6 Kombinatorisch ermittelte Laplace

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6
Kombinatorisch ermittelte Laplace-Wahrscheinlichkeiten
In vielen Fällen läuft das Problem, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A anzugeben, darauf hinaus,
ein geeignetes Laplace-Modell zu finden, in dem die Anzahl der möglichen Fälle und die Anzahl der für
A günstigen Fälle ermittelbar sind. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ergibt sich dann als Quotient:
P (A) =
|A|
Anzahl der für A günstigen“ Fälle
”
=
,
Anzahl aller möglichen Fälle
|Ω|
wobei Ω die Ergebnismenge des zugrundegelegten Laplace-Modells ist.
Das Problem des Abzählens ist hierbei i.A. keineswegs zu unterschätzen, weshalb ein Blick auf die hierfür
einschlägigen Modelle der Kombinatorik, der Lehre des Abzählens, unerlässlich ist.
6.1
Das allgemeine Zählprinzip
Beispiel: Wie viele Möglichkeiten gibt es, sich anzukleiden, wenn 5 verschiedene Hosen, 7 Hemden und
8 Paar Strümpfe zur Verfügung stehen? (Ästhetische Überlegungen seien zurückgestellt und Schuhe nur
als Paar verwendet!)
Offensichtlich muss nur das Produkt 5 · 7 · 8 berechnet werden. Dies lässt sich verallgemeinern:
Satz 1 (Allgemeines Zählprinzip, Fundamentalprinzip des Zählens, Multiplikationsregel)
Wenn k-Tupel (a1 , a2 , . . . , ak ) gebildet werden sollen, indem die k Plätze des Tupels nacheinander besetzt
werden, und wenn es für die Wahl von ai jeweils ji (i = 1, . . . , k) Möglichkeiten gibt, so gibt es insgesamt
j1 · j2 · . . . · jk verschiedene k-Tupel.
Beweis: Vollständige Induktion über k.
Bemerkung: Wichtig hierbei ist, dass die Plätze nacheinander besetzt werden und deswegen die Besetzung des i. Platzes möglicherweise die in die Rechnung eingehende Anzahl der Möglichkeiten für die
Besetzung des (i + 1). Platzes beeinflussen kann (Beispiele s.u.). Hierbei spielt die Reihenfolge als solche
oftmals keine Rolle, d. h. es sind für die Berechnung der Anzahl Möglichkeiten verschiedene Reihenfolgen
möglich, die aber letztlich stets zum gleichen Ergebnis führen.
Dieses Prinzip wird im Folgenden die Berechnungsgrundlage für die Anzahl Möglichkeiten in den einzelnen
speziellen Modelle bilden, so dass an dieser Stelle auf weitere Beispiele verzichtet wird.
6.2
Permutationen
Beispiel: Es wird ein 100-m-Lauf mit 12 Schülern durchgeführt. Die ersten drei Schüler erhalten eine
Urkunde. Wie viele verschiedene Verteilungen der Urkunden gibt es?
Offensichtlich gibt es für den 1. Platz 12 Möglichkeiten, für den 2. Platz 11 und für den 3. Platz 10
Möglichkeiten. Dann folgt aus dem allgemeinen Zählprinzip, dass es 12 · 11 · 10 = 1320 verschiedene
Verteilungen der Urkunden gibt.
In diesem Beispiel wurde die Anzahl der 3-Permutationen einer 12-Menge ohne Wiederholung gesucht.
Da es auf die Reihenfolge der Schüler ankommt, ist das verwendete mathematische Objekt ein Tupel, in
diesem Fall also ein 3-Tupel (bzw. Tripel).
Definition 1 Eine endliche Menge mit n Elementen heißt n-Menge.
Definition 2 Ein k-Tupel aus den Elementen einer n-elementigen Menge M heißt k-Permutation.
Falls die Elemente mehrmals auftreten dürfen, sprechen wir von einer k-Permutation mit Wiederholung.
Falls die Elemente höchstens einmal vorkommen dürfen (k ≤ n), sprechen wir von einer k-Permutation
ohne Wiederholung.
Statt n-Permutation ohne Wiederholung aus einer n-Menge sagt man vereinfacht Permutation.
Satz 2 Es gibt n! Permutationen der Elemente einer n-Menge.
Es gibt n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1) k-Permutationen ohne Wiederholung der Elemente einer n-Menge
(k ≤ n).
Es gibt nk k-Permutationen mit Wiederholung der Elemente einer n-Menge.
Beweis: Allgemeines Zählprinzip. Die erste Aussage ist ein Spezialfall der zweiten.
Beispiele: Die folgenden Beispiele können auch unmittelbar mit dem allgemeinen Zählprinzip bewältigt
werden!
1. Bei der 11er Wette im deutschen Fußball-Toto müssen die Ergebnisse von 11 Fußballspielen des
kommenden Wochenendes derart getippt werden, dass Unentschieden ( 0“), Heimsieg ( 1“) oder
”
”
Auswärtssieg ( 2“) korrekt vorhergesagt wird. Wie viele mögliche Elferwetten“ gibt es?
”
”
Es handelt sich um eine 11-Permutation mit Wiederholung aus einer 3-Menge. Demzufolge gibt es
311 Möglichkeiten.
2. Wie viele Möglichkeiten gibt es, 10 Bücher in ein Regal zu stellen?
Gesucht ist die Anzahl der Permutationen einer 10-Menge bzw. genauer die Anzahl der 10-Permutationen
ohne Wiederholung aus den Elementen einer 10-Menge. Also gibt es 10! Möglichkeiten.
6.3
Kombinationen
Während es bei Permutationen auf die Reihenfolge ankommt, ist dies bei Kombinationen nicht der Fall.
Beispiel: Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus 8 Schülern 3 auszuwählen?
Für die Auswahl des ersten Schülers gibt es 8 Möglichkeiten, für den 2. gibt es nur noch 7 und für den
dritten schließlich noch 6. Also gibt es – nach dem allgemeinen Zählprinzip und wie oben schon ausgeführt
– 8·7·6 3-Permutationen aus einer 8-Menge. Da in der Fragestellung jedoch die Reihenfolge nicht erwähnt
wird und daher keine Reihenfolge spielt, fallen alle Permutationen von drei gleichen Schülern zu einer
Kombination bzw. Auswahl zusammen. Also gibt es
8!
8
8·7·6
=
=
Kombinationen.
3
3·2·1
(8 − 3)! · 3!
Da die Binomialkoeffizienten hier nun also benötigt werden, sei ihre Definition an dieser Stelle noch einmal
in Erinnerung gerufen:
Definition 3 Für n, k ∈ N0 sind die Binomialkoeffizienten nk (lies: n über k oder k aus n) erklärt durch
(
n!
, falls k ≤ n
n
(n − k)! · k!
=
k
0,
falls k > n
Außerdem setzen wir folgende vorläufige Definition an:
Vorläufige Definition 4 Eine k-elementige Teilmenge einer n-Menge (k ≤ n) heißt k-Kombination
oder k-Auswahl ohne Wiederholung (aus) der n-Menge.
Dann gilt folgender
Satz 3 Es gibt nk verschiedene k-Auswahlen einer n-Menge.
Beweis: Allgemeines Zählprinzip.
Beispiel: Wie viele Möglichkeiten gibt es im Zahlenlotto 6 aus 49“?
”
Da die Zahlen zwar der Reihe nach gezogen werden, am Ende jedoch die
Reihenfolge keine Rolle spielt,
handelt es sich um eine 6-Auswahl aus einer 49-Menge. Also gibt es 49
6 = 13983816 Möglichkeiten.
Auch bei Kombinationen ist eine Fragestellung mit Wiederholung denkbar. Dann lässt sich die Kombination jedoch nicht mehr als Teilmenge der Ausgangsmenge deuten (da eine Menge jedes Element höchstens
einmal enthält).
Beispiel: Auf wie viele Möglichkeiten können sich 5 Vögel auf 3 Bäume setzen?
Es handelt sich hierbei um die Frage nach der Anzahl an 5-Auswahlen aus einer 3-Menge mit Wiederholung. Diese Auswahl stellt man sich am besten wiederum als ein Tupel vor, bei dem die einzelnen Elemente
(hier also die Bäume) jedoch angeordnet sind. Wenn wir die Bäume mit 1,2 und 3 durchnummerieren,
könnten sich die fünf Vögel also z.B. für die 5-Auswahl (1; 1; 2; 3; 3) entscheiden, oder für (1; 2; 2; 2; 2).
Keine neue Auswahl wäre jedoch (2; 3; 3; 1; 1). Denn obwohl dieses Tupel ein anderes ist als (1; 1; 2; 3; 3),
fallen die zugehörigen Auswahlen zusammen bzw. sind identisch.
Jede 5-Auswahl entspricht nun einer Anordnung von 5 Nullen und 2 Einsen, wobei die Nullen für die
Vögel und die Einsen für gedachte Zwischenräume zwischen den Bäumen stehen. Z. B. entspricht der
5-Auswahl (1; 1; 2; 3; 3) die Anordnung 0010100, der 5-Auswahl (1; 2; 2; 2; 2) entspricht 0100001. Da also
offensichtlich fünf Standorte für die fünf Nullen aus 7 möglichen ausgesucht
werden
müssen, entspricht
die Fragestellung einer 5-Auswahl aus einer 7-Menge. Es gibt also 75 = 5+3−1
Möglichkeiten.
5
Da wir auch hier von Kombinationen sprechen wollen, allerdings die Festlegung im Sinne einer Menge
nicht sinnvoll ist (s.o.), greifen wir wiederum auf Tupel zurück. Da jedoch die Reihenfolge keine Rolle
spielt, können wir (zumindest für reelle Zahlen als Einträge) so tun, als wären diese Einträge der Größe
nach geordnet; wir legen also eine Reihenfolge fest. Dann können wir wie folgt definieren.
Definition 4 Sei M eine n-Menge und M ⊆ R.
Ein k-Tupel (a1 ; a2 ; . . . ; ak ) mit Einträgen aus M mit a1 < a2 < . . . < ak heißt k-Kombination (kAuswahl) ohne Wiederholung aus M .
Ein k-Tupel (a1 ; a2 ; . . . ; ak ) mit Einträgen aus M mit a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ ak heißt k-Kombination (kAuswahl) mit Wiederholung aus M .
Bemerkung: 1. In vielen Fällen wird M = {1, 2, 3, . . . n} sein.
2. Für den Fall einer k-Auswahl ohne Wiederholung aus einer n-Menge muss natürlich auch hier k ≤ n
gelten.
3. Auch wenn gegenüber der vorläufigen Definition eine k-Kombination ohne Wiederholung nun ein Tupel
ist und keine Menge mehr, ist der Zusammenhang klar: Jede Menge kann eindeutig angeordnet werden,
so dass das entsprechende Tupel eindeutig beschrieben ist, und umgekehrt. Da es i.A. ohnehin nur auf die
Anzahl der k-Kombinationen ohne Wiederholung ankommt, ist nicht wichtig, ob wir darunter eine Menge
oder ein Tupel verstehen wollen. Zur Ermittlung der Anzahl der k-Kombinationen ohne Wiederholung
gilt also nach wie vor der letzte Satz.
Für die Anzahl der k-Kombinationen mit Wiederholung gibt der nächste Satz Auskunft.
Satz 4 Es gibt
n+k−1
k
k-Kombinationen mit Wiederholung einer n-Menge.
Beweis: Auf einen förmlichen Beweis wird verzichtet. Das Beispiel mit den Vögeln kann ohne Probleme
zum Beweis verallgemeinert werden.
6.4
Das Urnenmodell
Die insgesamt vier Fälle von Permutationen und Kombinationen jeweils ohne bzw. mit Wiederholung
lassen sich in einem anschaulichen Modell darstellen:
Gegeben ist eine Urne, die n unterscheidbare Kugeln enthält; der Einfachheit halber können wir diese
ansehen als fortlaufend von 1 bis n durchnummeriert. Aus dieser Urne wird zufällig k-mal eine Kugel
gezogen. Je nach den zusätzlichen Bedingungen dieses Ziehens und der Darstellung des Ergebnisses erhält
man die vier angesprochenen Fälle. So kann die gezogene Kugel nach jedem Ziehen wieder in die Urne
zurückgelegt werden oder nicht. Ersteres ermöglicht wiederholtes Auftreten einer Zahl, letzteres nicht.
Außerdem kann bei der Darstellung des Endergebnisses die Reihenfolge eine Rolle spielen oder nicht.
Im ersten Fall haben wir es mit Permutationen zu tun, im zweiten Fall mit Kombinationen, da dann
ja eine beliebige Reihenfolge, z.B. die ansteigende numerische Ordnung der einzelnen Kugeln, gewählt
werden kann. Mit diesen Überlegungen können wir unsere bisherigen Erkenntnisse in folgendem Satz
zusammenfassen.
Satz 5 Beim zufälligen k-maligen Ziehen einer Kugel aus einer Urne mit n Kugeln gilt für die Ergebnismenge Ω
Ziehen mit Zurücklegen Ziehen ohne Zurücklegen
mit Berücksichtigung der Reihenfolge
|Ω| = nk
|Ω| = n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
ohne Berücksichtigung der Reihenfolge |Ω| = n+k−1
|Ω| = nk
k
6.5
Weitere Beispiele
1. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass beim Skatspiel (32 Karten) der sogenannte Skat
aus 2 Kreuzkarten besteht?
B sei das Ereignis Im Skat liegen 2 Kreuzkarten“. Insgesamt gibt es |Ω| = 32
2 = 496 Möglichkeiten
”
für den Skat. Das Ereignis B kann sich auf |B| = 82 = 28 Möglichkeiten ergeben.
28
Also ist die Wahrscheinlichkeit für B gegeben durch P (B) = |B|
|Ω| = 496 ≈ 0,0565.
2. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Anordnung der Buchstaben M, I, I, I, I, S,
S, S, S, P und P das Wort MISSISSIPPI ergibt?
Wir verteilen nacheinander die Buchstaben M, I, S und P auf die vorhandenen 11 Plätze. Für M
muss ein Platz der anfänglichen 11 ausgewählt werden, für die vier I müssen 4 Plätze aus den
noch verbleibenden 10 gesucht werden. Für die vier S müssen vier Plätze aus den verbleibenden 6
ausgewählt werden. Die restlichen beiden Plätze werden mit P belegt. Es gibt also
11
10
6
2
|Ω| =
·
·
·
= 11 · 210 · 15 · 1 = 34650
1
4
4
2
verschiedene Wörter. Man überzeuge sich davon, dass eine andere Reihenfolge der Verteilung (zuerst
4 I, dann 4 S, dann 2 P o.ä.) am Ergebnis nichts ändert.
1
.
Also ergibt sich als Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A ( MISSISSIPPI“): P (A) = 34650
”
3. Beim Zahlenlotto 6 aus 49“ beobachtet man häufig, dass sich unter den sechs Gewinnzahlen min”
destens ein Zwilling, d. h. ein Paar (i, i + 1) befindet. Wie wahrscheinlich ist dies? (Hinweis: Gegenereignis betrachten!)
Das Gegenereignis ist das Auftreten einer zwillingsfreien 6-Kombination. Ein Trick führt hier
zum Ziel: Als Beispiel betrachten wir die zwillingsfreie 6-Kombination (3; 6; 10; 12; 37; 49). Diese
können wir zur Kombination (3; 5; 8; 9; 33; 44) zusammenziehen“, indem wir von jeder Zahl ih”
re Platznummer subtrahieren und 1 addieren. Allgemein wird also die zwillingsfreie Kombination
1 ≤ a1 < a2 < . . . < a6 ≤ 49 zur Kombination 1 ≤ b1 < b2 < . . . < b6 ≤ 44 durch bj = aj − j + 1
zusammengezogen. Die dabei entstehenden Kombinationen sind Kombinationen ohne Wiederholung der Menge {1, 2, 3, . . . , 44}, da die Ausgangskombinationen zwillingsfrei sind. Die gesuchte
(44
6)
Wahrscheinlichkeit ist also 1 − 49
= 0,495...
(6)
6.6
Übungen
1. Auf einer Party mit 9 Gästen gibt jeder jedem genau einmal die Hand. Wie viele Handschläge“
”
gibt es?
2. Auf wie viele Möglichkeiten können 10 Kleidungsstücke in 6 Schubladen einsortiert werden?
3. Auf wie viele verschiedenen Möglichkeiten können sich 4 Personen an einen Tisch mit 7 Stühlen
setzen?
4. Wie viele vierstellige natürliche Zahlen haben lauter verschiedene Ziffern?
5. Auf wie viele Arten können 3 Mathematik-, 4 Geschichts-, 3 Chemie- und 2 Erdkundebücher so in
einem Regal aufgestellt werden, dass Bücher eines Fachgebiets zusammen stehen?
6. Das Geburtstagsproblem: Sie befinden sich auf einer Party mit 15 Gästen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei der Anwesenden am gleichen Tag Geburtstag haben? (Hinweis: Machen Sie
eine vereinfachende Laplace-Annahme und betrachten Sie das Gegenereignis!)
Ab welcher Anzahl von Gästen können Sie vernünftigerweise (d. h. mit einer Gewinnchance von
mind. 50%) darauf wetten?
7. In einer grünen Urne befinden sich sechs rote und acht grüne Bälle. Fünf Bälle werden zufällig
herausgenommen und in eine rote Urne gelegt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Summe
aus der Zahl der roten Bälle in der grünen Urne und der Zahl der grünen Bälle in der roten Urne
keine Primzahl ist?
Hinweis: Betrachten sie die sechs verschiedenen Fälle des Kugeltransports von der gründen in die
rote Urne und finden Sie diejenigen, bei denen die genannte Summe nicht prim ist.
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