Seite 1 von 8 Zu 1: Einleitung in die Karate Karate ist eine Kampfkunst der Selbstverteidigung. Dieser Sport hat seinen Ursprung in China. Karate bedeutet übersetzt „leere Hand“. Der Name gibt die Philosophie des Sportes wieder und beinhaltet den Grundgedanken sich mit der leeren Hand ohne Waffen zu verteidigen und den Gegner nicht zu vernichten. Der Körper eines Karatekas, wie der Karatesportler genannt wird, wird so trainiert, dass Arme und Beine eine Schlagkraft entwickeln können, die mit der einer Waffe vergleichbar ist. Im Karate werden Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken trainiert, aber auch Hebel, Würfe und Feger können zum Einsatz kommen. Um die Schlagkraft zu überprüfen und unter Beweis zu stellen, werden regelmäßig Bruchteste durchgeführt. Hierbei werden Holzbretter, Ziegelsteine, Betonplatten oder andere Materialien mit Hilfe von Arm- oder Beintechniken zu Bruch gebracht. Als Außenstehender ist dies oft ein unglaubliches Schauspiel und man stellt sich die Frage warum der Ziegel oder das Brett, jedoch nicht die Hand des Sportlers bricht... Im Folgenden werde ich mich genau dieser Frage widmen und feststellen, wie viel Kraft aufgewandt werden muss, damit ein Brett zu Bruch geht. Zu 2: Kraft und Energie beim Karateschlag Das Brett bricht aus zwei Gründen. Zum einen spielt die Dynamik eine große Rolle. Wir benötigen also das Newton’sche Aktionsprinzip F = ma und den Energieerhaltungssatz. Zum anderen hängt die Bruchfestigkeit, also die Stabilität und die Festigkeit des Brettes, von der Größe und dem Material ab. Versuch 1: Ein Brett mit einer Dicke von 0,9cm wird über zwei Stuhllehnen gelegt. Auf der Oberseite des Brettes wird ein Fähnchen aufgeklebt. Ein Laserstrahl wird auf dieses Fähnchen gelenkt, so dass kontrolliert werden kann ob und wie weit sich das Brett biegt. Über das Holz wird eine Stange mit der Masse 1kg gelegt. An beide Enden der Stange leere Mineralwasserkisten mit einer Masse von je 1kg gehängt. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 2 von 8 Die Kästen werden nun auf beiden Seiten gleichzeitig mit je zwei vollen Wasserflaschen befüllt. Über den Laserstrahl lässt sich feststellen, dass sich das Brett mit zunehmendem Gewicht durchbiegt. Bei einer Belastung von 2 × 6 Wasserflaschen und somit einem Gesamtgewicht von 15kg bricht das Brett. Biegung des Brettes Biegung Bruch Ausgleichsgerade 3 7 11 15 Last in kg Abbildung 1 Trägt man die Werte in ein Schaubild ein, so lässt sich ein linearer Zusammenhang zwischen Biegung und Belastung feststellen. Das Brett verhält sich etwa wie eine Feder mit linearer Rückstellkraft. Es gilt also: F = Ds . Misst man die Biegung des Brettes bei zunehmender Belastung exakt ab und trägt die Daten in eine Tabelle ein, so erhält man die genaue Steigung der Geraden. Aus dieser Steigung kann die Federkonstante D bestimmt werden, mit D= F g oder D = , wobei m die Steigung der Ausgleichsgeraden ist. s m Da sich das Brett wie eine Feder verhält, nehmen wir zunächst die Formel 1 Ds ² für die Spannenergie. Durch Umformung erhalten wir 2 1 1 E= F ² = sF . 2D 2 Die Bruchenergie E B eines Brettes lässt sich also ganz leicht mit der Formel 1 E B = s B FB 2 berechnen, wobei s B die Bruchauslenkung und FB die Bruchlast angibt. E= Die folgende Tabelle zeigt Zahlenwerte für ein Brett aus Fichtenholz das schon bei wenig Kraft bricht. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 3 von 8 Größe des Brettes ( l × b × h ) Bruchauslenkung ( s B ) Bruchlast ( FB ) Stützweite ( s ) 1 2 Brucharbeit ( E B = s B FB ) Federkonstante ( D = g ) m 60 × 4,5 × 1,4cm 22,4mm 1360 N 50,8cm 15,3 J 6,1 × 10 4 N m Tabelle a Versuch 2: Um nun berechnen zu können, wie viel Kraft ein Mensch braucht um ein Brett zu durchschlagen, müssen zuerst zwei Begriffe geklärt werden. Man muss zwischen Bruchlast und Schlagkraft unterscheiden. Die Bruchlast ist die Kraft, die aufgewandt werden muss, um das Brett durch konstante, statische Kraft zu Bruch zu bringen (siehe auch Versuch 1). Die Schlagkraft wird, wie der Name schon sagt, beim Schlag aufgewandt. Der Hand wird ein so großer Impuls mitgegeben, dass beim Abbremsen eine sehr hohe Kraft entsteht. Dies führt dazu, dass das Brett bricht. Die Hand eines erwachsenen Menschen hat laut Literaturwert eine Masse von 0,7 kg , nach eigenen Messungen mit dem Verdrängungsversuch wäre etwas weniger jedoch realistischer. Durch einen Lichtschrankenversuch lässt sich die m . s Nehmen wir nun an, dass ein Mensch mit seiner Hand der Masse 0,6kg und m einer Handgeschwindigkeit von 8 auf ein Brett schlägt, so tut er dies mit s Geschwindigkeit der Hand bestimmen, diese liegt etwa zwischen 5 und 15 folgendem Energieaufwand: E= 1 1 m mv ² = × 0,6kg × (8 )² = 19,2 Joule . 2 2 s Das oben beschriebene Fichtenholz würde also brechen. Bereits 15,3Joule würden dazu reichen (siehe Tabelle a). Des weiteren ist die Geschwindigkeit im unteren Bereich angesetzt, so dass sie jeder erreichen müsste. Hinzu kommt der, bereits oben kurz angesprochene, Unterschied zwischen Bruchlast FB und Schlagkraft Fsch , denn letztere ist um einiges größer als die Bruchlast. Um diesen Unterschied zu berechnen, nehmen wir den Energieerhaltungssatz zur Hilfe und vernachlässigen die Reibung. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 4 von 8 Somit wandelt sich die gesamte Bewegungsenergie Verformungsenergie des Brettes um. Es gilt also: der Hand in 1 1 FSch ² = mv ² ⇒ FSch = mD v . 2D 2 Setzt man die Werte aus Tabelle a ein, so bekommt man für FSch = 0,6kg × 6,1 × 10 4 N m × 8 = 1530,5 Newton . m s Das Brett könnte also bis zu einer Rückstellkraft (diese wird später noch genauer behandelt) von 1530 N ausgelenkt werden. Es bricht jedoch bereits bei 1360 N . Mit einem Handschlag kann dieses Brett daher sehr leicht zu Bruch gebracht werden. Man muss seiner Hand nur genügend Impuls, also Masse und Geschwindigkeit, mitgeben. Beim Abbremsen, das heißt bei der Berührung mit dem Brett, wird eine so hohe Kraft erreicht, dass das Brett bricht. Würde man das Brett mit konstantem Kraftaufwand brechen wollen würde man kläglich scheitern. Denn die 1360 N entsprechen einer Gewichtsbelastung von 139kg , das ist etwa die Leistung eines Spitzengewichthebers. Will man nun den Versuch wagen und als Untrainierter ein Brett mit der Hand zerschlagen, so sollte man zuerst die Bruchlast, die Federkonstante und die maximale Schlagkraft bestimmen. Am besten nimmt man ein Brett bei dem das Verhältnis zwischen der Bruchlast und der Schlagkraft mindestens eins zu zwei ist, so dass das Brett auch auf jeden Fall zu Bruch geht und die Verletzungsgefahr möglichst gering ist. Zu 3: Die Rückstellkraft und die Kerbwirkung F F ⇒δ ⇐ Neutrale Faser Konkave Seite Konvexe Seite ⇐δ ⇒ Riss Abbildung 2 Wirkt auf das Brett eine Kraft F , so gibt das Brett nach: es federt. Dies kann man durch ein wenig Druck mit der Hand leicht feststellen. Wie diese Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 5 von 8 Rückstellkraft entsteht, wird in der Abbildung 2 deutlich. Die obere Schicht des Holzes wird bei Druck verkürzt, die untere Schicht wird verlängert. Es entsteht eine konkave und eine konvexe Schicht. Durch diese Zug- und Druckspannungen entsteht die Rückstellkraft, die der Biegung des Brettes entgegenwirkt. Zum Bruch kommt es beim Brett durch die Spannkräfte im unteren Teil des Brettes. Das rührt von der Kerbwirkung, die an einem beginnenden Riss an der Unterseite auftritt. Die Kräfte treten vermehrt dort auf, wo sich bereits ein Riss gebildet hat und führen zu seiner weiteren Ausbreitung bis das Brett schließlich bricht. Riss F F Abbildung 3 Diese Tatsache lässt sich leicht nachstellen, indem man ein längliches Dreieck aus Papier ausschneidet und es an der Längsseite einreißt. Zieht man nun an den beiden Enden, so reißt das Blatt nicht an der schmaleren Stelle des Blattes sondern dort wo bereits ein Riss war (siehe Abbildung 3). Denn an der eingerissenen Stelle konzentrieren sich die Kräfte wie oben beschrieben und führen dazu, dass das Blatt vollkommen zerreißt. Wegen eben diesem Phänomen sind Schiffsfenster immer rund und nicht eckig. So können keine Kräfte an der Spitze, der Kerbe am Fenstereck angreifen und zu einem Riss führen, der gravierende Folgen hätte. Ein doppelt so breites oder dickes Brett bricht erst bei doppelter Zugbelastung. Wie schnell und wie leicht ein Brett bricht hängt auch von seiner Fläche ab. Je länger das Brett im Verhältnis zu seiner Dicke ist, desto schneller bricht es, denn umso größer sind die Spannungen die im Brett bei Belastung herrschen. Dies lässt sich durch eine Art Hebelwirkung erklären, die auf ein größeres Brett eine größere Wirkung wie auf ein kleineres hat. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 6 von 8 Zu 4: Warum die Hand nicht bricht... Jedes Material hat seine eigene Zugfestigkeit, siehe Tabelle b. Zugfestigkeit in Mega-Newton pro m² Material Fichtenholz quer zur Faser Backstein Fichtenholz längs der Faser menschlicher Knochen Spinnfaden Stahl Klavierdraht MN m² MN 5 m² MN 100 m² MN 140 m² MN 240 m² MN 300 − 800 m² MN 3000 m² 3 Tabelle b Diese Tabelle macht deutlich, warum das Brett aus Fichtenholz, aber auch Betonplatten oder Backsteine zu Bruch gehen und nicht die Hand des Menschen, der darauf einschlägt. Allein die Festigkeit der menschlichen Knochen ist höher. Würde man also ein Stück Fichtenholz und ein Knochen mit derselben Größe gegeneinander pressen oder schlagen, so würde der Knochen standhalten, aber das Brett brechen. Abbildung 4 Des weiteren kommt hinzu, dass die Schlaghand extrem kompakt gebaut ist. Da ihre Dicke bei der Verformung zur Faust (siehe Abbildung 3) zu- und die Länge abnimmt wird ihre eigene Bruchlast noch größer. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 7 von 8 Die Sehnen, Muskeln und Bänder um die Hand herum geben dem Knochen und dem Gelenk zusätzlichen Halt und Stabilität, wie in Abbildung 4 gut zu erkennen ist. Sie dämpfen Stöße sowie Schläge gut ab und schützen somit zusätzlich vor dem Bruch der Hand. Abbildung 5 Vor allem Backsteine sind leicht zu durchschlagen, da sie sehr spröde sind. Natürliches Material, wie zum Beispiel Spinnenfäden, haben dagegen eine sehr hohe Festigkeit und könnten somit nicht mit der Hand durchtrennt werden. Zu 5: Zusammenfassung Abschließend möchte ich noch einmal alle wichtigen Faktoren aufzählen, die belegen, warum es möglich ist ein Holzbrett, mit der Hand oder dem Fuß, in zwei Teile zu schlagen. Zu berücksichtigen sind vor allem die Bruchfestigkeit des Materials und im Verhältnis dazu die Geschwindigkeit und die Masse der Hand. Es muss natürlich immer beachtet werden, dass Untrainierte sich beim Selbstversuch, trotz allen physikalischen Formeln, verletzen und sich die Hand oder den Fuß brechen können. Doch wenn man sich ein geeignetes Material aussucht, welches schon bei geringem Kraftaufwand bricht und sich von einem Karateka einweisen lässt, ist man auf der sicheren Seite. Physik und Karate GFS von Isabel Riexinger,11c Seite 8 von 8 verwendete Quellen: Artikel: - „Physik und Karate“, von Andreas Müller, Institut für Physik Internet: - div. Bilder - http://www.arsmartialis.com/spektrum/karate.html - http://de.wikipedia.org/wiki/Karate Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig angefertigt, nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt und alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich gemacht habe. Schelklingen, den 29. Mai 2005 Physik und Karate Isabel Riexinger GFS von Isabel Riexinger,11c