Der Walser Steinbock – ein Konstrukt

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Walser
Lesebuch
Geschichten über ein
selbstbewusstes Bergvolk.
Ausgewählt und zusammengestellt
von Ulrich Nachbaur.
Titelbild (Ausschnitt)
Die „Heimat“ widmete „Unseren Walsern“ 1925 ein Sonderheft.
Die Titelseite gestaltete der Schrunser Künstler Hans Bertle.
1. Auflage, Dezember 2013
Copyright © by unartproduktion, 6850 Dornbirn, Wallenmahd 23
bzw. bei den jeweiligen AutorInnen/Verlagen · www.unartproduktion.at
Druck: Bucher Druck Verlag Netzwerk, Hohenems
Gestaltung: Werner Wohlgenannt, Dornbirn
ISBN: 978-3-901325-86-1
Walsersymbole
Der Walser Steinbock – ein Konstrukt
Der Steinbock als das Walsersymbol ist ein Konstrukt des 20. Jahrhunderts, dem Konrad Honold ab 1966 zum kommunalheraldischen
Durchbruch verhalf. […] Das zentrale Argument lieferte der Steinbock auf dem Schild des Ritterheiligen im Walsersiegel von 1408, von
dem sich Honold offenbar einen Abguss besorgte. Dieses Siegelbild
schlug Honold der Gemeinde Sonntag als Wappen vor. Die Landes­
regierung genehmigte es 1966.
Dieses Siegel erinnert an den „Bund ob dem See“ (1405 bis 1408),
den Benedikt Bilgeri erforschte […]. Bilgeri erachtete den Steinbock
als „gute Wahl“ für Dünserberg, „da in der Walsertradition stehend,
die historische Begründung richtig und die Ausführung heraldisch
einwandfrei“. […]
Mit dem Blau in seinen Walserwappen lehnte sich Honold an
Gemeindewappen im Kanton Wallis an, wollte er offenbar eine
„Walser Wappenfarbe“ kreieren. In den Wappen aller sechs „Walsergemeinden“, die Honold beauftragt hatten, finden wir die Tinktur
Blau; ebenso, bedingt durch die Darstellung des Himmels, bei vier
weiteren.
Nach Sonntag (1966) wurde auch Dünserberg (1969) und St. Gerold
(1970) ein Steinbock im Wappen beschieden, Bürserberg (1970) ein
Steinbockkopf. Dünserberg ist im Walsersiegel von 1408 genannt.
St. Gerold verwies ebenfalls auf die Urkunde von 1408, die die „freien
Walser unseres Gebietes“ besiegelten; allerdings nicht die Leute der
Propstei St. Gerold. Was der Steinbock am Bürserberg zu suchen hatte,
ließ sich nur noch sehr verkürzt und irreführend begründen:
„Es ist bekannt, daß die im 13. und 14. Jahrhundert eingewanderten Walser eine Verbindung zum Steinbock als Wappentier gehabt
haben. Dies geht aus Verwendungen dieses Bildes auf Siegeln aus verschiedenen Jahrhunderten hervor.“
Solche Begründungen flossen in die Beschlussvorlagen der Landesregierung ein. Und nachdem die Vorarlberger Landesregierung
im Amtsblatt nicht einmal die offizielle Wappenbeschreibung kundmachte, musste dies in einem Wappenbuch nach Schweizer Vorbildern
nachgeholt werden, das Landesarchivar Karl Heinz Burmeister verdienstvoll besorgte und 1975 mit dem Anspruch einer authentischen
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Walsersymbole
Interpretation, einer rechtlich verbindlichen Auslegung, veröffent­
lichte.
Damit wurde der Steinbock als Walser Wappentier amtlich oder
halbamtlich verfestigt. Welcher unbefangene Leser mochte und mag
daran zweifeln, dass das der historischen Wirklichkeit entsprach?
Ulrich Nachbaur , 2013
Aus: Ulrich Nachbaur, Steinbock und Sterne. Walsertum und
Gemeindewappen. In: Montfort 65 (2013) 1, S. 29–66, hier
S. 44–46, mit Quellen- und Literaturbelegen.
(Vorarlberger Landesarchiv)
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