Unikurs in Zürich Grundlagen Akupunktur – TCM Yin Yang 5 Wandlungsphasen Dr. med. Heinz-Edwin Truffer, Zürich Postfach 2003 • 8021 Zürich • Tel. 0844 200 200 Fax 031 332 41 12 • [email protected] • www.sacam.ch Yin und Yang Fünf Wandlungsphasen Akupunktur – TCM Grundlagen-Modul ASA Vortragsreihe an der Universität Zürich Dr. med. Heinz-Edwin Truffer Das vorliegende Skript wurde vom Verfasser anlässlich der Akupunktur / TCM-Vortragsreihe an der Universität Zürich konzipiert und steht den TeilnehmerInnen zu deren Studium zur Verfügung. Dao bringt 1 hervor 1 bringt 2 hervor 2 bringt 3 hervor 3 bringt die 10'000 Dinge hervor Die 10'000 Dinge tragen Yin auf dem Rücken und umarmen Yang Sich mischendes Qi führt zum harmonischen Ausgleich (...) Laozi, Dao De Jing, Kapitel 42 Das Polaritätsprinzip: Yin und Yang Erkenntnistheoretischer Vorspann Die chinesische Medizintheorie interessiert sich vor allem für Abläufe und in Bezug zueinander Seiendes. Sie beschäftigt sich mit Prinzipien, vor deren Hintergrund Veränderung, Bewegung und Kontexte verstehbar werden. So misst sie kaum (quantitative Erfassung), sondern macht qualitative Zuschreibungen: Vorgänge, die dynamisch-aktiv ablaufen, nennt sie gemäss der daoistischen Tradition „Yang“; Vorgänge, die im Verhältnis dazu bewegungsarm-ruhig ablaufen, also erwartbarer und dadurch struktiver sind, nennt sie „Yin“. Yin ist der abstrakte Begriff für ein Prinzip, welches die Qualität des Bewegungsarmen, Ruhenden, so auch Sammelnden und Konstanz Ermöglichenden beinhaltet. Yang ist der abstrakte Begriff für das in ergänzender (ausgleichender und gegenseitig bedingender!) Abgrenzung benennbare Prinzip des Bewegungsreicheren, Aktiveren und so auch in Ausbreitung begriffene und weniger struktiv-fassbare Qualitätsprinzip. Die chinesische Medizin versteht auf dem Hintergrund des daoistischen Weltbildes den Menschen als Teil und somit eingebettet in die „Natur“. Mit „Natur“ wird hier alles Existierende, das von sich aus Seiende und von selbst Funktionierende gemeint. Der chinesische Begriff lautet „zi ran“ (von selbst korrekt). 2 In der Medizin ist die „natürliche“ Position des Menschen „ren“ ganz konkret das Stehen zwischen Erde „di“ und dem Himmel „tian“. Die Erde bietet dabei konkret und im übertragenen Sinn das sichere Fundament, Struktives, Yin. Der Himmel ist die Richtung, nach welcher der Mensch (auf)stehend strebt, bedeutet Freiheitsgrade, handeln und aktiv sein können. All seine aktiven, also Yang-Kräfte (inklusive geistige Aktivitäten) steigen deshalb ausbreitend auf und werden durch (körperliche) Yin-Kräfte via Sammlung und Absenkung harmonisch ausgeglichen. Mit Hilfe der altchinesischen Therapiemethoden soll letztendlich diese Ordnung angestrebt werden: absenken und sammeln von übermässig Aufsteigendem und Ausbreitendem, stützen und anheben von übermässig Ein- und Absinkendem. Abbildung 1: Die „Stellung“ des Menschen (blau: Yin, rot: Yang) Der Mensch ist aber nicht nur in der Raumdirektionalität, sondern auch in der Zeitdirektionalität „aufgespannt“: Himmel (tian) und Erde (di) Mensch (ren) und Anatomie Mensch (ren) und Funktionalität Yin Yang Yin-Schriftzeichen: Hügelschattenseite Yang Schriftzeichen: Hügelsonnenseite Mond Sonne Ruhendes Aktives Leises Lautes Dunkles Helles abends-nachts morgens-mittags Kühles Warmes Westen-Norden Osten-Süden Herbst-Winter Frühling-Sommer Erde Himmel unten (Körper unterhalb Taille) oben (Körper oberhalb Taille) vorne (Bauchseite) hinten (Rückenseite) rechts links antero-mediale Extremitätenregion postero-laterale Extremitätenregion innen (Körperinneres, Tiefe) aussen (Körperoberfläche) Zentripetales Zentrifugales Sammelndes Ausbreitendes Absinkendes Aufsteigendes Bewahrendes Zerstreuendes Speicherndes Veränderndes (in der Vergangenheit) Vollendetes (in der Gegenwart) Wirkendes Struktiv-Stoffliches Wenigfassbar-Wechselndes Körperliches Geistiges Xue Qi Yin-Leitbahnen Yang-Leitbahnen Mangel Überfülle Langsames (arm an Dynamik) Schnelles (reich an Dynamik) Tabelle 1: Das Yin / Yang - Prinzip in der Raumzeitdirektionalität des Menschen Praktisch-therapeutischer Ausblick: Bei den Therapiestrategien wird stets versucht, mit der Yin / Yang Dynamik zu arbeiten: Akupunkturpunktstimulationen an sich entsprechenden Yin / Yang - Topografien und -Leitbahnen, Arzneimittelrezepturmischungen mit intendiertem Yin / Yang - Ausgleich, med. Qi Gong mit Yin / Yang - harmonisierenden Bewegungsabfolgen. 3 Yin / Yang – Ungleichgewicht in der Medizin Krankheitssymptome lassen sich als Ausdruck eines Yin / Yang – Ungleichgewichts verstehen. Sind Yin und Yang im Gleichgewicht, d.h. gleich mächtig, so finden sich keine Symptome. Sind Yin und Yang im Ungleichgewicht, wird dies diagnostisch erfasst, indem die einzelnen Symptome gemäss den Yin / Yang – Prinzipien kategoriell eingeteilt werden: Die Kategorie der „8 Leitkriterien“, der „äusseren pathogenen Faktoren“, des „Qi und Xue“, der „Leitbahnen“ und der „Zang Fu“ (s. jeweils dort). Die 8 Leitkriterien bilden dabei eine Art übergreifendes Koordinatensystem und sollen hier illustrierend kurz vorgestellt werden. Die 8 Leitkriterien geben dabei Auskunft über den Ort der Pathologie (tief oder oberflächlich), über die innere Dynamik (vermindert oder gesteigert) und das Angefülltsein (mangelnd oder überfüllt): Yin Yang Innen (li) in der Tiefe des Körpers, Zang Fu Aussen (biao) an der Körperoberfläche, Wei-Qi, Leitbahnen Kälte (han) langsame Krankheitsverläufe, Lethargisches, Hemmung von Aktivtät (Yang) Hitze (re) rasche Krankheitsverläufe, Unruhesymptome, Schmälerung von Säften (Yin) Leere (xu) Mangelerscheinungen durch Verlust, milde Symptomatik Fülle (shi) Überfülleerscheinungen durch das Vorhandensein von pathogenen Faktoren, ausgeprägte Symptomatik Tabelle 2: die 8 Leitkriterien Das miteinander verbunden Sein von Yin und Yang lässt sich z.B. durch die Koppelung von innerer Dynamik und Angefülltsein grafisch veranschaulichen: Yin < Yang Leere-Hitze Yin > Yang Leere-Kälte Yin = Yang Yin > Yang Yin-Fülle Yin < Yang Yang-Fülle Abbildung 2: Interdependenz zwischen den Leitkriterien Leere-Fülle und Kälte-Hitze Ein Yin-Mangel führt demnach zu einem relativen Yang-Überschuss, der sich in diesem Fall durch eine gesteigerte innere Dynamik manifestiert, durch die sog. Leere-Hitze. Leere-Hitze Symptome treten vor allem dort und dann auf, wo physiologischerweise das Yin beansprucht wird: mässige innere Unruhe sowie Hitzesensationen / Schwitzen nachts an Handflächen, Fusssohlen und im Decoltée-Bereich. Die Leere-Kälte Symptome entstehen aufgrund eines Yang-Mangels und zeigen sich in Form von mässigen Kälte-Symptomen: z.B. Kältesensationen / Erschöpfbarkeit dort und dann, wenn physiologisch das Yang beansprucht wird, d.h. z.B. morgens, an den Extremitäten, im nüchternen Zustand und bei kalten Aussentemperaturen. Fülle-Symptome entstehen durch das Vorliegen von pathogenen Faktoren (s. Aetiologie und Pathogenese). Die Symptomatik ist abhängig von der Eigenart des jeweiligen pathogenen Faktors, generell aber ausgeprägter als bei einer Mangel-Stituation. Praktisch-therapeutischer Ausblick: Fülle-Zustände werden therapeutisch so angegangen, dass das Zuviel vermindert wird: zerstreuend-eliminierende Akupunkturtechniken und Akupunkturpunktewahl, gezielt eliminierende Arzneimittel / diätetische Massnahmen, öffnend-zerstreuende Qi Gong - Techniken. LeereZustände werden durch bewahrende und auffüllende Massnahmen angegangen: stützende Akupunkturtechniken und Akupunkturpunktewahl, stützende und auffüllende Arzneimittel / diätetische Massnahmen, sammelnd-bewahrende Qi Gong - Techniken. Hitze-Prozesse werden gekühlt (Dynamik vermindert), Kälte-Prozesse werden erwärmt (Dynamik angetrieben). 4 Bewegung und Wandlung (Veränderungsdynamik) Yin und Yang sind zwar zueinander polare Prinzipien, bedingen aber einander zugleich. Bedingen heisst hier, dass das eine das andere (erst) ermöglicht, beziehungsweise, dass im einen das andere potenziell vorhanden ist. Dieses sich gegenseitige Bedingende und somit Hervorbringende kommt in der symbolischen Darstellung des Taiji-Symbols besonders elegant zur Darstellung: Abbildung 3: Taiji-Symbol Aktualität und Potenzialität Den Übergang von Yin (Ruhe) in Yang (Bewegendes) und umgekehrt lässt sich durch die Phase der Potenzialität beschreiben: eine Phase in der nicht mehr nur Yin, sondern das potenzielle Yang bereits teilaktualisiert ist (kleines, potenzielles Yang) bzw. die Phase, in der Yang an Aktualität verloren hat und das potenzielle Yin aktueller wird (kleines, potenzielles Yin). Durch die definitorische Unterscheidung der vier Phasen „aktualisiertes Yin“, „potenzielles Yang“, „aktualisiertes Yang“ und „potenzielles Yin“ ist die Richtung der Bewegung eindeutig gegeben. In der „Mitte“ kompensieren sich die beiden Bewegungsrichtungen, in einem mit Potenzialität (in beide Richtungen!) angereicherten Zustand der Ruhe. Diese „Mitte“ zu bewahren und zu stärken ist das zentrale Element vieler altchinesischen Techniken. Phasen der Aktualität Grosses Yang Yang im Yin Kleines Yin Kleines Yang Yin im Yang Phasen der Potenzialität Grosses Yin Abbildung 4: Gerichtete Bewegung (Direktionalität): Phasen der Potenzialität und Aktualität 5 Qi und Xue Die Yin / Yang- Dynamik geht einher mit dem Fliessen von Qi und Xue. Qi ist in Bezug zu Xue ein YangPhänomen (struktivarm, nicht sichtbar, wenig fassbar), Xue in Bezug zu Qi ein Yin-Phänomen (struktiv, in Bewegung seiende Körperflüssigkeit). Die wichtigste Eigenschaft des „Qi“ (und des Xue) ist, dass es sich von sich aus, auf natürliche Weise also, bewegt. Dies ist grundsätzlich nach allen Richtungen des dreidimensionalen Raumes möglich: nach Aussen, nach Innen, nach Oben, nach Unten. Wenn das „Qi“ frei fliesst, sind Yin und Yang im Gleichgewicht und der einwandfreie funktionelle Zusammenhang des Organismus ist gewährleistet: der Mensch fühlt sich wohl und ist gesund. Beschwerden treten dann auf, wenn das Qi nicht frei fliesst und seine Funktionen nicht erfüllen kann (s. Vitale Substanzen). Praktisch-therapeutischer Ausblick: Alle therapeutischen Interventionen zielen letztendlich darauf ab, diesen Qi-Fluss wieder in Gang zu bringen und die Yin / Yang - Dynamik zu optimieren: Bewegen von Qi-Stagnationen, Lösen von Qi-Blockaden, Auffüllen bei Qi-Mangel, Zerstreuen bei pathologischen QiAnsammlungen. Dies geschieht durch Stimulation von Akupunkturpunkten und Leitbahnen (Akupunktur, Tuina, med. Qi Gong), durch Qi (und Xue) beeinflussende Arzneimittel / Nahrungsmittel sowie mit dem auf den Körperbinnenraum gerichteten Yi (med. Qi Gong). 6 5 Wandlungsphasen (Wu Xing) Die abstrakten Phasenzustände der Aktualität und Potenzialiät dienen dazu, in der empirischen Welt hierzu analoge Qualitäten zu erfassen: die 5 Wandlungsphasen Wu Xing. Feuer (huo) Erde (tu) Holz (mu) Metall (jin) Wasser (shui) Abbildung 5: Wandlungsphasen (Wu Xing) Die Wandlungsphase „Holz“ ist das Kleine Yang, das beginnende in Potenzialität sich befindende Yang im Yin, steht für die aus der Ruhe (Yin) heraus sich in aktiver Entfaltung (Yang) befindende zentrifugale Bewegung. Die Wandlungsphase „Feuer“ ist das Grosse Yang, das Yang in seiner maximalen, aktualisierten (extrovertierten) Entfaltung. Die Wandlungsphase „Metall“ ist das Kleine Yin, das beginnend-potenzielle und Yang begrenzende Yin, die nach innen (und nach aussen abschliessende) Bewegung. Die Wandlungsphase „Wasser“ ist das Grosse Yin, das Yin in seiner maximalen Aktualität: Ruhe und Kondensation. Die Wandlungsphase „Erde“ ist wie die „Nabe“ im Rad, durch die ausgleichenden Wirkkräfte von Yin und Yang mit potenzieller Kraft maximal angefüllt und so in Ruhe sich befindend, somit Ausgleich und Stützung vermittelnd. Yang Yin Grosses Yang Kleines Yang „Mitte“ Kleines Yin Grosses Yin Feuer (huo) Holz (mu) Erde (tu) Metall (jin) Wasser (shui) Farbe Rot Grün Gelb Weiss Blau/Schwarz Jahreszeit (/-Richtung) Hochsommer Frühling Übergangszeiten (Spätsommer) Herbst Winter Tageszeit (/-Richtung) Mittag Morgen Übergangszeiten Nachmittag Nacht Raum (/-Richtung) Süden Osten Mitte Westen Norden Bewegung (/-Richtung) oben aussen nach oben nach aussen haltend nach unten nach innen unten innen Körperregion (schematisch) hinten-oben hinten-unten Mitte vorne-oben vorne-unten Körperregion (funktionell) Kopfbereich geistige Aktivitäten seitliche Körperregionen Muskeln und Sehnen Bauchraum Verdauung Brustraum Atmung Lenden / Hüfte / Knie „Standfestigkeit“ Tabelle 3: die 5 Wandlungsphasen (Wu Xing) 7 Zang Fu: die übergeordnete funktionelle Systematik der „Inneren“ Medizin Der Theorie der 5 Wandlungsphasen bedienten sich die altchinesischen Ärzte, um auch die funktionellen Vorgänge im menschlichen Organismus beschreiben und einordnen zu können. Dabei wurde die einzelnen Wandlungsphasen als funktionelle Einheiten (keine Organe im westlich-medizinischen Sinn!) definiert: die fünf Zang Fu „Leber”, „Herz”, „Milz”, „Lunge”, „Niere”. Mit „Zang“ ist der Yin Aspekt (sammelnd, speichernd, nährend - deshalb oft als „Speicherorgan“ übersetzt) des Funktionskreises gemeint, mit „Fu“ der Yang-Aspekt (transportieren, durchgehen lassen - deshalb oft als „Hohlorgan“ übersetzt). Herz (xin) Leber (gan) Lunge (fei) Milz (pi) Niere (shen) Abbildung 6: die direktionale Anordnung der Zang Fu In der Theorie der 5 Wandlungsphasen, angewendet im menschlichen Organismus als Zang Fu, zeigt sich der implizite „psychophysische“ Zugang der traditionellen chinesischen Medizin: Herz (xin) Leber (gan) Lunge (fei) Niere (shen) Qi-Fluss (regelrecht, „zheng”) absenkend nach aussen und oben ausgleichend führend (Milz: hebend, Magen: absenkend) Milz (pi) auf der Oberfläche verteilend (Wei-Qi) absenkend rhythmisierend das Qi oben und unten verbindend und so haltend übergeordnete Funktion kohärente Projektion der Persönlichkeit nach Aussen (Augenglanz) Modulator für den freien, geschmeidigen Qi-Fluss Impuls, Phantasie, Planung Agilität des Bewegungsapparates Bereitstellen von Qi Assimilation und Integration (nutritiv und intellektuell) Bereitstellen / Verteilen von Qi und Jinye Schutz nach Aussen (Wei-Qi) Bereitstellen von Qi Angeborene Konstitution (Yuan-Qi, Jing) Körper”gewebe” reguliert die XueZirkulation (Leitbahnsystem) versorgt / befeuchtet Muskeln und Sehnen (inkl. Nägel) mit Xue gibt „Fleischform” (Körperkontur, Muskelform und -kraft) bestimmt die Qualität der Haut reguliert die Poren (Schweissregulation) Speichert Jing (Essenz): Nervensystem, Knochen, Zähne, Fortpflanzung / Veranlagung Emotion Freude (xi le) Aggression (nu) Nachdenken (si) Trauer (bei) Angst (kong) Sinn Denken (Vorstellen) Sehen Geschmack Geruch Hören Geistige Kräfte Shen („Geist“, Persönlichkeit, Bewusstsein) Hun („Wanderseele“) Yi (Denkkraft, Absicht, Aufmerksamkeitsabsicht) Po („Körperseele“) Zhi („Wille“) Leitbahnbezug Shao Yin der Hand (Herz-LB) Tai Yang der Hand (Dünndarm-LB) Jue Yin des Fusses (Leber-LB) Shao Yang des Fusses (Gallenblasen-LB) Tai Yin des Fusses (Milz-LB) Yang Ming des Fusses (Magen-LB) Tai Yin der Hand (Lungen-LB) Yang Ming der Hand (Dickdarm-LB) Shao Yin des Fusses (Nieren-LB) Tai Yang des Fusses (Blasen-LB) Tabelle 4: klinische Zuschreibungen der Zang Fu (Auswahl) 8 Praktisch-therapeutischer Ausblick: Das übergeordnete Konzept der Zang Fu erlaubt diagnostisch erhobene Daten (Symptome, Befunde) derart einzuordnen, dass sowohl die 8 Leitkriterien, die pathogenen Faktoren, Qi- und Xue-Direktionalitäten und das Leitbahnsystem berücksichtigt werden. Steigt beispielsweise ein gestautes Leber-Qi übermässig auf (Fülle-Zustand), mag sich dies unter anderem zeigen in übermässiger Impulsivität, Gereiztheit, Sehstörungen und Schmerzzuständen des Bewegungsapparates (vor allem des Shao Yang). Therapeutisch geht es dann darum, das Qi abzusenken und wieder in Bewegung zu versetzen durch spezifische Akupunkturpunkte und Leitbahnwahl, durch Leber-Qi absenkende und bewegende Arzneimittelrezepturen oder Leber-Qi bewegende und absenkende Qi Gong – Techniken. Beziehungssequenzen (xiang) der 5 Wandlungsphasen / Zang Fu Will man den konsekutiven Einfluss der Wandlungsphasen aufeinander darstellen, so wird der Wandlungsphase „Erde“ der Platz zwischen den Wandlungsphasen „Feuer“ und „Metall“ zugeteilt. Daraus entsteht die „Hervorbringungssequenz“ (xiang sheng). Die „Erde“ nimmt dann eine überragende Rolle im Übergang zwischen „Grossen Yang“ („Feuer“) und dem „Kleinen Yin“ („Metall“) ein. In dieser Betrachtungsweise übt eine Wandlungsphase aber nicht nur einen hervorbringend-nährenden Einfluss auf die nächste Phase (sog. Mutter-Kind- Beziehung), sondern auch einen hemmenden Einfluss auf die übernächste. Es entsteht die sog. „Kontrollsequenz“ (xiang ke). Feuer Herz Holz Leber Erde Milz Wasser Niere Metall Lunge sheng (Hervorbringung) cheng (Überkontrolle) ke (Kontrolle) wu (Verspottung) Abbildung 7: Beziehungssequenzen der 5 Wandlungsphasen / Zang Fu Störungen in diesem Regelkreis lassen sich durch fehlerhafte Beziehungen in diesen Regelkreisen verstehen: Mangelndes Hervorbringungspotenzial (z.B. „Niere nährt die Leber zu wenig“), übermächtige und beeinträchtigende Kontrollfunktion, sog. Überkontrollsequenz (xiang cheng), z.B. „Leber attackiert die Milz“) oder die kontrollierte Wandlungsphase wird übermächtig und lässt sich nicht mehr kontrollieren, sog. Verspottungssequenz (xiang wu), z.B. „Leber verletzt die Lunge“). Praktisch-therapeutischer Ausblick: Die Theorie der Beziehungssequenzen der 5 Wandlungsphasen erlaubt einerseits klinisch relevante Beziehungsmuster zu erkennen und zu behandeln (z.B. Besänftigen der Leber und Stärken der Milz bei „Leber attackiert die Milz“), anderseits lassen sich dadurch Akupunkturpunkte mit entsprechendem Einfluss bestimmen (z.B. befindet sich der Punkt Lu9 - als der Wandlungsphase Metall zugehörig – auf der Erd-Armregion (ventrale Handgelenkregion), wodurch seine den FK Lunge stützende Eigenschaft erkennbar wird), s. auch Akupunktur mit den „5 klassischen Punkten“. 9