Das ultimative klinische Anästhesiologie Repetitorium SS06 EINFÜHRUNG, PHYSIOLOGISCHE GRUNDLAGEN Allgemeines • Hab in den Folien nichts wirklich nennenswertes gefunden, die Physio-Basics wird ja wohl noch jeder beherrschen ;-) SICHERUNG DER ATEMWEGE, INHALATIONSANÄSTHESIE Vor der Narkose • Blutdruckmessung, EKG, Sauerstoffsättigung, intravenöser Zugang (peripher oder/und zentral) • Mallampati-Klassifikation zur groben Vorhersage des problematischen Atemweges: I Gaumenpfeiler und Uvula vollständig sichtbar II Gaumenpfeiler und Uvula sichtbar, Uvulaspitze verdeckt III Nur Uvulabasis sichtbar IV Uvula nicht sichtbar, nur weicher Gaumen Inhalationsanästhetika • Blut-Gas-Verteilungskoeffizient: hoch=hohe Konzentration im Blu aber auch langsame An- und Abflutung Halothan (2,3) > Enfluran (1,8) > Isofluran (1,4) > Sevofluran (0,7) > N2O (0,5) > Desfluran (0,4) • Isofluran, Sevofluran und Desfluran haben aber vergleichsweise hohe Gehirn-Blut-Verteilungsmengen, sodass die relativ kleineren Blutkonzentrationen gut „ins Hirn kommen“, wo sie ja wirken sollen • MAC=Minimale alveoläre Konzentrationen: alv. Konzentration, bei dem 50% aller Patienten auf einen Hautschnitt nicht mehr reagieren (auch ED50, „effective dose 50%“, es gibt auch ED95) • MAC: N2O (105%) > Desfluran (6,0%) > Sevofluran (2,1%) > Enfluran (1,6%) > Isofluran (1,3%) > Halothan (0,8%) • MAC mit 70% N2O: Desfluran (2,8%) > Sevofluran (1,1%) > Enfluran (0,6%) > Isofluran (0,5%) > Halothan (0,3%) • besitzen (dosisabhängig) negative Auswirkungen auf die Myokard- und Gefäßfunktion sowie auf die Atemregulation, • unterliegen der Biotransformation; manche Metabolite können (selten) Leber- oder Nierenschäden verursachen • FCKWs Halothan, Enfluran und Isofluran tragen zur Zerstörung der Ozonschicht der Atmosphäre bei • Problem N2O: Diffusion in luftgefüllte Hohlräume (Pneumothorax, Ileus, Mittelohr, Tubus-Cuff, Diffusions-Hypoxie) • Problem halo. KW: Muskelrelax. (Skelett + glatt), Bronchien: Spasmolyse, Uterus: postpartaleKontraktionsstörungen, zerebrale Vasodilatation → Zunahme Hirndruck „coronary steal” ? (Minderperfusion starrer stenotischer Bereiche) Sensibilisierung des Myokards gegen Katecholamine, Abnahme der GFR, Trigger maligne Hyperthermie Wirkweise von Inhalationsanästhetika • Meyer-Overton-Regel: Inhalationsanästhetika verändern Lipidschichten in Zellmembranen und so Membranfunktion • Protein-Rezeptor-Hypothese: Bindung an Rezeptorproteine mit folgender Beeinflussung der Rezeptor-Eigenschaften • Neurotransmitter-Hypothese: Hemmung des Abbaus von z.B. GABA INTUBATION, INTRAVENÖSE ANÄSTHESIE, SEDIERUNG Intubation • orotracheale Intubation, (blind) nasale Intubation, fiberoptische Intubation • mögliche Probleme: Cuff im Larynx, einseitige Intubation, Cuffhernie, oesophageale Fehllage Anästhetika-Klassifikation • Holoencephale Narkotika (assoziierte Anaästhesie): Inhalationsanästhetika, Barbiturate • Telendiencephale Narkotika (dissoziierte Anaästhesie): Ketamin • Telencephale Hypnotika: Etomidat, Propofol • Dienmesencephale Hypnotika/Sedativa: Benzodiazepine, Neuroleptika • Dienmesencephale Analgetika: Opioide • Wirkungsbeendigung durch Umverteilung, Biotransformation, Elimination (Lunge, Niere, Darm), Anatagonisierung Barbiturate • kurz wirkende Barbiturate: Hexobarbital, Methohexital, Thiopental (Trapanal) • Wirkungsbeendigung durch Umverteilung; Kumulation • hepatische Enzyminduktion: Steroide, orale Antidiabetika, Kontrazeptiva • Kontraindikation bei Porphyrie (AIP) (Induktion der δ-ALA-Synthethase) • Depression Herz-Kreislauf und Atmung, allergische Reaktionen (Histaminfreisetzung) • Gewebsschäden nach Fehlinjektion SEITE 1 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Ketamin (Ketanest) • oberflächliche Bewusstlosigkeit mit guter Analgesie, Spontanatmung und -bewegung • halluzinogene Wirkungen (Phencyclidin-Derivat) • Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs (gelegentlich Arrhythmien) • Erhalt der pharyngealen / laryngealen Schutzreflexe (aber gelegentlich reflektorischer Laryngospasmus; Aspiration grundsätzlich möglich !) • bronchodilatatorische Effekte • Hypersalivation; postoperativ Übelkeit und Erbrechen • kleine Eingriffe an der Körperoberfläche (möglichst nicht ambulant) • intramuskuläre Einleitung bei unkooperativen Patienten • Analgesie / Anästhesie bei häufigen Verbandswechseln (z.B. bei Verbrennungspatienten), Rettungswesen • Analgosedierung (Kombination mit Midazolam), Status asthmaticus (sehr hohe Dosen erforderlich !) Etomidat • selbst in hohen Dosen nur hypnotisch wirksam; sehr kurze Wirkdauer wird durch erforderliche Prä- und Begleitmedikation hinfällig • außerordentlich kreislaufschonend, sehr große therapeutische Breite; keine Histaminfreisetzung • exzitatorische Phänomene bei der Einleitung (Husten, Schluckauf, Myoklonien, Dyskinesien) • schlechte Venenverträglichkeit • Metabolismus in Leber und Blut (Cholinesterase) • Hemmung der Corticosteroidsynthese in der NNR Propofol • kurzwirksames Hypnotikum ohne (?) analgetische Wirkung; Einleitung ohne Prä- oder Begleitmedikation möglich • weniger kreislaufdepressiv als Barbiturate (ausgeprägter bei älteren Patienten undKoronarinsuffizienz, verstärkt durch Betablocker) • keine Exzitationen bei Ein- oder Ausleitung • Venenverträglichkeit unterschiedlich (Injektionsschmerz) • Metabolismus in der Leber (Konjugation) • keine Hemmung der NebennierenrindenfunktionAnalgesie / Anästhesie bei häufigen Verbandswechseln (z.B. bei Verbrennungspatienten), Rettungswesen • Analgosedierung (Kombination mit Midazolam), Status asthmaticus (sehr hohe Dosen erforderlich!) Anästhesieformen • Neuroleptanalgesie (NLA): Prämedikation mit Fentanyl/Dehydrobenzperidol (DHP), Einleitung und Unterhaltung mit Fentanyl/DHP/N2O, hervorragende hämodynamische Stabilität, gute postoperative Analgesie, (Opioid-Überhang) • TIVA (total intravenous anaesthisia): Propofol, Opioide, Verzicht auf N2O • Analgosedierung: Opioide, Barbiturate, Propofol, Etomidat, Benzodiazepine, Neuroleptika, Ketamin Benzodiazepine sedierend/hypnotisch, anxiolytisch, amnestisch, antikonvulsiv, (zentral) muskelrelaxierend • Benzos sind indirekte GABA-Agonisten; sie erhöhen die Affinität von GABA am Rezeptor -> Hyperpolarisation • Neuroleptika • Phenothiazine (Promethazin [Atosil], Triflupromazin [Psyquil]...), Bytrophenone (Droperidol, Haloperidol [Haldol]) • Neurolepsie, antiemetischer Effekt, antiallergischer Effekt, Potenzierung von Analgetika und Hypnotika, α-Blockade • Dopamin-Anatgonisten VORUNTERSUCHUNGEN, AUFKLÄRUNG, PRÄMEDIKATION Präoperative Visite • Einsicht in das Krankenblatt • Kontaktaufnahme, Vertrauensverhältnis • Anamnese, körperliche Untersuchung, Laborwerte, sonstige Befunde • vorbestehende Medikation, Vorbehandlung, Auswahl des Anästhesieverfahrens • dokumentierte Aufklärung und Einwilligung SEITE 2 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Risikoklassifikation - American Society of Anesthesiologists (ASA)-Status • ASA 1: gesunder Patient • ASA 2: Patient mit geringen Systemerkrankungen (z.B. chronische Bronchitis, mäßiges Übergewicht, diätetisch eingestellter Diabetes, medikamentös eingestellte Hypertonie) • ASA 3: Patient mit schweren Systemerkrankungen (z.B. koronare Herzerkrankung mit Angina pectoris, insulinabhängiger Diabetes, mäßige bis schwere pulmonale Insuffizienz) • ASA 4: Patient mit schwerster Systemerkrankung und konstanter Lebensbedrohung • ASA 5: moribunder Patient • inverser Zusammenhang: je höher die soziale Schicht, desto geringer ist die Erkrankungs-/Sterbewahrscheinlichkeit, und je niedriger die soziale Schicht desto größer ist die Mortalität/Morbidität körperliche Untersuchung Allgemein- und Ernährungszustand, Bewusstsein, Pupillenbefund, Beurteilung der Intubationsbedingungen • Zahnstatus, Beweglichkeit der Halswirbelsäule, Struma, (Vollbart ?) • Blutdruck, Auskultation von Lungen und Herz, ggf. Carotiden, Hautkolorit, Ödeme, Stauungszeichen • Inspektion von Injektionsgebieten, insbesondere bei geplanter Lokal- und Leitungsanästhesie • Hyomentaler Abstand • (zwischen Kinn und Zungenbein) zur Abschätzung der Größe des Mandibularraums bei maximaler Dorsalflexion des Kopfes: normal > 2 Querfinger. Je größer der Abstand ist, desto besser kann der Pharynx mit Hilfe des Laryngoskops eingestellt werden, da ausreichender Platz für die Verdrängung der Zunge vorhanden ist. BGA-Interpretation • 1) Was ist los? Azidose / Alkalose→ pH 2) Warum? respiratorisch / metabolisch → pCO2, HCO3 • Faustregeln (Normalwerte pH = 7.40, pCO2 = 40, HCO3 = 24): bei respiratorisch bedingten pCO2-Abweichungen um 10 mm Hg ändert sich der pH a) akut um 0.08 Einheiten b) chronisch (Kompensation) um 0.03 Einheiten bei HCO3-Abweichungen um 10 mval/l ändert sich der pH um 0.15 Einheiten Anpassung der laufenden Medikation • Medikamente mit Wirkungen auf das Herz-Kreislauf- sowie das respiratorische System sowie Antiepileptika werden in der Regel belassen • Thrombozytenaggregationshemmer sollten 1 Woche vor der OP abgesetzt werden • Die Weiterverwendung von Antidiabetika wird derzeit kontrovers diskutiert • Die Auswirkungen der meist lang wirkenden Antidepressiva (erhöhte Sensibilität gegenüber Katecholaminen) und anticholinergen Neuroleptika (Dopamin-Antagonisten)erfordern ein angepasstes kardiovaskuläres Monitoring Aufklärung • Negative Folgen, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten können, müssen in Bezug gesetzt werden zu dem erwarteten Gewinn aus dem Eingriff • Typische Risiken bei Allgemeinanästhesie: Zahn-, Stimmband- oder Nervenschäden, Luftwegs- und Beatmungsprobleme, Aspiration, Allergie, Herzstillstand • Bei ernsten Folgen ist auch über extrem seltene Risiken aufzuklären • Eine Aufklärung nach Verabreichung der Prämedikation ist rechtlich unwirksam! Einwilligung • Die Wirksamkeit der Einwilligung ist von der Einwilligungsfähigkeit und diese von der Aufklärung über typische und wesentliche Risiken abhängig • Die (Stufen-) Aufklärung muss rechtzeitig erfolgen, regelmäßig spätestens am Vorabend der Operation • Für nicht Einwilligungsfähige ist der gesetzliche Vertreter zuständig (beide Elternteile ?); Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sind beschränkt einwilligungsfähig und sollten mit unterzeichnen • Bei Bewusstlosen ist vom mutmaßlichen Patientenwillen auszugehen (Geschäftsführung ohne Auftrag, rechtfertigender Notstand) SEITE 3 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Prämedikation • Anxiolyse (ausreichender Nachtschlaf) • Sedierung, Amnesie ? • Prophylaxe: Aspiration (Volumen und pH des Magensafts), Hypersalivation, allergische Reaktionen, vagale Stimulation bei Narkoseeinleitung • Präventive Schmerztherapie BEATMUNG, BLUTGASANALYSE Narkosesystem • Halboffenes Narkosesystem: Frischgaszufuhr und Exspirationsluft durch Nichtrückatmungsventil (Ambu) streng getrennt • Halbgeschlossenes Narkosesystem: regelbare Rückatmung mit CO2-Absorber Lunge • Compliance: Volumendehnbarkeit der Lunge; verändert bei Pneumonie, Lungenödem, Lungenfibrose, ARDS, Aspiration, Zwerchfellhochstand, Pleuraerguss, Pneumothorax, Hämatothorax • Resistance: Strömungswiderstand in den Atemwegen: verändert bei Asthma, COPD, funktionelle Stenose der Atemwege (Tubus, Trachealkanüle) Beatmung • IPPPV = intermittent positive pressure ventilation • CPPV und PEEP = continious positive pressure ventilation, positive endexpiratory pressure, zur Vermeidung von Atelektasen • normales Verhältnis I:E =1:2; I:E=3:1 Inspirationsverlängerung zur Verbesserung des Gasaustausches in geschädigten Alveolarbereichen PEEP • Eröffnung atelektatischer Bezirke, Verminderung des Alveolarkollapses, Verbesserung der Atemgasverteilung • Abnahme des intrapulmonalen Rechts-Links-Shunts, Zunahme der funktionellen Residualkapazität (FRC) Nebenwirkungen der Beatmung • Steigerung des intrathorakalen Drucks • Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen • Steigerung des pulmonalen Gefäßwiderstandes • Abfall des Herzzeitvolumens • Verminderung der Nieren-, Leber- und Splanchnikus-Durchblutung • Hirndruck-Steigerung durch Behinderung des venösen Rückstroms aus dem Gehirn • Barotrauma der Lunge Zielparameter der Beatmung • Sättigung > 95%; paO2 > 80 mmHg; paCO2 36-42 mmHg; pETCO2 32-38 mmHg • FiO2 30-50%; Atemfrequenz 8-15/min; Tidalvolumen 8-10 ml/kg; I:E=1:2; PEEP 5-15 cm H2O Monitoring Atmung - Beatmung • visuell: Beweglichkeit von Zwerchfell, Thorax und Atembeutel • auskultatorisch: präkordiales oder ösophageales Stethoskop • apparativ: Volumeter, Beatmungsdruck, Oxymetrie, Kapnometrie, Blutgasanalyse, Apnoe-Alarm Veränderungen des ETCO2 • CO2-Produktion: Anstieg bei Hyperthermie, Muskelaktivität, Sepsis; Abfall bei Hypothermie, Hypometabolismus • CO2-Elimination: Anstieg bei Hypoventilation, Rückatmung; Abfall b ei Hyperventilation, Hypoperfusion, Embolie SEITE 4 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Alveolär-arterielle Sauerstoffdifferenz (AaDO2) • AaDO2 = pAO2 – paO2 • paO2 gemessen; pAO 2= pba­ pH 2 O⋅FiO 2­ p a CO 2 RQ Ursachen für eine AaDO2 -Erhöhung • Störungen des Gasaustausches: Pneumonie, Lungenödem • Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses mit pulmonalem Shunt: Asthma bronchiale, Atelektasen, Pneumothorax • kardialer Rechts-Links-Shunt ANALGESIE, RELAXATION injizierbare antipyretisch-antiphlogistische Analgetika • Acetylsalicylsäure (Aspirin) • Paracetamol (Perfalgan) • Parecoxib (Dynastat) • Metamizol/Novaminsulfon (Novalgin) Opioide • Agonisten: Hydromorphon, Methadon, Morphin, Oxycodon, Pethidin, Piritramid, Tilidin, Tramadol • Agonist-Antagonisten: Buprenorphin, Nallbuphin, Pentacozin • Antagonisten: Naloxon, Naltrexon • Äquipotenzliste: Morphin = 1, Alfentanil = 10, Fentanyl = 100, Remifentanil = 100, Sufentanil = 1000 • jede Stimulation der Formatio reticularis des Hirnstamms ist ein funktioneller Antagonist der opiatbedingten Atemdepression! • Antagonisierung mit Naloxon: verdünnt auf 10 ml, langsam titrieren; rasche Wirkung, kurze Wirkdauer -> Rebound! Succinylcholin (depolarisierendes Muskelrelaxans) • kürzeste Anschlagzeit und Wirkdauer aller Relaxanzien • Erregung muskarinartiger cholinerger Rezeptoren des Sinusknotens (Bradykardie, Knotenrhythmus, ventrikuläre Arrhythmie, ggf. Asystolie; Atropin- Vorgabe) • Muskelfaszikulationen: Kaliumfreisetzung, Muskelkater, Erhöhung des gastrointestinalen, intraokulären und intrakraniellen Druckes, Präcurarisierung sinnvoll • Wirkungsverlängerung bei atypischer Cholinesterase • Triggersubstanz der malignen Hyperthermie • Rhabdomyolyse bei undiagnostizierten Muskelerkrankungen (TE bei Vorschulkindern !) • Anschlagzeit bei ED95: 1 Minute; Wirkzeit nach 2facher ED95: 7-12 Minuten • Elimination: 100% Esterspaltung Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien • kompetitiver ACh-Antagonismus, Curare-Typ mit Spontanerholung / Antagonisierung • Aminosteroid-Muskelrelaxanzien: Pancuronium, Vecuronium (Norcuron), Rocuronium (Esmeron) • Benzylisochinolin-Muskelrelaxanzien: Atracurium (Tracrium), Cis-Atracurium (Nimbex), Mivacurium (Mivacron) • Anschlagzeit bei ED95: 3-5 Minuten; Wirkzeit nach 2facher ED95: Miva 20-30 Min., Atra 50-70 Min, Pan 100-150 Min. • Elimination: Pan-, Veco-, Rocuronium via Leber & Niere; Atracurium & Mivacurium 10% Niere und Spaltung/Hoff. Klinische Beurteilung der Muskelrelaxation • intraoperativ: Rückkehr von Spontanbewegungen, Bauchpresse, Tonus der Fingermuskulatur • postoperativ: Augenöffnen und Fixieren, Stärke des Händedrucks, Arm-Anheben, Kopfheben und -halten SEITE 5 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Apparative Beurteilung der Muskelrelaxation (elektrische Nervenstimulation) • Einzelreize: im Abstand von > 10 sec, positiv ab Blockade von 75- 80% aller Rezeptoren, reaktionslos bei 90- bis 95%iger Blockade • Train of Four (TOF): 4 Einzelreize im Abstand von je 0,5 sec (2 Hz); bei nur noch 2 erkennbaren Zuckungen ist eine 90- bis 95%ige Blockade anzunehmen • Tetanische Reizung (50 Hz), Mechanomyographie Train Of Four Ratio (TOFR) • Verhältnis von letzter zu erster Zuckung • TOFR < 0,6: noch Zeichen der Muskelschwäche (Ptosis, Schluck- und Sprechschwierigkeiten) • TOFR 0,6 – 0,7: Hinweis auf ausreichende muskuläre Atemtätigkeit, jedoch können subjektiv noch Atembeschwerden bestehen • TOFR > 0,7: (4. Reizantwort entspricht mindestens 70% der ersten) Zeichen der neuromuskulären Erholung (Augenöffnen, Zunge herausstrecken, Kopfheben) • TOFR > 0,8: Vitalkapazität und Inspirationskraft haben sich normalisiert • TOFR > 0,9: Die Funktion der Pharynxmuskulatur ist wiederhergestellt. Erst jetzt kann eine klinisch relevante Restblockade sicher ausgeschlossen werden! Begründung der Muskelrelaxation • schonende endotracheale Intubation schnelle Intubation zur Aspirationsprophylaxe („Crash-Einleitung“) • erleichterte Beatmung • Service für den Operateur VOLUMENERSATZ, THERAPIE MIT BLUTKOMPONENTEN Flüssigkeitstherapie: Erhaltungsbedarf • 4-2-1-Faustregel • 4: für erste 10 kg = 4 ml/kg/h • 2: für zweite 10 kg = 2 ml/kg/h • 1: für jedes restliche kg = 1 ml/kg/h kristalloide Volumenersatzmittel • können ungehindert durch Zellmembranen diffundieren; 80% verlassen rasch den Intravasalraum und verteilen sich im Interstitium • sinnvoll zur Korrektur eines intravasalen und interstitiellen Flüssigkeitsdefizits (z.B. Dehydratation, mod. Blutverlust) • Risiken bei übermäßiger Infusion: Überwässerung und Ödembildung, pulmonaler und kapillärer Gasaustausch ↓ • Elektrolytlösungen (z.B. NaCl, Ringer-Laktat, Sterofundin) werden je nach ihrer ionalen Zusammensetzung im Vergleich zu Plasma als Voll- oder Halb-Elektrolytlösungen bezeichnet • 5%ige Glucose wird schnell zu freiem Wasser metabolisiert (Zellhydrops) kolloidale Volumenersatzmittel • kolloidosmotische Druck (KOD) des Plasmas beruht zu etwa 80% auf der Albumin-Fraktion, ~26-28 mmHg • enthalten hochmolekulare Substanzen mit MG > 10.000, können nicht durch Zellbrembranen diffundieren • isoonkotisch: Wasserbindungsfähigkeit genauso so groß wie bei den Plasmaproteinen -> Plasmaersatzmittel • hyperonkotisch: Wasserbindungsfähigkeit größer als bei den Plasmaproteinen und ziehen somit Wasser aus dem Gewebe in den Intravasalraum -> Plasmaexpander • Dextrane werden heute praktisch nicht mehr verwendet („coating“ von Thrombozyten mit Beeinträchtigung der Gerinnung; anaphylaktischer Schock = Kreuzreaktion gegen weit verbreitete Antikörper gegen bakterielle Polysaccharide; Nierenfunktionsstörungen, besonders bei dehydrierten Patienten) • Gelatinepräparate werden rasch über die Niere ausgeschieden (osmotische Diurese) anaphylaktische Reaktionen sind seltener als bei Dextranen • Volumenersatz mit Humanalbumin ist nicht mehr indiziert • Hydroxyethylstärke (HES) als MdW, HES 130 hat Volumeneffekt von 120%, HES 200 hat Volumeneffekt von 150% SEITE 6 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Perioperative Infusion (Beispiel eines 70 kg Patienten) Ursachen eines Volumenmangels • Verlust von Blut: Trauma, Operation, Magen-Darm-Trakt, Aneurysma-Ruptur, geburtshilfliche Blutung, Gerinnungstörungen… • Verlust von Plasma: Verbrennung, Peritonitis, Anaphylaxie • Verlust von Wasser/Elektrolyten: Magen-Darm-Trakt, Schwitzen, endokrinologische Erkrankungen… Kritischer Hb: Abwägung der Transfusion • kardial und zerebral nicht vorgeschädigten Patienten, stabile klinische Situation mit Normovolämie Normoxie und Normothermie: Hb-Konzentration von 7 g/dl keine Indikation zur Transfusion! • oberhalb 7 g/dl Hb ist eine Transfusion nur bei Hypoxiezeichen und persistierendem Blutverlust indiziert: Tachykardie, ST-Strecken-Senkung, Anstieg der Laktat-Konzentration, negativer BE, verminderte gemischt- oder zentralvenöse Sauerstoff-Sättigung • Allgemein: Hb 6 g/dl „fast immer“, Hb 10 g/dl „fast nie“ Transfusionsrisiken • Hämolytische Transfusionsreaktionen: Blutgruppeninkompatibilität (akute hämolytische Transfusionsreaktion), alte Konserven, thermische Schäden (Blutwärmesysteme), bakterielle Kontamination • Transfusions-assozierte Infektion: Hepatitis-B, -C, Zytomegalie, HIV • Allergische Transfusionsreaktion • Transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI-Syndrom), Verschlechterung des pulmonalen Gasaustausches, wahrscheinlich immunologisch (HLA-AK) vermittelt • Immunsuppression Akute hämolytische Transfusionsreaktion • Hämolytisch wirksame AK gegen Erythrozyten: ABO-System (intravasale Hämolyse), 80% menschliches Versagen (Verwechseln von Konserven) • Symptome (unter Narkose abgeschwächt!): Schüttelfrost, Fieber, Tachypnoe, Tachykardie, Hämolyse, Hämaturie, diffuse Blutung im OP-Gebiet, RR ↓ • Therapie: Transfusion abbrechen, Volumengabe, Katecholamine (symptomatische Schocktherapie), HistaminAntagonisten, Kortikoide, Furosemid, Heparinisierung erwägen (Verbrauchskoagulopathie), Blasenkatheter (Urinkontrolle auf Hämolyse), Ev. Austauschtransfusion, ABO-Test wiederholen (Spender + Empfänger), Restkonserve steril zurück an Blutbank Massiv-Transfusion • Uneinheitliche Definition • Temperaturabfall (Rhythmusstörungen) • Störung der Blutgerinnung: Verlustkoagulopathie durch Blutung, Dilutionskoagulopathie, Verbrauch • Zitratintoxikation: Bindung ionisierten Kalziums, Bestimmung und Substitution des Serumkalziums • Hyperkaliämie (Alter der Konserven) • Azidose (Erythrozyten-Stoffwechsel) SEITE 7 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Verschiebung der Sauerstoffbindungskurve: Azidose, 2,3 DPG-Abfall, Temperatur • Faustregel: ab 5. EK zusätzlich FFP (EK/FFP = 1:1 oder 2:1), intermittierende Gerinnungsanalyse (Trigger für Thrombozytentransfusion: 50-60.000/μl), Kalziumgabe nach Kalziumspiegel • LOKAL- UND REGIONALANÄSTHESIE, LOKALANÄSTHETIKA Einsatz von Lokalanästhetika • Oberflächenanästhesie (transdermal, Schleimhäute; intravenös) • Infiltrationsanästhesie • Nervenblockaden • Plexusanästhesien • Rückenmarksnahe Regionalanästhesie (Spinal- und Epiduralanästhesie) Lokalanästhetika Angriffsorte: Natrium-Kanal • Auswahlkriterien: Anschlagzeit, Wirkdauer, Toxizität • Prilocain mit Lidocain in EMLA-Creme, Verstoffwechselung über o-Toluidin:Met-Hb-Bildung • Bupivacain: lange Wirkdauer, geeignet für (postop.) Schmerztherapie, relativ hohe Kardiotoxizität • Adrenalin (meist 1:200.000) kontrahiert die ableitenden Gefäße -> Resorption (systemische Toxizität) ↓ Wirkdauer ↑ • Intravenöse Regionalanästhesie (IVRA) • i.v.-Zugang, Auswickeln, Doppelkammermanschette • Lidocain, Prilocain oder Mepivacain 40-80 ml (Arm bzw. Unterschenkel) • rascher Wirkungseintritt und –verlust, für OP-Zeiten von 30-40 min; ständige Überwachung • Vorsicht beim Öffnen des Tourniquet (frühestens nach 15 min): Gefahr zu rascher systemischer Resorption! • Kontraindikationen: Herzrhythmusstörungen, Gefäßerkrankungen, Neuropathien, Sichelzellanämie (Prilocain) Risiken und Nebenwirkungen der Spinalanästhesie • Blutdruckabfall, Bradykardie (Sympathikusblockade) • postspinaler Kopfschmerz • lagerungsbedingter Rückenschmerz • postoperative Blasenentleerungsstörungen • transitorisch- neurologisches Syndrom (TNS): Cauda equina, abakterielle Neuritis ? • Rückenmarksverletzung sehr selten • (epidurales) Hämatom, Abszess • hohe Spinalanästhesie (bis Th3 oder höher) • totale Spinalanästhesie mit Kreislauf- und Atemstillstand Postspinaler Kopfschmerz • höhere Inzidenz bei jungen Patienten, besonders in der Schwangerschaft • punktionsbedingtes Dura- Leck: (postpunktioneller) Liquorverlust ? Verlagerung von Gehirn und Rückenmark mit Zug an den Hirnhäuten und Gefäßen ? (abakterielle ?) Entzündung der Meningen ? • lageabhängig, leichtes Druckgefühl bis unerträglich • Therapie: Flachlagerung ? großzügige Flüssigkeitszufuhr ? Bauchbinde ? Analgetika- und Antiemetika-Gabe • bei längerem (?) Bestehen (> 7 Tage) epiduraler Blutpatch (6-10 ml Eigenblut), ggf. wiederholt Epiduralanästhesie (PDA) • segmentaler Block; Ausdehnung ist volumenabhängig • Diffusion ins RM über Spinalwurzeln -> langsamer Wirkungseintritt • „Loss of Resistance“- Technik: zur Identifizierung des Epiduralraums • für lumbale PDAs bei Erwachsenen sind (altersabhängig) bis zu 15 ml Lokalanästhetikum erforderlich • Testdosis: 3-5 ml LA vor der Hauptdosis, zur Identifikation einer versehentlichen intrathekalen oder intravasalen Injektion (Adrenalin-Zusatz) • Geburtshilfliche Katheter- PDA: Eröffnungsperiode über Th10-L1, Austreibungsperiode zusätzlich über Sakralsegmente (S2-S4) • Differentialblock bei Epiduralanästhesie: Niedrigprozentige Lokalanästhetika (z.B. Bupivacain oder Ropivacain 0,2- SEITE 8 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER 0,25% schalten vornehmlich die dünneren sensiblen Nervenfasern aus (Aδ, C), die Motorik (dicke Aα-Fasern) bleibt weitgehend erhalten: Geburtshilfe, postoperative Schmerztherapie; Sympathikolyse • Rückenmarksnahe Opioide: Laminae 2-3 und 5 enthalten zahlreiche Opiatrezeptoren – Einsparung von LA möglich Kontraindikationen der Regionalanästhesie • Allergie gegen Lokalanästhetika • entzündliche Veränderungen im Punktionsbereich • unkooperative Patienten • evtl. vorbestehende Nervenschädigung • Gerinnungsstörungen (Acetylsalicylsäure, Heparin, Cumarin) Klassifizierung von Nebenwirkungen Überempfindlichkeitsreaktionen • sekundäre Kreislaufbelastung (Sympathikusblockade) • Intoxikation = Überdosierung (Gehirn, Herz-Kreislauf) • Nebenwirkungen von Vasokonstriktor-Zusätzen • Intoxikation ZNS: Unwohlsein, metallischer Geschmack, Benommenheit, Schwindel, Ohrensausen, Konvulsionen -> sofort LA-Zufuhr stoppen! Hyperventilation mit hohem O2-Anteil, Sedierung, ggf. Antikonvulsiva • Intoxikation Herz-Kreislauf: Bradyarrhythmie, QRS-Verbreiterung, Blockbilder; neg. Inotropie, Vasodil., Asystolie -> kardiopulmonale Reanimation, ggf. Herz-Lungen-Maschine • AUFWACHRAUM, POSTOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE Aufwachraum • Aufgaben: Früherkennung und –behandlung von Organfunktionsstörungen als Folge von Anästhesie und Operation, Symptomkontrolle • Anforderungen: ständig verfügbare ärztliche Betreuung, Absaugmöglichkeit an jedem Bett, ausreichendes kardiopulmonales Monitoring (EKG, Blutdruck, Pulsoxymetrie) • Komplikationen: Übelkeit/Erbrechen 8,1 – 9,8 %, Ventilationsstörungen 6,9 – 8,1 %, Hypotension 2,1 – 2,7 %, Hypertension 1,1 – 2,0 %, kardiale Störungen 1,4 %, Vigilanzstörungen 0,6 – 2,9 %, Pulsoxymetrie • Unterscheidung oxygeniertes und Rest-Hb: desoxygeniertes Hb, CO-Hb (NW 1-2%, Raucher bis 18%), Met-Hb • Artefakte bei der Pulsoxymetrie: Bewegungen (Kältezittern), geringe Blutdruckamplitude (Hypotonie), periphere Durchblutungsstörungen, Farbstoffe (Bilirubin), Infrarotstrahler • fraktionelle Sättigung des Mehrkanaloxymeters (%): sO2 = [HbO2 / (HbO2 + Hb + CO-Hb + Met-Hb)] * 100 • funktionelle Sättigung des Pulsoxymeters (%): sO2 = [HbO2 / (HbO2 + Hb)] * 100 • Hypoxämie: verminderter Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut (arterieller pO2 typischerweise < 70 mm Hg) • Hypoxie: Erniedrigung des pO2 in den Körpergeweben (aerober Zellstoffwechsel vermindert) • Zyanose: > 5 g desoxygeniertes Hb in 100 ml Kapillarblut (arterielle sO2 typischerweise < 70-75%) Nebenwirkungen und KI von Cyclooxigenase-Hemmer • gastrointestinale Störungen und Blutungen, Natrium- und Wasserretention, allergische Reaktionen, selten Schock • Magen-Darm-Ulzera (cave: zusätzliche Glucocorticoide) • hämorrhagische Diathese • terminale Schwangerschaft (frühzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus) Opioide: sinnvolle Arzneimittelinteraktionen antipyretisch-antiphlogistische Analgetika • Spasmolytika • α2-Agonisten, z.B. Clonidin • Psychopharmaka (Benzodiazepine, Neuroleptika, tricyclische Antidepressiva, Ketamin) • Wundinfiltration zur postoperativen Schmerztherapie • Bupivacain oder Ropivacain 0,25 % • einmalig bei Operationsende (bis zu 40 ml = 100 mg) SEITE 9 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Katheterverfahren oder repetitive Injektionen sind beschrieben • Wirkdauer etwa 4 Stunden • kein Zusatz von Vasokonstriktoren (Wundheilung) • INTRA- UND POSTOPERATIVES MONITORING Monitoring • essentiell: Narkosegasmessung, Kapnometrie, Pulsoxymetrie, Blutdruck (nichtinvasiv), EKG-Monitor, Narkosegerät • verfügbar: ZVD-Messung, Relaxometrie, Notfall-Instrumentarium, Temperatur-Monitoring, Defibrillator, EKG Blutdruckmessung • nicht-invasiv (NIBP): CAVE Druckschäden; Manschette zu klein -> falsch hoch, zu groß -> falsch niedrig MAP = DAP + 1/3 (SAP - DAP) • invasiv: indirekte Beurteilung der Myokardkontraktilität, Analyse der hämodynamischen Auswirkungen von Rhythmusstörungen, Entnahme von Blutproben • vor A. Radialis-Punktion Allen-Test um Versorgung durch kontralaterale Seite sicherzustellen • Probleme von invasiv: Thrombosierung (ca. 3% permanenter Verschluss), lokale Infektion (1-3%), Hämatom im Punktionsbereich, periphere Durchblutungsstörungen, arteriovenöse Fistel; versehentliche intraarterielle Medikamenteninjektion; Entblutungsgefahr bei unbemerkter Diskonnektion Zentralvenöse Katheter (ZVK) • Punktionsorte: V. subclavia, V. jugularis interna, V. jugularis externa, V. basilica, V. cephalica • Lagekontrolle mit Rö-Thorax: optimale Lage in V. cava superior, 2 cm vor dem rechtem Vorhof • ZVD: Normal 1-10 (MW 5) mm Hg; Herzinsuffizienz (Beatmung, Pneu, Perikard-Tamponade)↑, Volumenmangel ↓ Rechtsverschiebung Sauerstoffbindungskurve bei gleichem pO2 wird weniger O2 an Hämoglobin gebunden, d.h. bei niedrigem pO2 (im Gewebe) wird mehr O2 abgegeben • Ursache: Erhöhung 2.3-DPG (Hyperkapnie, Azidose, Fieber) • Aussagekraft der Pulsoxymetrie • Wie lange dauert es, bis nach ausreichender Präoxygenierung und Einleitungsbeatmung mit 100% O2 eine einseitige Intubation anhand der sO2 erkannt wird ? • → bei FiO2 = 1 ist pO2 etwa 600-650 mm Hg; → bei pO2 = 100 mm Hg ist sO2 etwa 98%; • → bis sO2 -Abfall unter NW (95-98%) muss der pO2 um 500-550 mm Hg abfallen; → mehrere Minuten! Sauerstoffgehalt • Sauerstofftransportkapazität = Herzzeitvolumen * arterieller Sauerstoffgehalt • Hüfner-Zahl: 1 g Hb bindet 1,39 ml O2 → 15 * 1,39 = 21 ml O2 / 100 ml arterielles Blut • physikalische Lösung: 0,003 ml O2 pro 100 ml Blut und mm Hg pO2 → 0,003 * 100 = 0,3 ml O2 / 100 ml Blut (Raumluft); → 0,003 * 630 = 1,9 ml O2 / 100 ml Blut (FiO2 = 1) • ein normaler pO2 und eine normale sO2 schließen eine Hypoxie nicht aus, z.B. bei niedrigen Hb-Werten • Abnahme HZV oder Zunahme O2-Verbrauch: Abnahme gemischt-venöser O2-Gehalt (bei konstantem Hb: Abnahme gemischt-venöse Sättigung) • Abfall der gemischt-venösen Sauerstoffsättigung (Hb / HK konstant, Oxygenierung ausreichend) → Zunahme peripherer O2-Verbrauch, z.B. Maligne Hyperthermie, Hyperthyreose, Sepsis → Abnahme des HZV relativ zum peripheren Bedarf (Herzinsuffizienz), z.B. Infarkt, Intoxikation, Perikardtamponade, Spannungspneumothorax Körpertemperatur • Homöothermie: Kerntemperatur wird in engem Bereich (ca. 0,5 °C) geregelt • Poikilothemie:Erweiterung des Temperaturbereichs auf 3-4 ° (unter Anästhetika, v.a. bei älteren Menschen) • periphere Vasokonstriktion zur Vermeidung weiterer Wärmeverluste unter Poikilothermie erst bei etwa 34,5°C • Hypothermie führt zu verschiedenen Organdysfunktionen, bei kritisch kranken Patienten perioperative Mortalität ↑ • Temperaturmessung mit Thermistoren (rektale Messwerte fallen bei starker Zentralisation meist zu niedrig aus!) • Verminderung einer Auskühlung: Anhebung der Raumtemperatur, Zudecken mit angewärmten Tüchern, Anwärmen SEITE 10 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER von Beatmungsgasen, Infusionslösungen und Blutkonserven, Verwendung von low-flow-Anästhesietechniken • kardiale und pulmonale Risikopatienten < 35° sollten bis zur Wiedererwärmung auf > 36° sediert und beatmet bleiben -> vermeidet ausgeprägtes postoperatives Kältezittern („shivering“) (Zunahme O2-Verbrauch und CO2-Produktion) NARKOSEKOMPLIKATIONEN, ZWISCHENFÄLLE Komplikationen während der Anästhesie • primär anästhesiebedingt • Anästhesie als beitragender Faktor • primär operationsbedingt • Operation als beitragender Faktor • primär durch die Erkrankung des Patienten Definitionen • Narkosezwischenfall: Komplikation, die während oder im Anschluss an eine Narkose auftritt, in unmittelbarem Zusammenhang mit den Anästhetika oder anästhesiologischen Techniken steht und zum Tod oder zu bleibenden zerebralen Schädigungen führt • Mortalität: Tod, der vor Abklingen der Wirkung eines oder mehrerer Anästhesiemedikamente auftritt oder der durch ein Ereignis während der Wirkung dieser Pharmaka hervorgerufen wurde. • Morbidität: Nicht geplante und unerwünschte Wirkung einer Narkose hochgradig - Schädigung mit bleibender Behinderung; mittelgradig - schwerwiegende Schädigung und/oder verlängerter Krankenhausaufenthalt ohne bleibende Folgen; geringfügig - mäßige Schädigung ohne Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes oder Folgen Schäden im Rahmen der Intubation • Verletzung oder Ausbrechen von Zähnen (0,01-0,7%), Zahnrettungsbox, Konsil • Quetschung der Lippe, Verletzung von Nasen-, Rachen- und Trachealschleimhaut • Trachealruptur, Verletzung des Kehlkopfes (Stimmbandschäden 0,01-1%) • postoperative Heiserkeit, Halsschmerzen (bis 24%, ~ Tubusgröße, Cuffdruck; Dauer 2-3 Tage; Stimmverlust 0,4 %) • Auslösung vegetativer Reflexe bei zu flacher Narkose Vagus: Bradykardie, Broncho- und Laryngospasmus; Sympathikus: Tachykardie, Arrhythmie, Hypertonie Laryngospasmus • akuter Verschluss des Kehlkopfes durch anhaltenden Spasmus der echten + falschen Stimmbänder und aryepiglottischen Falten (vgl. Glottisschlussreflex: kurz dauernder Verschluss der echten Stimmbänder) • partiell: Stridor, total: paradoxe Atembewegungen • Auslösung meist in zu flacher Narkose: Blut oder Sekrete in den oberen Atemwegen, Tubus, viszerale und andere Schmerzreize, Extubation im Exzitationsstadium; Kinder bevorzugt (bis 2%) • Unbehandelt kommt es zu Hyperkapnie und Hypoxie (Tod durch Asphyxie) • Therapie: sofort Beseitigung des auslösenden Stimulus, Narkosevertiefung, erhöhter Beatmungsdruck, 100% O2, schnelle Relaxation (Succinylcholin), notfalls Koniotomie Aspiration von saurem Mageninhalt • Inzidenz etwa 0,04%, Mortalität dann > 5% (in der Geburtshilfe 30-35% aller Anästhesie-bedingten Todesfälle) • Ereignis zu etwa je 50% bei Ein- und Ausleitung der Narkose • Aspirationsprophylaxe: Nüchternheitsgebot, Antazida wie Natriumcitrat (30 ml mit schneller Wirkung), H2-Blocker wie Cimetidin (Tagamet) 200 mg, Protonenpumpenblocker wie Omeprazol (AntraR) 40 mg, jeweils 12 h und 60 min präoperativ verabreicht • Crash-Einleitung: Präoxygenierung, Magensonde, Lagerung, Absaugeinrichtung, Präcurarisierung, Thiopental, Succinylcholin, Sellik‘scher Handgriff (Cricoid), Intubation Lagerungsbedingte Nervenschäden • Nervenschäden meist durch Zug oder Überdehnung, z.T. aber auch durch druckbedingte Ischämie (ab ca. 30 min) • prädisponierende Faktoren: diabetische Neuropathie, Alkoholabusus, Halsrippe, Hypothermie, Hypotonie; Blutsperre • Prognose variabel, ~ Schädigungsdauer, meist innerhalb von Tagen reversibel (Aufklärung !) • Unter den Armnerven ist meist der N. ulnaris betroffen (Inzidenz 0,1-0,25%) – Epicondylus medialis des Humerus. • Der N. fibularis (peroneus) communis kann bei Druck auf das Fibulaköpfchen geschädigt werden (Beinstützen). SEITE 11 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER Anaphylaktoide Reaktionen • Freisetzung von biogenen Aminen, insbesondere Histamin: Vasodilatation, Zunahme der Gefäßpermeabilität (capillary leak), Bronchokonstiktion, Tonussteigerung im Magen-Darm-Trakt • Anästhesiologisch relevante anaphylaktoide Reaktionen: ca. 30% IgE-Typ I, häufiger aber pseudoallergisch ausgelöst • Muskelrelaxanzien (verantwortlich für 70% aller Fälle), kolloidale Volumenersatzmittel (5%), Barbiturate, Morphin; Latex (12%), Knochenzement, Antibiotika • Labordiagnostik schwierig: IgE-Antikörper, Hauttest, Histamin (sehr kurze Halbwertszeit) oder Methylhistamin • Therapie (abhängig vom Stadium): sofortige Beendigung der Zufuhr der auslösenden Substanz, großzügige Volumengabe (beim anaphylaktischen Schock sehr schnell 2-3 l HES), Beatmung mit hohem O2-Anteil, energische Vasokonstriktion (Adrenalin > Noradrenalin > Dopamin), Bronchodilatation (β2-Mimetika, Theophyllin), ggf. Antihistaminika und Glukokortikoide; Reanimationsbereitschaft Pseudocholinesterase-Mangel • Schwere Leberfunktionsstörungen führen zu verminderten Enzymkonzentrationen. Verlängerung der Apnoe-Zeit nach Succinylcholin selbst bei Enzymkonzentration von 20% der Norm nur von 3 auf 9 Minuten • 3-4% der Patienten sind heterozygote (0,03% homozygote) Träger einer atypischen Pseudocholinesterase • kann zu einer Wirkungsverlängerung von Succinylcholin auf bis zu 3-6 h kommen (auch Mivacurium ist betroffen!) • Relaxometrie, Nachbeatmung unter Analgosedierungs-Bedingungen, Labordiagnostik (sog. Dibucain-Zahl) Maligne Hyperthermie Kontrollverlust der transmembranösen Calcium-Ströme • genetische Disposition mit variabler Expressivität, Inzidenz in Deutschland ca. 0,1% • Triggerfaktoren: halogenierte Inhalationsanästhetika, Succinylcholin (und andere Substanzen …) • Frühsymptom unzureichende Relaxation nach Succinylcholin (Masseterspasmus, allgemeine Rigidität) • sO2 Abfall, dramatische Zunahme der CO2-Produktion (Hyperventilation bei spontan atmenden Patienten) • Tachykardie und Rhythmusstörungen • Zyanose, Hypoxie, metabolische und respiratorische Azidose • Hyperkaliämie, Anstieg der Creatininkinase (CK) • Fieber (bis 42°) ist ein relativ spätes Symptom • Oligurie, Myoglobinurie → Rhabdomyolyse → Herzstillstand • Therapie: sofort Zufuhr der Triggersubstanzen beenden, Atemminutenvolumen mit hohem Frischgasanteil und reinem O2 steigern (bis 15 l/min), Pufferung der metabolischen Azidose, forcierte Diurese (Furosemid), Kühlung • einzig wirksame kausale Behandlung: Dantrolen (hemmt die intrazelluläre Calciumfreisetzung); initial 2,5 mg/kg, wiederholt bis zu 10 mg/kg und mehr, bei rechtzeitigen Einsatz von Dantrolen gibt es keine letalen Verläufe mehr! • Diagnose kann nach Muskelbiopsie gesichert werden: Angehörige informieren! • Rhabdomyolyse Auflösung der quergestreiften Muskulatur nach Succinylcholin bei nicht diagnostizierter Myopathie (oft Duchenne) • massive Hyperkaliämie und metabolische Azidose, Myoglobinurie, Herzstillstand, Reanimationschancen gering • Succinylcholin sollte als Routine- Medikament in der pädiatrischen Anästhesie nicht mehr verwendet werden! • NARKOSEFÜHRUNG BEI RISIKOPATIENTEN Aortenklappenstenose • Tachykardie vermeiden • Herz-Kreislauf-Monitoring anpassen (Online-Blutdruckmessung, 5-Kanal-EKG) • Regionalanästhesie erwägen Perioperative Risiken Frühgeborener • Hypothermie, Hypoglykämie, Hypoventilation -> Hirnblutung, Intoxikationen Säuglinge • Frühgeborene und Säuglinge werden druckkontrolliert beatmet! • Präoxygenierungs-Reserve erniedrigt! • großer Hinterkopf (-> ggf. Schulterrolle), große Zunge, große weiche Epiglottis, Larynx liegt höher (C 2/3 statt C 4/5) -> Kehlkopfdruck mit kleinem Fingern SEITE 12 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER • • • • • • • • • Larynx ist trichterartig geformt-> korrekte Tubusgröße beachten kurze Trachea -> nasale Intubation Frühgeborene und Säuglinge werden mit einem Tubus ohne Cuff intubiert! Beatmungdrücke beachten (->Pneugefahr) Kopfbewegungen vermeiden (->einseitige Intubation) Blutdruckspitzen vermeiden (->Hirnblutungsgefahr) Hypoxiephasen vermeiden (-> Ductus Eröffnung) Rücktransport zur Intensivstation beatmet, Sedierung für Transport Aussetzen der enteralen Ernährung, Nachbeatmung (3 h), Nach Extubation über 2 h vereinzelte Apnoe- Phasen SCHMERZTHERAPIE Multimodale Therapiekonzepte • Medikamentös: Opioide, Nichtopioide, Lokalanästhetika, Antikonvulsiva, Antidepressiva;selten, z.B. Bisphosphonate, Calcitonin, Antiarrhythmika • Gegenirritation: TENS, Biofeedback, Akupunktur • Psychologisch: Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Verfahren, Akzeptanz • Physio-/Ergotherapeutisch: Ausdauertraining, gezielte Maßnahmen Prophylaxe Rückenschmerz • Eigenverantwortung stärken • Ausdauertraining • Frühzeitige Wiedereingliederung ins Arbeitsleben • Individuelle Arbeitsplatzgestaltung • „Rückenschule“ • Psychotherapie Ursachen von Karzinom-Schmerzen • Kompression u./o. Infiltration von Nervenwurzeln, -stämmen oder -plexus • Knochenfraktur durch Metastasen • Verlegung eines Hohlorgans • Gefäßverschluss • Kapseldehnungsschmerz, Kompartmentschmerz • Tumornekrosen SEITE 13 VON 13 KLINISCHE ANÄSTHESIOLOGIE REPETITORIUM SS06 TIMO SCHRÖDER