativen Desobliteration profitieren. Statistisch gesehen müssen aber 80 Prozent der Patienten unnötigerweise operiert werden, um insgesamt das Schlaganfallrisiko in dieser Patientenpopulation zu reduzieren. Dieser hohe Prozentsatz von Patienten wäre nach retrospektiver Auswertung der Daten durch eine konservative medikamentöse Therapie alleine bereits ausreichend behandelt. Mittels Analyse der Daten von 990 Patienten wurden Risikofaktoren identifiziert, die in Zukunft eine bessere Stratifizierung der Patienten zulassen. Dabei sind eine transitorische ischämische Attacke mit zerebraler versus okulärer Symptomatik, Plaque-Irregularitäten, kurze Anamnesedauer, weibliches Geschlecht, gleichzeitiges Vorlie- Rothwell PM et al.: Prediction of benefit from carotid endarterectomy in individual patients: a risk-modelling study. Lancet 1999; 353: 2105–2110. Dr. P. M. Rothwell, Department of Clinical Neurology, Radcliffe Infirmary, Oxford, OX2 6HE, England. Toxoplasmose in der Schwangerschaft Frauen, die während der Schwangerschaft an Toxoplasmose erkranken, müssen wegen des damit verbundenen erhöhten Risikos für das Neugeborene medizinisch beraten werden. Hierzu liegen bisher keine zuverlässigen Daten aus größeren Studien vor. Eine englisch-französische Forschergruppe A-2302 (58) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 37, 17. September 1999 Patienten, bei denen eine niedrige Hämoglobin-Konzentration toleriert wurde. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß Patienten mit instabiler Angina pectoris beziehungsweise manifestem Myokardinfarkt von der Studie ausgeschlossen waren, so daß eine definitive Aussage zu Nutzen und Risiko der Fremdbluttransfusion beziehungsweise zur Frage der optimalen Hämoglobin-Konzentration bei diesem speziellen Patientenkollektiv derzeit nicht möglich ist. Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Bernhard Zwissler Klinik für Anästhesiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München Klinikum Großhadern Marchioninistraße 15 81377 München analysierte Daten von 603 nachgewiesenen maternalen Toxoplasmoseinfektionen während einer Schwangerschaft. 564 Patientinnen wurden wegen ihrer Erkrankung gemäß gültigen Richtlinien antiparasitär behandelt. Bei 161 Fällen ließ sich trotzdem eine kongenitale Infektion nachweisen, diese Kinder wurden über viereinhalb Jahre nachbeobachtet. Die Gesamtrate an maternal-fetaler Transmission lag bei 29 Prozent, die Übertragung trat in der Spätschwangerschaft deutlich häufiger auf als in der Frühphase. Dagegen zeigte sich gegenüber den in der Spätschwangerschaft auftretenden Infektionen gerade bei den Transmissionen in der Frühschwangerschaft ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko mit schwereren Verläufen für die Neugeborenen. acc Dunn D et al.: Mother-to-child transmission of toxoplasmosis: risk estimates for clinical counselling. Lancet 1999; 353: 1829–1833. Dr. Gilbert, Department of Epidemiology and Public Health, Institute of Child Health, University College London Medical School, London WC1N 1EH, England.