wohnen wie gewohnt - Kunstverein Ingolstadt

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"Weiter wohnen wie gewohnt?"
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29. Juni 2007
1. grundsätzliche Eingrenzungen:
es geht beim Bauen insgesamt um das Bauen der Gemeinschaft und
um Privates Bauen. Im Weiteren soll nur das zweite Segment betrachtet werden. Eines wird dabei für das "Private Bauen" erkennbar:
Unter den jeweiligen klimatischen, geologischen, topographischen,
räumlichen und zeitlichen Randbedingungen sind aus den NutzungsAnforderungen und Lebensvorgängen jeweils optimierte Leistungsformen als Baugefüge entwickelt worden, die unsere Kulturlandschaft
heute prägen. Dessen sollten wir uns bewusst sein…
Allein die Verfügbarkeit der im heutigen Bauen eingesetzten Produkte,
sprengt diese nachvollziehbar logischen, räumlichen und zeitlichen
Randbedingungen. Für die heute zu schaffenden Bauten führen uns
also nicht primär Überlegungen zu den materiellen Aspekten weiter.
Vielmehr scheint es lohnenswert zu sein, sich einmal den immateriellen Voraussetzungen, d.h. den Nutzungs-Anforderungen und Lebensvorgängen zu widmen.
Wichtig ist dabei, dass auch diese Fragen untrennbar verknüpft sind
mit den Bedingungen der uns umgebenden Kulturumwelt. Erst vor
diesem Hintergrund können wir zu einer ganzheitlicheren Betrachtung
des Problemfeldes "Privates Bauen" kommen, die sich eben nicht in
erster Linie an vordergründig formalen Attributen orientiert.
Es geht außerdem um die Trennung von Arbeiten und Wohnen.
wenn im Weiteren - dem Thema entsprechend - nur das zweite Problemfeld betrachtet wird, soll doch angemerkt werden, dass auch das
Wieder-Zusammenführen von Wohnen und Arbeiten eine wichtige Frage darstellt, der wir uns künftig mehr widmen sollten…
2. Weiter wohnen wie gewohnt ?
"Im Prinzip könnte man sein ganzes Leben ohne Wohnung verbringen
in Hotels, in Eisenbahnabteilen, Konferenzräumen, Autos, Cafés usw.
Alles was man für alle denkbaren Lebensvollzüge benötigt, ist käuflich. Man braucht einen Briefkasten, bei dem man polizeilich gemeldet
ist, ein Mobiltelefon und vor allem Geld. Aber braucht man eine Wohnung? Eigentlich nicht." so weit die Impulsthese.
(aus: "Soziologie des Wohnens" Häußermann, Siebel, München 2000).
Wohnung ist aber offensichtlich doch mehr, sonst würde sie nicht den
besonderen Schutz unserer Verfassung genießen (vgl. Art.13 GG,
über die Unverletzlichkeit der Wohnung).
Das Problem soll deshalb noch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden:
"Was heißt den Wohnung? Nicht nur Aufenthaltsort, nicht nur Sicherung gegen Frost und Regen, sondern ausgeweitetes individuelles und
familienhaftes Dasein. Wohnung ist eine zugleich materielle und geistige Umwelt, die der Einzelne oder die Familie sich schafft. Sie ist Lebensraum, Ort, wo die Persönlichkeit ist und sie selber und bei sich
selber zu Hause ist." so weit die religionsphilosophische Sicht.
(aus: "Die Gefährdung der lebendigen Persönlichkeit", Romano Guardini, 1926)
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Diese kurz skizzierten Gedanken können nur darauf hindeuten, dass
es sich beim Thema "Wohnen" um eine sehr komplexe Fragestellung
handelt, die allein in umfassender interdisziplinärer Betrachtung weiter ausgeleuchtet werden kann.
Dazu gehört auch die intensive Einbeziehung der Bewohner, denn so formuliert es Ralph Erskine - die Bewohner sind für den Bereich ihrer Bedürfnisse auch "Fachleute".
Wichtig für den Entwurfsansatz ist dabei die Art und die Gewichtung
der Gemeinschaftsbereiche und der Individualbereiche innerhalb einer
Wohnung. Erst der gemeinsame Raum definiert - allgemein gesprochen - eine Gruppe von Bewohnern als Wohngemeinschaft.
Von entscheidender Bedeutung ist letztlich, wie die Raumdisposition
einer Wohnung auf die, sich heute schneller ändernden und sich immer weiter ausdifferenzierenden Lebensverläufe reagieren kann.
Stichwort: Nutzungsflexibilität
"Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass sich die Lebens-und
Wohnformen viel stärker ändern, als das Wohnungsangebot. In den
großen Altbauwohnungen ist dies kein Problem, weil dort Grundrisse
weniger stark hierarchisiert und insofern anpassungsfähiger sind, als
in den neueren Wohnungsbeständen." (Hartmut Häußermann,
"Individualismus als Standard" in Der Architekt, 9-10/2005, S. 74-77)
Fakten und Wünsche
1.
Zunahme der 1- und 2-Personen-Haushalte
(Mikro-Zensus Stat. Bundesamt 2006)
2005
2.
1-Personen-Haushalte 37,6 %
2-Personen-Haushalte 33,4 %
∑ 1- /2-Pers.-Haushalte
71 % = knapp 3/4
Nutzg. der Einfamilienhäuser in Bayern ("Zahlen u. Fakten" 2001)
55 % der Einfamilienhäuser sind mit 1 oder 2 Personen
belegt! Das ist ein Hinweis darauf, dass der Bestand
auf Grund der immer weiter ausdifferenzierten
Lebensverläufe nicht optimal genutzt werden kann
3.
Bevorzugte Wohngebäude
(ifs Institut f. Stadtforschung u. Strukturpolitik, 1997)
ca. 1995 freistehendes Ein-/Zweifam.-Haus
Reihen-/Doppelhaus
∑ Familienhäuser
56 %
20 %
76 % = > 3/4
Damit wird ein eklatanter Widerspruch sichtbar:
Ist dafür das "Single-Haus" die Lösung ??
Lösungsansätze sind im verdichteten Familienhausbau zu suchen,
aber mit der Möglichkeit, auf die sich immer weiter ausdifferenzierenden Lebensabläufe eingehen zu können.
Stichwort: Anpassung an die jeweilige Lebenssituation
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3. Beispiele
Architektur
"Bayer-Siedlung" in Unterhaching
Weiterentwicklung von Siedlungsgebieten am Beispiel einer Wohnsiedlung mit Doppelhäusern aus den 50er-Jahren,
"Hüttenthaler Feld" in Tittmoning
1. Preis 1993 in Wettbewerb
Deutscher Städtebaupreis 1998
"Siedlungsmodell Kohlbruck" in Passau
1. Preis 1996 in europa-offenem Wettbewerb
Entwicklung von ca. 350 Wohneinheiten,
überwiegend im verdichteten Familienhausbau
"Wohnhaus" in einer Stadtumlandgemeinde von München
Gesamtwohnfläche möglich 227 m2, Anpassbarkeit an die jeweilige
Lebenssituation mit mehreren Stufen
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
Haupteinheit 204 m2
Haupteinheit 173 m2
Haupteinheit 137 m2
Einlieger 23 m2
Einlieger 54 m2
Einlieger 90 m2
"Studentenwohnheim auf dem Seidlkreuz" in Eichstätt
"Hauseinheiten" in einer Art Kettenhaus-Struktur mit jeweils 4 Appartements, die eine eigene Haustüre haben und damit direkt vom kleinen Erschließungshof aus erreichbar sind. Eigentlich sind dies "Single-Häuser".
Ob dies ein Hinweis für ein künftiges Wohnen sein könnte, kann zunächst offen bleiben.Tragfähig wäre es dann, wenn gleichzeitig die
Frage der Wohngemeinschaft und damit die Frage nach dem konstituierenden Element für diese Gruppe gelöst wird.
4. Zusammenfassung
Fest steht, dass die räumlichen Fragen des Wohnens heute mehr den
je mit besonderer Sorgfalt und ganzheitlich zu lösen sind, denn die
räumliche Qualität und die soziale Gebrauchsfähigkeit - auch im
Wohnumfeld - bestimmen in einem Mietermarkt bzw. einem Käufermarkt den wirtschaftlichen Erfolg der Investition entscheidend mit.
Aber was heißt das für Architekten und Bauherrn?
heißt das: erweiterter Planungsprozess; im Ergebnis mit möglichst
offenen, anpassungsfähigen Strukturen? - ja;
heißt das: Single-Hausgebiete als Vision? - eher ein Alptraum, wenn
man an die soziale Gebrauchsfähigkeit denkt!
eines heißt es bestimmt nicht: "Weiter b a u e n wie gewohnt!"
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