Prädiktoren der Krankheitsbelastung bei Fibromyalgiesyndrom

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Prädiktoren der Krankheitsbelastung bei Fibromyalgiesyndrom-Patientinnen zu
Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme
Ullrich, A. (1), Glattacker, M. (1), Ehlebracht-König, I. (2), Kruse, M. (3), Jäckel, W.H. (1, 4, 5)
(1) Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
(2) Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen
(3) Rheumaklinik Aachen, Aachen
(4) Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
(5) RehaKlinikum Bad Säckingen, Bad Säckingen
Hintergrund
Fibromyalgiesyndrom ist eine chronische Erkrankung, deren Schmerzen charakterisiert sind
durch ein unvorhersehbares, diffuses und multifokales Erscheinungsbild. Zudem
unterscheidet sich die Krankheitsbelastung der Patienten stark voneinander. Der Hinweis auf
eine fehlende Gruppenhomogenität der Fibromyalgiesyndrom-Patienten führt immer häufiger
zur Forderung nach Einteilung der Patienten in Subgruppen (de Souza et al., 2009). Nach
den Ergebnissen von Turk (2005) lassen sich drei homogene Subgruppen voneinander
unterscheiden. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind dabei die Ausprägung von
Angst und Depression, soziale Unterstützung sowie Krankheitsbewältigung. Auch andere
psychologische Konstrukte wie subjektive Krankheitskonzepte oder krankheitsbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung konnten bei Fibromyalgiesyndrom-Patienten als relevante
Prädiktoren z.B. bezüglich des Behandlungserfolgs identifiziert werden (Dobkin et al., 2010;
Glattacker et al., 2010).
Der aktuelle Beitrag analysiert, inwiefern und in welchem Ausmaß psychologische Variablen,
die in der Literatur häufig als Einzelkonstrukte diskutiert werden, unter multivariater
Betrachtung prädiktive Relevanz hinsichtlich der Ausprägung der Krankheitsbelastung bei
Fibromyalgiesyndrom-Patientinnen aufweisen.
Methodik
Die Daten wurden im RehaKlinikum Bad Säckingen, im Rehazentrum Bad Eilsen und in der
Rheumaklinik Aachen erhoben. Messzeitpunkt war der Beginn der Rehabilitation.
Die folgenden Konstrukte wurden als potenzielle Prädiktoren der Ausprägung der
Krankheitsbelastung berücksichtigt: Die krankheitsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung
(operationalisiert über die Arthrithis Self-Efficacy Scale; ASES-D), subjektive
Krankheitskonzepte (operationalisiert über die Kurzversion des Illness Perception
Questionnaire; Brief IPQ mit den Dimensionen: Konsequenzen, Zeitverlauf, persönliche und
Behandlungskontrolle, Krankheitsidentität (mit der Fibromyalgie ursächlich assoziierte
Symptome), Sorgen, Kohärenz, emotionale Repräsentation), Depressivität und Angst
(operationalisiert über die Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS-D), soziale
Unterstützung, Lebensbewältigung und Krankheitsakzeptanz (operationalisiert über die
Subskalen des IRES 3.1) sowie die soziodemographischen Variablen Alter und
Krankheitsdauer. Die Erfassung der Krankheitsbelastung erfolgte mit dem Fibromyalgia
Illness Questionnaire (FIQ-G). In einem ersten Auswertungsschritt wurden
korrelationsstatistisch die Einflussfaktoren identifiziert, die bivariat signifikant mit
Krankheitsbelastung korrelierten. Ausschließlich diese Variablen wurden mit Hilfe einer
multiplen linearen Regressionsanalyse schrittweise auf ihre prädiktive Relevanz bezüglich
der Ausprägung der Krankheitsbelastung geprüft.
Ergebnisse
Die Stichprobe besteht aus 207 Patientinnen mit einem Altersmittelwert von 50,1 Jahren
(SD: 8,2). 38% der Patientinnen geben an, dass sie mehr als 10 Jahre an der Erkrankung
leiden.
Korrelationsanalytische Berechnungen weisen bei 11 der 14 untersuchten Variablen eine
signifikante Korrelation mit der Krankheitsbelastung auf. Kohärenz (Brief IPQ), Alter und
Krankheitsdauer korrelieren nicht signifikant mit dem FIQ-G-Gesamtscore.
Die multivariate Berechnung ergibt, dass Depressivität als stärkster Prädiktor für die
Ausprägung der Krankheitsbelastung (β = 0.32, p < 0.001) 36% der Varianz aufklärt. Darüber
hinaus stellen die Krankheitsidentität (β = 0.27, p < 0.001), Angst (β = 0.22, p < 0.002) und
die krankheitsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung (β = -0.17, p < 0,003) relevante
Prädiktoren bezüglich der Ausprägung Krankheitsbelastung dar. Ca. 15% der Gesamtvarianz
können zusätzlich zu Depressivität durch diese drei Regressoren aufgeklärt werden.
Diskussion
Aus dem Feld der subgruppenspezifischen Merkmale konnten Depression und Angst als
prädiktiv relevante Variablen der Krankheitsbelastung nachgewiesen werden. Soziale
Unterstützung sowie Krankheitsbewältigung korrelieren zwar bivariat signifikant mit der
Krankheitsbelastung, weisen aber bei multivariater Betrachtung keine prädiktive Relevanz
auf. Im Vergleich dazu stellen die Zuschreibung vieler Symptome zur Fibromyalgie
(Dimension „Krankheitsidentität“ bei subjektiven Krankheitskonzepten) und die
Kontrollüberzeugung bezüglich der Erkrankung (krankheitsbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung), die bei früheren Studien bereits als Prädiktoren für den
langzeitlichen Behandlungserfolg ausgewiesen wurden, relevante Prädiktoren hinsichtlich
der Krankheitsbelastungausprägung dar. Das Ergebnis zeigt, dass zu Beginn der
Rehabilitationsmaßnahme die Berücksichtigung nicht nur von Depression bei
Fibromyalgiesyndrom-Patientinnen wichtig ist. Zusätzlich scheinen auch andere
psychologische Konstrukte wie Selbstwirksamkeitserwartung oder Aspekte des subjektiven
Krankheitskonzepts relevant und keineswegs redundant zur Depression zu sein. Das
Ergebnis kann ggf. Ansatzpunkte für neue Interventionsansätze bieten.
Weiterer Forschungsbedarf besteht in der Ausdehnung der Fragestellung auf ein
längsschnittliches Design und auf die Berücksichtigung anderer diskutierter Prädiktoren wie
Kindheitserfahrungen.
Danksagung
Wir danken allen Rehabilitationseinrichtungen, die sich an der Datenerhebung beteiligt
haben: RehaKlinikum Bad Säckingen, Rehazentrum Bad Eilsen und Rheumaklinik Aachen.
Zudem danken wir allen befragten Patienten für Ihre Teilnahmebereitschaft.
Literatur
De Souza, J.B., Goffaux, P., Julien, N., Potvin, S., Charest, J., Marchand, S. (2009):
Fibromyalgia subgroups: profiling distinct subgroups using the Fibromyalgia Impact
Questionnaire. A preliminary study. Rheumatology International, 29. 509-515.
Dobkin, P.L., Liu, A., Abrahamowicz, M., Ionescu-Ittu, R., Bernatsky, S., Goldberger, A.,
Baron, M. (2010): Predictors of disability and pain six months after the end of treatment for
fibromyalgia. Clinical Journal of Pain, 26. 23-29.
Glattacker, M., Opitz, U., Jäckel, W.H. (2010): Illness representations in women with
firbomyalgia. British Journal of Health Psychology, 00. 1-22.
Turk, D.C. (2005): The potential of treatment matching for subgroups of patients with chronic
pain. Lumping versus splitting. Clinical Journal of Pain, 21. 44-55.
Schlüsselwörter
Fibromyalgie – Krankheitsbelastung - subjektive Krankheitskonzepte –
subgruppenspezifische Merkmale – Prädiktoren
Korrespondenzadresse
Dipl. Psych. Antje Ullrich
Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
Engelbergerstr. 21
79106 Freiburg
Tel. 0761-270 7487
Fax 0761-270 7331
E-Mail: [email protected]
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