GPV 10: Adiabatenexponent

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GPV 10: Adiabatenexponent
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Ziel des Versuches
Das Ziel dieses Versuches ist die Bestimmung des Adiabatenexponenten von Gasen mit den
beiden Ansätzen von Clement-Desormes (Methode A) und von Rüchardt (Methode B).
2
Aufgaben
Methode A: Bestimmen Sie den Adiabatenexponenten κ nach der Methode von ClementDesormes.
Methode B: Messen Sie den Durchmesser des Schwingkörpers und bestimmen Sie seine
Masse. Bestimmen Sie das Volumen des Glasgefäßes und berechnen Sie den Druck p
nach Gl(20). Messen Sie 10 mal die Zeit für eine größere Anzahl von Schwingdauern.
Berechnen Sie aus diesen Größen den Adiabatenexponenten κ nach Gl(26) und seinen
Fehler für zwei verschiedene Gase.
Geräte
Glasgefäß (10 Liter), Fallrohr mit Stopfen, Handschuhe, Metallkugel, Stoppuhr, Lederlappen, Manometer
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Einleitung
Eine Zustandsänderung, bei der kein Wärmeaustausch zwischen dem thermodynamischen
System und seiner Umgebung stattfindet, heißt adiabatisch. Der Wärmeaustausch lässt sich
streng nur durch völlig wärmeundurchlässige Wände zwischen dem System und der Umgebung vermeiden. Solche Wände sind jedoch lediglich im Modell denkbar.
Laufen Zustandsänderungen jedoch so schnell ab, dass nicht genügend Zeit für den
Wärmeaustausch zur Verfügung steht, dann ist die mit der Umgebung ausgetauschte
Wärmemenge vernachlässigbar klein gegen die Änderung der inneren Energie des Systems.
Schnelle Zustandsänderungen können daher oft in guter Näherung als adiabatisch aufgefasst
werden.
Viele reale Vorgänge (Ausströmvorgänge aus Düsen, Explosionen, Schallwellen) und Apparate (Luftpumpe, Kompressor, Dieselmotor, Nebelkammer) können unter Verwendung des
adiabatischen Modells nicht nur in ihrer Wirkungsweise verstanden, sondern auch quantitativ abgeschätzt werden. Für solche Rechnungen ist die Kenntnis des Adiabatenexponenten
erforderlich.
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4
4.1
Grundlagen
Grundlagen der Thermodynamik
Das Volumen eines Gases hängt vom Druck und von der Temperatur ab. Das Volumen V ,
der Druck p und die Temperatur T kennzeichnen den Zustand des Gases; man nennt sie
daher Zustandsgrößen oder Zustandsvariable. Bei idealen Gasen besteht zwischen ihnen der
Zusammenhang
pV = nRT = nNA kB T = N kB T,
(1)
wobei n die Stoffmenge in mol, R = 8, 31J/(Kmol) die allgemeine Gaskonstante, NA =
6, 0221 · 1023 Teilchen/mol die Loschmidt-Zahl, kB = 1.381 · 10−23 J/K die Boltzmannkonstante und N die Teilchenanzahl ist. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik ändert
sich die innere Energie U eines Systems durch Austausch von Wärmemenge ∆Q mit der Umgebung und / oder das Verrichten von Arbeit ∆W :
∆U = ∆Q + ∆W.
(2)
Bei idealen Gasen ist die innere Energie U die Bewegungsenergie der Moleküle,
∆U = CV ∆T,
(3)
wobei CV die Wärmekapazität bei konstantem Volumen ist. Für CV gilt
f
nR,
(4)
2
wobei f die Anzahl der Freiheitsgrade des Moleküls im Gas ist. Einatomige Gase haben
f = 3, also einen Freiheitsgrad für jeweils eine Raumrichtung. Zweiatomige lineare Moleküle
haben f = 5, das sind die drei Translationsrichtungen und zwei Rotationsachsen senkrecht
zur Verbindungsachse zwischen den beiden Atomen. Gewinkelte oder mehratomige Moleküle
sollten f = 6, das sind drei Translations- und drei Rotationsrichtungen, haben.
CV =
Die innere Energie ∆U des Gases kann auch durch Druckarbeit erhöht werden:
∆W = −p∆V
(5)
dU = dQ − pdV
(6)
CV dT = dQ − pdV
(7)
Dann lautet der Energiesatz:
Speziell für ein ideales Gas
Verläuft eine Zustandsänderung adiabatisch, d.h. es findet kein Austausch von Wärmeenergie
statt, vereinfacht sich die Gleichung des ersten Hauptsatzes zu
CV dT = −pdV
4.2
(8)
Die Wärmekapazität bei konstantem Druck Cp
Bei konstantem Druck wird mehr Energie zur Erwärmung eines Gases benötigt als bei
konstantem Volumen, denn es muss nicht nur die Temperatur um ∆T erhöht werden, sondern
es muss auch für die Volumenzunahme aufgebracht werden. Für diese gilt nach Gl (1) bei
konstantem Druck p:
2
∆T
∆V
=
V
T
Gegen den Druck p ist also die Druckarbeit
p ∆V = pV
∆T
= nR∆T
T
(9)
(10)
zu erbringen. Damit kommt zur Erwärmungsarbeit CV ∆T = f2 nR∆T die Druckarbeit
nR∆T hinzu.
Die Wärmekapazität des Gases mit n mol Molekülen bei konstantem Druck ist also
f
Cp = CV + nR =
+ 1 nR
(11)
2
Besonders interessant ist das Verhältnis
κ=
f +2
Cp
=
,
CV
f
(12)
welches man auch den Adiabatenexponenten nennt. Aus der Messung von κ kann man
z.B. direkt auf f (und damit die Molekülbeschaffenheit) schließen!
4.3
Adiabatische Zustandsänderungen
Viele Vorgänge in der Atmosphäre, in Maschinen oder in Schallwellen gehen so schnell vor
sich, dass zu einem Wärmeaustausch gar keine Zeit ist. Einen Vorgang ohne Wärmeaustausch
nenn man adiabatisch. Bei ihm verschwindet dQ in (6) und (7), es gilt also
CV dT = −pdV.
(13)
Nach der Zustandsgleichung (1) haben wir p = nRT /V , so dass sich mit CV = nRf /2
f
dV
f dT
dV
dT = −T
⇐⇒ −
=
2
V
2 T
V
(14)
ergibt. Integriert man diese Gleichung beiderseits, so folgt
V ∝ T −f /2 ∝ T 1/(1−κ)
(15)
Mittels der Zustandsgleichung kann man dies auch in andere Kombinationen von Zustandsgrößen umschreiben:
p ∝ V −(f +2)/f = V −κ
(16)
Das sind die Poisson-Gleichungen oder Adiabatengleichungen. Hier wird der Ursprung des
Wortes Adiabatenexponent“ klar.
”
5
5.1
Versuchsanordnung
Methode A (nach Clement-Desormes)
Ein großes Volumen mit Gas (Glasflasche) ist an einen Ausgang, einen Blasebalg und einen
Druckmesser (Manometer, hier ein U-Rohr) angeschlossen. Zunächst ist das Gasvolumen
bei Umgebungsdruck p0 . Der Ausgang wird geschlossen und der Druck mit dem Blasebalg
um einen Druck ∆p von etwa 100mm Wassersäule leicht erhöht und bestimmt. Dann wird
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p
(i)
∆p
(iii)
∆ p’
Isotherme
(ii)
Adiabate
V
Abbildung 1: pV-Diagramm mit einer adiabatischen und einer isothermen Zustandsänderung
der Ausgang kurzfristig geöffnet, um den Überdruck abzubauen, und wieder geschlossen.
Allmählich baut sich ein neuerlicher Überdruck ∆p0 auf, der abgelesen wird. Aus diesen
beiden Überdrücken kann der Adiabatenexponent leicht errechnet werden:
κ=
∆p
,
∆p − ∆p0
(17)
wobei die Überdrücke jeweils proportional zur Höhendifferenz der beiden Flüssigkeitsstände
im Manometer sind.
Zur Erlernung der Methode sollte der Versuch dreimal mit Luft durchgeführt, wobei nur die
dritte Durchführung zur Auswertung herangezogen wird. Danach wird er noch einmal mit
Argon durchgeführt.
Nun zur theoretischen Beschreibung der Vorgänge: Nach Erzeugung eines Überdruckes starten wir im Punkt (i) des pV-Diagrammes in Abbildung 1. Durch Öffnen des Ausgangs
expandiert das Gas adiabatisch zu Punkt (ii) bei niedrigerem Druck, aber größerem Volumen. Dabei kühlt es sich ab. Wird der Ausgang nun geschlossen, und einige Zeit gewartet,
damit sich das Gas wieder aus die Umgebungstemperatur erwärmen kann, so erhöht sich
der Druck bis zu Punkt (iii). Da nun die gleiche Temperatur wie zu Beginn vorliegt, sind
Punkte (i) und (iii) durch eine Isotherme verbunden.
dp
Für eine Adiabate gilt nun p V κ = const mit einer Steigung ( dV
)adiabatisch = −κ Vp in
einem Punkt (p, V ). Entsprechend gilt für eine Isotheme p V = const mit der Steigung
dp
( dV
)isotherm = − Vp . Vergleicht man nun die Steigungen von Adiabate und Isotherme in der
Umgebung eines Punktes (p, V ) und identifiziert ihren Quotienten als den Adiabatenkoeffizienten,
( dp )adiabatisch
κ = dVdp
,
(18)
( dV )isotherm
so können die Steigungen leicht aus dem pV-Diagramm abgelesen werden. Der Adiabatenexponent ergibt sich dann aus Gl. (17).
4
Abbildung 2: Skizze des Rüchardt’schen Gasoszillators Kugel (1), Fallrohr (2), Gasvolumen
V (3) und Gaszuleitung (4).
5.2
Methode B (nach Rüchardt)
Eine glatt polierte Kugel sitzt auf der Gassäule im Präzisionsrohr (siehe Abbildung 1) und
schwingt auf und ab. Aus der Schwingungsfrequenz kann der Adiabatenexponent bestimmt
werden. Dies soll nun erklärt werden.
Sinkt der Körper (Durchmesser D und Masse m) um die kleine Distanz x unter die Gleichgewichtslage der Schwingung, dann erhöht sich der Druck p um ∆p und man erhält für die
Druckkraft F (die den Körper beschleunigt)
F =
d2 x
D2 π
· ∆p = m 2
4
dt
(19)
Der Druck p im Gefäß ist die Summe aus Luftdruck pL und dem Kolbendruck“ des
”
Schwingkörpers
4mg
p = pL +
.
(20)
πD2
Da der Schwingungsvorgang relativ schnell abläuft, kann er als adiabatisch betrachtet und
die Adiabatengleichung (16) in der Form
p = const · V −κ
(21)
verwendet werden. Aus ihr erhält man durch Differentiation nach dem Volumen
dp = −κp
dV
,
V
(22)
∆V
V
(23)
d.h. für die kleine Druckschwankung ∆p gilt
∆p = −κp
Das Einsetzen von (23) mit ∆V = x·πD2 /4 in Gleichung (19) liefert die Differentialgleichung
für den harmonischen Oszillator:
d2 x κπ 2 D4 p
+
x = 0,
dt2
16 · V m
(24)
mit der daraus ablesbaren Kreisfrequenz
r
ω0 =
κπ 2 D4 p
16 · V m
5
(25)
Unter Verwendung von ω0 = 2π/τ findet man schließlich die Formel zur Berechnung des
Adiabatenexponenten:
64 · V m
(26)
κ= 2 4
τ D p
5.3
Wichtige Hinweise zur Durchführung des Versuches
1. Das genaue Volumen des Glasgefäßes soll mit Wasser nachgemessen werden. Es stellt
sich heraus, dass dieses Volumen für den Versuch mit der schwingenden Kugel etwas
zu groß ist - die Kugel schwingt nicht in der Säule, sondern fällt in das Glas. Das Volumen kann durch das Einfüllen von zwei bis drei Litern Wasser hinreichend verringert
werden. Es ist dabei darauf zu achten, dass zum Gasvolumen des Oszillators ebenfalls
das Volumen im Glasrohr unter der Gleichgewichtslage der Kugel gehört. Es empfiehlt
sich daher, erst den Versuch zu Methode A durchzuführen, dann eine wohl bestimmte
Menge Wasser einzufüllen, und nach der Durchführung von Methode B das restliche
Volumen auszumessen.
Die Kugel kann nur schwingen, wenn der Gummistopsel vollständig mit Wasser abgedichtet ist.
2. Zur Bestimmung von pL hängt an der Wand im Praktikumssaal ein Barometer.
3. Beim Experimentieren ist sorgfältigst darauf zu achten, dass kein Schmutz in die
Glasröhre gebracht wird, sonst bleibt die Kugel stecken. Dazu muss die Kugel vor
jedem Versuchsdurchlauf gereinigt werden und sollte nicht mit den bloßen Händen
berührt werden (Handschuhe)! Zur Reinigung des Glasrohres steht ein Lederläppchen
zur Verfügung.
4. Beide Experimente werden zuerst für Luft und dann für Argon durchgeführt. Um
Argongas in den Oszillator einzufüllen, bitte an den Betreuer wenden. Die Argonflasche
muss nach dem Befüllen wieder geschlossen werden!
6
Fragen
Vor dem Experimentieren noch ein paar Überlegungen, von denen die Punkte 7 bis 10 ins
Protokoll aufgenommen werden sollen:
1. Welche speziellen Zustandsänderungen des idealen Gases kennen Sie und unter welchen
Bedingungen laufen diese ab?
2. Formulieren Sie den 1. Hauptsatz der Thermodynamik in differentieller Form und
integraler Form.
3. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Druck, Volumen und Temperatur eines
idealen Gases bei adiabatischer Zustandsänderung?
4. Berechnen Sie den Kolbendruck eines kreiszylindrischen Kolbens von 17 g Masse und
16 mm Durchmesser.
5. Wie berechnet man die innere Energie des idealen Gases?
6. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Kreisfrequenz, der Frequenz und der
Periodendauer?
6
7. Geben Sie die Schwingungsgleichung für einen freien ungedämpften harmonischen Federschwinger an.
8. Wie lautet die allgemeine Lösung der Schwingungsgleichung des freien ungedämpften
harmonischen Oszillators?
9. Geben Sie die spezielle Lösung der Schwingungsgleichung des freien ungedämpften
harmonischen Oszillators mit den Anfangsbedingungen
x(0) = x0 > 0
und
ẋ = v(0) = 0
an.
10. Leiten Sie für κ = 64mV /τ 2 D4 p eine Formel für den relativen Fehler ∆κ/κ her, wenn
alle Messgrößen fehlerbehaftet sind.
Literatur
• Walcher, W.: ‘Praktikum der Physik’, Teubner-Verlag, Stuttgart, 1994, ISBN 3-51913038-6
• Hering, E. u.a.: ‘Physik für Ingenieure’, Springer-Verlag, Berlin, 1997, ISBN 3-54062141-5
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Zugehörige Unterlagen
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