Marken-Rating DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Florian Wiedemann aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Reiner Fickert und Prof. Dr. Klaus Spremann Dissertation Nr. 3042 D-Druck-Spescha, St. Gallen 2005 Die Hochschule St. Gallen für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 11. November 2004 Der Rektor: Prof. Dr. Peter Gomez Vorwort Trotz einer Vielzahl von existierenden Ansätzen zur Markenbewertung und -steuerung zeigt die Auseinandersetzung mit der Praxis, dass der Markenwert im Rahmen des Markenmanagements eine bestenfalls marginale Rolle einnimmt. Vor diesem Hintergrund sollen in der vorliegenden Arbeit die Gründe für diese Diskrepanz untersucht und auf dieser Grundlage ein Instrumentarium zur Markenbewertung und -steuerung entwickelt werden, das für den Einsatz in der Praxis geeignet ist. Für das Zustandekommen dieser Arbeit möchte ich an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. oec. publ. et Dipl. Ing. ETH Reiner Fickert, großen Dank aussprechen. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, als externer Doktorand am Institut für Accounting, Controlling und Auditing diese Doktorarbeit zu verfassen. Die Gespräche mit ihm waren bei der Verortung dieser Arbeit im Spannungsfeld von Theorie und Praxis von unschätzbarem Wert. Seine Sichtweisen und Ideen haben mich über die reine akademische Arbeit hinaus positiv beeinflusst. Dafür bin ich ihm von ganzem Herzen dankbar. Aufrichtig danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Klaus Spremann für die wertvollen Hinweise und die Übernahme des Korreferats. Die Arbeit entstand parallel zu meiner Tätigkeit bei KPMG. Der Firma danke ich für die notwendigen Freiräume, die mir im Rahmen des Doktorandenprogramms gewährt wurden. Namentlich erwähnen möchte ich Herrn Dr. Helmut Ellrott, von dessen analytischer Denkweise ich bei der Konzeption und Strukturierung der Doktorarbeit stark profitieren konnte. Darüber hinaus bin ich Dr. Christian Aders für die Anregung zur Themenwahl, die stete Diskussionsbereitschaft sowie die Herstellung von Praxiskontakten zu großem Dank verpflichtet. Nicht zuletzt möchte ich auch Dr. Martin Hebertinger für die freundschaftliche Unterstützung meinen Dank aussprechen. Wertvolle Anregungen für diese Arbeit entstanden durch ein gemeinsames Praxisprojekt zwischen dem Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen und KPMG. Hierbei möchte ich mich bei Herrn Dr. Joachim Kernstock, Leiter Kompetenzzentrum Brand Management, für die angenehme Zusammenarbeit sowie bei den verschiedenen Markenverantwortlichen aus der Praxis für deren Teilnahme an dem Projekt bedanken. Frau Eva Bachmann schulde ich Dank für die Übernahme des formalen Lektorats. I Ein besonderes Wort des Dankes soll meinen Eltern gelten. Sie haben mich auf meinem bisherigen Lebensweg in jeglicher Hinsicht unterstützt und gefördert. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, im Januar 2005 II Florian Wiedemann Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... X A Zielsetzung und Vorgehen ...................................................................... 1 B Grundlagen .............................................................................................. 5 1 1.1 1.2 Bedeutung der Marke ................................................................................ 5 Marke als Werttreiber für Aktienkurs und Unternehmenswert ................. 5 Bedeutung der Marke für Konsumenten .................................................... 15 2 Aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements ............................. 23 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.3 3.2.4 3.3 Markenbewertung und Markenmanagement .............................................. Definition von Marke und Markenwert ...................................................... Darstellung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung ................. Einführung in das Fallbeispiel .................................................................... Finanzorientierte Verfahren ....................................................................... Kostenbasierter Ansatz ............................................................................... Marktbasierter Ansatz ................................................................................ Einkommensbasierter Ansatz ..................................................................... Marketingorientierte Verfahren .................................................................. Kombinationsverfahren .............................................................................. Eignung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung für das Markenmanagement ................................................................................... 67 4 4.1 4.2 4.3 Markenbewertung und Rating .................................................................... Bedeutung des Ratings ............................................................................... Systematik und Inhalte des Ratings ............................................................ Eignung des Ratings für die Markenbewertung ......................................... 75 76 80 83 C Methodik des Marken-Ratings ................................................................ 87 1 Grundstruktur des Marken-Ratings ............................................................ 87 2 2.1 2.1.1 2.1.1.1 2.1.1.2 2.1.1.3 2.1.1.4 2.1.1.5 2.1.2 2.2 Kriterien des Marken-Ratings .................................................................... 94 Markenstärke .............................................................................................. 94 Werttreiber der Markenstärke .................................................................... 94 Grundprinzip .............................................................................................. 94 Markenbekanntheit ..................................................................................... 102 Markenimage .............................................................................................. 109 Wettbewerbsposition .................................................................................. 118 Branchenattraktivität .................................................................................. 120 Messung der Markenstärke ........................................................................ 123 Markenproduktwert .................................................................................... 127 31 31 36 37 42 42 47 52 59 63 III 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.1.5 2.3.1.6 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 Werttreiber des Markenproduktwerts ......................................................... 127 Messung des Markenproduktwerts ............................................................. 132 Markenwert ................................................................................................ 136 Werttreiber des Markenwerts ..................................................................... 136 Grundprinzip .............................................................................................. 136 Wachstumsrate des Umsatzes der Marke ................................................... 142 Operative Marge ......................................................................................... 153 Investitionen ............................................................................................... 158 Fremdkapital ............................................................................................... 162 Zusammenfassung ...................................................................................... 163 Messung des Markenwerts ......................................................................... 166 Beitrag zum Markenportfolio ..................................................................... 169 Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio .......................................... 169 Messung des Beitrags zum Markenportfolio .............................................. 175 3 3.1 3.2 Rating der Marke ........................................................................................ 176 Rating einer Einzelmarke ........................................................................... 176 Rating der Marken eines Markenportfolios ................................................ 181 4 Kommunikation des Marken-Ratings durch ein Marken-Cockpit ............. 188 D Anwendung des Marken-Ratings ........................................................... 198 1 1.1 1.2 Strategische Analyse .................................................................................. 198 Markenportfolio .......................................................................................... 198 Einzelne Marken ......................................................................................... 209 2 2.1 2.2 Planung ....................................................................................................... 216 Entwicklung von Werttreiberbäumen ......................................................... 216 Erstellung einer „optimierten“ Planung ..................................................... 224 3 3.1 3.2 Performancemessung .................................................................................. 228 Auswahl von Spitzenkennzahlen für die Performancemessung ................. 228 Performancemessung auf Basis eines Performance-Cockpits .................... 234 4 4.1 4.2 Externes Reporting ..................................................................................... 236 Analyse des aktuellen Stands der Abbildung der Marke im externen Reporting .................................................................................................... 236 Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting ......................... 240 E Thesenförmige Zusammenfassung .......................................................... 246 F Anhänge ..................................................................................................... 250 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 263 IV Abbildungsverzeichnis Abbildung A--1: Marken-Rating als Bewertungs- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Markenmanagements ............................. Abbildung B--1: Abbildung B--2: Abbildung B--3: Abbildung B--4: Abbildung B--5: Abbildung B--6 Abbildung B--7: Abbildung B--8: Abbildung B--9: Abbildung B-10: Abbildung B-11: Abbildung B-12: Abbildung B-13: Abbildung B-14: Abbildung B-15: Abbildung B-16: Abbildung B-17: Abbildung B-18: Abbildung B-19: Abbildung B-20: Abbildung B-21: Abbildung B-22: Abbildung B-23: 3 Aktienrendite von Markenunternehmen im Vergleich zum Gesamtmarkt .............................................................................. 6 Untersuchungen zum Einfluss der Marke auf die Aktienkursentwicklung von Unternehmen .................................................. 7 Operative Rendite des investierten Kapitals von Markenunternehmen im Vergleich zum Gesamtmarkt .............................. 9 Vergleich von Wachstum und operativer Rendite für Unternehmen mit Marken und Unternehmen mit unmarkierten Produkten ...................................................................................... 9 Relation Markenwert zu Marktwert und Intellectual Capital der Unternehmen mit den wertvollsten Marken für das Jahr 2003 .... 14 Markenmanagement und Wertsteigerung ................................... 15 Rangliste der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit von Attraktivität und tatsächlicher Verwendung 16 Rangliste der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit des Vertrauensgrads ............................................. 18 Ranglisten der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit der Faszination bei Entscheidern bzw. der Faszination in der Rap-Szene ...................................................... 21 Aufteilung des Gewinns auf die Marken bei Markenartikelunternehmen ................................................................................ 24 Entwicklung der Marktanteile von stärkster Herstellermarke und Handelsmarken/Aldi von 1973 bis 2001 .............................. 26 Aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements und Zielsetzung dieser Arbeit ............................................................ 30 Übersicht über Definitionen des Terminus „brand“ in der internationalen Literatur .............................................................. 32 Zusammenhang von Produkt und Marke .................................... 33 Zusammenhang von Marke und Markenprodukt ........................ 34 Wert einer Marke auf Basis mehrerer Markenprodukt-/ Markenkombinationen ................................................................ 35 Übersicht über bestehende Verfahren der Markenbewertung ..... 37 Organisationsstruktur von BRAND ............................................ 38 Markenportfolio von BRAND .................................................... 38 Schritte des kostenbasierten Ansatzes ......................................... 43 Ausgewählte Markentransaktionen ............................................. 48 Markenwert als Teil des Intellectual Capital .............................. 50 Verfahren zur Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge der Marke .................................................................................... 54 V Abbildung B-24: Übersicht über ausgewählte kommerzielle und nichtkommerzielle marketingorientierte Verfahren ............................ Abbildung B-25: Markenwertkonzept von Aaker ................................................... Abbildung B-26: Der innere Markenwert im Verfahren von Andresen ................. Abbildung B-27: Übersicht über ausgewählte Kombinationsverfahren ................. Abbildung B-28: Bewertungsverfahren von Semion .............................................. Abbildung B-29: Übersicht über die Methodik des neuen Interbrand-Ansatzes .... Abbildung B-30: Ableitung der Anforderungen an Markenbewertungsverfahren für Zwecke des Markenmanagements ......................................... Abbildung B-31: Integration von Marketingperspektive und Finanzperspektive in den bestehenden Kombinationsverfahren ................................... Abbildung B-32: Vernetzte Darstellung der Einflussfaktoren des Markenwerts ... Abbildung B-33: Erfüllung der Anforderungen an ein Bewertungsverfahren für die Markenführung durch die bestehenden Ansätze ............. Abbildung B-34: Bedeutung eines Ratings in Abhängigkeit der Adressatengruppen ........................................................................................ Abbildung B-35: Ebenen der Ratinganalyse ........................................................... Abbildung B-36: Kriterien zur Analyse des Unternehmensrisikos bei Standard & Poor’s und Moody’s .................................................................... Abbildung B-37: Integration von Marketing- und Finanzperspektive in den bestehenden Verfahren und über die Methodik des Ratings ....... Abbildung C--1: Abbildung C--2: Abbildung C--3: Abbildung C--4: Abbildung C--5: Abbildung C--6: Abbildung C--7: Abbildung C--8: Abbildung C--9: Abbildung C-10: Abbildung C-11: Abbildung C-12: Abbildung C-13: Abbildung C-14: Abbildung C-15: Abbildung C-16: VI 59 61 62 63 65 66 69 72 73 75 79 81 82 85 Grundstruktur des Marken-Ratings für eine Einzelmarke .......... 88 Rating-Systematik für eine Einzelmarke ..................................... 90 Grundstruktur des Marken-Ratings für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios ............................................................... 92 Rating-Systematik für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios ..................................................................................... 93 Untersuchungen zu den statistischen Zusammenhängen zwischen Werttreibern der Marke ................................................. 95 Einflussfaktoren der Marketing-Strategie ..................................... 96 Modell zur Strukturierung der Einstellungen und das Wissen der Konsumenten zu Marken ........................................................ 97 Zusammenhang zwischen Marktanteilsrang und Return on Investment für F&E- und marketingintensive Geschäfte ........... 100 Werttreiber der Markenstärke ..................................................... 102 Markenbekanntheitspyramide ..................................................... 103 Operationalisierung der Markenbekanntheit in Abhängigkeit des Orts der Kaufentscheidung ................................................... 106 Transformation des Messergebnisses der Markenbekanntheit in einen Wert auf der Rating-Skala ................................................. 108 Dimensionen des Markenimages ................................................ 110 Verfahren zur Operationalisierung des Markenimages .............. 112 Assoziationen zu den Marken BMW und Burger King .............. 113 Operationalisierung des Markenimages ...................................... 115 Abbildung C-17: Transformation des Messergebnisses des Markenimages in einen Wert auf der Rating-Skala ............................................. 116 Abbildung C-18: Transformation des Messergebnisses der Wettbewerbsposition in einen Wert auf der Rating-Skala ............................................. 119 Abbildung C-19: Wettbewerbskräfte zur Bestimmung der Branchenattraktivität .. 121 Abbildung C-20: Transformation des Messergebnisses der Branchenattraktivität in einen Punktwert auf der Rating-Skala .................................... 122 Abbildung C-21: Gewichtung der Werttreiber der Markenstärke ........................... 124 Abbildung C-22: Gewichtung von Markenbekanntheit und Markenimage in Abhängigkeit des Involvements des Konsumenten ................ 126 Abbildung C-23: Werttreiberbaum zur Ermittlung des Markenproduktwerts ........ 129 Abbildung C-24: Zuordnung von Ausprägungen des (relativen) Markenproduktwerts zu Punktwerten auf der Rating-Skala ....... 135 Abbildung C-25: Zusammenhang zwischen Markenproduktwert und Markenwert 136 Abbildung C-26: Abweichungsmöglichkeiten zwischen Markenprodukt und Marke innerhalb der Wertschöpfungskette ................................. 138 Abbildung C-27: Werttreiberbaum zur Ermittlung des Markenwerts ..................... 140 Abbildung C-28: Zusammenhang von ökonomischer Nutzungsdauer des Markenprodukts und der Marke .................................................. 141 Abbildung C-29: Methoden zur Bestimmung der Preisprämie ............................... 143 Abbildung C-30: Verfahren zur Bestimmung der Mengenprämie .......................... 147 Abbildung C-31: Kombinationsmöglichkeiten der Verfahren zur Ermittlung von Preisprämie und Mengenprämie ................................................. 150 Abbildung C-32: Werttreiber des Umsatzes der Marke .......................................... 152 Abbildung C-33: Werttreiber der Herstellkosten der Marke ................................... 154 Abbildung C-34: Werttreiber der Vertriebskosten der Marke ................................ 156 Abbildung C-35: Werttreiber der Verwaltungskosten der Marke ........................... 157 Abbildung C-36: Werttreiber der Abschreibungen der Marke ............................... 158 Abbildung C-37: Werttreiber der Investitionen der Marke in Working Capital ..... 160 Abbildung C-38: Ermittlung der Investitionen der Marke in Anlagevermögen ..... 161 Abbildung C-39: Ermittlung des Fremdkapitals der Marke .................................... 162 Abbildung C-40: Zuordnung von Ausprägungen des relativen Kapitalwerts der Marke zu Punktwerten auf der Rating-Skala ........................ 168 Abbildung C-41: Wechselbeziehungen innerhalb eines Markenportfolios ............ 171 Abbildung C-42: Transformation der Ergebnisse der Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit in einen Punktwert auf der Rating-Skala 173 Abbildung C-43: Transformation der Ergebnisse der Operationalisierung der Kompatibilität in einen Punktwert auf der Rating-Skala ............ 174 Abbildung C-44: Integration der Werttreiber zum Gesamtwert für den Beitrag zum Markenportfolio .................................................................. 175 Abbildung C-45: Wirkungsbezogene Klassifikation von Markenportfolios .......... 181 Abbildung C-46: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen für ein Markenportfolio aus Einzelmarken ......................................................................................... 183 VII Abbildung C-47: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios der Unternehmensmarke ............................................................................. 183 Abbildung C-48: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios mit dominanter Unternehmensmarke ................................................................... 184 Abbildung C-49: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios bei gleichberechtigtem Auftritt ................................................................... 185 Abbildung C-50: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios bei dominanter Produktmarke .............................................................................. 186 Abbildung C-51: Ermittlung des Markenwerts der Unternehmensmarke ............... 186 Abbildung C-52: Grundstruktur des Marken-Cockpits ........................................... 188 Abbildung C-53: Cockpitfenster 1 – Markenstärke, Markenproduktwert, Markenwert ................................................................................. 190 Abbildung C-54: Cockpitfenster 2 – Beitrag zum Markenportfolio ....................... 191 Abbildung C-55: Cockpitfenster 3 – Komponenten Relativer Markenproduktwert .............................................................................................. 191 Abbildung C-56: Cockpitfenster 4 – Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt .. 192 Abbildung C-57: Cockpitfenster 5 – Cashflows Markenprodukt ........................... 193 Abbildung C-58: Cockpitfenster 6 – Komponenten relativer Markenwert ............. 193 Abbildung C-59: Cockpitfenster 7 – Komponenten Wertbeitrag Marke ................ 194 Abbildung C-60: Cockpitfenster 8 – Cashflows Marke .......................................... 194 Abbildung C-61: Cockpitfenster 9 – Markenbekanntheit ....................................... 195 Abbildung C-62: Cockpitfenster 10 – Markenimage .............................................. 196 Abbildung C-63: Cockpitfenster 11 – Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität .................................................................................. 196 Abbildung D--1: Einordnung der strategischen Analyse des Markenportfolios in den Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios ......... 199 Abbildung D--2: Marken-Cockpits als Grundlage für ein Marken-Audit .............. 201 Abbildung D--3: Rangliste der Marken von BRAND ............................................ 202 Abbildung D--4: Auswahl der fortzuführenden Marken bzw. Markenprodukt-/ Markenkombinationen (Finanzperspektive) ............................... 203 Abbildung D--5: Auswahl der fortzuführenden Marken (Marketingperspektive) 206 Abbildung D--6: Analyse der fortzuführenden Marken (Portfolioperspektive) ..... 208 Abbildung D--7: Einordnung der strategischen Analyse der Einzelmarken in den Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios ..... 209 Abbildung D--8: Strategische Optionen für zu liquidierende Marken ................... 210 Abbildung D--9: Strategische Optionen für verschiedene Konstellationen zu liquidierender Marken innerhalb des Marken-Ratings ........... 212 Abbildung D-10: Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für eine einzelne Marke .......................................................................................... 215 Abbildung D-11: Werttreiberbaum zu Produktpolitik und Marken-Rating ............ 218 VIII Abbildung D-12: Werttreiberbaum zu Preispolitik und Marken-Rating ................. 220 Abbildung D-13: Werttreiberbaum zu Kommunikationspolitik und MarkenRating .......................................................................................... 221 Abbildung D-14: Werttreiberbaum zu Vertriebspolitik und Marken-Rating .......... 223 Abbildung D-15: Spitzenkennzahlen für die Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings .................................................................... 232 Abbildung D-16: Ausgestaltung der Performancemessung in Abhängigkeit des Verantwortungsbereichs des Managers ...................................... 233 Abbildung D-17: Grundstruktur des Performance-Cockpits ................................... 234 Abbildung D-18: Ermittlung der Obergrenze für den Wert der selbst geschaffenen Marke ................................................................................... 242 Abbildung F--1: Ratingskalen von Moody’s und Standard & Poor’s .................... 250 IX Abkürzungsverzeichnis abschreibb. AG APB ASB Aufl. AV Bd. bzw. CAPM CEO DAX DCF EBIT EBITDA EBT et al. etc. f. /ff. FASB FCF FER Ford. FTSE GAAP GuV GWA HGB Hrsg. IAS IASC IFRS Inv.-Planung L&L Mio. MPW MW X abschreibbar Aktiengesellschaft Accounting Principles Board Accounting Standards Board Auflage Anlagevermögen Band beziehungsweise Capital Asset Pricing Model Chief Executive Officer Deutscher Aktienindex Discounted Cashflow Earnings before Interest and Tax Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization Earnings before Tax et alteri et cetera folgende(r) /fortfolgende Financial Accounting Standards Board Free Cashflow Fachempfehlungen zur Rechnungslegung Forderungen Financial Times Stock Exchange Generally Accepted Accounting Principles Gewinn- und Verlustrechnung Gesamtverband Kommunikationsagenturen Handelsgesetzbuch Herausgeber International Accounting Standard International Accounting Standards Committee International Financial Reporting Standard Investitionsplanung Lieferung und Leistung Millionen Markenproduktwert Markenwert no. NOPLAT Nr. o.V. Par. PIMS RKW ROI S. S&P SFAC TRS UK UNO US USA Verb. vgl. vol. WACC z.B. number Net Operating Profit less Adjusted Tax Nummer ohne Verfasser Paragraph Profit Impact of Market Strategies Relativer Kapitalwert Return on Investment Seite(n) Standard & Poor’s Statement of Financial Accounting Concepts Total Returns to Shareholders United Kingdom United Nations Organization United States United States of America Verbindlichkeiten vergleiche volume (Band) Weighted Average Cost of Capital (gewogene durchschnittliche Kapitalkosten) zum Beispiel XI A Zielsetzung und Vorgehen „When CEOs think about brands, their brains hurt.“1 Die Rolle der Marke als zentraler Werttreiber von Unternehmen ist in den letzten Jahren vielfach betont worden.2 Während diese Tatsache allgemein anerkannt ist, besteht über das genaue Ausmaß des Werts von Marken keinerlei Einigkeit. So weichen die durch externe Bewertungsexperten ermittelten Markenwerte teilweise in frappierender Weise voneinander ab.3 Innerhalb der Unternehmen herrscht beim Management allerdings in der Regel eine ebenso große Unsicherheit über den Wert der Marken.4 Die Kenntnis des Werts von Marken und deren Werttreiber bildet jedoch die Voraussetzung für eine adäquate Berücksichtigung des Markenmanagements im Rahmen der Unternehmensführung. Verantwortlich für die schwierige Greifbarkeit des Werts von Marken ist ihr Charakter als „[f]iendishly complicated, elusive, slippery, semi-real, semi-virtual entities“.5 Diese Komplexität des Konstrukts Marke bringt es mit sich, dass Marken nicht nur aus einer einzigen Perspektive betrachtet werden können. Eine Methodik bzw. ein Instrument zur Abbildung eines „true and fair view“ der Marke für Zwecke des Markenmanagements muss mithin eine Integration von verschiedenen Perspektiven ermöglichen. Dies ist in zweierlei Hinsicht erforderlich. So kann der Wert der Marke zum einen nur durch die gemeinsame Betrachtung der Marketing- und der Finanzperspektive erfasst werden. Die Stärke der Marke bei den Konsumenten als den zentralen Adressaten der Marke ist primär über die Sichtweise des Marketing zugänglich. Der finanzielle Beitrag der Marke zum Unternehmenserfolg kann dagegen nur im Kontext des Finanzbereichs abgebildet werden. Mithin ist für die Ermittlung eines „true and fair view“ der Marke für Zwecke des Markenmanagements eine Integration von Marketing- und Finanzperspektive erforderlich. 1 2 3 4 5 Jeremy Bullmore, ehemaliger Vorsitzender der UK Advertising Association, zitiert nach Malcolm (2003), S. 2. Vgl. beispielsweise Aaker (1991), S. 7 ff.; Keller (1998), S. 7 ff; Doyle (2000), S. 221 ff.; Kotler (2003), S. 418; Kumar (2004a), S. 147. So differieren die von zwei externen Bewertern für Siemens ermittelten Markenwerte um 821%. Vgl. Esch (2002), S. 84. Vgl. hierzu auch die Einschätzung von Lev zum Stand von Management, Bewertung und Reporting von immateriellen Vermögenswerten in der Praxis: „… both managers and investors are at a very early stage of grappling with the management, valuation, and reporting of intangibles“. Lev (2004), S. 6. Bullmore, zitiert nach Malcolm (2003), S. 2. 1 Die zweite erforderliche Integration bezieht sich auf die Intangible- und die Produktsicht der Marke. Marken stellen immaterielle Vermögenswerte dar und sind daher konzeptionell vom Markenprodukt abzugrenzen. Allerdings werden in der MarketingLiteratur ebenso wie im Verständnis der Praxis und im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe Marke und Markenprodukt oftmals synonym verwendet.6 Verantwortlich hierfür ist die Tatsache, dass eine exakte Trennung von Marke und Markenprodukt zwar konzeptionell möglich ist, aber gerade für Aspekte des Managements Marke und Markenprodukt fast untrennbar zusammenhängen. Die zweite erforderliche Integration für die Ermittlung eines „true and fair view“ der Marke zur Unterstützung des Markenmanagements ist damit die Integration von Intangible- und Produktsicht der Marke. Zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie zur Integration der Intangible- und Produktsicht der Marke soll in dieser Arbeit Rückgriff auf die Methodik des Ratings genommen werden. Ratings ermöglichen eine Aggregation von Informationen aus verschiedensten Bereichen in einer leicht kommunizierbaren Kennzahl. Aus diesem Grund erscheint die Methodik des Ratings für die zur Ermittlung eines „true and fair view“ der Marke erforderliche Zusammenführung von verschiedenen Perspektiven als besonders geeignet. Vor diesem Hintergrund besteht die Zielsetzung dieser Arbeit darin, auf Basis der Methodik des Ratings den „true and fair view“ der Marke für Zwecke des Markenmanagements abzubilden. Das Marken-Rating kann damit als Bewertungs- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Markenmanagements betrachtet werden. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Grundidee: 6 2 Bei einer Befragung von deutschen Markenverantwortlichen waren 87,6% der Manager der Überzeugung, dass Marke und markiertes Produkt zusammengehören. Vgl. Günther/Kriegbaum (1999), S. 5 f. Marken-Rating als Bewertungs- und Steuerungsinstrument Intangible-Sicht der Marke Integration durch Methodik des Ratings Marketing-Sicht der Marke Abbildung A-1: Produkt-Sicht der Marke Finanz-Sicht der Marke Marken-Rating als Bewertungs- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Markenmanagements Die Konzeption des Marken-Ratings erfolgt nicht nur für die Bewertung und Steuerung einer Einzelmarke, sondern es werden explizit die Besonderheiten des Mehrmarkenfalls abgebildet. In der bisherigen Literatur zur Markenbewertung, aber auch zum Markenmanagement stellen Einzelmarken den dominierenden Analysegegenstand dar. In der Praxis verfügen jedoch viele Unternehmen nicht über Einzelmarken, vorherrschend sind vielmehr komplexe Markenportfolios. Aus diesem Grund wird bei der Entwicklung des Marken-Ratings explizit auch die Portfolioperspektive eingenommen. Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands erfolgt die Entwicklung des MarkenRatings mit der Zielsetzung der Bewertung von Produktmarken. Die Grundgedanken sind aber auch für Marken des Dienstleistungs- oder Investitionsgüterbereichs gültig. Im Rahmen der bestehenden Literatur wurden Fragen der Markenbewertung bislang ausschließlich im Kontext der Marke als immaterieller Vermögenswert betrachtet. Innerhalb dieser Intangible-Sicht der Marke wurde auch eine Integration von Marketingund Finanzperspektive angestrebt. Um die Anschlussfähigkeit an die bestehende Literatur zu gewährleisten, wird im Rahmen dieser Arbeit daher zunächst die Frage der Integration von Marketing- und Finanzsicht auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert diskutiert. Im zweiten Schritt wird dann die Diskussion um die zusätzliche Integration von Intangible- und Produktsicht erweitert. Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert. Im Anschluss an das einleitende Kapitel A erfolgt in Kapitel B die Erarbeitung der Grundlagen dieser Arbeit. Nach einer Darstellung der Bedeutung der Marke für Unternehmen und Konsumenten werden die aktuellen Herausforderungen des Markenmanagements betrachtet. In diesem Zusammenhang 3 wird das Erfordernis der Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produktsicht der Marke abgeleitet. Darauf aufbauend wird der Zusammenhang von Markenbewertung und Markenmanagement diskutiert. Zunächst wird hierbei eine Definition von Marke und Markenwert für diese Arbeit entwickelt. Im nächsten Schritt werden die bestehenden Verfahren der Markenbewertung anhand eines durchgehenden Fallbeispiels dargestellt und ihre Eignung für die Verwendung im Rahmen des Markenmanagements überprüft. Vor dem Hintergrund der Defizite der bestehenden Ansätze für die Verwendung im Rahmen des Markenmanagements wird abschließend die Verbindung zwischen Markenbewertung und Rating hergeleitet. Gegenstand des Kapitels C ist die Entwicklung der Methodik des Marken-Ratings. Bei der Erläuterung der grundsätzlichen Struktur des Marken-Ratings wird zum einen deutlich, wie im Rahmen des Marken-Ratings die Integration der Marketing- und Finanzperspektive erfolgt. Daneben wird auch dargestellt, wie die Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert mit der Ebene des Markenprodukts zusammengeführt wird. Im Anschluss daran werden die Kriterien des Marken-Ratings sowie deren Werttreiber erläutert. Auf dieser Grundlage kann dargelegt werden, wie die Aggregation der Kriterien im Rating der Marke erfolgt. Abschließend wird gezeigt, wie die Komponenten und Ergebnisse des Marken-Ratings in der Form eines Marken-Cockpits in einer leicht kommunizierbaren Form zusammengefasst und veranschaulicht werden können. Zur Veranschaulichung der konzeptionellen Überlegungen wird in den einzelnen Abschnitten auf das in Kapitel B eingeführte Fallbeispiel Bezug genommen. In Kapitel D wird die Anwendung des Marken-Ratings im Rahmen des Markenmanagements diskutiert. Zunächst wird dargestellt, welche Anhaltspunkte das MarkenRating für die Restrukturierung eines Markenportfolios sowie für die Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für einzelne Marken liefern kann. Darauf aufbauend wird darauf eingegangen, welche Möglichkeiten das Marken-Rating für die Konkretisierung und Quantifizierung der Erkenntnisse der strategischen Analyse im Rahmen der Planung bietet. Ebenso ist Gegenstand der Überlegungen, wie das Marken-Rating für die Performancemessung verwendet werden kann. Abschließend wird auf die Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting eingegangen. Auch die Darstellungen des Kapitels D sollen anhand des durchgängigen Fallbeispiels verdeutlicht werden. Kapitel E fasst die Ergebnisse in Thesenform zusammen. In Kapitel F, dem Anhang zu dieser Arbeit, werden die vollständigen Datengrundlagen des Fallbeispiels gezeigt. 4 B Grundlagen 1 Bedeutung der Marke Die Bedeutung der Marke kann unter verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werden. So lässt sich etwa aus einer makroökonomischen Perspektive die Rolle der Marke für die Entwicklung von Volkswirtschaften analysieren.7 In dieser Arbeit wird allerdings eine gleichsam mikroökonomische Sichtweise eingenommen, da ein Beitrag zur Unterstützung des Markenmanagements auf der Ebene des einzelnen Unternehmens geleistet werden soll. Die Zielsetzung der Unternehmensführung besteht gemäß dem Shareholder Value-Ansatz in der Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals des Unternehmens.8 Auch wenn Marktwert und „innerer“ Wert des Unternehmens über einen gewissen Zeitraum voneinander abweichen können, hängt langfristig die Entwicklung des Marktwerts des Unternehmens von der Entwicklung des „inneren“ fundamentalen Unternehmenswerts ab.9 Vor diesem Hintergrund wird in Abschnitt B1.1 die Rolle der Marke als Werttreiber für Aktienkurs und Unternehmenswert untersucht. Zum anderen basiert der Wert der Marke in zentralem Maße auf der Stärke der Marke bei den Konsumenten als den primären Adressaten der Marke. Daher ist die Analyse der Bedeutung der Marke für die Konsumenten Gegenstand von Abschnitt B1.2. 1.1 Marke als Werttreiber für Aktienkurs und Unternehmenswert Die Marke wird als zentraler Werttreiber von Unternehmen betrachtet.10 Wenn der Besitz einer Marke einen Wettbewerbsvorteil darstellt, müssten Unternehmen mit starken Marken eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aufweisen. Als erster Anhaltspunkt für diesen vermuteten Zusammenhang soll für den Zeitraum von 1999 bis 2002 die Aktienkursentwicklung von Unternehmen mit starken Marken der Rendite des Gesamtmarkts gegenübergestellt werden.11 Für die Auswahl der Unternehmen wird auf 7 8 9 10 11 Vgl. Sheppard (1999), S. 10-12. Zum Shareholder Value-Ansatz vgl. grundlegend Stewart (1991), Black/Wright/Bachman (1998), Rappaport (1999), Copeland/Koller/Murrin (2000). Vgl. Williams, J.B. (1938), S. 57 f. u. S. 186-191; Copeland/Koller/Murrin (2000), S.56; Spremann/Pfeil/ Weckbach (2001), S. 34-36. Vgl. beispielsweise Aaker (1991), S. 7 f.; Kapferer (1992), S. 9; Keller (1998), S. 7-9; Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 3-25; Esch (2003), S .4; Kotler (2003), S. 418; Kumar (2004a), S. 147. Da die Untersuchung für deutsche börsennotierte Unternehmen vorgenommen wird, wird der Gesamtmarkt über den Aktienindex HDAX abgebildet. Der HDAX fasst die Werte aller 110 Unternehmen aus den Auswahlindizes MDAX und TecDAX zusammen. Für die Untersuchung wurde die Zusammenstellung des 5 eine Rangliste der aus Konsumentensicht stärksten Marken in Deutschland zurückgegriffen.12 Hieraus wurden die zehn börsennotierten Unternehmen mit den wertvollsten Marken ausgewählt:13 40% 30% 20% Rendite 10% 0% -10% 1999 2000 2001 2002 Aktienrendite Markenunternehmen Aktienrendite HDAXUnternehmen -20% -30% -40% -50% Jahr Abbildung B-1: Aktienrendite von Markenunternehmen im Vergleich zum Gesamtmarkt Der Vergleich lässt erkennen, dass in dem betrachteten Zeitraum die Aktien der Unternehmen mit starken Marken wesentlich bessere Renditen erzielten als der Gesamtmarkt.14 Allerdings kann diese Analyse aufgrund des relativ kurzen Zeitraums und der Beschränkung der Anzahl der betrachteten Unternehmen noch nicht als allgemeiner Beleg für eine Überrendite von Unternehmen mit Aktien gelten. Ein vollständigeres Bild ergibt sich, wenn auf weitere empirische Studien zur Beziehung zwischen Marke und Aktienkursentwicklung Bezug genommen wird. Abbildung B-2 stellt in den letzten Jahren durchgeführte Untersuchungen und ihre zentralen Ergebnisse im Überblick dar: 12 13 14 6 HDAX zum 31.12.2003 herangezogen. Zur genauen Zusammensetzung des H-DAX vgl. www.deutscheboerse.com. Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2002a). Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2002b). Aus der Liste wurden als die zehn börsennotierten Unternehmen mit den wertvollsten Marken Siemens AG, Adidas-Salomon AG, Hugo Boss AG, Beiersdorf AG, Henkel KGaA, Karstadt Quelle AG, Deutsche Telekom AG, Lufthansa AG, Bayerische Motorenwerke AG sowie Puma AG ausgewählt. Die Aktienrenditen der Markenunternehmen wurden als reine Kursrendite berechnet. Im Gegensatz dazu beinhaltet die Rendite des H-DAX neben der Kursrendite zusätzlich noch die Dividendenrendite. Nach Bereinigung dieses Effekts würde der Vorteil der Markenunternehmen noch deutlicher ausfallen. Autor(en) Trevillion/Perrier (1999)15 Methodik Ergebnis Vergleich der Aktienkurs- Outperformance der Unternehmen mit entwicklung von 59 Unternehmen starken Marken gegenüber Gesamtmarkt mit starken Marken gegenüber FTSE 100 Index im Zeitraum von 1982 bis 1998 Court/Leiter/Loch (1999)16 Joas/Offerhaus (2001)17 Untersuchung Total Returns to TRS von starken Marken 1,9%-Punkte Shareholders (TRS) von 130 über Branchendurchschnitt Unternehmen der Fortune 250 TRS von schwachen Marken 3,1%-Punkte bzw. Fortune 1000 unter Branchendurchschnitt Vergleich Wertentwicklung Wertentwicklung starker Marken über Markenunternehmen relativ zum 5 Jahre deutlich über dem Standard & Aktienindex S&P 400 Poor’s Index, Wertentwicklung schwacher Marken darunter Boston Consulting Group (2002)18 Vergleich der fünf Konzerne mit Die fünf Konzerne mit den höchsten höchsten Werbeetats zwischen Werbeetats (Unilever, Procter & Gamble, 1990 und 2001 mit Aktienindex Nestlé, Coca-Cola, Ford) steigerten S&P 400 Aktienkurs um 437% gegenüber 219% des S&P 400 Abbildung B-2: Untersuchungen zum Einfluss der Marke auf die Aktienkursentwicklung von Unternehmen Ergebnis der Studien ist trotz unterschiedlicher betrachteter Unternehmen und Zeiträume eine überdurchschnittliche Entwicklung der Aktien von Markenunternehmen gegenüber dem Gesamtmarkt. Vor diesem Hintergrund scheint ein positiver Einfluss zwischen Marke und Aktienrendite zu bestehen.19 Eine Erklärung für diesen Zusammenhang könnte darin bestehen, dass Aktionäre Aktien bevorzugen, deren Marken 15 16 17 18 19 Vgl. Trevillion/Perrier (1999), S. 3 f. Die Größe Total Returns to Shareholders entspricht der Summe aus den Dividendenzahlungen an die Aktionäre und der Steigerung des Aktienkurses vgl. Court/Leiter/Loch (1999), S. 102. Vgl. Joas/Offerhaus (2001), S. 9. Vgl. Boston Consulting Group (2002), S. 5. Der Einfluss von Marken auf die Rendite von Aktien wurde vermutlich um 1950 als erstes von Warren Buffet erkannt. Das bis zu den 50er Jahren dominierende Bewertungs-Paradigma der Ertragswertmethode schätzte die zukünftigen Erträge auf Basis der Zahlen des letzten Jahresabschlusses. Ein Wachstum wurde gar nicht oder nur sehr konservativ angesetzt. Die Aktien von Unternehmen, die über Marken verfügten und auf dieser Basis bewertet wurden, waren unterbezahlt. Buffet erkannte, dass der Markenwert zusätzlich zu dem Ertragswert bei Nullwachstum bzw. geringem Wachstum eine weitere Wertkomponente darstellte und investierte gezielt in Unternehmen mit starken Marken, wie Coca-Cola oder Walt Disney. Vgl. Spremann (2002), S. 146-154. 7 bekannt sind und die ein klares Image besitzen.20 In diesem Zusammenhang ließ sich für Unternehmen des DAX30 eine Beziehung zwischen der Klarheit des Markenbilds von Unternehmensmarken und der Bereitschaft zum Aktienkauf nachweisen.21 Die Annahme, dass Aktionäre ihre Anlageentscheidung primär auf Basis der Unternehmensmarke treffen, steht allerdings in Gegensatz zu den Annahmen über rationales Anlageverhalten. Auch wenn gerade in den letzten Jahren das Augenmerk auf Abweichungen des tatsächlichen Verhaltens der Anleger von den Annahmen des „homo oeconomicus“ gelenkt wurde,22 spiegeln Aktienkurse grundsätzlich die Annahmen der Marktteilnehmer über die zukünftige Entwicklung des „inneren“ oder fundamentalen Werts des Unternehmens wider.23 In diesem Verständnis investieren Anleger in Unternehmen mit starken Marken, weil sie davon ausgehen, dass die Marke eine über durchschnittliche Steigerung des fundamentalen Unternehmenswerts ermöglicht. Die Entwicklung des fundamentalen Unternehmenswerts wird neben dem Wachstum wesentlich durch die operative Rendite des investierten Kapitals getrieben.24 Unternehmen mit starken Marken müssten demnach ein stärkeres Wachstum und eine höhere operative Rendite auf das investierte Kapital aufweisen als der Gesamtmarkt. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Marke und operativer Rendite des investierten Kapitals wird im Folgenden für die bereits bei der Analyse der Aktienperformance herangezogene Gruppe der börsennotierten Unternehmen mit den aus Konsumentensicht wertvollsten Marken in Deutschland untersucht. Die operative Rendite wird hier berechnet als Relation aus dem operativen Gewinn vor Steuern und dem investierten Kapital, definiert als Summe aus Anlagevermögen und Working Capital. Abbildung B-3 vergleicht für den Zeitraum von 1999 bis 2002 die Entwicklung der operativen Rendite der Markenunternehmen mit der operativen Rendite des Gesamtmarkts: 20 21 22 23 24 8 Unter dem (fast ausschließlich im deutschsprachigen Bereich verwendeten Terminus) „Sharebranding“ wird in den letzten Jahren verstärkt diskutiert, Aktien als Marken bzw. als Markenartikel zu positionieren. Vgl. beispielsweise Schmidt (2001), S. 46-51. Vgl. Gruner + Jahr (1998), S. 292-294. Vgl. Shiller (2000), S. 135-168. Vgl. Rappaport/Mauboussin (2001), S. 40 f. „However, the core idea that the key drivers of value are return on invested capital (relative to WACC) and growth is generally applicable for all companies.“ Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 140 f. 9% 8% Rendite 7% 6% Operative Rendite Markenunternehmen 5% Operative Rendite HDAX-Unternehmen 4% 3% 2% 1999 2000 2001 2002 Jahr Abbildung B-3: Operative Rendite des investierten Kapitals von Markenunternehmen im Vergleich zum Gesamtmarkt Mit Ausnahme einer Periode konnten die Unternehmen mit starken Marken eine höhere operative Rendite auf das investierte Kapital erzielen als der Gesamtmarkt. Die überdurchschnittliche Aktienkursentwicklung dieser Unternehmen geht mithin mit einer überdurchschnittlichen Verzinsung der im Unternehmen eingesetzten Mittel einher. Diese Ergebnisse werden durch eine weitere Studie bestätigt, bei der Wachstum und operative Rendite von Herstellern von markierten und unmarkierten Nahrungsmittelprodukten verglichen wurden:25 Hersteller von Nahrungsmittelprodukten (1990-1995) Markiert Unmarkiert Umsatzwachstum 5,2% 4,9% Umsatzrentabilität 9,2% 4,4% Wachstum des operativen Gewinns 4,8% 3,2% Gesamtrentabilität 12,0% 8,7% Gewinn pro Aktie 11,1% 9,2% Abbildung B-4: 25 Vergleich von Wachstum und operativer Rendite für Unternehmen mit Marken und Unternehmen mit unmarkierten Produkten Swander & Pace (1997), zitiert nach Biel (2000), S. 64. 9 Die Hersteller von Markenprodukten konnten im betrachteten Zeitraum eine doppelt so hohe Umsatzrentabilität und eine um 50% höhere Wachstumsrate des operativen Gewinns erzielen. Die Untersuchung weist damit ebenfalls auf eine Beziehung zwischen Marke und operativer Performance hin. Für die weitere Analyse kann dieser Zusammenhang detaillierter analysiert werden, indem der Einfluss der Marke auf die finanziellen Werttreiber bzw. die operativen Cashflows des Unternehmens betrachtet wird. Die Effekte lassen sich danach systematisieren, ob die Marke zu einer Erhöhung der operativen Cashflows oder einer Reduktion des Risikos der operativen Cashflows führt.26 Erhöhung der operativen Cashflows des Unternehmens Die Marke kann auf verschiedene Wege zu einer Erhöhung der operativen Cashflows des Unternehmens führen. Eine Möglichkeit besteht in einer Preisprämie gegenüber schwächeren Marke bzw. No-name-Produkten. Beispielsweise sind gemäß einer Untersuchung treue Käufer von Coca Cola bereit, eine Preisprämie von 20% gegenüber der stärksten Wettbewerbsmarke zu bezahlen, Volvo-Fahrer akzeptieren einen Preisaufschlag von 40%, bei loyalen Nutzern von Tide und Heinz beträgt die Preisprämie gegenüber den Wettbewerbsmarken sogar 100%.27 Ein weiteres prägnantes Beispiel für eine Preisprämie der Marke stellen Preisunterschiede zwischen grundsätzlich baugleichen Automobilen dar. Die Modelle Lexus und Toyota Camry verfügen über den gleichen Motor, dennoch wird der Lexus zu einem um 10.000 Dollar höheren Preis verkauft.28 Alternativ kann eine Erhöhung der operativen Cashflows auch durch eine Wirkung der Marke auf die Absatzmenge erzielt werden. Klassisches Beispiel für einen derartigen Effekt einer Mengenprämie ist der Blind Test zwischen Coca Cola und Pepsi Cola.29 Während bei einem Test ohne Darbietung der Marke die Mehrheit der Konsumenten 26 27 28 29 10 Vgl. Srivastava/Shervani/Fahey (1998), S. 8. Der von den Autoren erwähnte Aspekt des zeitlich früheren Anfallens von Cashflows aufgrund der Marke (acceleration of cashflows) ist von einer untergeordneten Bedeutung und wird daher in dieser Arbeit nicht näher betrachtet. Vgl. Kotler (2003), S. 422. Die Existenz von Preisprämien wird kritisch gesehen von Holbrook (1992), S. 7183 u. Bello/Holbrook (1995), S. 125-131. Vgl. Kotler (2003), S. 422. Ein ähnliches Beispiel stellen die Preisunterschiede zwischen den nahezu baugleichen Modelle VW Sharan, Ford Galaxy und Seat Alhambra dar; vgl. Esch (2003), S. 11 f. Für eine Untersuchung zum Effekt der Marke auf den Preis von gebrauchten baugleichen Automobilmodellen mit unterschiedlichen Marken vgl. Sullivan (1998), S. 154-165. Im Bereich der Camcorder wurden die technisch identischen Modelle von Sony, Nikon und Ricoh zu Preisabständen von 10% (Sony gegenüber Nikon) bzw. 8% (Nikon gegenüber Ricoh) verkauft. Vgl. Biel (2000), S. 66. Weitere Beispiele finden sich bei Farquhar (1989), S. RC-7 f.; Aaker (1991), S. 22 f. Konkret wurden bei dem Test Diet Coke und Diet Pepsi miteinander verglichen. Vgl. de Chernatony/ McDonald (1992), S. 9. Pepsi bevorzugte, entschieden sich nach dem Aufbringen von Marken rund zwei Drittel der Testpersonen für Coca Cola. Ein ähnliches Phänomen wurde auch im britischen Mobilfunkmarkt beobachtet. Bei einer Untersuchung der Zufriedenheit mit den Mobilfunknetzen erhielt der Netzbetreiber Virgin bessere Noten als T-Mobile. Tatsächlich verfügt jedoch Virgin über kein eigenes Mobilfunknetz, sondern nutzt das Netz von T-Mobile. Die bessere Einschätzung der Netzqualität und die damit verbundenen Kundengewinne von Virgin zu Lasten von T-Mobile sind mithin alleine auf die Marke Virgin zurückzuführen.30 Auch über Lizenzierungen von bekannten Marken kann eine Erhöhung der operativen Cashflows erreicht werden.31 In der Regel erhält der Lizenzgeber einen bestimmten Prozentsatz auf den Umsatz, den der Lizenznehmer mit der Marke erzielt.32 Die Lizenzierung der eigenen Marke bietet für den Eigentümer darüber hinaus auch indirekte Effekte auf die operativen Cashflows. So kann durch die Vergabe von Lizenzen der Bekanntheitsgrad der Marke gesteigert und das Image um weitere gewünschte Assoziationen angereichert werden, was sich letztlich wieder in einer Erhöhung der operativen Cashflows niederschlägt. Im Fall der Etablierung eines neuen Produktes hat das Unternehmen die Optionen, entweder einen neuen Markennamen zu entwickeln, eine bestehende Marke zu verwenden oder beide Varianten zu kombinieren.33 Im Fall der Übertragung des bereits bestehenden Markennamens wird von einer Markendehnung (brand extension) gesprochen. Der Vorteil einer Markendehnung gegenüber der Etablierung einer neuen Marke besteht zum einen darin, dass die Kosten für die Entwicklung und Einführung des neuen Namens gespart werden und dass zum anderen die hohe Floprate von 80-95% bei der Einführung von neuen Produkten deutlich gesenkt werden kann.34 Oftmals werden die Markenprodukte vom Hersteller über die Zwischenstufe des Handels an die Konsumenten verkauft. In diesem Fall kann eine starke Marke zu einer Verbesserung der Position des Herstellers gegenüber dem Handel führen.35 Da eine starke Marke direkt von den Kunden des Handels nachgefragt wird, zeigt sich dieser koopera30 31 32 33 34 35 Interview mit Dr. Jost Jacoby, Leiter Controlling O2 Germany, am 17.03.2004 in München. In Deutschland beispielsweise wird mit der Lizenzierung von Marken jährlich ein Umsatz von über 5 Milliarden Euro erzielt. Vgl. Binder (2000), S. 359. Dieser Prozentsatz kann in Abhängigkeit der Stärke der Marke und der Produktkategorie stark schwanken. In der Praxis sind häufig Prozentsätze in der Größenordnung von 3-8% zu beobachten. Zu einer Übersicht über Prozentsätze bei Lizenzierungen von Marken vgl. beispielsweise Battersby/Grimes (2002), S. 21 ff. Vgl. Keller (1998), S. 67. Vgl. Brasco (1988), S. 6; Köhler (1994), S. 435. Vgl. Keller (1998), S. 65. 11 tionsbereiter in Bezug auf die Höhe der Listungsgebühren, die Qualität und die Größe der für die Marke zur Verfügung gestellten Regalfläche. Dies führt zu geringeren Listungskosten bzw. zu höheren Umsatzerlösen durch die bessere Positionierung der Markenprodukte am Point-of-Sale. Die Marke wirkt jedoch nicht nur zwischen Unternehmen und Konsumenten oder Handel, sondern auch im Verhältnis des Unternehmens zu den weiteren Stakeholdern, wie etwa den Arbeitnehmern. So konnte nachgewiesen werden, dass eine Korrelation zwischen der Bekanntheit der Unternehmensmarke und der Attraktivität des Unternehmens aus Sicht von Studenten besteht.36 Die Listen der attraktivsten Arbeitgeber werden durch Unternehmen mit bekannten Marken dominiert.37 Dies führt letztlich dazu, dass das Unternehmen geringere Kosten für die Anwerbung neuer Mitarbeiter aufwenden muss. Reduktion des Risikos der operativen Cashflows des Unternehmens Neben einer Steigerung kann die Marke auch mit einer Reduktion des Risikos der operativen Cashflows des Unternehmens einhergehen.38 Ein Einfluss der Marke auf die Volatilität der operativen Cashflows kann über eine überdurchschnittliche Loyalität (brand loyalty) der Kundenbasis erfolgen. Gemäß einem Manager für Heinz Ketchup kann Loyalität gegenüber einer Marke letztlich daran festgemacht werden „… whether a housewife, intending to buy Heinz tomato ketchup in a store, finding it to be out of stock, will walk out of the store to buy it elsewhere.”39 Treue Kunden werden auch in Zukunft Käufe des Produktes des Unternehmens tätigen und sorgen damit für einen stetigen operativen Cashflow. Darüber hinaus sind loyale Kunden auch weniger anfällig gegenüber Werbe- und Promotionaktivitäten von Seiten des Wettbewerbs. Diese Punkte veranschaulichen gleichsam anekdotisch die Bedeutung der Marke für die Unternehmen. Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass oftmals die Marke einen Großteil des Wertes von Unternehmen ausmacht. Allerdings berichten nur wenige Unternehmen in den Geschäftsberichten über den Wert ihrer Marken. Von den börsennotierten Unternehmen in Deutschland weist beispielsweise lediglich Adidas den Wert seiner Marken im Geschäftsbericht aus.40 36 37 38 39 40 12 Vgl. Esch (2003), S. 396 ff. Vgl. für die Schweiz o.V. (2004a), S. 19. Vgl. Srivastava/Shervani/Fahey (1997), S. 49-64. Tony O’Reilly, ehemaliger CEO von H.J. Heinz, zitiert nach Kotler (2003), S. 422. Vgl. Sattler (2001), S. 60. Als alternativer Anhaltspunkt für den finanziellen Wert von Marken kann der Vergleich des Marktwerts und des Buchwerts der Unternehmung dienen. Diese Differenz wird auch als Intellectual Capital (Intellektuelles Kapital) bezeichnet und deutet auf die Existenz immateriellen Vermögens der Unternehmung hin.41 Eine mögliche Kategorisierung des Intellectual Capital ist die Aufteilung in Human Capital, Customer Capital und Organizational Capital.42 Die Marke stellt hierbei einen Bestandteil des Customer Capital dar.43 Das Intellectual Capital kann daher als Obergrenze für den Wert der Marke bzw. Marken des Unternehmens betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund soll für die zehn börsennotierten Unternehmen mit den aus Konsumentensicht wertvollsten Marken in Deutschland für das Jahr 2003 der absolute Wert des Intellectual Capital berechnet und der Anteil der Marke am Marktwert des Unternehmens sowie am Intellectual Capital bestimmt werden. Für die Markenwerte wird auf die von der Beratungsgesellschaft Semion ermittelte Rangliste der wertvollsten Marken in Deutschland zurückgegriffen:44 41 42 43 44 Vgl. Spremann (2002), S. 51. Zu den Komponenten des Intellektuellen Kapitals vgl. Stewart (1998), S. 83-86; Sullivan (2000), S. 4-7; Lev (2001), S. 5-7. Vgl. Spremann (2002), S. 183. Vgl. Semion (2004a). 13 Rang Marke bzw. Unternehmen Markenwert 2003 in Mrd. Euro Marktwert Unternehmen 2003 in Mrd. Euro45 1 Siemens 10,663 39,122 2 Adidas-Salomon 3,261 3 Hugo Boss 4 Intellectual Capital 2003 in Mrd. Euro46 Markenwert als % des Marktwerts Markenwert als % des Intellectual Capital 14,773 27,3% 72,2% 3,541 2,129 92,1% 153,2% 0,469 0,953 0,554 49,2% 84,7% Beiersdorf 2,719 8,921 7,090 30,5% 38,3% 5 Henkel 6,786 7,862 4,477 86,3% 151,6% 6 Karstadt Quelle 7 Deutsche Telekom 8 n/a47 14,963 53,074 19,270 28,2% 77,6% Lufthansa 6,638 4,044 1,348 164,1% 492,4% 9 BMW 7,996 20,873 4,723 38,3% 169,3% 10 Puma 0,323 1,496 1,112 21,6% 29,0% 59,7% 140,9% Durchschnitt Abbildung B-5: Relation Markenwert zu Marktwert und Intellectual Capital der Unternehmen mit den wertvollsten Marken für das Jahr 2003 Die gewählte Methodik stellt ein vereinfachtes Vorgehen dar.48 Unabhängig von der Plausibilität einzelner Werte wird durch die Berechnung jedoch deutlich, dass Markenwerte einen hohen Anteil des Unternehmenswerts repräsentieren können. Zusammenfassend kann mithin festgehalten werden, dass Marken für Unternehmen zu überdurchschnittlicher Aktienkursentwicklung und operativer Performance führen können. Aus diesem Grund ist in den Unternehmen ein professionelles Markenmanagement erforderlich. Im Rahmen der strategischen Analyse ist die Zusammensetzung des Markenportfolios zu überprüfen und eine Untersuchung der Stärken und Schwächen der einzelnen Marken vorzunehmen. Ergebnis ist die Ableitung der strategischen Stoßrichtungen zur Verbesserung des Markenwerts. Aufgabe der Planung ist es, die verschiedenen Strategien zu bewerten und konkretisieren. Hieraus resultiert ein Marketingprogramm für die einzelnen Produkte bzw. Marken. Der Erfolg der einzelnen Maßnahmen wird bei der Performancemessung durch geeignete Kennzahlen überprüft. 45 46 47 48 14 Der Marktwert des Unternehmens wird berechnet als durchschnittliche Marktkapitalisierung des Geschäftsjahres 2003. Von den betrachteten Unternehmen weicht lediglich das Geschäftsjahr von Siemens vom Kalenderjahr ab. Die Aktienkurse der einzelnen Börsentage wurden über Bloomberg ermittelt. Das Intellectual Capital wird für die Untersuchung als Differenz aus dem Marktwert und dem Buchwert des Eigenkapitals ermittelt. Die Buchwerte des Eigenkapitals wurden auf der Grundlage von Bloomberg-Daten berechnet. Für die Marke Karstadt Quelle wird von Semion kein Markenwert ausgewiesen. Nicht zuletzt ist das Bewertungsverfahren von Semion kritisch zu betrachten. Vgl. Frahm (2004), S. 149 f. Schließlich ist die Entwicklung und das Potenzial der Marken gegenüber den relevanten Anspruchsgruppen des Unternehmens im Rahmen des externen Reporting zu kommunizieren. Erfolgreiches Markenmanagement führt zu einer Erhöhung der operativen Cashflows bzw. zu einer Reduktion des Risikos der operativen Cashflows und damit zu einem Anstieg von Markenwert, fundamentalem Unternehmenswert und potentiell dem Aktienkurs des Unternehmens: Markenmanagement Abbildung B-6 Erhöhung/ Risikoreduktion operative Cashflows Steigerung Markenwert Steigerung fundamentaler Unternehmenswert Steigerung Aktienkurs Markenmanagement und Wertsteigerung Eine Markenstrategie ist allerdings nicht gleichsam automatisch wertsteigernd.49 Es ist mithin für die Markenführung von entscheidender Bedeutung, dass das Management Kenntnis darüber besitzt, welche Funktionen die Marke für die Konsumenten erfüllt und in welchen Situationen diese Funktionen relevant sind. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt die Bedeutung der Marke für die Konsumenten näher betrachtet. 1.2 Bedeutung der Marke für Konsumenten Ähnlich wie für den finanziellen Wert der Marke existieren auch für den Wert der Marke aus Sicht der Konsumenten mehrere Ranglisten. Dies kann zum Teil auf das Bestreben der Ersteller der Ranglisten nach einer Differenzierung zurückgeführt werden. Allerdings spiegelt die Vielzahl der Untersuchungen auch die Komplexität des Konstrukts der Marke wider. Aus diesem Grund sollen im Rahmen dieses Abschnitts die unterschiedlichen Ranglisten genutzt werden, um hieran die einzelnen Facetten der Bedeutung der Marke für die Konsumenten abzuleiten.50 49 50 Als Beispiel kann hier etwa die Markenstrategie von E.on angesehen werden. Vgl. Esch (2003), S. 530 f. Die einzelnen Ranglisten spiegeln teilweise mehrere Funktionen der Marke wider. In diesem Abschnitt soll es allerdings darum gehen, die Funktion der Marke, die bei der jeweiligen Rangliste besonders anschaulich ist, herauszuarbeiten. 15 Zeichen zur Wiedererkennung Bei der ersten hier näher zu betrachtenden Rangliste wurde die Rangfolge der Marken sowohl anhand der Attraktivität der Marke für die Konsumenten als auch auf Basis der tatsächlichen Verwendung der Marken ermittelt.51 Die Teilnehmer der Studie setzen sich aus einer repräsentativen Stichprobe der Gesamtbevölkerung zusammen.52 Die aus Sicht der Konsumenten wertvollsten Marken stellen sich gemäß dieser Untersuchung wie folgt dar:53 Abbildung B-7: Rang Marke Branche 1 Coca-Cola Getränke 2 McDonald’s Fastfood 3 Wrigleys Süßwaren 4 Nike Mode 5 Sony Elektronik 6 Red Bull Getränke 7 Media Markt Einzelhandel 8 Fanta Getränke 9 Playstation Elektronik 10 H&M Einzelhandel Rangliste der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit von Attraktivität und tatsächlicher Verwendung In der Rangliste dominieren Marken des alltäglichen Gebrauchs bzw. Marken, die auf den Massenmarkt abzielen. Verantwortlich hierfür ist die Berücksichtigung der tatsächlichen Verwendung der Marke. Aus diesem Grund können etwa Marken des Luxusgüterbereichs, wie Porsche oder Ferrari, nur relativ geringe Gesamtwerte erzielen. Unabhängig davon kann anhand dieser Rangliste bereits die wohl grundlegendste Funktion der Marke abgeleitet werden. Diese besteht in ihrer Rolle als Zeichen zur Wiedererkennung. 51 52 53 16 Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2002a), S. 4-6. Diese Untersuchung wurde bereits bei der Analyse des Einflusses der Marke auf den Aktienkurs und den Unternehmenswert in Abschnitt B1.1 eingeführt. Bei der Gegenüberstellung von Aktienrendite und operativer Rendite mit dem Gesamtmarkt wurden lediglich die Marken, die zu einem börsennotierten Unternehmen gehören, einbezogen. Diese Einschränkung kann bei der Untersuchung der Bedeutung der Marke für die Konsumenten aufgegeben werden. Aus diesem Grund resultiert hier eine andere Rangfolge der Marken bzw. Unternehmen. Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2002a), S. 5. Vgl. Roland Berger Strategy Consultants (2002b). Anhand der Marke können die Konsumenten schnell die ihnen bekannten Produkte bzw. die von ihnen üblicherweise gekauften Produkte identifizieren. Als Konsequenz verringert sich für die Konsumenten der Suchaufwand bzw. der Aufwand für Informationsbeschaffung.54 Diese Funktion der Marke gewinnt ihre Bedeutung insbesondere dadurch, dass die eingeschränkte Fähigkeit der Konsumenten zur Aufnahme und Verarbeitung von Daten auf einen drastischen Informationsüberschuss trifft.55 Eine Überschreitung der Informationskapazität des Individuums führt zu kognitivem Stress.56 Eine Möglichkeit, auf diesen kognitiven Stress zu reagieren, besteht in der Neuverschlüsselung und Gruppierung von Informationen. Die Marke kann in diesem Zusammenhang als „information chunk“57 interpretiert werden. „As brand names provide memory shortcuts, time-pressed consumers are more inclined to buy brands with names they recognise.”58 Ein eindrucksvolles Beispiel für die Wirksamkeit der Funktion der Marke als Zeichen zur Wiedererkennung stellen empirische Untersuchungen über die Markenkenntnisse von Kindern dar. Bei einem Wettbewerb in bayerischen Grundschulen, bei dem die Kinder Vorlagen mit Kühen auf Weiden ausmalen mussten, malten ein Drittel von rund 30.000 Kindern diese Kühe lila, weil sie durch die Werbung für die Marke Milka ständig mit lila Kühen konfrontiert werden.59 Die Markenkenntnis von Kleinkindern ließ sich auch durch empirische Studien bestätigen. So kennen bereits 68% der Dreibis Vierjährigen das Markenlogo von Milka, bei Coca-Cola sind es 64%, bei McDonald’s 56% und bei Kinderschokolade 54%.60 Zwar wissen die Kinder nur selten den zu dem Markenlogo gehörigen Namen, sie können allerdings dem Logo meist die richtige Produktkategorie zuordnen. Die Kinder nutzen das Logo der Marke instinktiv, um die Komplexität der Umwelt an ihre noch begrenzte Informationskapazität anzupassen. Diese Prozesse lassen sich analog für die Erwachsenen übertragen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass an der Spitze der Rangliste mit Coca-Cola, McDonald’s und Wrigleys drei Marken stehen, die von vielen Konsumenten als gleichsam identisch mit der jeweiligen Produktkategorie angesehen werden. 54 55 56 57 58 59 60 Vgl. Berthon/Hulbert/Pitt (1999), S. 54. Vgl. Esch (2003), S. 32. Vgl. Kirsch (1994), S. 20. Jacoby/Szybillo/Busato-Schach (1977), S. 209. de Chernatony/Dall’Olmo Riley (1998), S. 420. Vgl. Esch (2003), S. 8. Vgl. Melzer-Lena/Barlovic (1999), S. 28. 17 Qualitätssignal Die zweite hier analysierte Rangliste stellt auf den Vertrauensgrad ab, den die Konsumenten den Marken entgegenbringen.61 Hierbei wird das Vertrauen in die Marken jeweils für einzelne Branchen analysiert. Die Rangfolgen der Marken für ausgewählte Branchen stellen sich wie folgt dar:62 Automobile Benzin Mobiltelefone Uhren Bekleidung Waschmittel VW Aral Nokia Junghans C&A Persil Mercedes Shell Siemens Swatch Hugo Boss Spee Audi Esso Motorola Citizen Esprit Ariel BMW Jet Telekom Casio Levis Henkel Opel DEA Vodafone Seiko Adidas Sunil Erfrischungsgetränke Handelsunternehmen Nahrungsmittel Süßigkeiten Kaffee/Tee Hautpflege Gerolsteiner Aldi Maggi Haribo Jacobs Nivea Coca-Cola Edeka Dr. Oetker Milka Tchibo Yves Rocher Volvic Lidl Knorr Lindt Melitta Florena Vilsa Real Nestlé Ritter Sport Dallmayr Dove Adelholzener Kaufland Barilla Ferrero Eduscho Oil of Olaz Abbildung B-8: Rangliste der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit des Vertrauensgrads Auffällig ist, dass primär Massenmarken an der Spitze stehen und Marken des hochwertigen Segments weniger vertreten sind bzw. ganz fehlen.63 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass den Konsumenten bei der Befragung keine Liste von Markennamen vorgegeben wurde.64 Sie mussten die Markennamen daher sozusagen „ungestützt“ nennen, weshalb die aktive Bekanntheit einer Marke in dieser Untersuchung eine gewichtige Einflussgröße darstellt. Anhand dieser Ranglisten wird als zweite Funktion der Marke ihre Rolle als Qualitätssignal deutlich. „Je gleichförmiger und massenhafter die Produkte sind, und je anonymer die Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager gestaltet [ist], desto mehr Ver61 62 63 64 18 Vgl. o.V. (2004b), S. 89-116. Vgl. o.V. (2004b), S. 98-114. Dies wird besonders deutlich bei den Branchen Bekleidung und Uhren. Vgl. o.V. (2004b), S. 90. trauenspotential benötigt das markierte Produkt.“65 Grundlage für die Unsicherheit der Konsumenten ist, dass zwischen Anbieter und Nachfrager ein Informationsgefälle besteht.66 Eine Möglichkeit zur Verringerung des Informationsgefälles besteht im Aufbau so genannter selbstbindender Maßnahmen durch die Anbieter.67 Selbstbindende Maßnahmen signalisieren dem Nachfrager, dass der Anbieter hohe Kosten eingeht, wenn er sein Qualitätsversprechen nicht einhalten kann. Eine Sonderform einer Selbstbindungsmaßnahme stellt die Vertrauensbildung durch Personifizierung und Aufbau markenspezifischen Kapitals (brand name assets) dar.68 Der Aufbau einer Marke ist aus Sicht des Anbieters ein Sanktionsinstrument des Nachfragers. Nutzt der Anbieter die Informationsdefizite der Nachfrager aus, riskiert er die in den Aufbau des markenspezifischen Kapitals getätigten Investitionen.69 „Eine einmal aufgebaute Reputation ist wie eine Geisel in der Gewalt des Kunden, deren Leben bei jedem Kauf erneut aufs Spiel gesetzt wird.“70 Für den Konsumenten verringert sich durch die Marke die Unsicherheit und damit das wahrgenommene Risiko.71 Das Ausmaß der Unsicherheit der Konsumenten hängt eng mit der Art der Eigenschaften des jeweiligen Produktes zusammen. Produkteigenschaften lassen sich in Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften unterteilen.72 Während die Qualität von Sucheigenschaften durch Inspektion des Produktes bereits vor dem Kauf bestimmt werden kann, können Konsumenten Erfahrungseigenschaften erst beim Gebrauch bzw. Vertrauenseigenschaften gar nicht beurteilen. Die Rolle der Marke als Qualitätssignal spielt daher bei Markenprodukten bzw. Dienstleistungen mit einem hohen Anteil an Vertrauens- bzw. Erfahrungseigenschaften eine Rolle.73 Das Ausmaß des Vertrauens der Konsumenten in Marken wird noch deutlicher, wenn es mit dem Vertrauen in gesellschaftliche bzw. staatliche Institutionen verglichen wird. In einer britischen Studie aus dem Jahr 1999 resultierten für die Marken KellogsCornflakes oder Heinz-Ketchup größere Vertrauenswerte als für die Institutionen 65 66 67 68 69 70 71 72 73 Hätty (1989), S. 14. Vgl. Spremann (1990), S. 564-572. Vgl. Irmscher (1997), S. 177 f. Vgl. Irmscher (1997), S. 178 f. Vgl. Spremann (1988), S. 619. Kaas (1990), S. 545. Auch der Anbieter hat ein Interesse an der Reduktion der Unsicherheit, da die Qualitätsunsicherheit auf Seiten der Nachfrager zu einem Marktversagen durch Rückzug der Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte (adverse Selektion) führen kann. Vgl. Akerlof (1970), S. 488-500; Spremann (1990), S. 574 f. Vgl. Nelson (1970), S. 312; Darby/Karni (1974), S. 68 f. Vgl. Sattler (1997), S. 186 f. 19 Kirche, Polizei oder Parlament.74 Eine ähnliche Untersuchung ergab, dass die britische Handelskette Boots mit 87% Grad des Vertrauens weitaus höhere Werte erzielte als UNO (64%), Polizei (59%) oder die britische Labour-Regierung (40%).75 Prestigefaktor Die Funktionen der Marke als Zeichen zur Wiedererkennung und als Qualitätssiegel stellen eher auf den rationalen Aspekt der Kaufentscheidung ab. Sie können allerdings noch nicht die „Magie der Marke“76 erklären. Diese wird anhand von zwei Untersuchungen deutlich, bei denen die Marken nach der Faszination, die sie bei den Konsumenten auslösen, in eine Rangfolge gebracht wurden. Teilnehmer der ersten Studie waren Personen in deutschen Unternehmen und Institutionen ab der mittleren Führungsebene.77 Bei der zweiten Untersuchung wurde ermittelt, welche Marken in den Liedern der US-Charts am meisten genannt wurden. Da eine Nennung von Marken in der Regel in Rap-Songs vorkommt, ist anhand dieser Rangliste zu erkennen, welche Marken in der Rap- bzw. Hip-Hop-Szene die größte Faszination ausüben:78 74 75 76 77 78 20 Vgl. Pringle/Gordon (2002), S. 147. Vgl. Pringle/Gordon (2002), S. 151. Biel (2000), S. 71. Vgl. o.V. (2004c), S. 63-72. Die Rangliste enthielt ursprünglich auch noch Personen bzw. Institutionen, die deutsche Entscheider faszinieren. Diese wurden aufgrund der hier interessierenden Fragestellung aus der Rangliste entfernt. Vgl. American Brandstand (2004), Full list 2003. Rang Marke Branche Rang Marke Branche 1 Porsche Automobile 1 Mercedes-Benz79 Automobile 2 BMW Automobile 2 Cadillac Automobile 3 Mercedes-Benz Automobile 3 Hennesy Spirituosen (Cognac) 4 Ferrari Automobile 4 Gucci Bekleidung 5 Microsoft Elektronik 5 Lexus Automobile 6 Ebay Internet-Handel 6 Burberry Bekleidung 7 Rolls-Royce Automobile 7 Cristal Spirituosen (Champagner) 8 Nokia Telekommunikation 8 Prada Bekleidung 9 Lamborghini Automobile 9 Chevrolet Automobile 10 Jaguar Automobile 10 Dolce & Gabbana Bekleidung Abbildung B-9: Ranglisten der wertvollsten Marken in Deutschland in Abhängigkeit der Faszination bei Entscheidern bzw. der Faszination in der Rap-Szene Die Ranglisten sind zwar durch die spezielle Lebenswelt der beiden Konsumentengruppen geprägt, dennoch wird hieraus die Funktion der Marke als Prestigefaktor für Konsumenten sichtbar. Gerade die häufige Nennung von Automobilmarken und Bekleidungsmarken macht deutlich, dass Marken nicht nur zwischen Anbieter und Nachfrager, sondern auch im Verhältnis zwischen Konsument und sozialem Umfeld wirken. Durch demonstrativen Konsum von Markenprodukten zeigt das Individuum sein Wohlstandsniveau.80 Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Luxusgütern und Alltagsgütern.81 Da sich nur wenige Individuen Luxusgüter, wie beispielsweise Yachten, leisten können, impliziert schon allein der Besitz dieser Güter einen Geltungsnutzen. Im Gegensatz dazu sind Alltagsgüter für eine größere Anzahl von Menschen erschwinglich.82 Der Besitz dieser Güter alleine bringt noch keinen Prestigegewinn mit sich. Entscheidend ist vielmehr, welche Markierung das Alltagsgut besitzt. „Soziale Effekte löst nicht mehr das Produkt aus, sondern in vielen Bereichen erlaubt erst die Markierung eine Produktpositionierung, 79 80 81 82 Die Marke Mercedes-Benz wurde im Jahr 2003 in den Liedern der US-Charts 112-mal genannt. „ Mercedes has been a rap brand of choice for many years. … And the brand has been in the #1 Billboard song for 13 weeks this year. On 12th April, Mercedes was mentioned in 4 separate songs.” American Brandstand (2004), Full list 2003. Vgl. Feemers (1992), S. 78-82; Lakaschus (1994), S. 1964-1969. Vgl. Bearden/Etzel (1982), S. 184 f. Da der Großteil der Bevölkerung in Industriestaaten ein Automobil besitzt, kann auch ein Automobil in diesem Sinne als „Alltagsgut“ betrachtet werden. 21 die das Produkt aus der Masse, aus dem Bereich der Alltagsgüter hervorhebt und soziale Anerkennung initiieren kann.“83 Die Marke verschafft dem Käufer einen zusätzlichen sozialen Nutzen, der neben den reinen funktionalen Nutzen des Gutes tritt.84 Damit die Marke als Prestigefaktor wirken kann, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein. Zum einen müssen das Produkt bzw. die Marke der Öffentlichkeit zumindest grundsätzlich sichtbar und zugänglich sein.85 Allerdings kann an die Stelle des Produkts teilweise auch ein symbolhafter Platzhalter treten.86 Zum anderen muss eine subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit (high involvement) des Produktes bei den Konsumenten und seinem sozialen Umfeld gegeben sein. Die Faszination der in der Rangliste ganz vorne vertretenen Automobilmarken oder Bekleidungsmarken erklärt sich mithin zu einem wesentlichen Teil aus dem sozialen Prestige, das sie dem Käufer der Marke vermitteln. Allerdings würde es einem verkürzten Verständnis entsprechen, etwa die Faszination der Marke Ferrari nur auf ihre Funktion als Prestigefaktor zurückzuführen. Hier wird zusätzlich noch eine weitere Funktion der Marke relevant. Erlebnisfaktor Die zweite Funktion der Marke, die aus den beiden Ranglisten abgeleitet werden kann, besteht in der Funktion der Marke als Erlebnisfaktor. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Erlebnisorientierung der Gesellschaft.87 Die Konsumenten kaufen Marken, weil sie Erlebnisse und Gefühle vermitteln. In diesem Zusammenhang kann die Marke sogar als „Lifestyle-Entwurf“88 angesehen werden. Marken bieten in einer postmodernen Welt, in der die überkommenen Werte grundsätzlich in Frage gestellt werden, eine Möglichkeit zur persönlichen Orientierung. Die Marke dient hier als Mittel zur Ich-Findung. „Nicht mehr der andere soll mich orten, ich erkenne mich via Marke gleichsam selbst.“89 Als Beispiel für die Rolle der Marke als „Lifestyle-Entwurf“ kann die Popularität des geschwungenen Logos von Nike, des so genannten swoosh, als Tattoo-Motiv angesehen werden. „Not only do dozens of Nike employees have a swoosh tattooed on their 83 84 85 86 87 88 89 22 Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 140. Vgl. Keller (1998), S. 99. Vgl. Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 139. Vgl. Feemers (1992), S. 76. Vgl. Linxweiler (2001), S. 27 f. Schütte (1999), S. 48. Schütte (1999), S. 56. calves, but tattoo parlors all over North America report that the swoosh has become their most popular item.“90 Ebenso kann für einen Ferrari-Fahrer die Faszination an der Marke Ferrari neben den technischen Qualitäten vor allem auf dem Lebensgefühl, das die Marke vermittelt, beruhen. Auf Basis der Analysen zur Bedeutung der Marke aus Sicht der Unternehmen und der Konsumenten wird die zentrale Rolle der Marke und eines Markenmanagements für Unternehmen deutlich. Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Abschnitt auf die aktuellen Herausforderungen des Markenmanagements eingegangen werden. 2 Aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht darin, auf Basis der Methodik des Ratings den „true and fair view“ der Marke für Zwecke des Markenmanagements abzubilden. Das Marken-Rating kann daher als Bewertungs- und Steuerungsinstrument betrachtet werden. Zur Entwicklung eines solchen Instruments ist ein Verständnis erforderlich, welche Fragestellungen für das Markenmanagement von Relevanz sind und welche Informationsanforderungen hieraus resultieren. Zu diesem Zweck sind die aktuellen Herausforderungen des Markenmanagements näher zu betrachten. Dies wird getrennt nach den Bereichen strategische Analyse, Planung, Performancemessung und externes Reporting vorgenommen. Dabei wird jeweils auch auf die erforderlichen Informationen zur Unterstützung des Markenmanagements eingegangen. Aktuelle Herausforderungen für die strategische Analyse Für die strategische Analyse ist als zentrale Veränderung des Umfeldes die Inflation der angebotenen Marken anzusehen. So ist den letzten Jahren eine steigende Anzahl der angebotenen Produkte und Marken zu beobachten.91 Die hieraus resultierende vergrößerte Auswahl wird von vielen Konsumenten allerdings nicht nur positiv, sondern mehr und mehr als „Angebotschaos“ wahrgenommen.92 Vor diesem Hintergrund ist es 90 91 92 Klein (2000), S. 56. Hierfür sind mehrere Ursachen verantwortlich. Zum einen versuchten viele Unternehmen, die heterogenen Bedürfnisse der Konsumenten durch maßgeschneiderte Angebote abzudecken. Zum anderen erhöhte sich die Anzahl der angebotenen Marken auch durch die zunehmende Internationalisierung und den damit verbundenen Markteintritt neuer Wettbewerber. Weitere Gründe sind die Verkürzung der Produktlebenszyklen und der Zwang zu beständigen Produktinnovationen. Vgl. Esch (2003), S. 27-29. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Inflation der Marken auch mit einer Inflation der kommunikativen Markenmaßnahmen einhergeht. Als Konsequenz nehmen die Konsumenten eine strikte Beschränkung der von 23 nicht überraschend, dass der Großteil des Gewinns von vielen Markenartikelunternehmen mit einer sehr geringen Anzahl von Marken erzielt wird.93 Abbildung B-10 stellt für bekannte Markenartikelunternehmen die Aufteilung des Gewinns auf die Marken des Portfolios dar: 75% der Marken erwirtschaften weniger als 10% des Gewinns 30% des Gewinns entfallen auf die restlichen 27 Marken 70% des Gewinns entfallen auf die 8 größten Marken 25% der Marken erwirtschaften mehr als 90% des Gewinns Unilever (1999) Diageo (1999) weniger als 50% des Gewinns entfallen auf übrige Marken die 10 wichtigsten Marken erwirtschaften mehr als 50% des Gewinns Procter & Gamble (1992-2002) Abbildung B-10: Aufteilung des Gewinns auf die Marken bei Markenartikelunternehmen So waren im Jahr 1999 bei Unilever 400 der 1.600 Marken für mehr als 90% des Gewinns verantwortlich. Ähnliches gilt für den weltweit größten Spirituosenhersteller Diageo, bei dem im Jahr 1999 70% des Konzerngewinnes auf 8 der 35 Marken des Markenportfolios entfielen. Auch bei Procter & Gamble machten die größten 10 Marken des Unternehmens mehr als 50% des Gewinns des Unternehmens in den Jahren 1992 bis 2002 aus. Bei Nestlé waren im Jahr 1996 rund 200 der mehr als 8.000 Marken des Unternehmens für einen Großteil des Unternehmensgewinns verantwortlich. 93 24 ihnen wahrgenommenen Marken vor. Insbesondere für neu eingeführte Marken wird es daher immer schwieriger, die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erwecken. Vgl. Linxweiler (2001), S. 34. Vgl. zum Folgenden Kumar (2004b), S. 56. Die Konsequenz für die Strategien der Markenartikelunternehmen besteht darin, dass vielfach eine Konzentration der personellen und finanziellen Ressourcen auf die stärksten Marken vorgenommen wird. Strategische Maßnahmen dieser Art können aktuell bei verschiedenen großen Markenartikelunternehmen beobachtet werden. So erhöhte beispielsweise Unilever im zweiten Halbjahr 2002 die Werbeausgaben um 50%, reduzierte aber gleichzeitig im Zeitraum von 2000 bis 2002 das Markenportfolio von 1.600 Marken auf 900 Marken im Jahr 2004. Bis zum Ende des Jahres 2004 sollen nur die 400 stärksten und profitabelsten Marken übrig bleiben.94 Ähnliche Strategien werden auch von anderen großen Markenartikelunternehmen wie LVMH (Louis Vuitton Moët Henessy) durchgeführt.95 Zur Generierung der erforderlichen Informationen für die Restrukturierung eines Markenportfolios ist zum einen eine Bewertung der einzelnen Marken unter Berücksichtigung der Marketing- und Finanzperspektive durchzuführen. Aus der Marketingperspektive wird deutlich, welche Marken über einen hohen Goodwill bei den Konsumenten verfügen. Parallel dazu können aus der Finanzperspektive wertschaffende und wertvernichtende Marken identifiziert werden. Die Information über die Wertschaffung oder -vernichtung auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert reicht jedoch für die Entscheidung über die Restrukturierung des Portfolios noch nicht aus. Wenn das Management etwa die Forderung aufstellt, nur profitable Marken im Portfolio behalten zu wollen, so bezieht sich dies auf das Markenprodukt. Alleine auf der Basis der Analyse der Marke als immaterieller Vermögenswert kann noch keine Aussage über eine Wertschaffung oder -vernichtung auf der Ebene des Markenprodukts getroffen werden. Mithin ist im Rahmen der Restrukturierung eines Portfolios auch die Produktebene zu betrachten. Zusammenfassend kann mithin aus der aktuellen Herausforderung der strategischen Analyse die Notwendigkeit einer Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produkt-Sicht der Marke abgeleitet werden. Erst die gemeinsame Betrachtung führt zu einem „true and fair view“ der Marke, auf dessen Basis Entscheidungen über die zukünftige Zusammensetzung des Portfolios getroffen werden können. 94 95 Vgl. Unilever (2003a). Vgl. LVMH (2003), S. 3-5. 25 Aktuelle Herausforderungen für die Planung Als weitere aktuelle Fragestellung des Markenmanagements ist die zunehmende Konkurrenz durch Handelsunternehmen bzw. Billigprodukte zu beobachten. Handelsunternehmen wie Aldi oder Lidl versuchen verstärkt, sich gegenüber den Herstellern von Markenprodukten zu profilieren, indem sie sich selbst als Marke positionieren.96 Dies wird erleichtert durch die steigende Qualität der No-name-Produkte, die mittlerweile von den Konsumenten gegenüber Markenartikeln als weitgehend gleichwertig empfunden werden.97 Die Herausforderung wird verdeutlicht durch eine vergleichende Betrachtung des Marktanteils der Handelsmarken im Vergleich zur stärksten Herstellermarke für den Zeitraum von 1973 bis 2001:98 30,0% Marktführer Marktanteil 25,0% 20,0% 15,0% Handelsmarken /Aldi 10,0% 5,0% 99 97 95 93 91 89 87 85 83 81 79 77 75 73 0,0% Jahr Abbildung B-11: Entwicklung der Marktanteile von stärkster Herstellermarke und Handelsmarken/Aldi von 1973 bis 2001 Die Konsequenz für die Strategien der Hersteller von Markenartikeln besteht darin, dass sie ihre Marken klar profilieren müssen.99 Nur wenn die Marken über ein positives, relevantes und unverwechselbares Image bei den Konsumenten verfügen, sind diese bereit, eine Preisprämie für die Marken zu bezahlen. Insbesondere muss der Einsatz von Sonderangebotsaktionen oder Preispromotionen sehr sorgfältig abgewogen werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Rolle des Käufersegments der Sys96 97 98 99 26 Hierbei wird die Strategie verfolgt, den Firmennamen in der Funktion als Qualitätssignal zu verwenden. Vgl. Meffert/Burmann (1996), S. 2. Vgl. Quelch/Harding (2004), S. 26 f. Vgl. GfK (2001) zitiert nach Esch (2003), S. 443. Vgl. für ähnliche Entwicklungen in den USA Quelch/ Harding (2004), S. 24 f. Vgl. Quelch/Harding (2004), S. 39. tem Beater zu berücksichtigen.100 System Beater sind durch eine hohe Markenpräferenz bei gleichzeitiger hoher Preissensibilität gekennzeichnet. Aufgrund ihrer Erfahrung mit den Marketingmaßnahmen der Unternehmen warten sie ab, bis sie die von ihnen präferierten Marken im Rahmen von Aktionen günstig erhalten. Im schlimmsten Fall sind manche Marken nur noch durch Sonderangebote zu vermarkten.101 Auch im Rahmen der aus den Herausforderungen der Planung resultieren Informationsanforderungen nimmt der Markenwert eine wichtige Rolle ein. So ist für die Bewertung und Auswahl einzelner Maßnahmen zum einen die Kenntnis der Auswirkungen auf den finanziellen Markenwert erforderlich. Zum anderen muss aber auch abgeschätzt werden, wie sich durch die Maßnahme die zentralen Werttreiber des Werts der Marke aus der Marketing-Perspektive, wie Image oder Bekanntheit, verändern werden. Allerdings wird auch hier wieder die schwierige Trennbarkeit von Marke und Markenprodukt deutlich. So wirken beispielsweise Aktivitäten der Kommunikationspolitik sowohl auf die Marke als auch auf das Markenprodukt. Eine Auswahl von Maßnahmen sollte daher nicht nur auf der Basis ihrer erwarteten Auswirkungen auf den Wert der Marke, sondern auch auf der Grundlage ihrer Auswirkungen auf den Wert des Markenprodukts beurteilt werden.102 Auch für die Planung wird mithin die Notwendigkeit einer Integration von Marketingund Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produktsicht der Marke deutlich. Aktuelle Herausforderungen für die Performancemessung Eine weitere Herausforderung an das Markenmanagement stellt das zunehmende Interesse des Top-Managements nach einer Offenlegung des Beitrags der Marke zum Unternehmenserfolg dar. Verantwortlich hierfür ist, dass sich auch auf den TopManagementebenen die Erkenntnis über die Rolle der Marke als zentraler Werttreiber durchgesetzt hat.103 Damit liegt es nahe, auch die Entwicklung der Marke verstärkt zu beobachten und zu messen. So wurde bei einer Umfrage im Vorfeld des Weltwirtschaftsforum 2004 unter ausgewählten CEOs der Charakter der Marke als kritische Größe zur Messung der Performance des Unternehmens betont: „Now it is clear that 100 101 102 103 Vgl. Meer (1995), S. RC-4 f. Dies ist etwa bei der Kaffeemarke Jacobs Krönung zu beobachten. Vgl. Esch (2003), S. 41. In Abschnitt D2.2 wird anhand des Fallbeispiels eine Situation gezeigt werden, bei der eine Maßnahme den Markenwert erhöht, den Wert des Markenprodukts aber reduziert. „Brands are now centre stage.” Blackett (1998), S. xi. 27 reputation is a vital component of a company’s value and it is becoming a key measure of a company’s performance.“104 Mit 27% der Nennungen wird die Entwicklung der Marke von den befragten CEOs als wichtigeres Performancemaß eingeschätzt als Profitabilität (17%), Return on Investment (13%) oder Aktienperformance (5%) des Unternehmens.105 Die Konsequenz für die Unternehmen besteht darin, dass die oftmals bestehende Trennung zwischen Marketing und Finanzbereich aufgehoben werden muss: „For too many on both sides of the fence, marketing has been regarded as a science or art in its own right, with members of this exclusive club happy to spend their time talking their own language their own group and giving each other rewards. The result has been that marketing has allowed itself to be separated from business. It has not allowed itself to be judged by business criteria.”106 Die Performancemessung im Bereich des Markenmanagements ist mithin um finanzielle Kennzahlen zu ergänzen, um anschlussfähig an die Kenngrößen des Finanzbereichs bzw. des Top-Managements und der Kapitalmärkte zu werden. Das zunehmende Interesse des Top-Managements nach einer Offenlegung des Beitrags der Marke zum Unternehmenserfolg im Rahmen der Performancemessung bezieht sich zunächst auf die Finanzperspektive der Marke. Allerdings muss auch die MarketingPerspektive der Marke in die Performancemessung einfließen. Anderenfalls könnten (Fehl-)Anreize resultieren, etwa durch Kürzungen von Werbemaßnahmen finanzielle Größen auf Kosten einer nachhaltigen Beschädigung der Wahrnehmung der Marke durch die Konsumenten zu maximieren. Bereits bei den Informationsanforderungen der Planung wurde erläutert, dass aufgrund der schwierigen Trennbarkeit von Marke und Markenprodukt die Auswirkungen von Maßnahmen des Markenmanagements sowohl auf der Ebene der Marke als auch des Markenprodukts geplant werden sollten. Wegen der engen Verbindung von Planung und Kontrolle ist die gemeinsame Betrachtung von Marke und Markenprodukt auch für die Performancemessung erforderlich. Bei der isolierten Betrachtung von Marke oder Markenprodukt – unter Umständen auf Basis unterschiedlicher Methoden – könnten widersprüchliche Anreize bzw. (Fehl-)Anreize für das Markenmanagement resultieren. Somit gilt auch für die Performancemessung die Notwendigkeit einer Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produktsicht der Marke. 104 105 106 28 John Grahm, Chairman und CEO von Fleishman-Hillard, zitiert nach World Economic Forum (2004). Vgl. World Economic Forum (2004). Chris Ingram, früherer Chairman von Tempest, zitiert nach Malcolm (2003), S. 3. Aktuelle Herausforderungen für das externe Reporting Als aktuelle Herausforderung für das externe Reporting kann die zunehmende Forderung nach einer Berichterstattung über die immateriellen Vermögenswerte angesehen werden.107 Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeit der Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten ist es für Unternehmensexterne sehr schwer, den finanziellen Wert selbst geschaffener Marken und die Zukunftschancen des Unternehmens einzuschätzen.108 Für das Management resultiert hieraus die Aufgabe, die Werttreiber und die Potenziale des Unternehmens explizit zu machen. Im Fall der selbst geschaffenen Marke ergibt sich die besondere Schwierigkeit, dass deren Wert nicht im externen Rechnungswesen ausgewiesen wird. Aus diesem Grund muss das Management durch eine geeignete Vorgehensweise im Rahmen des externen Reportings sicherstellen, dass der Wert der Marke adäquat in das Urteil der Kapitalgeber einfließt. Im Rahmen des externen Reportings spielt der finanzielle Markenwert beispielsweise zur Bestimmung des Bilanzwerts von akquirierten und damit aktivierbaren Marken eine wesentliche Rolle. Zusätzlich sind für die Investoren auch die Werte der selbst geschaffenen und damit nicht aktivierbaren Marken von Interesse. Neben Informationen über die Finanzperspektive besteht ein umfassendes externes Reporting der Marke auch aus Angaben über die Werttreiber der Marketingperspektive, wie etwa die Bekanntheit der Marke. Allerdings nehmen Unternehmen im Rahmen des externen Reportings nicht nur die Intangible-Sicht der Marke ein. Unilever berichtet etwa im Geschäftsbericht für das Jahr 2002: „Leading brands grow by 5,4%.“109 Dies bezieht sich allerdings auf den Umsatz der jeweiligen Markenprodukte und nicht auf den isolierten Umsatz der einzelnen Marken als immaterielle Vermögenswerte. Die Vielfältigkeit der im Rahmen des externen Reportings relevanten Informationen erfordert somit auch die gemeinsame Betrachtung der Marken- und der Markenproduktebene. 107 108 109 „Hard evidence regarding the harmful private and social consequences of the disclosure environment of intangibles (both within business organizations and in capital markets) is fast accumulating. … There is thus a scientific base for the call for a substantial improvement in information disclosure concerning intangibles.” Lev (2001), S. 103. Vgl. Lev/Zarowin (1999), S. 3-15. Unilever (2003b), S. 5. 29 Zusammenfassend lässt sich mithin auf Basis der aktuellen Herausforderungen des Markenmanagements das in der Problemstellung dieser Arbeit postulierte Erfordernis der Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produktsicht der Marke ableiten: Marken-Rating als Bewertungs- und Steuerungsinstrument Intangible-Sicht der Marke Integration durch Methodik des Ratings Marketing-Sicht der Marke Produkt-Sicht der Marke Finanz-Sicht der Marke Aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements Inflation von Produkten und Marken Konkurrenz durch Handelsunternehmen bzw. Billigprodukte Aufmerksamkeit des Top-Managements für die Marke Forderung nach Berichterstattung über die Marke Abbildung B-12: Aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements und Zielsetzung dieser Arbeit In der bestehenden Literatur zur Markenbewertung wird die Perspektive der Marke als immaterieller Vermögenswert diskutiert. Es wird mithin eine Intangible-Sicht der Marke eingenommen. Um eine Anschlussfähigkeit an die bisherige Literatur herzustellen, erfolgt die Diskussion von Markenbewertung und Markenmanagement im folgenden Abschnitt ausschließlich im Kontext der Marke als immaterieller Vermögenswert. Auf diese Weise rückt zunächst der Integrationsaspekt der Verbindung von Marketingund Finanzperspektive in den Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang wird zu zeigen sein, welchen Beitrag die Methodik des Ratings zur Integration von Marketing- und Finanzsicht der Marke leisten kann. Die Erweiterung der Diskussion um die Integration der Ebenen Marke als immaterieller Vermögenswert und Markenprodukt wird dann in Kapitel C vorgenommen. 30 3 Markenbewertung und Markenmanagement 3.1 Definition von Marke und Markenwert Aufgrund der Komplexität des Markenkonstrukts ist der Begriff der Marke selbst schillernd. Aus diesem Grund ist in diesem Abschnitt zu erarbeiten, welches Markenverständnis dieser Arbeit zugrunde liegt. „Grundsätzlich ist bei begrifflichen Auseinandersetzungen immer davon auszugehen, dass es keine ’richtige’ oder ’falsche’ Definition von Begriffen gibt. Vielmehr sind Begriffe und Definitionen letztlich eine Frage der Zweckmäßigkeit.“110 Der folgende Versuch der Erarbeitung eines Markenverständnisses erhebt daher nicht den Anspruch, eine gleichsam allgemeingültige Definition für die Marke zu entwickeln. Vielmehr soll eine Markendefinition resultieren, die für die Zielsetzung dieser Arbeit geeignet ist. Den Ausgangspunkt für eine Definition der Marke stellt eine Analyse der existierenden Definitionen des Begriffs der Marke dar. Eine umfassende Zusammenstellung der Definition der Marke in der internationalen Literatur wurde von de Chernatony/Dall’Olmo Riley vorgenommen. Hierbei wurden 12 „Themen“ im Zusammenhang mit der Definition des Terminus „brand“ identifiziert:111 110 111 Bruhn (1994), S. 9. Vgl. de Chernatony/Dall’Olmo Riley (1998), S. 418-424. 31 „Thema“ Bedeutung/Definition112 Brand as a legal instrument Marke als Zeichen, um das Eigentum zu bezeichnen Brand as a logo „A name, term, sign, symbol or design, or a combination of them, intended to identify the goods or services of one seller or group of sellers and to differentiate them from those of competitors.”113 Brand as a company Unternehmen ist als Marke zu verstehen, Produktmarken basieren auf der Unternehmensmarke Brand as a shorthand Marke als Entscheidungshilfe Brand as a risk reducer Marke reduziert das wahrgenommene Risiko der Konsumenten Brand as an identity system Marke bzw. Markenidentität als ganzheitliche Struktur von sechs zusammenhängenden Aspekten: Beschaffenheit, Persönlichkeit, Kultur, Bezug zum Verbraucher, spontane Zuordnung, Vision114 Brand as an image in con- „Brands are consumer images of the product’s functional and sumers’ minds psychological attributes.”115 Brand as a value system Marke ist ein Bündel von relevanten Werten für die Konsumenten Brand as a personality „A brand personality can be defined as the set of human characteristics associated with a given brand.”116 Brand as a relationship Marke als der Ausdruck einer Beziehung zwischen Produkt und Konsument Brand as adding value Marke als Zusatznutzen bzw. als Produkt mit Zusatznutzen Brand as an evolving entity Marken als Stufen eines Entwicklungsprozesses von „commodity“ zu „Referenz“ für eine bestimmte Produktkategorie Abbildung B-13: Übersicht über Definitionen des Terminus „brand“ in der internationalen Literatur Die 12 „Themen“ können danach unterschieden werden, inwieweit die Marke als immaterieller Vermögenswert oder als Markenprodukt aufgefasst wird. Dabei zeigt sich, dass in der Literatur kein einheitliches Begriffsverständnis vorherrscht. So verstehen die ersten zehn in Abbildung B-13 aufgeführten Definitionen die Marke als immateriellen Vermögenswert, während die letzten beiden Sichtweisen sie zum Teil mit dem Markenprodukt gleichsetzen. 112 113 114 115 116 32 Nicht für alle „Themen“ existiert eine direkte Definition der Marke; in diesen Fällen wurde die Bedeutung der Marke gemäß der jeweiligen Sichtweise dargestellt. Teilweise ist auch zweifelhaft, ob manche dieser „Themen“ überhaupt als eigenständige Definitionen der Marke angesehen werden können. American Marketing Association (1960) zitiert nach de Chernatony/Dall’Ollmo Riley (1998), S. 419. Vgl. Kapferer (1992), S. 50-56. Martineau (1959), S. 50. Aaker (1996b), S. 141. Dies macht es erforderlich, den Zusammenhang zwischen Produkt und Marke noch etwas näher zu beleuchten. Kotler unterscheidet in Abhängigkeit des Nutzens für den Konsumenten fünf Ebenen eines Produkts:117 core benefit (Kernnutzen), generic product („no-frills“-Version, Basisprodukt), expected product („normale“ Erwartungen der Konsumenten an das Produkt), augmented product (Zusatznutzen) sowie potential product (potentielle Erweiterungen des Produktes). In der heutigen Wirtschaftswelt findet der Wettbewerb überwiegend auf der Ebene des augmented product statt.118 Gemäß dieser Kategorisierung stellt die Marke eine Möglichkeit zur Erzielung eines Zusatznutzens auf der Ebene des augmented product dar. Diese Systematik greift Doyle auf, indem er den Zusammenhang von Produkt und Marke als Entwicklungsprozess beschreibt: 119 Potential brand Augmented brand Basic brand Product Abbildung B-14: Zusammenhang von Produkt und Marke Den Ausgangspunkt bildet die Ebene des product.120 Ein Produkt dieser Art erfüllt die Bedürfnisse der Konsumenten. Auf der nächsten Ebene wird das product um eine basic brand ergänzt, indem über Markenzeichen, Verpackung, Design, Werbung oder Promotionaktivitäten eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb angestrebt wird.121 117 Vgl. Kotler (2003), S. 407-409. Kotler baut hierbei auf den Überlegungen von Levitt auf. Vgl. Levitt (1980), S. 84-88. 118 Vgl. Kotler (2003), S. 408. 119 Vgl. Doyle (2000), S. 232. 120 Vgl. zum Folgenden Doyle (2000), S. 233. 121 Diese Stufe entspricht der in Abschnitt B1.2 angesprochenen Funktion der Marke als Zeichen zur Wiedererkennung. 33 Auf der Ebene der augmented brand wird die Kombination aus Produkt und Markenzeichen um zusätzliche Nutzenelemente, wie beispielsweise längere Garantiefristen oder zusätzliche Serviceleistungen, angereichert, um sie attraktiver für die Konsumenten zu machen.122 Die vierte und oberste Ebene stellt die potential brand dar. Diese umfasst den emotionalen Zusatznutzen der Marke als Voraussetzung zum Aufbau von Markenloyalität und Zahlungsbereitschaft.123 Auch wenn die Begrifflichkeiten nicht immer eindeutig verwendet werden, machen die Systematiken von Kotler und Doyle deutlich, dass sich das Verhältnis von Markenprodukt und Marke letztlich über drei Größen konkretisieren lässt. Ausgangspunkt ist das unmarkierte Produkt bzw. No-name-Produkt.124 Das No-name-Produkt wird ergänzt durch den Zusatznutzen der Marke als immaterieller Vermögenswert. No-nameProdukt und Marke zusammen ergeben das Markenprodukt. In diesem Sinne kann die Marke definiert werden als ein immaterieller Zusatznutzen, der neben den Nutzen des No-name-Produkts tritt.125 Nachfolgende Abbildung stellt den Zusammenhang von Marke und Markenprodukt noch einmal dar: Marke Immaterieller Zusatznutzen Markenprodukt No-nameProdukt Abbildung B-15: Zusammenhang von Marke und Markenprodukt In den Abschnitten A und B wurde bereits erläutert, dass die Bewertung der Marke als immaterieller Vermögenswert die Integration von Marketing- und Finanzperspektive der Marke erforderlich macht. Diese Dualität von Marketing- und Finanzperspektive ist somit auch bei der Definition des Markenwerts zu berücksichtigen. In diesem Sinne 122 Diese zusätzlichen Elemente können mit der in Abschnitt B1.2 beschriebenen Funktion der Marke als Qualitätssignal in Verbindung gebracht werden. 123 Hier besteht eine Nähe zu den in Abschnitt B1.2 hergeleiteten Funktionen der Marke als Prestigefaktor bzw. als Erlebnisfaktor. 124 Die für die Wertermittlung der Marke erforderliche exakte Definition des unmarkierten Produkts bzw. Noname-Produkts wird in Abschnitt C2.3.1.1 vorgenommen. 125 Diese Markendefinition steht daher in engem Zusammenhang mit dem Verständnis der Marke von Kotler und Doyle bzw. dem „Thema“ der Marke als „adding value“, wobei hier explizit zwischen Markenprodukt und Marke differenziert wird. 34 wird der Wert der Marke aus der Finanzperspektive als Markenwert bezeichnet. Für den Wert der Marke aus der Perspektive des Marketing wird der Terminus Markenstärke verwendet. Aufgrund der Definition der Marke als immaterieller Zusatznutzen gegenüber einem No-name-Produkt wird der Markenwert zunächst auf der Ebene einzelner „Markenprodukt-/Markenkombinationen“ erfasst. Wenn die Marke beispielsweise als Dachmarke nicht nur in einer einzigen Markenprodukt-/Markenkombination verwendet wird, errechnet sich der Gesamtwert der Marke als Summe aus den anteiligen Markenwerten der Markenprodukt-/Markenkombinationen:126 Gesamtwert der Marke A Wert der Marke A in MarkenproduktMarkenkombination 1 Wert der Marke A in MarkenproduktMarkenkombination 2 Marke A Marke A Markenprodukt 1 Markenprodukt 2 No-nameProdukt 1 No-nameProdukt 2 Abbildung B-16: Wert einer Marke auf Basis mehrerer Markenprodukt-/ Markenkombinationen Nach der Schaffung der begrifflichen Grundlagen kann in den beiden folgenden Abschnitten die Darstellung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung und die Überprüfung deren Eignung für das Markenmanagement vorgenommen werden. 126 Wenn eine Marke wie Nivea beispielsweise einmal als Marke für ein Duschmittel und daneben als Marke für eine Hautcreme verwendet wird, so entspricht dies zwei Markenprodukt-/Markenkombinationen. Der Gesamtwert der Marke Nivea errechnet sich als Summe der jeweiligen Werte der Marke Nivea für die beiden Markenprodukt-/Markenkombinationen. Die unter Umständen sehr komplexen Aufteilungen von Marken auf verschiedene Markenprodukte werden in Abschnitt C3.2 bei der Darstellung des Marken-Ratings für ein Markenportfolio vertieft diskutiert. 35 3.2 Darstellung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung Die Kenntnis des Werts der Marke ist für das Markenmanagement von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist zu klären, auf der Grundlage welchen Verfahrens die Ermittlung des Markenwerts erfolgen soll. Hierfür ist im ersten Schritt zu untersuchen, ob eines der bestehenden Verfahren der Markenbewertung als geeignet für die Verwendung im Rahmen des Markenmanagements angesehen werden kann. Zu diesem Zweck werden in Abschnitt B3.2 die bestehenden Verfahren der Markenbewertung dargestellt und in Abschnitt B3.3 im Hinblick auf ihre Eignung für den Bewertungsanlass des Markenmanagements überprüft. Die bestehenden Verfahren der Markenbewertung nehmen eine Intangible-Sicht der Marke ein und ermitteln daher einen Wert für die Marke als immaterieller Vermögenswert. Die Ebene des Markenprodukts bleibt ausgeblendet. Aus diesem Grund wird bei der Diskussion und Würdigung der bestehenden Verfahren insbesondere der Aspekt der Integration von Marketing- und Finanzperspektive im Mittelpunkt stehen. Für die Ermittlung des Markenwerts existiert eine Vielzahl von Verfahren.127 Diese können im Hinblick auf die verwendeten Input-Größen in finanzorientierte Verfahren, marketingorientierte Verfahren sowie Kombinationsverfahren unterschieden werden.128 Die finanzorientierten Verfahren ermitteln den Markenwert auf Basis von finanziellen Kennzahlen als eine Größe in Geldeinheiten. Im Gegensatz dazu wird im Rahmen der marketingorientierten Verfahren eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive eingenommen und der Markenwert auf der Grundlage von nicht-finanziellen Kennzahlen als dimensionslose Größe berechnet. Eine Integration von finanzorientierten und marketingorientierten Verfahren wird mit den Kombinationsverfahren angestrebt, wobei als Ergebnis in der Regel ebenfalls ein finanzieller Markenwert resultiert. Auf der nächsten Ebene können die finanzorientierten Verfahren weiter unterteilt werden in den kostenbasierten Ansatz, marktbasierten Ansatz und den einkommensbasierten Ansatz.129 Innerhalb des einkommensbasierten Ansatzes wird in dieser Arbeit die Ermittlung des Markenwerts auf Basis des Cash-Accounting sowie auf Basis des Accrual-Accounting unterschieden: 127 128 129 36 Die bislang umfassendste Übersicht zu internationalen nicht-kommerziellen und kommerziellen Verfahren der Markenbewertung findet sich bei Frahm (2004), S. 48-172. Diese Untergliederung wird etwa auch von Cheridito (2003), S. 99 vorgenommen. Zu anderen Möglichkeiten der Abgrenzungen der Verfahren vgl. beispielsweise Sattler (1997), S. 48 ff.; Maretzki (2001), S. 68. In der englischsprachigen Literatur werden hierfür die Begriffe Cost Approach, Market Approach und Income Approach verwendet. Vgl. Smith (1997), S. 18-23; Reilly/Schweihs (1999), S. 95. Bestehende Verfahren der Markenbewertung Finanzorientierte Verfahren Kostenbasierter Ansatz Marketingorientierte Verfahren Marktbasierter Ansatz Kombinationsverfahren Einkommensbasierter Ansatz Verfahren auf Basis Cash-Accounting Verfahren auf Basis Accrual-Accounting Abbildung B-17: Übersicht über bestehende Verfahren der Markenbewertung In den folgenden Abschnitten werden die Grundzüge der einzelnen Verfahren kurz vorgestellt. Die Würdigung der Eignung der Verfahren für den Zweck des Markenmanagements ist Gegenstand des Abschnitts B3.3. Zur besseren Verständlichkeit wird die Darstellung anhand eines durchgängigen Fallbeispiels vorgenommen, in welches nachfolgend kurz eingeführt wird. 3.2.1 Einführung in das Fallbeispiel Die theoretischen Überlegungen dieser Arbeit sollen anhand einer praxisorientierten fiktiven Fallstudie veranschaulicht werden. Diese Fallstudie kann und soll nicht die Komplexität der Realität abbilden, sondern will gezielt abstrahieren und anhand einer einfachen Darstellung die konzeptionellen Überlegungen dieser Arbeit veranschaulichen. Im Mittelpunkt des Fallbeispiels steht das fiktive Modellunternehmen BRAND mit Sitz in einem europäischen Land. Die Geschäftstätigkeit von BRAND besteht in der Herstellung und dem Vertrieb von Eiscreme und Soft Drinks. Das Unternehmen ist an der Börse notiert und verfügt über die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Bilanzierung erfolgt nach IFRS (International Financial Reporting Standards). BRAND besteht aus den beiden Geschäftsbereichen Ice Cream und Soft Drinks, die als organisatorische Einheiten (management units) geführt werden. Der Geschäftsbereich Soft Drinks unterteilt sich weiter in die Bereiche Cola und Limonade. Die Organisationsstruktur von BRAND stellt sich mithin wie folgt dar: 37 BRAND AG Ice Cream Soft Drinks Organisatorische Einheiten Cola Limonade Abbildung B-18: Organisationsstruktur von BRAND BRAND wurde vor mehr als zwanzig Jahren gegründet. Als erstes Produkt führte das Unternehmen das Cola-Getränk Coki am Markt ein. Coki wird vor allem von der Gruppe der 1430-jährigen gekauft. Auf den Flaschen findet sich neben dem Logo von Coki auch ein kleinerer Verweis auf die Unternehmensmarke BRAND. Aufgrund des großen Erfolgs von Coki wurde fünf Jahre nach der Einführung von Coki zusätzlich das Limonaden-Getränk Livella in das Sortiment aufgenommen. Die Käufer dieses Produkts setzen sich zum einen ebenfalls aus der Gruppe der 14-30-jährigen zusammen, allerdings wird Livella in zunehmendem Maße auch von den 30-50-jährigen gekauft. Da auf dem Markt bereits ein Konkurrenzprodukt mit einem ähnlichen Namen existiert, werden die Assoziationen mit der Unternehmensmarke BRAND betont, so dass auf den Flaschen von Livella zur Unterstützung auch die Unternehmensmarke BRAND angebracht ist. Auf Rat einer Beratungsgesellschaft entschied sich das Management, in den Markt für Eiscreme einzutreten. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2001 der Geschäftsbereich Ice Cream gegründet. Einziges Produkt ist bislang das Fruchteis Top Ice. Die Zielgruppe für Top Ice umfasst 8-16-jährige Kinder und Jugendliche. Auf der Verpackung ist ausschließlich das Logo Top Ice aufgeführt. Im Jahr 2003 ergab sich unerwartet die Gelegenheit, den Hauptkonkurrenten auf dem Bereich der Cola-Getränke zu einem sehr attraktiven Kaufpreis zu übernehmen. Diese Chance wollte sich das Management nicht entgehen lassen. Mit dem Unternehmen erwarb BRAND die Cola-Marke Peppi. Diese zielt grundsätzlich auf die ähnliche Zielgruppe ab wie die eigene Marke Coki. Vor diesem Hintergrund gibt es heftige Diskussionen innerhalb des Managements von BRAND, ob die Bearbeitung des Marktes mit zwei Marken sinnvoll ist. Aktuell ist auf den Flaschen von Peppi kein Hinweis auf das Unternehmen BRAND angebracht. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht das Markenportfolio von BRAND: BRAND Top Ice Coki Abbildung B-19: Markenportfolio von BRAND 38 Peppi Livella Die Erläuterung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung soll anhand der Produktmarke Top Ice vorgenommen werden. Diese steht in keinen Beziehungen zu der Unternehmensmarke und zu den anderen Produktmarken des Unternehmens. Aus diesem Grund besitzt sie den Charakter einer reinen Einzelmarke. Die Auswahl einer Einzelmarke wird an dieser Stelle der Arbeit vorgenommen, da die bestehenden Ansätze der Markenbewertung in der Literatur grundsätzlich die Bewertung einer Einzelmarke zum Gegenstand haben. Die grundsätzliche Problematik bei der Bewertung einer Marke besteht darin, dass in der Regel nur Informationen über Zahlungs- oder Erfolgsgrößen auf der Ebene des Unternehmens bzw. des Markenprodukts vorliegen. Die für die Bewertung der Marke relevanten Größen müssen erst isoliert werden. Auch im Fallbeispiel existieren als Ausgangspunkt für die Bewertung lediglich Zahlen für das Markenprodukt. Für das Markenprodukt Top Ice liegen für die letzten drei Geschäftsjahre 2001 bis 2003 Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen vor. Zusätzlich wurden für die Geschäftsjahre 2004 bis 2006 auf Basis eines detaillierten Maßnahmenplans Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Plan-Bilanzen erstellt. Für den Zeitraum von 2004 bis 2006 wurde auch eine detaillierte Investitionsplanung vorgenommen sowie eine Kapitalflussrechnung aufgestellt. Als Grundlage für eine Bewertung wurde die Planung vom Management bis in das Jahr 2024 fortgeführt. Dies entspricht der Annahme einer ökonomischen Nutzungsdauer von 20 Jahren für das Markenprodukt Top Ice. Diese lange Nutzungsdauer wurde gewählt, da mit der Einführung des Produkts die Intention des Managements verbunden ist, einen „Klassiker“ auf dem Markt zu etablieren. Im Folgenden werden Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Investitionsrechnung und Kapitalflussrechnung dargestellt und die der Planung zugrunde liegenden Annahmen erläutert:130 130 Das Zahlenbeispiel im Text gibt die Vergangenheitsjahre 2001 bis 2003 sowie die Planjahre 2004 bis 2006 und 2024 wider. Die vollständige Planung ist im Anhang dieser Arbeit aufgeführt. 39 2001 2002 2003 2004 2005 2006 ... 2024 Umsatz Preis Absatzmenge Umsatzwachstum 2.059,8 1,13 1.818 4,03% 2.142,8 1,17 1.836 4,03% 2.229,2 1,20 1.855 4,03% 2.342,0 1,24 1.892 5,06% 2.484,6 1,28 1.948 6,09% 2.635,9 1,31 ... 2.007 ... 6,09% ... 7.639,5 2,24 3.416 6,09% Herstellkosten Absatzmenge variable Stückkosten variable Herstellkosten fixe Herstellkosten 1.180,1 1.818 0,48 880,1 300,0 1.272,6 1.836 0,50 915,6 357,0 1.316,6 1.855 0,51 952,5 364,1 1.372,1 1.892 0,53 1.000,7 371,4 1.440,4 1.948 0,54 1.061,6 378,9 1.512,7 2.007 0,56 1.126,2 386,4 ... ... ... ... ... 3.816,1 3.416 0,96 3.264,2 551,9 595,0 389,0 103,0 5,0% 103,0 612,3 398,0 107,1 5,0% 107,1 624,9 402,0 111,5 5,0% 111,5 702,6 468,4 117,1 5,0% 117,1 745,4 496,9 124,2 5,0% 124,2 790,8 527,2 131,8 5,0% 131,8 ... ... ... ... ... 2.291,9 1.527,9 382,0 5,0% 382,0 71,2 30,0 41,2 66,6 25,0 41,6 67,8 25,8 42,0 69,0 26,5 42,4 70,2 27,3 42,9 71,4 ... 28,1 ... 43,3 ... 99,7 47,9 51,8 213,5 10,37% -160,0 191,4 8,93% -132,1 219,9 9,86% -109,9 198,3 8,47% -92,3 228,6 9,20% -82,9 261,0 ... 9,90% ... -77,9 ... 1.431,9 18,74% 0,0 -976,5 53,5 -49,0 4,5 -1,6 2,9 2,9 59,2 -39,8 19,4 -6,8 12,6 12,6 109,9 -32,6 77,3 -27,1 50,3 50,3 106,0 -27,0 79,0 -27,6 51,3 51,3 145,7 -24,5 121,2 -42,4 78,8 78,8 Gewinn- und Verlustrechnung Vertriebskosten Kosten für Werbekampagnen Kosten für Händlerprovisionen Quote der sonstigen Vertriebskosten vom Umsatz sonstige Vertriebskosten Verwaltungskosten Kosten für rechtlichen Schutz der Marke sonstige Verwaltungskosten EBITDA EBITDA-Marge Abschreibungen außerordentliche AfA auf Anlagevermögen EBIT Zinsen EBT Steuerzahlungen Jahresüberschuss Ausschüttung 183,1 -23,9 159,3 -55,7 103,5 103,5 ... ... ... ... ... ... 455,4 -84,1 371,4 -130,0 241,4 641,4 Die Ermittlung des Umsatzes erfolgt auf Basis des Preis-/Mengengerüsts von Top Ice. Für den Zeitraum von 2007 bis 2024 wird die Wachstumsrate von Preis- und Absatzmenge für das Jahr 2006 fortgeführt. Bei den Herstellkosten wird zwischen variablen und fixen Komponenten unterschieden. Die variablen Herstellkosten ergeben sich als Produkt aus der Absatzmenge und den variablen Stückkosten. Die fixen Herstellkosten werden mit einer Wachstumsrate von 2% geplant. Bei den Vertriebskosten werden für das Markenprodukt Top Ice Kosten für Werbekampagnen, Kosten für Händlerprovisionen sowie sonstige Vertriebskosten unterschieden. Die ersten beiden Kategorien werden direkt geplant, die sonstigen Vertriebskosten werden als Prozentsatz vom Umsatz angesetzt. Als Komponenten der Verwaltungskosten werden die Kosten für den rechtlichen Schutz der Marke und die sonstigen Verwaltungskosten unterschieden. Der Planung der Kosten für den rechtlichen Schutz der Marke liegen annahmegemäß budgetierte Maßnahmen zugrunde, während die sonstigen Verwaltungskosten mit einer Wachstumsrate von 1% angesetzt werden. Für die Abschreibungen wurde auf den Bestand des Anlagevermögens der Vorperiode ein degressives Verfahren über 5 Jahre unterstellt. Zum Ende der ökonomischen Nutzungsdauer wird das Markenprodukt annahmegemäß zu Buchwerten liquidiert. Aus diesem Grund wird im Jahr 2024 eine außerordentliche Abschreibung auf das Anlagevermögen vorgenommen. Der Zinssatz für Fremdkapital wird in Höhe von 7% angesetzt. Der Steuersatz beträgt konstant 35%. 40 Aus Vereinfachungsgründen wird für alle Planungsperioden eine periodengleiche Vollausschüttung der Jahresüberschüsse unterstellt. Im Jahr 2024 wird zusätzlich zum Jahresüberschuss der Bestand des Eigenkapitals der Vorperiode in Höhe von 400 ausgeschüttet. Bilanz abschreibbares Anlagevermögen Vorräte Forderungen aus L&L Kassenbestand Aktiva Eigenkapital Darlehen Kontokorrent Verbindlichkeiten aus L&L Passiva 2001 2002 2003 2004 2005 2006 ... 2024 660,6 149,4 169,3 61,8 1.041,1 549,7 150,9 176,1 64,3 941,0 461,6 152,4 183,2 66,9 864,1 414,3 155,5 192,5 70,3 832,5 389,4 160,1 204,2 74,5 828,3 383,2 164,9 216,6 79,1 843,8 ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 400,0 100,0 468,8 72,3 1.041,1 400,0 100,0 365,8 75,3 941,0 400,0 100,0 285,9 78,3 864,1 400,0 100,0 250,3 82,2 832,5 400,0 100,0 241,0 87,3 828,3 400,0 100,0 251,3 92,6 843,8 ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Die Entwicklung des abschreibbaren Anlagevermögens basiert auf einer Investitionsplanung. Die Posten des Working Capital werden über die Kennzahlen Forderungsreichweite (30 Tage), Lagerreichweite (30 Tage) und Verbindlichkeitsreichweite (30 Tage) geplant.131 Der Bestand der (operativen) Kasse wird in Höhe von 3% vom Umsatz angesetzt. Der Ausgleich der Bilanzposten erfolgt über den Posten Kontokorrent. Zum Ende der ökonomischen Nutzungsdauer werden die Vermögenswerte und Schulden zu Buchwerten verkauft bzw. abgelöst und das Eigenkapital ausgeschüttet. Aus diesem Grund sind zum Ende der Periode 2024 alle Bilanzposten mit dem Wert 0 angesetzt. Investitionsplanung Absatzmenge Markenprodukt Kapazität pro Maschine Benötigte Maschinen Markenprodukt Veränderung Maschinen Markenprodukt Kosten pro Maschine Investitionen in abschreibb. AV Quote der Investitionen vom Umsatz 2004 2005 1.891,6 10,0 190,0 4,0 11,3 45,0 1,9% 1.948,4 10,0 195,0 5,0 11,6 58,0 2,3% 2006 ... 2.006,8 10,0 201,0 6,0 11,9 71,6 2,7% ... ... ... ... ... ... ... 2024 3.416,5 10,0 342,0 10,0 20,3 203,3 2,7% Für die Investitionsplanung wird die Absatzmenge (= Produktionsmenge) des Markenprodukts mit der Kapazität pro Maschine verglichen. Auf dieser Basis können die benötigten zusätzlichen Maschinen bzw. durch Multiplikation mit den Kosten pro Maschine die erforderlichen Bruttoinvestitionen berechnet werden. Da die Absatzmenge über die ökonomische Nutzungsdauer kontinuierlich ansteigt, werden auch bis zum letzten Jahr Investitionen vorgenommen. Es wird mithin nicht unterstellt, dass das Produkt in den letzten Jahren langsam zurückgefahren wird, sondern die Planung wird gleichsam im Jahr 2024 abgeschnitten. 131 Da bei den variablen Herstellkosten der Materialaufwand nicht explizit ausgewiesen wird, erfolgt die Planung der Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung aus Vereinfachungsgründen in Relation zu der Summe der variablen Herstellkosten. 41 Auf dieser Grundlage stellt sich die Kapitalflussrechnung wie folgt dar: 2004 2005 2006 ... Kapitalflussrechnung Jahresüberschuss Zinsen Abschreibungen Veränderungen Vorräte Veränderungen Ford. aus L&L Veränderungen Verb. aus L&L Cashflow operativ 51,3 27,0 92,3 -3,0 -9,3 4,0 162,3 78,8 24,5 82,9 -4,7 -11,7 5,0 174,8 103,5 23,9 77,9 -4,8 -12,4 5,3 193,3 Cashflow Investitionen -45,0 -58,0 0,0 -35,6 -51,3 -27,0 -113,9 3,4 Veränderung Darlehen Veränderung Kontokorrent Ausschüttung Zinsen Cashflow Finanzierung Cashflow Gesamt 2024 ... ... ... ... ... ... ... 241,4 84,1 976,5 272,6 591,9 -252,9 1.913,5 -203,3 0,0 -9,2 -78,8 -24,5 -112,5 -71,6 ... ... 0,0 ... 10,2 ... -103,5 ... -23,9 ... -117,2 ... -100,0 -1.100,8 -641,4 -84,1 -1.926,3 4,3 4,5 ... -216,0 Diese Daten bilden die Grundlage für die Ermittlung des Werts der Marke Top Ice. Als Stichtag für die Bewertung wird der 31.12.2003 festgelegt. 3.2.2 Finanzorientierte Verfahren 3.2.2.1 Kostenbasierter Ansatz Der kostenbasierte Ansatz lässt sich auf die ökonomischen Grundprinzipien des Güteraustauschs und des Gleichgewichtspreises zurückführen.132 Diese Grundsätze besagen, dass ein Anleger für ein Gut nicht mehr zu bezahlen bereit ist als die Kosten für den Erwerb oder die Herstellung eines Guts mit dem gleichen Nutzen. Unter der Voraussetzung eines effizienten Marktes pendeln sich die Preise der Güter im Gleichgewicht so ein, dass der Marktpreis des Guts eine Funktion seines Nutzens darstellt. Kosten werden in diesem Sinne als ökonomische Kostengröße verstanden: „The economic measure of cost is usually equal to an accounting measure of cost that has been adjusted by either (or both) incremental and decremental influences caused by market conditions.”133 Die Erfassung der Kosten der Marke stellt mithin nur den Ausgangspunkt bei der Bewertung auf Basis des kostenbasierten Ansatzes dar. In einem zweiten Schritt sind zusätzlich die durch Markteinflüsse erforderlichen werterhöhenden oder wertmindernden 132 133 42 Vgl. Reilly/Schweihs (1999), S. 96 f. Reilly/Schweihs (1999), S. 97. Anpassungen der bilanziellen Kosten zu berücksichtigen. Nach diesen Korrekturen resultiert ein Wert für die Marke: „It is noteworthy that the cost approach analysis begins with some measure of cost, but concludes with some measure of value.“134 Nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Schritte des kostenbasierten Ansatzes: Bestimmung der Kosten der Marke Ermittlung von werterhöhenden bzw. wertmindernden Einflüssen Berechnung des Werts für die Marke Abbildung B-20: Schritte des kostenbasierten Ansatzes Als grundlegende Verfahren des kostenbasierten Ansatzes können die Bewertung auf Basis von historischen Kosten und die Bewertung auf Basis von Wiederbeschaffungskosten unterschieden werden.135 Historische Kosten Die Bewertung der Marke auf Basis von historischen Kosten beginnt mit der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung der für den Aufbau der Marke in der Vergangenheit angefallenen (bilanziellen) Kosten.136 Für die sachliche Abgrenzung der historischen Kosten zum Aufbau der Marke ist zu unterscheiden zwischen Aufwendungen, deren alleiniger Zweck in der Schaffung der Marke liegt und Aufwendungen, die neben einem anderen Zweck auch der Schaffung der Marke dienen.137 Die erste Kategorie von Aufwendungen kann über die Kosten für 134 135 136 137 Reilly/Schweihs (1999), S. 99. Vgl. zur Darstellung und Würdigung der Verfahren des kostenbasierten Ansatzes Aaker (1991), S. 24; Kapferer (1992), S. 298-303; Smith (1997), S. 21 u. S. 129 ff.; Haigh (1998), S. 49; Keller (1998), S. 359; Reilly/Schweihs (1999), S. 118-145; Esch (2003), S. 533; Frahm (2004), S. 58 f. Eine ausführliche Diskussion der (Herstellungs-)Kosten der Marke im Kontext der Markenbewertung findet sich bei Greinert (2002), S. 138-156. Vgl. zum Folgenden Greinert (2002), S. 140-150. 43 den Aufbau bzw. die Schaffung der für das Vorliegen einer Marke konstitutiven Elemente Markenzeichen, Recht an der exklusiven Nutzung, Markenbekanntheit und Markenimage eindeutig identifiziert werden. Die Abgrenzung des auf die Marke entfallenden Teils der Aufwendungen, die neben einem anderen Zweck auch der Schaffung der Marke dienen, ist auf Basis einer prozentualen Aufteilung der einzelnen Aufwandskategorien in den Anteil, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Marke steht, und in einen Anteil, der auch ohne die Marke anfallen würde, vorzunehmen.138 Für die zeitliche Abgrenzung der historischen Kosten sind Beginn und Ende des Aufbaus der Marke zu bestimmen. Der Beginn des Aufbaus der Marke ist in der Regel eindeutig festgelegt. Das Ende des Aufbaus der Marke kann daran festgemacht werden, dass die Marke die angestrebten Zielwerte (bzw. gewisse Mindestwerte) in Bezug auf Markenbekanntheit und Markenimage erreicht hat. Mithin sind bei der zeitlichen Abgrenzung der historischen Kosten auch die Aktivitäten bzw. Werbekampagnen zu berücksichtigen, die dazu beigetragen haben, dass die Marke die Zielwerte in Bezug auf Markenbekanntheit und Markenimage erreicht hat. Nach der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung der Kosten zum Markenaufbau resultiert eine Zeitreihe der historischen Kosten.139 Sollte sich zwischen dem Ende des Markenaufbaus und dem Bewertungszeitpunkt der Wert der Marke verändert haben, ist dies durch Wertminderungen oder Werterhöhungen zu berücksichtigen. Im Rahmen des kostenbasierten Ansatzes kann die Bestimmung der Wertveränderung allerdings nur auf Basis einer pauschalen Einschätzung getroffen werden.140 Zur Veranschaulichung der Darstellungen soll die Marke Top Ice auf Basis der historischen Kosten für den Markenaufbau bewertet werden. Die Marke Top Ice wurde im Januar des Jahres 2001 als Marke angemeldet und in den Markt eingeführt. Damit ist der Beginn des Betrachtungszeitraums zur Abgrenzung der historischen Kosten determiniert. 138 Für diese Abgrenzung ist eine Definition des Vergleichsfalls ohne Marke erforderlich. In dieser Arbeit wird die Definition des No-name-Produkts in Abschnitt C2.3.1.1 vorgenommen. 139 Geldentwertungseffekte können durch die Multiplikation der nominalen Werte mit einem Inflationsfaktor berücksichtigt werden. Ergebnis ist eine Indikation für den Wert der Marke in aktueller Kaufkraft. Vgl. Smith (1997), S. 132. 140 Für eine genaue Bestimmung der Wertänderung ist die Prognose der zukünftigen Cashflows bzw. Erträge und Aufwendungen der Marke, mithin also die Anwendung des einkommensbasierten Ansatzes erforderlich. Vgl. Smith (1997), S. 138 f. 44 Mit der Markeneinführung war die mittelfristige Zielsetzung der Erreichung einer gestützten Bekanntheit der Marke in Höhe von rund 60% in der relevanten Zielgruppe verbunden. Nach mehreren intensiven Werbekampagnen wurde bei einer Konsumentenbefragung im Juni 2003 ein gestützter Bekanntheitsgrad in Höhe von 58% festgestellt. Der Aufbau der Marke lässt sich mithin an dem Zeitraum von Januar 2001 bis Juni 2003 festmachen. Als Kosten, deren alleiniger Zweck in der Schaffung der Marke Top Ice besteht, können zum einen die Aufwendungen für die Eintragung der Marke identifiziert werden. Diese entsprechen dem Posten „Kosten für rechtlichen Schutz der Marke“ in der GuV des Jahres 2001. Die Kosten für rechtlichen Schutz der Marke in den Folgeperioden dienen nicht mehr dem Aufbau, sondern nur noch der Sicherung des rechtlichen Schutzes der Marke und werden daher nicht berücksichtigt. Eine weitere Kostenart, deren alleiniger Zweck in der Schaffung der Marke Top Ice besteht, stellen die Kosten für Werbekampagnen dar. Diese werden deshalb in voller Höhe in die Bewertung einbezogen. Die sonstigen Vertriebskosten können annahmegemäß nur zu 75% der Marke zugerechnet werden, da der Rest sich aus Kosten für Maßnahmen zusammensetzt, die unabhängig von der Schaffung der Marke angefallen wären. Gleiches gilt für die Kosten für Händlerprovisionen. Hier wird unterstellt, dass der Anteil der Marke 50% beträgt. Da der Aufbau der Marke annahmegemäß im Juni 2003 endet, sind die Kosten des Jahres 2003 nur noch jeweils zur Hälfte in der Bewertung zu berücksichtigen. Auf dieser Basis ergeben sich die folgenden nominalen Kosten für den Aufbau der Marke: Kosten für Werbekampagnen Anteil Marke an Kosten für Händlerprovisionen (50%) Anteil Marke an sonstigen Vertriebskosten (75%) Kosten für rechtlichen Schutz der Marke Historische Kosten gesamt 2001 2002 2003 389,0 51,5 30,9 30,0 501,4 398,0 53,6 31,2 201,0 27,9 15,8 482,8 244,6 Die Kosten für die einzelnen Jahre sind in einem nächsten Schritt mit einem Korrekturfaktor zum Ausgleich der Geldentwertung durch Inflation zu multiplizieren, um die Summe der historischen Kosten zu aktuellen Preisen zu erhalten: Historische Kosten Geldentwertungsfaktor (3%) Historische Kosten zu aktuellen Preisen Markenwert 2001 2002 2003 501,4 1,06 531,9 482,8 1,03 497,3 244,6 1,00 244,6 1.274 Im Zeitraum zwischen Juni 2003 und dem Bewertungsstichtag 31.12.2003 wurden annahmegemäß keine Maßnahmen durchgeführt, die den Wert der Marke wesentlich beeinflussten. Aus diesem Grund wird keine Anpassung wegen Werterhöhung oder Wertminderung vorgenommen. Als Ergebnis der Bewertung der Marke auf Basis historischer Kosten resultiert mithin ein 141 Wert von 1.274. 141 Bei der exakten Bewertung der Marke in Abschnitt C2.3.2 wird ein negativer Markenwert resultieren. Verantwortlich hierfür sind die hohen Kosten für Werbung, die nicht durch den zusätzlichen Umsatz der Marke gedeckt werden. Da im Rahmen des kostenbasierten Ansatzes zur Bestimmung von möglichen Wertminderungen lediglich eine pauschale Einschätzung der Marke vorgenommen wird, aber nicht die Werttreiber betrachtet werden, kann eine solche Überschätzung des Markenwerts resultieren. 45 Fiktive Wiederbeschaffungskosten der Marke Alternativ könnte die Bewertung der Marke auf Basis von fiktiven Wiederbeschaffungskosten erfolgen. Der Wert der Marke bestimmt sich hierbei über die Kosten, die anfallen würden, um die Marke zum jetzigen Zeitpunkt noch einmal neu zu erschaffen.142 Die Rekonstruktion der Marke bezieht sich nicht nur auf ihr Erscheinungsbild und ihren rechtlichen Schutz, sondern auch auf ihre Stärke bei den Konsumenten. Eine solche Prognose von rein hypothetischen Kosten ist allerdings durch einen hohen Grad an Subjektivität gekennzeichnet: „The valuation of brands on the basis of what they might theoretically cost to re-create is likely to pass through the realms of the acceptably subjective in to the realms of the wildly fantastic.“143 Eine gewisse Objektivierung könnte dadurch erreicht werden, dass bezüglich der Daten für die Einführungskosten einer neuen Marke entweder auf Studien bzw. Schätzungen von Experten oder Angaben von Unternehmen zurückgegriffen wird. Die Einführungskosten für neue Marken im amerikanischen Markt werden auf 50 bis über 100 Millionen Dollar geschätzt.144 Für den deutschen Markt ergeben sich auf Basis einer Managerbefragung ähnliche Werte.145 So liegen die vermuteten erforderlichen Investitionen zur Einführung einer Biermarke bei rund 90 Millionen Euro, eines Shampoos bei knapp 50 Millionen Euro und einer Tafelschokolade bei etwa 77 Millionen Euro. Die Ausgaben von Bahlsen für die Einführung des Keks-Schoko-Riegel „Pick-up“ sollen sich auf knapp 50 Millionen Euro belaufen haben.146 Problematisch an dem Abstellen auf Vergleichsdaten ist jedoch, dass aufgrund der geringen Anzahl von vorliegenden Daten kaum eine der konkreten Bewertungskonstellation vergleichbare Marke identifiziert werden kann.147 Eine Anwendung des Verfahrens auf die Marke Top Ice wird aufgrund des fiktiven Charakters der Bewertung auf Basis von Wiederbeschaffungskosten nicht vorgenommen. 142 Vgl. Kapferer (1992), S. 301. Batchelor (1998), S. 100. 144 Vgl. Aaker (1990), S. 47. 145 Vgl. Sattler (1997), S. 8. 146 Vgl. o.V. (1999), S. 8. 147 Eine praktikable Alternative könnte darin bestehen, dass der Prozess des Markenaufbaus nicht gesamthaft betrachtet wird, sondern in seine drei zentralen Komponenten aufgeteilt wird. Dazu zählen Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Nutzungsrecht an der Marke, die Markenbekanntheit sowie das Markenimage zu reproduzieren. Vorteil dieser Aufspaltung ist, dass für die einzelnen Komponenten leichter Vergleichswerte gewonnen werden können. Vgl. Greinert (2002), S. 162-166. 143 46 3.2.2.2 Marktbasierter Ansatz Der marktbasierte Ansatz basiert auf der Grundidee, dass der Wert einer Marke ihrem Gleichgewichtspreis auf dem Markt entspricht.148 Der Marktpreis der Marke kann zum einen direkt auf der Grundlage von Markentransaktionen bestimmt werden. Alternativ lässt sich der Marktpreis der Marke indirekt über die Börsenbewertung des Unternehmens ermitteln. Beide Verfahren werden im Folgenden kurz dargestellt.149 Markentransaktionen Marktpreise können sich entweder durch den Handel an Börsen oder durch Transaktionen bilden. Da Marken nicht als isolierte Güter an Börsen gehandelt werden, lässt sich ein direkter Marktpreis für eine Marke nur anhand von Markentransaktionen ableiten.150 Bislang wurden allerdings erst wenige Transaktionen vorgenommen, bei denen die Marke einziger oder primärer Gegenstand der Transaktion war. Abbildung B-21 zeigt eine Übersicht von Markentransaktionen, für die veröffentlichte Daten vorliegen:151 148 149 150 151 Vgl. Reilly/Schweihs (1999), S. 101. Zur Darstellung und kritischen Würdigung des marktorientierten Ansatzes vgl. Aaker (1991), S. 25 f.; Kapferer (1992), S. 303 f.; Smith (1997), S. 139-143; Haigh (1998), S. 50; Keller (1998), S. 359 f.; Reilly/Schweihs (1999), S. 146-158; Esch (2003), S. 534 f.; Frahm (2004), S. 60 f. Markentransaktionen können danach unterschieden werden, ob lediglich das unbenutzte und bereits in das Markenregister eingetragene Markenzeichen oder eine bereits am Markt eingeführte Marke gehandelt wird. Transaktionspreise für Nutzungsrechte an der Marke können allerdings nicht für die Bewertung von existierenden und eingeführten Marken verwendet werden, weil diese Markenrechte lediglich die rechtliche Hülle, aber nicht die eigentlich werthaltige Substanz der Marke repräsentieren. Aus diesem Grund verbleiben Transaktionen bereits am Markt existierender Marken als einzige Quelle zur Ableitung von Marktpreisen. Vgl. Smith (1997), S. 139-142. 47 Marke(n) Kaufpreis (Mio. Dollar) Jahr Käufer Verkäufer Hazeline 132 1995 Glaxo-Wellcome Unilever Wordperfect, Quattro Pro, 124 1996 Corel Corporation Novell 372 n/a American Brands, Inc Seagram PerfectOffice 7 Spirituosen-Marken (Calvert Gin, Calvert Extra American Company Whiskey, Kessler American Blended Whiskey, Leroux Cocktails, Lord Calvert Canadian Whiskey, Ronrico Rum, Wolfschmidt Vodka) 32 Marken aus dem 52 n/a medizinischen Bereich Menley & James n/a Laboratories Abbildung B-21: Ausgewählte Markentransaktionen Die in den Transaktionen für die Marke bezahlten Preise können über Multiplikatoren auf andere Marken übertragen werden. Solche Transaktions-Multiplikatoren werden dadurch ermittelt, dass der Kaufpreis der Marke in das Verhältnis zu einer geeigneten Bezugsgröße, wie etwa Umsatz, EBIT oder Jahresüberschuss gesetzt wird. Bei der Bestimmung der Bezugsgröße ist wesentlich, dass diese in voller Höhe mit der Marke – präzise ausgedrückt mit dem markierten Produkt bzw. der markierten Leistung – erzielt wurde.152 Verkauft ein Unternehmen beispielsweise neben dem Markenprodukt noch ein unmarkiertes Produkt, so ist nur der mit dem Markenprodukt erzielte Umsatz, EBIT oder Jahresüberschuss zur Bestimmung des Multiplikators heranzuziehen. Der Multiplikator ermöglicht es, Größenunterschiede zwischen Marken auszugleichen. Allerdings können sich Marken nicht nur anhand ihres Geschäftsvolumens, sondern auch durch ihre Stärke bei den Konsumenten oder durch ihre Branchenzugehörigkeit unterschieden. Zur Beurteilung der Vergleichbarkeit der zu bewertenden Marke und der Vergleichsmarke können verschiedene Charakteristika herangezogen werden:153 • Volumen des Marktes, in dem sich die Marke befindet • Marktanteil der Marke 152 153 48 Eine Isolierung der direkt auf die Marke als immaterieller Vermögenswert zurückzuführenden Umsatz, EBIT oder Gewinn ist aufwendig und entspricht nicht dem Grundcharakter der Multiplikatormethode als praktikables Verfahren. Vgl. Smith (1997), S. 133. • • • • • Preisprämie des markierten Produktes bzw. der markierten Dienstleistung Unterstützung durch Werbeaktivitäten Profitabilität des markierten Produktes bzw. der markierten Dienstleistung Bekanntheit der Marke Dehnbarkeit und Wachstumschancen der Marke Da das Wesen einer Marke darin besteht, sich von den Wettbewerbern und damit von anderen Marken abzugrenzen, sind Unterschiede zwischen Marken die Regel. Abweichungen zwischen Vergleichsobjekt und Bewertungsobjekt können durch Zu- oder Abschläge bei den empirisch ermittelten Multiplikatoren berücksichtigt werden. Die Bewertung einer Marke auf Basis von Transaktionen vergleichbarer Marken kann anhand des Beispielfalls der Marke Top Ice veranschaulicht werden. Die Bewertung soll anhand eines Umsatzmultiplikators vorgenommen werden. Es sei unterstellt, dass zu Beginn des Jahres 2004 eine Transaktion einer vergleichbaren Marke getätigt wurde, bei der ein Preis von 600 erzielt wurde. Der Umsatz des Markenprodukts für das Jahr 2003 betrug 800.154 Mithin ergibt sich ein Umsatzmultiplikator von 0,75: 2003 Transaktionspreis Umsatz vergleichbares Markenprodukt Umsatzmultiplikator 800 0,75 2004 600 Für das Beispiel sei unterstellt, dass die zur Ableitung des Multiplikators herangezogene Marke und die Marke Top Ice nicht vollständig vergleichbar sind. So ist die Vergleichsmarke Marktführer, Top Ice ist in ihrem Markt jedoch lediglich die viertgrößte Marke. Die schwächere Marktposition führt auch dazu, dass Marke Top Ice eine schlechtere operative Marge als die Vergleichsmarke erzielt. Aus diesem Grund ist für die Übertragbarkeit auf Top Ice der Umsatzmultiplikator der Vergleichsmarke nach unten anzupassen. In diesem Beispiel soll ein Abschlag in Höhe von 20% angesetzt werden: 2003 Umsatzmultiplikator vor Anpassung Anpassungsfaktor Umsatzmultiplikator nach Anpassung Umsatz Markenprodukt Top Ice Markenwert auf Basis Umsatzmultiplikator 2004 0,75 20% 0,60 2.229 1.337 Als Ergebnis der Bewertung anhand eines Transaktionsmultiplikators einer vergleichbaren 155 Marke resultiert für die Marke Top Ice ein Wert von 1.337. 154 155 Da im Rahmen des marktbasierten Ansatzes keine direkte Isolierung von markenspezifischen Größen stattfindet, stellt der Umsatz des Markenprodukts die Bezugsgröße für die Ableitung des Multiplikators dar. Da sowohl Umsatz als auch EBIT Größen vor Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber darstellen, stellt dieser Wert einen Gesamtkapitalwert der Marke dar. Der Eigenkapitalwert der Marke könnte durch Subtraktion des Fremdkapitals der Marke bestimmt werden. Eine detaillierte Diskussion des Zusammenhangs zwischen 49 Börsenbewertung des Unternehmens Der Marktpreis des Unternehmens wird bei einem börsennotierten Unternehmen als Marktkapitalisierung bestimmt.156 Zur Bestimmung des Markenwerts ist der Marktpreis des Unternehmens in seine einzelnen Komponenten aufzuspalten. Der Unternehmenswert setzt sich aus der Summe der materiellen Vermögenswerte und des Intellectual Capital zusammen. Der Wert des Intellectual Capital umfasst neben dem Markenwert auch den Wert der weiteren immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens, wie beispielsweise Patente, Software oder Know-how.157 Um den Wert der Marke zu ermitteln, ist daher der Anteil des Markenwerts am Gesamtwert des Intellectual Capital zu bestimmen:158 Intellectual Capital Markenwert Differenz zwischen Markwert und Buchwert des Eigenkapitals Anlagevermögen Buchwert des Eigenkapitals Umlaufvermögen Fremdkapital Marktwert des Eigenkapitals Marktwert des Gesamtkapitals Materielles Vermögen Abbildung B-22: Markenwert als Teil des Intellectual Capital Die Bestimmung des Anteils der Marke kann entweder dadurch erfolgen, dass die restlichen identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte einzeln bewertet werden. Der Residualbetrag entfällt dann auf die Marke.159 Eine alternative Methode schlagen Simon/Sullivan vor.160 Sie differenzieren die immateriellen Vermögenswerte nach dem Markenwert, dem Wert nicht-markenbezogener Faktoren sowie dem Wert branchenGesamtkapitalwert und Eigenkapitalwert der Marke wird in Abschnitt C2.3.1.1 vorgenommen. Wie bereits bei dem Fallbeispiel für den kostenbasierten Ansatz dargestellt, wird bei der exakten Bestimmung des Markenwerts in C2.3.2 dieser Arbeit ein negativer Markenwert resultieren. Diese Diskrepanz gegenüber dem Bewertungsergebnis auf Basis des marktbasierten Ansatzes entsteht daraus, dass der marktbasierte Ansatz ebenso wie der kostenbasierte Ansatz nicht direkt an den Werttreibern der Marke ansetzt. 156 Falls dies nicht möglich ist, kann der Marktpreis des Unternehmens alternativ auch auf Basis von Börsenbewertungen oder Transaktionen abgeleiteten Multiplikatoren vergleichbarer Unternehmen ermittelt werden. 157 Vgl. Spremann (2002), S. 51. 158 In der Abbildung wird zur Vereinfachung unterstellt, dass sich Buchwert und Wiederbeschaffungswert der Vermögenswerte entsprechen. 159 Vgl. Smith (1997), S. 144. 160 Vgl. Simon/Sullivan (1993), S. 28-52. 50 spezifischer Faktoren.161 Diese Komponenten werden weiter in ihre Bestandteile aufgespalten. Der Markenwert wird dann letztlich auf Basis von Regressionsgleichungen zurückgeführt auf die Faktoren Werbeausgaben, Alter der Marke und den markenbezogenen Marktanteil.162 Eine dritte Möglichkeit der Bestimmung des Anteils der Marke besteht schließlich darin, den Anteil der Marke an den immateriellen Vermögenswerten auf Grundlage einer pauschalen Schätzung zu bestimmen. Auch die Bewertung auf Basis der Börsenbewertung des Unternehmens soll am Beispiel der Marke Top Ice dargestellt werden. Da der Geschäftsbereich Ice Cream als organisatorische Einheit nicht selbst börsennotiert ist, ist zur Bestimmung des Marktpreises des Geschäftsbereichs auf Multiplikatoren vergleichbarer Unternehmen abzustellen. In der Fruchteis-Branche seien drei Wettbewerber börsennotiert, deren durchschnittlicher Umsatzmultiplikator 1,1 beträgt.163 Da die Unternehmen mit dem Geschäftsbereich Ice Cream grundsätzlich vergleichbar sind, kann der Umsatzmultiplikator direkt auf den Umsatz des Geschäftsbereichs Ice Cream des Jahres 2003 angewendet werden. Im Ergebnis resultiert ein Gesamtkapitalwert für den Geschäftsbereich Ice Cream in Höhe von 2.452: Durchschnittlicher Umsatzmultiplikator Branche Umsatz Geschäftsbereich Top Ice Gesamtkapitalwert des Geschäftsbereichs Top Ice 1,1 2.229 2.452 Vereinfacht sei angenommen, dass die Buchwerte der materiellen Vermögenswerte ihren aktuellen Marktpreisen entsprechen. Der Wert der materiellen Vermögenswerte kann daher direkt aus der Bilanz abgelesen werden. Nach Abzug des Werts der materiellen Vermögenswerte entfällt mithin auf die immateriellen Vermögenswerte ein Betrag von 1.588: Gesamtkapitalwert des Geschäftsbereichs Top Ice Buchwert (= Marktpreis) materielle Vermögenswerte Wert der immateriellen Vermögenswerte 2.452 864 1.588 Bislang wurden für den Geschäftsbereich Ice Cream noch keine Bewertungen weiterer immaterieller Vermögenswerte vorgenommen. Aus diesem Grund verbleibt für die Bestimmung des Anteils der Marke am Gesamtwert der immateriellen Vermögenswerte lediglich eine pauschale Schätzung. Das Management schätzt hierbei den Anteil der Marke auf 75%. Der Markenwert ergibt sich damit als: Wert der immateriellen Vermögenswerte Anteil der Marke Markenwert 1.588 75% 1.191 Auf Basis der Bewertung des Markenwerts auf Basis des Marktwerts des Unternehmens resultiert mithin ein Markenwert in Höhe von 1.191.164 161 162 163 164 Vgl. Simon/Sullivan (1993), S. 35. Vgl. Simon/Sullivan (1993), S. 37. Dieser Umsatzmultiplikator ist höher als der im vorigen Beispiel auf Basis der Transaktion einer vergleichbaren Marke abgeleitete Umsatzmultiplikator. Hintergrund ist, dass sich der Multiplikator hier auf ein Unternehmen bzw. einen Geschäftsbereich und nicht nur auf eine Marke bezieht. Wie bereits bei dem Fallbeispiel für den kostenbasierten Ansatz dargestellt, wird bei der exakten Bestimmung des Markenwerts in C2.3.2 dieser Arbeit ein negativer Markenwert resultieren. Diese Diskrepanz gegenüber 51 3.2.2.3 Einkommensbasierter Ansatz Allgemein kann bei der Bewertung gemäß dem einkommensbasierten Ansatz entweder auf Cashflows bzw. Zahlungsvorgänge (Cash-Konzept) oder auf „verrechnete“ Bestands- und Erfolgsgrößen (Accrual-Konzept) abgestellt werden.165 Die auf der Diskontierung prognostizierter (Free) Cashflows basierenden Verfahren der Markenbewertung lassen sich auf die Grundlagen des Cash-Accounting zurückführen, die auf der Diskontierung prognostizierter Übergewinne bzw. Residualgewinne basierenden Verfahren dagegen auf die Grundlagen des Accrual-Accounting.166 Cash- und AccrualAccounting sowie die darauf basierenden Bewertungsverfahren müssen zu dem gleichen Ergebnis führen, wenn die so genannte „Clean Surplus“-Bedingung eingehalten wird.167 Diese Bedingung besagt, „dass die Veränderung eines beliebigen Kontos zwischen zwei Perioden aus der Summe der betreffenden Cash- und Accrual-Buchungen im Laufe der Periode vollständig erklärbar sein muss.“168 Die Ermittlung des Markenwerts gemäß dem Cash-Konzept auf Basis von diskontierten Free Cashflows stellt sich wie folgt dar: (1) Vm = mit Vm t T FCFm WACCm T t =0 FCFm (1 + WACC m ) t = Markenwert = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow der Marke = Gesamtkapitalkostensatz der Marke dem Bewertungsergebnis auf Basis des marktbasierten Ansatzes entsteht daraus, dass der marktbasierte Ansatz ebenso wie der kostenbasierte Ansatz nicht direkt an den Werttreibern der Marke ansetzt. 165 Vgl. Fickert (1985), S. 133 f.; Fickert (1986a), S. 47; Fickert (1986b), S. 109; Fickert (1986c), S. 124-130. 166 Vgl. Kind (2000), S. 42. 167 Vgl. beispielsweise Lücke (1955), S. 313-316; Peasnell (1982), S. 361-381; O’Hanlon/Peasnell (1998), S. 423-426; Spremann (2004), S. 239-244. 168 Kind (2000), S. 45. 52 Gemäß dem Accrual-Konzept entspricht der Markenwert der Summe aus dem Barwert der zukünftigen Residualgewinne der Marke und dem Wert des in die Marke investierten Kapitals zum Bewertungsstichtag: (2) Vm = NOAt =0 + mit Vm NOA t T NOPLATm WACCm RGm T t =0 RGm NOPLATm − WACC m × NOAt −1 = NOAt =0 + t (1 + WACC m ) (1 + WACC m ) t = Markenwert = Investiertes Kapital (Net Operating Assets) der Marke = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = operativer Gewinn der Marke vor Zinsen und nach Steuern = Gesamtkapitalkostensatz der Marke = Residualgewinn der Marke Unabhängig davon, ob das Cash- oder Accrual-Konzept zugrunde gelegt wird, basiert die Ermittlung des Markenwerts letztlich auf einer Differenzbetrachtung.169 Der Markenwert entspricht der Differenz der Unternehmenswerte mit Marke und ohne Marke. Für die Bewertung auf Basis von Free Cashflows gilt deshalb: (3) Vm = mit Vm t T FCFm FCF(M) FCF(oM) WACCm 169 170 T t =1 T FCFm FCF (M ) − FCF (oM ) = t (1 + WACC m ) t =1 (1 + WACC m ) t = Markenwert = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflows der Marke = Free Cashflows des Unternehmens mit Marke = Free Cashflows des Unternehmens ohne Marke = Gesamtkapitalkostensatz der Marke170 Vgl. Aders/Wiedemann (2001), S. 470. In Gleichung (3) wird unterstellt, dass die Kapitalkosten des Unternehmens mit Marke und des Unternehmens ohne Marke nicht voneinander abweichen. Nur in diesem Fall können der Wert des Markenprodukts und der Wert des No-name-Produkts zu einer Komponente zusammengefasst werden. 53 Im Rahmen des einkommensbasierten Ansatzes sind mithin stets drei Größen zu bestimmen: • Höhe der aus der Marke resultierenden Zahlungs- bzw. Erfolgsgrößen • Länge der ökonomischen Nutzungsdauer der Marke • Höhe des Diskontierungssatzes Im Folgenden werden die einzelnen Aspekte kurz dargestellt. Eine ausführlichere Diskussion der Punkte erfolgt in Abschnitt C2.3 bei der Darstellung der Ermittlung des finanziellen Markenwerts im Rahmen des Marken-Ratings. Bei der Bestimmung der Höhe der aus der Marke resultierenden Cashflows bzw. Residualgewinne wird bei den meisten Verfahren der Schwerpunkt auf die Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge der Marke gelegt. Die Art der Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge stellt daher das grundlegende Differenzierungskriterium der einzelnen Verfahren des einkommensbasierten Ansatzes dar.171 Abbildung B-23 zeigt die verschiedenen Verfahren zur Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge der Marke im Überblick: Verfahren zur Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge der Marke Preisabstandbasierter Ansatz ConjointAnalyse Direkte Befragung der Konsumenten Hedonische Preisfunktion Abbildung B-23: Verfahren zur Abgrenzung der Einzahlungen bzw. Erträge der Marke Die Ermittlung der Einzahlungen der Marke auf Basis des Preisabstand-basierten Ansatzes stellt auf den Unterschied der am Markt beobachtbaren Preisdifferenz von Markenprodukt und einem vergleichbaren No-name-Produkt bzw. einer vergleichbaren schwachen Marke ab.172 Vorteil dieser Methodik ist zum einen die Bestätigung der Preisprämie am Markt und zum anderen ihre Praktikabilität. Aus diesem Grund wird der Preisabstand-basierte Ansatz in Abschnitt C2.3 bei der Entwicklung eines Marken171 Auf die Abgrenzung der zusätzlichen Auszahlungen bzw. Aufwendungen der Marke wird in den meisten Verfahren weniger Wert gelegt. Als wesentliche Komponenten werden hierbei meistens Kosten für Aufbau und Pflege der Marke gesehen. 172 Vgl. Aaker (1991), S. 22 f.; Aaker (1996a), S. 106 f.; Smith (1997), S. 144 ff. 54 bewertungsverfahrens in dieser Arbeit wieder aufgegriffen. Dabei wird auch auf die Lösung der mit dem Verfahren möglicherweise verbundenen praktischen Probleme eingegangen. Die Grundidee der Conjoint-Analyse173 besteht darin, dass der Anteil der Marke am Preis des Produktes über verschiedene Präferenzurteile der Konsumenten bestimmt werden kann.174 Diese Urteile werden beispielsweise dadurch abgefragt, dass die Konsumenten die Marken in eine Präferenzrangfolge bringen oder die Marke auswählen, die sie am ehesten kaufen würden. Die Verarbeitung der Daten erfolgt in einem spezifischen Modell, in dem die Präferenzurteile die abhängige Variable und die Preise die unabhängige Variable darstellen. Im Ergebnis resultiert der Anteil des Preises des Markenprodukts, der unmittelbar auf die Marke zurückzuführen ist. Die Methode ist für die Ermittlung einer Preisprämie der Marke sehr gut geeignet: „Conjoint Measurement ist eine ideale Methode, um den Wert der Anbieterreputation bzw. einer Marke festzustellen.“175 Aus diesem Grund wird auf die Conjoint-Analyse als zweite Methodik neben dem Preisabstand-basierten Ansatz bei der Entwicklung eines Markenbewertungsverfahrens in dieser Arbeit zurückgegriffen. Bei der Ermittlung der Einzahlungen auf Basis der direkten Befragung der Konsumenten werden die Konsumenten direkt nach dem Preisunterschied gefragt, bei dem sie zwischen dem mit der Marke gekennzeichneten Produkt und einem vergleichbaren Noname-Produkt indifferent sind.176 Eine solche isolierte Beurteilung von Produktmerkmalen kann allerdings zu einer systematischen Überschätzung des Werts der einzelnen Merkmale und somit auch des Anteils der Marke am Preis des Produkts führen.177 Aus diesem Grund wird diese Methodik in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt. Im Rahmen des hedonischen Ansatzes wird versucht, die am Markt beobachtbaren Preisdifferenzen verschiedener Produkte einer Produktklasse durch die Unterschiede der Eigenschaften der Produkte zu erklären.178 Zu diesem Zweck wird eine so genannte hedonische Preisfunktion auf Basis von Regressionsanalysen abgeleitet. Hierbei stellen die Produkteigenschaften die unabhängige Variable und die beobachtbaren Preise die 173 174 175 176 177 178 Alternativ wird auch der Ausdruck Conjoint Measurement verwendet. Vgl. Blackston (1992), S. RC-3-RC-6; Crimmins (1992), S. 11-19; Swait/Erdem/Louviere/Dubelaar (1993), S. 23-45; Brockhoff/Sattler (1996), S. 207-224; Sattler (1997), S. 176-194; Kalra/Goodstein (1998), S. 210224. Simon (1997), S. 6. Eine mögliche Fragestellung könnte lauten: „Suppose that Brand A and Brand D cost the same. Them from your previous responses you would prefer A to D. Now, suppose that the price of A higher than the price of D. How much more would you be willing to pay for A than for D?” Park/Srinivasan (1994), S. 275. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 96. Vgl. Sander (1994), S. 104-136. 55 abhängige Variable dar. Die geschätzten Regressionskoeffizienten für die Produkteigenschaft „Markenzeichen“ können als durchschnittliche zusätzliche Zahlungsbereitschaft im Vergleich zu einer unbekannten Marke interpretiert werden. Da die Anwendung des hedonischen Ansatzes an strenge Annahmen gebunden ist, die in der Praxis regelmäßig nicht gegeben sind, wird der hedonische Ansatz in dieser Arbeit nicht mehr weiterverfolgt.179 Nach der Abgrenzung der Erfolge der Marke für die aktuelle Periode sind diese über ihre ökonomische Nutzungsdauer zu planen. Bei der Bestimmung der Länge der ökonomischen Nutzungsdauer der Marke ist zwischen der rechtlichen und der ökonomischen Perspektive zu differenzieren. Nach der Eintragung erlangt die Marke einen rechtlichen Schutz, der zunächst auf zehn Jahre begrenzt ist.180 Bei Nachweis der Benutzung der Marke kann dieser Schutz beliebig oft um weitere zehn Jahre verlängert werden. Im Gegensatz dazu wird die ökonomische Nutzungsdauer an dem Zeitraum festgemacht, über den mit der Marke Erträge erwirtschaftet werden können. Für die Ermittlung des Markenwerts mit dem einkommensbasierten Ansatz ist daher ausschließlich die ökonomische Nutzungsdauer relevant.181 Wesentliche Determinanten bei der Bestimmung der ökonomischen Nutzungsdauer sind der Lebenszyklus des markierten Produkts sowie die mögliche Übertragbarkeit der Marke auf andere Produktkategorien.182 Die Bestimmung der Länge der ökonomischen Nutzungsdauer steht in engem Zusammenhang mit der Festlegung der Höhe des Diskontierungssatzes, da Erträge und Diskontierungssatz äquivalent definiert sein müssen. Der Diskontierungssatz entspricht der Alternativrendite bzw. den Opportunitätskosten des Investors und besteht aus einem Basiszinssatz sowie einem Risikozuschlag.183 Für die Markenbewertung ist hierbei zu klären, in welcher Höhe der Risikozuschlag anzusetzen ist. In der Regel wird vorgeschlagen, in Anlehnung an das bei der Unternehmensbewertung übliche Vorgehen den Risikozuschlag auf Basis des Capital Asset Pricing Model (CAPM) zu bestimmen.184 Hierbei soll das spezifische Risiko der Marke über einen Auf- bzw. Abschlag auf den Beta-Faktor des Unternehmens bzw. des Geschäftsbereichs der Marke 179 Zu den Annahmen des hedonischen Ansatzes vgl. Sander (1994), S. 104-107. Die Regelung ist in § 47 MarkenG festgelegt. Vgl. Meffert/Burmann (1998), S. 10 f. 181 Die rechtliche Nutzungsdauer ist für die Bewertung nur dann bedeutsam, wenn sich dadurch eine Beschränkung der ökonomischen Nutzungsdauer ergeben würde. 182 Vgl. Greinert (2002), S. 209-213. Die Bestimmung der ökonomischen Nutzungsdauer von Marke und Markenprodukt wird in den Abschnitten C2.2.1 und C2.3.1.1 im Kontext des Marken-Ratings diskutiert. Zur Bedeutung des Lebenszyklus für die Marke vgl. auch Bruhn (1997), S. 119-131. 183 Vgl. Damodaran (1996), S. 47-68. 184 Vgl. Kriegbaum (2001), S. 222-227; Greinert (2002), S. 214-216. 180 56 ermittelt werden. Auch wenn hierbei teilweise eine Fundierung der Auf- oder Abschläge über Scoring-Modelle vorgenommen wird, verbleibt eine hohe Subjektivität.185 Der einkommensbasierte Ansatz wird in den bestehenden Verfahren mit unterschiedlicher Genauigkeit durchgeführt. Bislang fehlt jedoch ein Verfahren, das konsequent an den finanziellen Werttreibern der Marke ansetzt. Eine solche Methodik soll in Abschnitt C2.3 entwickelt werden. Um eine doppelte Darstellung zu vermeiden, wird an dieser Stelle der Arbeit daher auf die Anwendung des einkommensbasierten Ansatzes für die Marke Top Ice verzichtet. Stattdessen soll an dieser Stelle kurz auf das Verhältnis von Markenwert zu Markenproduktwert bzw. Unternehmenswert eingegangen werden. Betrachtet werde hierfür ein Unternehmen, das lediglich ein Markenprodukt herstellt. Der Markenproduktwert ist damit mit dem Unternehmenswert identisch. Die Parameter zur Ermittlung von Markenproduktwert, Wert des No-name-Produkts und Markenwert stellen sich annahmegemäß wie folgt dar: t=0 t=1 Markenprodukt Preis Absatzmenge Umsatz Stückkosten Herstellkosten Free Cashflow Markenprodukt 4 50 200 1 50 150 4 50 200 1 50 150 No-name-Produkt Preis Absatzmenge Umsatz Stückkosten Herstellkosten Free Cashflow No-name-Produkt 2 50 100 1 50 50 1,5 50 75 1 50 25 Marke Preisprämie Mengenprämie Umsatz Herstellkosten Free Cashflow Marke 2 0 100 0 100 2,5 0 125 0 125 Markenprodukt und No-name-Produkt unterscheiden sich in dem Beispiel lediglich durch den Preis. Eine Wirkung der Marke auf die Absatzmenge oder die Stückkosten besteht annahmegemäß nicht. Dementsprechend basiert der Free Cashflow der Marke 185 Vgl. Kriegbaum (2001), S. 226. 57 ausschließlich auf dem Unterschied des Umsatzes zwischen Markenprodukt und Noname-Produkt. In t = 1 reduziert sich der Preis des No-name-Produkts von 2 auf 1,5.186 Damit erhöht sich die Preisprämie von 2 auf 2,5 und der Free Cashflow der Marke von 100 auf 125. Der Free Cashflow des Markenprodukts ist für beide Perioden konstant. Auf Grundlage dieser Parameter sollen im Folgenden die Werte für Markenprodukt, No-name-Produkt und Marke in t = 0 und t = 1 errechnet werden. Es sei vereinfachend unterstellt, dass die Free Cashflows jeweils als ewige Rente anfallen. Bei einem Kapitalkostensatz von 10% ergeben sich die folgenden Werte: Free Cashflow Markenprodukt Markenproduktwert Free Cashflow No-name-Produkt Wert No-name-Produkt Free Cashflow Marke Markenwert t=0 t=1 150 1.500 150 1.500 50 500 25 250 100 1.000 125 1.250 Da sich der Free Cashflow des Markenprodukts nicht verändert, müssen auch der Markenproduktwert bzw. der Unternehmenswert konstant bleiben. Aufgrund der Verschlechterung des Alternativfalls ohne Marke ergibt sich allerdings ein Anstieg des Markenwerts von 1.000 auf 1.250. Diese Veränderung des Markenwerts besitzt jedoch auf den Markenproduktwert bzw. den Unternehmenswert keinen Einfluss. Es hat sich lediglich der Wert der (fiktiven) Referenzgröße No-name-Produkt geändert. Als Folge ist der Anteil des Markenwerts am Unternehmenswert gestiegen, der Unternehmenswert ist jedoch unverändert geblieben. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass eine Veränderung des Markenwerts nicht zwangsläufig mit einer Veränderung des Unternehmenswerts gleichzusetzen ist. Hierfür ist verantwortlich, dass der Markenwert stets über eine Differenzbetrachtung errechnet wird. Wenn sich der Fall des No-name-Produkts verändert, besitzt dies Auswirkungen auf den Markenwert, die sich nicht im Wert des Markenprodukts bzw. des Unternehmens niederschlagen. Dieser Zusammenhang zwischen Markenproduktwert bzw. Markenwert wird bei der Anwendung des Ratings der Marke wieder aufgegriffen werden.187 186 Verantwortlich hierfür kann beispielsweise ein gestiegenes Qualitätsbewusstsein der Konsumenten sein, so dass das No-name-Produkt nur noch zu einem herabgesetzten Preis verkauft werden kann. 187 Vgl. Abschnitt D1.1 58 3.2.3 Marketingorientierte Verfahren Die marketingorientierten Verfahren der Markenbewertung sind dadurch charakterisiert, dass der Markenwert auf Basis von nicht-finanziellen Indikatoren als dimensionslose Größe bestimmt wird. In der englischsprachigen Literatur fällt ein solcher Markenwert unter den schillernden Begriff „Brand Equity“, zum Teil wird er aber auch als „Brand Strength“188 bezeichnet. In der deutschsprachigen Literatur wird üblicherweise der Ausdruck „Markenstärke“189 verwendet. Abbildung B-24 gibt einen Überblick über ausgewählte kommerzielle und nicht-kommerzielle marketingorientierte Verfahren der Markenbewertung: Autoren Aaker190 Bezeichnung Indikatoren Markentreue, Markenbekanntheit, wahrgenommene Qualität, Markenassoziationen, weitere Markenvorzüge 191 Andresen Högl/Twardawa/ Hupp192 Markeneisberg- Markenbekanntheit, subjektiv empfundener Werbe- Modell druck, Klarheit des inneren Bildes, Markenuniqueness, (icon Brand Einprägsamkeit der Werbung, Attraktivität des inneren Navigation) Bildes, Markensympathie, Markenvertrauen, Loyalität Brand-Potential- Markenloyalität, Kaufabsicht, Markenbekanntheit, Index (GfK) Mehrpreisakzeptanz, Uniqueness, Markensympathie, Markenvertrauen, wahrgenommene Qualität, Markenidentifikation, Bereitschaft zur Weiterempfehlung Kamakura/Russel 193 Produktnutzen, der nicht durch objektive Produkteigenschaften, kurzfristige Werbewirkungen und den Preis erklärt werden kann Keller 194 Maretzki/Wildner Markenbekanntheit, Markenimage 195 Marktanteil, der nicht durch kurzfristige Effekte von Marketing-Mix-Instrumenten zurückzuführen ist Srivastava/Shocker 196 Markenbekanntheit, Markenloyalität Abbildung B-24: Übersicht über ausgewählte kommerzielle und nicht-kommerzielle marketingorientierte Verfahren 188 189 190 191 192 193 194 195 196 Vgl. Srivastava/Shocker (1991), S. 6-8; Francois/MacLachlan (1995), S. 322; Walser (2004), S. 58 f. Vgl. Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 37; Esch (2003), S. 514; Kriegbaum (2001), S. 74. Vgl. Aaker (1991), S. 15 ff. Vgl. Andresen (1991), S. 28-34. Vgl. Högl/Twardawa/Hupp (2001), S. 5-59. Vgl. Kamakura/Russel (1993), S. 9-22. Vgl. Keller (1993), S. 1-22; Keller (1998), S. 41 ff.; Keller (2000b), S. 967-987. Vgl. Maretzki/Wildner (1994), S. 101-105. Vgl. Srivastava/Shocker (1991), S. 15. 59 Die einzelnen Verfahren können nach verschiedenen Dimensionen analysiert werden. So ist in Bezug auf die Auswahl und Operationalisierung der Indikatoren festzustellen, dass keine Einheitlichkeit besteht. Eine weitere Analysedimension stellt die Verarbeitung der Indikatoren dar. Die Indikatoren werden entweder ungewichtet nebeneinander gestellt oder zu einer Gesamtgröße aggregiert. Die möglichen Varianten bei einer Aggregation reichen hier von einer Addition der Indikatoren bis hin zu einer multiplikativen Verknüpfung. Schließlich können die Verfahren auch nach ihrer Herkunft differenziert werden. Als grundlegende Kategorien lassen sich Verfahren, die in einem wissenschaftlichen Umfeld entwickelt wurden, von Bewertungsmethoden kommerzieller Anbieter unterscheiden. Mithin wird deutlich, dass eine allgemeine Darstellung des marketingorientierten Verfahrens nicht möglich ist. Aus diesem Grund soll auch das Fallbeispiel BRAND nicht für den marketingorientierten Ansatz angewendet werden. Zur Veranschaulichung werden stattdessen beispielhaft die Verfahren von Aaker und Andresen näher dargestellt. Der Ansatz von Aaker wurde ausgewählt, da er als frühe theoretische Arbeit neben dem Ansatz von Keller die Diskussion um qualitative Einflussfaktoren des Markenwerts nachhaltig beeinflusst hat. Das Verfahren von Andresen stellt eines der prominentesten kommerziellen Verfahren zur Ermittlung eines Markenwerts aus der Marketingperspektive dar. Aaker bezeichnet den Wert der Marke als Brand Equity und definiert ihn als „… a set of brand assets and liabilities linked to a brand, its name and symbol, that add to or subtract from the value provided by a product or service to a firm and/or to that firm’s customers”.197 Als wesentliche Determinanten des Markenwerts sieht Aaker die Größen Markentreue (Brand Loyalty), Bekanntheit des Namens, (Name Awareness), wahrgenommene Qualität (Perceived Quality), sowie weitere Markenvorzüge (Other Proprietary Brand Assets), wie beispielsweise Patente oder Warenzeichenrechte.198 Die Bedeutung von Brand Equity besteht darin, dass es sowohl für die Konsumenten als auch für das Unternehmen Wert schafft. Abbildung B-25 verdeutlicht die Zusammenhänge im Markenwertkonzept von Aaker:199 197 198 199 60 Aaker (1991), S. 15. Vgl. zum Folgenden Aaker (1991), S. 16-18. Vgl. Aaker (1991), S. 17. Wahrgenommene Qualität Markenbekanntheit Markenassoziationen Weitere Markenvorzüge Markentreue Brand Equity Wert für den Konsumenten Wert für das Unternehmen Abbildung B-25: Markenwertkonzept von Aaker Die einzelnen Determinanten des Markenwerts stehen zum Teil untereinander in Wechselbeziehungen. Beispielsweise wird die wahrgenommene Qualität durch die Markenbekanntheit, Markenassoziationen und Markentreue beeinflusst. Eine weitere Interdependenz besteht darin, dass die Dimensionen nicht nur den Markenwert beeinflussen, sondern wiederum selbst eine Folge von diesem darstellen können. Nähere Angaben über die Gewichtung oder Verknüpfung zwischen den Größen werden in dem Ansatz von Aaker allerdings nicht gegeben. Aus diesem Grund ist der Ansatz von Aaker weniger als Messmodell, sondern in erster Linie als ein Erklärungsmodell zur Markenwertbildung zu betrachten.200 Als Beispiel für ein kommerzielles Verfahren wird in dieser Arbeit das von Andresen in die Literatur eingeführt „Markeneisberg-Modell“ vorgestellt.201 Der Markenwert wird in dem Modell als Markenstärke bezeichnet und anhand des Bilds des Markeneisbergs betrachtet. Als Komponenten der Markenstärke die beiden Größen Markenbild und Markenguthaben unterschieden. Das Markenbild entspricht gemäß dem Bild des Eisbergs dem für den Kunden „sichtbaren“ Teil über der Wasseroberfläche. Im Markenbild manifestiert sich die Wahrnehmung des aktuellen Markenauftritts durch die Konsumenten. Der Markenauftritt wird im Wesentlichen durch Maßnahmen des Marketing-Mix, wie beispielsweise Produktgestaltung, Promotionaktionen oder Werbung, bestimmt. Als Einflussfaktoren und 200 201 Vgl. Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 92. Vgl. zum Folgenden Andresen (1991), S. 28-34; Andresen/Esch (2000), S. 989-995. 61 Messindikatoren des Markenbilds werden Markenbekanntheit, subjektiv empfundener Werbedruck, Klarheit des inneren Markenbildes, Einprägsamkeit der Werbung sowie Attraktivität des inneren Markenbildes betrachtet. Das Markenguthaben dagegen entspricht dem Teil des Eisbergs, der sich unter der Wasseroberfläche befindet. Es repräsentiert die Einstellungen der Konsumenten zu der Marke als Ergebnis der Marketingbemühungen der Vergangenheit. Während das Markenbild relativ kurzfristig geändert werden kann, sind Anpassungen des Markenguthabens nur langfristig möglich. Das Markenguthaben wird geprägt und gemessen durch die Faktoren Markenvertrauen, Markensympathie und Markenloyalität. Die Messung von Markenbild und Markenguthaben erfolgt durch Befragungen von Konsumenten. Die Ausprägungen der beiden Dimensionen werden in einem Koordinatensystem mit den Achsenbezeichnungen Markenbild und Markenguthaben abgetragen. Durch einen Vergleich mit ebenfalls empirisch ermittelten Durchschnittswerten der jeweiligen Produktkategorie können die Stärken und Schwächen der Marken identifiziert werden. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die Komponenten des Markeneisbergs und deren Bestimmungsfaktoren:202 kurzfristig Markenbild langfristig Markenguthaben • Markenbekanntheit • Subjektiv wahrgenommener Werbedruck • Einprägsamkeit der Werbung • Markenuniqueness • Klarheit des inneren Bildes • Attraktivität des inneren Bildes • Markensympathie • Markenvertrauen Abbildung B-26: Der innere Markenwert im Verfahren von Andresen Durch den Bezug auf die Ausprägungen der Indikatoren bei anderen Marken ermittelt der Ansatz von Andresen keinen absoluten, sondern lediglich einen relativen Markenwert.203 Auch die Verknüpfung der Größen zu einem Gesamtwert für die Markenstärke wird nicht vorgenommen. Insofern stellt der Ansatz in erster Linie ein Diagnoseinstrument für das Marketing und weniger ein Bewertungsinstrument dar.204 202 203 204 62 Vgl. Andresen/Esch (2000), S. 992. Vgl. Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 98. Vgl. Franzen/Trommsdorff/Riedel (1994), S. 1383. 3.2.4 Kombinationsverfahren Die Kombinationsverfahren wurden mit der Zielsetzung entwickelt, die Marketingund Finanzperspektive der Marke zu integrieren.205 Vor diesem Hintergrund ist das grundlegende Charakteristikum der Verfahren des gemischten Ansatzes ihre Zweibzw. Mehrstufigkeit. Abbildung B-27 gibt einen Überblick über ausgewählte Kombinationsverfahren der Markenbewertung: Autoren Bekmeier-Feuerhahn206 Bezeichnung Komponenten Franzen/Trommsdorff/ Riedel207 Haigh208 Brand Performancer Markenstärke, Ertragspotential des Marktes Brand Finance-Ansatz Economic Value Added, Brand Value Markenstärke, Markengewinn Added, Assessing Brand Risk Högl/Hupp/Maul/Sattler 209 Markenwertmodell Markenisolierungsmodell, Marken- der GfK prognosemodell, Markenrisikomodell, Markenstrategisches Optionsmodell, Simulationsmodell Penrose 210 Interbrand-Modell Markenstärke, Markengewinn (alte Darstellung) Sattler 211 Langfristiger Markennutzen, Kurzfristiger Markenwert 212 Semion Semion-Modell Markenstärke, Markenbild, Finanzwert, Markenschutz Spannagl 213 Brand Rating Verfahren Markenstärke, diskontierter Preisabstand, Zukunftspotential der Marke Trevillion/Perrier 214 Abbildung B-27: Interbrand Modell Markenstärke, Bedeutung der Marke für (neue Darstellung) Kaufentscheidung, Markengewinn Übersicht über ausgewählte Kombinationsverfahren 205 Vgl. beispielsweise für den Interbrand-Ansatz Murphy (1992), S. 191 f. Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 111 ff. 207 Vgl. Franzen/Trommsdorff/Riedel (1994), S. 1373-1401; Franzen (2002), S. 26-31. 208 Vgl. Haigh (1998), S. 60-64. 209 Vgl. Högl/Hupp/Maul/Sattler (2002), S. 37-80. 210 Vgl. Penrose (1989), S. 32-46; Murphy (1992), S. 184-197. 211 Vgl. Sattler (1997), S.168 ff. 212 Vgl. Semion (2004b). 213 Vgl. Spannagl (2001), S. 38-43. 214 Vgl. Trevillion/Perrier (1999), S. 34-37. 206 63 Die Verfahren ermitteln als Endgröße einen finanziellen Markenwert.215 Der finanzielle Markenwert wird in der Regel als Kombination von Markengewinn und einem Maß für die Markenstärke berechnet.216 Die einzelnen Verfahren unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, wie durch die Verknüpfung bzw. Kombination dieser beiden Größen der finanzielle Markenwert berechnet wird. Ähnlich wie bei den marketingorientierten Verfahren existiert auch hier nicht eine einzige Methodik.217 Aus diesem Grund werden zur Veranschaulichung die Verfahren von Semion und Interbrand vorgestellt. Diese Verfahren genießen durch die jährlich von den beiden Agenturen erstellten Ranglisten der wertvollsten Unternehmen eine hohe Bekanntheit. Der Ansatz von Semion beruht auf einem Indikatorenmodell, das sich aus den vier Dimensionen Markenstärke, Markenbild, Finanzwert des Unternehmens und Markenschutz zusammensetzt.218 Die Dimensionen werden auf insgesamt 96 Markenwertindikatoren zurückgeführt. Eine Liste der einzelnen Indikatoren sowie deren Verknüpfung ist nicht vollständig offen gelegt.219 Auf Basis dieses Modells erfolgt die Bewertung der Marke im Ansatz von Semion in drei Schritten. Zuerst werden für die Ausprägungen der vier Dimensionen ermittelt. Im Anschluss daran werden diese Faktorwerte zu einem Gewichtungsfaktor additiv verknüpft. Im letzten Schritt wird der durchschnittliche Vorsteuergewinn der letzten drei Jahre mit dem Gewichtungsfaktor multipliziert, um einen finanziellen Markenwert zu erhalten:220 215 So nehmen die auf Basis der Ansätze von Interbrand und Semion aufgestellten Ranglisten der wertvollsten Marken eine Rangreihung der Marken nach ihrem finanziellen Wert vor. Vgl. die Ableitung von finanziellen Markenwerten über die Rangliste von Semion in Abschnitt B1.1 216 Vgl. Frahm (2004), S. 90. 217 Daher wird auch keine Anwendung auf das Fallbeispiel BRAND bzw. die Marke Top Ice vorgenommen. 218 Vgl. zum Folgenden Frahm (2004), S. 147-150. 219 Vgl. Frahm (2004), S. 148. 220 Vgl. Esch (2003), S. 546. 64 Markenstärke • Marktanteil • Markteinfluss • Marketingaktivitäten • Distributionsgrad • Bekanntheitsgrad • Geschlossenheit des Markenauftritts • Markenpotenzial • etc. Markenbild Finanzwert • Imageposition der Marke im Markt • Imageposition der Marke zum Verbraucher • Imageposition der Marke zum Produkt • Verbraucherassoziationen • etc. • Vorsteuergewinn • Gewinnentwicklung • etc. Markenschutz • Markenverzeichnis • Markenumfeld • int. Markenschutz • Verbraucherassoziationen • etc. Summe Gewichtungsfaktor X durchschnittlicher Vorsteuergewinn (3 Jahre) Markenwert Abbildung B-28: Bewertungsverfahren von Semion Unabhängig von den am Verfahren in der Literatur geäußerten Kritikpunkten genießt der Ansatz aufgrund der hohen Anzahl von durchgeführten Bewertungen eine hohe Bedeutung in der Praxis.221 Der Markenbewertungsansatz der englischen Unternehmensberatungsgesellschaft Interbrand wurde Ende der 80er Jahre entwickelt.222 Mittlerweile wurde die ursprüngliche Version des Ansatzes zu einem neuen Verfahren weiterentwickelt. In dieser Arbeit soll zunächst kurz auf die ursprüngliche Version des Verfahrens eingegangen werden, da diese üblicherweise in der Literatur behandelt wird. Darauf aufbauend wird die aktuelle Version des Ansatzes vorgestellt. In der alten Darstellung des Ansatzes wurde in einem ersten Schritt ein gewichteter Durchschnitt aus den Markengewinnen der letzten drei Vergangenheitsjahre berech221 222 Zur kritischen Würdigung des Verfahrens vgl. Esch (2003), S. 547; Frahm (2004), S. 149 f. Vgl. Penrose (1989), S. 32-46; Murphy (1992), S. 184-197. 65 net.223 Im nächsten Schritt wurden die Ausprägungen von 80 bis 100 Indikatoren aus sieben Hauptkategorien der Markenstärke ermittelt. Diese ergaben auf Basis eines Scoring-Modells einen auf den Wertebereich von 0 bis 100 normierten Wert für die Markenstärke. Der Scoring-Wert für die Markenstärke wurde über einen von Interbrand empirisch ermittelten Zusammenhang in einen Multiplikator von 0 bis 20 überführt, der auf den durchschnittlichen Markengewinn angewendet wurde. Ergebnis war ein langfristiger finanzieller Markenwert. An diesem Vorgehen wurde vielfach Kritik geäußert.224 Als problematisch angesehen wird dabei insbesondere die vergangenheitsorientierte Ermittlung der Gewinne sowie die Validität des von Interbrand verwendeten Modells zur Abbildung des Zusammenhangs zwischen Scoring-Wert der Markenstärke und Multiplikator. In neueren Veröffentlichungen werden für die zukünftigen Perioden die durch die Marke verursachten Gewinne explizit prognostiziert.225 Die Gewinne entsprechen dabei dem Gewinn des Markenprodukts nach Abzug von Kapitalkosten auf das in die Marke investierte Kapital. Der Anteil der Marke an diesen Residualgewinnen (residual earnings) wird über eine Analyse der kaufrelevanten Faktoren (role of branding index) ermittelt. Die Markenstärke (brand strength score) wird auf Basis der alten Methode ermittelt. Sie wird nunmehr allerdings als Maßgröße für das Risiko der Marke interpretiert und zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes der zukünftigen Residualgewinne herangezogen. Die Methodik des aktuellen Verfahrens kann mithin wie folgt veranschaulicht werden:226 Financial Analysis Market Analysis Brand Analysis Residual Earnings Role of Branding Index Brand Strength Score Brand Value Brand Discount Rate Brand Earnings Abbildung B-29: Übersicht über die Methodik des neuen Interbrand-Ansatzes 223 224 225 226 66 Vgl. zum Folgenden Murphy (1992), S. 192-197; Frahm (2004), S. 124-126. Vgl. beispielsweise Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 80 f. Vgl. zum Folgenden Trevillion/Perrier (1999), S. 34-37. Vgl. Frahm (2004), S. 127. Auch die Weiterentwicklung des Ansatzes von Interbrand wird in der Literatur kritisch betrachtet. Da Komponenten des alten Ansatzes übernommen wurden, bestehen zudem deren Kritikpunkte fort. 227 Mit der Darstellung der Kombinationsverfahren ist der Überblick über die bestehenden Verfahren der Markenbewertung abgeschlossen. Im nächsten Abschnitt können die Verfahren im Hinblick auf ihre Eignung für das Markenmanagement überprüft werden. 3.3 Eignung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung für das Markenmanagement Nach der Darstellung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung ist zu untersuchen, inwieweit sie für den Bewertungsanlass der Markenführung geeignet sind. In der Literatur wurde eine Reihe verschiedenartiger Anforderungen an Markenbewertungsverfahren entwickelt.228 Von einem Verfahren wird unter anderem gefordert, dass es objektiv, reliabel, valide, wirtschaftlich und praktikabel, generell anwendbar, sensitiv, stetig und glaubwürdig ist. Diese Anforderungen sind grundsätzlich alle auch für die Anwendbarkeit eines Verfahrens zur Unterstützung des Markenmanagements als wünschenswerte Eigenschaften zu betrachten.229 Zur Überprüfung der Eignung der bestehenden Verfahren sind allerdings die für das Markenmanagement bedeutendsten Anforderungen herauszuarbeiten. Hierfür ist auf die Funktionen der Markenbewertung im Rahmen des Markenmanagements Bezug zu nehmen.230 Esch fordert von einem Markenbewertungsverfahren für Zwecke des Markenmanagements, dass es einen „Dreiklang von Diagnose, Therapie und Evaluation“231 ermöglichen soll. Zunächst muss das Verfahren im Sinne einer Diagnose eine Aussage darüber treffen können, warum eine Marke mehr oder weniger erfolgreich ist.232 Auf dieser Grundlage können dann einer Therapie ähnlich geeignete Maßnahmen zur Steigerung des Markenwerts abgeleitet werden. Schließlich ist der Wert der Marke im Rahmen der Evaluation als finanzieller Wert zu bestimmen. Diese Anforderungen erscheinen für 227 228 229 230 231 232 Vgl. Frahm (2004), S. 129 f. Zu einem Überblick über Anforderungen an Markenbewertungsmodelle vgl. Kriegbaum (2001), S. 83-87. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 87. An dieser Stelle sei zur Klarstellung noch einmal darauf hingewiesen, dass zunächst die Diskussion der Markenbewertung ausschließlich in der Intangible-Sicht der existierenden Literatur zur Markenbewertung erfolgt. Aus diesem Grund wird eine Integration von Intangible- und Produktsicht der Marke hier nicht weiter thematisiert bzw. als Anforderung an die Verfahren gerichtet. Esch (2003), S. 516. Vgl. zum Folgenden Esch (2003), S. 514-516. 67 die vorliegende Arbeit insbesondere deswegen geeignet, da sie der in der Problemstellung dieser Arbeit dargestellten Zielsetzung einer Integration von Marketing- und Finanzperspektive entsprechen. Allerdings sind die Anforderungen Diagnose, Therapie und Evaluation noch zu abstrakt, um daran konkret die Eignung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung für das Markenmanagement überprüfen zu können. Sie sind daher im Folgenden zu konkretisieren. Das Kriterium der Evaluation entspricht der Ermittlung eines finanziellen Markenwerts. Aus Sicht einer Shareholder Value-Orientierung muss dieser Markenwert methodisch anschlussfähig sein an die Zielsetzung der Steigerung des Unternehmenswerts. Der „innere“ oder fundamentale Unternehmenswert wird als Barwert der zukünftigen Zahlungen bzw. Erfolge des Unternehmens berechnet. Daher muss als erste Anforderung der Markenwert unter Berücksichtigung der zukünftigen Erfolgsaussichten der Marke bestimmt werden. Aus der Finanzperspektive ist allerdings die Ermittlung eines finanziellen Markenwerts noch nicht ausreichend. Vielmehr muss auch innerhalb der Finanzperspektive eine Diagnose von Ansatzpunkten für Verbesserungen möglich sein. Aus diesem Grund ist als zweite Anforderung an das Verfahren zu richten, dass es die finanziellen Werttreiber als Stellhebel für Wertveränderungen der Marke sichtbar macht. Die Möglichkeiten zur Diagnose auf Basis des finanziellen Markenwerts sind allerdings begrenzt. So ermöglicht der zeitliche Vergleich des Markenwerts zwar eine Aussage über die Wertveränderung, die Gründe hierfür werden jedoch nicht sichtbar. Aus diesem Grund kann als dritte Anforderung an das Bewertungsverfahren abgeleitet werden, dass es die nicht-finanziellen Werttreiber der Marke abbildet bzw. eine Aussage über die nicht-finanzielle Markenstärke ermöglicht. Die Markenbewertung für Zwecke der Markenführung erfordert die Berücksichtigung sowohl der Marketing- als auch der Finanzperspektive. Dies ist insbesondere aus dem Blickwinkel der Therapie von Bedeutung. Nur wenn eine geeignete Integration der beiden Dimensionen erfolgt, können Maßnahmen zur Steigerung des Werts der Marke abgeleitet werden. Die Forderung nach einer geeigneten Integration von Finanz- und Marketingperspektive stellt mithin die vierte Anforderung dar. Der Rückgriff auf die eher vage Formulierung „geeignete Integration“ ermöglicht es, sich an dieser Stelle der Argumentation darauf zu beschränken, die Probleme der bestehenden Verfahren aufzuzeigen, ohne selbst noch eine „Lösung“ anzubieten. Dies wird Gegenstand von Abschnitt B4.3 bzw. Kapitel C sein. 68 Nachfolgende Abbildung fasst die Ableitung der Anforderungen an ein Markenbewertungsverfahren für Zwecke des Markenmanagements aus den allgemeinen Kriterien noch einmal zusammen: Allgemeine Kriterien Konkretisierung für Überprüfung der Eignung der bestehenden Verfahren Evaluation Bestimmung zukunftsorientierter finanzieller Markenwert Ermittlung finanzielle Werttreiber Diagnose Ermittlung Markenstärke bzw. nicht-finanzielle Werttreiber Therapie “Geeignete” Integration von Marketing- und Finanzperspektive Abbildung B-30: Ableitung der Anforderungen an Markenbewertungsverfahren für Zwecke des Markenmanagements Vor diesem Hintergrund können die bestehenden Ansätze der Markenbewertung bezüglich der Erfüllung dieser Anforderungen analysiert werden. Nicht alle bestehenden Verfahren der Markenbewertung wurden explizit für die Bewertung im Rahmen der Markenmanagements konzipiert. Daher soll es im Folgenden nicht darum gehen, grundsätzliche „Defizite“ der Verfahren aufzuzeigen, sondern ihre Eignung für den Bewertungsanlass Markenmanagement zu überprüfen.233 Kostenbasierter Ansatz Am kostenbasierten Ansatz wird oftmals die Kritik geäußert, dass durch die Betrachtung von Kosten lediglich eine vergangenheitsbezogene Sichtweise eingenommen wird.234 Allerdings beruht dies auf einem verkürzten Verständnis des kostenbasierten Ansatzes: „Essentially, the mistakes that many analysts make are defining the components of cost too narrowly and ignoring one or more of the forms of obsolescence.”235 233 234 235 Zur Bedeutung des Bewertungswecks für die Auswahl eines Bewertungsverfahrens vgl. Moxter (1991), S. 5 f. Vgl. etwa Kriegbaum (2001), S. 91. Reilly/Schweihs (1999), S. 127. 69 Durch die Berücksichtigung von Wertminderungen (bzw. Werterhöhungen) können auch im kostenbasierten Ansatz die Zukunftsaussichten der Marke berücksichtigt werden. Damit wird die Anforderung nach Ermittlung eines zukunftsbezogenen Markenwerts durch den kostenbasierten Ansatz grundsätzlich erfüllt. Die Zu- oder Abschläge auf die Kosten werden im kostenbasierten Ansatz lediglich pauschal bestimmt. Aus diesem Grund ist die zweite Anforderung nach Abbildung der finanziellen Werttreiber nicht gegeben. Aufgrund der Beschränkung auf die finanzielle Dimension ermöglicht der kostenbasierte Ansatz zudem auch keine Abbildung der nicht-finanziellen Werttreiber. Eine geeignete Integration von Marketing- und Finanzperspektive ist konsequenterweise auch nicht möglich. Zusammenfassend ist der kostenbasierte Ansatz daher nicht für das Markenmanagement geeignet. Marktbasierter Ansatz Marktpreise spiegeln die Erwartungen der Marktteilnehmer über die Zukunftsaussichten des gehandelten Vermögenswerts wider. Aus diesem Grund erfüllt der marktbasierte Ansatz die Anforderung nach Ermittlung eines zukunftsorientierten Markenwerts. Allerdings werden auch im marktbasierten Ansatz die finanziellen Werttreiber nicht offen gelegt. Des Weiteren wird die nicht-finanzielle Dimension nicht betrachtet, so dass auch die Integration von Marketing- und Finanzperspektive nicht möglich ist. Der marktbasierte Ansatz ist damit nicht für die Verwendung im Rahmen des Markenmanagements geeignet. Einkommensbasierter Ansatz Die Verfahren des einkommensbasierten Ansatzes berechnen den Markenwert als Barwert der zukünftigen Erfolge der Marke und entsprechen damit dem Postulat nach Ermittlung eines zukunftsorientierten Markenwerts. Durch die Aufspaltung der Zahlungen bzw. Erfolge in die dahinter stehenden Komponenten ist eine Abbildung der finanziellen Werttreiber möglich.236 Allerdings werden auch im Rahmen des einkommensbasierten Ansatzes die nicht-finanziellen Wertdeterminanten ausgeblendet. Eine Integration von Marketing- und Finanzperspektive findet nicht statt. Zusammenfassend können daher auch die Verfahren des einkommensbasierten Ansatzes in ihrer Reinform für den Einsatz im Rahmen des Markenmanagements nicht herangezogen werden. 236 70 Dies wird allerdings in der Mehrzahl der Verfahren nur ansatzweise vollzogen. Marketingorientierte Verfahren Die marketingorientierten Verfahren fokussieren zwar auf die nicht-finanziellen Einflussgrößen des Werts der Marke. Damit erfüllen sie die Forderung nach der Darstellung der nicht-finanziellen Werttreiber. Dem Postulat nach Abbildung eines finanziellen Markenwerts sowie der finanziellen Werttreiber wird allerdings nicht entsprochen. Folglich kann auch keine geeignete Integration von Marketing- und Finanzperspektive gegeben sein. Vor diesem Hintergrund ist eine ausschließliche Verwendung von marketingorientierten Verfahren für das Markenmanagement nicht zu empfehlen. Kombinationsverfahren Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Verfahren nehmen die Kombinationsverfahren eine ganzheitliche Sichtweise ein. Sie kombinieren die Eigenschaften des einkommensbasierten und des marketingorientierten Ansatzes. Daher sind die Kombinationsverfahren „strukturell“ für das Markenmanagement geeignet. Allerdings wird in dieser Arbeit die in den Verfahren verwendete Art der Integration zwischen Marketing- und Finanzperspektive nicht als zweckmäßig erachtet, so dass die Kombinationsverfahren in ihrer bestehenden Form ebenfalls nicht alle Anforderungen erfüllen. Dies ist im Folgenden näher zu begründen. Die Kombinationsverfahren betrachten die Marke aus der Marketing- und Finanzperspektive. Allerdings wird mit den Verfahren die Zielsetzung angestrebt, einen finanziellen Markenwert auszuweisen. Aus diesem Grund muss die Marketingperspektive letztlich in die Finanzperspektive integriert werden. Dies erfolgt in der Regel dadurch, dass die Markenstärke bzw. deren Werttreiber über eine mathematische bzw. stochastische Verknüpfung mit finanziellen Größen verbunden werden. So wird beispielsweise im Ansatz von Interbrand der Wert der Marke aus der Marketingperspektive zur Ermittlung des Diskontierungssatzes der zukünftigen Markengewinne verwendet.237 Im Ansatz von Semion wird die Stärke der Marke aus der Marketingperspektive als Multiplikator auf den durchschnittlichen Vorsteuergewinn der letzten drei Vergangenheitsjahre angewendet.238 Nachfolgende Abbildung verdeutlicht noch einmal die grundsätzliche Vorgehensweise: 237 238 Vgl. die Darstellung des Ansatzes von Interbrand in Abschnitt B3.2.4. Vgl. die Darstellung des Ansatzes von Semion in Abschnitt B3.2.4. 71 Finanzieller Markenwert Finanzperspektive Marketingperspektive Integration über mathematische bzw. stochastische Verknüpfung Abbildung B-31: Integration von Marketingperspektive und Finanzperspektive in den bestehenden Kombinationsverfahren Diese Methodik der Integration von Marketing- und Finanzperspektive ist jedoch aus zwei Gründen problematisch. Die erste Problematik besteht darin, dass die Wirkungsbeziehungen zwischen den Einflussfaktoren des Markenwerts aus der Marketingperspektive und der Finanzperspektive zu komplex sind, um über einen einfachen mathematischen Zusammenhang abgebildet werden zu können. So bestehen nicht nur Interdependenzen zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Wertdeterminanten, sondern auch gegenseitige Einflüsse der nicht-finanziellen Werttreiber untereinander.239 Zusätzlich erstrecken sich diese Wechselbeziehungen nicht nur auf eine Periode, sondern wirken periodenübergreifend.240 Ein Versuch der Darstellung möglicher Ursache-Wirkungs-Beziehungen findet sich etwa bei Kriegbaum:241 239 240 241 72 Vgl. Esch (2003), S. 78. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 273. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 274. Abbildung B-32: Vernetzte Darstellung der Einflussfaktoren des Markenwerts 73 + + Image + + Bildung von Markenstärke Markenbewusstsein langfristig Kommunikationspolitik Bekanntheit + - + mittelfristig Produktpolitik Qualität + wahrgenommenes Risiko + + kurzfristig + Assoziationen Speicherung von Markenstärke + + + Transferpotential Soziale Faktoren Involvement + lenkbar Zufriedenheit Erstkauf + Gesetzgebung Produktrange + + + + nicht lenkbar Wechselkosten + Wiederholungskauf + Schutz vor Wettbewerbern Imitierbarkeit + + + + Indikator Preispolitik + - + markenbezogene Ausgaben Ausgaben für Transfer + Transfer Teil des Markenwertes Distributionspolitik Marktanteil + Marktvolumen Preisprämie Distribution Absatz + + Marktwachstum Trotz der Beschränkung auf eine abstrakte Ebene weist diese Abbildung bereits eine hohe Komplexität auf. Die gewünschte Abbildung der Interpendenzen würde allerdings zusätzlich noch eine Quantifizierung aller Ursache-/Wirkungszusammenhänge erfordern. Aus diesem Grund kann die Erfassung dieser Ursache-/Wirkungszusammenhänge über einen einfachen mathematischen Zusammenhang, wie beispielsweise einen Multiplikator, nicht adäquat sein.242 Das zweite Problem besteht darin, dass die Ermittlung eines Werts für die Marke mit einer besonderen Unsicherheit behaftet ist. Die Bewertung einer Marke unterscheidet sich von einer Unternehmensbewertung dadurch, dass neben die Schwierigkeit der Prognose der zukünftigen Zahlungen noch die Problematik der Isolierung der markenspezifischen Zahlungen hinzutritt.243 Während für die aktuelle Periode die Isolierung der direkt auf die Marke entfallenden Zahlungen noch mit einigermaßen großer Sicherheit bestimmbar sein kann, so ist die Prognose dieser Größen – unter Umständen sogar für einen unendlich langen Planungszeitraum – nur als grobe Schätzung möglich. Dies gilt bereits für die Bewertung einer Einzelmarke. In der Praxis herrschen zudem vornehmlich komplexe Markenarchitekturen vor. Oftmals sind Produkte nicht nur mit einer Produktmarke, sondern beispielsweise zusätzlich auch noch mit einer Unternehmensmarke gekennzeichnet. In diesen Fällen ist mithin die Isolierung der Zahlungen nicht nur für eine Marke, sondern für zwei und unter Umständen sogar mehr Marken erforderlich. Erschwerend kommt in der Praxis hinzu, dass die für die Verfahren erforderlichen Informationen entweder überhaupt nicht vorliegen oder nur unter großem zeitlichen und finanziellen Ressourceneinsatz generiert werden können. Vor diesem Hintergrund kann die Priorisierung des finanziellen Markenwerts in den bestehenden Kombinationsverfahren kritisch gesehen werden. Eine Kennzahl, deren Ermittlung mit großen Unsicherheiten und Unschärfen behaftet ist, ist als (alleinige) Spitzenkennzahl für das Markenmanagement nicht geeignet.244 Zusammenfassend können die Kombinationsverfahren zwar strukturell als geeignet für die Markenbewertung im Rahmen des Markenmanagements angesehen werden. Aller- 242 243 244 74 Alternativ könnte der Versuch unternommen werden, die mathematische Verbindung, beispielsweise über Regressionsmodell soweit zu verfeinern, dass eine adäquatere Abbildung der Wirkungsbeziehungen erzielt wird. Dies würde allerdings zu einer nicht mehr handhabbaren Komplexität und letztlich zu „Scheingenauigkeiten“ führen. Zur Ablehnung der Erstellung eines „Totalmodells“ bei der Bewertung von Unternehmen vgl. Ballwieser (1990), S. 28-30. Sattler spricht von dem Isolierungsproblem und dem Prognoseproblem der Markenbewertung. Vgl. Sattler (1997), S. 2 f. Vgl. zu den Schwierigkeiten der Ermittlung eines Markenwerts auch Barwise (1993), S. 100. dings erfüllen auch sie nicht die Anforderung nach geeigneter Integration von Marketing- und Finanzperspektive. Die Erfüllung der Anforderungen durch die bestehenden Verfahren der Markenbewertung wird in Abbildung B-33 noch einmal im Überblick dargestellt: Kostenbasierter Ansatz Ermittlung eines zukunftsorientierten finanziellen Marktbasierter Ansatz Einkommensbasierter Ansatz Marketingorientierter Ansatz Kombinationsverfahren + + + - + - - + - + - - - + + - - - - - Markenwerts Abbildung der finanziellen Werttreiber Ermittlung der Markenstärke und Abbildung der nichtfinanziellen Werttreiber Geeignete Integration von Marketing- und Finanzperspektive Abbildung B-33: Erfüllung der Anforderungen an ein Bewertungsverfahren für die Markenführung durch die bestehenden Ansätze Als Fazit kann an dieser Stelle mithin festgehalten werden, dass keines der bestehenden Verfahren uneingeschränkt für die Verwendung im Rahmen des Markenmanagements geeignet ist. Insbesondere existiert noch keine geeignete Methodik für das zentrale Kriterium der Integration von Marketing- und Finanzperspektive. Vor diesem Hintergrund soll im nächsten Kapitel diskutiert werden, inwieweit die Methodik des Ratings eine zweckmäßige Integration von Marketing- und Finanzperspektive ermöglichen kann. 4 Markenbewertung und Rating Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Eignung der bestehenden Verfahren der Markenbewertung für das Markenmanagement soll in dieser Arbeit ein eigener Bewertungsansatz entwickelt werden. Zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive 75 im Rahmen der Bewertung wird hierbei auf die Methodik des Ratings zurückgegriffen. Die Verbindung von Markenbewertung und Rating in dieser Form ist in der Literatur und Praxis der Markenbewertung bislang noch nicht vorgenommen worden.245 Aus diesem Grund wird in diesem Abschnitt die Herstellung des Zusammenhangs zwischen Markenbewertung und Rating ausführlich hergeleitet. Dies erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird in Abschnitt B4.1 die Bedeutung des Ratings aufgezeigt. Im Anschluss daran ist in Abschnitt B4.2 auf die Systematik und die Inhalte eines Ratings näher einzugehen. Auf dieser Grundlage setzt in Abschnitt B4.3 die Diskussion der Eignung des Ratings als Methodik zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive im Rahmen der Markenbewertung auf. Die Diskussion der bestehenden Verfahren der Markenbewertung erfolgte im Kontext der Marke als immaterieller Vermögenswert. Deshalb steht an dieser Stelle die Untersuchung der Eignung des Ratings als Methodik zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive im Vordergrund. Die Rolle des Ratings für die Integration von Intangible- und Produktsicht der Marke wird in Abschnitt C1 thematisiert werden. 4.1 Bedeutung des Ratings „There are two superpowers in the world today in my opinion. There’s the United States and there’s Moody’s Bond Rating Service. The United States can destroy you by dropping bombs, and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds. And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.”246 Dieses Zitat des Journalisten Thomas Friedman aus dem Jahr 1996 beschreibt auf pointierte Weise die Rolle von Ratings bzw. Ratingagenturen in der modernen Wirtschaftswelt.247 Bevor allerdings auf die Bedeutung des Ratings näher eingegangen werden kann, ist zunächst kurz eine Definition des Terminus Rating vorzunehmen. Der Begriff „Rating“ kann definiert werden als „classification or ranking of sb/sth according to 245 246 247 76 Die Methodik des Ratings wurde lediglich zur Einschätzung der Markenstärke aus der MarketingPerspektive, aber nicht für die Integration von Marketing- und Finanzperspektive herangezogen. Dies gilt auch für das in Abbildung B-27 aufgeführte Brand-Rating Verfahren. Interview mit Thomas L. Friedman in der TV-Sendung „The News Hour with Jim Lehrer“ vom 13.02.1996 zitiert nach Partnoy (1999), S. 620. Als weiteres Indiz für die Bedeutung und den Wert von Ratings kann die Börsenkapitalisierung der Ratingagentur Moody’s betrachtet werden. Vgl. Partnoy (2002), S. 65. Diese betrug Anfang Juli 2004 rund 8 Milliarden Euro. quality.”248 In diesem Sinne stellt das Rating eine allgemeine Methodik zur Evaluierung von Sachverhalten dar.249 Beispielsweise wird die Methodik des Ratings zur Einschätzung von Hotels, Kinofilmen oder Restaurants angewandt.250 Ein Rating zur Beurteilung der Fähigkeit zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen wird auch als Credit Rating bezeichnet.251 Grundsätzlich lassen sich zwei Formen eines Credit Ratings unterscheiden. Nimmt eine spezialisierte Ratingagentur das Credit Rating vor, wird von einem externen Rating gesprochen.252 Für ein Credit Rating, das durch ein Kreditinstitut durchgeführt wird, wird dagegen der Ausdruck internes Rating verwendet.253 Das eingangs angeführte Zitat bezieht sich auf die Bedeutung von Credit Ratings aus Sicht des Unternehmens als Emittent eines Finanztitels. Im Folgenden soll die Perspektive des einzelnen Unternehmens beibehalten werden und anhand der verschiedenen Adressaten die Bedeutung des (Credit) Ratings untersucht werden.254 Als erste Gruppe der Adressaten eines externen Ratings werden die Kapitalmarktteilnehmer betrachtet. Die Bedeutung von externen Ratings für die Kapitalmarktteilnehmer wird üblicherweise unter Rückgriff auf die Reputation der Rating-Agenturen begründet.255 Ratings verringern in diesem Verständnis die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Unternehmen bzw. Emittent und Investor.256 Die Kapitalmarktteilnehmer reduzieren ihren eigenen Aufwand zur Informationsbeschaffung und stützen sich auf die etwa von Moody’s oder Standard & Poor’s erstellten Ratings bei 248 Cowie (1989), S. 1040. Die Abgrenzung zu einem Ranking erfolgt dadurch, dass bei dem Ranking die Erstellung einer Rangliste im Vordergrund steht. Aus diesem Grund ist ein einzelner Rankingwert im Gegensatz zu einem einzelnen Ratingwert ohne Aussagekraft. Zur Abgrenzung von Rating und Ranking vgl. Sönnichsen (1992), S. 119-124. 250 Vgl. Partnoy (1999), S. 621. 251 Standard & Poor’s definiert ein Credit Rating wie folgt: „A Credit rating is Standard & Poor’s opinion of the general creditworthiness of an obligor, or the creditworthiness of an obligor with respect to a particular debt security or other financial obligation, based on relevant risk factors.” Standard & Poor’s (2004), S. 3. 252 Für eine Darstellung der historischen Entwicklung von externen Ratings bzw. Ratingagenturen vgl. Sylla (2002), S. 19-40. 253 Zur Unterscheidung von externem und internem Rating vgl. beispielsweise Fischer/Holzkämper (2003), S. 70 f. 254 Die Analyse bezieht sich dabei primär auf externe Ratings, da nur diese veröffentlicht werden. Im Text wird darauf eingegangen, welche Aspekte auch für interne Ratings Gültigkeit besitzen. 255 „The traditional answer to this question is that the agencies gather and analyze all sorts of pertinent financial and other information, and then use it to provide a rating of the intrinsic value or quality of a security as a convenient way for investors to judge quality and make investment decision. With every rating, the agency puts its reputation on the line.” Sylla (2002), S. 35. 256 „In sum, credit rating firms can help lenders pierce the fog of asymmetric information that surrounds lending relationships. Equivalently, credit rating firms can help borrowers (and their credit qualities) emerge from that same fog.” White (2002), S. 43. 249 77 der Einschätzung der zukünftigen Ausfallwahrscheinlichkeit von Finanzierungstiteln.257 Als Konsequenz werden die Finanzierungsmöglichkeiten und -kosten am Kapitalmarkt wesentlich durch das Rating determiniert.258 Des Weiteren kann das Rating auch den Aktienkurs des Unternehmens beeinflussen.259 Zwar konnte eine allgemeine Korrelation zwischen Rating und Aktienkurs nicht durch Studien nachgewiesen werden,260 einige Kursreaktionen auf Downgradings der Ratings von Unternehmen veranschaulichen allerdings, dass diese Möglichkeit besteht.261 Neben den Finanzierungsbeziehungen zum „anonymen“ Kapitalmarkt kann das Unternehmen Kapital auch über Kreditinstitute beschaffen. Kreditinstitute nutzten bereits in der Vergangenheit spezifische Ratingmodelle, um die Kreditwürdigkeit von Kunden zu beurteilen. Die geplante Reform der Bankenregulierung (Basel II) wird die Bedeutung von Ratings für die Kreditvergabe deutlich verstärken.262 Dies bezieht sich zunächst auf ein internes Rating, allerdings wird ein vorliegendes externes Rating als zusätzliche Informationsquelle herangezogen.263 Darüber hinaus beeinflusst das Rating die Verhandlungsposition des Unternehmens gegenüber Kunden und Lieferanten.264 So können potentielle Kunden und Lieferanten durch ein positives veröffentlichtes Rating die solide Finanz- und Ertragslage des Unternehmens erkennen. Die potentiellen Geschäftspartner werden dann nicht nur mit größerer Wahrscheinlichkeit mit dem Unternehmen in Geschäftsbeziehungen treten, sondern sie werden vermutlich auch eher zu Kundenanzahlungen bzw. Lieferantenkrediten bereit sein.265 Als weiterer Effekt ist der Einfluss des Ratings auf das Ansehen des Unternehmens bei aktuellen und potentiellen Mitarbeitern zu sehen.266 Ein gutes Rating signalisiert den 257 Vgl. White (2002), S. 43 f.; Kley (2003), S. 221. Vgl. Everling (1991), S. 256-258. 259 Für eine Übersicht zu Untersuchungen der Auswirkung von Ratings auf den Aktienkurs vgl. Steiner/Heinke (1996), S. 586-588. 260 Vgl. Steiner/Heinke (1996), S. 588 f. Bei einem Rating stehen die zukünftigen Risiken stärker im Vordergrund. Die Steigerung des Unternehmenswerts und die Optimierung des Ratings können daher zumindest kurzfristig in einem konfliktären Verhältnis zueinander stehen. 261 Beispielhaft kann hier der Kursrutsch bei der Thyssen-Krupp AG in Folge der Herabstufung des Ratings im Jahr 2003 genannt werden. 262 Zu den möglichen Konsequenzen von Basel II vgl. Gleißner/Füser (2002), S. 16-19; Kley (2003), S. 75-84. 263 Vgl. Presber/Stengert (2002), S. 10. 264 Vgl. Everling (1991), S. 272-274. 265 Vgl. Everling (1991), S. 273 f. Allerdings kann in diesem Zusammenhang ein positives Rating nicht nur von Vorteil sein, da bei Kenntnis der guten Bonität Großkunden bei der nächsten Preisverhandlung größere Nachlässe fordern könnten. Aus diesem Grund verzichten viele mittelständische Unternehmen auf die Veröffentlichung eines guten Ratings. Vgl. Presber/Stengert (2002), S. 41. 266 Vgl. Munsch/Weiß (2001), S. 39. 258 78 Mitarbeitern den Erfolg ihres Unternehmens und stellt ein Indiz für die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes dar. Ebenso ist es für potentielle Mitarbeiter von Bedeutung, dass das Unternehmen erfolgreich wirkt und ihnen Aufstiegschancen und Arbeitsplatzsicherheit gewährleisten kann. Abbildung B-34 stellt die möglichen Wirkungen eines externen und eines internen Ratings noch einmal im Überblick dar: Beeinflussung Aktienkurs und Konditionen für Kapitalaufnahme am Kapitalmarkt Kapitalmarkt Lieferanten und Kunden Beeinflussung Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten und Kunden Informationen über Verbesserungspotenziale und Benchmarking Management Mitarbeiter Beeinflussung Image bei Mitarbeitern Kreditinstitute Beeinflussung Konditionen für Aufnahme von Fremdkapital über Kreditinstitute Abbildung B-34: Bedeutung eines Ratings in Abhängigkeit der Adressatengruppen Auf einen Aspekt von Abbildung B-34 ist bislang noch nicht eingegangen worden. Neben den verschiedenen bereits angesprochenen externen und internen Gruppierungen stellt auch das Management einen Adressaten des Ratings dar.267 In diesem Sinne verfügt das Rating über eine Informationsfunktion für das Management.268 Aufgrund der neutralen Analyse durch die Ratingagentur bzw. das Kreditinstitut werden die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken des Unternehmens transparent.269 Dies bezieht sich sowohl auf den leistungswirtschaftlichen als auch auf den 267 268 269 Dieser Aspekt wird insbesondere von der „praxisnahen“ Literatur betont. Vgl. Presber/Stenger (2002), S. 96. Vgl. Everling (1991), S. 252-255. Vgl. Gleißner/Füser (2002), S. 20. 79 finanzwirtschaftlichen Bereich des Unternehmens. Zur Vorbereitung auf ein von einem Dritten durchgeführtes Rating ist es für Unternehmen sinnvoll, selbst ein Rating durchzuführen, um bereits im Vorfeld mögliche Verbesserungspotentiale zu erkennen und diese zum Zeitpunkt des eigentlichen Ratings bereits vollzogen zu haben.270 Auf diese Weise wird das Rating selbst zu einem Managementinstrument des Unternehmens. Dieser Aspekt wird in Abschnitt B4.3 wieder aufgegriffen. Zunächst ist allerdings im nächsten Abschnitt auf die Systematik und die Inhalte des Ratings einzugehen, um das Verständnis für die Methodik des Ratings zu schaffen. 4.2 Systematik und Inhalte des Ratings Ratingsysteme können grundsätzlich in quantitative und qualitative Ratingsysteme unterschieden werden.271 Quantitative Ratingsysteme vollziehen die Verknüpfung der Komponenten auf der Basis von mathematisch-statistischen Modellen.272 InputFaktoren stellen ausschließlich quantitative Größen dar.273 Mit diesen Modellen ist die Zielsetzung verbunden, subjektive Einflüsse, etwa bei der Gewichtung der Kriterien, auszublenden.274 Quantitative Ratingsysteme werden vor allem dann eingesetzt, wenn aufgrund einer großen Anzahl von erforderlichen Bewertungen eine Standardisierung erforderlich ist. Im Gegensatz dazu fließen in qualitative Ratingsysteme auch Kriterien ein, die gar nicht oder nur mit großem Aufwand objektivierbar bzw. quantifizierbar sind.275 Die Ratingsysteme der großen Ratingagenturen sind gemäß dieser Einteilung als qualitative Ratingsysteme zu betrachten.276 Dies wird im Folgenden anhand der Darstellung der Ratingsysteme von Standard & Poor’s und Moody’s näher erläutert.277 270 In diesem Zusammenhang wird auch von einer „Rating-Strategie“ gesprochen. Vgl. Gleißner/Füser (2002), S. 4. 271 Vgl. Everling (1991), S. 125-127. 272 Hierzu zählen beispielsweise Diskriminanzanalysen oder künstliche neuronale Netze. Vgl. Kley (2003), S. 146-152. 273 Die Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Größen kann am Skalenniveau der Ausgangsdaten festgemacht. Allerdings ist der Übergang zwischen quantitativen und qualitativen Größen teilweise fließend. Vgl. Kley (2003), S. 145. 274 Vgl. Eigermann (2002), S. 33. 275 Beispiele stellen etwa die Marktposition des Unternehmens oder die Qualität des Managements dar. 276 Vgl. Eigermann (2002),. S. 31 f. 277 Aufgrund ihrer dominanten Marktstellung wird ein Großteil der Ratings von diesen Agenturen durchgeführt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Vorgehensweise dieser beiden Unternehmen gleichsam einen Marktstandard darstellt, der auch die Verfahren kleinerer Agenturen stark beeinflusst. 80 Die Ratinganalyse vollzieht sich bei den großen Ratingagenturen auf den drei Ebenen Länderrisiko, Branchenrisiken und Unternehmensrisiken:278 Rating Unternehmensrisiko Branchenrisiko Länderrisiko Abbildung B-35: Ebenen der Ratinganalyse Den Ausgangspunkt der Ratinganalyse stellt die Analyse der internationalen Kreditwürdigkeit des Herkunftslandes des Emittenten dar.279 Das Rating des Emittenten kann im Regelfall nicht höher ausfallen als das Rating seines Herkunftslandes. Das Länderrating wird daher auch als „sovereign ceiling“ bezeichnet.280 Der zweite Analysebereich wird durch die Analyse der aktuellen Situation und der Entwicklungsperspektive der Branche des Unternehmens repräsentiert.281 Als Grundelemente der Branchenanalyse kann die Untersuchung von konjunkturellen Abhängigkeiten, wirtschaftspolitischen Veränderungen, Marktzugangsbeschränkungen sowie technologischen Veränderungen angesehen werden.282 Den Kern der Ratinganalyse bildet die Untersuchung der Unternehmensrisiken. Die Ratingagenturen betrachten hierbei grundsätzlich die gleichen Bereiche und unterscheiden sich primär in der Abgrenzung der betrachteten Risiken:283 278 279 280 281 282 283 Zu einer Darstellung für Moody’s vgl. Berblinger (1996), S. 64. Dahinter steht die Erfahrung, dass Transfer bzw. Währungsumtausch von Zahlungen eines Unternehmens an seine Gläubiger durch staatliche Stellen beschränkt werden kann. Vgl. Berblinger (1996), S. 64. „The foreign currency debt ratings of industrial issuers … are in most cases capped by Moody’s sovereign ceiling for the nation in which the company is domiciled.” Moody’s Investors Service (1998), S. 3. Vgl. Leffers (1996), S. 358. Vgl. Moody’s Investors Service (1998), S. 4 f.; Standard & Poor’s (2004), S. 17 f. Vgl. Moody’s Investors Service (1998), S.6-16; Standard & Poor’s (2004), S. 17-27. Die Darstellung erfolgt gemäß Gleißner/Füser (2002), S. 84. 81 Standard & Poor’s Moody’s Finanzielles Risiko: Finanzwirtschaftliche Risiken: (Bilanz- und Rechnungswesen, Finanzpolitik, (Cashflow, Liquidität, Verbindlichkeits- Rentabilität, Cashflow, Finanzielle Stabilität) struktur, Eigenkapital und Reserven) Geschäftsrisiko: Wettbewerbliche und betriebliche Risiken: (Industriemerkmale) (Relativer Marktanteil, Wettbewerbsposition, Diversifizierung, Umsatz, Kosten, Ergebnis, Absatz und Beschaffung) (Wettbewerbsposition) Unternehmensstruktur und rechtliche Risiken: (Einbeziehung verbundener Unternehmen) (Management) Managementqualität: (Planungs- und Kontrollwesen, Managementerfahrung, Organisationsstruktur, Nachfolgeregelung) Abbildung B-36: Kriterien zur Analyse des Unternehmensrisikos bei Standard & Poor’s und Moody’s Der Überblick über die von den Ratingagenturen analysierten Kriterien macht deutlich, dass sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien verwendet werden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Einstufung der Verfahren als qualitative Ratingsysteme. Die Gewichtung und Verknüpfung der Kriterien wird von den Ratingagenturen als Geschäftsgeheimnis betrachtet und daher nur in Ansätzen offen gelegt.284 Verschiedentlich wurden daher Versuche unternommen, aus den Zusammenhängen zwischen den Ratings bewerteter Unternehmen und den Daten bewerteter Unternehmen Rückschlüsse auf die von den Agenturen verwendete Methodik zu ziehen.285 Unabhängig von der konkreten Vorgehensweise einzelner Agenturen ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass die Transformation der Einschätzungen zu den einzelnen Kriterien in ein aggregiertes Ratingurteil stets durch einen relativ hohen Grad an subjektiver Einschätzung geprägt ist: „There are no formulae for combining scores to arrive at a rating conclusion. Bear in mind that ratings represent an art as much as a science. A rating is, in the end, an opinion.”286 284 285 286 82 Die jeweils aktuellsten Dokumentationen der grundsätzlichen Rating-Methodik der beiden großen RatingAgenturen finden sich in Moody’s Investors Service (1998) und Standard & Poor’s (2004). Für einen Überblick über die durchgeführten Untersuchungen vgl. Kniese (1996), S. 62-66. Standard & Poor’s (2004), S. 17. Das Ergebnis der Analysen der Rating-Agentur stellt eine Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit dar. Diese wird durch Symbole in Form von Buchstaben ausgedrückt, wobei sich die Buchstabenkombinationen zwischen den Rating-Agenturen unterscheiden.287 Jede Ratingstufe entspricht einer Ausfallwahrscheinlichkeit.288 Eine ausführliche Darstellung der Ratingstufen von Standard & Poor’s und Moody’s findet sich im Anhang zu dieser Arbeit. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Ratings wurde anhand der Darstellungen deutlich, dass das Rating eine praktikable Methodik der Aggregation von Informationen aus verschiedenen Bereichen in einer leicht kommunizierbaren Kennzahl darstellt. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden Abschnitt die Eignung des Ratings als Methodik zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive untersucht. 4.3 Eignung des Ratings für die Markenbewertung In Abschnitt B4.1 wurde dargestellt, dass die Bedeutung des Ratings unter anderem auf der Informationsfunktion gegenüber dem Management basiert. Das Management kann zum einen die Erkenntnisse des Ratings zur Identifizierung von Verbesserungspotenzialen nutzen. Damit liegt die Verwendung des Ratings auch als Grundlage eines Bewertungs- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Managements nahe. Die nähere Betrachtung der Systematik und der Inhalte des Ratings in Abschnitt B4.2 hat daneben deutlich gemacht, dass das Rating eine Aggregation von Informationen und Daten aus verschiedensten Perspektiven ermöglicht. Damit kann davon ausgegangen werden, dass das Rating grundsätzlich auch eine Integration von Marketing- und Finanzperspektive (sowie von Intangible- und Produkt-Sicht) der Marke ermöglichen kann. Vor diesem Hintergrund ist eine detailliertere Untersuchung der Eignung des Ratings für die Markenbewertung sinnvoll. Die Eignung der Methodik des Ratings ist daran festzumachen, inwieweit die Probleme der bestehenden Verfahren bei der Integration von Marketing- und Finanzperspektive gelöst werden können. Zusammengefasst bezog sich die Kritik an der Integration von Marketing- und Finanzperspektive in den bestehenden Verfahren auf zwei Aspekte. Erstens ist die mathematische Einbindung der 287 288 Vgl. zu einer Erläuterung der einzelnen Kriterien Standard & Poor’s (2004), S. 7-10. Gemäß der Skala von Moody’s entspricht beispielsweise ein Rating von Aa3 einer durchschnittlichen einjährigen Insolvenzrate der Jahre 1983-1999 von 0,1%, während ein Rating von B1 mit einer Ausfallrate von 3,5% in Verbindung gebracht werden kann. Vgl. Presber/Stengert (2002), S. 7. 83 Marketingperspektive in die Finanzperspektive mit einer zu starken Vereinfachung der komplexen Wirkungszusammenhänge verbunden. Zweitens schränken die Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines Markenwerts dessen Eignung als Spitzenkennzahl für das Markenmanagement stark ein. Im Folgenden wird auf beide Aspekte eingegangen. Die Darstellung der Systematik des Ratings hat deutlich gemacht, dass die einzelnen Rating-Kriterien letztlich eigenständige Input-Größen für das Gesamturteil darstellen.289 Beispielsweise werden bei dem Rating eines Unternehmens das Länderrisko, Branchenrisiko sowie die Risiken des Unternehmens grundsätzlich parallel betrachtet. Die einzelnen Komponenten werden zwar mit einem unterschiedlichen Gewicht im Gesamturteil berücksichtigt, es erfolgt jedoch keine Über- oder Unterordnung in dem Sinne, dass eine Perspektive in die andere integriert wird. Übertragen auf den Fall der Bewertung einer Marke bedeutet dies, dass auf Grundlage der Methodik des Ratings Marketingperspektive und Finanzperspektive als jeweils eigenständige Größen in das Gesamt-Rating der Marke einfließen. Dies stellt eine grundsätzlich andere Vorgehensweise dar als die mathematische Integration der Marketingperspektive in die Finanzperspektive, die letztlich einer Unterordnung der Marketingperspektive unter die Finanzperspektive entspricht. Zur Veranschaulichung werden in nachfolgender Abbildung die beiden Herangehensweisen einander gegenüber gestellt: 289 84 Dies wird beispielsweise auch deutlich anhand der schematischen Darstellung der Ratingsystematik von Credit Suisse. Vgl. Kley (2003), S. 162. Rating der Marke Finanzieller Markenwert Finanzperspektive Marketingperspektive Integration in den bestehenden Kombinationsverfahren Finanzperspektive Marketingperspektive Integration über die Methodik des Ratings Abbildung B-37: Integration von Marketing- und Finanzperspektive in den bestehenden Verfahren und über die Methodik des Ratings Abbildung B-37 verdeutlicht, dass im Rahmen des Ratings Finanz- und Marketingperspektive grundsätzlich unabhängig voneinander betrachtet werden. Die direkte mathematische bzw. stochastische Verknüpfung zwischen den Perspektiven wird damit aufgelöst. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Wechselbeziehungen zwischen den Dimensionen ausgeblendet werden. In Abschnitt C1 wird bei der Erläuterung der Grundstruktur des Marken-Ratings gezeigt werden, dass die Interdependenzen zwischen Marketing- und Finanzperspektive über einen analytischen Zusammenhang erfasst werden. Dies bedeutet, dass die Ausprägungen der Marketingperspektive und deren Werttreiber gleichsam gesamthaft bei der Ermittlung und Prognose aller Größen der Finanzperspektive zu berücksichtigen sind.290 Anhand der Abbildung wird auch der Beitrag der Methodik des Ratings zur Lösung der Problematik der Verwendung des Markenwerts als Spitzenkennzahl deutlich. Innerhalb der Systematik des Ratings stellt der finanzielle Markenwert nicht mehr die Spitzenkennzahl, sondern lediglich ein Kriterium dar. In der abstrakten Darstellung dieser Arbeit tritt die Marketingperspektive als weiteres Kriterium hinzu. Wie in Abschnitt C1 gezeigt werden wird, können im Rahmen eines solchen Marken-Ratings mehrere Kriterien aufgenommen werden. Ergebnis ist mithin eine Relativierung der Rolle des (finanziellen) Markenwerts. Zusammenfassend ist auf Basis dieser Überlegungen festzuhalten, dass die Methodik des Ratings das Potential besitzt, die Probleme der bestehenden Verfahren bei der Integration von Marketing- und Finanzperspektive zu lösen. An dieser Stelle wurde die 290 Ähnlich Cheridito (2003), S. 191. 85 Analyse allerdings noch auf einem sehr abstrakten Niveau vorgenommen. Die genaue Ausgestaltung der Methodik des Ratings im Rahmen des Marken-Ratings ist Gegenstand der Darstellungen des nächsten Kapitels. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle des Ratings für die Integration von Marken- und Produktebene eingegangen. Dieser Aspekt wurde bei der Analyse der bestehenden Verfahren der Markenbewertung nicht behandelt, da diese ausschließlich die Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert betrachten. 86 C Methodik des Marken-Ratings Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht darin, auf Basis der Methodik des Ratings den „true and fair view“ der Marke abzubilden. Hierfür ist die Integration der Marketingund der Finanzperspektive sowie der Intangible- und Produkt-Sicht der Marke erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Kapitels C darzustellen, wie diese Integration im Rahmen des Marken-Ratings vorgenommen wird. Hierfür wird zunächst die Grundstruktur des Marken-Ratings in Abschnitt C1 vorgestellt. Auf dieser Grundlage werden im Abschnitt C2 die Kriterien des Marken-Ratings erläutert. Die Zusammenführung der Kriterien zum Rating der Marke ist Gegenstand des Abschnitts C3. Abschließend wird in Abschnitt C4 darauf eingegangen, wie die Komponenten und Ergebnisse des Marken-Ratings durch ein Marken-Cockpit für die Kommunikation innerhalb des Unternehmens aufbereitet werden können. 1 Grundstruktur des Marken-Ratings Die Entwicklung des Marken-Ratings hat vor dem Hintergrund der in Abschnitt B3.3 entwickelten Anforderungen an ein Bewertungsverfahren zu erfolgen. Hinzu kommt noch die aus der spezifischen Zielsetzung dieser Arbeit resultierende Anforderung der Integration von Marken- und Produktebene. Im Folgenden wird anhand der Grundstruktur des Marken-Ratings gezeigt, wie diese Anforderungen berücksichtigt werden. Abbildung C-1 stellt die Grundstruktur des Marken-Ratings für eine Einzelmarke im Überblick dar: 87 Marketingperspektive Markenstärke Indirekte Berücksichtigung Indirekte Berücksichtigung Rating der Marke Finanzperspektive Markenproduktwert Abbildung C-1: Markenwert Grundstruktur des Marken-Ratings für eine Einzelmarke Mittelpunkt des Marken-Ratings ist die Kenngröße Rating der Marke. Im Rating der Marke werden zum einen die Marketing- und die Finanzperspektive zusammengeführt. Die Zusammenführung von Intangible- und Produkt-Sicht der Marke wird innerhalb der Finanzperspektive vorgenommen. Der finanzielle Wert des Markenprodukts wird hierbei als Markenproduktwert bezeichnet, für den finanziellen Wert der Marke als immaterieller Vermögenswert wird gemäß der definitorischen Festlegungen in Abschnitt B3.1 der Ausdruck Markenwert verwendet. Eine Differenzierung zwischen Markenprodukt und Marke ist im Bereich der Marketingperspektive nicht erforderlich bzw. sinnvoll, da zentrale Kennzahlen der Marketingperspektive, wie beispielsweise Bekanntheit oder Image, sich gleichermaßen auf Markenprodukt und Marke beziehen. Vor diesem Hintergrund entspricht das Rating der Marke genau genommen dem Rating einer Markenprodukt-/Markenkombination. Der etwas umständliche Ausdruck der Markenprodukt-/Markenkombination wurde für diese Arbeit als Begriff für die gemeinsame Betrachtung von Markenprodukt und Marke geprägt. Bislang existiert noch kein solcher Terminus. Als Grund hierfür kann gesehen werden, dass eine Integration der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert, wie sie vor allem im Markenbewertungskontext vorgenommen wird, und der Ebene des Markenprodukts, wie sie in einem Management-Kontext gebräuchlich ist, noch nicht innerhalb eines Bewertungsund Steuerungsinstruments vorgenommen wurde. Die in dieser Arbeit vorgenommene Zusammenführung der Dimensionen erfordert mithin auch eine Entwicklung von neuen Begrifflichkeiten. 88 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit des Texts wird allerdings im Folgenden statt vom Rating der Markenprodukt-/Markenkombination vereinfacht vom Rating der Marke gesprochen. Die Begriffe Markenprodukt-/Markenkombination und Marke werden daher synonym gebraucht. An Stellen, an denen jedoch aufgrund dieser sprachlichen Vereinfachung Missverständnisse auftreten könnten, wird explizit zwischen den Termini differenziert und von der Markenprodukt-/Markenkombination einerseits sowie der Marke als immaterieller Vermögenswert andererseits gesprochen. Zur weiteren Erläuterung des Ratings der Marke bzw. der Markenprodukt-/ Markenkombination sind zunächst dessen Komponenten darzustellen. Darauf aufbauend wird dann darauf eingegangen, wie die einzelnen Perspektiven zum Rating der Marke zusammengeführt werden. Die Marketingperspektive wird über das Kriterium Markenstärke abgebildet.291 Aufgrund der hohen Bedeutung der Konsumenten als den primären Adressaten der Marke muss die Messung der Markenstärke die Wertschätzung der Marke aus Sicht der Konsumenten umfassen. Als konsumentenbezogene Werttreiber werden im Rahmen des Marken-Ratings Markenbekanntheit und Markenimage herangezogen. Allerdings sind Geschäftserfolg und damit Markenwert nicht nur von den Beziehungen zu den Konsumenten, sondern auch von Markt- und Wettbewerbseinflüssen abhängig. Mithin ist für die Bestimmung der Markenstärke auch die Marktperspektive einzubeziehen.292 Als marktbezogene Werttreiber werden im Rahmen des Marken-Ratings die Wettbewerbsposition der Marke und die Branchenattraktivität betrachtet. Wie bereits dargestellt, erfolgt für die Marketingperspektive keine Differenzierung zwischen der Intangible- und der Produkt-Sicht der Marke. Eine solche Unterscheidung wird allerdings innerhalb der Finanzperspektive getroffen. Die Finanzperspektive wird über die Kriterien Markenproduktwert und Markenwert erfasst. Der Markenproduktwert entspricht dem finanziellen Wert des Markenprodukts, während der Markenwert den finanziellen Wert der Marke als immaterieller Vermögenswert darstellt. Auf diese Weise wird sowohl die Wertschaffung auf der Ebene des Markenprodukts als auch auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert abgebildet. Über die finanziellen Größen soll eine Verbindung zur Unternehmensführung geschaffen werden. Aus diesem Grund muss die methodische Anschlussfähigkeit 291 292 Die genaue Darstellung und die Begründung für die Konzeption der Markenstärke erfolgt in Abschnitt C2.1.1.1. Dort wurde auch dargestellt, dass die Markenstärke sich sowohl auf die Marke als auch auf das Markenprodukt bezieht. Deshalb wird die Markenstärke im Rahmen des Marken-Ratings gemeinsam für Marke und Markenprodukt ermittelt. Vgl. Mussler/Mussler (1995), S. 186. 89 von Markenproduktwert und Markenwert an die Zielgröße Unternehmenswert gegeben sein. Der „innere“ Unternehmenswert entspricht dem Gegenwartswert der zukünftigen Zahlungen bzw. Erfolge des Unternehmens. Analog dazu werden im Rahmen des Marken-Ratings Markenproduktwert und Markenwert als Barwert der zukünftigen Zahlungen bzw. Erfolge von Markenprodukt bzw. Marke ermittelt.293 Die Integration der Marketing- und Finanzperspektive erfolgt über die Methodik des Ratings. Hierbei werden die jeweiligen Ausprägungen von Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert in einen Punktwert auf der Rating-Skala überführt und anschließend zu einem Gesamtwert für das Rating der Marke aggregiert. Die Zusammenführung der Kriterien zu dem Gesamtwert erfolgt dabei nicht über eine mathematische Verknüpfung. Vielmehr ist das Rating der Marke als eine Strukturierung der Messergebnisse der Kriterien von Marketing- und Finanzperspektive konzipiert Aus diesem Grund besteht das Rating für eine Einzelmarke aus zwei Elementen. Das erste Element – ein Großbuchstabe – steht für die Einschätzung der Marke aus Sicht der Finanzperspektive. Hierbei wird zwischen den Stufen A bis D differenziert. Das zweite Element – ein Vorzeichen – bildet die Bewertung der Marke aus Sicht der Marketingperspektive ab. Hier lassen sich die zwei Abstufungen ‚+’ und ‚-’ unterscheiden. Die möglichen Ausprägungen des Ratings einer Einzelmarke reichen daher von dem besten Wert A+ bis zu dem schlechtesten Wert D-: Finanz- Marketingperspektive perspektive Abbildung C-2: 293 90 A + A - B + B - C + C - D + D - Rating-Systematik für eine Einzelmarke Die Definition von Markenprodukt und Marke in dieser Arbeit erfolgt grundsätzlich auf Basis des CashKonzepts. Im Fallbeispiel der Marke Top Ice wird allerdings die Identität der Bewertung auf Basis des Cashund des Accrual-Konzepts nachgewiesen. Diese im Rahmen des Marken-Ratings gewählte Art der Integration von Marketingund Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produkt-Sicht der Marke verfügt über mehrere Vorzüge. So wird erstens die Markenstärke als eigenes Kriterium im Rahmen des MarkenRatings erfasst. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Marken-Rating in der Lage ist, auch „schwache Signale“, die sich zunächst nur im Rahmen der Markenstärke, aber noch nicht in finanziellen Größen auswirken, abzubilden.294 Beispielsweise ist es nur sehr schwierig möglich, zu prognostizieren, wie sich Veränderungen des Markenimages in den zukünftigen Perioden in den finanziellen Werttreibern niederschlagen werden. Durch die Erfassung der Markenstärke als eigenes Element im Rahmen des Ratings der Marke wird sichergestellt, dass sich solche Veränderungen in der Spitzenkennzahl widerspiegeln, ohne dass zwangsläufig eine Prognose der Auswirkungen auf die finanziellen Werttreiber vorgenommen werden muss. Die Markenstärke erfüllt damit gleichsam eine Funktion als Chancen-/Risikogröße. Zweitens erfolgt durch die indirekte Berücksichtigung der Markenstärke in Markenproduktwert und Markenwert keine unzulässige Vereinfachung der Komplexität der Wirkungsbeziehungen zwischen der Marketing- und der Finanzperspektive. Indirekte Berücksichtigung bedeutet, dass die Markenstärke nicht direkt in das finanzielle Kalkül etwa über einen Multiplikator oder als Auf- oder Abschlag auf den Zinssatz integriert wird, sondern dass die Markenstärke und ihre Veränderung im Zeitablauf gleichsam gesamthaft bei der Prognose der finanziellen Werttreiber von Markenproduktwert und Markenwert einfließen muss.295 Dies entspricht dem bei der Unternehmensbewertung üblichen Vorgehen der Verbindung von nicht-finanziellen und finanziellen Wertdeterminanten. Bei der Bestimmung und Prognose von jedem finanziellem Werttreiber muss überlegt werden, auf welche Weise die Markenstärke bzw. deren Veränderung im Zeitablauf zu berücksichtigen ist. Auf diese Weise wird die Transparenz der Bewertung erhöht, da stets begründet werden muss, wie die Markenstärke in das finanzielle Kalkül Eingang gefunden hat. Bislang wurde die Grundstruktur des Marken-Ratings im Kontext der Bewertung einer Einzelmarke diskutiert. Bei der Führung einer Marke innerhalb eines Portfolios muss allerdings gegenüber der Einzelmarke zusätzlich berücksichtigt werden, dass die Marke auch die richtige Position innerhalb des Markenportfolios besitzt.296 Dieser Sach294 295 296 Zum Vorteil der Verwendung von Indikatoren, wenn die finanziellen Ergebnisse nur schwer prognostiziert werden können vgl. Spremann (2002), S. 185. Vgl. Cheridito (2003), S. 187-191. Vgl. Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 120-127. 91 verhalt wird im Rahmen des Marken-Ratings über die Größe Beitrag zum Markenportfolio erfasst. Der Beitrag zum Markenportfolio umfasst zum einen die Abgrenzungsfähigkeit gegenüber den anderen Tochtermarken und zum anderen die Wechselbeziehungen der Tochtermarke mit der Unternehmensmarke.297 Das Marken-Rating für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios stellt sich mithin wie folgt dar: Marketingperspektive Markenstärke Portfolioperspektive Beitrag zum Markenportfolio Rating der Marke Finanzperspektive Markenproduktwert Abbildung C-3: Markenwert Grundstruktur des Marken-Ratings für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios Das Marken-Rating für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios umfasst mithin neben der Marketing- und der Finanzperspektive zusätzlich die Portfolioperspektive. Diese Erweiterung schlägt sich auch im Rating der Marke nieder. Die Einschätzung des Beitrags der Marke zum Markenportfolio wird durch ein drittes Element des Ratings – ein Kleinbuchstabe – erfasst. Als Stufen der Unterteilung werden hier a und b verwendet. Mithin erstrecken sich die möglichen Ausprägungen des Ratings für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios von Aa+ bis Db-: 297 92 Zur Begründung der Auswahl dieser Größen vgl. Abschnitt C2.1.1.1. Abbildung C-4: Finanzperspektive Portfolioperspektive Marketingperspektive A a + A a - A b + A b - B a + . . . . . . . . . D b + D b - Rating-Systematik für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios Nach der überblicksartigen Darstellung der Grundstruktur des Marken-Ratings soll abschließend untersucht werden, wie sich das Marken-Rating zu den Dimensionen eines Credit Ratings für Unternehmen verhält. Diese Gegenüberstellung dient zum einen zur Veranschaulichung, zum anderen wird damit aber auch das Marken-Rating auf Vollständigkeit überprüft. Der erste grundlegende Unterschied besteht darin, dass im Rahmen des Credit Ratings der Fokus in erster Linie auf Risiken gelegt wird, während bei dem Marken-Rating eine sowohl auf Chancen als auch auf Risiken ausgelegte Einschätzung der einzelnen Faktoren erfolgt. Dementsprechend spiegelt auch das Rating der Marke einen „true and fair view“ der Marke wider und entspricht nicht einem Maß für das mit der Marke verbundene Risiko. Als zweiter zentraler Unterschied können die im Rahmen von Credit Rating und Marken-Rating explizit betrachteten Input-Größen angesehen werden. In der Systematik von Standard & Poor’s werden als Analysebereiche Land, Branche und Unternehmen (finanzielle Situation, Industriemerkmale, Wettbewerbsposition und Qualität des Managements) betrachtet.298 Von diesen Punkten finden sich im Marken-Rating explizit die finanzielle Situation in Markenproduktwert und Markenwert sowie die Einschätzung von Land bzw. Branche und Wettbewerbsposition in der Markenstärke wieder. Nicht direkt abgebildet werden die auf die Managementqualität und die Prozesse und 298 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Abschnitt B4.2. 93 Strukturen ausgerichteten Kriterien. Diese sind zum einen aus der internen Perspektive des Managements schwer „objektiv“ zu beurteilen, zum anderen stellen sie keine unmittelbaren Werttreiber des Markenwerts dar.299 Deshalb werden sie nicht explizit als Einflussfaktoren des Marken-Ratings berücksichtigt, allerdings sind sie zumindest implizit in den Werttreibern von Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert enthalten. In den folgenden Abschnitten werden die Kriterien des Marken-Ratings detailliert dargestellt. Gegenstand des Abschnitts C2.1 ist die Erläuterung der Werttreiber und der Messung der Markenstärke. Die Werttreiber und die Messung von Markenproduktwert und Markenwert werden in den Abschnitten C2.2 und C2.3 näher behandelt. Die Erweiterung des Marken-Ratings einer Einzelmarke zu einem Marken-Rating für die Marke innerhalb eines Markenportfolios wird in Abschnitt C2.4 vorgenommen. 2 Kriterien des Marken-Ratings 2.1 Markenstärke 2.1.1 Werttreiber der Markenstärke 2.1.1.1 Grundprinzip Der Überblick über die marketingorientierten Verfahren sowie die Kombinationsverfahren in den Abschnitten B3.2.3 und B3.2.4 hat deutlich gemacht, dass in den bestehenden Verfahren eine Vielzahl von Werttreibern der Markenstärke verwendet wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie für das Marken-Rating die Werttreiber der Markenstärke zu definieren sind. Als erster Anhaltspunkt hierfür soll auf empirische Vergleichsstudien zu Werttreibern der Markenstärke bzw. des Markenwerts Bezug genommen werden. Im Rahmen dieser Studien wurden die statistischen Zusammenhänge zwischen verschiedenen nicht-finanziellen und finanziellen Werttreibern der Marke ermittelt.300 Der Grad der Korrelation zwischen den einzelnen Größen soll etwas darüber aussagen, wie konsistent bzw. „austauschbar“ die Werttreiber der Marke sind. Abbildung C-5 gibt einen Überblick über die Methodik der durchgeführten empirischen Untersuchungen und deren Ergebnisse: 299 300 94 Diese Größen werden auch in den bestehenden Verfahren der Markenbewertung nicht explizit abgebildet. Für die Identifizierung von Werttreibern der Markenstärke sind nur die nicht-finanziellen Größen relevant, da die finanziellen Werttreiber in der Finanzperspektive erfasst werden. Dies schränkt jedoch die Aussagekraft der empirischen Untersuchungen für die hier interessierende Fragestellung nicht ein. Autor(en) Francois/ 301 MacLachlan Untersuchungsdesign Betrachtete Werttreiber Ergebnis Befragung von Markenqualitätseinschätzung ungestützte Hochsignifikante, Kunden eines Markenbekanntheit, gestützte Markenbekanntheit, stark positive belgischen Käuferreichweite, Marken-Kaufabsicht, Marken- Zusammenhänge Supermarkts; treue, Teilnutzen der Marke, Preis-Premium, zwischen fast bezieht sich auf Marken-Wahlanteil, Summe der Werbeausgaben allen Werttreibern 27 Marken je Marke zwischen 1980 und 1992, Marktpreis im Erhebungszeitraum Agarwal/ Rao 302 Befragung von ungestützte Markenbekanntheit, Markenverwen- Hochsignifikante, Marketingstuden- dung, Markeneinstellung, wahrgenommenes Preis- stark positive ten einer US- Leistungsverhältnis der Marke, Markenqualitäts- Zusammenhänge amerikanischen einschätzung, allgemeine Markeneinschätzung, zwischen fast Universität; Teilnutzen der Marke, indirekt abgefragtes Preis- allen Werttreibern bezieht sich auf Premium, Marken-Wahlanteil/Kaufabsicht (direkt 13 nationale und indirekt abgefragt), Markenverwendung in Schokoladen- der Vergangenheit marken 303 Mackay 304 Frahm weiterführende weitgehend identisch mit Agarwal/Rao Nichtsignifikante Replikationsstudie Zusammenhänge zu Agarwal/Rao; und schwach bezieht sich auf positive Korrela- Tankstellen- tionen zwischen marken den Werttreibern Befragung von Marktanteil, Marktpreis, gewichtete Distributi- Hochsignifikante, bevölkerungs- onsquote, Wiederkaufrate, Käuferreichweite, stark positive repräsentativer Bedarfsdeckung, Markenkraft des GfK- Zusammenhänge Stichprobe; be- Markensimulators, gestützte Markenbekanntheit, zwischen fast zieht sich auf Vorhandensein im Relevant Set, Markentreue, allen Werttreibern Röstkaffe und zuletzt gekaufte Marke, Brand Potential Index der Tafelschokolade GfK, Preis-Premium, Marken-Wahlanteile, Durchschnittliche Markenpräferenz, Teilnutzen der Marke sowie Kombinationen zwischen Werttreibern Abbildung C-5: 301 302 303 304 Untersuchungen zu den statistischen Zusammenhängen zwischen Werttreibern der Marke Vgl. Francois/MacLachlan (1995), S. 321-332. Vgl. Agarwal/Rao (1996), S. 237-247. Vgl. Mackay (2001), S. 38-51. Vgl. Frahm (2004), S. 173-277. 95 Mit der Ausnahme der Untersuchung von Mackay zeigen die Studien signifikante Zusammenhänge und positive bis stark positive Korrelationen zwischen den einzelnen Werttreibern.305 Diese Resultate können dahingehend interpretiert werden, „daß viele Indikatoren im Hinblick auf eine Markenwertmessung weitestgehend gleichermaßen gut geeignet sind.“306 Frahm schlägt vor diesem Hintergrund vor, möglichst leicht und kostengünstig zu erhebende Indikatoren für die Messung der Markenstärke heranzuziehen.307 Eine leichte Erhebbarkeit der Werttreiber soll in dieser Arbeit gleichsam als Nebenbedingung beachtet werden. Primär soll jedoch die Bestimmung der Werttreiber mit der Zielsetzung erfolgen, die aus einer konzeptionellen Ebene relevanten Facetten der Stärke der Marke abzubilden. Dies steht in Einklang mit Walser, der aus den Studien eine etwa skeptischere Schlussfolgerung zieht: „The amount of correlation among the different measures is ‘high’ enough to conclude that they measure the same thing, but ‘low’ enough to note that they measure different aspects of that thing.”308 Als Ausgangspunkt hierfür soll der von Kotler entwickelte Bezugsrahmen zur Bestimmung der Einflussfaktoren der Marketing-Strategie dienen:309 Demographisches/ wirtschaftliches Umfeld Zulieferer Politisches/ gesetzliches Umfeld Abbildung C-6: 305 306 307 308 309 96 Handel Konsumenten Technologisches/ physikalisches Umfeld Öffentlichkeit Wettbewerber Soziales/ kulturelles Umfeld Einflussfaktoren der Marketing-Strategie Der Aussagegehalt bzw. die Verallgemeinerbarkeit der Studie von Mackay ist allerdings aufgrund der Spezifika der Untersuchung als kritisch zu betrachten. Vgl. Frahm (2004), S. 178. Frahm (2004), S. 282. Vgl. Frahm (2004), S. 282 f. Walser (2004), S. 126. Walser konnte allerdings auf die von Frahm durchgeführte und bislang umfangreichste Untersuchung noch nicht zurückgreifen. Vgl. Kotler (2003), S. 115. Im Mittelpunkt der Abbildung stehen die Konsumenten. Diese stellen den zentralen Bezugspunkt für die Marketing-Strategie dar und entsprechen auch den primären Adressaten der Marke. Aus diesem Grund müssen konsumentenbezogene Werttreiber bei der Messung der Markenstärke eine zentrale Rolle einnehmen. Die Beziehung zwischen Marke und Konsumenten vollzieht sich freilich in einem Umfeld, das durch die weiteren Marktteilnehmer sowie gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Faktoren geprägt ist. Zur Messung der Markenstärke muss daher auch auf die relative Stärke von Unternehmen und Marke im Vergleich zu den weiteren Marktteilnehmern sowie auf den Einfluss der Branche auf die Erfolgschancen der Marke eingegangen werden. Mithin sind die konsumentenorientierten Werttreiber um marktorientierte Werttreiber zu ergänzen.310 Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die konsumenten- und marktbezogenen Werttreiber des Marken-Ratings konkretisiert. Die Konkretisierung der konsumentenbezogenen Werttreiber der Markenstärke muss „in den Köpfen der Konsumenten“311 ansetzen. Hierfür wird auf ein Modell zur Strukturierung und Operationalisierung der Einstellungen und des Wissens der Konsumenten zu Marken zurückgegriffen. Diese Systematik erscheint für die hier vorliegende Zielsetzung geeignet, da es die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den einzelnen Größen veranschaulicht und durch empirische Untersuchungen gestützt ist:312 Markenbekanntheit Markenzufriedenheit Markensympathie Markenimage Abbildung C-7: 310 311 312 Markenloyalität Markenvertrauen Markenbindung Modell zur Strukturierung der Einstellungen und des Wissens der Konsumenten zu Marken Vgl. zu der Forderung nach gleichzeitiger Betrachtung von konsumenten- und marktorientierten Indikatoren für die Markenbewertung Mussler/Mussler (1995), S. 186. Esch (2003), S. 514. Vgl. Esch/Geus/Langner (2002), S. 475. 97 Ausgangspunkt der Analyse ist das Konstrukt der Markenbekanntheit. Die Markenbekanntheit stellt die Voraussetzung dafür dar, dass die Konsumenten Assoziationen mit der Marke bilden können.313 Alleine aufgrund von Bekanntheit entwickeln sich bereits in gewissem Maße Sympathie und Vertrauen zu der Marke.314 Die Markensympathie nimmt hierbei eine wichtige Zwischenrolle zwischen Markenbekanntheit und Markenimage ein. Das Markenimage umfasst die Assoziationen der Konsumenten mit der Marke. Diese können entweder kognitiv oder emotional geprägt sein. Das Markenvertrauen beschreibt das Ausmaß, in dem der Konsument sich auf die Marke verlässt. Als Einflussgrößen auf das Markenvertrauen gelten vor allem Markenbekanntheit und Markenimage, aber auch die Markenzufriedenheit.315 Markenzufriedenheit ist das Ergebnis des Vergleichs der Erfahrungen mit der Marke und den subjektiven Erwartungen.316 Diese Einschätzung ist stark subjektiv geprägt und durch das Markenimage beeinflusst. Des Weiteren kommt den Größen Markenloyalität und Markenbindung eine wichtige Bedeutung zu.317 Die Markenloyalität wird daran festgemacht, dass ein Konsument häufig die gleiche Marke kauft, andere Marken kaum verwendet und aktive Mund zu Mund Propaganda für die Marke betreibt. Die Markenloyalität kann allerdings neben einer hohen Zufriedenheit mit der Marke auch beispielsweise auch auf einem Mangel an Alternativen basieren. Aus diesem Grund ist zwischen der Einstellungs- und der Verhaltensdimension der Markenloyalität zu differenzieren.318 Die emotionale Bindung des Konsumenten zur Marke wird über das Konstrukt der Markenbindung erfasst. Konsumenten können eine hohe Markenbindung auch gegenüber Marken aufweisen, die sie noch nie gekauft haben.319 Innerhalb dieser Systematik können Markenbekanntheit und Markenimage als die zentralen Größen betrachtet werden.320 So gilt die Markenbekanntheit als notwendige und das Markenimage als hinreichende Bedingung für den Erfolg einer Marke.321 313 Vgl. Keller (1998), S. 92. Vgl. Aaker (1991), S. 65. 315 Vgl. Esch (2003), S. 79. 316 Vgl. Esch (2003), S. 79. 317 Vgl. Aaker (1991), S. 34-55; Baldinger/Rubinson ( 1996), S. 22. 318 Vgl. Chaudhuri/Holbrook (2001), S. 83. 319 Beispielsweise verfügen viele Menschen über eine hohe Markenbindung gegenüber der Marke Ferrari, nur ein Bruchteil von ihnen sind aber tatsächlich Käufer der Marke. 320 Vgl. Keller (1998), S. 94; Esch (2003), S. 77. 321 Vgl. Esch (2003), S. 71 u. S. 75. 314 98 Die Bedeutung der Markenbekanntheit beruht erstens darauf, dass sie in engem Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit steht, dass die Marke bei der Kaufentscheidung in den „consideration set“ der Konsumenten aufgenommen wird.322 Zweitens kann bei Marken, die in die engere Wahl kommen, die Bekanntheit der Marke den Ausschlag für die Kaufentscheidung geben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das persönliche Interesse der Konsumenten an dem Produkt gering ist oder wenn die Konsumenten keine tiefere Kenntnis der Produkt- oder Dienstleistungskategorie besitzen.323 Drittens steht die in Abschnitt B1.2 beschriebene Funktion der Marke als Qualitätssignal in engem Zusammenhang mit dem Grad der Markenbekanntheit. Konsumenten gehen oftmals davon aus, dass Marken mit einer hohen Bekanntheit erfolgreich, traditionsreich, weit verbreitet und damit vertrauenswürdig sind.324 Viertens erleichtert die Bekanntheit der Marke den Aufbau von Assoziationen bei den Konsumenten.325 Die Bedeutung des Markenimages basiert erstens auf der Möglichkeit, über das Image eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb zu erzielen.326 In vielen Branchen der heutigen Wirtschaftswelt bilden Marken eine der wenigen Möglichkeiten, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Zweitens kann das Markenimage beispielsweise über die Assoziationen von Qualität den konkreten Grund der Entscheidung für ein Produkt darstellen.327 Drittens können mittels des Images und der Assoziationen der Marke Gefühle bei den Konsumenten erweckt und eine „Magie der Marke“328 geschaffen werden. Als Zwischenfazit kann daher festgehalten werden, dass im Rahmen des MarkenRatings als konsumentenorientierte Werttreiber die beiden Größen Markenbekanntheit und Markenimage betrachtet werden.329 Die konsumentenbezogenen Werttreiber werden durch marktbezogene Werttreiber ergänzt. Der Bezugsrahmen zur Abbildung der Einflussfaktoren der Marketing-Strategie zeigt, dass die Beziehung zwischen Marke und Konsument unter dem Einfluss der weiteren Marktteilnehmer, insbesondere der Wettbewerber, stattfindet. Die relative Stärke der Marke im Wettbewerb soll in dieser Arbeit über die Kenngröße Wettbewerbsposi322 Vgl. Nedungadi (1990), S. 263-276; Aaker (1991), S. 66 f. Vgl. Hoyer/Brown (1990), S. 147. 324 Vgl. Aaker (1991), S. 65. 325 Vgl. Keller (1998), S. 92. 326 Vgl. Aaker (1991), S. 111. 327 Vg. Aaker (1991), S. 112. 328 Biel (2000), S. 71. 329 Die anderen Größen werden allerdings nicht vernachlässigt, da sie letztlich Komponenten bzw. Einflussgrößen von Bekanntheit und Image der Marke darstellen und daher gleichsam indirekt berücksichtigt werden. 323 99 tion festgemacht werden. An dieser Stelle könnte kritisch eingewendet werden, dass die konsumentenbezogenen Werttreiber bereits auch als Maß für die Stärke der Marke im Wettbewerb betrachtet werden können. Insofern stellt sich die Frage, ob eine Überschneidung der Werttreiber bzw. eine Doppelerfassung vorliegt.330 Die Begründung für das in dieser Arbeit gewählte Vorgehen basiert auf zwei Aspekten. Zum einen soll auf die Untersuchungen des PIMS-Programms Bezug genommen werden. Zielsetzung des PIMS-Forschungsprogramms ist es, herauszufinden, wie sich strategische Schlüsseldimensionen auf Rentabilität und Unternehmenswachstum, mithin die Determinanten für Wertsteigerung, auswirken.331 Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde insbesondere die Rolle des Marktanteils für den Erfolg von Unternehmen untersucht.332 Dabei konnte eine sehr enge Beziehung zwischen Marktanteil und Rentabilität nachgewiesen werden. Dieser Zusammenhang ist bei marketingintensiven Branchen wesentlich stärker ausgeprägt als bei fertigungsintensiven Geschäften:333 F&E- und Marketingintensive Geschäfte 40% 40% 35% 35% 30% 30% 25% 25% ROI ROI Fertigungsintensive Geschäfte 20% 15% 10% 10% 5% 5% 0% 0% 5 oder schlechter 4 3 Marktanteils-Rang Abbildung C-8: 330 331 332 333 20% 15% 2 1 5 oder schlechter 4 3 2 1 Marktanteils-Rang Zusammenhang zwischen Marktanteilsrang und Return on Investment für F&E- und marketingintensive Geschäfte Die Existenz von Überschneidungen zwischen den Indikatoren der Markenstärke stellt einen häufig geäußerten Kritikpunkt an Kombinationsverfahren dar. Vgl. hierzu beispielsweise die Kritik am Ansatz von Interbrand bei Bekmeier-Feuerhahn (1998), S. 80 oder Frahm (2004), S. 126. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. XI. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 63-88. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 85. Dieser Effekt wird damit begründet, dass Marktführer oftmals Wettbewerbsstrategien verfolgen, die auf eine Verbesserung und Innovation von Produkten und Dienstleistungen ausgerichtet sind. Aufgrund dieser Strategien fallen zwar relativ höhere F&E- und Marketingaufwendungen als bei den Konkurrenten an, dies wird allerdings durch Größeneffekte kompensiert. Im Ergebnis unterscheiden sich die Quoten von Marketingaufwendungen zu Umsatz für Marktführer und Unternehmen mit kleineren Marktanteilen nur unwesentlich. Der Effekt auf die Rentabilität resultiert daher nicht aus Kostenvorteilen, sondern aus der überlegenen Qualität der Marktführer, die sich in höheren Preisen bzw. höheren Absatzmengen niederschlägt. 100 Unternehmen können in der Sichtweise dieser Arbeit letztlich als Kombinationen von Markenprodukt-/Markenkombinationen betrachtet werden. Der Zusammenhang zwischen Marktanteil und Rendite gilt dementsprechend auch auf der Ebene der Markenprodukt-/Markenkombination bzw. der Marke. Aufgrund der zentralen Rolle des Marktanteils für den Markenerfolg soll deshalb der Marktanteil der Marke als eigenständiger Werttreiber betrachtet werden.334 Das zweite Argument für die explizite Abbildung der Wettbewerbsposition über den Marktanteil greift auf die Untersuchungen zu der Korrelation der einzelnen Werttreiber zurück. Wenn die einzelnen Indikatoren – zumindest zu einem gewissen Grad – austauschbar sind, sind Überschneidungen zwischen den Größen im Rahmen von Indikatoren-Modellen fast unvermeidlich. Aus diesem Grund erscheinen mögliche methodische Bedenken gegen die Verwendung der Wettbewerbsposition als Werttreiber der Markenstärke als unbedenklich. Die bislang betrachteten Größen Markenbekanntheit, Markenimage und Wettbewerbsposition der Marke vermitteln eine Aussage über die Stellung der Marke gegenüber Konsumenten und Wettbewerb. Allerdings sind damit die Erfolgsaussichten der Marke noch nicht vollständig bestimmt: „Neither a strong company operating in an unattractive market nor a weak company operating in an attractive market will do very well.”335 Das Zitat von Kotler macht deutlich, dass nicht nur die Position der Marke innerhalb der Branche, sondern auch die strukturellen Gegebenheiten der Branche selbst zu berücksichtigen sind. Als zweiter marktbezogener Werttreiber der Markenstärke wird daher die Branchenattraktivität betrachtet. Zusammengefasst wird die Markenstärke und damit die Marketing-Perspektive des Marken-Ratings über folgende vier Werttreiber abgebildet: 334 335 Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 68. Kotler (2003), S. 97. 101 Marketing-Perspektive Markenbekanntheit Markenimage Wettbewerbsposition Branchenattraktivität Markenstärke Rating der Marke Abbildung C-9: Werttreiber der Markenstärke Die Ausprägungen der Werttreiber werden gemessen und ihnen ein Punktwert auf der fünfstufigen Rating-Skala zugewiesen. Die Punktwerte der Werttreiber auf der RatingSkala werden dann zu einem Punktwert für die Markenstärke zusammengeführt. Nach der Erläuterung der Ableitung der Werttreiber der Markenstärke erfolgt in den folgenden Abschnitten die Darstellung der Konzeptualisierung und Operationalisierung der einzelnen Werttreiber der Markenstärke. Hierbei wird auch darauf eingegangen werden, wie die Einstufung der Werttreiber auf der fünfstufigen Rating-Skala vorgenommen werden kann. 2.1.1.2 Markenbekanntheit Die Markenbekanntheit stellt in dieser Arbeit neben dem Markenimage den zentralen konsumentenbezogenen Werttreiber der Markenstärke dar. Im Folgenden werden zunächst kurz die Dimensionen der Markenbekanntheit dargestellt. Hiermit soll das Verständnis für die Erläuterung der Operationalisierung der Markenbekanntheit geschaffen werden. Im dritten Schritt wird erläutert, wie die Transformation der Messergebnisse in einen Punktwert auf der Rating-Skala erfolgen kann. Die theoretischen Überlegungen können abschließend am Fallbeispiel BRAND veranschaulicht werden. 102 Dimensionen der Markenbekanntheit Die Beschäftigung mit Aspekten der Wiedererkennung bzw. Bekanntheit hat eine lange Tradition in der Marketing-Literatur. Ausgehend von der Untersuchung der grundsätzlichen Rolle für die Entscheidungsbildung von Konsumenten wurde sie in der Folge spezifisch im Zusammenhang mit der Wahlentscheidung für Marken behandelt.336 Seit Beginn der 90er Jahre wird die Markenbekanntheit explizit als Einflussgröße auf den Markenwert diskutiert.337 Als Dimensionen der Markenbekanntheit sind die Tiefe und die Breite der Markenbekanntheit zu unterscheiden.338 Die Tiefe der Markenbekanntheit wird bestimmt durch die Leichtigkeit, mit der sich die Konsumenten an die Marken erinnern: „The depth of brand awareness concerns the likelihood that a brand element will come to mind and the ease with which it does so.“339 Ein klassisches Instrument zur Beschreibung der Tiefe der Markenbekanntheit stellt die Markenbekanntheitspyramide von Aaker dar:340 Top-of-MindBekanntheit aktive Markenbekanntheit (recall) passive Markenbekanntheit (recognition) Marke ist unbekannt Abbildung C-10: Markenbekanntheitspyramide Eine Top of Mind-Bekanntheit weisen die Marken auf, die von den Konsumenten als erstes innerhalb einer Produktkategorie genannt werden. Die weiteren Marken der Pro336 Vgl. Lavidge/Steiner (1961), S. 59-62, Steffenhagen (1976), S. 715-734; Lynch/Scrull (1982), S. 18-37; Hoyer/Brown (1990), S. 141-148. 337 Die Diskussion der Rolle der Markenbekanntheit für den Markenwert wurde wesentlich von Aaker und Keller geprägt. Vgl. Aaker (1991), S. 56-77; Keller (1993), S. 3. 338 Vgl. Keller (1998), S. 88. 339 Keller (1998), S. 88. 340 Vgl. Aaker (1991), S. 62. 103 duktkategorie, die erinnert werden, sind durch eine aktive Markenbekanntheit gekennzeichnet. Marken dagegen, die nur mit Hilfe einer Unterstützung von den Konsumenten wieder erkannt werden, verfügen über eine passive Markenbekanntheit. Die unterste Stufe der Bekanntheit wird durch die Nicht-Erkennung der Marke repräsentiert. Die zweite wesentliche Dimension stellt die Breite der Markenbekanntheit dar. Während die Tiefe der Markenbekanntheit etwas darüber aussagt, wie leicht sich der Konsument an eine spezifische Marke erinnert, steht die Breite der Markenbekanntheit im Zusammenhang mit der Frage, in welchen Kauf- und Verwendungssituationen der Konsument die spezifische Marke als relevant erachtet: „The breadth of brand awareness concerns the range of purchase and usage situations where the brand element comes to mind.“341 Die Breite der Markenbekanntheit hängt eng mit der Organisation des Marken- und Produktwissens im Gedächtnis der Konsumenten zusammen und determiniert, auf welcher Ebene der Hierarchie die Marke in die Entscheidung des Konsumenten einbezogen wird.342 Operationalisierung der Markenbekanntheit Das Verständnis von Tiefe und Breite als Dimensionen der Markenbekanntheit ist die Grundlage für eine zweckmäßige Operationalisierung der Markenbekanntheit im Rahmen des Marken-Ratings. Hierbei determiniert die Tiefe der Markenbekanntheit die Art des gewählten Verfahrens; es werden üblicherweise Verfahren zur Messung der passiven Markenbekanntheit (Recognitiontests) und Verfahren zur Messung der aktiven Markenbekanntheit (Recalltests) unterschieden. Die Breite der Markenbekanntheit dagegen besitzt einen Einfluss auf die Ausgestaltung des Verfahrens. Zur Messung der passiven Markenbekanntheit werden Recognitiontests herangezogen.343 Die Aufgabe für die Versuchsteilnehmer besteht hierbei darin, die Marke als bekannt zu identifizieren. Bei einer typischen Versuchsanordnung erhält der Versuchsteilnehmer eine Liste von Markennamen der zu betrachtenden Produktkategorie. Zur Kontrolle der Antworten können hierbei neben tatsächlich existierenden Marken 341 Keller (1998), S. 88. Bei einem Konsumenten, der allgemein bei nicht-alkoholischen Getränken an die Marke Fanta denkt, ist die Marke durch eine größere Breite gekennzeichnet als bei einem Konsumenten, für den Fanta lediglich in der Kategorie Soft Drinks relevant ist. Je größer die Breite der Marke, desto größer die Anzahl unterschiedlicher Verwendungssituationen, in denen die Marke potentiell gekauft werden kann und desto größer die Markenstärke. Zur Kategorisierung von Produkten im Gedächtnis von Konsumenten vgl. grundlegend Sujan/Dekleva (1987), S. 372-378. 343 Vgl. zum Folgenden Keller (1998), S. 326-329. 342 104 auch fiktive Marken aufgeführt werden. Anhand dieser Liste wird ihm eine Frage nach den ihm bekannten Marken gestellt. Die Messung der aktiven Markenbekanntheit erfolgt auf der Grundlage von Recalltests.344 Im Gegensatz zu den Verfahren zur Messung der passiven Markenbekanntheit wird den Versuchsteilnehmern die Marke nicht vorgelegt. Die Erinnerung muss damit ohne eine Unterstützung erfolgen.345 Bei der Messung der aktiven Markenbekanntheit ist die Dimension der Breite der Markenbekanntheit zu beachten. So kann beispielsweise den Konsumenten die Frage nach den von ihnen erinnerten Marken im Automobilbereich gestellt werden. Alternativ könnten aber auch engere Produktkategorien wie Sportwagen oder sogar italienische Sportwagen vorgegeben werden. Je enger die Produktkategorie, desto leichter ist es für den Versuchsteilnehmer, sich an eine spezifische Marke aktiv zu erinnern. Eine umfassende Analyse erfordert die Messung der aktiven Markenbekanntheit in Bezug auf verschiedene mögliche Kauf- oder Verwendungssituationen der Marke. Im Rahmen der Operationalisierung ist darüber hinaus die grundsätzliche Frage zu klären, welches Verfahren angewendet bzw. welche Art der Markenbekanntheit gemessen werden soll. Passive und aktive Markenbekanntheit unterschieden sich durch die Präsenz der Marke. Vor diesem Hintergrund kann die Festlegung in Abhängigkeit des Orts der Kaufentscheidung getroffen werden.346 Es ist davon auszugehen, dass die passive Markenbekanntheit bedeutsamer ist, wenn die jeweilige Marke beim Kaufentscheidungsprozess physisch gegenwärtig bzw. zumindest – wie etwa in einem Katalog – sichtbar ist. Fallen allerdings Point-of-Sale und der Ort der Kaufentscheidung auseinander, ist die aktive Markenbekanntheit von größerer Relevanz. Sollte eine gleichzeitige Messung von aktiver und passiver Markenbekanntheit nicht möglich sein, kann mithin in Abhängigkeit des Orts der Kaufentscheidung eine Beschränkung auf eines der beiden Messverfahren vorgenommen werden. 344 345 346 Vgl. zum Folgenden Keller (1998), S. 329-332. Differenziertere Messungen erfassen nicht nur die reine Nennung, sondern auch die Reihenfolge der Nennungen. Dadurch ist es möglich, zwischen verschiedenen Abstufungen der aktiven Erinnerung zu unterscheiden. Vgl. Keller (1998), S. 88; Walser (2004), S. 82. 105 Nachfolgende Abbildung stellt die verschiedenen Aspekte der Operationalisierung der Markenbekanntheit im Rahmen des Marken-Ratings noch einmal zusammen: Kaufentscheidung am Point-of-Sale Kaufentscheidung nicht am Point-of-Sale Dimensionen Passive Markenbekanntheit Aktive Markenbekanntheit Verfahren zur Recognitiontest Recalltest Typische „Welche der dargestellten Marken- „Welche Automobilmarke fällt Fragestellungen namen sind Ihnen bekannt? Bitte Ihnen spontan ein?“ Operationalisierung kreuzen Sie diejenigen Marken an, die Sie kennen.“ Ergebnis der Prozentsatz der Wiedererkennung Prozentsatz der aktiven Erinnerung Operationalisierung der Marke der Marke Abbildung C-11: Operationalisierung der Markenbekanntheit in Abhängigkeit des Orts der Kaufentscheidung Nach der Darstellung der konzeptionellen Grundlagen und der Operationalisierung der Markenbekanntheit ist im letzten Schritt noch auf die Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala einzugehen. Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala Eine Möglichkeit der Überführung des Ergebnisses der Operationalisierung der Markenbekanntheit in einen Punktwert auf der Rating-Skala könnte in der direkten Transformation der Messergebnisse auf Basis eines gleichsam allgemein gültigen Schemas bestehen.347 In diesem Fall wäre mit dem weitgehend objektiv ermittelbaren Prozentsatz der passiven bzw. aktiven Markenbekanntheit gleichzeitig auch der Punktwert auf der Rating-Skala festgelegt. Dieses Vorgehen ist allerdings mit Schwierigkeiten verbunden. So ist erstens die Ausprägung der Höhe der Markenbekanntheit sehr stark davon abhängig, zu welchen Zeitpunkt die Messung durchgeführt wurde. Beispielsweise ergeben sich für Unternehmen während oder kurz nach der Durchführung einer Werbekampagne höhere Bekanntheitswerte als mit einem gewissen zeitlichen Abstand zu den Werbekampagnen. Zweitens hängt der Wert der Markenbekanntheit von der Zusam347 Dies würde dem Grundgedanken eines quantitativen Ratingsystems entsprechen. Zur Abgrenzung von qualitativen und quantitativen Ratingsystemen vgl. Abschnitt B4.2. 106 mensetzung der Versuchsteilnehmer bei der Operationalisierung der Markenbekanntheit ab. Zwar sollte die Markenbekanntheit grundsätzlich an der relevanten Zielgruppe gemessen werden, allerdings kann selbst unter dieser Vorgabe die Abgrenzung der Versuchsteilnehmer unterschiedlich erfolgen, da viele Marken nicht nur von einer einzelnen Zielgruppe verwendet werden.348 Drittens weisen etablierte Marken – ungeachtet ihrer „tatsächlichen“ Markenstärke – oftmals Werte für die Markenbekanntheit von über 90% auf.349 Eine mathematische Zuordnungsregel müsste gerade im hohen Prozentbereich sehr fein sein, um Differenzen zwischen den Marken überhaupt erfassen zu können. Vor diesem Hintergrund soll für das Marken-Rating nicht der Versuch unternommen werden, eine quantitative, allgemein gültige Zuordnung von Werten der Markenbekanntheit zu Punkten auf der Rating-Skala zu entwickeln. Vielmehr wird vorgeschlagen, auf Grundlage der Operationalisierung der Markenbekanntheit eine qualitative Einschätzung der Stärke der Marke vorzunehmen. Im Rahmen dieser qualitativen Interpretation sind drei grundlegende Faktoren zu berücksichtigen. Erstens müssen die oben dargestellten, die Vergleichbarkeit von Messungen beeinträchtigenden Faktoren in die Evaluation einbezogen werden. Daneben ist zweitens auch der zeitliche Vergleich der Ausprägungen der Markenbekanntheit von Bedeutung. Die Betrachtung des zeitlichen Verlaufs der Markenbekanntheit ermöglicht eine bessere Einschätzung der aktuellen Werte. Als weitere Referenzgröße können drittens auch die Ausprägungen der Markenbekanntheit bei den relevanten Wettbewerbern betrachtet werden. Auf dieser Grundlage kann eine Transformation des Ergebnisses der Operationalisierung in einen Wert auf der Rating-Skala vorgenommen werden. Die Rating-Skala besteht hierbei aus fünf Stufen. Ein Wert von 1 entspricht der schlechtesten, ein Wert von 5 der besten Bewertung. Ergebnis der Transformation ist mithin ein Punktwert auf der Rating-Skala zwischen 1 und 5: 348 Beispielsweise kann die primäre Zielgruppe einer Marke die Gruppe der 14-28-jährigen darstellen, die Marke aber zusätzlich auch von 29-35-jährigen Konsumenten gekauft werden. Die Werte für die Markenbekanntheit werden unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob für die Messung der Markenbekanntheit ausschließlich die 14-28-jährigen oder ob auch die 29-35-jährigen Konsumenten einbezogen werden. 349 Vgl. Tolle/Steffenhagen (1994), S. 380. 107 1 Prozentsatz für Markenbekantheit Qualitative Einschätzung “Störfaktoren” bei Messung Zeitlicher Vergleich 2 3 sehr schlecht durchschlecht schnittlich 4 5 gut sehr gut Benchmarking mit Wettbewerb Abbildung C-12: Transformation des Messergebnisses der Markenbekanntheit in einen Wert auf der Rating-Skala Zur Veranschaulichung der Darstellungen wird für die Markenbekanntheit ebenso wie für die anderen Werttreiber der Markenstärke das Fallbeispiel der Marke Top Ice aufgegriffen. Für Top Ice wurde annahmegemäß 6 Monate nach der Markteinführung im Juni 2001 eine erste Messung der passiven Markenbekanntheit vorgenommen. Seitdem wird jeweils zu Beginn des Jahres eine Messung der aktiven und passiven Markenbekanntheit durchgeführt. Bei den letzten beiden Erhebungen wurden zusätzlich auch die aktive und passive Markenbekanntheit der wichtigsten Wettbewerbsmarken erfasst: 2001 Aktive Markenbekanntheit Top Ice Marke A Marke B Marke C Passive Markenbekanntheit Top Ice Marke A Marke B Marke C 34% 2002 2003 2004 23% 28% 56% 43% 29% 32% 57% 40% 34% 49% 58% 87% 69% 56% 60% 89% 67% 59% Grundsätzlich zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg der Werte für die aktive und passive Markenbekanntheit von Top Ice. Die Wettbewerbsmarke A ist bereits seit Jahrzehnten am Markt eingeführt und genießt daher eine sehr hohe passive Bekanntheit. Für die Marke B wurden in den letzten Jahren im Rahmen eines Programms zur Steigerung der Profitabilität die Werbeaufwendungen deutlich eingeschränkt. Trotzdem gingen die Werte für die passive Markenbekanntheit nur leicht zurück; die Marke B profitiert von ihrer langen Tradition. Wettbewerbsmarke C wurde zeitgleich mit B am Markt eingeführt und erreichte für die Jahre 2003 und 2004 ähnliche Werte für die passive Markenbekanntheit wie Top Ice. 108 Für die aktive Markenbekanntheit stellen sich die Entwicklungen ähnlich dar. Allerdings ist hier noch ein größerer Abstand zwischen den neu eingeführten Marken Top Ice und C sowie den Traditionsmarken A und B zu beobachten. Vor diesem Hintergrund wird die Markenbekanntheit von Top Ice im Rahmen des Ratings als ein durchschnittlicher Wert eingestuft. Dies entspricht einem Punktwert auf der Rating-Skala von 3. 2.1.1.3 Markenimage Das Image der Marke stellt neben der Markenbekanntheit den zweiten zentralen Werttreiber der Markenstärke bei den Konsumenten dar. Auch hier wird zunächst auf die die Dimensionen des Images eingegangen, bevor die Operationalisierung des Markenimages und die Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala dargestellt werden. Abschließend erfolgt die Anwendung im Rahmen des Fallbeispiels BRAND. Dimensionen des Markenimages Aus einer konzeptionellen Perspektive kann das Markenimage definiert werden als „perceptions about a brand as reflected by the brand associations held in consumer memory.”350 Das Markenimage wird mithin durch eine Vielzahl von Assoziationen mit der Marke gebildet, die durch ein semantisches Netzwerk miteinander verbunden sind.351 Die Assoziationen können zum einen inhaltlich in verschiedene Arten von Assoziationen abgegrenzt werden.352 Zum anderen werden die Markenassoziationen nach ihrer Beschaffenheit in die Dimensionen Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit unterteilt:353 350 351 352 353 Keller (1993), S. 3. Ähnlich auch die Definition von Aaker: „A brand image is a set of associations, usually organized in some meaningful way.“ Aaker (1991), S. 109. Semantische Netzwerke stellen das aktuell vorherrschende Konzept zur Abbildung der Organisation von Informationen im Gedächtnis dar. Grundlegend zu semantischen Netzwerken vgl. Quillian (1972), S. 226270; Rumelhart/Lindsay/Norman (1972), S. 197-246. Zum Zusammenhang zwischen Assoziationen und Image vgl. Biel (1992), S. RC-9. Vgl. Keller (1998), S. 93. Für eine alternative Unterteilung von Assoziationen vgl. Aaker (1991), S. 114-129. Vgl. Keller (1998), S. 94. 109 Eigenschaften Arten der Markenassoziationen Stärke der Markenassoziationen Nutzen Einstellungen Markenimage Vorteilhaftigkeit der Markenassoziationen Einzigartigkeit der Markenassoziationen Abbildung C-13: Dimensionen des Markenimages Als Arten von Assoziationen mit der Marke können in Abhängigkeit ihres Abstraktionsgrads Eigenschaften (attributes), Nutzen (benefits) und Einstellungen (attitudes) unterschieden werden.354 Eigenschaften sind die beschreibenden Charakteristika, die die Konsumenten mit einem Produkt oder einer Dienstleistung verbinden. Eigenschaften können weiter in produktbezogene (product-related) und indirekt produktbezogene (non-product-related) Eigenschaften differenziert werden. Produktbezogene Eigenschaften entsprechen Produktbestandteilen oder Produktfunktionen, wie etwa die Motorleistung bei einem PKW. Zu den indirekt produktbezogenen Eigenschaften zählen Merkmale, die keinen physischen Produktbestandteil darstellen, wie etwa der Preis oder das Bild von einem typischen Benutzer. Der Nutzen einer Marke beschreibt die Gründe, warum der Konsument die Marke kauft. Als grundlegendste Form kann der auf den physischen Produkteigenschaften basierende funktionale Nutzen betrachtet werden. Ein symbolischer Nutzen ist primär auf indirekt produktbezogenen Eigenschaften begründet und erfüllt soziale und persönliche Bedürfnisse, wie Prestige oder Exklusivität. Emotionaler Nutzen entspricht den 354 Vgl. zum Folgenden Keller (1998), S. 93-102. Die Übersetzung der englischen Termini erfolgt in Anlehnung an Keller (2000b), S. 971. 110 Gefühlen und Empfindungen bei der Verwendung der Marke und kann sich sowohl auf produktbezogene als auch auf indirekt produktbezogene Eigenschaften beziehen. Einstellungen spiegeln die positive oder negative Haltung des Konsumenten gegenüber einer Marke wieder. Resultat der Einstellungen ist der Gesamteindruck der Konsumenten zu der Marke. Einstellungen sind von Bedeutung, da sie besonders eng mit dem Verhalten der Konsumenten verknüpft sind. Die Wirksamkeit der Assoziationen hängt von ihrer Beschaffenheit ab. Keller unterscheidet die Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit von Assoziationen.355 Die verschiedenen Dimensionen bauen dabei aufeinander auf. So ist die Einzigartigkeit einer Assoziation nur von Bedeutung, wenn sie auch ausreichend stark ist, dass sie von den Konsumenten wahrgenommen wird und zudem als vorteilhaft eingeschätzt wird. Die Stärke von Markenassoziationen wird beeinflusst durch die Quantität der Verarbeitung und die Qualität der Informationsverarbeitungsprozesse. Je öfter und je intensiver ein Konsument sich mit der Information bzw. der Marke beschäftigt, desto stärker entwickeln sich die damit verbundenen Assoziationen.356 Persönliche Relevanz der Information sowie die Konsistenz bei der Darbietung der Information im Zeitablauf wirken positiv auf die Stärke der Markenassoziation. Die Vorteilhaftigkeit von Markenassoziationen beruht darauf, dass die Assoziation zum einen von den Konsumenten erwünscht ist und zum anderen von dem Unternehmen objektiv erfüllt und die Erfüllung glaubwürdig über einen längeren Zeitraum vermittelt werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine Würdigung der Assoziation in Bezug auf ihre Vorteilhaftigkeit in Abhängigkeit der spezifischen Kaufsituation erfolgt. Beispielsweise kann die Farbe eines gebrauchten PKW für einen Konsumenten einen bedeutenden Faktor darstellen, während sie für den anderen bei der Kaufentscheidung vernachlässigbar ist. Als weitere Dimension tritt die Einzigartigkeit der Markenassoziation hinzu. Der Kern der Positionierung einer Marke zielt darauf ab, die Marke in einem von dem Konsumenten als wichtig erachteten Attribut oder Nutzen einzigartig zu machen. Es geht mithin darum, eine so genannte „unique selling proposition“ für die Marke zu entwi355 356 Vgl. zum Folgenden Keller (1998), S. 102-109. Eine alternative Klassifizierung der Beschaffenheit von Assoziationen wurde von Esch (1993), S. 59 f. vorgenommen. Die stärkste Verbindung mit einer Assoziation entsteht üblicherweise auf der Grundlage einer direkten Erfahrung mit der Marke. Unmittelbar durch die Marke beeinflussbare Informationsquellen, wie die Werbung, erzeugen oftmals die schwächsten Assoziationen und sind daher am leichtesten veränderbar. 111 ckeln. Die Einzigartigkeit gegenüber dem Wettbewerb kann bzw. muss sich allerdings nicht auf alle Produkteigenschaften erstrecken. Für bestimmte Assoziationen genügt es, wenn sie als gleichwertig gegenüber konkurrierenden Marken empfunden werden. Operationalisierung des Markenimages Die Operationalisierung des Images der Marke baut auf den oben dargestellten Dimensionen des Images auf. Als Verfahren zur Messung des Markenimages lassen sich qualitative und quantitative Messverfahren unterscheiden. Qualitative Messverfahren sind durch einen geringen Strukturierungsgrad und eine Vielzahl von Antwortmöglichkeiten der Versuchteilnehmer gekennzeichnet.357 Hierzu zählt die Messung von Assoziationen über freie Assoziationsverfahren oder anhand von Projektionsverfahren. Ergebnis dieser Verfahren sind im Wesentlichen verbale Beschreibungen der Markenwahrnehmung durch die Versuchsteilnehmer. Auf dieser Grundlage können die verschiedenen Assoziationen der Konsumenten mit der Marke und erste Anhaltspunkte in Bezug auf deren Beschaffenheit gewonnen werden. Zur Konkretisierung der Ermittlung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen werden zusätzlich quantitative Messverfahren eingesetzt.358 Hierbei werden die Antwortmöglichkeiten auf einem skalierten Niveau erfasst. Numerische Auswertungen sowie zeitliche Vergleiche sind damit möglich. Die Verfahren sind unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem ob die Beschaffenheit der Attribute und Nutzen oder der Einstellungen gemessen wird. Abbildung C-14 stellt die Verfahren im Überblick dar: Verfahren zur Operationalisierung des Markenimages Quantitative Verfahren Qualitative Verfahren Messung freier Assoziationen Projektionsverfahren Messung Attribute/ Nutzen Abbildung C-14: Verfahren zur Operationalisierung des Markenimages 357 358 Vgl. Keller (1998), S. 311-323; Aaker (1991), S. 136-146. Vgl. Keller (1998), S. 334-339; Aaker (1991), S. 147-152. 112 Messung Einstellungen Im Folgenden werden die einzelnen qualitativen und quantitativen Verfahren kurz dargestellt. Zielsetzung der Messung der freien Assoziationen ist es in erster Linie, die Bandbreite möglicher Assoziationen der Marke zu identifizieren.359 Bei der Messung freier Assoziationen werden die Versuchspersonen nach allen Assoziationen befragt, die sie mit der Marke verbinden (z.B. „Was bedeutet die Marke XX für Sie?“). Durch weitere Fragen wie beispielsweise nach den Vorteilen oder Nachteilen der Marke können die Einschätzungen konkretisiert werden und ein Profil der Assoziationen der Marke erstellt werden. Amerikanische Studenten äußerten beispielsweise zu den Marken BMW und Burger King die folgenden freien Assoziationen:360 BMW • • • • • • • • German Auto High Quality High Performance Expensive Upscale/ High Class/ Classy/ Prestigious Yuppie Ultimate Driving Machine Sporty/ Fast Burger King • • • • • Fast Food Whopper Flame Broiled Have It Your Way Fatty/ Greasy/ Sloppy Burgers Abbildung C-15: Assoziationen zu den Marken BMW und Burger King Die Schwierigkeit bei der Messung freier Assoziationen kann darin bestehen, dass die Versuchsteilnehmer nicht ihre wahren Assoziationen nennen, weil sie entweder die (vermeintlichen) Erwartungen des Versuchsleiters erfüllen wollen oder trotz besten Willens auf eine direkte Frage hin nicht dazu in der Lage sind.361 Aus diesem Grund werden als Ergänzung Projektionsverfahren hinzugezogen.362 Hierbei werden die Urteile der Konsumenten über die Marke gleichsam indirekt abgefragt. Als Möglichkei359 360 361 362 Daneben liefert die Methodik auch bereits erste Anhaltspunkte zur Einschätzung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen. Wenn beispielsweise die Antwort „hohe Qualität“ durchgehend von den Konsumenten an einer der ersten Stelle genannt wird, deutet dies auf eine starke Verankerung der spezifischen Assoziation in den Vorstellungen der Konsumenten hin. Auch in Bezug auf die Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen können durch weitere Fragen, etwa nach den Vorteilen und Nachteilen der Marke oder den Unterschieden zu anderen Marken, Hinweise gewonnen werden. Vgl. Keller (1998), S. 313. Vgl. Aaker (1991), S. 136. Vgl. Keller (1998), S. 314. 113 ten hierfür existieren Ergänzungs- und Interpretationsaufgaben363 oder Vergleichsaufgaben.364 Eine detailliertere Ermittlung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen der Marke ist auf Basis der quantitativen Methoden möglich. Die Messung wird getrennt nach Attributen und Nutzen der Marke als spezifischen Markenassoziationen auf niedrigem Niveau einerseits und Einstellungen gegenüber der Marke als allgemeinen Markenassoziationen auf hohem Niveau andererseits vorgenommen. Die Attribute und Nutzen werden im Hinblick auf ihre Stärke (z.B. „Wie stark beschreiben die folgenden Produktcharakteristika die Marke XX?“) auf ihre Vorteilhaftigkeit (z.B. „Wie gut oder schlecht ist es für die Marke XX die folgenden Produktcharakteristika zu besitzen?“) und auf ihre Einzigartigkeit (z.B. „Wie einzigartig ist die Marke XX in Bezug auf die folgenden Produktcharakteristika?“) untersucht. Die Einstufung kann anhand verschiedener Skalen vorgenommen werden. Für das MarkenRating soll die Einordnung auf einer fünfstufigen Skala erfolgen. Für die Messung der Einstellung sind andere Fragestellungen erforderlich, da die Einstellung sich weniger auf einzelne Produktmerkmale bezieht, sondern vielmehr eine gesamthafte Einschätzung des Markenprodukts bzw. der Marke darstellt (z.B. „Wie vorteilhaft ist Ihre generelle Einstellung gegenüber der Marke XX?“). Entsprechend dem Vorgehen bei der Messung der Attribute und Nutzen wird die Zuordnung zu einem Wert auf der fünfstufigen Skala vorgenommen. Ergebnis des zweiten Schritts ist mithin eine Einstufung der Attribute und Nutzen sowie der Einstellung auf der fünfstufigen Skala. 363 Hierbei werden den Konsumenten beispielsweise Bilder mit Menschen vorgelegt, die bestimmte Produkte benutzen. Die Aufgabe für die Verbraucher besteht darin, leere Sprechblasen auszufüllen und die Gedanken, Worte oder Handlungen der Akteure darzustellen. Auf diese Weise geben die Konsumenten indirekt ihre eigene Einstellung gegenüber der Marke zu erkennen. 364 Bei Vergleichsaufgaben werden die Konsumenten gebeten, die Marke mit beispielsweise Menschen, Tieren oder auch anderen Marken zu vergleichen. Eine typische Frage könnte etwa wie folgt lauten: „Wenn Marke XX ein Auto wäre, welche Marke wäre es?“ 114 Die verschiedenen Aspekte der Operationalisierung des Markenimages werden durch folgende Abbildung noch einmal zusammengefasst: Dimensionen des Arten der Markenassoziationen Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzig- Markenimages artigkeit der Markenassoziationen Operationalisierung Qualitative Verfahren Quantitative Verfahren Typische Messung freier Assoziationen: Attribute und Nutzen: „Wie stark Fragestellungen „Was bedeutet die Marke XX für beschreiben die folgenden angeführten Sie?“ oder „An was denken Sie bei Produktcharakteristika die Marke der Marke XX?“ XX?“ oder „Wie gut oder schlecht ist es für die Marke XX, die folgenden Projektionsverfahren: „Wenn Produktcharakteristika zu besitzen?“ Marke XX ein Auto wäre, welche oder „Wie einzigartig ist die Marke Marke wäre es dann?“ XX in Bezug auf die folgenden Produktcharakteristika?“ Einstellungen: „Wie vorteilhaft ist Ihre generelle Einstellung gegenüber der Marke XX?“ oder „Wie schätzen Sie die Qualität der Marke XX ein?“ oder „Wie gut passt das Image der Marke XX zu Ihnen?“ Ergebnis Assoziationen mit der Marke Quantitative Einschätzung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen mit der Marke Abbildung C-16: Operationalisierung des Markenimages Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala Im letzten Schritt sind die Messungen der einzelnen Dimensionen des Markenimages in einen Punktwert für das Markenimage zu überführen. Aufgrund der Komplexität des Konstrukts des Images ist eine Zusammenführung der einzelnen quantitativen Ausprägungen beispielsweise über eine Durchschnittsbildung nicht sinnvoll. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die hier vorgestellte Vorgehensweise lediglich eine Möglichkeit zur Messung des Markenimages darstellt.365 Aus diesem Grund wird für das MarkenRating vorgeschlagen, die Messungen des Markenimages auf Basis einer qualitativen 365 Für eine Übersicht weiterer Möglichkeiten der Messung des Markenimages vgl. Esch (2003), S. 480-514. 115 Einschätzung in einen Punktwert für das Markenimage auf der fünfstufigen RatingSkala zu transformieren. Als mögliche Referenzpunkte für die Einschätzung können die Entwicklung des Markenimages im Zeitablauf sowie der Vergleich mit Wettbewerbsmarken herangezogen werden: 1 Einstufung der Dimensionen des Markenimages Qualitative Einschätzung Zeitlicher Vergleich 2 3 sehr schlecht durchschlecht schnittlich 4 gut 5 sehr gut Benchmarking mit Wettbewerb Abbildung C-17: Transformation des Messergebnisses des Markenimages in einen Wert auf der Rating-Skala Zur Veranschaulichung der Ergebnisse wird das Fallbeispiel der Marke Top Ice aufgegriffen. In den ersten beiden Jahren nach der Markteinführung von Top Ice fokussierte das Management bei der Führung der Marke Top Ice ausschließlich auf den Bekanntheitsgrad. Eine Messung des Markenimages wurde demzufolge in den Jahren von 2001 und 2002 nicht vorgenommen. Mit der Annäherung an die angestrebten Zielwerte für die Markenbekanntheit wurde auch das Markenimage stärker betrachtet. Im Jahr 2003 wurde deshalb eine erste Messung des Markenimages vorgenommen. An dieser Stelle sollen die Ergebnisse der Folgeerhebung des Jahres 2004 dargestellt werden. Im ersten Schritt wurden auf Basis von qualitativen Verfahren die Assoziationen der Konsumenten mit Top Ice ermittelt. Dabei ergaben sich die folgenden fünf zentralen Assoziationen: erfrischend, fruchtig, sportlich, süß, schmeckt gut. Diese Assoziationen wurden im zweiten Schritt im Hinblick auf ihre Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit bewertet. Hierfür wurden quantitative Messverfahren herangezogen, wobei eine Differenzierung zwischen Attributen und Nutzen sowie Einstellungen vorgenommen wurde. 116 Im Folgenden werden die Fragen und die durchschnittlichen Bewertungen der Attribute und Nutzen von Top Ice dargestellt: 1. Wie sehr sind die folgenden Beschreibungen zutreffend für die Marke Top Ice? (1 = ich stimme überhaupt nicht zu und 5 = ich stimme sehr zu): __1,4__ erfrischend __2,3__ fruchtig __2,3__ sportlich __3,5__ süß __1,8__ schmeckt gut 2. Wie gut oder schlecht ist es für die Marke Top Ice, über die folgenden Eigenschaften zu verfügen? (1 = sehr schlecht und 5 = sehr gut): __3,9__ erfrischend __2,6__ fruchtig __3,2__ sportlich __1,9__ süß __4,7__ schmeckt gut 3. Wie einzigartig ist die Marke Top Ice in Bezug auf die folgenden Eigenschaften? (1 = ich stimme überhaupt nicht zu und 5 = ich stimme sehr zu): __1,2__ erfrischend __1,1__ fruchtig __2,2__ sportlich __2,9__ süß __0,9__ schmeckt gut Parallel hierzu wurde auch eine Messung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Einstellungen zu Top Ice vorgenommen. Auf diese Weise sollte der Gesamteindruck der Konsumenten gegenüber der Marke ermittelt werden. Hierfür wurden die folgenden Fragen verwendet: 1. Wie sehr mögen Sie die Marke Top Ice? (1 = überhaupt nicht und 5 = sehr): Durchschnittswert:__3,5 2. Wie positiv sind ihre Gefühle und Einstellungen gegenüber der Marke Top Ice? Durchschnittswert:__2,9 Auf dieser Basis wurde die Einschätzung des Markenimages vorgenommen. Es zeigt sich, dass die gesamte Einstellung gegenüber Top Ice durchaus positiv ist. Grundsätzlich verfügt Top Ice auch über Assoziationen, die von den Konsumenten als vorteilhaft eingeschätzt werden. Allerdings ist es noch nicht gelungen, diese Assoziationen fest bei den Konsumenten zu verankern und sich über die Assoziationen von den Wettbewerbern zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund wird die aktuelle Ausprägung des Markenimages als schlecht betrachtet und mit dem Wert 2 auf der Rating-Skala eingestuft. 117 2.1.1.4 Wettbewerbsposition Neben den konsumentenbezogenen Werttreibern werden in dieser Arbeit auch marktbezogene Werttreiber als Komponenten der Markenstärke herangezogen. Als erster marktbezogener Werttreiber wird die Wettbewerbsposition der Marke betrachtet. Da die Wettbewerbsposition im Rahmen des Marken-Ratings direkt am Marktanteil festgemacht wird, kann im Folgenden gleich auf Aspekte der Operationalisierung der Wettbewerbsposition eingegangen werden.366 Operationalisierung der Wettbewerbsposition Die Operationalisierung der Wettbewerbsposition erfolgt im Rahmen des MarkenRatings über die drei Größen absoluter Markanteil, Marktanteilsrang und relativer Marktanteil.367 Der absolute Marktanteil setzt das Absatzvolumen der betrachteten Marke in das Verhältnis zu dem Gesamtabsatz in dem Markt.368 Der Markt ist gemäß dem Konzept des „bedienten Marktes“ abzugrenzen als der Teil des Gesamtmarkts, für den das Unternehmen ein passendes Produkt anbietet und durch Marketingmaßnahmen unterstützt.369 Auf diese Weise kann auch für Nischenanbieter der relevante Markt definiert und auf dieser Basis ein aussagekräftiger Marktanteil gemessen werden. Die Bestimmung der Größe Marktanteilsrang ergänzt die Betrachtung des absoluten Marktanteils. Auf einem stark fragmentierten Markt kann ein absoluter Marktanteil von 15% die Marktführerschaft bedeuten, während ein solcher Marktanteil auf einem konzentrierten Markt beispielsweise mit dem dritten oder vierten Rangplatz gleichgesetzt werden kann. Mit Hilfe des Marktanteilsrangs lassen sich mithin auch Marken auf Märkten mit einem unterschiedlichen Konzentrationsgrad miteinander vergleichen. Eine weitere Verfeinerung wird durch die Kenngröße relativer Marktanteil vorgenommen. Hierbei wird der eigene Marktanteil der Marke in das Verhältnis zu den ku- 366 367 368 369 Es erfolgt mithin keine Diskussion der Dimensionen der Größe wie etwa bei der Markenbekanntheit und dem Markenimage. Dies erfolgt in Anlehnung an das Vorgehen im Rahmen des PIMS-Programms. Vgl. daher zum Folgenden Buzzell/Gale (1989), S. 65 f. Zur Verdeutlichung sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die Markenstärke jeweils gemeinsam für Marke und Markenprodukt für eine bestimmte Markenprodukt-/Markenkombination bestimmt wird. Der zu messende Marktanteil bezieht sich mithin auf den Marktanteil der Markenprodukt-/Markenkombination. Zum Konzept des „bedienten Marktes“ vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 30 f. 118 mulierten Marktanteilen der drei größten Wettbewerber gesetzt.370 Hieraus resultiert wiederum eine prozentuale Größe. Ergebnis der Operationalisierung der Wettbewerbsposition sind mithin die Prozentwerte für den absoluten und relativen Marktanteil sowie eine Rangziffer als Ausdruck für den Marktanteilsrang. Im nächsten Schritt sind diese Messergebnisse in einen Punktwert auf der Rating-Skala zu transformieren. Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala Für die Transformation in einen Punktwert sind die drei Arten von Messungen der Wettbewerbsposition im Überblick zu betrachten. Da jede der einzelnen Größen einen eigenständigen Aspekt darstellt, hat eine Gesamteinschätzung der Wettbewerbsposition auf Basis einer qualitativen Interpretation zu erfolgen: 1 %-Satz absoluter / relativer Marktanteil, Marktanteilsrang Qualitative Einschätzung 2 3 4 sehr schlecht durchschlecht schnittlich gut 5 sehr gut Abbildung C-18: Transformation des Messergebnisses der Wettbewerbsposition in einen Wert auf der Rating-Skala Abschließend sollen die Überlegungen am Fallbeispiel BRAND veranschaulicht werden: Für den Fruchteis-Markt – dieser Markt entspricht dem von Top Ice „bedienten Markt“ – seien die absoluten Marktanteile wie folgt verteilt: Absolute Marktanteile 2003 Top Ice Marke A Marke B Marke C 17% 35% 29% 19% Auf Basis dieser Daten ergibt sich mithin als Marktanteilsrang für Top Ice der vierte Rang. Die relativen Marktanteile für Top Ice gegenüber den drei stärksten Wettbewerbsmarken errechnen sich dementsprechend als: 370 Im Rahmen der Untersuchungen der PIMS-Studie wurde ermittelt, dass von den betrachteten Größen zur Messung der Wettbewerbsposition bzw. des Marktanteils der relative Markenwert gegenüber den drei größten Wettbewerbern am engsten mit dem ROI korreliert. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. 66 und S. 236 f. 119 Relativer Marktanteil 2003 Absoluter Marktanteil Top Ice Absoluter Marktanteil drei stärkste Wettbewerber Relativer Marktanteil Top Ice 17% 83% 20% Die Marke A ist der klare Marktführer im Segment Fruchteis. Dies spiegelt sich in allen drei betrachteten Größen deutlich wieder. Top Ice nimmt bislang erst den vierten Rang im Markt ein. Zusammenfassend wird die Wettbewerbsposition von Top Ice daher als schlecht eingestuft. Demzufolge wird der Wettbewerbsposition für die Marke Top Ice der Punktwert 2 auf der Rating-Skala zugewiesen. 2.1.1.5 Branchenattraktivität Neben der Wettbewerbsposition stellt die Branchenattraktivität den zweiten marktorientierten Werttreiber der Markenstärke dar. Im Folgenden wird zunächst auf die Dimensionen der Branchenattraktivität eingegangen. Im Anschluss daran wird die Operationalisierung der Branchenattraktivität und deren Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala thematisiert. Dimensionen der Branchenattraktivität Zur Analyse der Dimensionen der Branchenattraktivität soll in dieser Arbeit auf den Bezugsrahmen von Porter zurückgegriffen werden. Gemäß der Systematik von Porter wird die langfristige Attraktivität einer Branche durch fünf Wettbewerbskräfte bestimmt: Intensität des Wettbewerbs, Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Wettbewerber, Verhandlungsmacht der Käufer sowie Stärke der Lieferanten.371 Nachfolgende Abbildung stellt den Bezugsrahmen von Porter im Überblick dar:372 371 372 Vgl. Porter (1991), S. 101; Porter (1992), S. 22-30. Vgl. Porter (1992), S. 23 u. S. 26. 120 Neue Anbieter Lieferanten Wettbewerber in der Branche Abnehmer Ersatzprodukte Abbildung C-19: Wettbewerbskräfte zur Bestimmung der Branchenattraktivität Aus dem Blickwinkel der Intensität des Wettbewerbs kann eine Branche als unattraktiv bezeichnet werden, die sich aus zahlreichen, starken und aggressiven Wettbewerbern zusammensetzt.373 Die Attraktivität wird darüber hinaus noch weiter gemindert bei einer rückläufigen Entwicklung des Geschäftsvolumens, großem Investitionsbedarf sowie hohen Marktaustrittsbarrieren. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Wettbewerber hängt von der Höhe der Markteintrittsbarrieren und Marktaustrittsbarrieren ab. Der ungünstigste Fall ist durch niedrige Eintrittshürden gepaart mit hohen Austrittsbarrieren gekennzeichnet. In diesem Fall betreten die Firmen bei einer guten Marktentwicklung ohne Schwierigkeiten den Markt, können diesen aber nicht mehr so leicht bei einer Verschlechterung der ökonomischen Verhältnisse verlassen. Als Folge entstehen in der Branche Überkapazitäten. In Bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Substitutionsprodukten ist ein unattraktiver Markt dadurch gekennzeichnet, dass tatsächliche oder potentielle Substitute für die angebotenen Produkte existieren. Die Folge ist eine Begrenzung der Preise und der Gewinne. Betreffend die Verhandlungsmacht der Käufer ist eine unattraktive Branche durch eine hohe Verhandlungsmacht der Käufer geprägt. Positiv auf die Verhandlungsmacht der Käufer wirken sich eine Konzentration oder Verbindung der Käufer im Rahmen von 373 Die Erläuterung erfolgt am Beispiel einer unattraktiven Branche. Für eine attraktive Branche ist die Argumentation entsprechend spiegelbildlich. Vgl. zum Folgenden Porter (1992), S. 22-30; Kotler (2003), S. 242 f. 121 Organisationen, geringe Differenzierung der Produkte, geringe Wechselkosten der Käufer oder hohe Preissensitivität der Käufer aus. Eine hohe Verhandlungsmacht der Lieferanten mindert die Attraktivität einer Branche. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten besteht darin, dass sie die Preise erhöhen oder die Liefermengen reduzieren können. Die Verhandlungsmacht wird gesteigert durch eine Konzentration der Lieferanten, eine geringe Anzahl von Lieferanten, eine hohe Bedeutung des Produkts der Lieferanten als Input-Faktor für das Unternehmen oder hohe Wechselkosten für die Unternehmen. Im Rahmen der Operationalisierung der Branchenattraktivität sind die Ausprägungen dieser fünf Einflussfaktoren zu bestimmen. Operationalisierung der Branchenattraktivität Die Ausprägung der verschiedenen Einflussfaktoren der Branchenattraktivität kann nicht über direkt quantifizierbare Größen gemessen werden. Vielmehr ist die Ausprägung der Größen auf Basis einer qualitativen Einschätzung vorzunehmen. Um die Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala zu erleichtern, sind die fünf Dimensionen jeweils mit einem Wert von 1 (Branche sehr unattraktiv) bis 5 (sehr attraktiv) zu bewerten. Der Durchschnitt aus diesen Bewertungen entspricht der Gesamteinschätzung der Branchenattraktivität. Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala Da im Rahmen der Operationalisierung bereits eine Einschätzung der Branchenattraktivität auf einer fünfstufigen Skala erfolgt, kann dieser Wert direkt als Punktwert auf der Rating-Skala herangezogen werden. 1 Einschätzung der Branchenattraktivität Direkte Transformation 2 3 sehr schlecht durchschlecht schnittlich 4 gut 5 sehr gut Abbildung C-20: Transformation des Messergebnisses der Branchenattraktivität in einen Punktwert auf der Rating-Skala Abschließend ist die Darstellung am Fallbeispiel BRAND vorzunehmen. 122 Im Falle der Marke Top Ice ist die Attraktivität der Branche bzw. des Marktsegments Fruchteis zu beurteilen. Auf Basis der Einschätzungen des Managements wurden hierbei die folgenden Einschätzungen und Punktwerte vergeben: Kriterium Einschätzung Wettbewerbsintensität Relativ hoch; einige Markteintritte in den letzten Jahren haben zu einem deutlichen Anstieg der Wettbewerbsintensität geführt Gering; große Nahrungsmittelkonzerne sind bereits im Markt vertreten Wahrscheinlichkeit des Eintritts neuer Wettbewerber Punktwert 2,5 4 Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Substituten Zum jetzigen Zeitpunkt keine Substitute absehbar 5 Verhandlungsmacht der Käufer Verkäufer sind nicht organisiert; sehr geringe Verhandlungsmacht 5 Verhandlungsmacht der Lieferanten Kreis der Lieferanten begrenzt; als Konsequenz relativ große Verhandlungsmacht der Lieferanten 2 Durchschnittlicher Wert 3,7 Auf Basis der Einschätzungen des Managements ergibt sich mithin ein durchschnittlicher Punktwert für die Attraktivität der Branche Fruchteis von 3,7. 2.1.2 Messung der Markenstärke Ergebnis der Betrachtung der Werttreiber der Markenstärke ist für jeden Werttreiber die Einstufung als Punktwert auf der fünfstufigen Rating-Skala. Die Messung der Markenstärke erfordert die Aggregation dieser Werte. In diesem Zusammenhang ist zu klären, wie die Gewichtung der Punktwerte für die einzelnen Werttreiber vorzunehmen ist. Als grundlegende Möglichkeiten können eine Gleichgewichtung und eine Ungleichgewichtung der einzelnen Werttreiber unterschieden werden. Bei einer Gleichgewichtung wird unterstellt, dass alle Werttreiber die gleiche Bedeutung für die Markenstärke besitzen. Dies könnte auch als Konsequenz aus der Analyse der statistischen Zusammenhänge der einzelnen Werttreiber gezogen werden.374 Ein Vorteil der Gleichgewichtung würde darin bestehen, dass die Festlegung von Gewichtungsfaktoren eine subjektive Komponente darstellt, die zu einer Einschränkung der Objektivität des Verfahrens führt. 374 Vgl. Abschnitt C2.1.1.1. 123 Andererseits ist davon auszugehen, dass eine Gleichgewichtung der Werttreiber nicht für alle Marken zutreffend ist. So kann beispielsweise die relative Bedeutung von Markenbekanntheit und Markenimage zwischen einzelnen Marken stark differieren. Während bei einer auf Impulskäufe ausgerichteten Marke primär die Wiedererkennung bzw. passive Markenbekanntheit die höhere Bedeutung besitzt, verhält es sich bei einer Marke des Luxusgüterbereichs genau spiegelbildlich. In diesem Fall würde eine Gleichgewichtung der Werttreiber zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen des Marken-Ratings gleichsam ein Kompromiss aus Gleichgewichtung und Ungleichgewichtung gewählt. Grundsätzlich sollen die konsumenten- und die marktbezogenen Werttreiber mit dem gleichen Gewicht in die Bewertung einfließen.375 Dies bedeutet, dass die Summe der Gewichte von Markenbekanntheit und Markenimage sowie die Summe der Gewichte von Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität jeweils 50% beträgt.376 Die relativen Gewichte zwischen Markenbekanntheit und Markenimage sowie zwischen Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität sollen allerdings in Abhängigkeit des Einzelfalls bestimmt werden. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die Grundidee: Marketing-Perspektive Markenbekanntheit Markenimage Wettbewerbsposition ?% ?% Branchenattraktivität ?% ?% 50% 50% Markenstärke Rating der Marke Abbildung C-21: Gewichtung der Werttreiber der Markenstärke 375 376 Diese Festlegung kann natürlich auch zu einem gewissen Grad als willkürlich betrachtet werden. 50% ist dementsprechend auch das maximale Gewicht, mit dem ein einzelner Faktor in die Bewertung einfließen kann. 124 Obwohl die Festlegung der relativen Gewichte der einzelnen Werttreiber letztlich im jeweiligen Einzelfall erfolgen muss, soll im Folgenden dennoch eine Vorgehensweise vorgestellt werden, die zumindest für Markenbekanntheit und Markenimage als Anhaltspunkt für die Ableitung der jeweiligen Gewichtungsfaktoren dienen kann. Die relative Gewichtung von Markenbekanntheit und Markenimage kann auf Grundlage der Bedeutung der Marke für die Konsumenten abgeleitet werden. In Abschnitt B1.2 wurden die einzelnen Funktionen der Marke entwickelt. Diese Funktionen der Marke können jeweils mit spezifischen Kauf- bzw. Verwendungssituationen der Marke in Verbindung gebracht werden. So ist die Funktion der Marke als Zeichen zur Wiedererkennung vor allem bei Gewohnheitskäufen von Bedeutung. Die Funktion der Marke als Qualitätssignal ist dagegen relevant bei einer Unsicherheit der Konsumenten über die Eigenschaften des Produkts. Die Funktionen der Marke als Prestigefaktor bzw. als Erlebnisfaktor spielen eine Rolle bei Kaufsituationen mit einer wahrgenommenen sozialen Bedeutung bzw. einer wahrgenommenen Bedeutung für die persönlichen Werte. Diese verschiedenen Kaufsituationen sind durch einen unterschiedlichen Grad der persönlichen Bedeutung für den Konsumenten (involvement) gekennzeichnet. So sind Gewohnheitskäufe tendenziell mit einem niedrigen Involvement verbunden. Dagegen ist bei Vorliegen einer Unsicherheit über die Produkteigenschaften, einer wahrgenommenen sozialen Bedeutung oder einer wahrgenommenen Bedeutung für die persönlichen Werte von einem hohen Involvement des Konsumenten auszugehen. Je höher das Involvement, desto größer ist die relative Bedeutung des Markenimages, während bei einem niedrigen Involvement die Markenbekanntheit eine höhere Relevanz besitzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich ein mögliches Gewichtungsschema von Markenbekanntheit und Markenimage in Abhängigkeit der Kaufsituationen bzw. des Involvements des Konsumenten wie folgt dar: 125 Kaufsituation Gewohnheitskauf Involvement Konsument Relative Gewichtung Bekanntheit Relative Gewichtung Image Absolute Gewichtung Bekanntheit Absolute Gewichtung Image niedrig 80% 20% 40% 10% hoch 20% 80% 10% 40% Kauf bei Unsicherheit Kauf bei sozialer Bedeutung Kauf bei Bedeutung für Werte Abbildung C-22: Gewichtung von Markenbekanntheit und Markenimage in Abhängigkeit des Involvements des Konsumenten Abgetragen sind in den ersten beiden Spalten die relativen Gewichtungen von Markenbekanntheit und Markenimage. Zur Ermittlung der absoluten Gewichtung, mit der die Größen am Ende in die Markenstärke einfließen, sind die relativen Gewichtungen mit 50%, dem Anteil der konsumentenorientierten Werttreiber an der Markenstärke, zu multiplizieren: Abschließend soll die Messung der Markenstärke am Beispiel der Marke Top Ice dargestellt werden. Im Fall der Marke Top Ice ergeben sich für die Werttreiber der Markenstärke die folgenden Punktwerte auf der fünfstufigen Rating-Skala: Werttreiber Markenbekanntheit Markenimage Wettbewerbsposition Branchenattraktivität Punktwert auf Rating-Skala 3 2 2 3,7 Im ersten Schritt ist die relative Gewichtung von Markenbekanntheit und Markenimage zu bestimmen. Da die Entscheidung über den Kauf eines Fruchteis mit einem niedrigen Involvement verbunden ist, wird dem Vorschlag in Abbildung C-22 gefolgt und Markenbekanntheit und Markenimage mit den Gewichtungsfaktoren 40% bzw. 10% angesetzt. Die Bedeutung von Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität wird als ungefähr gleich eingeschätzt. Damit resultiert für die Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität jeweils ein Gewichtungsfaktor in Höhe von 25%. Auf dieser Grundlage kann ein Gesamtwert für die Markenstärke errechnet werden: 126 Werttreiber Punktwert auf Rating-Skala Markenbekanntheit Markenimage Wettbewerbsposition Branchenattraktivität 3 2 2 3,7 Gewichtungsfaktor gewichteter Punktwert 40% 10% 25% 25% Markenstärke 1,2 0,2 0,5 0,9 2,8 Im Ergebnis resultiert für die Markenstärke von Top Ice ein Punktwert von 2,8. 2.2 Markenproduktwert 2.2.1 Werttreiber des Markenproduktwerts Die Funktion des Markenproduktwerts im Rahmen des Marken-Ratings besteht darin, den finanziellen Wert des Markenprodukts abzubilden. Er steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Veränderung des Unternehmenswerts und schafft damit die konzeptionelle Verbindung des Marken-Ratings mit der Zielsetzung der Steigerung des Unternehmenswerts.377 In dieser Arbeit wird der Markenproduktwert auf Basis des Cash-Konzepts definiert als Barwert der zukünftigen Free Cashflows des Markenprodukts. Der Markenproduktwert VP kann daher dargestellt werden als: (1) EVP = mit EVp t T FCFP WACCP T t =0 FCFP (1 + WACC P )t = Gesamtkapitalwert des Markenprodukts = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow des Markenprodukts = Gesamtkapitalkostensatz des Markenprodukts Gemäß Gleichung (1) wird der Wert des Markenprodukts durch Diskontierung der Free Cashflows als Cashflows an alle Kapitalgeber mit dem Gesamtkapitalkostensatz des Markenprodukts ermittelt. Der so berechnete Markenproduktwert entspricht dem Wert des Markenprodukts aus Sicht der Eigen- und Fremdkapitalgeber. Die Zielset377 Vgl. hierzu auch die Diskussion des Zusammenhangs von Markenproduktwert und Markenwert mit dem Unternehmenswert in Abschnitt B3.2.2.3. 127 zung der Steigerung des Shareholder Value bezieht sich jedoch auf den Marktwert des Eigenkapitals.378 Aus diesem Grund stellt die eigentliche Zielgröße für das Management des Markenprodukts der Eigenkapitalwert des Markenprodukts dar. Dieser kann auf Basis des Gesamtkapitalwert des Markenproduktwerts berechnet werden als: (2) E p = EV p − FK p mit Ep EVp FKp = Marktwert des Eigenkapitals des Markenprodukts = Gesamtkapitalwert des Markenprodukts = Marktwert des Fremdkapitals des Markenprodukts Der Eigenkapitalwert des Markenprodukts entspricht dem Gesamtkapitalwert des Markenprodukts nach Abzug des Marktwerts des Fremdkapitals des Markenprodukts in t = 0.379 Diese Größen und deren Komponenten können auch in Form eines Werttreiberbaums dargestellt werden:380 378 379 380 Vgl. statt vieler Rappaport (1999), S. 39 f. Alternativ könnte der Eigenkapitalwert des Markenprodukts auch direkt über die Diskontierung der Cashflows an die Eigentümer ermittelt werden. Diese Methodik wird allerdings in erster Linie für Banken und Versicherungen verwendet. Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 428 f. u. S. 454 f. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Arbeit die indirekte Berechnung des Eigenkapitalwerts auf Basis des Gesamtkapitalwerts vorgenommen. Vgl. Fickert (1992), S. 60 f.; Rappaport (1999), S. 68; Spremann/Pfeil/Weckbach (2001), S. 362. 128 Unternehmenswert Markenproduktwert Free Cashflow Diskontierungssatz Wachstumsrate des Umsatzes Investitionen in Working Capital operative Marge Investitionen in Anlagevermögen Ökonomische Nutzungsdauer Fremdkapital Kapitalkosten Steuersatz Abbildung C-23: Werttreiberbaum zur Ermittlung des Markenproduktwerts Der Eigenkapitalwert des Markenprodukts ergibt sich durch Diskontierung der Free Cashflows und nachfolgendem Abzug des Fremdkapitals. Zur Ermittlung der Free Cashflows sind die Wachstumsrate des Umsatzes, die operative Marge, der Steuersatz, die Investitionen in Working Capital und Anlagevermögen sowie die ökonomische Nutzungsdauer des Markenprodukts zu bestimmen. Der Diskontierungssatz basiert auf den Kosten des Markenprodukts für Eigen- und Fremdkapital. Im Folgenden soll nicht auf die Ermittlung und Prognose aller Werttreiber des Markenproduktwerts eingegangen werden. Thematisiert werden ausschließlich die Werttreiber, bei denen aufgrund der Bewertung auf der Produktebene Abweichungen gegenüber einer Bewertung auf der Unternehmensebene bestehen können. Im Folgenden wird daher speziell die Ermittlung der ökonomischen Nutzungsdauer des Markenprodukts und der Kapitalkosten des Markenprodukts behandelt.381 Im Rahmen der Unternehmensbewertung wird üblicherweise eine unendliche ökonomische Lebensdauer der Unternehmen unterstellt. Diese Prämisse kann nicht ohne wei381 Die Bestimmung der weiteren Werttreiber des Markenprodukts entspricht konzeptionell dem Vorgehen bei einer Unternehmensbewertung. Vgl. hierfür beispielsweise Copeland/Koller/Murrin (2000) S. 131 ff.; Spremann (2002), S. 245 ff.; Spremann (2004), S. 15 ff. 129 teres auf Markenprodukte übertragen werden. Die ökonomische Nutzungsdauer eines Markenprodukts wird grundsätzlich durch dessen Lebenszyklus determiniert. Für das Marken-Rating soll der Lebenszyklus eines Markenprodukts auch die zukünftigen Generationen des Produkts umfassen, sofern diese nicht zu einem vollständig neuartigen Produkt führen. Diese weite Interpretation der ökonomischen Nutzungsdauer eines Markenprodukts erscheint erforderlich, da oftmals erst ab der zweiten Generation eines Produkts die ursprünglichen Investitionen verdient werden.382 Aus diesem Grund könnte eine zu kurze Definition der ökonomischen Nutzungsdauer zu Fehlschlüssen über die Rentabilität von einzelnen Markenprodukten führen. Für Markenprodukte, bei denen eine Substitution durch ein alternatives Produkt nicht absehbar ist, kann die Nutzungsdauer durchaus zehn oder mehr Jahre betragen.383 Eine unendliche Nutzungsdauer sollte jedoch nur in Ausnahmefällen der Bewertung zugrunde gelegt werden. Der Kapitalkostensatz ist bei der Ermittlung des Markenproduktwerts auf Basis des Entity-Ansatzes als Gesamtkapitalkostensatz zu bestimmen. Daher ist im Folgenden auf die Ermittlung von Eigenkapitalkostensatz und Fremdkapitalkostensatz als Komponenten des Gesamtkapitalkostensatzes einzugehen. Der Eigenkapitalkostensatz setzt sich aus den beiden Komponenten Basiszinssatz und Risikozuschlag zusammen. Der Basiszinssatz repräsentiert die Verzinsung einer risikofreien Alternativanlage. Zu seiner Ermittlung wird üblicherweise auf Anleihen der öffentlichen Hand zurückgegriffen, weil diese als nahezu risikofrei gelten. Der Risikozuschlag setzt sich gemäß dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) aus der Marktrisikoprämie zur Abbildung des allgemeinen Marktrisikos und dem Beta-Faktor zur Erfassung des systematischen Risikos des Bewertungsobjekts zusammen.384 Die Ermittlung des Risikozuschlags des Markenprodukts hängt davon ab, ob der Unternehmensbereich, der das Markenprodukt herstellt und vertreibt, börsennotiert ist. Bei einem börsennotierten Unternehmen bzw. Unternehmensbereich lässt sich der Risikozuschlag auf Basis des Beta-Faktors des Unternehmensbereichs bestimmen. Ist der Unternehmensbereich nicht börsennotiert, kann zum einen auf die Beta-Faktoren vergleichbarer börsennotierter Unternehmen Bezug genommen werden. Falls Vergleichsdaten dieser Art nicht vorliegen, muss eine Analyse der Risikostruktur des Markenprodukts vorgenommen werden. Das Risiko wird durch die Schwankungsbreite der Cashflows determiniert. Hierbei wird auf der Einzahlungsseite die Variabilität der 382 383 384 Dies ist beispielsweise in der Automobilbranche zu beobachten. In dem Fallbeispiel in dieser Arbeit wird eine ökonomische Nutzungsdauer des Markenprodukts von 20 Jahren angesetzt. Vgl. Brealey/Myers (1996), S. 179-183. 130 Cashflows durch das Absatzrisiko und auf der Auszahlungsseite durch die Fixkostenstruktur des Markenprodukts bestimmt.385 Die Einschätzung des Risikos kann über ein Scoring-Modell erfolgen.386 Die Kosten der Fremdfinanzierung können als Quotient aus dem Zinsaufwand und dem durchschnittlichen Bestand an Fremdkapital bestimmt werden. Alternativ kann auf aktuelle Marktkonditionen für Fremdkapital gleicher Laufzeit und gleichem Risiko zurückgegriffen werden. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die für die Ermittlung des Markenproduktwerts erforderlichen Parameter in der gewünschten Form vorhanden sind. Dies ist in der Praxis allerdings nicht immer der Fall. Aus diesem Grund wird im Folgenden dargestellt, welche Möglichkeiten zur Generierung der erforderlichen Daten bestehen. Hierbei wird zwischen der Führung des Markenprodukts als rechtliche Einheit (legal unit) und der Führung des Markenprodukts als organisatorische Einheit (management unit) unterschieden. Falls das Markenprodukt als eigenständige rechtliche Einheit innerhalb eines Unternehmens geführt wird, muss das Unternehmen eine Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz für das Markenprodukt erstellen. In der Regel liegen dann auch Plan-Ergebnisrechnungen für die rechtliche Einheit bzw. das Markenprodukt vor. Dies gilt nicht in gleichem Maße für Plan-Bilanzen. Falls eine Plan-Bilanz nicht existiert, kann diese jedoch ohne größere Schwierigkeiten auf Grundlage der Plan-Ergebnisrechnungen und grundlegenden Kennzahlen, wie beispielsweise Forderungsreichweite oder Lagerreichweite, entwickelt werden. Die zweite grundlegende Konstellation in Bezug auf die Datenverfügbarkeit stellt der Fall dar, dass das Markenprodukt lediglich den Teil einer rechtlichen Einheit darstellt bzw. als Management-Einheit organisiert ist. Hier kann die Konstellation auftreten, dass für das Markenprodukt Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft vorliegen. Da ohne Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz keine Ermittlung der Cashflows des Markenprodukts möglich ist, müssen die Abschlussdaten des Markenprodukts auf Basis einer Segmentierung der rechtlichen Einheit erstellt werden. 385 386 Vgl. hierzu Aders (1998), S. 119-141. Zu Möglichkeiten, Beta-Faktoren fundamental abzuleiten, vgl. auch Damodaran (2001), S. 74-87. 131 Die Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung erfordert die Allokation der anteilig auf das Markenprodukt entfallenden Ertrags- und Aufwandsposten.387 Umsätze und Einzelkosten können in der Regel ohne größere Schwierigkeiten dem Markenprodukt zugeordnet werden. Wenn, wie bei den Gemeinkosten, kein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ist die Aufteilung auf Basis von ökonomisch sinnvollen Relationen vorzunehmen. So können beispielsweise Gemeinkosten der Fertigung den einzelnen Markenprodukten auf Basis der jeweiligen Herstellungsmengen zugeschlüsselt werden. Für die Entwicklung einer Bilanz für das Markenprodukt müssen die anteilig dem Markenprodukt zuzuordnenden Vermögensgegenstände und Schulden identifiziert werden.388 Eine Vereinfachung kann durch die Annahme erreicht werden, dass das Markenprodukt die identische Kapitalstruktur wie das Unternehmen besitzt. In diesem Fall müssen lediglich die Aktiva und unverzinslichen Verbindlichkeiten zugeordnet werden. Für die Aufteilung existieren prinzipiell zwei Möglichkeiten. Entweder lassen sich einzelne Bilanzpositionen direkt dem Markenprodukt zuordnen oder es ist eine Allokation auf der Grundlage von ökonomisch begründeten Kennzahlen vorzunehmen. Der erste Fall ist beispielsweise gegeben bei einer Spezialmaschine, auf der ausschließlich das Markenprodukt gefertigt wird. Ein Fabrikgebäude des Unternehmens, in dem neben dem Markenprodukt noch weitere Produkte hergestellt werden, kann dagegen nur über eine Schlüsselung aufgeteilt werden. Nach der Darstellung der Werttreiber des Markenproduktwerts kann im nächsten Abschnitt näher darauf eingegangen werden, wie die Messung des Markenproduktwerts erfolgt. 2.2.2 Messung des Markenproduktwerts Auf Basis der Werttreiber des Markenproduktwerts und anhand von Gleichung (1) kann ein Wert für das Markenproduktwert bestimmt werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Cashflow vor Zinsen einem Gesamtkapitalkostensatz gegenübergestellt wird. Das Resultat dieser Bewertung ist mithin der Gesamtkapitalwert des Markenprodukts. Zur Ermittlung des Markenproduktwerts aus Sicht der Eigentümer des Unternehmens ist in einem zweiten Schritt von dem Gesamtkapitalwert der anteilige Marktwert des Fremdkapitals des Markenproduktwerts zu subtrahieren. 387 388 Zur Segmentierung der Erfolgsrechnung vgl. Kind (2000), S. 134-153. Zur Segmentierung der Bilanz vgl. Kind (2000), S. 112-130. 132 Für die Bewertung des Markenprodukts Top Ice kann auf die bei der Einführung des Fallbeispiels in Abschnitt B3.2.1 dargestellten Planungen für Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Investitionsrechnung und Kapitalflussrechnung zurückgegriffen werden. Die der Planung zugrunde liegenden Prämissen wurden in Abschnitt B3.2.1 bereits dargestellt. Für die Bewertung wird vereinfachungsgemäß unterstellt, dass die operativen Aufwendungen mit Ausnahme der Abschreibungen in der gleichen Periode zu Auszahlungen führen. Für die Ermittlung des Markenproduktwerts von Top Ice auf Basis der diskontierten zukünftigen Free Cashflows ergibt sich daher: 2003 DCF-Bewertung EBIT Steuerzahlungen NOPLAT Abschreibungen Investitionen ins Anlagevermögen Investitionen ins Netto-Umlaufvermögen Veränderung Kasse Free Cashflow WACC Barwertfaktor Barwert der Free Cashflows Gesamtwert Markenprodukt Marktwert des Fremdkapitals Markenprodukt Marktwert des Eigenkapitals Markenprodukt 2.232,6 385,9 1.846,8 2004 2005 106,0 -37,1 68,9 92,3 -45,0 -8,4 -3,4 104,5 10,00% 0,91 95,0 2.351,4 145,7 -51,0 94,7 82,9 -58,0 -11,4 -4,3 104,0 10,00% 0,83 85,9 2.482,6 2006 ... 183,1 -64,1 119,0 77,9 -71,6 -11,9 -4,5 108,8 10,00% 0,75 81,8 2.622,0 ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... 2024 455,4 -159,4 296,0 976,5 -203,3 611,6 216,0 1.896,9 10,00% 0,14 256,3 0,0 Es resultiert mithin zum Bewertungsstichtag 31.12.2003 ein Gesamtwert für das Markenprodukt von rund 2.233 und nach Abzug des Marktwerts des Fremdkapitals ein Marktwert des Eigenkapitals für das Markenprodukt von rund 1.847. Der identische Wert resultiert auch auf der Grundlage einer Bewertung anhand von (Gesamtkapital-)Residualgewinnen: 2003 Residualgewinn-Bewertung NOPLAT Investiertes Kapital Capital Charge Residualgewinn Barwertfaktor Barwert der Residualgewinne Summe der Barwerte der Residualgewinne Gesamtwert Markenprodukt Marktwert des Fremdkapitals Markenprodukt Marktwert des Eigenkapitals Markenprodukt 785,9 2004 2005 2006 68,9 750,3 -78,6 -9,7 94,7 741,0 -75,0 19,7 119,0 751,3 -74,1 44,9 0,91 -8,8 0,83 16,3 2024 ... ... ... ... 296,0 0,0 -160,1 136,0 0,75 ... 33,8 ... 0,14 18,4 1.446,8 2.232,6 385,9 1.846,8 Für die weitere Verwendung im Marken-Rating ist der Markenproduktwert in einen Punktwert auf der Rating-Skala zu überführen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der als Barwert der zukünftigen Free Cashflows ermittelte Wert für das Markenprodukt einem Bruttokapitalwert entspricht. Der Bruttokapitalwert alleine ermöglicht allerdings noch keine Aussage über eine finanzielle Wertschaffung. Eine positive Wertschaffung durch das Markenprodukt resultiert erst dann, wenn der Bruttokapitalwert das in das 133 Markenprodukt investierte Kapital übersteigt. Es muss mithin ein positiver Nettokapitalwert vorliegen. Die Konsequenz für die Überführung des Markenproduktwerts in einen Punktwert auf der Rating-Skala besteht darin, dass der Bruttokapitalwert des Markenproduktwerts in das Verhältnis zu dem investierten Kapital gesetzt wird. Das investierte Kapital ist definiert als Summe aus Anlagevermögen und Working Capital bzw. als Differenz aus Aktiva und unverzinslichen Verbindlichkeiten.389 Im Ergebnis resultiert der so genannte relative Kapitalwert des Markenprodukts RKWp:390 T (2) RKWP = mit: RKWP t T FCFP WACCP ICP EVP t =0 FCFP (1 + WACC P ) t EVP = IC p IC P = relativer Markenproduktwert = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow des Markenprodukts = Gesamtkapitalkostensatz des Markenprodukts = Investiertes Kapital des Markenprodukts = Gesamtkapitalwert des Markenprodukts Auf dieser Grundlage kann der relative Kapitalwert des Markenprodukts berechnet und die Einteilung gemäß der fünfstufigen Skala vorgenommen werden. Gemäß der gewählten Definition des relativen Kapitalwerts des Markenprodukts nimmt dieser den Wert 1 an, wenn der Bruttokapitalwert des Markenprodukts exakt so hoch ist wie das investierte Kapital des Markenprodukts. Es liegt dann ein Nettokapitalwert des Markenprodukts von 0 vor. Bei dieser Konstellation wird eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals genau in Höhe der Kapitalkosten erreicht. Dies entspricht der Mindestanforderung an die Verwendung von investiertem Kapital. Daher wird einem RKWp in Höhe von 1 der Punktwert 3 als durchschnittlicher Wert der fünfstufigen Ra389 390 Der relative Kapitalwert des Markenprodukts bezieht sich in der hier gewählten Definition auf den Gesamtkapitalwert des Markenprodukts. Streng genommen stellt der Eigenkapitalwert die für die Unternehmensführung relevante Größe dar. Aufgrund der Bedeutung der Kennzahl investiertes Kapital (als Summe aus Eigenund Fremdkapital) soll hier jedoch die Betrachtung auf der Ebene des Gesamtkapitalwerts erfolgen. Die Definition dieser Größe erfolgt in Anlehnung an die Kennzahl relativer Kapitalwert bzw. Kapitalwertrate, die zur Ermittlung der Rangfolgen von Investitionen verwendet wird. Vgl. Weston/Brigham (1981), S. 149 f. 134 ting-Skala zugeteilt. Die weitere Differenzierung einer Verzinsung des investierten Kapitals über die Kapitalkosten hinaus ist im Einzelfall anhand der erzielbaren Renditen in der jeweiligen Branche festzulegen. In dieser Arbeit wird die Einstufung mit den Punktwerten 4 bzw. 5 an der Erzielung eines relativen RKWp in Höhe von 2 bzw. 3 festgemacht. Ein positiver Bruttokapitalwert, der allerdings keine Verzinsung des investierten Kapitals in Höhe der Kapitalkosten ermöglicht, führt zu einem RKWp zwischen 0 und 1. Dies entspricht einem Punktwert von 2 auf der Rating-Skala. Als Konsequenz wird einem negativen Bruttokapitalwert bzw. einem negativen RKWp der Punktwert 1 auf der Rating-Skala zugeordnet. Nachfolgende Tabelle fasst die möglichen Ausprägungen des relativen Kapitalwerts des Markenprodukts und die damit verbundenen Punktwerte noch einmal zusammen: Punktwert Ausprägung RKWp 1 RKWp < 0 2 0 < RKWp < 1 3 1< RKWp < 2 4 2 < RKWp < 3 5 RKWp > 3 Abbildung C-24: Zuordnung von Ausprägungen des (relativen) Markenproduktwerts zu Punktwerten auf der Rating-Skala Abschließend soll die Berechnung eines relativen Kapitalwerts des Markenprodukts und die Überführung in einen Punktwert am Fallbeispiel der Marke Top Ice durchgeführt werden. Im Fall der Marke Top Ice berechnet sich anhand dieser Methodik der relative Kapitalwert des Markenprodukts wie folgt: 2003 2004 2005 2.232,6 785,9 2,8 2.351,4 750,3 3,1 2.482,6 741,0 3,4 2006 2024 Relativer Kapitalwert Markenprodukt Gesamtwert Markenprodukt Investiertes Kapital Markenprodukt Relativer Kapitalwert Markenprodukt 2.622,0 ... 751,3 ... 3,5 ... 0,0 0,0 n/a Zum Bewertungsstichtag beträgt der relative Kapitalwert des Markenprodukts Top Ice mithin 2,8. Dies entspricht einem Punktwert 4 auf der Rating-Skala. 135 2.3 Markenwert 2.3.1 Werttreiber des Markenwerts 2.3.1.1 Grundprinzip Die Rolle des Markenwerts im Rahmen des Marken-Ratings besteht darin, den finanziellen Wert der Marke als immaterieller Vermögensgegenstand abzubilden. Er ist auf Grundlage des Cash-Konzepts definiert als Barwert der Free Cashflows der Marke: (1) EVm = mit EVm t T FCFm WACCm T t =0 FCFm (1 + WACC m )t = Gesamtkapitalwert der Marke = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow der Marke = Gesamtkapitalkostensatz der Marke Zur näheren Erläuterung der Ermittlung des Markenwerts ist auf den Zusammenhang zwischen Markenproduktwert und Markenwert näher einzugehen:391 Markenwert Markenproduktwert Wert No-nameProdukt Abbildung C-25: Zusammenhang zwischen Markenproduktwert und Markenwert 391 Vgl. hierzu die Definition der Marke in Abschnitt B3.1. 136 Der Markenwert entspricht der Differenz aus dem Markenproduktwert und dem Wert des No-name-Produkts. Vor diesem Hintergrund lässt sich Gleichung (1) umformen zu: (2) EVm = mit EVm t T FCFp WACCp FCFn WACCn T t =0 FCFp − FCFn (1 + WACC ) (1 + WACC ) t p t n = Gesamtkapitalwert der Marke = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow des Markenprodukts = Gesamtkapitalkostensatz des Markenprodukts = Free Cashflow des No-name-Produkts = Gesamtkapitalkostensatz des No-name-Produkts Gleichung (2) macht zum einen deutlich, dass der Wert des Markenprodukts eine Komponente des Markenwerts darstellt. Zum anderen wird sichtbar, dass die Berechnung des Markenwerts Annahmen über die Free Cashflows des No-name-Produkts erfordert. In diesem Zusammenhang ist zu klären, wie das No-name-Produkt zu definieren ist. Hierbei lassen sich zwei grundsätzliche Sichtweisen unterscheiden. Zum einen kann unterstellt werden, dass sich No-name-Produkt und Markenprodukt in allen Bereichen der Wertschöpfungskette unterscheiden können. Dies bedeutet, dass das No-name-Produkt andere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Produktionsprozesse und Produktqualität oder auch eine andere Vertriebsstruktur als das Markenprodukt aufweisen kann.392 In dieser Sichtweise muss beispielsweise für die Bewertung der Marke BMW überlegt werden, wie das Geschäftsmodell des Unternehmens BMW sich ohne die Marke darstellen würde. Es ist zu klären, ob für no-name PKW oder Motorräder der aktuelle Forschungs- und Entwicklungsaufwand aufrechterhalten werden kann. Ebenso ist zu überdenken, ob die auf eine hohe Qualität ausgerichteten Produktionsprozesse für die Herstellung eines No-name-Produkts angepasst werden müssen. Das Beispiel macht deutlich, dass eine solche Definition des No-nameProdukts zu weit reichenden Gedankenspielen Anlass geben kann. Im Fall einer Transaktion sind allerdings genau diese Überlegungen anzustellen. Da das Unternehmen 392 Schlaberg definiert beispielsweise das No-name-Produkt als branchentypisches Produkt des Niedrigpreissegments. Damit können Markenprodukt und No-name-Produkt grundsätzlich in allen Bereichen der Wertschöpfungskette voneinander abweichen. Vgl. Schlaberg (1997), S. 304-314. 137 nach dem Verkauf über die Marke nicht mehr verfügen kann, sind die Auswirkungen in allen Stufen der Wertschöpfungskette zu untersuchen. Für den Bewertungsanlass des Markenmanagements ist jedoch gerade beabsichtigt, die Marke weiter zu führen. Aus diesem Grund kann für diese Arbeit eine Einschränkung der Unterscheidungsmöglichkeiten von Markenprodukt und No-name-Produkt vorgenommen werden. Für das Marken-Rating wird daher angenommen, dass die Geschäftsmodelle von Markenprodukt und No-name-Produkt lediglich im Marktauftritt voneinander abweichen können. Dies kann anhand der Wertschöpfungskette von Porter veranschaulicht werden:393 Unternehmensinfrastruktur nn wi Ge Personalwirtschaft n spa Unterstützende Aktivitäten ne Technologieentwicklung Beschaffung Eingangslogistik Operationen Marketing & Vertrieb Ausgangslogistik Kundendienst Primäre Aktivitäten Abbildung C-26: Abweichungsmöglichkeiten zwischen Markenprodukt und Marke innerhalb der Wertschöpfungskette Ein unterschiedlicher Marktauftritt kann sich in den primären Aktivitäten auf den Stufen Marketing & Vertrieb, Ausgangslogistik und Kundendienst auswirken. Ein weiterer Effekt der Marke äußert sich darin, dass im Rahmen der Unternehmensinfrastruktur Maßnahmen für den rechtlichen Schutz der Marke getroffen werden müssen. Dagegen werden die Prozesse und Maßnahmen bei den weiteren unterstützenden und primären Aktivitäten für Markenprodukt und No-name-Produkt als identisch unterstellt.394 393 394 Vgl. Porter (1991), S. 103; Porter (1992), S. 62. Allerdings können trotz unterstellter identischer Produktionsprozesse aufgrund einer höheren Absatzmenge von Markenprodukt im Vergleich zum No-name-Produkt die Kosten im Bereich Operation voneinander abweichen. Dies wird in Abschnitt C2.3.1.3 detailliert diskutiert. 138 Nach der Darstellung der Definition des No-name-Produkts kann der Werttreiberbaum zur Ermittlung des Markenwerts hergeleitet werden. Der Markenwert als Barwert der Free Cashflows der Marke ergibt den Gesamtkapitalwert der Marke. Die Zielsetzung der Steigerung des Shareholder Value bezieht sich allerdings auf den Marktwert des Eigenkapitals. Aus diesem Grund stellt die eigentliche Zielgröße für das Management des Markenprodukts der Eigenkapitalwert der Marke dar. Dieser ist definiert als: (3) mit Em EVm FKm E m = EVm − FK m = Eigenkapitalwert der Marke = Gesamtkapitalwert der Marke = anteiliges Fremdkapital der Marke Der Werttreiberbaum des Markenwerts entspricht in der Grundstruktur dem Schema zur Berechnung des Markenproduktwerts. Die durch einen Kreis markierten Größen weichen bei Markenprodukt und No-name-Produkt voneinander ab und müssen für die Ermittlung des Markenwerts explizit bestimmt werden. Für die anderen Größen ist die für die Berechnung des Markenprodukts verwendete Ausprägung anzusetzen: 139 Unternehmenswert Markenwert Free Cashflow der Marke Diskontierungssatz Wachstumsrate des Umsatzes der Marke Investitionen der Marke in Working Capital operative Marge der Marke Investitionen der Marke in Anlagevermögen Steuersatz des Markenprodukts anteiliges Fremdkapital der Marke Ökonomische Nutzungsdauer des Markenprodukts Kapitalkosten des Markenprodukts Abbildung C-27: Werttreiberbaum zur Ermittlung des Markenwerts Die Abbildung macht deutlich, dass das anteilige Fremdkapital, die Wachstumsrate des Umsatzes, die operative Marge sowie die Investitionen in Working Capital und Anlagevermögen für die Marke neu berechnet werden müssen. Diese Größen entsprechen jeweils der Differenz im Fall des Markenprodukts und im Fall des No-name-Produkts. Dagegen sind die Größen Steuersatz, ökonomische Nutzungsdauer und Kapitalkosten gleich ausgeprägt wie im Fall des Markenprodukts. Dies ist näher zu begründen. Für die Begründung der Annahme identischer Kapitalkosten bei Markenprodukt und No-name-Produkt muss auf Gleichung (2) Rückgriff genommen werden. Gleichung (2) lässt erkennen, dass bei Gleichung (1) implizit eine Vereinfachung des Bewertungskalküls vorgenommen wird. So können die beiden Komponenten der Gleichung (2) nur dann zusammengefasst werden, wenn der Kapitalkostensatz des Markenprodukts und des No-name-Produkts nicht voneinander abweichen.395 In der Regel ist jedoch davon 395 Zwar werden von verschiedenen Autoren Risikoabschläge oder Risikoaufschläge zur Bestimmung der Kapitalkosten der Marke diskutiert. Vgl. beispielsweise Kriegbaum (2001), S. 224-227. Die Verwendung dieses Kapitalkostensatzes für die Diskontierung der Cashflows oder Erfolge der Marke impliziert aber, dass für den Fall mit Marke und ohne Marke die gleichen Kapitalkosten Gültigkeit besitzen. 140 auszugehen, dass das No-name-Produkt aufgrund der schwächeren Wettbewerbsposition durch ein größeres Risiko und damit höhere Kapitalkosten gekennzeichnet ist. Gleichung (1) stellt daher eine Vereinfachung dar, ist aber auch durch eine wesentlich bessere Handhabbarkeit als Gleichung (2) gekennzeichnet. Im Folgenden wird deshalb die Annahme identischer Kapitalkosten im Fall mit und ohne Marke unterstellt und so die Überführung von Gleichung (2) in Gleichung (1) ermöglicht. Die damit verbundene Unschärfe wird bewusst in Kauf genommen, um die leichtere Anwendbarkeit der Methodik zu gewährleisten.396 Neben den Kapitalkosten wird auch die ökonomische Nutzungsdauer in dieser Arbeit für Markenprodukt und Marke identisch angesetzt. Der Grund besteht darin, dass im Rahmen des Marken-Ratings Markenprodukt-/Markenkombinationen betrachtet werden. Für eine solche Kombination sind die Nutzungsdauern von Markenprodukt und Marke definitionsgemäß identisch. Aufgrund des immateriellen Charakters der Marke besteht die Möglichkeit, dass sie beispielsweise nach dem Ende der ökonomischen Nutzungsdauer des Markenprodukts 1 auf das Markenprodukt 2 übertragen und auf diese Weise weiter verwendet wird. Durch die Übertragung auf das Markenprodukt 2 entsteht allerdings wiederum eine neue Markenprodukt-/Markenkombination, innerhalb der die Nutzungsdauern von Markenprodukt und Marke identisch sind. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht noch einmal die Grundidee: Marke A Marke A Markenprodukt 1 Markenprodukt 2 Zeit Ökonomische Nutzungsdauer Markenprodukt-/ Markenkombination 1 Ökonomische Nutzungsdauer Markenprodukt-/ Markenkombination 2 Ökonomische Nutzungsdauer Marke A Abbildung C-28: Zusammenhang von ökonomischer Nutzungsdauer des Markenprodukts und der Marke 396 Alternativ könnte die exakte Berechnung über Gleichung (2 als Nebenrechnung durchgeführt werden und die zusätzliche Wertkomponente zu dem auf Basis von Gleichung (1) resultierendem Wert addiert werden. 141 Als dritte Größe wird für Markenprodukt und No-name-Produkt der Steuersatz in gleicher Höhe angesetzt, da die Höhe des Steuersatzes nicht durch die Marke beeinflusst ist.397 Nach der Darstellung des Grundprinzips der Berechnung des Markenwerts wird in den folgenden Abschnitten die Ableitung der finanziellen Werttreiber des Markenwerts näher dargestellt. Zielsetzung hierbei ist es, einen Bezugsrahmen zu einer konsistenten Ableitung der Werttreiber der Marke zu entwickeln. Dies geschieht vor einem wahrgenommenen Defizit in Bezug auf das systematische Vorgehen bei der Ableitung der Zahlungen bzw. Erfolgsgrößen in einer Vielzahl der bestehenden Ansätze der finanziellen Markenbewertung. Beispielsweise wird oftmals nicht berücksichtigt, dass mit einer Mengenprämie der Marke bei der Bestimmung des Umsatzes auch zusätzliche mengenabhängige Herstellkosten verbunden sind.398 Der im Folgenden entwickelte Bezugsrahmen bezieht sich auf das als „typisches“ Produktionsunternehmen gestaltete Fallbeispiel BRAND. Die diskutierten Posten lehnen sich daher an die Struktur und Positionen der in Abschnitt B3.2.1 eingeführten Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz an. 2.3.1.2 Wachstumsrate des Umsatzes der Marke Ein mit der Marke verbundener zusätzlicher Umsatz kann entweder dadurch bedingt sein, dass mit der Marke ein höherer Preis als ohne Marke – mit anderen Worten eine Preisprämie – erzielt wird.399 Ein zusätzlicher Umsatz kann aber auch daher resultieren, dass die Marke eine höhere Absatzmenge – auch als Mengenprämie bezeichnet – ermöglicht.400 Preisprämie und Mengenprämie können auch gemeinsam auftreten. Im Folgenden wird zunächst gezeigt, wie Preisprämie und Mengenprämie berechnet werden können. Im zweiten Schritt wird dann erläutert, wie auf Basis der beiden Größen der aktuelle Umsatz der Marke abgeleitet werden kann. Im dritten Schritt wird darauf eingegangen, wie auf dieser Grundlage der Umsatz für die zukünftigen Perioden geplant wird. 397 398 399 400 Allerdings können im Fall des Markenprodukts aufgrund eines höheren operativen Gewinns absolut höhere Steuerzahlungen als bei dem No-name-Produkt anfallen. Dieser Aspekt wird im Kalkül berücksichtigt. Vgl. beispielsweise die Beispielrechnung von Sattler (1997), S. 307-312. Für Beispiele vgl. Abschnitt B1.1. Für Beispiele vgl. Abschnitt B1.1. 142 Preisprämie In vielen Fällen werden Markenprodukte zu höheren Preisen abgesetzt als unmarkierte Produkte. Eine solche Preisprämie kann zum einen auf einer höheren (objektiv messbaren) Qualität des Markenproduktes beruhen, zum anderen aber auch unmittelbar auf die Marke zurückzuführen sein. Für die Ermittlung der Wirkungen der Marke auf den Umsatz des Unternehmens ist gemäß der Definition des No-name-Produkts in dieser Arbeit ausschließlich der zweite Effekt relevant. Die Preisprämie der Marke ist in diesem Sinne definiert als der Preisunterschied zwischen dem Markenprodukt und einem (bis auf die Marke) identischen No-name-Produkt. Zur Ermittlung der Preisprämie existieren verschiedene Methoden.401 Die Auswahl einer Methode für das Marken-Rating soll daran festgemacht werden, ob Marktpreise für ein Vergleichsprodukt bestehen: Preisabstandbasierter Ansatz Marktpreise für Vergleichsmarke vorhanden ConjointAnalyse Abbildung C-29: Methoden zur Bestimmung der Preisprämie Falls Marktpreise für ein vergleichbares No-name-Produkt bzw. vergleichbare Marken vorliegen, wird für das Marken-Rating die Anwendung des Preisabstand-basierten Ansatzes vorgeschlagen. Sind Marktpreise für eine Vergleichsmarke nicht gegeben, stellt die Conjoint-Analyse das alternative Verfahren dar. Im Folgenden wird auf die beiden Methoden zur Bestimmung der Preisprämie näher eingegangen und ihre Rangordnung begründet. Bei den Preisabstand-orientierten Ansätzen wird die Preisprämie als Differenz des Marktpreises des Markenprodukts und des Marktpreises eines vergleichbaren No401 Vgl. die Übersicht in Abschnitt B3.2.2.3. Aufgrund der dort dargestellten Kritikpunkte werden die direkte Befragung der Konsumenten sowie der hedonische Ansatz hier nicht mehr behandelt. 143 name-Produkts ermittelt.402 Sollten Markenprodukt und Vergleichsmarke bzw. Noname-Produkt zu unterschiedlichen Preisen im Handel angeboten werden, sind die jeweiligen durchschnittlichen Preise zu bestimmen.403 Allerdings ist die Methodik trotz ihrer konzeptionellen Einfachheit mit einigen praktischen Schwierigkeiten verbunden. So können die am Markt beobachtbaren Preise Ausdruck von speziellen preispolitischen Strategien der Unternehmen sein. In diesem Fall gibt die Preisdifferenz die Präferenzen der Konsumenten nicht unverzerrt wider.404 Für die Bewertung bedeutet dies, dass der Einfluss von preispolitischen Maßnahmen, wie etwa Sonderangebotsaktionen, auf die jeweiligen Marktpreise zu bereinigen ist. Hierfür kann zum einen eine längerfristige Betrachtung der Preisunterschiede oder auch der Rückgriff auf den Preisabstand zwischen anderen Markenprodukten und No-name-Produkten hilfreich sein. Des Weiteren existiert nicht in allen Fällen ein für die spezifische Marke vergleichbares reines No-name-Produkt.405 In diesen Fällen muss der Vergleich zwischen dem Markenprodukt und einem Produkt mit einer möglichst schwachen Marke gezogen werden. Als Konsequenz wird die Höhe der Preisprämie tendenziell unterschätzt, da der Preis des Vergleichsprodukts selbst bereits eine – wenn auch geringe – Preisprämie gegenüber dem reinen No-name-Produkt beinhaltet. Dieser Effekt kann eliminiert werden, indem die anhand von Marktdaten ermittelte Preisprämie für die Bewertung höher angesetzt wird. Die wohl relevanteste Problematik bei dem Rückgriff auf Marktpreise besteht darin, dass sich in vielen Fällen Markenprodukt und No-name-Produkt nicht nur durch die Markierung, sondern auch durch andere kaufrelevante Faktoren, wie etwa die Qualität des Produktes, unterscheiden. Ein solches No-name-Produkt entspricht nicht der in dieser Arbeit festgelegten Definition des No-name-Produkts als ein bis auf die Marke mit dem Markenprodukt identisches Produkt. In diesem Fall ist es erforderlich, den unmittelbar auf die Marke zurückzuführenden Anteil an der am Markt beobachtbaren Preisprämie zu isolieren. Zu diesem Zweck kann eine Analyse der kaufrelevanten Faktoren vorgenommen werden.406 Hierfür werden auf Basis von Konsumentenbefragungen oder auf der 402 403 404 405 406 Vgl. Aaker (1991), S. 22 f.; Smith (1997), S. 144 f. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 306. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 95. Vgl. Kapferer (1992), S. 306. Zu einem ähnlichen Vorgehen vgl. Castedello/Klingbeil (2004), S. 157 f. Diese Methodik entspricht dem Grundgedanken nach auch der Ermittlung der Bedeutung der Marke für die Kaufentscheidung im neuen Interbrand-Ansatz. Vgl. Trevillion/Perrier (1999), S. 35. 144 Grundlage von Einschätzungen des Managements im ersten Schritt alle kaufrelevanten Faktoren ermittelt.407 Hierzu zählen beispielsweise neben der Marke auch Aspekte wie Qualität oder Verpackung. Darauf aufbauend sind die einzelnen Faktoren mit einem Scoring-Wert gemäß ihrer Bedeutung für die Kaufentscheidung zu bewerten. Als letzter Schritt ist auf Basis dieser Bewertungen der relative Anteil der Marke für die Kaufentscheidung zu bestimmen.408 Dieser Prozentwert entspricht dem Anteil der Marke am Preisabstand zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt. Zur Veranschaulichung soll die Methodik am Fallbeispiel BRAND verdeutlicht werden. Für die Marke Top Ice wurden als relevante Faktoren der Kaufentscheidung Marke, Verpackung und wahrgenommene Produktqualität identifiziert. Auf Basis einer Befragung von Konsumenten wurden diese Faktoren mit einem Punktwert auf einer Skala von 1 (sehr geringe Bedeutung) bis 5 (sehr hohe Bedeutung) eingestuft. Im Ergebnis resultieren folgende prozentuale Anteile für die einzelnen Faktoren: Marke Wahrgenommene Produktqualität Verpackung 4 2 2 8 50,0% 25,0% 25,0% 100,0% Dieser Gewichtungsfaktor ist mit der am Markt beobachtbaren Preisabstand zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt zu multiplizieren, um den Anteil der Marke an der Preisprämie zu bestimmen: Preis Markenprodukt Preis no-name Produkt (am Markt beobachtbar) Preisprämie Markenprodukt Anteil Marke an Preisprämie Markenprodukt Preisprämie Marke 1,24 0,63 0,61 50,0% 0,30 Für Top Ice beträgt die Preisprämie der Marke im Jahr 2004 mithin 0,30 Geldeinheiten. Die Messung der Preisprämie über am Markt beobachtbare Preisabstände wird als primäre Methode für das Marken-Rating vorgeschlagen, weil die ermittelten Preisprämien durch von den Konsumenten am Markt tatsächlich bezahlte Preise bestätigt sind. Zum anderen ist die Methodik durch eine hohe Praktikabilität gekennzeichnet. Allerdings ist die Anwendbarkeit des Preisabstand-basierten Ansatzes daran gebunden, dass Marktpreise für vergleichbare No-name-Produkte oder zumindest vergleichbare schwache 407 408 Da die Preisprämie untersucht wird, stellt der Preis keinen kaufrelevanten Faktor dar. Bei der Bestimmung des relativen Anteils der Marke ist zu berücksichtigen, dass die Marke auch die Wahrnehmung anderer kaufrelevanter Faktoren beeinflussen kann. Wenn beispielsweise die Qualität des betrachteten Produkts auch nach der Verwendung für den Konsumenten nicht vollständig einschätzbar ist, wird die Wahrnehmung der Produktqualität durch die Marke geprägt. Ähnlich Trevillion/Perrier (1999), S. 35. 145 Marken existieren. Falls dies nicht gegeben ist, wird für das Marken-Rating vorgeschlagen, die Messung auf Basis der Conjoint-Analyse vorzunehmen. Die Methodik der Conjoint-Analyse basiert auf den Erkenntnissen der neueren Nachfragetheorie, dass Güter nicht ganzheitlich wahrgenommen werden, sondern vielmehr als ein Bündel von Eigenschaften betrachtet werden.409 Auf dieser Grundlage kann durch die Verfahren der Conjoint-Analyse ermittelt werden, wie sich der Kaufpreis auf die einzelnen Produktmerkmale aufteilt. Damit lässt sich die Preisprämie als Anteil des Kaufpreises, der auf das Produktmerkmal Marke entfällt, bestimmen.410 Allgemein lassen im Rahmen einer Conjoint-Analyse folgende Schritte unterscheiden:411 • • • • • Auswahl der Eigenschaften und Festlegung der Eigenschaftsausprägungen Wahl des Erhebungsdesigns Bewertung der Stimuli Ermittlung der Nutzenwerte von Auskunftspersonen Aggregation der individuellen Nutzenwerte Ausgangspunkt der Conjoint-Analyse ist die Festlegung der kaufrelevanten Produktbzw. Leistungsmerkmale.412 Als Anforderungen an die Merkmale ist zu richten, dass diese relevant für die Kaufentscheidung, untereinander unabhängig und technisch realisierbar sind. Als weitere Kriterien werden aufgeführt, dass die Merkmale in einer kompensatorischen Beziehung zueinander stehen und keine Cut-off Kriterien darstellen sollen. Daneben sollen die Merkmale nominalskaliert oder leicht in Gruppen einteilbar sein und die untersuchten Marken möglichst vollständig beschreiben. Der zweite Schritt stellt die Wahl des Erhebungsdesigns dar. Hierbei unter anderem ist zu bestimmen, welche Kombinationen an Merkmalsausprägungen den Testpersonen präsentiert werden sollen. Zu entscheiden ist auch, in welcher Art und Weise die Merkmalsausprägungen präsentiert werden sollen. Auf dieser Basis können im dritten Schritt die Gesamturteile der Konsumenten über die einzelnen Produktvarianten eingeholt werden. Die Testpersonen bringen dabei die ihnen präsentierten Produktvarianten 409 410 411 412 Als Ursprung der Conjoint-Analyse gilt der Aufsatz von Luce/Tukey (1964), S. 1-27. Die Einführung der Conjoint-Analyse in das Marketing erfolgte durch Green/Rao (1971), S. 355-363 und Johnson (1974), S. 121127. Zur Anwendung der Conjoint-Analyse im Rahmen der Markenbewertung vgl. Blackston (1992), S. RC-3-RC6; Brockhoff/Sattler (1996), S. 207-224; Crimmins (1992), S. 11-19; Kalra/Goodstein (1998), S. 210-224; Sattler (1997), S. 176-194; Swait/Erdem/Louviere/Dubelaar (1993), S. 23-45. Vgl. Hammann (1992), S. 240; Gustafsson/Herrmann/Huber (2001), S. 9 f. Vgl. zum Folgenden Kriegbaum (2001), S. 97-100. 146 in eine ordinale Reihenfolge. Basis für die Rangreihung durch die Konsumenten ist der Nutzen des Produktes. In einem vierten Schritt werden den Merkmalsausprägungen Teilnutzenwerte zugeordnet. Dabei wird auf den Zusammenhang zurückgegriffen, dass der Gesamtnutzen einer Produktvariante sich additiv aus den Teilnutzenwerten der Produktmerkmale zusammensetzt. Abschließend werden die Teilnutzenwerte über die Testpersonen aggregiert. Hierfür ist eine Normierung der Teilnutzenwerte erforderlich. Nach Umrechnung der Teilnutzenwerte in Geldeinheiten resultiert der Anteil des Preises des Markenprodukts, der unmittelbar auf die Marke zurückzuführen ist. Zusammenfassend basiert die Ermittlung der Preisprämie im Rahmen des MarkenRatings auf den beiden Methoden preisabstand-basierter Ansatz und Conjoint-Analyse. Die konkrete Entscheidung für eine der Methoden ist auf Grundlage der Datenlage festzumachen. Mengenprämie Die Marke besitzt in vielen Fällen nicht nur einen Einfluss auf den Preis, sondern auch auf die Absatzmenge des Markenproduktes. Analog zu der Ermittlung der Preisprämie wird die Methodik zur Abgrenzung der Mengenprämie daran festgemacht, ob am Markt das Absatzvolumen für eine vergleichbare Marke beobachtbar ist: Volumendifferenzbasierter Ansatz Absatzvolumen für Vergleichsmarke vorhanden ConjointAnalyse Abbildung C-30: Verfahren zur Bestimmung der Mengenprämie Falls ein Absatzvolumen für eine no-name Marke bzw. eine vergleichbare Marke vorhanden ist, kann die Bestimmung der Mengenprämie auf Basis des Volumendifferenzbasierten Ansatzes erfolgen. Ist diese Datengrundlage nicht gegeben, steht als alterna- 147 tive Methode die Conjoint-Analyse zur Verfügung. Analog zu den Erläuterungen bei der Ermittlung der Preisprämie werden die Verfahren im Folgenden näher dargestellt. Bei der Messung der Mengenprämie anhand des Volumendifferenz-basierten Ansatzes wird die Mengenprämie als Differenz der Absatzvolumina von Markenprodukt und einem vergleichbaren No-name-Produkt bestimmt.413 Bei der Bestimmung der Absatzvolumina ist festzulegen, für welches geographische Gebiet der Markenwert ermittelt werden soll. Existiert eine geographische Beschränkung, so ist das Absatzvolumen entsprechend einzugrenzen, anderenfalls sind grundsätzlich die weltweiten Absatzmengen von Markenprodukt und No-name-Produkt relevant. Allerdings gelten für die Ermittlung der Mengenprämie anhand von Marktdaten die bereits bei der Ermittlung der Preisprämie angeführten kritischen Aspekte. So kann der beobachtbare Unterschied des Absatzvolumens nicht nur die Präferenzen der Konsumenten widerspiegeln, sondern auch durch die Distributionspolitik des Unternehmens beeinflusst sein.414 Analog zu dem Vorgehen bei der Bestimmung der Preisprämie ist dieser Effekt durch eine Anpassung zu bereinigen. Falls Markenprodukt und No-name-Produkt sich nicht nur durch das Markenzeichen, sondern auch durch weitere Aspekte, wie etwa die Qualität unterscheiden, ist dieser Effekt auch bei der am Markt beobachtbaren Mengenprämie zu eliminieren. Zu diesem Zweck ist analog dem Vorgehen bei der Preisprämie der Anteil des Markenzeichens an den kaufrelevanten Faktoren zu bestimmen. Allerdings unterscheidet sich das Verfahren gegenüber der Abgrenzung der Preisprämie dadurch, dass der Preis in diesem Fall als kaufrelevanter Faktor berücksichtigt werden muss.415 Aufgrund der Aufnahme des Einbezugs des Faktors Preis resultieren gegenüber der Abgrenzung der Preisprämie andere Gewichtungsfaktoren. Zur Veranschaulichung soll die Methodik am Fallbeispiel BRAND verdeutlicht werden. Für die Marke Top Ice wurden als relevante Faktoren der Kaufentscheidung Marke, Verpackung, wahrgenommene Produktqualität sowie der Preis identifiziert. Auf Basis der Einschätzungen des Managements wurden diese Faktoren mit einem Punktwert auf einer Skala von 1 (sehr geringe Bedeutung) bis 5 (sehr hohe Bedeutung) eingestuft. Im Ergebnis resultieren folgende prozentuale Anteile für die einzelnen Faktoren: 413 414 415 Vgl. Greinert (2002), S. 189. Vgl. Greinert (2002), S. 189. Vgl. Castedello/Klingbeil (2004), S. 157 f. 148 Marke Wahrgenommene Produktqualität Verpackung Preis 4 2 2 4 12 33,3% 16,7% 16,7% 33,3% 100,0% Bei der Bestimmung der relevanten Faktoren für die Kaufentscheidung für die Analyse einer Mengenprämie ist auch der Preis als relevanter Faktor einzubeziehen. Aus diesem Grund resultieren gegenüber der Analyse der Preisprämie andere Gewichtungsfaktoren. Während der Anteil der Marke an der Preisprämie 50,0% betrug, beläuft er sich bei der Mengenprämie auf 33,3%. Dieser Gewichtungsfaktor ist mit der am Markt beobachtbaren Differenz der Absatzvolumina von Markenprodukt und No-name-Produkt zu multiplizieren, um den Anteil der Marke an der Mengenprämie zu bestimmen: Menge Markenprodukt Menge no-name Produkt (am Markt beobachtbar) Mengenprämie Markenprodukt Anteil Marke an Mengenprämie Markenprodukt Mengenprämie Marke 1.892 1.500 392 33,3% 131 Im Ergebnis resultiert für das Jahr 2004 eine Mengenprämie der Marke in Höhe von 131 Einheiten. Die Verwendung von Marktdaten stellt mithin auch bei der Ermittlung einer Mengenprämie ein leicht anwendbares Vorgehen dar und wird daher als primäres Vorgehen für das Marken-Rating vorgeschlagen. Sollten allerdings die Datenvoraussetzungen für die Messung der Mengenprämie auf Basis von Marktdaten nicht gegeben sein, kann alternativ auf die Methodik der Conjoint-Analyse zurückgegriffen werden. Die Messung der Mengenprämie auf Basis von Konsumentenbefragungen basiert auf der Methodik der Conjoint-Analyse.416 Hierbei wird die Absatzmenge des Markenprodukts als Produkt aus dem Grenzwert der Erstkaufrate, dem Grenzwert der Wiederkaufrate, der relativen Kaufintensität, dem Bekanntheitsgrad und dem Distributionsgrad gemessen.417 Die Conjoint-Analyse wird zur Ermittlung des Grenzwerts der Wiederkaufrate herangezogen. Die restlichen Bestimmungsfaktoren können etwa anhand eines typischen No-name-Produkts oder einer typischen Handelsmarke geschätzt werden. Die Differenz des Marktanteils des Markenprodukts und des über die ConjointAnalyse ermittelten Marktanteils des No-name-Produkts entspricht der Mengenprämie der Marke. 416 417 Vgl. Sattler (1997), S. 189-191. Vgl. Parfitt/Collins (1968), S. 131-145; Sattler (1997), S. 67. 149 Die Auswahl eines Verfahrens zur Bestimmung der Mengenprämie ist allerdings nicht unabhängig von der gewählten Methodik zur Messung der Preisprämie. So wird bei der Messung der Preisprämie auf Basis der Conjoint-Analyse unterstellt, dass bei dem so ermittelten Preisunterschied die Konsumenten indifferent zwischen dem Markenprodukt und dem No-name-Produkt sind.418 Wenn die Konsumenten allerdings indifferent zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt sind, würden sie von beiden Produkten die gleiche Menge kaufen. Die Annahme einer Indifferenz der Konsumenten zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt ist damit gleichzusetzen mit der gleichen Absatzmenge zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt. Der Ansatz einer auf Basis der Conjoint-Analyse ermittelten Preisprämie hat mithin zur Folge, dass aufgrund der impliziten Prämisse der Indifferenz der Konsumenten zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt nicht gleichzeitig eine Mengenprämie angesetzt werden darf. Der gleiche Zusammenhang gilt ebenso umgekehrt. Eine auf Basis der ConjointAnalyse ermittelte Mengeprämie unterstellt Indifferenz der Konsumenten zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt und darf mithin nicht mit einer Preisprämie kombiniert werden. Ein paralleler Ansatz von Preisprämie und Mengenprämie ist mithin nur möglich, wenn beide Größen auf Basis von Marktdaten ermittelt wurden. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten: Messung Mengenprämie auf Basis Volumendifferenz-basierter Ansatz Messung Mengenprämie auf Basis Conjoint-Analyse Messung Preisprämie auf Basis Preisabstandbasierter Ansatz kombinierbar nicht kombinierbar Messung Preisprämie auf Basis Conjoint-Analyse nicht kombinierbar nicht kombinierbar Abbildung C-31: Kombinationsmöglichkeiten der Verfahren zur Ermittlung von Preisprämie und Mengenprämie Nach der Darstellung der isolierten Ermittlung von Preisprämie und Mengenprämie soll im nächsten Schritt gezeigt werden, wie die beiden Komponenten zum Umsatz der Marke zusammengeführt werden können. 418 Vgl. Sattler (1997), S. 184. 150 Der Umsatz der Marke Um ist definiert als Differenz aus dem Umsatz des Markenprodukts Up und dem Umsatz des No-name-Produkts Un: (1): mit Um Up Un Um = U p −Un = Umsatz der Marke = Umsatz des Markenprodukts = Umsatz des No-name-Produkts Nach Aufspaltung in die Preis- und Mengenkomponenten kann Gleichung (1) auch dargestellt werden als: (2) mit Um Pp Mp Pn Mn U m = Pp * M p − Pn * M n = Umsatz der Marke = Preis des Markenprodukts = Menge des Markenprodukts = Preis des No-name-Produkts = Menge des No-name-Produkts Diese Darstellung macht deutlich, dass der Umsatz der Marke nicht direkt über Preisprämie und Mengenprämie berechnet werden kann. Vielmehr dienen Preis- und Mengenprämie dazu, die Preis- und Mengenkomponenten für das No-name-Produkt herzuleiten und auf dieser Basis den Umsatz der Marke zu bestimmen. Zusammengefasst stellen sich die Werttreiber des Umsatzes der Marke damit wie folgt dar: 151 Preis des Markenprodukts Preisprämie Absatzmenge des Markenprodukts Umsatz der Marke Preis des No-nameProdukts Mengenprämie Absatzmenge des No-nameProdukts Abbildung C-32: Werttreiber des Umsatzes der Marke Für die zukünftigen Perioden ist zu untersuchen, ob die Wachstumsrate des Umsatzes des Markenprodukts von der Wachstumsrate des Umsatzes des No-name-Produkts abweicht. Die geplante Wachstumsrate der Preise von Markenprodukt und No-nameProdukt wird beeinflusst durch die geplante Inflationsrate und die Fähigkeit des Unternehmens, Preissteigerungen am Markt weiterzugeben. Eine Abweichung zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt ist wahrscheinlich, wenn das No-name-Produkt über eine schlechtere Positionierung gegenüber Konsumenten und Wettbewerb verfügt. Als Anhaltspunkt für eine Einschätzung kann die Preisentwicklung von Markenprodukt und No-name-Produkt in der Vergangenheit heranzogen werden. Sollte es bereits in den vergangenen Perioden zu einem Abweichen der Wachstumsraten gekommen sein, deutet dies darauf hin, dass die Preisentwicklungen auch in der Zukunft unterschiedlich verlaufen werden. In der Regel wird die Wachstumsrate der Absatzmenge des Markenprodukts über den geplanten Marktanteil und das geschätzte Volumen des Gesamtmarkts geplant. Auf Basis der Absatzmenge der aktuellen Periode kann auch für das No-name-Produkt der Marktanteil ermittelt werden. Für die Prognose stellt sich die Frage, ob sich die Marktanteile von Markenprodukt und No-name-Produkt mit der gleichen Wachstumsrate 152 verändern. Ähnlich wie bei der Bestimmung der Wachstumsrate der Preise kann auch hier Bezug auf die Entwicklung der Marktanteile von Markenprodukt und No-nameProdukt in der Vergangenheit genommen werden.419 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass selbst bei dem Ansatz der Wachstumsraten für Preis und Menge in gleicher Höhe bei Markenprodukt und No-name-Produkt ein absoluter Anstieg der Preis- und Mengenprämie resultiert. Der Ansatz der Preis- und Mengenprämie der aktuellen Preis- und Mengenprämie für die zukünftigen Perioden würde daher geringere Wachstumsraten des Markenprodukts implizieren und ist daher als kritisch anzusehen. 2.3.1.3 Operative Marge Zur Bestimmung der operativen Marge sind von den Umsatzerlösen die operativen Kosten abzuziehen. In dieser Arbeit werden als operative Kosten der Marke Herstellkosten, Vertriebskosten und Verwaltungskosten unterschieden. Die Abschreibungen werden in der Planungsrechnung des Fallbeispiels isoliert ausgewiesen und deshalb hier als eigener Posten behandelt. Herstellkosten Die Herstellkosten bestehen aus variablen und fixen Komponenten. Sowohl für die variablen als auch die fixen Herstellkosten ist zu untersuchen, ob ihre Höhe bei Markenprodukt und No-name-Produkt unterschiedlich ausgeprägt ist. Zu den variablen Herstellkosten zählen beispielsweise Fertigungslöhne oder Kosten für Fertigungsmaterial. Die variablen Herstellkosten können bei Markenprodukt und No-name-Produkt durch zwei Gründe voneinander abweichen. Zum einen kann eine Differenz durch eine unterschiedliche Produktionsmenge von Markenprodukt und Noname-Produkt bedingt sein. Falls bei der Berechnung der Umsatzerlöse eine Mengenprämie der Marke unterstellt wird, resultieren variable Herstellkosten, die direkt der Marke zuzurechnen sind. Die mengenbedingte Erhöhung der variablen Herstellkosten errechnet sich dann als Produkt aus der Mengenprämie und den variablen Herstellkosten pro Stück. 419 In der in Abschnitt B1.1 dargestellten Studie von Swander & Pace wurde unter anderem das Umsatzwachstum von Unternehmen mit Marken mit dem Umsatzwachstum von Unternehmen ohne Marken verglichen. Die Werte für die Markenunternehmen lagen mit 5,2% nur leicht über dem Wachstum der Unternehmen mit Noname-Produkten mit 4,9%. Dies deutet zumindest für die betrachtete Gruppe von Unternehmen für einen eher geringen Einfluss der Marke auf die Wachstumsraten von Preis und Absatzmenge hin. 153 Zum anderen könnte auch die Höhe der Stückkosten bei Markenprodukt und No-nameProdukt voneinander abweichen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn für das Markenprodukt hochwertigere Einsatzstoffe oder aufwendigere Produktionsprozesse als für das No-name-Produkt zur Anwendung kämen. Dies ist jedoch durch die in dieser Arbeit gewählte Definition des No-name-Produkts ausgeschlossen. Das No-nameProdukt wurde in Abschnitt C2.3.1.1 definiert als ein Produkt, das die gleiche Qualität wie das Markenprodukt aufweist. Mithin müssen für Markenprodukt und No-nameProdukt konsequenterweise auch identische Produktionsprozesse und Fertigungsmaterialien unterstellt werden. Aufgrund dieser Prämisse kann kein Einfluss der Marke auf die variablen Stückkosten bestehen.420 Die fixen Herstellkosten sind grundsätzlich unabhängig von der Produktionsmenge. Damit fallen sie sowohl im Fall des Markenprodukts als auch im Fall des No-nameProdukts in gleicher Höhe an. Aus diesem Grund werden keine fixen Herstellkosten für die Marke angesetzt. Zusammenfassend stellen sich die Werttreiber der (variablen) Herstellkosten der Marke wie folgt dar:421 Mengenprämie (Variable) Herstellkosten Stückkosten Abbildung C-33: Werttreiber der Herstellkosten der Marke Die Prognose der variablen Herstellkosten kann auf Basis der für das Markenprodukt geplanten Stückkosten und der für die Planung des Umsatzes der Marke angesetzten Mengenprämie vorgenommen werden. 420 Ein Einfluss der Marke auf die Stückkosten könnte eventuell durch die mit einem höheren Produktionsvolumen verbundenen Lerneffekte bedingt sein. 421 Die fixen Herstellkosten von Markenprodukt und No-name-Produkt könnten noch dadurch variieren, dass für das Markenprodukt eine andere Art von Produktionsanlagen eingesetzt wird als für das No-name-Produkt. Aufgrund der Prämisse der identischen Produktionsprozesse von Markenprodukt und No-name-Produkt Produktionsmittel gleicher Qualität verwendet werden. Aus diesem Aspekt resultiert mithin kein Einfluss auf die fixen Herstellkosten der Marke. 154 Vertriebskosten Als Vertriebskosten sollen in dieser Arbeit die Kosten für Werbung, Kosten für Händlerprovisionen sowie sonstige Vertriebskosten unterschieden werden. Für diese Komponenten ist im Folgenden zu untersuchen, ob sie bei Markenprodukt und No-nameProdukt eine unterschiedliche Höhe einnehmen und damit Vertriebskosten der Marke darstellen. Die Kosten für Werbung weichen in der Regel bei Markenprodukt und No-nameProdukt voneinander ab, da Markenprodukte zur Sicherung von Markenbekanntheit und Markenimage stärker beworben werden als No-name-Produkte. Zwar werden auch für No-name-Produkte beispielsweise Anzeigen in Printmedien geschaltet, dies erfolgt allerdings in der Regel im Zusammenhang mit einer Vielzahl von weiteren Angeboten der Verkaufsstätte. Da als Kosten für Werbung allerdings lediglich dem Markenprodukt bzw. dem No-name-Produkt direkt zurechenbare Werbemaßnahmen verstanden werden sollen, können die Kosten für Werbung des Markenprodukts in voller Höhe als Markenkosten klassifiziert werden. Bei Kosten für Händlerprovisionen ist ebenfalls davon auszugehen, dass sie bei Markenprodukt und No-name-Produkt unterschiedlich ausgeprägt sind. Hierbei sind allerdings zwei gegensätzliche Wirkungseffekte zu unterscheiden. Einerseits hängt die Höhe der Händlergebühren von der Verhandlungsmacht des Herstellers und damit wesentlich von der Stärke der Marke ab. Die Händlerprovisionen des Markenprodukts sind in dieser Hinsicht niedriger als im Fall des No-name-Produkts. Andererseits drängen Hersteller oftmals aus Imagegründen darauf, dass die Marke vom Händler an einer prominenten Stelle am Point-of-Sale platziert wird. Im Gegensatz dazu würde bei einer no-name Marke eher in Kauf genommen, dass sie an einer weniger attraktiven Stelle positioniert wird. In diesem Zusammenhang können für Markenprodukt höhere Gebühren anfallen als für das No-name-Produkt. Zusammenfassend errechnen sich die Händlerprovisionen der Marke als Differenz aus den Händlerprovisionen des Markenprodukts und des No-name-Produkts, wobei es von der relativen Stärke der Einzeleffekte abhängt, ob die Händlerprovisionen der Marke ein positives oder negatives Vorzeichen besitzen.422 Unter sonstigen Vertriebskosten werden hier die Aufwendungen für kurzfristige Werbung, Promotionaktivitäten oder Kosten für die Akquisition und Bindung von Kunden 422 In der hypothetischen Beispielrechnung von Schlaberg werden die Kosten des Händlermarketing für das Referenzprodukt (annahmegemäß kein No-name-Produkt, sondern ein Produkt aus dem mittleren Preisbereich) niedriger als für das Markenprodukt angesetzt. Vgl. Schlaberg (1997), S. 314. 155 subsumiert. Aufwendungen dieser Art fallen prinzipiell sowohl für ein Markenprodukt als auch für ein No-name-Produkt an. Für das Markenprodukt lassen sich die sonstigen Vertriebskosten direkt aus der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Kostenrechnung des Markenprodukts ablesen. Zur Bestimmung der Höhe der sonstigen Vertriebskosten für das No-name-Produkt kann auf den branchenüblichen Anteil der sonstigen Vertriebskosten am Umsatz für ein No-name-Produkt bzw. für eine schwache Marke zurückgegriffen werden. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei gleicher Relation von sonstigen Vertriebskosten zum Umsatz bei Markenprodukt und No-name-Produkt die sonstigen Vertriebskosten in absoluter Höhe aufgrund des höheren Umsatzes des Markenprodukts voneinander abweichen.423 Zusammengefasst stellen sich die Werttreiber der Vertriebskosten der Marke wie folgt dar: Kosten für Werbung Vertriebskosten Händlerprovisionen Markenprodukt und No-name-Produkt Sonstige Vertriebskosten Markenprodukt und No-name-Produkt Abbildung C-34: Werttreiber der Vertriebskosten der Marke Für die zukünftigen Perioden ist ebenfalls zu unterstellen, dass die Kosten für Werbung ausschließlich für das Markenprodukt anfallen. Sie können direkt aus der Planung des Markenprodukts direkt abgeleitet werden. 423 Allgemein ist keine Aussage möglich, ob die sonstigen Marketingkosten mit Marke oder ohne Marke höher sind. Einerseits verfügen Unternehmen mit starken Marken über einen Kundenstamm, der gegenüber eigenen Marketingaktivitäten empfänglicher reagiert als die Kunden eines No-name-Produktes. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die sonstigen Marketingkosten für Markenprodukte geringer sind als für No-name-Produkte. Vgl. Keller (1993), S. 9. Andererseits werden Markenprodukte aber auch stärker beworben, so dass auch der Anteil kurzfristiger Werbeaufwendungen größer als bei einem No-nameProdukt sein kann. 156 Die Händlerprovisionen der Marke stellen einen Anteil der gesamten Händlerprovisionen des Markenprodukts dar. Eine mögliche Vorgehensweise für die Planung besteht darin, die aktuelle Relation von Händlerprovisionen der Marke zu Händlerprovisionen des Markenprodukts auch für die Planung anzusetzen. Auf dieser Basis können die Händlerprovisionen der Marke direkt aus den geplanten Händlerprovisionen des Markenprodukts abgeleitet werden. Die gleiche Methodik kann auch für die Planung der sonstigen Vertriebskosten der Marke angewendet werden. Verwaltungskosten Die rechtliche Betreuung der Marke sowie die Überwachung möglicher Schutzrechtsverletzungen verursachen Aufwendungen im Verwaltungsbereich, die direkt der Marke zuzurechnen sind. Da diese Tätigkeiten bei einem No-name-Produkt nicht anfallen, sind die damit verbundenen Aufwendungen in voller Höhe den Aufwendungen der Marke zuzurechnen. Für die sonstigen Verwaltungskosten ist davon auszugehen, dass sie sowohl im Fall mit Marke und ohne Marke in gleicher Höhe anfallen. Aus diesem Grund bilden die sonstigen Verwaltungskosten keinen Bestandteil des Markenwerts dar. Zusammengefasst stellen sich die Werttreiber der Verwaltungskosten der Marke wie folgt dar: Verwaltungskosten Kosten für rechtlichen Schutz der Marke Abbildung C-35: Werttreiber der Verwaltungskosten der Marke Die Kosten für rechtlichen Schutz der Marke werden auch in den zukünftigen Perioden der Marke in voller Höhe zugerechnet und können direkt aus der Planung des Markenprodukts abgelesen werden. Abschreibungen Voraussetzung für den Ansatz von Abschreibungen der Marke ist eine Mengenprämie bei der Planung des Umsatzes der Marke. Wenn die höhere Produktionsmenge des Markenprodukts im Vergleich zu dem No-name-Produkt nicht mit der gleichen Anzahl von Produktionsanlagen hergestellt werden kann, besteht ein Einfluss auf die Ab157 schreibungen. Die Abschreibungen der Marke errechnen sich demzufolge als Produkt aus der Abschreibungsquote und der Differenz der Sachanlagen von Markenprodukt und No-name-Produkt. Die Werttreiber der Abschreibungen stellen sich damit wie folgt dar: Sachanlagen Markenprodukt und No-nameProdukt Abschreibungen Abschreibungsquote Abbildung C-36: Werttreiber der Abschreibungen der Marke Für die Planung der Abschreibungen der Marke ist auf Basis der zukünftigen Absatzbzw. Produktionsmengen von Markenprodukt und No-name-Produkt für die einzelnen Perioden das jeweils erforderliche Sachanlagevermögen zu bestimmen. Die Bestimmung der Absatz- bzw. Produktionsmenge des No-name-Produkts kann über die geplante Mengenprämie der einzelnen Perioden erfolgen. 2.3.1.4 Investitionen Die Untersuchung des Einflusses der Marke auf die Investitionen ist getrennt nach Investitionen in das Working Capital und Investitionen in das Anlagevermögen vorzunehmen. Investitionen in Working Capital Das Working Capital setzt sich für ein Produktionsunternehmen aus Vorräten sowie Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zusammen. Üblicherweise werden diese Posten von den Unternehmen nach Zielwerten geeigneter Kennzahlen gesteuert. Das Management der Vorräte beispielsweise erfolgt auf Basis der Kenngröße Lagerreichweite. Diese ist definiert als Quotient aus der Absatzmenge pro Tag und dem Bestand an Vorräten. Für einen Zielwert der Lagerreichweite, bei- 158 spielsweise 30 Tage, kann auf Basis der Kenntnis der täglichen Absatzmenge der erforderliche Lagerbestand an Vorräten errechnet werden. Analog werden die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen über die Forderungsreichweite, definiert als Quotient aus Umsatz pro Tag und Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, gesteuert. Die relevante Kennzahl für das Management der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ist die Verbindlichkeitsreichweite, die dem Quotient aus Materialaufwand pro Tag und dem Bestand an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen entspricht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Zielwerte zur Steuerung des Working Capital für Markenprodukt und No-name-Produkt nicht voneinander abweichen.424 Bei gleichen Zielwerten für die Kennzahlen resultiert allerdings bereits aufgrund von Differenzen bei der absoluten Höhe der Umsatzerlöse bzw. der Absatzmenge oder der Materialaufwendungen ein abweichendes Working Capital für Markenprodukt und No-name-Produkt. Unterschiede bei der absoluten Höhe des Working Capital führen dementsprechend auch zu einer unterschiedlichen Höhe der Investitionen in das Working Capital. Vor diesem Hintergrund können die Investitionen der Marke in Vorräte als Produkt aus der Veränderung der Mengenprämie zur Vorperiode und der Lagerreichweite ermittelt werden. Entsprechend sind die Investitionen der Marke in Forderungen aus Lieferungen und Leistungen definiert als Produkt aus der Veränderung des Umsatzes der Marke zur Vorperiode und der Forderungsreichweite. Schließlich ergeben sich die Investitionen der Marke in Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen durch die Multiplikation der Veränderung der Materialaufwendungen der Marke zur Vorperiode und der Verbindlichkeitsreichweite. Nachfolgende Abbildung fasst die Werttreiber der Investitionen in das Working Capital zusammen: 424 Vgl. die gleiche Annahme bei Schlaberg (1997), S. 311. 159 Mengenprämie zu Vorperiode Investitionen der Marke in Vorräte Lagerreichweite Umsatz der Marke zu Vorperiode Investitionen der Marke in Working Capital Investitionen der Marke in Forderungen aus L&L Investitionen der Marke in Verbindlichkeiten aus L&L Forderungsreichweite Materialaufwendungen der Marke zu Vorperiode Verbindlichkeitsreichweite Abbildung C-37: Werttreiber der Investitionen der Marke in Working Capital Die Abbildung macht deutlich, dass die Investitionen der Marke in das Working Capital vollständig durch die Prämissen bei der Abgrenzung der Umsatzerlöse bzw. der Herstellkosten bestimmt sind. So können Investitionen der Marke in Vorräte nur im Fall einer Mengenprämie der Marke auftreten. Ebenso sind Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen der Marke ausschließlich durch zusätzliche Materialaufwendungen der Marke bedingt. Diese können wiederum nur im Fall einer Mengenprämie der Marke auftreten. Schließlich resultieren Investitionen in Forderungen aus Lieferungen und Leistungen der Marke im Falle eines zusätzlichen Umsatzes der Marke. Dieser zusätzliche Umsatz kann durch eine Preisprämie und/oder eine Mengenprämie bedingt sein. Für die zukünftigen Perioden kann unterstellt werden, dass die Zielwerte der Kennzahlen unverändert bleiben. Die Umsatzerlöse, Absatzmengen und Materialaufwendungen werden bei der Planung der Gewinn- und Verlustrechnung prognostiziert. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Posten des Working Capital und damit auch die dazu gehörigen Investitionen auf Basis der dargestellten Methodik ableiten. 160 Investitionen in Anlagevermögen Die Investitionen der Marke in das Anlagevermögen entsprechen der Differenz der Bruttoinvestitionen in das Anlagevermögen im Fall des Markenprodukts und im Fall des No-name-Produkts. Ein Unterschied bezüglich der Höhe des Anlagevermögens zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt kann zum einen aus der Anzahl bzw. der Größe der Produktionsanlagen resultieren. Wird der Umsatz der Marke auf Basis einer Mengenprämie bestimmt, ist abzuschätzen, ob aufgrund der zusätzlichen Produktionsmenge die Anschaffung einer weiteren Produktionsanlage erforderlich ist. Zu diesem Zweck ist sowohl für Markenprodukt als auch No-name-Produkt die jährliche Produktionsmenge in das Verhältnis zur Kapazität einer Produktionsanlage zu setzen. Falls die für die Produktion des No-name-Produkts erforderliche Anzahl von Produktionsanlagen von der Anzahl der Produktionsanlagen im Fall mit Marke abweicht, ist für die Marke ein größeres Anlagevermögen als für das No-name-Produkt erforderlich. Die Differenz aus der Veränderung der Anzahl der Produktionsanlagen im Fall des Markenprodukts und des No-name-Produkts ergibt die zusätzlichen Produktionsanlagen aufgrund der Marke.425 Nach Multiplikation mit den Kosten pro Produktionsanlage resultieren die Investitionen der Marke in das Anlagevermögen. Nachfolgende Abbildung stellt die Ermittlung der Investitionen der Marke in das Anlagevermögen noch einmal im Überblick dar: Anzahl zusätzliche Produktionsanlagen gegenüber Vorperiode Markenprodukt und No-name-Produkt Investitionen der Marke in Anlagevermögen Kosten pro Produktionsanlage Abbildung C-38: Ermittlung der Investitionen der Marke in Anlagevermögen Für die zukünftigen Perioden kann die Planung der Investitionen in das Anlagevermögen auf der Basis der gleichen Methodik vorgenommen werden. Alternativ besteht 425 Die direkte Berechnung der Investitionen aus der Veränderung der Mengenprämie der Marke ist ungenau, da hierbei nicht berücksichtigt wird, dass die Produktionsanlagen nicht voll ausgelastet sein können. 161 auch die Möglichkeit, die Investitionen in das Anlagevermögen über eine Quote vom Umsatz abzuleiten. 2.3.1.5 Fremdkapital Für die Ermittlung des Eigenkapitalwerts der Marke ist der Gesamtkapitalwert der Marke um das anteilige verzinsliche Fremdkapital der Marke zu reduzieren. Zur Ermittlung des Fremdkapitals der Marke soll davon ausgegangen werden, dass Markenprodukt und No-name-Produkt über die gleiche Kapitalstruktur in Buchwerten verfügen. Die Bilanzsumme lässt sich über die Aktivseite ermitteln. Auf die Berechnung des Anlagevermögens und der unverzinslichen Forderungen als Bestandteil des Working Capital wurde bereits eingegangen. Die (operative) Kasse kann für das No-nameProdukt über die gleiche Quote zum Umsatz wie im Fall des Markenprodukts abgegrenzt und geplant werden. Vor diesem Hintergrund errechnet sich das auf die Marke entfallende verzinsliche und unverzinsliche Fremdkapital als Produkt aus der Fremdkapitalquote und der Differenz der Bilanzsumme im Fall des Markenprodukts und des No-name-Produkts. Nach Abzug der unverzinslichen Verbindlichkeiten resultiert das anteilige verzinsliche Fremdkapital der Marke: Bilanzsumme Markenprodukt und No-nameProdukt Gesamtes Fremdkapital der Marke Fremdkapitalquote Markenprodukt Verzinsliches Fremdkapital der Marke Unverzinsliche Verbindlichkeiten Abbildung C-39: Ermittlung des Fremdkapitals der Marke 162 2.3.1.6 Zusammenfassung Auf dieser Basis können Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Investitionsplanung und Kapitalflussrechnung der Marke Top Ice abgeleitet werden: 2004 2005 2006 ... 2024 697,0 2,3% 744,6 6,8% 2.577,9 6,7% Preis Markenprodukt Wachstumsrate Preis Absatzmenge Markenprodukt Wachstumsrate Absatzmenge Umsatz Markenprodukt 1,24 3,0% 1.892 2,0% 2.342,0 1,28 3,0% 1.948 3,0% 2.484,6 795,3 ... 6,8% ... ... 1,31 ... 3,0% ... 2.007 ... 3,0% ... 2.635,9 ... 2,24 3,0% 3.416 3,0% 7.639,5 Preisprämie Marke Preis no-name Produkt Wachstumsrate Preis no-name Produkt Mengenprämie Marke Absatzmenge no-name Produkt Wachstumsrate Absatzmenge no-name Produkt Umsatz no-name Produkt 0,30 0,93 3,0% 130,5 1.761 1,8% 1.644,9 0,31 0,96 3,0% 139,7 1.809 2,7% 1.740,0 0,32 0,99 3,0% 149,4 1.857 2,7% 1.840,6 ... ... ... ... ... ... ... 0,55 1,69 3,0% 416,0 3.000 2,7% 5.061,7 69,1 130,5 0,53 69,1 0,0 76,1 139,7 0,54 76,1 0,0 83,8 149,4 0,56 83,8 0,0 ... ... ... ... ... 397,5 416,0 0,96 397,5 0,0 614,8 468,4 50,0% 58,5 75,0% 87,8 652,2 496,9 50,0% 62,1 75,0% 93,2 691,9 527,2 50,0% 65,9 75,0% 98,8 ... ... ... ... ... ... 2.005,4 1.527,9 50,0% 191,0 75,0% 286,5 26,5 26,5 0,0 27,3 27,3 0,0 28,1 ... 28,1 ... 0,0 ... 47,9 47,9 0,0 -13,3 -1,91% -13,3 -11,1 -1,49% -10,6 -8,6 ... -1,08% ... -10,8 ... 127,1 4,93% 0,0 -179,5 -26,6 -5,3 -31,9 11,2 -20,7 20,7 -21,7 -4,4 -26,2 9,2 -17,0 17,0 -19,4 -4,9 -24,3 8,5 -15,8 15,8 -52,4 -23,7 -76,1 26,6 -49,5 -23,6 Gewinn- und Verlustrechnung Umsatz Marke Umsatzwachstum Herstellkosten Marke Mengenprämie Marke variable Stückkosten Marke variable Herstellkosten Marke fixe Herstellkosten Marke Vertriebskosten Marke Kosten für Werbekampagnen Anteil Marke an Kosten für Händlerprovisionen Kosten für Händlerprovisionen Anteil Marke an sonstigen Vertriebskosten sonstige Vertriebskosten der Marke Verwaltungskosten Marke Kosten für rechtlichen Schutz der Marke sonstige Verwaltungskosten der Marke EBITDA EBITDA-Marge Abschreibungen außerordentliche AfA auf Anlagevermögen EBIT Zinsen EBT Steuerzahlungen Jahresüberschuss Ausschüttung/ Verlustausgleich ... ... ... ... ... ... 163 Auf Basis der Preis- und Mengenprämie wird der Umsatz des No-name-Produkts bestimmt. Der Umsatz der Marke resultiert als Differenz des Umsatzes des Markenprodukts und des No-name-Produkts. Die Wachstumsrate des Preises wird für Markenprodukt und No-nameProdukt in identischer Höhe angesetzt. Für die Wachstumsrate der Absatzmenge wird unterstellt, dass die Absatzmenge des No-name-Produkts im Vergleich zum Markenprodukt mit dem Faktor 0,9 wächst. Die variablen Herstellkosten der Marke ergeben sich als Produkt aus der Mengenprämie der Marke und den variablen Stückkosten. Fixe Herstellkosten werden nicht angesetzt, da diese annahmegemäß für Markenprodukt und No-name-Produkt in gleicher Höhe anfallen. Bei den Vertriebskosten werden die Kosten für Werbekampagnen in voller Höhe, die Kosten für Händlerprovisionen sowie die sonstigen Vertriebskosten als Anteil von 75% bzw. 50% der Kosten im Fall des Markenprodukts angesetzt. Bei den Verwaltungskosten werden die Kosten für den rechtlichen Schutz der Marke dieser in voller Höhe zugerechnet. Für die sonstigen Verwaltungskosten wird unterstellt, dass sie für Markenprodukt und No-name-Produkt in gleicher Höhe anfallen. Deshalb werden für die Marke keine sonstigen Verwaltungskosten geplant. Die Abschreibungen errechnen sich als Produkt aus dem Abschreibungssatz (degressive Abschreibung über 5 Jahre) und der Differenz des Sachanlagevermögens im Fall mit Marke und ohne Marke. In der Berechnung werden positive Steuerzahlungen ausgewiesen. Für die Interpretation dieser Größen ist zu berücksichtigen, dass Steuerzahlungen auf der Ebene der Marke lediglich eine „theoretische“ Größe darstellen. Die Ergebnisgrößen der Marke selbst werden nicht direkt besteuert. Allerdings führt der negative Effekt der Marke auf die Steuerbemessungsgrundlage auf der übergeordneten Ebene des Markenprodukts zu einer Reduktion von Steuerzahlungen des Markenprodukts. Ohne Existenz der Marke würde die Steuerbemessungsgrundlage des Markenprodukts höher sein und damit auch zu höheren Steuerzahlungen führen. Aus diesem Grund muss für die Bewertung der Marke gleichsam eine „Steuergutschrift“ ausgewiesen werden. Eine ähnliche Begründung ist auch für den Posten „Ausschüttung/Verlustausgleich“ vorzunehmen. In Perioden, in denen negative Jahresüberschüsse auf der Ebene der Marke resultieren, wird die Marke durch das Markenprodukt gleichsam „subventioniert“, indem ein Verlustausgleich vorgenommen wird. Bilanz abschreibbares Anlagevermögen Vorräte Forderungen aus L&L Kassenbestand Aktiva Eigenkapital Darlehen Kontokorrent Verbindlichkeiten aus L&L Passiva 164 2003 2004 2005 2006 ... 2024 66,6 10,7 56,0 20,4 153,7 53,2 10,7 57,3 20,9 142,2 54,2 11,5 61,2 22,3 149,2 55,3 12,3 65,4 23,9 156,8 ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 73,1 37,0 38,1 5,5 153,7 73,1 38,0 25,4 5,7 142,2 73,1 39,0 30,9 6,3 149,2 73,1 40,0 36,8 6,9 156,8 ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Im Rahmen der Investitionsplanung werden über den Vergleich der Absatzmengen von Markenprodukt und No-name-Produkt und der Kapazität pro Maschine die für Markenprodukt und No-name-Produkt jeweils erforderlichen Investitionen berechnet. 2004 2005 1.891,6 1.761,1 10,0 190,0 177,0 4,0 4,0 11,3 45,0 45,0 0,0 1.948,4 1.808,6 10,0 195,0 181,0 5,0 4,0 11,6 58,0 46,4 11,6 0,0 0,0% 11,6 1,6% 2006 ... 2024 Investitionsplanung Absatzmenge Markenprodukt Absatzmenge no-name Produkt Kapazität pro Maschine Benötigte Maschinen Markenprodukt Benötigte Maschinen no-name Produkt Veränderung Maschinen Markenprodukt Veränderung Maschinen no-name Produkt Kosten pro Maschine Investitionen Markenprodukt Investitionen no-name Produkt Zusätzliche Investitionen Marke Investitionen der Marke Quote der Investitionen vom Umsatz 2.006,8 1.857,5 10,0 201,0 186,0 6,0 5,0 11,9 71,6 59,7 11,9 ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... 3.416,5 3.000,5 10,0 342,0 301,0 10,0 8,0 20,3 203,3 162,6 40,7 11,9 ... 1,5% ... 40,7 1,6% Auf dieser Grundlage stellt sich die Kapitalflussrechnung wie folgt dar: Kapitalflussrechnung Jahresüberschuss Zinsen Abschreibungen Veränderungen Vorräte Veränderungen Ford. aus L&L Veränderungen Verb. aus L&L Cashflow operativ Cashflow Investitionen Veränderung Darlehen Veränderung Kontokorrent Ausschüttung/ Verlustausgleich Zinsen Cashflow Finanzierung Cashflow Gesamt 2004 2005 2006 ... 2024 -20,7 5,3 13,3 0,0 -1,3 0,2 -3,3 -17,0 4,4 10,6 -0,8 -3,9 0,6 -6,0 -15,8 4,9 10,8 -0,8 -4,2 0,6 -4,4 ... ... ... ... ... ... ... -49,5 23,7 179,5 32,5 198,6 -30,1 354,7 0,0 -11,6 -11,9 ... -40,7 1,0 -12,7 20,7 -5,3 3,8 1,0 5,4 17,0 -4,4 19,0 0,5 1,4 1,0 6,0 15,8 -4,9 17,9 ... ... ... ... ... -40,0 -299,1 -23,6 -23,7 -386,5 1,5 ... -72,5 Diese Daten sind die Basis für die Ermittlung des Markenwerts auf Basis des Cash-Konzepts bzw. auf Basis des Accrual-Konzepts im folgenden Abschnitt C2.3.2. Nach der Darstellung der Werttreiber des Markenwerts ist im folgenden Abschnitt zu untersuchen, auf welche Weise die Messung des Markenwerts erfolgt. 165 2.3.2 Messung des Markenwerts Auf Basis der Werttreiber des Markenwerts kann ein Wert für die Marke bestimmt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Free Cashflow als Zahlungsstrom vor Zinsen einem Gesamtkapitalkostensatz gegenübergestellt wird. Das Resultat dieser Bewertung ist mithin ein Gesamtkapitalwert der Marke. Zur Ermittlung des Markenwerts aus Sicht der Eigentümer des Unternehmens ist von dem Gesamtkapitalwert der anteilige Marktwert des Fremdkapitals zum Bewertungsstichtag zu subtrahieren. Für die Marke Top Ice resultiert auf Basis der zukünftigen Free Cashflows der Marke mithin der folgende Markenwert: 2003 DCF-Bewertung EBIT Steuerzahlungen NOPLAT Abschreibungen Investitionen ins Anlagevermögen Investitionen ins Netto-Umlaufvermögen Veränderung Kasse Free Cashflow WACC Barwertfaktor Barwert der Free Cashflows Gesamtwert Marke Marktwert des Fremdkapitals Marke Marktwert des Eigenkapitals Marke -30,4 75,1 -105,5 2004 2005 -26,6 9,3 -17,3 13,3 0,0 -1,1 -0,5 -5,6 10,00% 0,91 -5,1 -27,8 -21,7 7,6 -14,1 10,6 -11,6 -4,1 -1,4 -20,6 10,00% 0,83 -17,0 -10,1 2006 ... -19,4 6,8 -12,6 10,8 -11,9 -4,3 -1,5 -19,6 10,00% 0,75 -14,7 8,5 ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... 2024 -52,4 18,3 -34,0 179,5 -40,7 200,9 72,5 378,2 10,00% 0,14 51,1 0,0 Der gleiche Wert ergibt sich auch auf der Grundlage von Residualgewinnen: 2003 Residualgewinn-Bewertung NOPLAT Investiertes Kapital Capital Charge Residualgewinn Barwertfaktor Barwert der Residualgewinne Summe der Barwerte der Residualgewinne Gesamtwert Marke Marktwert des Fremdkapitals Marke Marktwert des Eigenkapitals Marke 148,2 2004 2005 2006 2024 -17,3 136,5 -14,8 -32,1 -14,1 143,0 -13,7 -27,8 -12,6 149,9 -14,3 -26,9 ... ... ... ... -34,0 0,0 -41,2 -75,3 0,91 -29,2 0,83 -23,0 0,75 ... -20,2 ... 0,14 -10,2 -178,6 -30,4 75,1 -105,5 Als Ergebnis resultiert mithin ein negativer Gesamtkapitalwert sowie Eigenkapitalwert der Marke. Die Darstellung einer Beispielrechnung mit einem negativen (Brutto)-Kapitalwert der Marke mag zunächst ungewöhnlich erscheinen. Allerdings kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Marke immer wertschaffend ist. 166 Das Marken-Rating ist bewusst so konzipiert, dass es alle Konstellationen in Bezug auf Wertschaffung oder -vernichtung auf der Ebene des Markenprodukts und der Marke als immaterieller Vermögenswert abbilden kann. Vor diesem Hintergrund soll die Ermittlung eines negativen Markenwerts die Analysemöglichkeiten des Marken-Ratings verdeutlichen. Der Markenwert ist definiert als die Differenz der Werte von Markenprodukt und No-nameProdukt. Zur Kontrolle der Ergebnisse der Bewertung wird in dieser Arbeit deshalb auch der Wert für das No-name-Produkt ermittelt. Hierbei resultiert ein Gesamtkapitalwert von 2.263 426 und ein Eigenkapitalwert von 1.953. Zur Kontrolle können diese Werte den entsprechenden Größen für Markenprodukt und Marke gegenübergestellt werden: Gesamtwert Markenprodukt Gesamtwert Marke Gesamtwert no-name Produkt 2.232,6 -30,4 2.263,0 Eigenkapitalwert Markenprodukt Eigenkapitalwert Marke Eigenkapitalwert no-name Produkt 1.846,8 -105,5 1.952,3 Es zeigt sich, dass die Summe aus dem Wert für das No-name-Produkt und dem Wert für die Marke den Wert des Markenprodukts ergibt. Dies entspricht der Definition des Markenwerts in dieser Arbeit. Ähnlich wie im Fall des Markenproduktwerts ist bei der Überführung des Markenwerts in einen Punktwert zu berücksichtigen, dass der Bruttokapitalwert der Marke in das Verhältnis zu dem investierten Kapital gesetzt werden muss, um eine Aussage über Wertschaffung oder -vernichtung ermöglichen zu können. In Anlehnung an den relativen Kapitalwert des Markenprodukts wird der relative Kapitalwert der Marke RKWM definiert als: T (1) RKWm = mit RKWm t T FCFm WACCm ICm EVm 426 t =1 FCFm (1 + WACC m ) t EVm = IC m IC m = Relativer Kapitalwert der Marke = Zeitindex = letzte Periode des Bewertungszeitraums = Free Cashflow der Marke = Gesamtkapitalkostensatz der Marke = Investiertes Kapital der Marke = Gesamtkapitalwert der Marke Die Berechnungen sind im Anhang dargestellt. 167 Auf dieser Grundlage kann der relative Kapitalwert der Marke errechnet und die Einteilung des relativen Kapitalwerts der Marke gemäß der fünfstufigen Skala vorgenommen werden: Punktwert Ausprägung RKWm 1 RKWm < 0 2 0 < RKWm < 1 3 1< RKWm < 2 4 2 < RKWm < 3 5 RKWm > 3 Abbildung C-40: Zuordnung von Ausprägungen des relativen Kapitalwerts der Marke zu Punktwerten auf der Rating-Skala Die Festlegung der Einstufungen erfolg analog dem Vorgehen im Fall des Markenprodukts. Deshalb kann an dieser Stelle an die Erläuterungen des Abschnitts C2.2.2 verwiesen werden. Für die Marke Top Ice errechnet sich zum Bewertungsstichtag und für die zukünftigen Perioden der relative Kapitalwert der Marke in folgender Höhe: 2003 2004 2005 2006 -30,4 148,2 -0,2 -27,8 136,5 -0,2 -10,1 143,0 -0,1 8,5 ... 149,9 ... 0,1 ... 2024 Relativer Kapitalwert Marke Gesamtwert Marke Investiertes Kapital Marke Relativer Kapitalwert Marke 0,0 0,0 n/a Ein relativer Kapitalwert der Marke in Höhe von -0,2 zum Bewertungsstichtag 31.12.2003 entspricht einem Punktwert 1 auf der fünfstufigen Rating-Skala. Mit der Bewertung des Markenwerts ist die Messung und Bewertung der Kriterien für eine Einzelmarke abgeschlossen. Im nächsten Abschnitt wird mit dem Kriterium des Beitrags zum Markenportfolio eine Dimension eingeführt, die für Marken innerhalb eines Markenportfolios zusätzlich relevant ist. 168 2.4 Beitrag zum Markenportfolio Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurde die Entwicklung des Marken-Ratings im Kontext einer Einzelmarke vorgenommen. Der Fall der Einzelmarke bildet allerdings nur einen Teil der in der Praxis vorherrschenden Konstellationen ab. Vielmehr verfügen die meisten Unternehmen über mehr als eine Marke.427 In dieser Arbeit soll für die Konstellation von mehreren Marken eines Unternehmens der Begriff Markenportfolio verwendet werden.428 Innerhalb eines solchen Portfolios kann die einzelne Marke mehr oder weniger gut mit den anderen Marken harmonieren. Das Ausmaß, mit dem sich die Marke mit den anderen Marken des Markenportfolios ergänzt, wird in dieser Arbeit als Beitrag zum Markenportfolio bezeichnet und als eigenes Kriterium im Rahmen des Marken-Ratings behandelt. Gegenstand des folgenden Abschnitts C2.4.1 ist die Darstellung der Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio. Darauf aufbauend wird in Abschnitt C2.4.2 erläutert, wie die Messung des Beitrags zum Markenportfolio erfolgt. Das Management und die Gestaltung von Markenportfolios stellt ein komplexes Feld dar, das auch in der Marketing-Literatur in bestimmten Aspekten erst ansatzweise erfasst wird.429 Aus diesem Grund ist mit den folgenden Ausführungen nicht der Anspruch verbunden, die Komplexität des Untersuchungsobjekts einigermaßen adäquat abzubilden. Vielmehr sollen erste Ansatzpunkte für die Integration der Portfolioperspektive in ein Markenbewertungsverfahren aufgezeigt werden. Damit soll die von Aaker/Joachimsthaler so genannte „brand-is-an-island trap“430 vermieden werden: „Looking at brands as stand-alone silos is a recipe for confusion and inefficiency.”431 2.4.1 Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio Die Marken innerhalb eines Markenportfolios stehen in Wechselbeziehungen zueinander. Diese Interdependenzen können zum einen zwischen Marken auf einer Hierar- 427 428 429 430 431 Vgl. dazu die empirische Untersuchung von Laforet/Saunders (1994), S. 66-75. Die Autoren folgern aus ihren Ergebnissen: „Given that 50 percent of the products studied carried more than one brand name, it is surprising that a single brand with a single brand name dominates thought and research.“ Laforet/Saunders (1994), S. 66. In der Literatur wird teilweise zwischen Markenportfolio und Markenarchitektur differenziert. Vgl. beispielsweise Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 134 f.; Esch (2003), S. 359 u. S. 402. In dieser Arbeit werden die Begriffe allerdings synonym verwendet. Vgl. beispielsweise Esch (2003), S. 410. Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 133. Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 133. 169 chieebene und zum anderen zwischen Marken auf verschiedenen Hierarchieebenen bestehen.432 Bei der Analyse von Wechselbeziehungen zwischen Marken auf der gleichen Hierarchieebene ist zu unterschieden, ob sich die Marken in der gleichen oder in unterschiedlichen Produktkategorien befinden.433 Der erste Fall entspricht konzeptionell dem Management von mehreren Einzelmarken. In diesem Fall ist daher keine Erweiterung des Marken-Ratings für eine Einzelmarke erforderlich. Der alternative Fall ist durch Führung von mehreren Marken in einer Produktkategorie gegeben.434 Diese Strategie basiert auf dem Grundgedanken, dass es besser ist, wenn Konsumenten innerhalb einer Produktkategorie zwischen mehreren Marken des eigenen Unternehmens wählen können, als zwischen der eigenen Marke und den Marken von Konkurrenten.435 Zentrale Gefahr hierbei ist jedoch, dass die Abgrenzungsfähigkeit der Marken nicht gegeben ist und daher Kannibalisierungseffekte zwischen den Marken auftreten.436 Vor diesem Hintergrund stellt die Abgrenzungsfähigkeit der Marken innerhalb einer Produktkategorie den ersten Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio dar.437 Die zweite relevante Dimension der Wechselbeziehungen innerhalb eines Markenportfolios wird durch die Beziehung zwischen Marken auf verschiedenen Hierarchieebenen repräsentiert. Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands werden in dieser Arbeit ausschließlich die Beziehungen zwischen Unternehmensmarke und Produktmarken betrachtet.438 Als Erfolgsmerkmal soll hierbei angesehen werden, wie gut sich Unternehmensmarke und Produktmarke ergänzen.439 Die Kompatibilität zwischen Unternehmens- und Produktmarke stellt mithin den zweiten Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio dar. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die möglichen Wechselbeziehungen zwischen den Marken innerhalb eines Markenportfolios und die hieraus abgeleiteten Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio: 432 Vgl. zu einem Bezugsrahmen möglicher Über- und Unterordnungsverhältnisse zwischen Marken Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 105. 433 Vgl. Esch (2003), S. 359. 434 Vgl. zu den Charakteristika einer solchen Mehrmarkenstrategie Meffert/Perrey (2000), S. 625-627. 435 Vgl. Mason/Milne (1994), S. 163. 436 Vgl. Meffert/Perrey (2000), S. 631. Für Beispiele zu Kannibalisierungen vgl. Copulsky (1976), S. 103-105. Teilweise kann eine Kannibalisierung allerdings auch in begrenztem Maße gewünscht sein, wenn dadurch Abwanderungen zu den Marken des Wettbewerbs verhindert werden sollen. 437 Vgl. Keller (2000a), S. 152. 438 Die dargestellte Methodik kann prinzipiell aber auch auf andere Über- und Unterordnungsverhältnisse übertragen werden. 439 Vgl. Esch (2003), S. 403. 170 Unternehmensmarke Produktmarke A Abgrenzungsfähigkeit Kompatibilität Kompatibilität Kompatibilität Produktmarke B Produktbereich 1 Produktmarke C Produktbereich 2 Abbildung C-41: Wechselbeziehungen innerhalb eines Markenportfolios Die Produktmarken A und B befinden sich innerhalb des gleichen Produktbereichs. Aus diesem Grund bildet für diese Marken neben der Kompatibilität mit der Unternehmensmarke auch die gegenseitige Abgrenzungsfähigkeit einen Werttreiber. Die Produktmarke C ist die einzige Marke des Unternehmens in ihrem Produktbereich, so dass für diese Marke lediglich die Kompatibilität mit der Unternehmensmarke einen Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio darstellt.440 Nach dieser Erläuterung der Grundlagen werden im Folgenden Abgrenzungsfähigkeit und Kompatibilität als Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio näher erläutert. Abgrenzungsfähigkeit Analog zu der Strukturierung bei der Erläuterung der Werttreiber Markenbekanntheit und Markenimage in den Abschnitten C2.1.1.2 und C2.1.1.3 erfolgt die Darstellung der Abgrenzungsfähigkeit in drei Schritten. Zunächst wird kurz auf die Dimensionen der Abgrenzungsfähigkeit eingegangen. Darauf aufbauend wird ausgeführt, wie die Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit erfolgen kann. Im letzten Schritt wird die Transformation der Ergebnisse der Operationalisierung in einen Punktwert auf der Rating-Skala beschrieben. Als Dimensionen der Abgrenzungsfähigkeit werden die Konstrukte Diskriminationsfähigkeit und Prägnanz betrachtet.441 Die Prägnanz bezieht sich auf die Fähigkeit einer Marke, die für sie typischen Merkmale klar zu vermitteln. Unter der Diskriminations440 441 Die Relevanz der verschiedenen Größen für Marken innerhalb eines Markenportfolios wird in Abschnitt C3.2 näher diskutiert. Vgl. zum Folgenden Esch (2003), S. 368 f. 171 fähigkeit wird die Unterscheidungsfähigkeit der Marke in der subjektiven Wahrnehmung der Konsumenten verstanden. Als zentrale Stellhebel zur Beeinflussung von Diskriminationsfähigkeit und Prägnanz gelten das Produktdesign und die Kommunikation. Zur Sicherstellung der Abgrenzungsfähigkeit sind für jede Marke die zentralen Merkmale festzulegen, die das Image und die Bekanntheit der Marke fördern. „Daraus ergibt sich im Kern ein dreidimensionaler Raum, in dem man die Prägnanz und Diskriminationsfähigkeit für die aus strategischer Sicht zentralen Elemente der einzelnen Marken erfassen kann.“442 Die Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit umfasst zwei Elemente.443 Zum einen ist zu untersuchen, inwieweit Prägnanz und Diskriminationsfähigkeit der Marke gegeben sind. Dabei ist sowohl auf die „objektive“ Differenzierung als auch auf die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten einzugehen. Zur Bestimmung der Differenzierung der Marken in der subjektiven Wahrnehmung der Konsumenten können die Imageanalysen der einzelnen Marken in Bezug auf Überschneidungen analysiert werden. Eine Möglichkeit besteht darin, die Images der einzelnen Marken mit den relevanten Zielgruppensegmenten in einer graphischen Darstellung zu verknüpfen, um auf diese Weise Überschneidungen deutlich zu machen.444 Zum anderen ist zu untersuchen, ob und in welchem Maße zwischen den Marken Kannibalisierungseffekte bestehen. Die Messung von Kannibalisierungseffekten kann auf Basis von Gewinn- und Verlust-Analysen vorgenommen werden.445 Diese Analysen vermitteln eine Aussage darüber, welche der Marken Marktanteile an Wettbewerbsmarken verliert oder gewinnt und welche der Marken an welche Marke innerhalb des eigenen Markenportfolios Marktanteile verliert oder gewinnt. Nicht alle Markenwechsel von Marken innerhalb des Markenportfolios sind allerdings als Kannibalisierung zu betrachten. Eine Kannibalisierung liegt nur dann vor, wenn die Konsumenten ohnehin nicht zu einer Konkurrenzmarke gewechselt hätten.446 Resultat der Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit ist zum einen eine Aufbereitung der Imagemessung in Bezug auf Überschneidungen und zum anderen eine quantitative Abbildung der Kannibalisierungseffekte zwischen den Marken. 442 443 444 445 446 Esch (2003), S. 370. Vgl. Esch (2003), S. 370. Vgl. DeSarbo/Wu (2001), S. 250 f. Vgl. Esch (2003), S. 379. Vgl. Esch (2003), S. 379. 172 Für die Ergebnisse der Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit ist im letzten Schritt eine Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala vorzunehmen. Eine sehr gute (sehr schlechte) Abgrenzungsfähigkeit für die Marken innerhalb eines Produktbereichs liegt vor, wenn sowohl bei der Analyse der Images der Marke als auch in Bezug auf das Kaufverhalten der Konsumenten keine (hohe) Überschneidungen erkennbar sind. Die Einschätzung der Abgrenzungsfähigkeit erfordert mithin die parallele Interpretation der qualitativen Analysen der Images als auch der quantitativen Messungen von Kannibalisierungseffekten. Eine allgemeine Zuordnungsregel von Messergebnissen zu Punktwerten auf der Rating-Skala ist – ebenso wie bei Markenbekanntheit und Markenimage – nicht möglich. Grundlage für die Transformation der Messergebnisse in einen Punktwert auf der Rating-Skala muss daher letztlich das Urteil des Managements bzw. des Bewerters sein. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die Grundidee: Imageanalysen und Messung Kannibalisierungseffekte 1 2 3 4 5 Qualitative Einschätzung sehr schlecht durchschlecht schnittlich gut sehr gut Abbildung C-42: Transformation der Ergebnisse der Operationalisierung der Abgrenzungsfähigkeit in einen Punktwert auf der Rating-Skala Neben der Abgrenzungsfähigkeit stellt die Kompatibilität den zweiten Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio dar. Kompatibilität Als Dimensionen der Kompatibilität können die verschiedenen Rollen von Unternehmens- bzw. Produktmarken in ihrem gegenseitigen Verhältnis betrachtet werden. Aaker/Joachimsthaler unterscheiden zwischen Unterstützern („Endorsers“) und SubMarken („Subbrands“).447 Eine unterstützende Marke soll dem Angebot Glaubwürdigkeit und Vertrauen vermitteln. Da diese Assoziationen in der Regel mit Institutionen in Verbindung gebracht werden, nehmen eher Unternehmensmarken als Produktmarken eine Funktion als Unterstützer ein. Sub-Marken dagegen verstärken oder modifizieren die Assoziationen einer übergeordneten Marke.448 Vor diesem Hintergrund bezieht sich die Funktion als Sub-Marke eher auf Produktmarken als auf Unternehmensmarken. 447 448 Vgl. Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 102 f. Als Beispiele für Sub-Marken können die Modellreihen 3-er, 5-er oder 7-er bei BMW betrachtet werden. 173 Die Operationalisierung der Kompatibilität zwischen Unternehmens- und Produktmarke erfolgt auf Basis der im Rahmen der Operationalisierung des Markenimages vorgenommenen Analysen. Diese sind allerdings differenziert für die beiden Fälle der Marke als Unterstützer und als Sub-Marke auszuwerten. Für Marken mit der Funktion als Unterstützer ist zu überprüfen, in wie weit sie tatsächlich von den Konsumenten wahrgenommen wird und sich im Image der Produktmarke niederschlägt. Im Fall der Marke mit der Funktion als Sub-Marke sind die mit den Marken verbundenen Assoziationen und Werte darauf hin zu untersuchen, ob und wie stark die untergeordnete auf die übergeordnete Marke „einzahlt“. Der Idealfall ist dadurch gegeben, dass die beiden Marken nur leicht voneinander abweichen und sich dabei gegenseitig um positive Assoziationen und Werte ergänzen. Für die Ergebnisse der Operationalisierung der Kompatibilität ist im letzten Schritt eine Transformation in einen Punktwert auf der Rating-Skala durchzuführen. Die Operationalisierung der Kompatibilität zwischen Unternehmensmarke und Produktmarke erfolgt im Rahmen von Imageanalysen. Für die Einstufung auf der Rating-Skala ist von dem Management bzw. dem Bewerter eine qualitative Einschätzung der Ergebnisse dieser Imageanalysen vorzunehmen: 1 Imageanalysen 2 3 4 5 Qualitative Einschätzung sehr schlecht durchschlecht schnittlich gut sehr gut Abbildung C-43: Transformation der Ergebnisse der Operationalisierung der Kompatibilität in einen Punktwert auf der Rating-Skala Für die Anwendung auf das Fallbeispiel ist die Marke Top Ice in Bezug auf die Werttreiber Abgrenzungsfähigkeit und Kompatibilität zu überprüfen. Da Top Ice die einzige Marke innerhalb des Geschäftsbereichs Ice Cream darstellt, ist der Werttreiber Abgrenzungsfähigkeit für Top Ice nicht relevant. Auf der Verpackung von Top Ice findet sich kein Hinweis auf die Unternehmensmarke BRAND. Trotzdem kann untersucht werden, ob das Image von Top Ice grundsätzlich zur Unternehmensmarke BRAND sowie zur Markenphilosophie des Markenportfolios passt. Analysen zeigen, dass die mit Top Ice verbundenen Assoziationen sehr gut mit der Grundausrichtung des Markenportfolios in Richtung Jugendlichkeit und Sportlichkeit harmonieren. Aus diesem Grund wird die Kompatibilität von Top Ice mit der Note 4,5 bewertet. 174 Nach der Darstellung der Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio wird im nächsten Abschnitt dargestellt, wie die Ergebnisse zur Messung des Beitrags zum Markenportfolio zusammengeführt werden können. 2.4.2 Messung des Beitrags zum Markenportfolio Ergebnis der Betrachtung der Werttreiber des Beitrags zum Markenportfolio ist jeweils ein Punktwert auf der Rating-Skala. Die Messung des Beitrags zum Markenportfolio erfordert die Aggregation dieser Werte. In diesem Zusammenhang ist zu klären, wie diese Aggregation vorzunehmen ist. Hierbei soll differenziert werden zwischen einer positiven und einer negativen Ausprägung der Werttreiber. Ein Punktwert von 3 oder größer auf der Rating-Skala drückt aus, dass für das Management in diesem Bereich grundsätzlich kein Handlungsbedarf besteht. Falls daher beide Werttreiber mindestens den Wert 3 annehmen, wird der Durchschnitt zwischen den beiden Größen gebildet. Sollte einer der beiden Werttreiber allerdings über einen Wert kleiner 3 verfügen, wird der niedrigere der beiden Werte als Gesamt-Punktwert für den Beitrag zum Markenportfolio angesetzt. Damit soll verhindert werden, dass ein Handlungsbedarf in einem der beiden Bereiche aufgrund einer Kompensation der Ausprägungen der Werttreiber nicht sichtbar wird. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht noch einmal die Methodik der Aggregation der Punktwerte für die Werttreiber Abgrenzungsfähigkeit und Kompatibilität zur Messung des Beitrags zum Markenportfolio: Abgrenzungsfähigkeit < 3 Kompatibilität < 3 Kompatibilität kleinerer Wert Punktwert für 3 Abgrenzungsfähigkeit Abgrenzungsfähigkeit 3 Punktwert für Kompatibilität Durchschnitt Abbildung C-44: Integration der Werttreiber zum Gesamtwert für den Beitrag zum Markenportfolio Für die Marke Top Ice kann lediglich die Kompatibilität gemessen werden. Diese wurde mit dem Wert 4,5 bewertet. Aus diesem Grund entspricht dieser Wert auch dem Gesamtwert für den Beitrag zum Markenportfolio. 175 Mit der Darstellung des Beitrags zum Markenportfolio ist die Erläuterung der Kriterien des Marken-Ratings abgeschlossen. Auf dieser Grundlage kann im Folgenden gezeigt werden, wie die Punktwerte von Markenstärke, Markenproduktwert, Markenwert und Beitrag zum Markenportfolio zu einem Rating der Marke integriert werden können. Dabei wird differenziert nach dem Rating einer Einzelmarke und dem Rating der Marken eines Markenportfolios. 3 Rating der Marke 3.1 Rating einer Einzelmarke Resultat der Messungen von Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert ist jeweils ein Punktwert auf der fünfstufigen Rating-Skala.449 Diese Komponenten sind zu dem Rating der Marke zusammenzuführen. Das Rating der Marke entspricht dem „true and fair view“ der Marke. Bei der Erläuterung der Struktur des Marken-Ratings in Abschnitt C1 wurde bereits dargestellt, dass Marketing- und Finanzperspektive im Rahmen des Marken-Ratings nicht zu einem Wert aggregiert werden, sondern als isolierte Komponenten in das Rating der Marke einfließen. Auf Basis dieser methodischen Grundsatzentscheidung können im Folgenden die möglichen Ausprägungen des Ratings einer Einzelmarke aufgezeigt werden. Hierbei sei zur Klarstellung noch einmal darauf hingewiesen, dass Markenprodukt-/ Markenkombinationen im Rahmen des Marken-Ratings betrachtet werden. Das Rating der Marke entspricht damit genau genommen dem Rating einer Markenprodukt-/ Markenkombination. Zur graphischen Darstellung des Ratings der Marke werden die Ausprägungen der Markenstärke auf der Abszisse und die Ausprägungen von Markenproduktwert (MPW) bzw. Markenwert (MW) auf der Ordinate vorgenommen. Ergebnis ist eine VierFelder-Matrix. Hierbei stellt der Wert 3 als Mittelpunkt der fünfstufigen Skala die Trennlinie zwischen den Feldern dar. Auf dieser Grundlage resultieren acht mögliche Kombinationen, die jeweils in einen Ratingwert überführt werden können: 449 Da hier eine Einzelmarke betrachtet wird, ist das Kriterium Beitrag zum Markenportfolio nicht relevant. 176 Rating A+: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Ein Rating A+ entspricht dem bestmöglichen Ratingwert. In diesem Fall verfügen Markenproduktwert und Markenwert über einen Punktwert auf der Ratingskala größer als 3. Dies bedeutet, es wird sowohl auf der Ebene des Markenprodukts als auch auf der Ebene der Marke Wert geschaffen. Zusätzlich wird auch die Markenstärke mit einem Punktwert größer als 3 eingestuft. Die finanzielle Wertschaffung basiert mithin auf einer starken Position der Marke bei den Konsumenten und im Markt. Rating A-: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Ein Ratingwert A- unterscheidet sich von dem Rating A+ dadurch, dass die Markenstärke lediglich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Allerdings erzielen sowohl Markenprodukt als auch Marke eine höhere Rendite als die Kapitalkosten auf das in sie investierte Kapital. Damit wird sowohl auf der Ebene der Marke als auch auf der Ebene des Markenprodukts Wert geschaffen. Die schwache Markenstärke könnte allerdings ein Risiko in der Zukunft darstellen. 177 Rating B+: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Während bei einem A-Rating sowohl auf der Ebene des Markenprodukts als auch auf der Ebene der Marke Wert geschaffen wird, ist bei einem B-Rating eine Differenzierung vorzunehmen. Ein B-Rating wird vergeben, wenn lediglich auf der Ebene des Markenprodukts eine Rendite in Höhe der Kapitalkosten erreicht wird. In diesem Fall wird zwar insgesamt noch Wert für das Unternehmen generiert, die Marke selbst reduziert aber den Wert des Markenprodukts. Die hohe Markenstärke kann als Potential und Chance für die Zukunft betrachtet werden. Rating B-: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Der Unterschied gegenüber dem Ratingwert B+ besteht hier in der unterdurchschnittlichen Ausprägung der Markenstärke. Mithin wird zwar gesamthaft Wert für das Unternehmen geschaffen, die Marke selbst allerdings vernichtet aus einer finanziellen Perspektive Wert und verfügt zudem über eine schwache Position bei den Konsumenten und im Markt. Diese Konstellation besitzt mithin trotz des insgesamt positiven Beitrags zum Unternehmenswert ein deutliches Risikopotential. 178 Rating C+: Markenproduktwert, Markenwert MW MPW Markenstärke Ein C-Rating wird vergeben, wenn nur noch die Marke Wert generiert, das gesamte Produkt dagegen aus Sicht des Unternehmens Wert vernichtet. Bei einer ceteris paribus Betrachtung ohne Berücksichtigung von Synergien oder einer „strategischen“ Bedeutung würde der Wert des Unternehmens steigen, wenn das Produkt aus dem Portfolio entfernt würde. Die hohe Markenstärke deutet allerdings auf ein Potential der Marke hin. Rating C-: Markenproduktwert, Markenwert MW MPW Markenstärke Bei einem Ratingwert C- ist die Wertvernichtung auf Produktebene zusätzlich begleitet durch eine schwache Markenstärke. Diese Kombination lässt eine Wandlung des Produkts von einem Wertvernichter zu einem Wertschaffer schwierig erscheinen. 179 Rating D+: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Ein D-Rating entspricht einer Wertvernichtung sowohl auf der Produkt- als auch auf der Markenebene. Weder das Produkt noch die Marke werden rentabel geführt. Einen Ansatzpunkt für eine Verbesserung könnte allerdings die hohe Markenstärke darstellen. Rating D-: Markenproduktwert, Markenwert MPW MW Markenstärke Diese Kombination umfasst die ungünstigste Ausprägung der drei Kriterien. Eine Wertvernichtung auf Ebene von Produkt und Marke wird begleitet durch eine schlechte Markenstärke. Die Darstellung hat gezeigt, dass die hier gewählte Struktur des Ratings die Stärken und Schwächen der Marken offen legt. Dieser Aspekt wird in Abschnitt D1 aufgegriffen, wenn auf Basis des Marken-Ratings das Markenportfolio und die einzelnen Marken in Bezug auf die Ableitung von strategischen Stoßrichtungen untersucht werden. Zunächst ist allerdings noch im folgenden Abschnitt darauf einzugehen, wie sich das Rating der Marken eines Markenportfolios darstellt.450 450 Da die Marke Top Ice eine Marke innerhalb eines Markenportfolios darstellt, wird die Anwendung der Überlegungen auf das Fallbeispiel erst in Abschnitt C3.2 gemeinsam mit den anderen Marken des Portofolios von BRAND vorgenommen. 180 3.2 Rating der Marken eines Markenportfolios Gegenüber dem Rating einer Einzelmarke ist das Rating der Marken eines Markenportfolios um das Kriterium Beitrag zum Markenportfolio zu erweitern. Die Bewertung des Beitrags zum Markenportfolio wird in Form eines Punktwerts auf der fünfstufigen Skala vorgenommen. Entsprechend der zweistufigen Unterteilung der Markenstärke in einen positiven und einen negativen Ratingwert wird auch für den Beitrag zum Markenportfolio eine zweistufige Unterteilung für das Rating vorgenommen. Ein Punktwert für den Beitrag zum Markenportfolio größer oder gleich 3 wird mit einem a gekennzeichnet, ein Punktwert für den Beitrag zum Markenportfolio kleiner 3 wird als b klassifiziert. Das Rating für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios reicht mithin von dem bestmöglichen Wert Aa+ bis zu dem schlechtesten möglichen Wert Db-. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die Marken eines Markenportfolios nicht immer alle Komponenten des Marken-Ratings sinnvoll bestimmt werden können. Dies soll im Folgenden anhand von prototypischen Strukturen von Markenportfolios näher erläutert werden. In der Literatur existieren verschiedene Ansätze zur Strukturierung von Markenportfolios.451 In dieser Arbeit wird eine Klassifikation herangezogen, bei der die verschiedenen Typen von Portfolios in Abhängigkeit der Wahrnehmung der Konsumenten unterschieden werden:452 Markenportfolio Unternehmensmarke gemischte Marken Einzelmarke Unternehmensmarke dominant Gleichberechtigter Auftritt Produktmarke dominant Abbildung C-45: Wirkungsbezogene Klassifikation von Markenportfolios 451 452 Vgl. Laforet/Saunders (1994), S. 68; Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 105. Vgl. Esch/Bräutigam (2001), S. 725. 181 Als Extremformen lassen sich die Fälle unterscheiden, dass entweder alle Produkte des Markenportfolios mit der Unternehmensmarke markiert sind oder dass das Markenportfolio in der Form von Einzelmarken geführt wird, ohne dass die Unternehmensmarke nach außen erscheint. In diesen beiden Fällen setzen sich die Markenprodukt-/ Markenkombinationen aus einem Markenprodukt und einer Marke zusammen. Im Falle von gemischten Marken sind dagegen die einzelnen Produkte sowohl mit der Unternehmensmarke als auch mit der Produktmarke gekennzeichnet. Die Markenprodukt-/Markenkombinationen bestehen mithin aus einem Markenprodukt und zwei Marken. Als Varianten der gemischten Marken lassen sich die Konstellation dominante Unternehmensmarke, dominante Produktmarke und gleichberechtigter Auftritt der Marken unterscheiden. Die Existenz einer Dominanz oder Gleichordnung von Unternehmens- bzw. Produktmarke soll dabei an der Perspektive der Kunden festgemacht werden; es wird mithin eine wirkungsbezogene Klassifikation vorgenommen. Im Folgenden wird für die verschiedenen in Abbildung C-45 dargestellten typischen Strukturen von Markenportfolios gezeigt, aus welchen Komponenten sich das MarkenRating der Markenprodukt-/Markenkombinationen zusammensetzt. Einzelmarken Auch wenn die Marken eines Portfolios als Einzelmarken geführt werden, ist das Marken-Rating einer solchen Marke nicht unbedingt mit dem Marken-Rating einer „echten“ Einzelmarke, die nicht Bestandteil eines Portfolios ist, identisch. Als erste Erweiterung ist für Einzelmarken, die sich innerhalb gleicher Produktbereiche befinden, ihre Abgrenzungsfähigkeit zu überprüfen. Die zweite (potentielle) Erweiterung bezieht sich auf die Messung der Kompatibilität. Auch wenn die Unternehmensmarke im Hintergrund steht, so kann doch die grundsätzliche Kompatibilität der Einzelmarke mit der Grundphilosophie der Unternehmensmarke bzw. des Markenportfolios untersucht werden.453 453 Eine hohe Ausprägung der Kompatibilität könnte in diesem Zusammenhang Indiz für eine „strategische“ Bedeutung der Marke sein. 182 Zusammenfassend besteht für ein Markenproduktportfolio, bei dem die Marken als Einzelmarken geführt werden, das Marken-Rating für die Markenprodukt-/ Markenkombinationen aus den folgenden Elementen: Markenstärke Einzelmarken ja Markenproduktwert ja Markenwert ja Beitrag zum Markenportfolio Abgrenzungsfähigkeit Kompatibilität falls relevant ja Abbildung C-46: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen für ein Markenportfolio aus Einzelmarken Unternehmensmarke Für ein Markenportfolio, dessen Produkte ausschließlich mit der Unternehmensmarke gekennzeichnet sind, weicht die Zusammensetzung des Marken-Ratings für die Markenprodukt-/Markenkombinationen in einem Punkt von dem Fall der Einzelmarken ab. Da mit der Unternehmensmarke lediglich eine Marke innerhalb des Portfolios besteht, ist der Werttreiber der Kompatibilität nicht relevant. Die Abgrenzungsfähigkeit ist dagegen unter Umständen auch in diesem Fall relevant, da beispielsweise auch zwischen Produkten, die mit der Unternehmensmarke geführt werden, Kannibalisierungseffekte auftreten können. Markenstärke Unternehmensmarke ja Markenproduktwert Markenwert ja ja Beitrag zum Markenportfolio Abgrenzungsfähigkeit Kompatibilität falls relevant n/a Abbildung C-47: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios der Unternehmensmarke Für den Grundfall eines Markenportfolios aus gemischten Marken wird im Folgenden auf die drei Varianten dominante Unternehmensmarke, gleichberechtigter Auftritt von Unternehmensmarke und Produktmarke sowie dominante Produktmarke eingegangen. 183 Gemischte Marken - Dominante Unternehmensmarke Bei Markenprodukt-/Markenkombinationen, die mit zwei Marken versehen sind, ist insbesondere zu klären, ob die einzelnen Komponenten des Marken-Ratings für beide oder lediglich für eine der beiden Marken zu bestimmen sind. Diese Fragestellung bezieht sich allerdings nicht auf die Werttreiber Markenstärke und Markenproduktwert, da diese Größen für die gesamte Markenprodukt-/Markenkombination erfasst werden. So wird die Messung des Markenproduktwerts nicht davon beeinflusst, ob das Produkt mit einer oder zwei Marken gekennzeichnet ist. Ebenso bezieht sich die Abgrenzungsfähigkeit auf die gesamte Markenprodukt-/Markenkombination. Differenzierungen sind allerdings für Markenwert und Kompatibilität erforderlich. Für das Marken-Rating wird bei einer dominanten Unternehmensmarke vorgeschlagen, aufgrund der Schwierigkeiten der Isolierung der Zahlungen bzw. Erfolgsgrößen nur den Wert der Unternehmensmarke zu berechnen. Beispielsweise würde dann der Preisunterschied zwischen Markenprodukt und No-name-Produkt nicht weiter auf Unternehmensmarke und Produktmarke aufgeteilt, sondern in voller Höhe der Unternehmensmarke zugerechnet werden. Die Überprüfung der Kompatibilität soll aus der Perspektive der Produktmarke vorgenommen werden. Hintergrund ist die Überlegung, dass die Unternehmensmarke auch für weitere Markenprodukt-/Markenkombinationen verwendet wird und daher eine Erreichung der Kompatibilität eher über die Anpassung der Produktmarke erreicht werden kann. Nachfolgende Abbildung fasst die Überlegungen zu dem Fall des Markenportfolios mit einer dominanten Unternehmensmarke noch einmal zusammen: Markenstärke Markenproduktwert Markenwert Beitrag zum Markenportfolio Abgrenzungsfähigkeit Dominante Unternehmensmarke ja ja für Unternehmensmarke falls relevant Kompatibilität für Produktmarke Abbildung C-48: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios mit dominanter Unternehmensmarke 184 Nach der relativ ausführlichen Darstellung für den Fall der dominanten Unternehmensmarke soll im Folgenden nur noch auf die Unterschiede gegenüber dieser Konstellation eingegangen werden. Gemischte Marken – Gleichberechtigter Auftritt von Unternehmensmarke und Produktmarke Als Unterschied gegenüber dem Fall der dominanten Unternehmensmarke ist hier die Berechnung des Markenwerts zu betrachten. Für den Fall der gemischten Marke wird vorgeschlagen, einen Versuch der Aufteilung des Markenwerts auf Unternehmensmarke und Produktmarke vorzunehmen. Dies wird vermutlich mit Unschärfen verbunden sein, ermöglicht aber zumindest einen groben Eindruck, ob Unternehmens- und Produktmarke mit Wertschaffung für das Markenprodukt verbunden sind:454 Markenstärke Markenproduktwert Markenwert Beitrag zum Markenportfolio Abgrenzungsfähigkeit Gleichberechtigter Auftritt ja ja für Unternehmensmarke und Produktmarke falls relevant Kompatibilität für Produktmarke Abbildung C-49: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios bei gleichberechtigtem Auftritt Gemischte Marken - Dominante Produktmarke Die Konstellation der dominanten Produktmarke unterscheidet sich von den beiden anderen Varianten von Markenportfolios mit gemischten Marken dadurch, dass der Markenwert ausschließlich für die Produktmarke berechnet werden sollte. Aufgrund der untergeordneten Bedeutung der Unternehmensmarke in der Wirkung gegenüber dem Konsumenten ist eine Allokation der Zahlungen bzw. Erfolgsgrößen auf die Unternehmensmarke nicht sinnvoll: 454 In diesem Fall müsste eine Allokation der Kosten für allgemeine Werbung der Unternehmensmarke auf die einzelnen Markenprodukt-/Markenkombinationen vorgenommen werden. 185 Markenstärke Markenproduktwert Markenwert Beitrag zum Markenportfolio Abgrenzungsfähigkeit Dominante Produktmarke ja für Produktmarke ja falls relevant Kompatibilität für Produktmarke Abbildung C-50: Komponenten des Marken-Ratings für Markenprodukt-/ Markenkombinationen eines Markenportfolios bei dominanter Produktmarke Noch nicht diskutiert wurde die Frage, wie sich im Fall von gemischten Marken der Wert der Unternehmensmarke errechnet. Bislang wurden jeweils einzelne Markenprodukt-/Markenkombinationen betrachtet. Die Unternehmensmarke kann sich jedoch über mehrere solche Kombinationen erstrecken. Der Markenwert der Unternehmensmarke errechnet sich daher als Summe aus den jeweiligen auf die Unternehmensmarke entfallenden Markenwerten der einzelnen Markenprodukt-/Markenkombinationen.455 Die folgende Abbildung verdeutlicht noch einmal die Grundidee: Markenwert Unternehmensmarke + Markenwert Unternehmensmarke in Markenprodukt-/ Markenkombination 1 Markenwert Unternehmensmarke in Markenprodukt-/ Markenkombination 2 Markenwert Unternehmensmarke in Markenprodukt-/ Markenkombination 3 Abbildung C-51: Ermittlung des Markenwerts der Unternehmensmarke 455 Hierbei wurde unterstellt, dass alle Kosten der Unternehmensmarke auf die Markenprodukt-/ Markenkombinationen aufgeteilt worden sind. 186 Abschließend sind die Darstellungen anhand des Markenportfolios von BRAND zu veranschaulichen. Für die einzelnen Marken des Markenportfolios von BRAND ergeben sich die folgenden Ausprägungen der Kriterien sowie das daraus resultierende Rating: Markenstärke Markenproduktwert Markenwert Top Ice Coki Peppi Livella 2,8 3,6 5,0 1,5 4,0 5,0 2,5 1,0 1,0 4,0 5,0 2,0 Beitrag zum Markenportfolio Rating 4,5 1,5 1,5 2,5 BaAb+ Cb+ Db- 187 4 Kommunikation des Marken-Ratings durch ein Marken-Cockpit Das Marken-Rating soll eine Integration von Marketing- und Finanzperspektive der Marke sowie von Marken- und Produktebene ermöglichen, um als Bewertungs- und Steuerungsinstrument das Markenmanagement zu unterstützen. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die verständliche Kommunikation der Ergebnisse: „Erfolgreich sind Visualisierungen in Form von Cockpits. … Diese erlauben bei geeigneter Zusammenstellung von Resultaten und Treibern den Führungskräften verschiedener Bereiche, Querbeziehungen zwischen einzelnen Größen zu erkennen.“456 Als Mittel zur Kommunikation der Ergebnisse des Marken-Ratings soll daher ein Marken-Cockpit entwickelt werden.457 Abbildung C-52 zeigt dessen Grundstruktur: 3 Top Ice Komponenten Relativer Markenproduktwert 3.000,0 5,0 2.500,0 3,0 1.500,0 1 0,0 5,00% 1.500,0 3,00% 1.000,0 1,00% -150,0 2004 2005 200,0 0,0% 2004 2005 2006 160,0 2 120,0 80,0 5 2 300,0 200,0 1 2 3 Cashflow investiv Cashflow finanziell 0,0 2004 2005 Cashflow operativ 2006 Cashflow total Punktwert Beitrag zum Markenportfolio 3,0 2,0 1,0 0,0 2001 2002 2003 2004 2003 -10,0 Cashflow finanziell 2004 2005 2006 Cashflow operativ Cashflow total -20,0 2004 Markenimage Wettbewerbsposition/Branchenattraktivität 6,0 5,0 Markenbekanntheit 0,4 Aktive Markenbekanntheit 3,0 Passive Markenbekanntheit 2,0 0 Cashflow investiv 0,0 6,0 0,6 0,2 10,0 -30,0 2002 10 0,8 8 Cashflows Marke Kompatibilität 2001 Markenbekanntheit 0,0 -30,0% 20,0 2,0 0,0 4,0 6 Abgrenzungsfähigkeit 3,0 -300,0 Investiertes Kapital 30,0 4,0 1,0 5,0 5 Beitrag zum Markenportfolio -200,0 6,0 4 6,0 5,0 100,0 Value Spread (ROICWACC) 40,0 Markenstärke Cashflows Markenprodukt 7 Komponenten Wertbeitrag Marke 3 0 0,0 Investiertes Kapital 4 0 2006 NPV -0,4 -0,5 1 Investiertes Kapital Relativer Kapitalwert -0,2 -0,3 -10,0% Value Spread (ROICWACC) 500,0 -2,00% 9 2006 -20,0% 0,00% -100,0 2005 -200,0 2.000,0 2,00% 2004 -100,0 5 Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt 4,00% 0,1 0,0 -0,1 0,0 -50,0 2006 6,00% 0,3 0,2 100,0 6 Markenproduktwert, Markenwert 2005 0,5 0,4 50,0 Investiertes Kapital 6 Komponenten Relativer Markenwert 200,0 0,0 2004 -1,00% – Markenstärke , Markenproduktwert, M arke nwert 1,0 500,0 4 Relativer Kapitalwert NPV 2,0 1.000,0 a 150,0 4,0 2.000,0 B 4,0 Markenimage 5,0 Stärke 4,0 Vorteilhaftigkeit 3,0 Einzigartigkeit 1,0 2,0 2003 2004 120% Punktwert Wettbewerbsposition 80% Punktwert Branchenattraktivität 40% 1,0 0,0 11 160% 0,0 Relativer Marktanteil 0% 2001 2002 2003 2004 Abbildung C-52: Grundstruktur des Marken-Cockpits 456 457 Fickert/Kind (2000), S. 10 f. Im Fall der Marke ist dies besonders von Bedeutung, da aufgrund der verschiedenen Dimensionen der Marke auch der Kreis der Adressaten eines Marken-Ratings aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens stammt. Für ein Cockpit im Bereich der wertorientierten Steuerung von Segmenten vgl. Kind (2000), S. 192. Weitere Beispiele für Cockpits finden sich etwa bei Fickert/Anger (1998), S. 59; Fickert/Kind (2000), S. 10; Fickert/Geuppert/Künzle (2003), S. 124-138. 188 Das Marken-Cockpit besteht aus drei Bereichen. Der zentrale, in der Abbildung dunkelgrau hinterlegte Bereich bildet die wesentlichen Komponenten des Marken-Ratings ab. An der Spitze stehen hierbei der Name und der Ratingwert der Marke. In Cockpitfenster 1 wird die zeitliche Entwicklung der Punktwerte von Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert abgetragen. Cockpitfenster 2 gibt einen Überblick über das Kriterium Beitrag zum Markenportfolio und damit die Portfolioperspektive des Marken-Ratings. In dem mittelgrau hinterlegten Bereich wird in den Cockpitfenstern 3 bis 5 bzw. 6 bis 8 die Entwicklung der absoluten Höhen von Markenproduktwert bzw. Markenwert sowie deren zentraler Werttreiber graphisch veranschaulicht. Dies ermöglicht eine detaillierte Analyse der Finanzperspektive für die Produktebene und die Markenebene. Gleichsam die Basis des Marken-Cockpits bilden in dem hellgrau hinterlegten Bereich die Cockpitfenster 9 bis 12, in denen die Ausprägungen der Werttreiber der Markenstärke abgebildet sind. Hier ist die Marketingperspektive der Marke erfasst. Im Folgenden werden die Inhalte und Zielsetzungen der einzelnen Cockpit-Fenster näher erläutert. Dies erfolgt direkt am Fallbeispiel Top Ice. Cockpitfenster zur Abbildung des Ratings der Marke Die Marketing- und die Finanzperspektive sowie die Ebene von Markenprodukt und Marke als immaterieller Vermögenswert werden in Cockpitfenster 1 über die Komponenten Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert abgebildet. Der Punktwert der Markenstärke gemäß der fünfstufigen Rating-Skala wird auf der Abszisse, die Punktwerte für Markenproduktwert und Markenwert auf der Ordinate abgetragen. Eine Trennung bei dem Durchschnittswert 3 führt zu einer 4-Felder-Matrix. Da die Markenstärke gemeinsam für Markenprodukt und Marke ermittelt wird, befinden sich die Kombinationen von Markenprodukt und Markenstärke bzw. Marke und Markenstärke stets auf einer vertikalen Linie. Diese Darstellung wird für die aktuelle Periode sowie für die letzten drei Vergangenheitsjahre vorgenommen. Auf diese Weise wird deutlich, wie sich Marketing- und Finanzperspektive der Markenprodukt-/Markenkombination in den letzten Jahren verändert haben. Pfeile verdeutlichen die zeitliche Entwicklung: 189 M arkenstärke, Markenproduktwert, Markenwert 6 Markenproduktwert, Markenwert 5 4 3 2 1 0 0 1 2 3 4 5 6 Markenstärke Abbildung C-53: Cockpitfenster 1 – Markenstärke, Markenproduktwert, Markenwert Im Fall der Marke Top Ice verzeichnet der Markenproduktwert in den betrachteten Perioden einen deutlichen Anstieg. Während im Jahr 2001 der relative Kapitalwert des Markenprodukts noch kleiner als 1 war, ist in der Zwischenzeit eine deutliche Verbesserung erkennbar. Mittlerweile resultiert aus der Planung ein positiver Brutto- und Nettokapitalwert des Markenprodukts. Für den Markenwert ist dagegen eine konstant ungünstige Entwicklung erkennbar. Seit 2001 resultierte auf Basis der Planung stets ein negativer Kapitalwert der Marke. Die Markenstärke zeigt eine deutlich positive Tendenz, was vor allem durch die kontinuierliche Verbesserung der konsumentenbezogenen Werttreiber und der Wettbewerbsposition bedingt ist. Die Portfolioperspektive der Marke wird über Cockpitfenster 2 erfasst. Der Beitrag zum Markenportfolio als Kennzahl der Portfolioperspektive setzt sich aus den beiden Werttreibern Abgrenzungsfähigkeit und Kompatibilität zusammen. Die Punktwerte für die beiden Werttreiber werden auf der Abszisse abgetragen. Parallel dazu ist als Ergebnis der Zusammenführung der beiden Größen der Punktwert des Beitrags zum Markenportfolio aufgeführt. Dieser entspricht bei guter Ausprägung der Werttreiber dem Durchschnitt der beiden Größen bzw. bei schlechter Ausprägung der niedrigeren der beiden Größen. Die Darstellung der Größen wird analog zu Cockpitfenster 1 für die aktuelle Periode sowie für die letzten drei Vergangenheitsjahre vorgenommen: 190 Beitrag zum Markenportfolio 6,0 5,0 Abgrenzungsfähigkeit 4,0 Kompatibilität 3,0 2,0 Punktwert Beitrag zum Markenportfolio 1,0 0,0 2001 2002 2003 2004 Abbildung C-54: Cockpitfenster 2 – Beitrag zum Markenportfolio Die Marke Top Ice stellt die einzige Marke des Geschäftsbereichs Ice Cream dar. Aus diesem Grund ist der Werttreiber Abgrenzungsfähigkeit nicht relevant, so dass nur die Kompatibilität gemessen wird. Hierbei zeigt sich auf hohem Niveau ein Anstieg der Punktwerte. Es wird erkennbar, dass die Marke Top Ice gut innerhalb des Markenportfolios von BRAND positioniert ist. Cockpitfenster zur Abbildung des finanziellen Werts des Markenprodukts Der Punktwert des Markenproduktwerts auf der Rating-Skala wird durch die Höhe des relativen Kapitalwerts, definiert als Relation aus dem Markenproduktwert und dem Wert des in das Markenprodukt investierten Kapitals, bestimmt. In Cockpitfenster 3 wird die Entwicklung des relativen Kapitalwerts sowie von Markenproduktwert und investiertem Kapital für die aktuelle Periode und die nächsten zwei Planjahre ausgewiesen:458 Komponenten Relativer Markenproduktwert 3.000,0 5,0 2.500,0 4,0 2.000,0 3,0 1.500,0 Relativer Kapitalwert Markenproduktwert 2,0 1.000,0 Investiertes Kapital 1,0 500,0 0,0 0,0 2004 2005 2006 Abbildung C-55: Cockpitfenster 3 – Komponenten Relativer Markenproduktwert 458 Der relative Kapitalwert wird auf der rechten Achse abgetragen, Markenproduktwert und investiertes Kapital werden an der linken Achse gemessen. 191 Für Top Ice wird deutlich, dass gemäß der Planung der Wert des Markenprodukts in jeder Periode kontinuierlich ansteigen wird. Das investierte Kapital entwickelt sich weitgehend konstant. Als Konsequenz wird für die zukünftigen Perioden von einem Anstieg der relativen Kapitalwerte des Markenprodukts ausgegangen. In Cockpitfenster 4 wird der relative Kapitalwert der aktuellen Periode näher analysiert. Hierfür werden die Entwicklung der Differenz aus operativer Rendite und Kapitalkosten (Value Spread) sowie die Entwicklung des investierten Kapitals dargestellt. Dies erfolgt für die aktuelle Periode sowie für die nächsten zwei Planjahre. Auf diese Weise wird verdeutlicht, ob die geplante Wertschaffung primär aus einem Wachstum des investierten Kapitals oder aus einer Ausweitung des Value Spread erzielt werden soll: Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt 6,00% 2.000,0 5,00% 4,00% 1.500,0 3,00% 2,00% 1.000,0 1,00% 0,00% -1,00% -2,00% Value Spread (ROICWACC) Investiertes Kapital 500,0 2004 2005 2006 0,0 Abbildung C-56: Cockpitfenster 4 – Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt Im Fall der Marke Top Ice wird ein deutlicher Anstieg des Value Spread geplant. Parallel dazu entwickelt sich das investierte Kapital relativ konstant. Mithin wird die zukünftige Wertschaffung durch die Verbesserung der operativen Rendite getrieben. Die Abbildung der operativen, investiven und finanziellen Cashflows für die aktuelle sowie die nächsten zwei Perioden wird in Cockpitfenster 5 vorgenommen. Dies ermöglicht eine Analyse der mit dem Markenprodukt verbundenen Geldflüsse. Die operativen Cashflows entsprechen den Zahlungen aus der operativen Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Im investiven Cashflow werden die aus Investitionen resultierenden Zahlungen gezeigt. Der finanzielle Cashflow wird bestimmt durch die Aufnahmen und Rückzahlungen von Fremd- und Eigenkapital. Aus dieser Perspektive können „CashVernichter“ und „Cash-Generatoren“ identifiziert werden: 192 Cashflows Markenprodukt 300,0 200,0 100,0 Cashflow investiv Cashflow finanziell 0,0 -100,0 2004 2005 2006 Cashflow operativ Cashflow total -200,0 -300,0 Abbildung C-57: Cockpitfenster 5 – Cashflows Markenprodukt Für Top Ice zeigt sich, dass auf der Ebene des Markenprodukts deutlich positive Cashflows aus dem operativen Geschäft erwirtschaftet werden. Die negativen finanziellen Cashflows spiegeln die Prämisse der Vollausschüttung positiver Jahresüberschüsse wider. Der negative investive Cashflow spiegelt die Auszahlungen für Investitionen aufgrund des geplanten Anstiegs der Absatzmenge wider. Cockpitfenster zur Abbildung des finanziellen Werts der Marke Die Analyse des Markenwerts erfolgt in Form der gleichen Darstellungen wie im Fall des Markenproduktwerts. Somit wird in Cockpitfenster 6 die Planung der aktuellen Periode sowie der nächsten zwei Jahre für den relativen Markenwert und dessen Komponenten abgebildet: Komponenten Relativer Markenwert 200,0 0,5 0,4 0,3 150,0 100,0 50,0 0,0 -50,0 -100,0 -150,0 -200,0 2004 2005 2006 0,2 0,1 0,0 -0,1 -0,2 Relativer Kapitalwert Markenwert Investiertes Kapital -0,3 -0,4 -0,5 Abbildung C-58: Cockpitfenster 6 – Komponenten relativer Markenwert 193 Für Top Ice zeigt sich, dass auf der Ebene der Marke für die nächsten Jahre eine kontinuierliche Verbesserung von Markenwert und damit auch relativem Kapitalwert der Marke geplant wird. Allerdings wird auch in der Planung noch keine Wertschaffung erreicht, da der relative Kapitalwert kleiner als 1 ist. In Cockpitfenster 7 erfolgt eine Analyse der Ursachen der geplanten Wertbeiträge der Marke als immaterieller Vermögenswert. Hierfür wird die Entwicklung des Value Spread sowie die Entwicklung des investierten Kapitals betrachtet: Komponenten Wertbeitrag Marke 0,0% 200,0 2004 2005 2006 160,0 -10,0% 120,0 80,0 -20,0% Value Spread (ROICWACC) Investiertes Kapital 40,0 -30,0% 0,0 Abbildung C-59: Cockpitfenster 7 – Komponenten Wertbeitrag Marke Auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert wird für die nächsten Planperioden von einer deutlichen Verbesserung des negativen Value Spread ausgegangen. Dies reicht allerdings für eine Verzinsung der Kosten auf das investierte Kapital noch nicht aus. Das investierte Kapital steigt parallel zu dem wachsenden Geschäftsvolumen an. In Cockpitfenster 8 wird auch für die Marke als immaterieller Vermögenswert eine Aufspaltung der Cashflows in die einzelnen Bestandteile vorgenommen: Cashflows Marke 30,0 20,0 10,0 Cashflow investiv Cashflow finanziell 0,0 -10,0 2004 2005 2006 -20,0 -30,0 Abbildung C-60: Cockpitfenster 8 – Cashflows Marke 194 Cashflow operativ Cashflow total Auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert zeigt sich bei Top Ice ein negativer operativer Cashflow. Durch den unterstellten Verlustausgleich am Ende der Periode resultiert ein positiver finanzieller Cashflow. In 2004 ergibt sich ein investiver Cashflow der Marke in Höhe von 0, da für Markenprodukt und No-name-Produkt Investitionen in gleicher Höhe vorgenommen werden. Cockpitfenster zur Abbildung der Markenstärke Die Markenbekanntheit als Werttreiber der Markenstärke wird in Cockpitfenster 9 abgetragen. In Abhängigkeit der durchgeführten Messungen werden hier die passive bzw. aktive Markenbekanntheit sowie der Punktwert für die Markenbekanntheit abgebildet. Eine explizite Planung der Ausprägungen der Markenbekanntheit über mehrere Zukunftsperioden erfolgt in der Regel nicht.459 Aus diesem Grund werden in diesem Cockpitfenster die Werte der Markenbekanntheit für die aktuelle Periode und die letzten drei Vergangenheitsjahre gezeigt: Markenbekanntheit 6,0 0,8 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 0,6 Markenbekanntheit 0,4 Aktive Markenbekanntheit 0,2 Passive Markenbekanntheit 0 2001 2002 2003 2004 Abbildung C-61: Cockpitfenster 9 – Markenbekanntheit Für die Marke Top Ice ist ein kontinuierlicher Anstieg der Werte für die aktive und passive Markenbekanntheit sowie des Punktwerts für die Markenbekanntheit zu erkennen. Diese Entwicklung spiegelt die Wirksamkeit der seit der Einführung der Marke im Juni 2001 durchgeführten Werbekampagnen wider. Als weiterer Werttreiber ist das Markenimage im Rahmen des Marken-Cockpits abzubilden. Dabei wird für die Messung der Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen der Marke jeweils der durchschnittliche Wert über alle Assoziationen aufgeführt. Bei der Vorstellung der Dimensionen und der Messung des Markenimages wurde bereits erläutert, dass das Image ein komplexes Konstrukt darstellt, das 459 Dies gilt ebenso für die weiteren Werttreiber der Markenstärke. 195 deshalb nicht über eine einfache Durchschnittbildung adäquat erfasst werden kann. Vor diesem Hintergrund sollen die Angaben für die Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Assoziationen lediglich einen grundsätzlichen Eindruck über die Entwicklung der Dimensionen des Markenimages ermöglichen. Eine ganzheitliche Sicht und qualitative Würdigung des Markenimages spiegelt sich in den Punktwerten wider, die ebenfalls abgetragen werden: Markenimage 6,0 5,0 Markenimage 4,0 Stärke 3,0 Vorteilhaftigkeit 2,0 Einzigartigkeit 1,0 0,0 2003 2004 Abbildung C-62: Cockpitfenster 10 – Markenimage Für die Marke Top Ice wurden erst im Jahr 2003 die ersten Messungen des Markenimages vorgenommen. Der Vergleich mit der aktuellen Messung des Jahres 2004 zeigt eine leichte Verbesserung der Ausprägungen der Dimensionen, insbesondere bei der wahrgenommenen Vorteilhaftigkeit der Markenassoziationen. Allerdings befinden sich die Durchschnittswerte sowie der Punktwert für das Markenimage immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau. In Cockpitfenster 11 werden Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität abgebildet. Für die Wettbewerbsposition werden relativer Marktanteil und Punktwert aufgeführt. Da sich die Branchenattraktivität aus fünf Komponenten zusammensetzt, wird für die Branchenattraktivität lediglich die Entwicklung des Punktwerts abgetragen: Wettbewerbsposition/Branchenattraktivität 6,0 160% 5,0 4,0 3,0 2,0 120% Punktwert Wettbewerbsposition 80% Punktwert Branchenattraktivität 40% 1,0 0,0 Relativer Marktanteil 0% 2001 2002 2003 2004 Abbildung C-63: Cockpitfenster 11 – Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität 196 Für die Marke Top Ice zeigt sich eine leichte, aber kontinuierliche Verbesserung des relativen Marktanteils sowie des Punktwerts für die Wettbewerbsposition. Allerdings ist die Position von Top Ice im Markt immer noch als unterdurchschnittlicher Wert zu betrachten. Im Gegensatz dazu weist die Branchenattraktivität für das aktuelle Jahr sowie die letzten drei Vergangenheitsjahre einen hohen Wert auf. Die hohe Attraktivität der Branche war einer der zentralen Gründe, warum das Management sich dafür entschied, in den Markt für Fruchteis einzutreten. Nach der Darstellung der Bewertungsmethodik des Marken-Ratings und der Aufbereitung der Ergebnisse in Form des Marken-Cockpits soll im folgenden Kapitel D dargestellt werden, wie die Anwendung des Marken-Rating erfolgen kann. Dabei wird auf die Aspekte des Markenmanagements strategische Analyse, Planung, Performancemessung und externes Reporting eingegangen. 197 D Anwendung des Marken-Ratings Zielsetzung des Kapitels D ist die Darstellung der Anwendung des Marken-Ratings für verschiedene Aspekte des Markenmanagements. In Abschnitt D1 wird gezeigt, welche Informationen das Marken-Rating für die strategische Analyse sowohl auf PortfolioEbene als auch auf Ebene der einzelnen Marken bzw. Markenprodukt-/ Markenkombinationen bereitstellen kann.460 Gegenstand des Abschnitts D2 ist die Erläuterung der Unterstützungsmöglichkeiten des Marken-Ratings bei der Auswahl von Maßnahmen des Markenmanagements und der Planungserstellung. Im Anschluss daran wird in Abschnitt D3 der mögliche Beitrag des Marken-Ratings für die Performancemessung diskutiert. Abschließend ist in Abschnitt D4 die Funktion des Marken-Ratings für das externe Reporting der Marke zu untersuchen. Bei den nachfolgenden Erörterungen ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Markenmanagement nicht auf Basis eines einzigen Instruments vorgenommen werden kann. So stellt auch das Marken-Rating nur ein Instrument des Markenmanagements dar. Im Marken-Rating werden die zentralen Kennzahlen und Werttreiber der Finanz-, Marketing- und Portfolioperspektive von Marke und Markenprodukt zusammengeführt. Damit setzt das Marken-Rating auf bereits relativ aggregierten Kenngrößen auf. Insbesondere für detaillierte Analysen innerhalb der jeweiligen Dimensionen ist daher auf weitere Instrumente zurückzugreifen. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der Darstellungen der Anwendungsmöglichkeiten an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, durch welche Analysen die aus dem Marken-Rating resultierenden Informationen zu erweitern bzw. zu ergänzen sind. 1 Strategische Analyse 1.1 Markenportfolio Die strategische Analyse eines Markenportfolios ist insbesondere aufgrund der in Abschnitt B2 angesprochenen aktuellen Herausforderung der Inflation von Produkten und 460 Gegenstand des Marken-Ratings sind Markenprodukt-/Markenkombinationen. Daher bezieht sich die Anwendung des Marken-Ratings auch auf Markenprodukt-/Markenkombinationen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird aber im Folgenden statt von Markenprodukt-/Markenkombinationen kurz von Marken gesprochen. An Stellen, an denen die Marke als immaterieller Vermögenswert gemeint ist, wird die Trennung zwischen den Begrifflichkeiten vollzogen und zur Verdeutlichung von der Marke als immaterieller Vermögenswert gesprochen. Dies wird insbesondere bei der Darstellung der strategischen Analyse des Markenportfolios aus der Finanzperspektive der Fall sein. 198 Marken von zentraler Bedeutung.461 Dennoch wird diese Management-Aufgabe von vielen Unternehmen vernachlässigt: „Überraschenderweise untersuchen die meisten Unternehmen ihre Markenportfolios nicht regelmäßig, um festzustellen, ob sie möglicherweise so viele Marken anbieten, dass sie schwache Marken nicht mehr identifizieren und unrentable eliminieren können.“462 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden dargestellt werden, wie das Marken-Rating den Prozess der strategischen Analyse eines Markenportfolios unterstützen kann.463 Die strategische Analyse eines Markenportfolios stellt einen wesentlichen Bestandteil des gesamten Prozesses der Restrukturierung eines Markenportfolios dar:464 Schritte bei der Restrukturierung des Markenportfolios Strategische Analyse des Markenportfolios MarkenAudit Auswahl der fortzuführenden Marken Stärkung der der verbleibenden Marken Auswahl der fortzuführenden Marken MarkenAudit Finanzperspektive Abbildung D-1: Liquidierung der aufgegebenen Marken Marketingperspektive Portfolioperspektive Einordnung der strategischen Analyse des Markenportfolios in den Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios Gemäß dieser Unterteilung besteht der Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios aus vier Schritten. Im Rahmen des Marken-Audits werden die jeweiligen Marken analysiert und einander vergleichend gegenübergestellt. Auf dieser Grundlage kann anhand von geeigneten Kriterien eine Auswahl der fortzuführenden Marken vorgenommen werden. Entsprechend den Dimensionen des Marken-Ratings sind hier sowohl die Finanzperspektive als auch die Marketing- und Portfolioperspektive einzu461 462 463 464 Zu den Gründen für die Reduzierung eines Markenportfolios vgl. Braun (2000), S. 649; Kapferer (2000), S. 607 f.; Sachs (2002), S. 8; Kumar (2004a), S. 149-154. Kumar (2004b), S. 55. Zur Klarstellung sei nochmals darauf verwiesen, dass es sich in der Terminologie dieser Arbeit eigentlich um ein Markenprodukt-/Markenportfolio handelt. Zum Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios vgl. Kumar (2004a), S. 156-173. Als Fallbeispiele für Restrukturierungen vgl. für das Unternehmen SCF Hygiene Papier Braun (2000), S. 649-665; für die Thomson Gruppe Kapferer (2000), S. 615-618; für Unilever Sachs (2002), S. 8-16. 199 nehmen. Nach der Entscheidung über die Zusammensetzung des Markenportfolios sind für die Liquidierung der aufgegebenen Marken geeignete Maßnahmen zu identifizieren. Schließlich sind Strategien für das Wachstum und die Stärkung der verbleibenden Marken zu entwickeln. Hierbei beziehen sich die ersten beiden Maßnahmen auf die strategische Analyse des Markenportfolios. Sie sind daher Gegenstand dieses Abschnitts und werden im Folgenden näher betrachtet. Die letzten beiden Schritte umfassen die strategische Analyse auf der Ebene der einzelnen Marke bzw. Markenprodukt-/Markenkombination und werden daher in Abschnitt D1.2 behandelt. Marken-Audit Die strategische Analyse beginnt mit der Durchführung eines Marken-Audits aller Marken des Portfolios.465 Im Rahmen eines Marken-Audits soll auf Basis von möglichst objektiven Informationen eine vergleichende Bewertung der einzelnen Marken vorgenommen werden. Zielsetzung ist es, einen übergreifenden Überblick über den Wert und die Potentiale aller Marken des Portfolios zu gewinnen. Für ein solches Marken-Audit können die in Form der Marken-Cockpits aggregierten Ergebnisse der Marken-Ratings der einzelnen Marken herangezogen werden. In den Marken-Cockpits sind der Wert, die zentralen Werttreiber sowie die Chancen und Risiken der Marken zusammengefasst. Darüber hinaus wird auch die Perspektive des Markenprodukts explizit betrachtet. Daher stellen die Marken-Cockpits der einzelnen Marken eine geeignete Grundlage für ein solches Marken-Audit dar. Das Rating der Marke als einfache und leicht kommunizierbare Kennzahl besitzt darüber hinaus den Vorteil, dass die Marken anhand einer einheitlichen Systematik eines Ratings miteinander verglichen bzw. in eine Reihenfolge gebracht werden können. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da eine Restrukturierung eines Markenportfolios auch mit Veränderungen von Zuständigkeiten der jeweiligen Brand oder Product Manager verbunden ist.466 Die Methodik des Ratings kann hierbei dazu dienen, die unter Umständen schwierige Diskussion überhaupt in Gang zu bringen und gleichzeitig zu strukturieren. 465 466 Vgl. Aaker/Joachimsthaler (2002), S. 156-161; Kumar (2004a), S. 156-159. Vgl. zu der „politischen“ Dimension der Restrukturierung eines Markenportfolios Kumar (2004b), S. 57-59. 200 Die Durchführung eines Marken-Audits wird – ebenso wie später die weiteren Schritte der strategischen Analyse – am Fallbeispiel BRAND veranschaulicht. Für das Marken-Audit als Ausgangspunkt der strategischen Analyse des Markenportfolios sind die Marken-Cockpits der Marken Coki, Peppi, Top Ice und Livella nebeneinander zu stellen: Top Ice NPV 2,0 1 0,0 0,0 2.000,0 5, 00% 1.500,0 Value Spread (ROICWACC) 3, 00% 2, 00% 1.000,0 1, 00% 0, 00% 500,0 2004 2005 Cashflows Markenprodukt 2 Cashflow finanziell 2004 2005 Cashflow operativ 2006 Cashflow total 3 Komponenten Relativer Markenproduktwert 3.000,0 5,0 2.500,0 3 4 5 Markenstärke -300,0 0,0 2005 2.000,0 5,00% Punktwert Beitrag zum Markenportfolio 1.500,0 4,00% 3,00% 2,00% 2002 2003 1.000,0 3,0 0,4 2,0 0,2 1,0 0,0 0 2001 2002 2003 2004 Markenbekanntheit 5,0 4,0 2004 1,00% -1,00% -10,0 2005 2004 Aktive Markenbekanntheit 3,0 Passive Markenbekanntheit 2,0 8 1,0 Vorteilhaftigkeit 3,0 Einzigartigkeit 100,0 0,0 0,0 2003 -100,0 2005 2,0 Cashflow finanz 0,0 iell Cashflow operativ 2001 2006 Cashflow total 2 3 Komponenten Relativer Markenproduktwert 11 3 4 Markenstärke 5,0 4,0 20023,0 2003 Abgrenzungsfähigkeit 2006 2002 2003 4,00% 2004 3,0 2,0 1,0 0,0 Markenbekanntheit 0,4 Aktive Markenbekanntheit 3,0 0,2 Passive Markenbekanntheit 2,0 0 2001 2002 2003 2004 5,0 0,6 4,0 1,0 0,0 Markenimage 0,00% -1,00% 40,0 0,0 2005 2004 Cashflow operativ 2006 Cashflow tot al -200,0 Cashflow investiv -150,0 Cashflow finanziell -200,0 3,0 2,0 -0,3 -0,4 -0,5 11 160% 1 2 3 3 40% -20,0% 5 6 2003 2004 500,0 Abgrenzungsfähigkeit 2004 2005 Kompatibilität 2006 2002 2003 2004 0,8 4,0 2,0 1,0 20,0 1,0 10,0 0,0 0,0 5,00% 1.500,0 Markenbekanntheit 0,4 Aktive Markenbekanntheit 3,0 0,2 Passive Markenbekanntheit 2,0 2001 2002 2003 2004 2,00% -2,00% 2004 2005 2006 Markenimage 2003 2004 -100,0 2002 2003 Cashflow investiv Cashflow finanziell 2004 2005 Cashflow operativ 2006 Cashflow total -200,0 2004 Relativer Marktanteil Beitrag 2 3 4 5 0,6 Markenbekanntheit 0,4 Aktive Markenbekanntheit 0,2 0 0,0 2001 2002 2003 2004 Passive Markenbekanntheit Value Spread (ROICWACC) Investiertes Kapital 6 -30,0% Markenstärke 0,0 8 Cashflows Marke zum Markenportfolio 20,0 5,0 Abgrenzungsfähigkeit 4,0 Kompatibilität 3,0 2,0 Punktwert Beitrag zum Markenportfolio 10,0 Cas hflow inves tiv Cas hflow finanziell 0,0 -10,0 2004 2005 2006 Cas hflow operativ Cas hflow total -20,0 -30,0 2002 2003 2004 Markenimage Wettbewerbsposition/Branchenattraktivität 6,0 5,0 2,0 1,0 80,0 6,0 0,8 4,0 3,0 120,0 30,0 10 Markenbekanntheit 5,0 Abbildung D-2: 1 Punktwert Branchenattraktivität 0,0 6,0 2006 40,0 0 Punktwert Wettbewerbsposition 2001 9 2005 160,0 1,0 -300,0 7 200,0 2004 -20,0% 0% 6,0 2001 0,0 0,0% 11 80% 2 Investiertes Kapital -0,4 -0,5 2 120% 40% 1,0 -0,1 -0,2 -0,3 0 160% 5,0 4,0 0,0 200,0 2006 K omponenten Wertbeitrag Marke -10,0% 3,0 Cashflows Markenprodukt Einzigartigkeit 2,0 100,0 2005 -150,0 -200,0 Cashflow operativ NPV Cashflow total Inves tiertes Kapital 500,0 6,0 0,0 Stärke 300,0 2004 -100,0 Cashflow investiv Relativer Kapitalwert 0,1 0,0 3 Value Spread (ROICWACC) Vorteilhaftigkeit 5 1,0 0,0 4 0,3 0,2 50,0 0,0 1 Wettbewerbsposition/Branchenattraktivität 1.000,0 0,00% -1,00% 4,0 0,5 0,4 100,0 Cashflow finanz iell 2006 6 Komponenten Relativer Markenwert 200,0 -50,0 5 2005 -20,0 2.000,0 -30,0 1,00% 5,0 0,6 0 0,0 Markenimage – 6 Investiertes Kapital 2004 6,0 a 150,0 NPV -10,0 Punktwert Beitrag K omponenten zum MarkenportfolioWertbeitrag Markenprodukt 6,00% B 8 Markenstärke, M arkenproduktwert, Markenwert 1 Cashflows Marke Relativer Kapitalwert 3,0 0,0 4 Top Ice 0,0 4,0 30,0 2,0 1.000,0 0% 2002 4,0 3,0 2,0 Investiertes Kapital 40, 0 5,0 -30,0% Relativer Marktanteil 1.500,0 Value Spread (ROICWACC) 120,0 Komponenten Relativer Markenproduktwert 4 3.000,0 Punktwert 120% Markenstärke Wettbewerbsposition 2.500,0 Punktwert 80% Branchenattraktivität 2.000,0 Beitrag z um Markenportfolio 6,0 4,00% 3,0 7 2006 80, 0 3,00% 6,0 Investiertes Kapital 160,0 0,0 5,0 Relativer Kapitalwert NPV 200,0 2005 2 0 2 0,1 0,0 -0,1 Komponenten Wertbeitrag Marke 2004 10 Markenbekanntheit 2006 0,0% 2001 9 2005 -0,2 Cashflow total 1,0 -300,0 2004 Cashflow operativ 2006 0 5,0 2001 5,0 Cashflow investiv Cashflow finanziell 2005 0,0 -10,0% 0,0 2004 2004 2005 1 1,0 0,0 50,0 3 4,0 Einzigartigkeit 0,5 0,4 0,3 0,2 100,0 -100,0 4 6 Komponenten Relativer Markenwert 200,0 150,0 Wettbewerbsposition/Branchenattraktivität 6,0 Markenimage Stärke 200,0 2003 – 8 5 10,0 -10,0 -20,0 Investiertes Kapital Vorteilhaftigkeit Cashflows Markenprodukt 100,0 a -50,0 Value Spread (ROICWACC) 2006 0,0 Inves tiertes Kapital B M arkenstärke, Markenprodu ktwert, M arkenwert Cashflows Marke 30,0 1.500, 0 1.000, 0 Value Spread (ROICWACC) 6 -30,0 300,0 -100,0 Top Ice 1 500,0 2004 -2,00% 5 80,0 -20,0% 0,0 Kompatibilität zum Markenportfolio 1,00% 6,0 0,8 5,0 7 2006 20,0 2.000, 0 2,00% 10 Inves tiertes Kapital 0,0 2005 3,00% 4,0 2005 120,0 -30,0% Beitrag Komponenten Wertbeitrag Punktwert Markenprodukt 6,00% 5,00% 2001 6,0 -0,4 -0,5 6 Relativer Kapitalwert NPV 1,0 Relativer Marktanteil 2004 0% 5 3,0 2,0 Punktwert Branchenattraktivität 2004 4 2,0 0,0 Wettbewerbsposition 1.000,0 80% 500,0 40% 0,0 6,0 5,0 4,0 Beitrag z um Marken portfolio Punktwert 1,0 Markenbekanntheit -0,3 2004 2.000,0160% -200,0 Inves tiertes Kapital 160,0 1.500,0120% -300,0 9 NPV 200,0 -10,0% Cashflow investiv 1,0 2004 2004 Relativer Kapitalwert 0,0 -0,1 Komponenten Wertbeitrag Marke 0,0% 2 0 Stärke 0,1 -0,2 -100,0 -150,0 Cas hflow total 2.500,0 300,0 2006 -200,0 Cas hflow finanziell Cas hflow operativ 2006 0 3.000,0 1 2 Wettbew erbsposition/Branchenattraktivität 5,0 4,0 2005 Cas hflow inves tiv 3 6,0 Markenimage 2004 1 Investiertes Kapital 0,0 200,0 -50,0 4 2005 -20,0 Value Spread (ROIC-30,0 WACC) 2006 Cashflows Markenprodukt 0,5 0,4 0,3 0,2 0,0 5 0,0 6 Komponenten Relativer Markenwert 200,0 100,0 50,0 Cashflows Marke 10,0 500,0 2004 Markenimage -2,00% 5 – 150,0 20,0 Kompatibilität a 0,0 30,0 2006 Abgrenzungsfähigkeit 0,00% 0,6 80,0 Investiert es Kapital 6 Investiert es Kapital 6,0 0,8 5,0 4,0 7 B Value Spread (ROICWACC) 40,0 Markenstärke, M arkenproduktwert, Markenwert 1 Relativer Kapitalwert -30,0% NPV 0,0 2004 10 Markenbekanntheit 6,0 120,0 -20,0% 6 Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt 6,00% 2001 9 Top Ice 1,0 0,0 4 2,0 3,0 2,0 500,0 Beitrag zum Markenportfolio 1,0 -10,0% 4,0 2.000,0 2 1 6,0 4,0 3,0 -200,0 -0,4 -0,5 2006 160,0 5,0 Cashflow investiv 0,0 Investiert es Kapital -0,2 2005 2 1.500,0 300,0 NPV 200,0 2004 1.000,0 200,0 Relativer Kapitalwert 0,0 -0,1 Komponenten Wertbeitrag Marke 0,0% 0 100,0 0,1 -0,3 -150,0 -200,0 0,0 5 2006 3 0 2006 -2,00% 2005 4 1 Inves tiertes Kapital 2004 -100,0 5 2006 4, 00% 0,5 0,4 0,3 0,2 50,0 -50,0 Markenproduktwert, Markenwert 2005 6 Komponenten Relativer Markenwert 200,0 100,0 0,0 2004 -100,0 – 6 Komponenten Wertbeitrag Markenprodukt 6, 00% -1,00% a M arkenstärke, M arkenproduktwert, M arkenwert Inves tiertes Kapital 1,0 500,0 4 B 150,0 Relativer Kapitalwert 3,0 Markenproduktwert, Markenwert 5,0 4,0 Markenproduktwert, Markenwert Komponenten Relativer Markenproduktwert 3.000,0 2.500,0 2.000,0 1.500,0 1.000,0 Markenproduktwert, Markenwert 3 4,0 3,0 Markenimage 5,0 Stärke 4,0 Vorteilhaftigkeit 2,0 Einzigartigkeit 1,0 2003 2004 120% Punktwert Wettbewerbsposition 80% Punktwert Branchenattrakti vität 40% 1,0 0,0 11 160% 3,0 2,0 0,0 Relativer Marktanteil 0% 2001 2002 2003 2004 Marken-Cockpits als Grundlage für ein Marken-Audit Auf der Grundlage der einzelnen Marken-Cockpits resultiert für das Management ein erster Eindruck, welche Marken Wert für das Unternehmen schaffen bzw. vernichten, Cashflows generieren bzw. verbrauchen, über starke bzw. schwache Marktanteile verfügen oder sich in attraktiven bzw. unattraktiven Branchen befinden. Wie im weiteren Verlauf noch zu zeigen sein wird, ermöglicht die parallele Betrachtung der Ebenen von Markenprodukt und Marken als immaterieller Wert eine differenziertere Analyse gegenüber einer ausschließlichen Fokussierung auf die Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert wie in den bestehenden Verfahren der Markenbewertung. Zur Verdichtung und gleichsam als Startpunkt für die Analyse können die Marken des Portfolios von BRAND anhand der Ratings in eine Rangliste gebracht werden. Diese Reihenfol467 ge stellt sich für das Portfolio von BRAND wie folgt dar: 467 Auf der Skala sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle möglichen Ausprägungen des Ratings der Marke abgetragen. Stattdessen wird beispielsweise für ein A-Rating die beste Ausprägung Aa+ und schlechteste Ausprägung Ab- gezeigt. Dies wird analog für ein B-, C- und D-Rating vorgenommen. 201 Rating-Wert Aa+ AbBa+ Bb- Coki (Ab+) Top Ice (Ba-) Ca+ Cb- Peppi (Cb+) Da+ Db- Abbildung D-3: Livella (Db-) Rangliste der Marken von BRAND Coki weist mit einem Rating von Ab+ den besten Wert auf, gefolgt von Top Ice mit Ba- und Peppi mit Cb+; den schlechtesten Ratingwert verzeichnet Livella mit Db-. Die Rangreihung der Marken auf der Grundlage der Ratings soll zunächst lediglich den Vergleich anhand eines einheitlichen Schemas ermöglichen. Dies soll noch keine Entscheidung über die Zusammensetzung des Portfolios implizieren. Die Auswahl der fortzuführenden Marken wird im nächsten Schritt anhand von geeigneten Kriterien vorgenommen. Entsprechend den drei grundlegenden Dimensionen des MarkenRatings sind hierbei die Finanz-, die Marketing- und die Portfolioperspektive einzunehmen. Auswahl der fortzuführenden Marken (Finanzperspektive) Aus der Perspektive einer wertorientierten Unternehmensführung müssen das Unternehmen bzw. dessen Markenprodukte und dessen Marken als immaterielle Vermögenswerte langfristig eine operative Rendite auf das in sie investierte Kapital in Höhe des Kapitalkostensatzes erzielen.468 Diese Bedingung ist für Markenprodukt-/ Markenkombinationen bei einem Ratingwert A oder B erfüllt. In diesen Fällen weist das Markenprodukt einen positiven Nettokapitalwert auf. Die Einteilung in wertschaffende Markenprodukt-/Markenkombinationen wird mithin an der Wertschaffung auf der Ebene des Markenprodukts festgemacht. Die Frage, ob auf der Ebene der Marke 468 Zur Betonung der Bedeutung der Grundgedanken der wertorientierten Unternehmensführung für das Marketing vgl. Doyle (2000), S. 70. 202 als immaterieller Vermögenswert die Kapitalkosten verdient werden, ist für die Feststellung der Wertschaffung einer Markenprodukt-/Markenkombination zunächst von nachrangiger Bedeutung. Dies beruht auf der Tatsache, dass im Rahmen einer Markenprodukt-/Markenkombination der Markenwert lediglich eine Komponente des Gesamtwerts darstellt. Zur Ermittlung des Gesamtwerts und damit auch des Beitrags zum Unternehmenswert ist auf den Markenproduktwert abzustellen.469 Der Umkehrschluss besteht darin, dass alle Markenprodukt-/Markenkombinationen mit einem Ratingwert C oder D im Hinblick auf den Fortbestand im Portfolio kritisch zu überprüfen sind. Der Markenwert sagt in diesem Zusammenhang etwas darüber aus, ob die Marke als immaterieller Vermögenswert einen positiven Beitrag zum Wert des Produkts leistet. Auf Basis des Markenwerts alleine kann allerdings noch keine Entscheidung über die Fortführung oder Eliminierung der Markenprodukt-/Markenkombination aus dem Portfolio getroffen werden. Falls das Markenprodukt insgesamt einen positiven Nettokapitalwert bzw. einen relativen Kapitalwert der Marke größer 1 aufweist, würde eine Eliminierung der Markenprodukt-/Markenkombination unabhängig von der Ausprägung des Markenwerts zu einer Wertvernichtung auf der Ebene des Unternehmens führen. Folgende Abbildung veranschaulicht die Vorgehensweise anhand des Markenportfolios von BRAND: Rating-Wert Aa+ Ab- Coki (Ab+) Wertschaffung Ba+ BbCa+ Cb- Top Ice (Ba-) Peppi (Cb+) Kandidaten für Fortführung Kandidaten für Liquidierung Coki Peppi Top Ice Livella Wertvernichtung Da+ Db- Abbildung D-4: Livella (Db-) Auswahl der fortzuführenden Marken bzw. Markenprodukt-/ Markenkombinationen (Finanzperspektive) Coki weist einen positiven Nettokapitalwert für Markenprodukt und Marke als immaterieller Vermögenswert auf. Aus diesem Grund wird auf allen Ebenen der Markenprodukt-/ Marken469 Vgl. hierzu auch die Beispielrechnung in Abschnitt B3.2.2.3. 203 kombination Wert für das Unternehmen geschaffen. Dies gilt für Top Ice nur für die Ebene des Markenprodukts. Hier leistet die Marke als immaterieller Vermögenswert aufgrund des negativen Nettokapitalwerts einen negativen Beitrag zum Wert des Markenprodukts. Da die gesamte Markenprodukt-/Markenkombination allerdings eine die Kapitalkosten übersteigende Verzinsung auf das investierte Kapital erzielt, ist Top Ice aus dem Blickwinkel der Finanzperspektive fortzuführen. Im Gegensatz dazu wird sowohl für Peppi und Livella auf der Ebene des Produkts Wert vernichtet. Aus finanzieller Sicht stellen beide Markenprodukt-/Markenkombinationen daher Kandidaten für eine Liquidierung aus dem Portfolio dar. Fazit der strategischen Analyse aus der Finanzperspektive ist daher, dass Coki und Top Ice weitergeführt werden sollten und Peppi und Livella Kandidaten für eine Liquidierung darstellen. Die Unterscheidung in wertschaffende und wertvernichtende Markenprodukt-/ Markenkombinationen führt allerdings nur zu einer Vorauswahl der Markenprodukt-/ Markenkombinationen, die im Portfolio behalten bzw. liquidiert werden sollen. So bleiben sowohl die Marketing- als auch die Portfolioperspektive noch völlig ausgeblendet. Aus diesem Grund stellen die in Abbildung D-4 als wertschaffend oder wertvernichtend bezeichneten Markenprodukt-/Markenkombinationen lediglich Kandidaten für den Verbleib oder die Eliminierung aus dem Portfolio dar. Auswahl der fortzuführenden Marken (Marketingperspektive) Bei der strategischen Analyse eines Markenportfolios sollte die Marketingperspektive aus zwei Gründen explizit berücksichtigt werden. So kann zum einen das Management von einer Marke nicht nur eine Verzinsung in Höhe der Kapitalkosten verlangen, sondern zudem als weitere Anforderung auch noch eine hohe Ausprägung der Markenstärke fordern. Beispielsweise gab John F. Welch Jr. für General Electric die Strategie aus, dass „es unser strategisches Ziel ist, uns zu einem Unternehmen zu entwickeln, das entweder Nr. 1 oder Nr. 2 in jedem seiner Wettbewerbsfelder ist … “.470 Eine starke Position im Wettbewerbsfeld hängt mit dem Marktanteil, aber auch mit Bekanntheit und Image der Marke zusammen. Diese Aspekte stellen Werttreiber der Markenstärke dar und können über die Betrachtung dieser Größe in der Entscheidung über die Zusammensetzung des Portfolios berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann auch die Attraktivität der Branche das Wachstumspotential der Marke beeinflussen und damit auch in die Entscheidung über die Fortführung einer Marke einfließen. 470 John F. Welch, Jr. zitiert nach Buzzell/Gale (1989), S. 88. Diese Strategie wird auch aktuell noch von General Electric verfolgt vgl. Kumar (2004b), S. 60. 204 Der zweite Grund für die explizite Betrachtung der Marketingperspektive besteht darin, dass im finanziellen Kalkül nicht zwangsläufig alle Informationen der Marketingperspektive vollständig abgebildet sein müssen. So sind die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen einer Veränderung der Markenstärke nur sehr schwer abzuschätzen. In der Ausprägung der Markenstärke spiegeln sich daher unter Umständen Chancen oder Risiken wider, die sich in den finanziellen Komponenten noch nicht vollständig niedergeschlagen haben. Die zusätzliche Analyse der Markenstärke als eigene Dimension kann auf diese Weise zusätzliche Informationen für die Entscheidung über die Zusammensetzung des Portfolios liefern. Dies ist umso bedeutender, als die Analyse über die Zusammensetzung der Marken nicht nur den Wert auf der Basis ihrer aktuellen Strategie, sondern auch die Potentiale durch mögliche Maßnahmen zu ihrer Stärkung berücksichtigen sollte.471 Aus diesem Grund sollten gerade die Marken, bei denen einen finanzielle Wertschaffung (Wertvernichtung) mit einer schwachen (starken) Markenstärke einhergeht, detailliert untersucht werden. Unter Umständen kann die Konsequenz dieser Betrachtung dann darin bestehen, dass eine Markenprodukt-/Markenkombination, die auf Basis der aktuellen Planung einen negativen Wert aufweist, trotzdem im Portfolio fortgeführt wird, da ihr vom Management aufgrund ihrer hohen Markenstärke mit Hilfe von zusätzlichen unterstützenden Maßnahmen ein „Turnaround“ zugetraut wird. Im Falle von BRAND ist die Analyse der Markenstärke insbesondere für Top Ice und Peppi von Relevanz. Top Ice ist durch eine unterdurchschnittliche Markenstärke gekennzeichnet. Das Management hat allerdings die Vorgabe gesetzt, alle Markenprodukt-/Markenkombinationen, die in ihren Märkten nicht eine führende Position einnehmen, zu liquidieren. Eine schlechte Ausprägung der Markenstärke ist hierfür ein mögliches Indiz. Die nähere Analyse der Werttreiber der Markenstärke von Top Ice zeigt auch, dass die Ausprägungen von Markenimage, Markenbekanntheit und Wettbewerbsposition bei Top Ice durchschnittlich bis schlecht ausgeprägt sind. Allerdings ist bei der Interpretation dieser Werte berücksichtigen, dass die Marke erst vor drei Jahren am Markt eingeführt wurde. Daneben befindet sich Top Ice in einer attraktiven Branche. Vor diesem Hintergrund entscheidet sich das Management, dass Top Ice trotz der aktuell schwachen Markenstärke im Portfolio fortgeführt wird. 471 „More important, the brand rationalization decision is strategic: Managers must consider what could occur, not what is actually occurring. They must imagine the profit and loss for the firm and each surviving brand after the purge of marginal brands and the adjustment of the marketing mix for survivors.” Kumar (2004a), S. 158. 205 Im Gegensatz dazu ist Peppi durch eine sehr gute Markenstärke gekennzeichnet. Diese basiert insbesondere auf der hohen Bekanntheit und den guten Imagewerten von Peppi. Auf dieser Grundlage geht das Management davon aus, dass durch ein geeignetes Maßnahmenprogramm die finanzielle Situation der Marke so verbessert werden kann, dass eine Fortführung der Marke sinnvoll erscheint. Rating-Wert Aa+ AbAnalyse möglicher Verschlechterungen des Ratings Ba+ Cb- Kandidaten für Liquidierung Coki Peppi Top Ice Livella Top Ice (Ba-) Peppi (Cb+) Peppi Da+ Db- Abbildung D-5: Kandidaten für Fortführung BbCa+ Analyse möglicher Verbesserungen des Ratings Coki (Ab+) Livella (Db-) Auswahl der fortzuführenden Marken (Marketingperspektive) Als Ergebnis ändert sich nach der Betrachtung der Marketingperspektive die Zusammensetzung der Kandidaten für Fortführung und Liquidierung. Peppi wird von einem Kandidaten für die Liquidierung zu einem Kandidaten für die Fortführung umgestuft. Ergebnis des Einbezugs der Marketingperspektive im Rahmen der Restrukturierung eines Portfolios ist eine Konkretisierung der Kandidaten für eine Fortführung bzw. Entfernung aus dem Portfolio. Bislang wurde allerdings die Einschätzung der Marken auf Basis einer isolierten Betrachtung vorgenommen. Tatsächlich stehen die Marken aber in Wechselbeziehungen zu den anderen Marken des Portfolios. Im nächsten Schritt ist daher zu überprüfen, inwieweit die Betrachtung der Portfolioperspektive eine Anpassung der Auswahl der fortzuführenden Marken erforderlich macht. Auswahl der fortzuführenden Marken (Portfolioperspektive) Bei der Entscheidung über die Zusammensetzung eines Portfolios können grundsätzlich zwei Herangehensweisen unterschieden werden. Der portfolioorientierte Ansatz stellt einen Top Down-Ansatz dar, bei dem alle Marken des Portfolios anhand bestimmter Kriterien überprüft werden.472 Alle Marken, die die Kriterien erfüllen, verbleiben im Portfolio, die restlichen Marken werden nicht fortgeführt. Diese Vorge472 Diese Herangehensweise prägt die Restrukturierung des Markenportfolios von Unilever vgl. Kumar (2004a), S. 168-173. 206 hensweise wurde bislang bei der Analyse des Markenportfolios aus der Finanzperspektive und der Marketingperspektive zu Grunde gelegt. Die jeweilige Ausprägung von Markenproduktwert bzw. Markenwert und Markenstärke bestimmt die Zuordnung der Markenprodukt-/Markenkombinationen als Kandidaten für Fortführung oder Liquidierung. Die zweite Herangehensweise wird durch den segmentbasierten Ansatz repräsentiert.473 Hierbei werden für die einzelnen Märkte die Kundensegmente betrachtet und analysiert, welche Marken erforderlich sind, um alle Kundensegmente in jedem Markt adäquat bedienen zu können. Diese Sichtweise soll im Folgenden herangezogen werden, wenn die strategische Analyse der Marken aus der Portfolioperspektive erfolgt. Für die Marken bzw. Markenprodukt-/Markenkombinationen, die auf Basis der Analyse aus der Finanz- und der Marketingperspektive im Portofolio verbleiben sollen, ist zu analysieren, ob es zwischen den Marken innerhalb des gleichen Segments zu Überschneidungen bzw. zu Kannibalisierungseffekten kommt. Zur Messung dieses Sachverhalts ist auf die Ausprägung des Kriteriums Abgrenzungsfähigkeit Bezug zu nehmen. Bei einer schlechten Ausprägung der Abgrenzungsfähigkeit und damit verbundenen Überschneidungen zwischen den Marken muss geprüft werden, ob eine Einstellung einer der beiden Marken aufgrund der damit verbundenen Ersparnis an Ressourcen der Führung beider Marken vorzuziehen ist. In diesem Fall könnte es trotz einer positiven Beurteilung bei isolierter Betrachtung vorteilhaft sein, eine der beiden Marken aufzugeben. Nach dieser Analyse ist die Anzahl der Kandidaten für die Fortführung im Portfolio bereits sehr eingegrenzt. Die Anzahl der Kandidaten wird nicht weiter verringert. Vielmehr ist zu untersuchen, ob einzelne der bislang ausgesonderten Marken aufgrund ihrer „strategischen“ Bedeutung doch im Portfolio behalten werden sollten. In diesem Zusammenhang ist auf die Kompatibilität zwischen den Produktmarken und der Unternehmensmarke eines Portfolios zurückzukommen. Eine positive Ausprägung des Beitrags zur Unternehmensmarke spiegelt sich nicht im Markenproduktwert bzw. Markenwert der Produktmarke wider. Insoweit ist dieser Effekt nicht direkt quantifizierbar. Dennoch kann er auf der Ebene der Unternehmensmarke einen bedeutenden Beitrag leisten. Ein Indikator für eine mögliche „strategische“ Bedeutung ist eine hohe Ausprägung bei der Kompatibilität. Beispielsweise ist hier an eine Premium-Marke zu 473 Ein solcher Ansatz ist beispielsweise bei der Restrukturierung des Markenportfolios des schwedischen Unternehmens Electrolux zu beobachten gewesen vgl. Kumar (2004a), S. 164-168. 207 denken, die eine hohe Markenstärke aufweist, aber (zumindest aktuell) nicht profitabel geführt werden kann. Auf Basis der bisherigen Analyseschritte würde diese Marke aufgrund ihres negativen Wertbeitrags zum Unternehmenswert aus dem Portfolio genommen werden. Der aus dieser Marke resultierende Imagetransfer auf die anderen Marken des Portfolios könnte allerdings so groß sein, dass dieser positive Effekt den negativen Wertbeitrag der Marke überkompensiert.474 Die Analyse der Kenngröße Beitrag zum Markenportfolio lässt für die Marken Coki und Peppi eine schlechte Abgrenzungsfähigkeit erkennen. Diese schlägt sich in einer deutlichen Kannibalisierung der Marken nieder. Aus diesem Grund beschließt das Management, nur eine Marke im Segment Cola-Getränke beizubehalten. Da die Marke Coki gegenüber Peppi bei der Finanzperspektive die besseren Werte aufweist, soll das Segment Cola-Getränke nur mit der Marke Coki bearbeitet werden. Für die Marke Livella ist die Analyse einer strategischen Bedeutung nicht zielführend, da die schlechte Ausprägung der Markenstärke nicht auf diese Möglichkeit hinweist. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal das Vorgehen im Rahmen dieses letzten Schritts und stellt gleichzeitig den gesamten Prozess der strategischen Analyse eines Markenportfolios im Überblick dar. Rating-Wert Aa+ AbAnalyse möglicher Verschlechterungen des Ratings Ba+ Bb- Analyse der Abgrenzungsfähigkeit der Marken Ca+ Analyse möglicher Verbesserungen des Ratings CbDa+ Analyse einer „strategischen“ Bedeutung Kandidaten für Fortführung Kandidaten für Liquidierung Coki Peppi Top Ice Livella Peppi Db- Abbildung D-6: Analyse der fortzuführenden Marken (Portfolioperspektive) Als Ergebnis der strategischen Analyse resultiert, dass die Marken Coki und Top Ice fortgeführt werden sollen. Peppi wird aufgrund der Überschneidungen mit Coki aus dem Portfolio genommen, der Grund für die Eliminierung von Livella ist die Wertvernichtung sowohl auf Produkt- als auch auf Markenebene, die zudem von einer schwachen Markenstärke begleitet ist. 474 Ein solcher „strategischer“ Beitrag der Marke ist nur schwer zu quantifizieren. Allerdings kann durch ein retrogrades Vorgehen die erforderliche Mindesthöhe des „strategischen“ Beitrags bestimmt werden. Dieser muss mindestens so hoch sein wie die Wertvernichtung auf der Produktebene. Durch dieses Vorgehen kann ausgeschlossen werden, dass die Fortführung von Marken mit einem nicht näher konkretisierten Beitrag zum Unternehmen begründet werden kann. 208 Gerade am Beispiel der Marke Peppi wird deutlich, dass je nachdem, ob die Analyse aus der Finanz-, Marketing- oder Portfolioperspektive vorgenommen wird, unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen werden können. So wurde Peppi auf Basis der Betrachtung aus der Finanzperspektive als Kandidat für eine Liquidierung eingestuft. Aus dem Blickwinkel der Marketingperspektive wurde allerdings das Potential der Marke deutlich, so dass sie wieder zu den fortzuführenden Marken gezählt wurde. Der ergänzende Blickwinkel der Portfolioperspektive ließ allerdings die Überschneidung mit Coki erkennen. Als Ergebnis der gemeinsamen Betrachtung der Perspektiven wird die Marke deshalb nicht im Portfolio weitergeführt. Ergebnis der strategischen Analyse des Markenportfolios ist die Entscheidung, welche Markenprodukt-/Markenkombinationen fortgeführt und welche aufgegeben werden sollen. Als nächste Schritte des Prozesses der Restrukturierung eines Portfolios sind geeignete Maßnahmen sowohl für die zu liquidierenden Marken bzw. Markenprodukt-/ Markenkombinationen als auch für die fortzuführenden Marken bzw. Markenprodukt-/ Markenkombinationen zu entwickeln. Diese Fragestellungen sind Gegenstand des nächsten Abschnitts. 1.2 Einzelne Marken Nach der strategischen Analyse auf der Ebene des Markenportfolios können im nächsten Schritt die strategischen Stoßrichtungen für die einzelnen Marken abgeleitet werden. Die Identifizierung von strategischen Stoßrichtungen wird zunächst für die nicht fortzuführenden Marken und anschließend für die fortzuführenden Marken erörtert.475 Schritte bei der Restrukturierung des Markenportfolios Strategische Analyse der Einzelmarken Abbildung D-7: 475 MarkenAudit Auswahl der fortzuführenden Marken Liquidierung der aufgegebenen Marken Liquidierung der aufgegebenen Marken Stärkung der der verbleibenden Marken Stärkung der der verbleibenden Marken Einordnung der strategischen Analyse der Einzelmarken in den Prozess der Restrukturierung eines Markenportfolios Exakt wäre hier wieder von fortzuführenden bzw. nicht fortzuführenden Markenprodukt-/Markenkombinationen zu sprechen. 209 Strategische Stoßrichtungen für nicht fortzuführende Marken Die Erörterungen des vorangegangenen Abschnitts D1.1 haben gezeigt, dass drei Gründe dafür verantwortlich sein können, dass eine Markenprodukt-/Markenkombination nicht im Portfolio fortgeführt werden soll: • finanzielle Wertvernichtung auf der Ebene des Markenprodukts (Rating C oder D), • niedrige Markenstärke trotz Wertschaffung auf der Ebene des Markenprodukts (Rating A- oder B-), • schlechte Abgrenzungsfähigkeit trotz Wertschaffung auf der Ebene des Markenprodukts (Rating Ab oder Bb). Bevor für diese Kategorien von nicht fortzuführenden Markenprodukt-/ Markenkombinationen die strategischen Stoßrichtungen entwickelt werden können, ist zunächst auf die grundsätzlichen strategischen Optionen für zu liquidierende Marken einzugehen:476 Strategische Optionen für zu liquidierende Marken Zusammenführen Abbildung D-8: Verkaufen Melken Löschen Strategische Optionen für zu liquidierende Marken Im Falle eines Zusammenführens wird eine Markenprodukt-/Markenkombination aufgegeben und parallel dazu deren Produkteigenschaften oder Image auf eine andere Markenprodukt-/Markenkombination übertragen. Diese Veränderung wird in der Werbung bekannt gegeben und die Konsumenten aufgefordert, die Ersatzmarke auszuprobieren. Bei einem Verkauf ist zu differenzieren zwischen dem Verkauf des Markenprodukts und dem isolierten Verkauf der Marke. Die Betrachtung von Markenprodukt-/Markenkombinationen im Rahmen dieser Arbeit ermöglicht die Diskussion und Abbildung von beiden Maßnahmen. Das Melken einer Marke umfasst die radikale Reduzierung von Werbe- und sonstigen Unterstützungsmaßnahmen der Marke, um die Profitabilität der Marke zu erhöhen. Allerdings wird durch diese Strategie die Marken476 Vgl. zum Folgenden Kumar (2004a), S. 161-163. 210 stärke zerstört, so dass diese Maßnahme zu den Liquidierungsstrategien zu zählen ist. Das Löschen umfasst die Einstellung der Markenprodukt-/Markenkombination. Auch hier ermöglicht die Betrachtung von Markenprodukt-/Markenkombinationen eine differenziertere Analyse. Auf dieser Grundlage können im Folgenden für die drei identifizierten Kategorien von zu liquidierenden Marken die möglichen strategischen Optionen abgeleitet werden. Bei einer Markenprodukt-/Markenkombination mit einem Ratingwert C oder D stellt die Wertvernichtung auf der Produktebene den Grund für die Eliminierung dar. Für die Ableitung von strategischen Optionen ist zu differenzieren, ob die Markenstärke stark oder schwach ausgeprägt ist. Im Falle einer hohen Markenstärke besteht die Möglichkeit, das Produkt aufzugeben und die Marke als immaterieller Vermögenswert mit einer anderen Marke des Markenportfolios zusammenzuführen. Ist dies nicht möglich, kann versucht werden, die hohe Markenstärke zu nutzen und durch drastische Reduktionen der Werbemaßnahmen die Markenprodukt-/Markenkombination zumindest für einige Perioden profitabel zu führen. Wenn die Markenstärke schwach ausgeprägt ist, stehen die Optionen Verkaufen und Löschen zur Verfügung. In der Regel wird der Verkauf des Markenprodukts priorisiert werden.477 Sollte dies jedoch nicht möglich sein, ist der Verkauf oder die Lizenzierung der Marke als immaterieller Vermögenswert alleine in Betracht zu ziehen. Ist weder ein Verkauf von Markenprodukt noch Marke als immaterieller Vermögenswert möglich, verbleibt nur die Einstellung der gesamten Markenprodukt-/Markenkombination. Markenprodukt-/Markenkombinationen mit einem Ratingwert A- oder B- sind eigentlich für das Unternehmen wertschaffend, sollen aber aufgrund ihrer schlechten Markenstärke aus dem Portfolio entfernt werden. Bei dieser Konstellation stellt eine Zusammenführung der Marke als immaterieller Vermögenswert mit einer anderen Markenprodukt-/Markenkombination aufgrund der schlechten Markenstärke keine sinnvolle strategische Option dar.478 Da die Markenprodukt-/Markenkombination grundsätzlich profitabel ist, kann ein Melken strategisch sinnvoll sein. Die Entscheidung darüber hängt davon ab, ob durch einen Verkauf des Markenprodukts – oder eventuell lediglich der Marke als immaterieller Vermögenswert – das Unternehmen besser gestellt wäre. Eine Einstellung der Markenprodukt-/Markenkombination erscheint bei dieser Konstellation nicht zielführend. 477 478 Auf diese Weise können die Arbeitsplätze erhalten und die Kosten einer Schließung von Produktionsstätten vermieden werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Zusammenführen von Marken auch immer mit Kosten verbunden ist. Vgl. Kumar (2004b), S. 63. 211 Ein Ratingwert Ab oder Bb deutet an, dass die Marke zwar wertschaffend ist, aber aufgrund von Überschneidungen mit anderen Marken des Portfolios nicht fortgeführt werden soll. In diesem Fall ist die Zusammenführung der Marke als immaterieller Vermögenswert mit einer anderen Markenprodukt-/Markenkombination des Portfolios grundsätzlich sinnvoll. Ein Melken der Markenprodukt-/Markenkombination ist dagegen weniger ratsam, da dadurch die Konkurrenzsituation nicht beseitigt bzw. sogar noch verschärft werden kann. Der Verkauf des Markenprodukts stellt eine weitere Möglichkeit dar, allerdings ist damit auch die Gefahr verbunden, dass die Konkurrenz für die eigenen Markenprodukt-/Markenkombinationen erhöht wird.479 Vor diesem Hintergrund kann eine weitere Option darin bestehen, solche Markenprodukt-/ Markenkombinationen einzustellen. Nachfolgende Abbildung führt die verschiedenen Konstellationen zu liquidierender Marken und die grundsätzlichen strategischen Optionen noch einmal im Überblick zusammen: Grund für Liquidierung Ratingwert Zusammenführen Melken Verkaufen Löschen Rating C oder D Wertvernichtung auf der Produktebene (hohe x x Markenstärke) Rating C oder D x (schwache x Markenstärke) Schlechte Rating A- oder Markenstärke B- Schlechte Abgren- Rating Ab oder zungsfähigkeit Bb Abbildung D-9: x x x x x Strategische Optionen für verschiedene Konstellationen zu liquidierender Marken innerhalb des Marken-Ratings Die Übersicht macht deutlich, dass in allen Fällen mehr als eine strategische Option grundsätzlich sinnvoll ist. Hier ist das Marken-Rating um weitere Analysen, wie etwa Konsumentenbefragungen zur besseren Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Zusammenführung von zwei Marken, zu ergänzen. 479 Alternativ könnte vielleicht lediglich die Marke an einen Dritten verkauft werden, mit der Auflage, sie in einer anderen Produktkategorie zu nutzen. 212 Die strategische Analyse des Markenportfolios von BRAND ergab, dass die Markenprodukt-/ Markenkombinationen Peppi und Livella aus dem Portfolio entfernt werden sollen. Bei Peppi liegt der Grund in der hohen Überschneidung mit der Marke Coki. Ein Zusammenführen erscheint dem Management nicht zielführend, da die beiden Marken langjährige Konkurrenten darstellten, so dass eine Zusammenführung bei den Konsumenten zu Verwirrungen führen könnte. Zudem stellt Coki die langjährige Traditionsmarke von BRAND dar. Da die Marke Peppi gerade mit der strategischen Zielsetzung erworben worden war, die Konkurrenz auf dem Markt der Cola-Getränke zu verringern, wird ein Verkauf des Markenprodukts bzw. der Marke als immaterieller Vermögenswert ebenfalls nicht erwogen. Vor dem Hintergrund von Abbildung D-9 verbleibt als einzige Möglichkeit daher die Einstellung der Markenprodukt-/Markenkombination mit der Zielsetzung, dass die Käufer zu einem möglichst hohen Teil auf die Marke Coki wechseln. Bei Livella besteht der Grund für die Liquidierung in der finanziellen Wertvernichtung. Zudem ist die Marke durch eine geringe Markenstärke gekennzeichnet. Das Management möchte die Markenprodukt-/Markenkombination allerdings nicht einfach aufgeben. Vor diesem Hintergrund hat das Management eine Investment-Bank beauftragt, für die Markenprodukt-/ Markenkombination Livella einen Käufer zu suchen. Bevorzugt soll das gesamte Markenprodukt verkauft werden. Falls dies nicht gelingt, möchte das Management wenigstens die Marke Livella als immaterieller Vermögenswert veräußern. Nach der Ableitung von strategischen Optionen für die zu liquidierenden Marken steht im Folgenden die Identifizierung von strategischen Stoßrichtungen für die fortzuführenden Marken im Mittelpunkt. Strategische Stoßrichtungen für fortzuführende Marken Die Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für fortzuführende Markenprodukt-/ Markenkombinationen erfolgt auf Basis des Ratings der Marke und dessen zentraler Werttreiber. Der Grundcharakter des Ratings der Marke als Strukturierung der Ausprägungen der einzelnen Kriterien ermöglicht eine direkte Identifizierung der Stärken und Schwächen der Markenprodukt-/Markenkombinationen. Dies soll im Folgenden für die Finanz-, Marketing- und Portfolioperspektive aufgezeigt werden. Die Ausprägung der Finanzperspektive wird durch den ersten Buchstaben des Ratings ausgedrückt. Anhand des Ratings wird deutlich, ob Maßnahmen zur Verbesserung der Rentabilität der Marke als immaterieller Vermögenswert (Rating B), zur Steigerung der Rentabilität des Markenprodukts (Rating C) oder zur Verbesserung der Rentabilität von sowohl Marke als immaterieller Vermögenswert als auch Markenprodukt (Rating D) erforderlich sind. Für die weitere Analyse können Markenwert und Markenproduktwert noch weiter in ihre Komponenten Free Cashflows, Diskontierungssatz anteiliges Fremdkapital der Marke sowie die dahinter stehenden Werttreiber, wie beispiels- 213 weise Umsatzwachstum oder operative Marge, aufgegliedert werden.480 Auf diese Weise kann identifiziert werden, an welchen Stellhebeln der Finanzperspektive die Maßnahmen der Markenführung ansetzen müssen.481 Ein mögliches Ergebnis dieser Analyse könnte etwa die Vorgabe der Verbesserung der operativen Marge darstellen. Die Ausprägung der Markenstärke wird durch das Vorzeichen des Ratings angezeigt. Ein „-“ im Rahmen des Ratings lässt erkennen, dass ein Handlungsbedarf auf der Ebene der Markenstärke besteht. Die Werttreiber der Markenstärke – Markenbekanntheit, Markenimage, Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität – werden für die Aggregation zu einem Gesamtwert jeweils auf einer fünfstufigen Rating-Skala gemessen. Anhand dieser Einstufungen wird deutlich, welche Größen eine überdurchschnittliche oder eine eher unterdurchschnittliche Ausprägung aufweisen. Auf dieser Grundlage lassen sich die Ansatzpunkte und die strategischen Stoßrichtungen innerhalb der Marketingperspektive ermitteln. So kann beispielsweise als strategische Maßnahme aus der Analyse resultieren, dass der Bekanntheitsgrad der Marke gesteigert werden muss. Die Ausprägung der Portfolioperspektive wird durch den zweiten Buchstaben des Ratings signalisiert. Bei einem Ratingwert b ist entweder die Abgrenzungsfähigkeit oder die Kompatibilität nicht ausreichend gegeben. Zur Konkretisierung ist der Beitrag zum Markenportfolio in die Komponenten Abgrenzungsfähigkeit und Kompatibilität aufzugliedern. Die Einstufung auf der fünfstufigen Skala zeigt an, bei welcher der beiden Komponenten die Maßnahmen des Markenmanagements ansetzen müssen. Als mögliche strategische Stoßrichtung kann hier etwa die Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit gegenüber den anderen Markenprodukt-/Markenkombinationen des gleichen Produktbereichs identifiziert werden. Nachfolgende Abbildung zeigt den Prozess der Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für eine einzelne Marke noch einmal im Überblick: 480 481 Vgl. die Darstellung des Werttreiberbaums in Abschnitt C2.3.1.1. Hierbei ist auch auf die zeitliche Entwicklung der Größen sowie auf den Vergleich mit den Relationen von Wettbewerbern abzustellen. 214 A Kein unmittelbarer Handlungsbedarf B Verbesserung der Rentabilität der Marke C Verbesserung der Rentabilität des Markenprodukts D Verbesserung der Rentabilität von Marke und Markenprodukt Unternehmenswert Markenwert Free Cashflow der Marke Wachstumsrate des Umsatzes der Marke Investitionen der Marke in Working Capital operative Marge der Marke Investitionen der Marke in Anlagevermögen Steuersatz des Markenprodukts + Kein unmittelbarer Handlungsbedarf - Verbesserung der Markenstärke Diskontierungssatz Markenbekanntheit Markenimage anteiliges Fremdkapital der Marke Ökonomische Nutzungsdauer des Markenprodukts Strategische Stoßrichtungen Finanzperspektive (z.B. Verbesserung operative Marge auf der Ebene der Marke) Kapitalkosten des Markenprodukts Wettbewerbsposition Branchenattraktivität Strategische Stoßrichtungen Marketingperspektive (z.B. Steigerung Markenbekanntheit) Markenstärke a Kein unmittelbarer Handlungsbedarf b Verbesserung von Abgrenzungsfähigkeit bzw. Kompatibilität Abgrenzungsfähigkeit Beitrag zum Markenportfolio Kompatibilität Strategische Stoßrichtungen Portfolioperspektive (z.B. Verbesserung Abgrenzungsfähigkeit) Abbildung D-10: Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für eine einzelne Marke Im Fall von BRAND sollen lediglich die Marken Coki und Top Ice fortgeführt werden. Deshalb wird die strategische Analyse auf der Ebene der einzelnen Marke ausschließlich für diese beiden Marken verdeutlicht. Die Marke Coki verfügt über das Rating Ab+. Dieses Rating deutet daraufhin, dass für die Markenprodukt-/Markenkombination ein Handlungsbedarf im Bereich des Beitrags zum Markenportfolio besteht. Verantwortlich hierfür ist die geringe Abgrenzungsfähigkeit zwischen Coki und Peppi. Diese Problematik wurde allerdings durch die Eliminierung von Peppi aus dem Portfolio gelöst. Aus diesem Grund lässt die strategische Analyse für Coki auf Basis des Marken-Ratings keinen Anlass für eine Änderung der aktuellen Strategie erkennen. Auch wenn auf der abstrakten Ebene des Markenimages zunächst kein Handlungsbedarf sichtbar wird, könnten trotzdem beispielsweise bei einer detaillierten Analyse des Markenimages Ansatzpunkte für Maßnahmen sichtbar werden. An dieser Stelle wird wiederum die Notwendigkeit des Zusammenspiels des Marken-Ratings mit weiteren Instrumenten des Markenmanagements deutlich. Die Marke Top Ice ist durch das Rating Ba- gekennzeichnet. Gemäß der Darstellung in Abbildung D-10 können hieraus Anhaltspunkte für die Ableitung von strategischen Stoßrichtungen in zwei Richtungen gewonnen werden. Zum einen sind Verbesserungspotentiale bezüglich der Profitabilität der Marke erkennbar. Zum anderen wird deutlich, dass die Markenstärke gesteigert werden kann. Ansatzpunkte hierfür bestehen insbesondere im Bereich des Markenimages. 215 Die aus dem Rating der Marke abgeleiteten strategischen Stoßrichtungen sind noch relativ unkonkret. Beispielsweise ist für die Vorgabe der operativen Marge der Marke zu klären, auf Basis welcher konkreter Maßnahmen die Vorgabe erreicht werden kann. Zu diesem Zweck sind die verschiedenen Maßnahmen zu bewerten und auf dieser Basis eine gleichsam „optimierte“ Planung zu erstellen. Auf diese Aspekte wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen. 2 Planung Die strategische Analyse bildet die Grundlagen und die Rahmenbedingungen für die Ableitung einer Planung. Hierbei geht es zunächst darum, die geeigneten Maßnahmen zur Konkretisierung der strategischen Stoßrichtungen auszuwählen. Zu diesem Zweck müssen die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Komponenten des Marken-Ratings abgeschätzt werden. In Abschnitt D2.1 werden daher Werttreiberbäume zur Strukturierung der Auswirkungen der Maßnahmen auf die verschiedenen Komponenten des Marken-Ratings entwickelt. Darauf aufbauend wird in Abschnitt D2.2 gezeigt, wie auf Basis der Werttreiberbäume die Maßnahmen bewertet werden können und eine gleichsam „optimierte“ Planung abgeleitet werden kann.482 2.1 Entwicklung von Werttreiberbäumen Die Entwicklung von Werttreiberbäumen soll in dieser Arbeit für die Aktivitäten des Marketing-Mix als den „klassischen“ Bereichen zur Beeinflussung von Markenprodukt bzw. Marke erfolgen. Als Aktivitäten des Marketing-Mix werden Produktpolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik und Vertriebspolitik betrachtet.483 Im Folgenden werden die Zusammenhänge zwischen den Aktivitäten des Marketing-Mix und dem 482 An dieser Stelle ist auf den Unterschied gegenüber der Bewertung einer Marke einzugehen. In Abschnitt B3.3 wurde die Unmöglichkeit einer vollständigen Abbildung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen der nichtfinanziellen und finanziellen Werttreiber bei der Ermittlung von Markenproduktwert und Markenwert dargestellt. Als Begründung wurde die zu hohe Komplexität eines solchen Totalmodells angeführt. Diese Aussage stellt keinen Widerspruch dar zu der Zielsetzung dieses Abschnitts, eine Quantifizierung der Auswirkungen von operativen Maßnahmen vorzunehmen. Der Unterschied besteht darin, dass die Beurteilung von Investitionsmaßnahmen unter einer ceteris paribus-Prämisse erfolgt. Es wird die Veränderung der Auswirkung einzelner Maßnahmen auf Markenproduktwert, Markenwert und Markenstärke betrachtet. Die Anzahl der sich ändernden Parameter ist dabei begrenzt. Als Folge resultiert eine deutliche Komplexitätsreduktion. Dies ermöglicht es, eine Quantifizierung der Wirkungszusammenhänge – zumindest näherungsweise – zu versuchen. 483 Zu den 4 P des Marketing-Mix – Product, Price, Promotion und Place – vgl. beispielsweise Kotler (2003), S. 16. 216 Marken-Rating differenziert nach den Einzeleffekten auf Markenstärke, Markenproduktwert, Markenwert sowie nach dem Gesamteffekt auf das Marken-Rating dargestellt.484 Werttreiberbaum zu Produktpolitik und Marken-Rating Maßnahmen der Produktpolitik zielen darauf ab, über die Veränderung von Produkteigenschaften die Wertschätzung des Produkts durch die Konsumenten zu beeinflussen.485 Diese Aktivitäten werden von den Konsumenten in der Regel nicht direkt, sondern nur über den Kontakt mit dem Produkt wahrgenommen. Sie wirken daher indirekt auf die Markenstärke. Dieser indirekte Effekt kann über eine Veränderung der objektiven Qualität des Produkts und einer dadurch bedingten Veränderung der wahrgenommenen Qualität des Produkts erfolgen. Da die wahrgenommene Qualität positiv die Größen Markenvertrauen, Markenzufriedenheit und damit letztlich das Markenimage beeinflusst, besteht auf diese Weise ein positiver Effekt auf die Markenstärke.486 Im finanziellen Bereich wirken sich Aktivitäten der Produktpolitik über – zumindest kurzfristig – höhere Auszahlungen zunächst negativ auf den Markenproduktwert aus.487 Allerdings ist mit den Maßnahmen das Ziel eines späteren Zuwachses an Einzahlungen bzw. einer Reduktion von Auszahlungen verbunden. Ein Anstieg an Einzahlungen kann auf höheren Preisen oder höheren Absatzmengen aufgrund der höheren Produktqualität beruhen. Eine höhere Absatzmenge führt dann allerdings auch wieder zu einem Anstieg der mengenabhängigen Kosten. Eine Reduktion an Auszahlungen kann mit einem Anstieg der Loyalität der Konsumenten oder positiver Mund-zu-MundWerbung verbunden sein.488 Der Gesamteffekt der Aktivitäten der Produktpolitik auf den Markenproduktwert ist von der relativen Stärke der Einzeleffekte abhängig und daher zunächst unbestimmt.489 484 Die Effekte auf die Markenstärke werden anhand der konsumentenbezogenen Werttreiber Markenbekanntheit und Markenimage vorgenommen, da die Wettbewerbsposition sowie die Branchenattraktivität durch das Management nur zum Teil bzw. gar nicht beeinflusst werden können. Ebenso wird aus Gründen der Komplexitätsreduktion an dieser Stelle die Darstellung für eine Einzelmarke vorgenommen und die Portfolioperspektive ausgeblendet. 485 Vgl. Keller (1998), S. 176. 486 Zur Bedeutung der wahrgenommenen Qualität für die Markenstärke vgl. Aaker (1991), S. 78-103. 487 Die Auswirkungen auf Markenproduktwert und Markenwert werden in den Werttreiberbäumen auf Basis von Zahlungsgrößen dargestellt. 488 Vgl. Kotler (2003), S. 319. 489 Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der PIMS-Studie konnten allerdings einen positiven Zusammenhang zwischen der Veränderung der Produktqualität im Vergleich zum Wettbewerb und dem ROI nachweisen: „Auf lange Sicht ist der wichtigste Einzelfaktor, der den Erfolg einer Geschäftseinheit bestimmt, die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen im Vergleich zu ihren Konkurrenten.” Buzzell/Gale (1989), 217 Ein Effekt der Produktpolitik auf den Markenwert besteht aufgrund der in dieser Arbeit gewählten Definition des No-name-Produkts als mit dem Markenprodukt qualitativ identisches Produkt nicht. Die Effekte der Produktpolitik auf Markenstärke, Markenproduktwert und Rating der Marke lassen sich zusammenfassend in einem Werttreiberbaum abbilden:490 Markenimage Markenstärke Direkte Auszahlungen wegen Maßnahmen der Produktpolitik Produktpolitik (z.B. Erhöhung Produktqualität) Rating der Marke Einzahlungen aufgrund Veränderung Markenimage Markenproduktwert Mengenbedingte Auszahlungen Sonstige Auszahlungen Abbildung D-11: Werttreiberbaum zu Produktpolitik und Marken-Rating Anhand der Abbildung wird noch einmal deutlich, dass der Gesamteffekt der Aktivitäten der Produktpolitik auf das Rating der Marke bzw. das Rating der Markenprodukt-/ Markenkombination von der Richtung und der Stärke der Veränderung des Markenproduktwerts abhängt. Der Wirkungszusammenhang zwischen Maßnahmen der 490 S. 7. Vgl. auch die Untersuchung von Aaker/Jacobsen zum Zusammenhang zwischen wahrgenommener Qualität und Aktienkurs, Aaker/Jacobsen (1994), S. 191-201. In dem Werttreiberbaum werden zeitliche Effekte nicht explizit abgebildet. 218 Produktpolitik und Marken-Rating kann daher nicht allgemeingültig angegeben werden. Werttreiber zu Preispolitik und Marken-Rating Die Preispolitik kann einen Einfluss auf die wahrgenommene Qualität besitzen, da der Preis von den Konsumenten oftmals als Qualitätsindikator herangezogen wird.491 Eine Preissenkung kann mithin über die wahrgenommene Qualität das Image der Marke und damit die Markenstärke negativ beeinflussen.492 Bei der Analyse der Auswirkungen der Preispolitik auf den Markenproduktwert sind drei Effekte zu unterscheiden. Der erste Effekt besteht in einer Erhöhung (Verringerung) der Einzahlungen bei einer Preiselastizität der Nachfrage größer 1 (kleiner 1). Die zweite Wirkung besteht in einer Erhöhung der mengenabhängigen Auszahlungen.493 Als dritter Effekt ist eine mögliche Reduktion der Einzahlungen aufgrund der Verringerung der wahrgenommenen Qualität zu berücksichtigen.494 Der Gesamteffekt einer Preisänderung auf den Markenwert hängt von der relativen Stärke der Einzeleffekte ab. Die Auswirkungen der Preispolitik auf den Markenwert entsprechen in ihrer Richtung den Effekten beim Markenproduktwert.495 491 Gemäß empirischen Untersuchungen stellt der Preis eine von acht Facetten der Qualitätswahrnehmung von Produkten dar. Vgl. Güldenberg (1991), S. 164. 492 Alternativ ist auch denkbar, dass für Produkte, die bewusst als preiswert positioniert werden sollen, eine Preissenkung auch zu einer Verbesserung des Images führt. 493 Bei einer Preissenkung ist damit aufgrund der zusätzlichen mengenbedingten Auszahlungen eine Preiselastizität von größer 1 notwendig, damit insgesamt ein positiver Effekt resultiert. 494 Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn das Produkt zu häufig über Sonderangebotsaktionen vermarktet wird. 495 Die Preisänderung führt erstens – bei unterstelltem konstantem Preis des No-name-Produkts – zu einer Veränderung der Preisprämie und damit der Umsatzerlöse der Marke. Zweitens führt der Effekt der Preisänderung auf die Absatzmenge des Markenprodukts zu einer Veränderung der Mengenprämie der Marke und damit der mengenbedingten Auszahlungen der Marke. Drittens wirkt sich auch auf der Ebene der Einzahlungen der Marke eine durch die Preispolitik verursachte Verbesserung oder Verschlechterung der Markenstärke aus. 219 Der Werttreiberbaum für die Wirkung der Preispolitik auf die Komponenten des Marken-Ratings stellt sich mithin wie folgt dar: Markenimage Markenstärke Einzahlungen wegen Preisänderung Rating der Marke Preispolitik (z.B. Preissenkung) Mengenbedingte Auszahlungen Markenproduktwert/ Markenwert Einzahlungen wegen Veränderung Markenimage Abbildung D-12: Werttreiberbaum zu Preispolitik und Marken-Rating Die Abbildung macht deutlich, dass allgemeingültige Auswirkungen im Hinblick auf die Richtung der Auswirkungen einer Preispolitik auf das Rating der Marke nicht möglich sind. Werttreiberbaum zu Kommunikationspolitik und Marken-Rating Maßnahmen der Kommunikationspolitik erhöhen in der Regel sowohl Bekanntheitsgrad als auch Image der Marke.496 Mithin besteht eine gleichgerichtete Wirkungsbeziehung zwischen Kommunikationspolitik und Markenstärke. Die Auswirkungen der Kommunikationspolitik auf den Markenproduktwert lassen sich in drei Teileffekte aufspalten. Erstens fallen für die Aktivitäten der Kommunikationspolitik Auszahlungen an. Zweitens sollte sich die positive Veränderung der Marken496 Dieser Zusammenhang ist grundsätzlich gegeben, allerdings kann etwa bei misslungenen Werbekampagnen auch keine oder sogar eine negative Auswirkung auf die Markenstärke bestehen. 220 stärke durch die Kommunikationspolitik in einer Erhöhung der Einzahlungen niederschlagen. Diese Erhöhung der Einzahlungen kann auf einem höheren Preis bzw. einem Anstieg der Absatzmenge basieren. Im letzteren Fall steigen als dritter Effekt auch die mengenabhängigen Auszahlungen.497 Der Gesamteffekt hängt wiederum von der relativen Stärke der einzelnen Auswirkungen ab. Die Auswirkungen der Kommunikationspolitik auf den Markenwert entsprechen den Wirkungen im Fall des Markenprodukts. Der Werttreiberbaum für die Wirkung der Kommunikationspolitik auf die Komponenten des Marken-Ratings stellt sich mithin wie folgt dar: Markenbekanntheit/ Markenimage Markenstärke Rating der Marke Direkte Auszahlungen wegen Maßnahme Kommunikationspolitik (z.B. Werbekampagne) Einzahlungen wegen Erhöhung Bekanntheit/ Image Markenproduktwert/ Markenwert Mengenbedingte Auszahlungen Abbildung D-13: Werttreiberbaum zu Kommunikationspolitik und Marken-Rating Die Wirkung der Maßnahmen der Kommunikationspolitik auf das Rating der Marke hängt mithin davon ab, ob der zusätzliche Deckungsbeitrag aus der Erhöhung von Preis und/oder Absatzmenge die Kosten für die Durchführung der Werbemaßnahme kompensiert. 497 Unter der Annahme positiver Deckungsbeiträge resultiert aus der gemeinsamen Betrachtung des zweiten und dritten Effekts ein positiver Einfluss auf den Markenproduktwert. 221 Werttreiberbaum zu Vertriebspolitik und Marken-Rating Die Analyse der Auswirkungen der Vertriebspolitik auf die Markenstärke erfordert eine differenzierte Betrachtung nach Markenbekanntheit und Markenimage. So wirkt eine Erhöhung des Distributionsgrads über die gestiegene Präsenz positiv auf den Bekanntheitsgrad der Marke. Allerdings könnte bei Markenprodukten, für die eine bestimmte Exklusivität kennzeichnend ist, eine leichtere Erhältlichkeit auch zu negativen Effekten in Bezug auf das Image der Marke führen. Die Wirkungsrichtung der Distributionspolitik auf die Markenstärke hängt daher von der relativen Stärke der möglichen Auswirkung auf Bekanntheit und Image ab. Bei der Betrachtung der Auswirkungen der Vertriebspolitik auf den Markenproduktwert sind drei Effekte zu unterscheiden. Erstens hat eine Erhöhung des Distributionsgrads einen Anstieg der Auszahlungen des Markenprodukts zur Folge. Zweitens führt eine Erhöhung des Distributionsgrads auch zu einem Anstieg der Absatzmenge und damit der Einzahlungen des Markenprodukts. Drittens fallen aufgrund der höheren Absatzmenge zusätzliche mengenbedingten Auszahlungen an. Unterstellt, dass die einzelne Einheit profitabel produziert werden kann, wirken der zweite und der dritte Effekt insgesamt positiv. Der Gesamteffekt hängt mithin von der relativen Stärke der Erhöhung der Auszahlungen und dem Anstieg des Deckungsbeitrags aus dem zusätzlichen Absatzvolumen ab. Die Effekte auf den Markenwert entsprechen den Auswirkungen auf den Markenproduktwert. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Zusammenhänge noch einmal: 222 Markenbekanntheit Markenstärke Markenimage Vertriebspolitik (z.B. Erhöhung Distributionsgrad) Rating der Marke Auszahlungen wegen Maßnahme Einzahlungen aus Mengensteigerung Markenproduktwert/ Markenwert Mengenbedingte Auszahlungen Abbildung D-14: Werttreiberbaum zu Vertriebspolitik und Marken-Rating Ähnlich wie bei den anderen Werttreiberbäumen kann auch für die Vertriebspolitik kein allgemeingültiger Wirkungszusammenhang im Hinblick auf die Veränderung der Komponenten des Ratings der Marke angegeben werden. Dies soll jedoch auch nicht die primäre Zielsetzung von Werttreiberbäumen sein. Die Aufstellung von Werttreiberbäumen soll vielmehr eine Systematisierung der möglichen Wirkungen der einzelnen Aktivitäten auf die Komponenten des Marken-Ratings ermöglichen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass bei der Abschätzung der möglichen Auswirkungen von Maßnahmen im Vorfeld keine wesentlichen Effekte übersehen werden. Nach der Darstellung der Werttreiberbäume für die Maßnahmen des Marketing-Mix wird im Folgenden gezeigt, wie auf dieser Grundlage eine Bewertung der Maßnahmen und die Erstellung einer“optimierten Planung“ erfolgen kann. 223 2.2 Erstellung einer „optimierten“ Planung Werttreiberbäume ermöglichen eine Strukturierung der Ursache-/Wirkungszusammenhänge. Für die Erstellung einer „optimierten“ Planung ist zusätzlich zu der Identifizierung der grundsätzlichen Richtung der Zusammenhänge auch zu versuchen, die Höhe der Auswirkung auf die Komponenten des Marken-Ratings zu quantifizieren. Die einfachste Möglichkeit einer Quantifizierung besteht darin, die Stärke des Wirkungszusammenhangs über eine zwei- oder dreistufige Skala anzugeben. Beispielsweise wird ein leichter Zusammenhang über ein „+“ und ein starker Zusammenhang über „++“ angegeben. Daneben kann auch die Zeitdimension des Wirkungszusammenhangs über die Bezeichnung „kurzfristig“, „mittelfristig“ oder „langfristig“ zumindest grob spezifiziert werden.498 Dem Vorteil einer leichten Handhabbarkeit dieser Methodik steht der Nachteil gegenüber, dass eine Abschätzung der Auswirkungen von Maßnahmen auf dieser Grundlage nur eingeschränkt möglich ist. Als potentiell genauere, aber auch aufwendigere Alternative kann die Quantifizierung des Zusammenhangs der Größen über regressionsanalytische Verfahren vorgenommen werden. Hierbei wird versucht, über die Auswertung von Vergangenheitsdaten einen statistischen Zusammenhang zwischen der Veränderung der operativen Stellhebel und den Ausprägungen der Komponenten des Marken-Ratings zu ermitteln.499 Bei der Gestaltung der Verfahren stellt allerdings insbesondere die Abbildung der Wirkungsbeziehungen der einzelnen Einflussfaktoren untereinander eine Schwierigkeit dar.500 Zudem sind die Verfahren als relativ aufwendig zu betrachten. Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit eine alternative Möglichkeit der Abschätzung der Auswirkungen von einzelnen Maßnahmen auf die Komponenten des MarkenRatings vorgestellt werden. Im ersten Schritt sind die Effekte auf die Werttreiber von Markenwert, Markenproduktwert und Markenstärke zu bestimmen, die sich mit relativ hoher Sicherheit aus den Maßnahmen ableiten lassen. Hierzu zählen in erster Linie die Auszahlungen für die jeweiligen Maßnahmen. Eine solche relativ gute Abschätzbarkeit bezüglich der Auswirkungen kann beispielsweise aber auch für die Veränderung der Markenbekanntheit auf Basis einer Werbekampagne bestehen. 498 499 500 Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen Kriegbaum (2001), S. 274. Berechnungen dieser Art liegen dem Bewertungsverfahren von Interbrand zugrunde. Vgl. Riedel (1996), S. 131-134. Vgl. Riedel (1996), S. 133. 224 Andere Effekte, wie etwa die mittel- und langfristigen Veränderungen einer Verschlechterung des Markenimages, sind nur sehr schwer zu quantifizieren.501 Aus diesem Grund wird für die Anwendung des Marken-Ratings vorgeschlagen, verschiedene Szenarien darzustellen und damit die verbundenen Prämissen der Wirkungsbeziehungen zwischen den Parametern offen zulegen. Beispielsweise ist im Fall der Reduktion von Werbemaßnahmen eine Verschlechterung der Markenstärke und damit ein potentieller Rückgang der Kundenzahlen zu erwarten. Die mögliche Stärke der Imageverschlechterung auf die Kundenzahlen und damit auf die Einzahlungen kann durch verschiedene Szenarien (z.B. Kundenverlust -10%, -20%, -30%) abgebildet werden. Auf dieser Basis kann das Management die am wahrscheinlichsten erscheinende Entwicklung auswählen und die Maßnahme ablehnen oder in die Planung aufnehmen. Aufgrund der verschiedenen Dimensionen des Marken-Ratings wird es dabei möglich, die Auswirkungen sowohl auf Markenproduktwert, Markenwert, Markenstärke und Rating der Marke darzustellen. Damit soll eine ganzheitliche und langfristige Sichtweise bei der Auswahl von konkreten Maßnahmen unterstützt werden. Letztlich können allerdings auch niemals alle Effekte im Vorfeld quantifiziert werden, sondern es besteht gerade die Leistung des Managements darin, auf Basis einer unsicheren Informationslage die Entscheidungen zu treffen. Diese Überlegungen sollen im Folgenden anhand des Fallbeispiels BRAND veranschaulicht werden. Auf Basis der Analyse der Stärken und Schwächen von Top Ice resultierten zwei Ansatzpunkte für das Markenmanagement. Zum einen wurde deutlich, dass Top Ice durch eine unterdurchschnittliche Markenstärke gekennzeichnet ist. Zum anderen lies die strategische Analyse erkennen, dass auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert ein negativer Markenwert vorliegt. Auf Druck des Controllings wird der Verbesserung der Profitabilität der Marke die höhere Priorität eingeräumt. Deshalb wird als strategische Stoßrichtung vorgegeben, die operative Marge der Marke als immaterieller Vermögenswert durch Kosteneinsparungen zu steigern. Zur Konkretisierung dieser strategischen Stoßrichtung untersucht das Management zwei mögliche Maßnahmen. Als erste Maßnahme wird erwogen, keine Anzeigen mehr für die Marke in Printmedien zu schalten. Damit wäre eine Reduktion der Werbeausgaben um 10% verbunden. Die zweite Maßnahme besteht darin, die bestehenden Mittel für Werbekampagnen um 3% zu kürzen, dabei aber grundsätzlich die bestehenden Werbemedien weiterhin zu nutzen. Aufgabe des Managements im Rahmen der Planung ist es, die Wirkungen der Maßnahmen auf Basis des Werttreiberbaums der Kommunikationspolitik zu schätzen und eine der beiden 501 Vgl. hierzu etwa die Darstellung zeitlicher Werbewirkungsverläufe bei Erichson/Maretzki (1993), S. 531544. 225 Maßnahmen auszuwählen. Basis für die Berechnungen ist die Planung von Top Ice vor Durchführung der Maßnahmen. Diese Planung liegt der Ermittlung des aktuellen MarkenRatings von Top Ice zugrunde. Bei der ersten Maßnahme wird von einer Reduktion der Werbeaktivitäten in Höhe von 10% ausgegangen. Aufgrund des starken Rückgangs kann nicht unterstellt werden, dass dies ohne Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Marke durch die Konsumenten bleibt. Auf Basis der Erfahrungen der Vergangenheit schätzt das Management, dass eine Reduktion der Werbeaufwendungen um 10% mit einem Rückgang des Bekanntheitsgrads von 6%-Punkten verbunden sein wird. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich die Werte für das Markenimage ebenso wie für die Wettbewerbsposition verschlechtern werden. Zusammenfassend kann mithin ein deutlich negativer Effekt auf die Markenstärke erwartet werden. Die Auswirkungen der Reduktion der Werbemaßnahmen auf die Einzahlungen sind für das Management schwerer abzuschätzen. Aus diesem Grund werden verschiedene Szenarien für den Einfluss der Verschlechterung von Markenbekanntheit und Markenimage auf die Einzahlungen berechnet. Um ein Gefühl für die Bandbreite möglicher Effekte zu bekommen, sollen die Szenarien „kein Kundenverlust“, „Kundenverlust in Höhe von 12%“ und „Kundenverlust in Höhe von 20%“ durchgespielt werden. Ein Verlust an Kunden wird über die Veränderung der Absatzmenge abgebildet. Für die zweite Maßnahme wird unterstellt, dass außer der Reduktion der Auszahlungen mit der Maßnahme keine weiteren (negativen) Effekte verbunden sind. Das Management geht mithin davon aus, dass die Konsumenten eine Reduktion der Werbemaßnahmen um 3% nicht in einem Ausmaß wahrnehmen, dass ein negativer Effekt auf die Markenstärke resultiert. Da annahmegemäß keine Auswirkung auf die Einzahlungen besteht, kann die Veränderung von Markenproduktwert und Markenwert auf Basis der Einsparungen der Kosten berechnet werden. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Markenproduktwerte und Markenwerte für die beiden Maßnahmen in den jeweiligen Szenarien wie folgt dar: Markenproduktwert Markenwert Ausgangsfall 2.232,6 -30,4 Reduktion Kosten für Werbekampagne um 10% ohne Effekt bei Absatzmenge mit 12% Rückgang bei Absatzmenge mit 20% Rückgang bei Absatzmenge 2.647,1 2.211,5 1.920,3 384,1 130,0 -54,2 Reduktion Kosten für Werbekampagne um 3% ohne Effekt bei Absatzmenge 2.357,0 93,9 Der Ausgangsfall wird durch den Markenproduktwert und Markenwert auf Basis der Planung 502 vor Durchführung der Maßnahme repräsentiert. Die Übersicht macht deutlich, dass eine Reduktion der Kosten für Werbekampagnen um 10% ohne Effekt auf die Kundenzahlen bzw. Absatzmenge zu der höchsten Verbesserung von Markenproduktwert und Markenwert führt. Eine solche rein auf die Kosten fokussierte Betrachtung greift allerdings zu kurz. Es wird nicht berücksichtigt, dass eine Reduktion der Werbemaßnahmen sich auch auf die Wahrnehmung der Konsumenten auswirkt und zu ei502 Hierbei wird auf die Gesamtkapitalwerte und nicht die Eigenkapitalwerte von Markenprodukt und Markenwert Bezug genommen, da später durch die Gegenüberstellung mit dem investierten Kapital die Wertschaffung bzw. -vernichtung von Markenprodukt und Marke nach Durchführung der Maßnahme betrachtet wird. 226 ner Verschlechterung der Markenstärke führt. Aus diesem Grund bildet dieses Szenario nicht alle Wirkungen ab und kann daher ausgeschlossen werden. Bei einem Rückgang der Kunden bzw. der Absatzmenge von 12% resultiert bereits eine Verschlechterung des Markenproduktwerts gegenüber dem Ausgangsfall. Für den Markenwert ergibt sich hier noch eine leichte Verbesserung. Verantwortlich hierfür ist, dass sich aufgrund der relativ geringen Mengenprämie von Top Ice Änderungen der Absatzmenge auf den Markenwert nicht so stark auswirken. Im Fall der Prämisse eines Rückgangs von Kunden bzw. Absatzmenge in Höhe von 20% verschlechtern sich sowohl Markenproduktwert als auch Markenwert. Das Management geht davon aus, dass mindestens ein Rückgang der Kunden um 12% zu erwarten ist. Da in diesem Fall bereits eine Verschlechterung des Markenproduktwerts eintritt, ist die erste Maßnahme mithin als nachteilig zu betrachten. Eine Reduktion der Kosten für Werbekampagnen um 3% führt unter der Annahme, dass kein negativer Effekt aufgrund von Kundenverlusten resultiert, zu einer Erhöhung von Markenproduktwert und Markenwert. Zudem ist die zweite Maßnahme auch mit keiner Verschlechterung der Markenstärke verbunden. Zusammenfassend ist daher auf Basis einer Analyse der Auswirkungen der Maßnahmen auf das Rating der Marke die zweite Maßnahme durchzuführen. Die Planungen für Markenprodukt und Marke unter Berücksichtigung der Effekte der zweiten Maßnahme stellen mithin die „optimierte“ finanzielle Planung für die Markenprodukt-/Markenkombination dar. Auf Basis der „optimierten“ Planung ergeben sich dann die folgenden relativen Kapitalwerte für Markenprodukt und Marke: Relativer Kapitalwert bei "optimierter Planung" Markenprodukt Gesamtkapitalwert Investiertes Kapital Relativer Kapitalwert 2.357,0 785,9 3,0 Marke Gesamtkapitalwert Investiertes Kapital Relativer Kapitalwert 93,9 148,2 0,6 Ergebnis ist, dass auch im Rahmen einer „optimierten“ Planung auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert weiterhin keine Verzinsung des investierten Kapitals in Höhe der Kapitalkosten über die Laufzeit der Marke erreicht wird. Allerdings haben die Berechnungen zu den Auswirkungen der ersten Maßnahme auch gezeigt, dass eine stärkere Reduktion der Werbemaßnahmen zu Kundenverlusten und damit zu einer Wertvernichtung auf der Ebene des Markenprodukts führen würde. Eine weitere „Optimierung“ durch Kosteneinsparungen im Bereich der Kommunikationspolitik ist daher nicht möglich. Als Konsequenz hieraus könnte beispielsweise versucht werden, eine weitere Verbesserung der operativen Marge der Marke etwa durch Einsparungen im Bereich der Kosten für den rechtlichen Schutz der Marke zu erzielen. 227 Die Erreichung der aus der Planung resultierenden Größen ist im Rahmen der Performancemessung zu überwachen. Die Anwendung des Marken-Ratings auf die Performancemessung ist daher Gegenstand des nächsten Abschnitts. 3 Performancemessung Die Messung der Performance der Marke ist aus mehreren Gründen von Bedeutung. Erstens dient sie zur Kontrolle, ob die Aktivitäten des Markenmanagements den Planbzw. Soll-Vorgaben entsprechen. Im Falle eines Abweichens können frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Damit eng zusammenhängend kann die Performancemessung auch als Instrument zur Einschätzung der Leistungen der Markenmanager und als Grundlage für deren erfolgsabhängige Entlohnung genutzt werden. Darüber hinaus vermittelt die Performancemessung der Marke dem Top-Management Informationen über den Beitrag der Marke zum Unternehmenserfolg.503 Die Messung der Performance der Marke erfordert ein kohärentes und hierarchisches System von zueinander komplementären Kennzahlen.504 Entsprechend der Forderung nach einer Hierarchie der Kennzahlen soll im folgenden Abschnitt D3.1 zunächst die Auswahl von Spitzenkennzahlen für die Performancemessung der Marke vorgenommen werden. Im zweiten Schritt wird in Abschnitt D3.2 mit dem Performance-Cockpit ein Instrument entwickelt, das die für die Performancemessung relevanten Kennzahlen zusammenführt. 3.1 Auswahl von Spitzenkennzahlen für die Performancemessung In der Literatur zur Markenbewertung wird der Markenwert von vielen Autoren als zentrale Kennzahl des Markenmanagements und damit auch für die Performancemessung vorgeschlagen.505 Die bisherigen Überlegungen dieser Arbeit haben gezeigt, dass der Markenwert beispielsweise für die strategische Analyse eines Markenportfolios über eine große Bedeutung verfügt. Auch im Rahmen der Entwicklung einer „optimierten“ Planung sind die Auswirkungen auf den Markenwert zu berücksichtigen. Im 503 504 505 Dieser Aspekt wurde in Abschnitt B2 bei der Darstellung der aktuellen Herausforderungen an das Markenmanagement hervorgehoben. Vgl. Reinecke/Tomczak (1998), S. 101. Vgl. Franzen/Reimann (1998), S. 215; Sattler (1998), S. 194; Kriegbaum (2001), S. 353. 228 Folgenden soll allerdings untersucht werden, ob eine solche Bedeutung des Markenwerts auch für die Performancemessung gegeben ist. Die Untersuchung der Eignung des Markenwerts für die Performancemessung muss auf der Grundlage von Anforderungen an eine solche Spitzenkennzahl der Performancemessung erfolgen. Mit dem zunehmenden Interesse des Top-Managements an der Entwicklung der Marke als Performancemaß wird die Frage nach einer hierarchisch übergeordneten Kennzahl relevant. Für die Ableitung der Anforderungen an eine Spitzenkennzahl für die Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings kann auf die allgemeinen Kriterien an Kennzahlen für Incentivierung und Performancemessung zurückgegriffen werden:506 • • • • Wertorientierung507 Objektivierbarkeit508 Kommunizierbarkeit509 Beeinflussbarkeit510 Die Eignung des Markenwerts als Spitzenkennzahl der Performancemessung ist auf der Grundlage dieser Anforderungen zu überprüfen.511 Der Markenwert ist gemäß dem einkommensbasierten Ansatz definiert als Barwert der zukünftigen Cashflows bzw. als Barwert der zukünftigen Residualgewinne der Marke zuzüglich des in die Marke investierten Kapitals. Die gleiche Methodik wird auch für 506 Vgl. Hostettler (1997), S. 295; Kames (2000), S. 41-46. Wertorientierung der Kennzahl ist gegeben, wenn die Veränderung der Kennzahl in direktem bzw. möglichst engem Zusammenhang mit der Veränderung des Unternehmenswerts steht. Das Kriterium der Wertorientierung der Spitzenkennzahl der Performancemessung soll verhindern, dass eine Verbesserung der Kennzahl erreicht wird, obwohl auf der Ebene des Unternehmens für die Eigentümer letztlich Wert vernichtet wird. Vgl. Kames (2000), S. 41 f. 508 Die Operationalisierung der Kennzahl muss möglichst intersubjektiv nachvollziehbar sein. Subjektive Einschätzungen oder Interpretationsmöglichkeiten sollen bei der Bestimmung der Kennzahl möglichst ausgeschlossen werden. Dies ermöglicht eine Transparenz bei der Beurteilung der Performance. Vgl. Kames (2000), S. 43-45. 509 Die Kennzahl muss gegenüber den Mitarbeitern, aber auch gegenüber externen Anspruchsgruppen, einfach kommunizierbar sein. Erforderlich hierfür ist insbesondere, dass die Ermittlung der Kennzahl nicht durch eine zu hohe Komplexität gekennzeichnet ist. 510 Die Höhe der Kennzahl muss in voller Höhe durch den Manager beeinflusst werden können. „Zu verantworten kann nur sein, was auch durch eigene Maßnamen erzeugt wurde und nicht entstanden wäre, wenn man auf derartige Maßnahmen verzichtet hätte.“ Kames (2000), S. 43. Diese Anforderung ist zentral für die Akzeptanz der Kennzahl. 511 Die Untersuchung wird für einen auf Basis des einkommensbasierten Ansatzes ermittelten Markenwert vorgenommen. Die Erfüllung der Anforderung des Kriteriums der Beeinflussbarkeit hängt von der organisatorischen Verantwortung ab und wird im späteren Verlauf des Abschnitts diskutiert. 507 229 die Berechnung des „inneren“ bzw. fundamentalen Unternehmenswerts als Zielgröße der Unternehmensführung zugrunde gelegt. Aus diesem Grund steht der Markenwert in einer engen methodischen Verbindung zum Unternehmenswert und erfüllt das Kriterium der Wertorientierung.512 Die Ermittlung eines Markenwerts ist gegenüber der Bestimmung des Werts eines Unternehmens bzw. eines Unternehmensbereichs zusätzlich durch ein Isolierungsproblem gekennzeichnet.513 Aus diesem Grund ist die Nachvollziehbarkeit des Zustandekommens des Ergebnisses der Markenbewertung und damit die Kommunizierbarkeit nur eingeschränkt gegeben. Zur Überprüfung der Objektivität des Markenwerts ist auf das Isolierungs- und Prognoseproblem bei der Ermittlung des Markenwerts näher einzugehen. Die Isolierung der Zahlungen bzw. Erfolge der Marke erfordert subjektive Einschätzungen. Beispielsweise kann die Identifizierung des Anteils der Marke an den Vertriebskosten oder Verwaltungskosten nicht ohne Schätzungen vorgenommen werden. Darüber hinaus müssen die Zahlungen bzw. Erfolgsgrößen der Marke nicht nur für die aktuelle Periode, sondern auch für die zukünftigen Perioden der ökonomischen Nutzungsdauer bestimmt werden. Die Prognose zukünftiger Größen ist allerdings zwangsläufig mit einer hohen Subjektivität verbunden. Zusammenfassend kann mithin festgehalten werden, dass die Anforderung der Objektivität durch den Markenwert nicht erfüllt wird. Als Konsequenz dieser Überlegungen ist festzuhalten, dass der Markenwert aufgrund der Verletzung der Anforderung der Objektivität nicht für die Performancemessung geeignet ist. Dies gilt unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens, sondern ist vielmehr ein immanentes Problem der Zukunftsorientierung einer jeden Bewertung. Diese kritische Einschätzung der Eignung für die Performancemessung lässt sich folglich ebenso auf die Kenngrößen Markenproduktwert und Rating der Marke übertragen. Diese Erkenntnis, dass mehrperiodische und zukunftsbezogene Kennzahlen nicht als Spitzenkennzahlen für die Performancemessung eingesetzt werden sollten, ist allerdings auf dem Gebiet der Steuerung des Unternehmens bereits seit längerem bekannt.514 Das Problem der eingeschränkten Objektivität des Unternehmenswerts führte 512 513 514 Es ist hier lediglich von einer „engen“ Verbindung die Rede, da die Veränderung des Markenwerts nicht in jedem Fall einer Veränderung des Unternehmenswerts in gleicher Höhe entspricht. Vgl. die Beispielrechnung in Abschnitt B3.2.2.3. Vgl. Sattler (1997), S. 2 f. Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 55-57. 230 dazu, dass in den folgenden Jahren als alternative finanzielle Kennzahl der Wertbeitrag bzw. Residualgewinn entwickelt bzw. wieder entdeckt wurde.515 Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Idee der Ermittlung eines Residualgewinns als (finanzielle) Spitzenkennzahl für die Performancemessung auch auf den Fall der Marke bzw. des Markenprodukts zu übertragen. Der Residualgewinn der Marke wurde bei der Darstellung der Bewertung der Marke auf Basis des Accrual-Konzepts bereits in Abschnitt B3.2.2.3 eingeführt. Neben der Bewertung kann der Residualgewinn der Marke auch für die Performancemessung verwendet werden und ist definiert als: (1) RGm = NOPLATm − WACC m × NOAt −1 mit RGm NOPLATm WACCm NOA t = Residualgewinn der Marke = operativer Gewinn der Marke vor Zinsen und nach Steuern = Gesamtkapitalkostensatz der Marke = Investiertes Kapital (Net Operating Assets) der Marke = Zeitindex Der Residualgewinn wird berechnet als Differenz aus dem operativen Gewinn und den Kapitalkosten auf das investierte Kapital. Für die Performancemessung wird der Residualgewinn der abgelaufenen Periode herangezogen. Da hierfür ausschließlich auf IstGrößen von Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanz zurückgegriffen werden kann, sind die Anforderungen der Objektivität und Kommunizierbarkeit gegeben. Aufgrund des Ausblendens zukünftiger Erfolgsgrößen erfüllt der Residualgewinn der einzelnen Periode die Anforderungen der Wertorientierung zwar nicht vollständig, aber in ausreichendem Maße. Da der Einstieg in die Diskussion um eine Spitzenkennzahl aus dem Blickwinkel der bestehenden Literatur zur Markenbewertung erfolgte, wurde bislang ausschließlich die Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert betrachtet. Im Rahmen der Entwicklung des Marken-Ratings wurde allerdings dargelegt, dass zum einen im Rahmen der Finanzperspektive zusätzlich die Ebene des Markenprodukts zu betrachten ist und dass zum anderen die Marketingperspektive explizit zu erfassen ist. 515 Vgl. bereits Solomons (1965), S. 277 und als Meilenstein für die Wiederentdeckung des Residualgewinns Stern (1991). 231 Für die Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings bedeutet dies, dass als zweite finanzielle Spitzenkennzahl der Performancemessung der Residualgewinn des Markenprodukts heranzuziehen ist. Der Residualgewinn des Markenprodukts stellt sich wie folgt dar: (2) RG p = NOPLAT p − WACC p × NOAt −1 mit RGp NOPLATp WACCp NOA t = Residualgewinn des Markenprodukts = operativer Gewinn des Markenprodukts vor Zinsen und nach Steuern = Gesamtkapitalkostensatz des Markenprodukts = Investiertes Kapital (Net Operating Assets) des Markenprodukts = Zeitindex Die zweite Erweiterung muss die Berücksichtigung der Marketingperspektive umfassen. Die Marketingperspektive wird im Rahmen des Marken-Ratings über die Kennzahl Markenstärke abgebildet. Aus diesem Grund tritt die Markenstärke neben den Residualgewinn der Marke und den Residualgewinn des Markenprodukts als dritte Kennzahl der Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings. Nachfolgende Abbildung fasst die Überlegungen noch einmal zusammen: Spitzenkennzahlen der Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings Residualgewinn Markenprodukt Residualgewinn Marke Markenstärke Abbildung D-15: Spitzenkennzahlen für die Performancemessung im Rahmen des MarkenRatings Zur konkreten Ausgestaltung der Performancemessung für einzelne Markenprodukt-/ Markenkombinationen ist auf das noch nicht behandelte Kriterium der Beeinflussbarkeit einzugehen. Das Kriterium der Beeinflussbarkeit fordert, dass der an der Kennzahl gemessene Manager die Entwicklung der Kennzahl auch in vollem Maße beeinflussen kann.516 516 Vgl. hierzu auch den Fragenkomplex zur Markenverantwortung in Unternehmen im Rahmen der empirischen Untersuchung Günther/Kriegbaum. Vgl. Günther/Kriegbaum (1999), S. 12-16. 232 Der Residualgewinn des Markenprodukts kann dementsprechend nur für einen Manager zur Performancemessung herangezogen werden, der auch die Entscheidungsgewalt über alle Produktentscheidungen innehat. Dies gilt allerdings ebenso für den Residualgewinn der Marke. Dieser entspricht letztlich der Differenz aus dem Residualgewinn des Markenprodukts und dem Residualgewinn des No-name-Produkts. Für einen Manager allerdings, dessen Entscheidungsbefugnis beispielsweise lediglich auf die Maßnahmen der Kommunikationspolitik eingegrenzt ist, sollte im Hinblick auf die Anforderung der Beeinflussbarkeit die Performancemessung an Markenbekanntheit und Markenimage als durch ihn beeinflussbare Werttreiber der Markenstärke ansetzen. Nachfolgende Abbildung veranschaulicht noch einmal die Grundidee: Manager mit voller Produktverantwortung Performancemessung Markenproduktwert Markenwert Manager mit Verantwortung für z.B. Kommunikationspolitik Performancemessung Markenstärke Markenimage Markenbekanntheit Abbildung D-16: Ausgestaltung der Performancemessung in Abhängigkeit des Verantwortungsbereichs des Managers Bereits bei der Darstellung der Methodik des Marken-Ratings in Kapitel C wurde die Bedeutung einer Kommunizierbarkeit der Ergebnisse innerhalb der Organisation betont. Dies gilt ebenfalls für die Performancemessung. Aus diesem Grund ist – als gleichsam weitere zusätzliche Ebene zu dem Marken-Cockpit – speziell für die Performancemessung ein Performance-Cockpit zu entwickeln. Dies ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. Dort erfolgt auch die Darstellung für die Marke Top Ice. 233 3.2 Performancemessung auf Basis eines Performance-Cockpits In Abschnitt D3.1 wurde eine Auswahl von geeigneten Spitzenkennzahlen für die Performancemessung vorgenommen. Ähnlich wie für die Ergebnisse der Bewertung auf Basis des Marken-Ratings ist auch für die Performancemessung ein Instrument zu entwickeln, das die Informationen in leicht kommunizierbarer Form aufbereitet. Die grundsätzliche Struktur eines solchen Performance-Cockpits stellt sich wie folgt dar: Top Ice Residualgewinn Markenprodukt (Soll-Ist) 0,0 -2,0 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2004 2004 2004 2004 B a – Residualgewinn Marke (Soll-Ist) 0,0 -5,0 -4,0 Wertbeitrag (Ist) -6,0 Wertbeitrag (Soll) -8,0 -10,0 • Leicht negative Abweichung bei Wertbeitrag des Markenprodukts wegen Überschreitung der Plan-Werte des investierten Kapitals -10,0 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2004 2004 2004 2004 -15,0 -20,0 Wertbeitrag (Ist) -25,0 Wertbeitrag (Soll) -30,0 -35,0 -40,0 -12,0 Investiertes Kapital Markenprodukt (Soll-Ist) 1200,0 1000,0 800,0 600,0 Invested Capital (Ist) 400,0 Invested Capital (Soll) 200,0 0,0 1. Quartal 2004 2. Quartal 2004 3. Quartal 2004 4. Quartal 2004 • Deutlich negative Abweichung bei Residualgewinn der Marke wegen Verfehlung der EBITDA-Ziele aufgrund Durchführung nicht budgetierter Werbemaßnahmen • Markenstärke und Beitrag zum Markenportfolio innerhalb der Vorgaben -45,0 Investiertes Kapital Marke (Soll-Ist) 200,0 180,0 160,0 140,0 120,0 100,0 80,0 60,0 40,0 20,0 0,0 Beitrag zum Markenportfolio (Soll-Ist) EBITDA Markenprodukt (Soll-Ist) EBITDA Marke (Soll-Ist) 6,0 0,0 200,0 5,0 -5,0 150,0 EBITDA (Ist) 100,0 EBITDA (Soll) 4,0 Soll-Wert 3,0 Ist-Wert 2,0 50,0 3. Quartal 2004 Abgrenzungsfähigkeit 70% 60% Kompatibilität Soll-Wert 40% Ist-Wert 30% 5,0 40% 35% Soll-Wert 3,0 Ist-Wert Passive Markenbekanntheit Aktive Markenbekanntheit 30% 25% Soll-Wert 20% 15% Ist-Wert 10% 5% 0,0 0% EBITDA (Soll) Wettbewerbsposition (Soll-Ist) 45% 1,0 10% EBITDA (Ist) -15,0 6,0 2,0 20% 4. Quartal 2004 -30,0 4,0 50% 3. Quartal 2004 -10,0 Markenimage (Soll-Ist) Markenbekanntheit (Soll-Ist) 80% 2. Quartal 2004 -25,0 0,0 4. Quartal 2004 1. Quartal 2004 -20,0 1,0 0,0 2. Quartal 2004 Invested Capital (Soll) 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2004 2004 2004 2004 250,0 1. Quartal 2004 Invested Capital (Ist) 0% Stärke Vorteilhaftigkeit Einzigartigkeit absoluter Marktanteil relativer Marktanteil Abbildung D-17: Grundstruktur des Performance-Cockpits Das Performance-Cockpit soll aufzeigen, in welchem Maß die Plan-Werte erreicht wurden. Basis der Performancemessung sind die Werte, die im Rahmen der Planung vorgegeben wurden. Gerade unterjährig ist es von Bedeutung, Abweichungen frühzeitig erkennen zu können, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Dies kann für die Steuerung dahingehend operationalisiert werden, dass der Zielerreichungsgrad der Planwerte farblich markiert wird. Intuitiv leicht verständlich ist die Farbenfolge der Verkehrsampel. In diesem Sinne entspricht ein grünes Signal einer Planerreichung bzw. -übererfüllung, ein gelbes Signal ist mit einer negativen Planab- 234 weichung innerhalb des Toleranzbereichs und ein rotes Ampellicht mit einer stark negativen Planabweichung verbunden. Die Kommentierung der Ergebnisse des Performance-Cockpits erfolgt in dem Textfeld im Mittelpunkt des Cockpits. Hier können bereits unterjährig die aus dem Plan-/IstVergleich identifizierten (Gegen-) Maßnahmen eingetragen werden. Am Ende der Periode kann dieses Feld zur Zusammenfassung der Performance der Markenprodukt-/ Markenkombination und zur Begründung von eventuellen Planabweichungen genutzt werden. Auf der linken Seite des Performance-Cockpits wird der Vergleich der Plan-Werte mit den Ist-Werten für den Residualgewinn des Markenprodukts sowie dessen zentrale Komponenten investiertes Kapital und operativer Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) vorgenommen. Für die unterjährige Steuerung können, wie in der Abbildung, hier nicht nur Jahreswerte, sondern auch die Plan- und Ist-Werte für einzelne Quartale verglichen werden. Entsprechend werden auf der rechten Seite des Performance-Cockpits für den Residualgewinn der Marke sowie das investierte Kapital und den EBITDA der Marke Plan- und Ist-Werte einander gegenüber gestellt. Im unteren Bereich des Marken-Cockpits wird der Plan-/Ist-Vergleich für Markenbekanntheit, Markenimage und Wettbewerbsposition als die durch das Management (zumindest teilweise) beeinflussbaren Werttreiber der Markenstärke vorgenommen. Falls für den Beitrag zum Markenportfolio explizite Vorgaben gemacht wurden, können diese auch in das Performance-Cockpit aufgenommen werden. Abschließend soll das Performance-Cockpit noch auf das Fallbeispiel Top Ice angewendet werden. Die Soll-Werte für Top Ice wurden auf Basis der Planung von Markenprodukt und Marke 517 abgeleitet. Hieraus wurden auch Planvorgaben für die einzelnen Quartale bestimmt. Für die Zielerreichung dieser Planwerte wird im Folgenden von einer fiktiven Entwicklung von IstWerten ausgegangen. Die Performancemessung wird für das Ende der Periode vorgenommen. Es liegen mithin die Ist-Werte für alle vier Quartale vor. Die Cockpitfenster für das Markenprodukt auf der linken Seite lassen erkennen, dass in dem Beispiel die Vorgaben für den Residualgewinn des Markenprodukts leicht verfehlt werden. Da die Abweichung innerhalb des vom Management tolerierbaren Bereichs liegt, zeigt die Ampel gelb. Die Analyse der Soll-Ist Abweichungen für investiertes Kapital und EBITDA macht deutlich, dass die Verfehlung des Zielwerts für den Residualgewinn auf ein gegenüber der Planung zu hohes investiertes Kapital des Markenprodukts zurückzuführen ist. 517 Die Planung des Markenprodukts für das Jahr 2004 ist in Abschnitt B3.2.1, die Planung der Marke für das Jahr 2004 ist in Abschnitt C2.3.1.6 dieser Arbeit dargestellt. 235 Die Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Werten für den Residualgewinn auf der Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert lässt erkennen, dass hier eine deutliche Verfehlung der Planung vorliegt. Die Ampel ist auf rot gestellt. Während das investierte Kapital sich sogar besser als prognostiziert entwickelt hat, zeigt die Entwicklung des EBITDA der Marke eine deutliche Planabweichung auf. Die rote Ampel weist hier auf die kritische Verfehlung der Vorgaben hin. Für die Werttreiber der Markenstärke sowie den Beitrag zum Markenportfolio werden die Plangrößen erreicht bzw. überschritten. Aus diesem Grund sind hier alle Ampeln auf grün geschaltet. Im Mittelpunkt des Cockpits findet sich eine verbale Zusammenfassung der für die Adressaten des Cockpits wesentlichen Aspekte der Analyse der Performance der Markenprodukt-/ Markenkombination. Im Fall der Marke Top Ice wird auf die leichte Planabweichung bei dem Residualgewinn des Markenprodukts und auf die starke Planabweichung bei dem Residualgewinn der Marke als immaterieller Vermögenswert hingewiesen. Daneben wird auch mit dem Hinweis auf die Durchführung von nicht-budgetierten Werbekampagnen der Grund für die Abweichung auf der Ebene der Marke angegeben. 4 Externes Reporting Als letzter Aspekt der Anwendung des Marken-Ratings ist die Unterstützung des Markenmanagements im Rahmen des externen Reportings zu betrachten. Unter dem externen Reporting wird im Folgenden die Berichterstattung durch das externe Rechnungswesen verstanden. Hierbei soll insbesondere untersucht werden, wie die durch das Marken-Rating ermittelten Markenwerte in das externe Reporting integriert werden können. In diesem Zusammenhang ist in Abschnitt D4.1 zunächst der aktuelle Stand der Abbildung der Marke im externen Reporting zu analysieren.518 Auf dieser Basis kann in Abschnitt D4 ein Vorschlag zur Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting entwickelt werden. 4.1 Analyse des aktuellen Stands der Abbildung der Marke im externen Reporting Zielsetzung der Berichterstattung gemäß IAS bzw. IFRS und US-GAAP ist die Bereitstellung von nützlichen Informationen für die Entscheidungen der Adressaten.519 In diesem Zusammenhang nehmen die beiden Prinzipien der relevance (Relevanz) und 518 519 Aufgrund ihrer großen internationalen Bedeutung stehen dabei die Rechnungslegungssysteme IAS bzw. IFRS und US-GAAP im Mittelpunkt. Allgemein zu Anforderungen an die Qualität von Informationen des externen Rechnungswesens vgl. Behr (2002), S. 24-29. 236 reliability (Verlässlichkeit) eine hohe Bedeutung ein.520 Relevance und reliability können allerdings in einem konkurrierenden Verhältnis zueinander stehen.521 Die Berücksichtigung von Marken im Rahmen des externen Reporting stellt gerade ein solches Spannungsfeld zwischen relevance und reliability dar.522 Dies ist im Folgenden näher zu erläutern. Aufgrund der großen Bedeutung von Marken für Unternehmen liegt der Schluss nahe, dass ein Reporting über Markenwerte durch das Prinzip der relevance geboten ist. Dies wird bestätigt durch empirische Untersuchungen der Auswirkung einer Berichterstattung über Markenwerte auf die Entscheidungen der Adressaten des externen Reporting. So konnten Barth et al. zeigen, dass die in der Publikation „Financial World“ veröffentlichten Ranglisten und Werte von Marken einen Einfluss auf die Marktbewertungen der Unternehmen besitzen.523 In einer anderen Studie wiesen Kallapur/Kwan für eine Gruppe britischer Unternehmen nach, dass Bewertungen von Marken durch Manager des Unternehmens mit den Aktienkursen der Unternehmen positiv korreliert sind.524 Darüber hinaus können auch die Untersuchungen zum Einfluss der Marke auf den Unternehmenswert und den Aktienkurs als Beleg für ihre Entscheidungsrelevanz angesehen werden.525 Trotz der hohen Bedeutung der Marke im Sinne der relevance der Berichterstattung wird allerdings in den internationalen Standards das Prinzip der reliability aktuell höher gewichtet. Dies spiegelt sich in den Möglichkeiten zur Aktivierung von Marken wider. Hierbei wird zwischen erworbenen und selbst geschaffenen Marken differenziert. Für von Dritten erworbene Marken besteht eine Objektivierung des Werts über 520 521 522 523 524 525 „Relevance and reliability are the two primary qualities that make accounting information useful for decision making. … If either of these qualities is missing, the information will not be useful. … ” SFAC no. 2. „To be useful, information must be relevant to the decision-making needs of users. Information has the quality of relevance when it influences the economic decisions of users by helping them evaluate past, present or future events or confirming, or correcting, their past evaluations. ” IAS Framework par. 26. „To be useful, information must also be reliable. Information has the quality of reliability when it is free from material error and bias and can be depended upon by users to represent faithfully that which it either purports to represent or could reasonably be expected to represent.” IAS Framework par. 31. Vgl. Haller (1998), S. 13. Vgl. Stolowy/Haller/Klockhaus (1999), S. 3. Vgl. Barth/Clement/Foster/Kaznik (1998), S. 44-63. Vgl. Kallapur/Kwan (2000), S. 7-16. Vgl. auch die Darstellungen in dieser Arbeit in Abschnitt B1.1. 237 den Kaufpreis, so dass diese grundsätzlich aktiviert werden müssen.526 Im Gegensatz dazu wird für selbst geschaffene Marken explizit die Aktivierung ausgeschlossen.527 Mittlerweile sind allerdings gerade im angelsächsischen Raum Tendenzen einer Aufweichung der Trennung zwischen akquirierten und selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen im Hinblick auf den Bilanzansatz erkennen. Diese Entwicklungen besitzen auch für die Bilanzierung von Marken Auswirkungen. So kann in begründeten Fällen für Marken eine unbestimmte Nutzungsdauer (indefinite useful life) angesetzt werden.528 Bei einer Lebensdauer von beispielsweise mehr als zehn Jahren kann davon ausgegangen werden, dass die akquirierte Marke weitgehend durch die selbst geschaffene Marke substituiert wurde und der Bilanzansatz zu einem Großteil einen Anteil des selbst geschaffenen Markenwertes ausdrückt. Als Zwischenfazit ist mithin festzuhalten, dass sich der angesprochene Konflikt zwischen den Prinzipien relevance und reliability ausschließlich auf selbst geschaffene Marken bezieht. Hierbei wird aktuell in den internationalen Standards das Prinzip der reliability höher gewichtet als der Grundsatz der relevance.529 Allerdings ermöglichen es die aktuellen Regelungen, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände – gleichsam durch die Hintertür – in der Bilanz anzusetzen. Konsequent weiter gedacht bedeutet dies auch, dass der in allen Standards bislang noch kategorisch ausgeschlossene Ansatz von selbst geschaffenen Marken mittlerweile auf eher wackeligen Füßen steht. Aus diesem Grund sollen im Folgenden die Gründe für das aktuelle Aktivierungsverbot von selbst geschaffenen Marken näher analysiert werden. IAS 38 führt mehrere Voraussetzungen für die Aktivierung eines immateriellen Vermögensgegenstands an.530 Die für die Aktivierung einer selbst geschaffenen Marke kritische Voraussetzung ist die zuverlässige Messbarkeit des Werts der Marke. Diese wird von Seiten des IASC für selbst geschaffene Marken als nicht gegeben betrachtet: 526 Für eine Diskussion der Aktivierungsmöglichkeiten von Marken gemäß IAS 38 vgl. Stolowy/Haller/Klockhaus (1999), S. 5-12. Zu der für die Bilanzierung von immateriellen Vermögensgegenständen relevanten Regelung in den US-GAAP, APB Opinion No. 17, vgl. Pellens (1997), S. 183-188. 527 „Internally generated brands, mastheads, publishing titles, customer lists and items similar in substance shall not be recognised as intangible assets.” IAS 38 revised par. 63. 528 Vgl. IAS 38 revised par. 88. Auch wenn eine unbestimmte Nutzungsdauer nicht automatisch mit einer unendlichen Nutzungsdauer gleichzusetzen ist, ermöglicht diese Regelung beispielsweise für (erworbene) Unternehmensmarken den Ansatz einer unendlichen Nutzungsdauer. 529 „Most surprisingly IASC stresses in this context more the reliability aspect … than the relevance aspect.” Stolowy/Haller/Klockhaus (1999), S. 27. 530 „An intangible asset shall be recognised if, and only if: (a) it is probable that the expected future economic benefits that are attributable to the asset will flow to the entity; and (b) the cost of the asset can be measured reliably.” IAS 38 revised par. 21. 238 „Brands are going to get on the balance sheet only if they are purchased externally or acquired as part of a merger. The reason is that they would fail the cost measurement test, because you really can’t identify with any confidence the cost of developing a brand. … So although I don’t think anybody doubts that they may be assets, and that you are spending money that will bring you benefits in the future, you cannot perform the measurement reliably enough to put the cost of internally generated brands on the balance sheet.”531 Diese Aussage bedeutet allerdings nicht, dass der Wert der Marke unbedingt auf Basis des kostenbasierten Ansatzes ermittelt werden muss. So wird bei dem Erwerb einer Marke im Rahmen eines Unternehmenskaufs auch die Bewertung der Marke auf Basis der zukünftigen Cashflows als zulässig erachtet.532 Die mit der Prognose der zukünftigen Cashflows der Marke verbundene subjektive Komponente bei der Bewertung der Marke scheint für das IASC somit nicht in Widerspruch zu einer zuverlässigen Messung des Wertes zu stehen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Grund für das Aktivierungsverbot von selbst geschaffenen Marken nicht am Fehlen einer geeigneten Bewertungsmethodik festzumachen ist. Vielmehr stellt das Fehlen von geeigneten Rahmenbedingungen für die Bewertungsmethodik den eigentlichen Grund für das Aktivierungsverbot dar. Dies wird im Folgenden näher erläutert. Im Falle der Bewertung der Marke im Rahmen eines Unternehmenskaufs bildet der Unterschied zwischen Kaufpreis und der Summe der fair values der anderen akquirierten Vermögensgegenstände und Schulden eine Obergrenze für den Wert der Marke. Auf diese Weise wird dem subjektiven Einfluss bei der Bewertung der Marke ein Rahmen gesetzt. Diese Obergrenze ist bei der Bewertung einer selbst erstellten Marke nicht gegeben: „It is this ‘natural ceiling’ that differentiates the reliability with which purchased intangible fixed assets can be measured, and the Board [Accounting Standards Board, ASB] believes that without the ‘natural ceiling’ the value of an internally developed fixed asset can be measured sufficiently reliably for recognition only if the asset has a readily ascertainable market value.”533 Mithin kann das aktuelle Aktivie531 532 533 Sir Bryan Carsberg, ehemaliger Generalsekretär des IASC, zitiert nach Haigh (1998), S. 134. Vgl. hierzu auch den Kommentar zu IAS 38 revised par. 63 in der Basis for Conclusions: „IAS 38 specifically prohibits the recognition as intangible assets of brands, mastheads, publishing titles, customer lists and items similar in substance that are internally generated. IASC believed that internally generated intangible items of this kind would rarely, and perhaps never, meet the recognition criteria in IAS 38. However, to avoid any misunderstanding, IASC decided to set out this conclusion in the form of an explicit prohibition.” IAS 38 revised BCZ45. Vgl. Haigh (1998), S. 134. Blodinger (1998), S. 104. 239 rungsverbot von selbst geschaffenen Marken am Fehlen einer am Markt bestätigten Obergrenze für den Wert der selbst geschaffenen Marken festgemacht werden. Vor dem Hintergrund dieser Analyse des aktuellen Stands der Abbildung der Marke im Rahmen des externen Reporting kann im folgenden Abschnitt D4.2 ein Konzept zur Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting entwickelt werden. 4.2 Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting Auf Basis der Analyse des aktuellen Stands der Abbildung der Marke im Rahmen des externen Reporting soll im Folgenden die Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting diskutiert werden. Hierbei lassen sich grundsätzlich zwei Ansatzpunkte unterscheiden. Der erste Aspekt bei der Verbindung zwischen Marken-Rating und externem Reporting besteht darin, dass die im Rahmen des Marken-Ratings ermittelten Werte für die Überprüfung der Bilanzwerte von aktivierten Marken herangezogen werden können. Auf diese Weise kann überprüft werden, ob eine außerplanmäßige Wertminderung vorgenommen werden muss.534 Die zweite Möglichkeit einer Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting kann darin gesehen werden, dass einzelne Größen des Marken-Ratings, die nicht in Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Bilanz explizit erscheinen, im Rahmen einer freiwilligen Berichterstattung aufgeführt werden. So können etwa Informationen über die Entwicklung der Bekanntheit der Marke oder auch über die Residualgewinne auf der Ebene einzelner Markenprodukte freiwillig im Rahmen des externen Reportings – beispielsweise im Anhang – kommuniziert werden. Es ist allerdings kritisch zu hinterfragen, ob die Informationen über den Wert der selbst geschaffenen Marken auf diese Weise adäquat von den Adressaten berücksichtigt werden. So wird nicht deutlich, wie sich die Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nach einer Berücksichtigung der selbst geschaffenen Marken darstellen würden. Diese Information ist jedoch von Bedeutung, da Externe bei der Analyse des externen Reporting sich oftmals stark auf Kennzahlen von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung 534 Gemäß IAS muss für eine Marke mit einer unbestimmten Nutzungsdauer jährlich oder bei Vorliegen von Indizien für eine Wertminderung ein Test auf Wertminderung durchgeführt werden. Vgl. IAS 38 revised par. 108. 240 abstützen. Beispielsweise besitzen die Kennzahlen für die Beurteilung der finanziellen Risiken eines Unternehmens im Rahmen eines Credit Ratings eine große Bedeutung.535 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden ein Konzept entwickelt werden, wie Unternehmen die Auswirkung des Werts von selbst geschaffenen Marken auf Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung darstellen können. Dieses Konzept kann zum einen de lege lata als Element einer freiwilligen Berichterstattung in Anhang oder Geschäftsbericht verstanden werden. Alternativ kann das Konzept auch de lege ferenda als eine Anregung zur Weiterentwicklung der bestehenden Rechnungslegungsstandards aufgefasst werden. Die Analyse der aktuellen Standards der Rechnungslegung in Abschnitt D4.1 hat deutlich gemacht, dass eine Bilanzierung der selbst geschaffenen Marke letztlich auf das Fehlen einer am Markt abgeleiteten Obergrenze zurückgeführt werden kann. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden eine Methodik vorgestellt, wie eine solche Obergrenze auch für eine selbst geschaffene Marke ermittelt werden kann. Bei dem Erwerb eines Unternehmens wird in der Regel ein Kaufpreis bezahlt, der den Wert des buchmäßigen Eigenkapitals übersteigt. Diese Differenz bezieht sich zum einen auf Unterschiede zwischen Buch- und Zeitwert der Vermögensgegenstände und Schulden und zum anderen auf den Wert des nicht bilanzierten immateriellen Vermögens bzw. des Intellektuellen Kapitals. In Fällen, in denen die Marke den wichtigsten immateriellen Faktor des erworbenen Unternehmens darstellt, kann der Wert des Intellektuellen Kapitals ungefähr mit dem Markenwert gleichgesetzt werden. Sind neben der Marke noch andere immaterielle Vermögenswerte im Kaufpreis enthalten, teilt sich das Intellektuelle Kapital entsprechend auf die Marke und die weiteren immateriellen Vermögenswerte auf. Der Wert des Intellektuellen Kapitals kann daher als Obergrenze für den Wert der (erworbenen) Marke betrachtet werden. Im Falle der Bewertung einer selbst geschaffenen Marke fehlen die Transaktion und die damit verbundene Bestätigung des Unternehmens- bzw. Markenwertes durch den Markt. Allerdings kann eine solche Marktbewertung über die Börsenkapitalisierung oder über Börsen- bzw. Transaktionsmultiplikatoren gleichsam nachgebildet werden. Von dem Marktwert des Eigenkapitals des Unternehmens ist der Zeitwert der Vermögensgegenstände und Schulden des Unternehmens abzuziehen. Resultat ist der Wert des immateriellen Vermögens bzw. des Intellektuellen Kapitals. Dieser stellt eine am 535 Vgl. Standard & Poor’s (2004), S. 49-54. 241 Rahmen der traditionellen Bilanz Anlagevermögen zu Buchwerten Umlaufvermögen zu Buchwerten Wissenskapital als Differenz zwischen Marktwert und Buchwert des Eigenkapitals Buchwert des Eigenkapitals Gesamtwert des Unternehmens zu Marktwerten Am Kapitalmarkt abgeleitete Obergrenze für Wert der selbst geschaffenen Marke Marktwert des Eigenkapitals Kapitalmarkt bestätigte Obergrenze für den Wert der selbst geschaffenen Marke dar, innerhalb der die Bewertung der selbst geschaffenen Marke erfolgen kann: Fremdkapital Abbildung D-18: Ermittlung der Obergrenze für den Wert der selbst geschaffenen Marke Gegen das hier vorgestellte Vorgehen könnten verschiedene Einwände geäußert werden. So scheint gerade unter dem Eindruck der zunehmenden Volatilität an den Weltbörsen die Verwendung einer Börsenkapitalisierung mit starken Zufälligkeiten behaftet zu sein. Der Einfluss von einzelnen Börsenschwankungen kann allerdings vermindert werden, indem beispielsweise der niedrigere Wert aus dem Durchschnittskurs der letzten 12 Monate und dem aktuellen Börsenkurs als Grundlage zur Berechnung der Marktkapitalisierung verwendet wird. Durch dieses Vorgehen wird sichergestellt, dass der Effekt von Anstiegen des Börsenkurses nivelliert wird, während bei fallenden Kursen gewährleistet ist, dass der für die Berechnung der Obergrenze herangezogene Börsenkurs nicht höher ist als der aktuelle und damit niedrigste Börsenkurs. Ein weiterer möglicher Kritikpunkt könnte darin bestehen, dass der Unterschiedsbetrag in voller Höhe als Obergrenze für den Markenwert herangezogen wird. Bei voller Ausnutzung der Bandbreite wird unterstellt, dass die Marke den einzigen immateriellen Vermögensgegenstand des Unternehmens darstellt. Diese Problematik kann dadurch eingeschränkt werden, dass festgelegt wird, dass der Markenwert beispielsweise maximal 80% des Unterschiedsbetrags betragen darf.536 Der verbleibende Betrag bildet entsprechend den Wert des sonstigen immateriellen Vermögens ab. 536 Auf diese Weise legte das Unternehmen Guinness eine Obergrenze für den Wert akquirierter Marken fest. Vgl. von Rütte/Hoenes (1995), S. 257. 242 Ergebnis dieses ersten Schritts ist ein Wert für die selbst geschaffene Marke, der an einer am Kapitalmarkt abgeleiteten Obergrenze überprüft worden ist. Im nächsten Schritt ist zu klären, wie dieser Wert zum Zeitpunkt der erstmaligen Aktivierung sowie in den darauf folgenden Perioden bilanziell zu behandeln ist. Zum Zeitpunkt der Erstbewertung ist der Gesamtkapitalwert der selbst geschaffenen Marke erfolgsneutral zu aktivieren.537 Als Gegenposten wird auf der Passivseite das Eigenkapital um den Posten „Bewertungsreserve“ erhöht. Durch die Aufnahme des selbst geschaffenen Markenwertes wird die Aussagekraft der Bilanz erhöht, die Ergebnisrechnung bleibt in der Periode der erstmaligen Aktivierung jedoch unberührt. In den Folgeperioden werden die Investitionen in die Marke aktiviert und über ihre ökonomische Nutzungsdauer abgeschrieben. Die ökonomische Nutzungsdauer von Investitionen in die Marke wird üblicherweise zwischen zwei und drei Jahren festgelegt. Als Investitionen in die Marke werden Aufwendungen angesehen, die auf eine Stärkung der Marke abzielen und deren Wirkungsdauer über die einzelne Periode hinausgeht. Gemäß der Untergliederung der Aufwendungen in dieser Arbeit zählen hierzu ausschließlich die Kosten für Werbekampagnen. Die restlichen Aufwendungen der Marke verfügen über keinen unmittelbaren investiven Charakter. Parallel hierzu ist in jeder Periode zu überprüfen, ob eine außerordentliche Wertminderung der selbst geschaffenen Marke vorliegt. Zu diesem Zweck ist der fortgeführte Buchwert mit dem im Rahmen des Marken-Ratings ermittelten jährlichen Markenwert zu vergleichen. Liegt dabei der Barwert der zukünftigen Cashflows der Marke unter dem bilanzierten Markenwert, ist eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren Wert vorzunehmen. Die Überlegungen sollen im Folgenden am Fallbeispiel BRAND veranschaulicht werden. Im Rahmen des Marken-Ratings wurde für die Marke Top Ice ein Gesamtkapitalwert für die Marke Top Ice in Höhe von -30,4 ermittelt. Auf Basis der „optimierten“ Planung resultierte allerdings ein neuer Markenwert in Höhe von 93,9. Dieser wurde zum 31.12. 2003 ermittelt. Der Markenwert soll daher in der Eröffnungsbilanz zum 1.1. 2004 angesetzt werden. In diesem Beispiel entspricht die nachträgliche Aktivierung einer selbst geschaffenen Marke gleichsam einem Wechsel in der Bilanzierungsmethodik, weshalb hier Schlussbilanz und Eröffnungsbilanz voneinander abweichen. 537 Dieses Vorgehen erfolgt in Anlehnung an die etwa an das in der Praxis übliche Vorgehen, Markenwerte stets als Gesamtkapitalwerte in der Bilanz anzusetzen. Dahinter steht die Idee, dass der Bilanzwert der Marke nicht durch die Finanzierung der Marke beeinflusst sein sollte. 243 Im ersten Schritt ist der Markenwert in Höhe von 93,9 an der am Kapitalmarkt abgeleiteten Obergrenze zu überprüfen. Da der Produktbereich Fruchteis nicht börsennotiert ist, muss auf Börsen- bzw. Transaktionsmultiplikatoren vergleichbarer Unternehmen zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Darstellung des marktbasierten Ansatzes in Abschnitt B3.2.2.2 wurde auf Basis des Umsatzmultiplikators ein Gesamtkapitalwert für den Geschäftsbereich Ice Cream in Höhe von 2.452 abgeleitet. Nach Abzug der Wiederbeschaffungswerte des materiellen Vermögens resultiert ein Wert des immateriellen Vermögens von 1.588. Dieser Wert liegt über dem im Rahmen des Marken-Ratings ermittelten Gesamtkapitalwert der Marke. Als Folge kann der Markenwert in voller Höhe in der Bilanz angesetzt werden. Im nächsten Schritt soll gezeigt werden, wie sich Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanz des Geschäftsbereichs Fruchteis durch die Aktivierung der selbst geschaffenen Marke Top Ice verändern. 2003 2004 2005 1,20 1.855 2.229,2 4,03% 1,24 1.892 2.342,0 5,06% 1,28 1.948 2.484,6 6,09% 1,31 2.007 2.635,9 6,09% ... ... ... ... 2,24 3.416 7.639,5 6,09% 1.316,6 1.855 0,51 364,1 1.372,1 1.892 0,53 371,4 1.440,4 1.948 0,54 378,9 1.512,7 2.007 0,56 386,4 ... ... ... ... 3.816,1 3.416 0,96 551,9 Vertriebskosten Kosten für Werbekampagnen Kosten für Händlerprovisionen Quote der sonstigen Vertriebskosten vom Umsatz sonstige Vertriebskosten 624,9 402,0 111,5 5,0% 111,5 234,2 0,0 117,1 5,0% 117,1 248,5 0,0 124,2 5,0% 124,2 263,6 0,0 131,8 5,0% 131,8 ... ... ... ... ... 764,0 0,0 382,0 5,0% 382,0 Verwaltungskosten Kosten für rechtlichen Schutz der Marke Quote der sonstigen Verwaltungskosten vom Umsatz sonstige Verwaltungskosten 67,8 25,8 2,0% 42,0 69,0 26,5 2,0% 42,4 70,2 27,3 2,0% 42,9 71,4 28,1 2,0% 43,3 ... ... ... ... 99,7 47,9 2,0% 51,8 219,9 9,86% -109,9 666,7 28,47% -92,3 725,5 29,20% -82,9 788,2 ... 29,90% ... -77,9 ... 0,0 -156,1 -321,8 -497,5 ... 2.959,8 38,74% 0,0 -976,5 -3.034,5 109,9 -32,6 77,3 -27,1 50,3 0,0 418,3 -27,0 391,3 -27,6 363,6 363,6 320,9 -46,4 274,5 -42,4 232,1 232,1 Gewinn- und Verlustrechnung Preis Absatzmenge Umsatz Umsatzwachstum Herstellkosten Absatzmenge variable Stückkosten fixe Herstellkosten EBITDA EBITDA-Marge Abschreibungen außerordentliche AfA auf Anlagevermögen Abschreibungen auf aktivierte Marke EBIT Zinsen EBT Steuerzahlungen Jahresüberschuss Ausschüttung/ Verlustausgleich 2006 ... 212,8 -58,0 154,8 -55,7 99,1 99,1 ... ... ... ... ... ... 2024 -1.051,1 -182,9 -1.234,1 -130,0 -1.364,1 -964,1 Die Aktivierung der Marke wirkt sich dahingehend in der Gewinn- und Verlustrechnung aus, dass die Kosten für Werbekampagnen aufgrund ihres investiven Charakters aktiviert und über drei Jahre abgeschrieben werden. Für die Folgeperioden sei unterstellt, dass der im Rahmen des Marken-Ratings ermittelte Markenwert stets über dem Bilanzwert der Marke liegt. Aus diesem Grund werden keine außerordentlichen Abschreibungen vorgenommen. Allerdings wird die Marke zum Ende der Planungsperiode im Jahr 2024 ebenso wie die anderen Vermögensgegenstände und Schulden in voller Höhe abgeschrieben. 244 Bilanz selbst geschaffene Marke abschreibbares Anlagevermögen Vorräte Forderungen aus L&L Kassenbestand Aktiva Bewertungsreserve Eigenkapital Darlehen Kontokorrent Verbindlichkeiten aus L&L Passiva 2003 2004 2005 2006 ... 2024 93,9 461,6 152,4 183,2 66,9 958,1 406,2 414,3 155,5 192,5 70,3 1.238,7 581,3 389,4 160,1 204,2 74,5 1.409,6 611,0 383,2 164,9 216,6 79,1 1.454,9 ... ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 93,9 400,0 100,0 285,9 78,3 958,1 93,9 400,0 100,0 562,6 82,2 1.238,7 93,9 400,0 100,0 728,5 87,3 1.409,6 93,9 400,0 100,0 768,4 92,6 1.454,9 ... ... ... ... ... ... 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Die unter 2003 ausgewiesene Bilanz entspricht streng genommen der Eröffnungsbilanz zum 1.1. 2004. Der im Rahmen des Marken-Ratings ermittelte (Eigenkapital-)Wert der Marke in Höhe von 93,9 wird auf der Aktivseite angesetzt. Als korrespondierender Posten wird auf der Passivseite das Eigenkapital um den Posten Bewertungsreserve in gleicher Höhe erhöht. Die Aktivierung der Marke und der Aufwendungen mit investivem Charakter darf sich nicht auf die Cashflows des Markenprodukts und damit den Wert des Markenprodukts auswirken. Ein Einfluss der Aktivierung der Marke auf den Unternehmenswert wird allerdings nur dann vermieden, wenn die mit der Aktivierung verbundenen Aufwendungen in den Folgeperioden nicht steuerwirksam werden. Daher werden für die Berechnung die Steuerzahlungen des Markenprodukts Top Ice ohne Aktivierung der Marke angesetzt. Als Konsequenz besteht keine Abweichung zwischen dem Markenproduktwert mit Aktivierung der Marke und dem Markenproduktwert ohne Aktivierung der Marke: 2003 DCF-Bewertung EBIT Steuerzahlungen NOPLAT Abschreibungen Investitionen ins Anlagevermögen Investitionen ins Netto-Umlaufvermögen Veränderung Kasse Korrektur wegen nicht zahlungswirksamer Aktivierung Marke Free Cashflow EK-Kosten unverschuldet Barwertfaktor Barwert der Free Cashflows Gesamtwert Markenprodukt 2.232,6 Marktwert des Fremdkapitals Markenprodukt 385,9 Marktwert des Eigenkapitals Markenprodukt 1.846,8 2004 2005 2006 ... 2024 418,3 -37,1 381,2 248,5 -513,4 -8,4 -3,4 0,0 104,5 10,00% 0,91 95,0 320,9 -51,0 269,9 404,6 -554,9 -11,4 -4,3 212,8 -64,1 148,7 575,4 -598,8 -11,9 -4,5 ... ... ... ... ... ... ... -1.051,1 -159,4 -1.210,5 4.010,9 -1.731,2 611,6 216,0 104,0 10,00% 0,83 85,9 108,8 10,00% 0,75 81,8 ... ... ... ... 1.896,9 10,00% 0,14 256,3 Mit der Erläuterung der Verbindung von Marken-Rating und externem Reporting ist die Darstellung der Anwendungsmöglichkeiten des Marken-Ratings im Rahmen des Markenmanagements abgeschlossen. Im nächsten Abschnitt werden die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit in Form von Thesen noch einmal zusammengefasst. 245 E Thesenförmige Zusammenfassung 1. Die Kenntnis eines „true and fair view“ der Marke ist für das Markenmanagement von grundlegender Bedeutung. Zur Ermittlung eines solchen Markenwerts sind zum einen die Marketing- und die Finanzperspektive der Marke zu integrieren. Zum anderen müssen die Ebene der Marke als immaterieller Vermögenswert und die Ebene des Markenprodukts zusammengeführt werden. Zu diesem Zweck war es die Zielsetzung dieser Arbeit, basierend auf der Methodik des Ratings diese Dimensionen zum „true and fair view“ der Marke zu integrieren. Das Marken-Rating soll zur Unterstützung des Markenmanagements dienen und ist als Bewertungs- und Steuerungsinstrument konzipiert. 2. Die Marke besitzt sowohl aus der Perspektive der Unternehmen als auch der Konsumenten eine hohe Bedeutung. Für die Unternehmen basiert der Wert der Marke auf ihrer Rolle bei der Steigerung des fundamentalen Unternehmenswerts als Grundlage höhere Aktienkurse. Aus der Sicht der Konsumenten kann die Bedeutung der Marke an ihrer Rolle als Zeichen zur Wiedererkennung, Qualitätssignal, Prestigefaktor bzw. Erlebnisfaktor festgemacht werden. 3. Aufgrund der Bedeutung der Marke nimmt das Markenmanagement eine zentrale Rolle innerhalb der Unternehmensführung ein. Als aktuelle Herausforderungen des Markenmanagements können die Inflation von Produkten und Marken, eine zunehmende Konkurrenz durch Handelsunternehmen und Billigprodukte, das zunehmende Interesse des Top-Managements an der Performance der Marke sowie die Forderung nach einer verstärkten Berichterstattung über Marken im externen Reporting betrachtet werden. Es lässt sich zeigen, dass das Management für diese Fragestellungen die Kenntnis eines „true and fair view“ der Marke als Ergebnis der Integration von Marketing- und Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produkt-Sicht der Marke benötigt. 4. Die Marke kann als immaterieller Zusatznutzen gegenüber einem No-nameProdukt definiert werden. Die bestehenden Verfahren der Markenbewertung ermitteln einen Wert für die Marke als immaterieller Vermögenswert. Die Überprüfung der Verfahren zeigt, dass keines der Verfahren vollständig für die Verwendung zur Unterstützung des Markenmanagements geeignet ist, da eine geeignete Integration von Marketing- und Finanzperspektive der Marke nicht gelingt. Verantwortlich hierfür ist zum einen, dass die Komplexität der Wirkungsbeziehungen zwischen Marketing- und Finanzperspektive nicht adäquat 246 abgebildet wird. Zum anderen ist kritisch zu sehen, dass der finanzielle Markenwert als eine Größe, die oftmals nur mit großen Unsicherheiten bestimmt werden kann, die zentrale Kennzahl darstellt. 5. Als alternative Methode zur Integration von Marketing- und Finanzperspektive wird die Methodik des Ratings betrachtet. Die Vorzüge des Ratings bestehen erstens darin, dass Marketing- und Finanzperspektive gleichberechtigt behandelt werden und dass das Rating anstelle des finanziellen Markenwerts als Spitzenkennzahl herangezogen wird. Zusätzlich ermöglicht die Methodik des Ratings auch die Integration von Intangible- und Produkt-Sicht der Marke. 6. Das Marken-Rating als Instrument zur Ermittlung des „true and fair view“ der Marke setzt auf der Methodik des Ratings auf. Das Marken-Rating einer Einzelmarke besteht aus den drei zentralen Kriterien Markenstärke, Markenproduktwert und Markenwert. Die Markenstärke entspricht dem Wert der Marke aus der Marketingperspektive. Über Markenwert und Markenproduktwert werden der finanzielle Wert der Marke als immaterieller Vermögenswert und der finanzielle Wert des Markenprodukts erfasst; die beiden Kriterien bilden zusammen die Finanzperspektive. Die Zusammenführung der drei Kriterien im Rating der Marke führt mithin zu der geforderten Integration von Marketingund Finanzperspektive sowie von Intangible- und Produktsicht der Marke. Das Rating der Marke entspricht dem „true and fair view“ der Marke. 7. Für eine Marke innerhalb eines Markenportfolios ist das Marken-Rating um das Kriterium Beitrag zum Markenportfolio zu erweitern. Dies ist erforderlich, da die Positionierung einer Marke innerhalb eines Markenportfolios einen entscheidenden Erfolgsfaktor für eine Mehrmarkenstrategie darstellt. Über das Kriterium Beitrag zum Markenportfolio werden sowohl die Beziehungen von Produktmarken untereinander als auch die Interdependenzen zwischen Produktmarke und Unternehmensmarke abgebildet. 8. Zur Messung ihrer Ausprägung werden die einzelnen Kriterien des MarkenRatings in ihre Werttreiber aufgespalten. Die Markenstärke wird über die konsumentenbezogenen Werttreiber Markenbekanntheit und Markenimage sowie über die marktbezogenen Werttreiber Wettbewerbsposition und Branchenattraktivität erfasst. Die Kriterien Markenproduktwert und Markenwert werden über die finanziellen Werttreiber Wachstumsrate des Umsatzes, operative Marge, Investitionen und Fremdkapital abgebildet. Das Kriterium Beitrag zum Marken- 247 portfolio umfasst als Werttreiber die Abgrenzungsfähigkeit der Marke gegenüber den anderen Marken des Portfolios sowie die Kompatibilität mit der Unternehmensmarke. 9. Im Rahmen des Marken-Ratings werden verschiedene Perspektiven der Marke zusammengeführt. Als Konsequenz besitzen die Ergebnisse des Marken-Ratings auch für Adressaten aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens Relevanz. Vor diesem Hintergrund müssen die Ergebnisse des Marken-Ratings in einer leicht verständlichen und gut kommunizierbaren Form aufbereitet werden. Hierfür wurde ein Marken-Cockpit entwickelt. Das Marken-Cockpit bildet die Entwicklung der Kriterien des Marken-Ratings sowie deren zentraler Werttreiber graphisch ab. Insbesondere durch die mehrperiodischen Darstellungen soll ein Verständnis für die Entwicklungen des „true and fair view“ der Marke und deren zentralen Werttreiber geschaffen werden. 10. Das Marken-Rating ist als Bewertungs- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Markenmanagements konzipiert. Im Rahmen der strategischen Analyse kann das Marken-Rating als Grundlage für die Restrukturierung eines Markenportfolios herangezogen werden. Die verschiedenen Dimensionen des Marken-Ratings ermöglichen es hierbei, die Vielzahl der Gesichtspunkte abzubilden, die bei der Entscheidung über eine Fortführung oder Liquidierung von Marken zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ermöglicht das Marken-Rating die Ableitung von strategischen Stoßrichtungen für die einzelnen fortzuführenden oder zu liquidierenden Marken. 11. Im Rahmen der Planung können auf Basis des Marken-Ratings die möglichen Auswirkungen von Maßnahmen des Markenmanagements in Form von Werttreiberbäumen strukturiert werden. Auf dieser Grundlage kann eine „optimierte“ Planung abgleitet werden. Aufgrund der verschiedenen Dimensionen des Marken-Ratings wird eine umfassende Sicht der Auswirkungen von einzelnen Maßnahmen ermöglicht. Der Einfluss der Maßnahmen auf die Stärke der Marke bei den Konsumenten wird ebenso berücksichtigt, wie die Auswirkungen auf die finanzielle Wertschaffung auf der Ebene des Markenprodukts und der Marke als immaterieller Vermögenswert. 12. Mehrperiodische, zukunftsbezogene Größen wie der Markenwert oder auch das Rating der Marke sind als Spitzenkennzahlen für die Performancemessung nicht geeignet. Die Performancemessung im Rahmen des Marken-Ratings wird daher 248 auf der Grundlage der Größen Residualgewinn des Markenprodukts, Residualgewinn der Marke und Markenstärke vorgenommen. Auch für die Performancemessung ist die Kommunizierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Ein Performance-Cockpit ergänzt das Marken-Cockpit und bildet die für die Performancemessung zentralen Kennzahlen graphisch ab. 13. Die Ergebnisse des Marken-Ratings können insbesondere für die freiwillige Berichterstattung im Rahmen des externen Reportings genutzt werden. Aufgrund des Aktivierungsverbots ist die Vermittlung von Informationen über den Wert selbst geschaffener Marken von Bedeutung. Eine Möglichkeit, den Wert der Marken für das Unternehmen transparent zu machen, besteht in der Erstellung einer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nach einer Aktivierung der selbst geschaffenen Marken. 249 F Anhänge Nachfolgende Tabelle zeigt die Rating-Stufen von Standard & Poor’s und Moody’s:538 Moody’s S&P Risikogarantie Aaa AAA Höchste Bonität, geringstes Ausfallrisiko Aa1 AA+ Hohe Bonität, kaum höheres Risiko Aa2 AA Aa3 AA- A1 A+ A2 A A3 A- Baa1 BBB+ Überdurchschnittliche Bonität, etwas höheres Risiko Mittlere Bonität, stärkere Anfälligkeit bei negativen Entwicklungen im Unternehmensumfeld Baa2 BBB Baa3 BBB- Ba1 BB+ Spekulativ, Zins- und Tilgungsrückzahlungen bei negativen Entwicklungen gefährdet Ba2 BB Ba3 BB- B1 B+ B2 B B3 B- Caa CCC Ca CC C C D D Geringe Bonität, höchstes Ausfallrisiko Geringste Bonität, höchstes Ausfallrisiko Schuldner bereits in Zahlungsverzug oder Insolvenz Abbildung F-1: 538 Vgl. Presber/Stengert (2002), S. 7. 250 Ratingskalen von Moody’s und Standard & Poor’s GuV/Bilanz (2001-2024) Markenprodukt 251 Inv.-Planung/Kapitalflussrechnung (2004-2024) Markenprodukt 252 Bewertung Markenprodukt 253 GuV (2004-2024) Marke 254 Bilanz (2003-2024)/Inv.-Planung/Kapitalflussrechnung (2004-2024) Marke 255 Bewertung Marke 256 GuV (2004-2024)/Bilanz (2003-2024) No-name-Produkt 257 Inv.-Planung/Kapitalflussrechnung (2004-2024) No-name-Produkt 258 Bewertung No-name-Produkt 259 GuV/Bilanz (2003-2024) Markenprodukt mit Aktivierung Marke 260 Inv.-Planung/Kapitalflussrechnung (2004-2024) Markenprodukt mit Aktivierung Marke 261 Bewertung Markenprodukt mit Aktivierung Marke 262 Literaturverzeichnis AAKER, D.A. (1990): Brand Extensions: The Good, the Bad, and the Ugly, in: Sloan Management Review, vol. 31 (no. 4), Summer 1990, S. 47-56 AAKER, D.A. (1991): Managing Brand Equity: Capitalizing on the Value of a Brand Name, New York, 1991 AAKER, D.A. 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März 1974 in München Familienstand: ledig BERUFLICHE TÄTIGKEIT 1998 – Mitarbeiter bei KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Abteilung Corporate Finance, in München und Frankfurt AUSBILDUNG 1999 – 2004 Doktorandenstudium als externer Doktorand am Lehrstuhl für Accounting, Controlling und Auditing der Universität St. Gallen Sommer 1996 Praktikum bei KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Abteilung Corporate Finance, in London Sommer 1995 Praktikum bei KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Abteilung Corporate Finance, in München Sommer 1994 Praktikum bei BMW, Abteilung Controlling, in München 1993 – 1998 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der LudwigMaximilians-Universität, München, mit den Schwerpunkten Revisions- und Treuhandwesen, Strategische Unternehmensführung sowie Arbeits- und Organisationspsychologie 1984 – 1993 Schulzeit in München 282