Differentialgeometrie I Prof. Dr. C.Böhm 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Mannigfaltigkeiten 1.1 Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Topologische Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . 1.4 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . 1.5 Differenzierbare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . 1.6 Untermannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Liegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Quotientenmannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . 1.9 Fundamentalgruppe topologischer Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 7 9 10 12 15 18 22 27 2 Vektorfelder und Tangentialbündel 2.1 Der Tangentialraum einer Mannigfaltigkeit 2.2 Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Fluß von Vektorfeldern . . . . . . . . . 2.4 Das Tangentialbündel . . . . . . . . . . . . 2.5 Vektorfelder und Derivationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 30 32 34 37 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Riemannsche Mannigfaltigkeiten 51 3.1 Riemannsche Metriken und Isometrien . . . . . . . . . . . . . 51 3.2 Riemannsche Abstandsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.3 Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4 Kovariante Ableitungen 4.1 Levi-Civita-Ableitung des Tangentialbündels . . . . . 4.2 Die Levi-Civita-Ableitung für Untermannigfaltigkeiten 4.3 Kovariante Ableitungen auf Vektorraumbündeln . . . 4.4 Kovariante Levi-Civita-Ableitung längs Kurven . . . . 4.5 Geodätische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Parallelverschiebung und Holonomie . . . . . . . . . . 4.7 Die Exponentialabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Der Satz von Hopf-Rinow . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Riemannsche Krümmungstensor Algebraische Eigenschaften des Krümmungstensors Krümmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krümmung Riemannscher Untermannigfaltigkeiten Der Satz von Gauß-Bonnet . . . . . . . . . . . . . Die Index-Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jacobi-Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Satz von Hadamard-Cartan . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 63 66 69 72 75 79 82 88 . . . . . . . 91 91 94 97 102 108 115 120 4 1 Mannigfaltigkeiten Wir werden den aus der Analysis bekannten Begriff der differenzierbaren ” Funktion zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räume“ verallgemeinern und differenzierbare Funktionen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten betrachten. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten ( höher-dimensionale ” Flächen“) sind topologische Räume, welche lokal euklidisch sind und gewissen weiteren Bedingungen genügen. Diese Flächen spielen in der Mathematik, aber auch in der Physik ein wichtige Rolle, etwa in der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. 1.1 Topologische Räume In diesem Abschnitt verallgemeinern wir den Begriff der stetigen Abbildung ” zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räume“ (siehe z.B. [Bred]). Definition 1.1.1 Sei X eine Menge. Ein Mengensystem τ ⊂ P(X) der Potenzmenge P (X) von X heißt Topologie auf X, falls gilt: (1) ∅, X ∈ τ . (2) U, V ∈ τ ⇒ U ∩ V ∈ τ . S (3) Ui ∈ τ, i ∈ I ⇒ i∈I Ui ∈ τ . Das Paar (X, τ ) heißt topologischer Raum. Ist klar, welche Topologie auf X betrachtet wird, so nennt man auch einfach X topologischen Raum. Eine Menge U ⊂ X heißt offen in (X, τ ), falls U ∈ τ ist, abgeschlossen, falls X\U ∈ τ . Beispiele: • (X, τ ) mit τ = {∅, X} triviale Topologie“. ” • (X, τ ) mit τ = P(X) diskrete Topologie“. ” • Ist (X, τ ) topologischer Raum und A ⊂ X, so ist auch (A, τA ) mit τA := {A ∩ U | U ∈ τ } topologischer Raum. Man nennt τA die Spurtopologie“ auf A. ” • Ist (X, τ ) topologischer Raum, Y Menge und f : X → Y surjektiv, so ist auch (Y, τf ) topologischer Raum mit τf := {V ⊂ Y | f −1 (V ) ∈ τ } . Man nennt τf auch Quotiententopologie“. ” Definition 1.1.2 Seien (X, τ ), (Y, τ̂ ) topologische Räume und f : X → Y eine Funktion. Dann heißt f stetig, falls gilt: f −1 (V ) ∈ τ für alle V ∈ τ̂ . 5 Eine bijektive Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, falls f und f −1 stetig sind. In diesem Fall nennt man X und Y homöomorph. Definition 1.1.3 Sei (X, τ ) topologischer Raum. Man nennt ein Mengensystem B ⊂ P(X) eine Basis von τ , falls die offenen Mengen in X genau die Vereinigungen von Mengen in B sind. Eine Teilmenge U ⊂ X ist also genau dann offen, wenn U = Bi ∈ B. Insbesondere gilt B ⊂ τ . S i∈I Bi mit Beispiel: Es bezeichne τ n die Standardtopologie auf Rn . Dann ist B = {Bε (x) | ε > 0, x ∈ Rn } Basis von τ n . Sei (X, τ ) topologischer Raum und x ∈ X. Eine Menge V ⊂ X nennt man Umgebung von x, falls eine offene Teilmenge U ⊂ V existiert mit x ∈ U . Der topologische Raum (X, τ ) erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom, falls für jeden Punkt x ∈ X eine abzählbare Umgebungsbasis existiert. Ein topologischer Raum (X, τ ) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, falls die Topologie τ eine abzählbare Basis besitzt. Beispiel: (Rn , τ n ) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom. Eine abzählbare Basis ist gegeben durch B̃ = {Bε (x) | ε ∈ Q, x ∈ Qn }. Definition 1.1.4 Ein topologischer Raum (X, τ ) heißt Hausdorffsch, falls für alle p, q ∈ X, p 6= q, offene Umgebungen U von p und V von q existieren mit U ∩ V = ∅. Bezüglich weiterer Trennungsaxiome in topologischen Räumen verweisen wir auf [Bred]. Definition 1.1.5 Ein topologischer Raum (X, τ ) heißt kompakt, falls jede offene Überdeckung {Ui }i∈I von X eine endliche Teilüberdeckung {Uj }j∈J besitzt. Beispiel: Sei A ⊂ Rn und τAn die von der Standardtopologie τ n des Rn induzierte Topologie auf A. Dann ist nach dem Satz von Heine-Borel (A, τAn ) genau dann kompakt, wenn A abgeschlossen und beschränkt ist. Eine Teilmenge K eines topologischen Raumes (X, τ ) nennt man kompakt, falls K, versehen mit der Spurtopologie τK , kompakter topologischer Raum ist. Dies ist äquivalent dazu, daß S zu jeder offenen Überdeckung {Ui }i∈I von K in (X, τ ), d.h. Ui ∈ τ , K ⊂ i∈I Ui , eine endliche Teilüberdeckung von K existiert. Definition 1.1.6 Ein topologischer Raum (X, τ ) heißt zusammenhängend, falls keine offenen Mengen ∅ ( U, Ũ ( X existieren mit U ∪ Ũ = X und U ∩ Ũ = ∅ . 6 Ein topologischer Raum (X, τ ) heißt wegzusammenhängend, falls zu je zwei 1 ) → (X, τ ) existiert mit Punkten x, y ∈ X ein stetiger Weg γ : ([0, 1], τ[0,1] γ(0) = x und γ(1) = y. Wegzusammenhängende topologische Räume sind zusammenhängend. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht wie das Beispiel (A, τA2 ) mit o n 1 | x ∈ (0, 1] ∪ (0, y) | y ∈ [−1, 1] A = (x, sin x zeigt. 1.2 Metrische Räume In diesem Abschnitt betrachten wir topologische Räume, in welchen es möglich ist, den Abstand zwischen zwei Punkten zu messen. Definition 1.2.1 Ein metrischer Raum ist eine Menge X zusammen mit einer Funktion d : X × X → R, so daß für alle x, y, z ∈ X gilt: (1) d(x, y) ≥ 0 (und d(x, y) = 0 ⇔ x = y). (2) d(x, y) = d(y, x). (3) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z). Beispiel: Ist (V, k·k) normierter reeller Vektorraum, so ist d(x, y) := kx − yk eine Metrik auf V . Definition 1.2.2 Sei (X, d) metrischer Raum, x ∈ X und ε > 0. Dann nennt man Bεd (x) := {y ∈ X | d(x, y) < ε} den (offenen) ε-Ball um x. Ist klar welche Metrik auf X betrachtet wird, so schreibt man auch einfach Bε (x) anstelle von Bεd (x). Lemma 1.2.3 Sei (X, d) metrischer Raum. Dann ist τd := {U ⊂ X | ∀ u ∈ U ∃ εu > 0 : Bεu (u) ⊂ U } eine Topologie auf X und (X, τd ) topologischer Hausdorffraum. Insbesondere ist B = {Bε (x) | ε > 0, x ∈ X} eine Basis von τ . 7 Wir bemerken, daß metrische Räume existieren, welche das zweite Abzählbarkeitsaxiom nicht erfüllen: Ein konkretes Beispiel ist gegeben durch X ⊂ R überabzählbar versehen mit der diskreten Metrik d(x, y) := n 0 , falls x = y . 1 , falls x = 6 y Eine Folge (xn )n∈N in (X, d) heißt konvergent gegen x ∈ X, falls für alle ε > 0 ein Nε ∈ N existiert, so daß für alle n ≥ Nε gilt: d(xn , x) < ε. Ferner nennt man eine Folge (xn )n∈N in (X, d) Cauchyfolge, falls für alle ε > 0 ein Nε ∈ N existiert, so daß für alle n, m ≥ Nε gilt: d(xn , xm ) < ε. Ein metrischer Raum (X, d) heißt vollständig, falls jede Cauchyfolge in (X, d) konvergiert. Beispiele: • (Rn , k·k) ist vollständig. • Der Funktionenraum C 0 ([a, b]) := {f : [a, b] → R | f stetig} versehen mit der Supremumsnorm kf k∞ := sup{|f (x)| | x ∈ [a, b]} ist vollständig. Ein metrischer Raum (X, d) heißt total beschränkt, falls für alle ε > 0 der metrische Raum X durch endlich viele ε-Bälle überdeckt werden kann. Satz 1.2.4 Sei (X, d) metrischer Raum. Dann sind äquivalent: (1) X ist kompakt. (2) Jede Folge in X besitzt eine konvergente Teilfolge. (3) X ist vollständig und total beschränkt. Beweis. [Bred], Seite 25. Lemma 1.2.5 Seien (X, d), (Y, d0 ) metrische Räume. Dann ist f : X → Y genau dann stetig, falls für alle x ∈ X und ε > 0 ein δx, ε > 0 existiert mit: d(x, x̃) < δx, ε ⇒ d0 (f (x), f (x̃) < ε . Beweis. Zu ⇐“: Sei V ⊂ Y offen und U := f −1 (V ) ⊂ X. Sei x ∈ U . ” Dann gilt f (x) ∈ V . Da V offen ist, existiert ε > 0 mit Bε (f (x)) ⊂ V . Nach Voraussetzung existiert δ > 0 mit Bδ (x) ⊂ U . Also ist U offen. Zu ⇒“: Sei x ∈ X und ε > 0. Nach Voraussetzung ist f −1 (Bε (f (x))) 3 x ” offen. Dann existiert δ > 0 mit Bδ (x) ⊂ f −1 (Bε (f (x))). Gilt also d(x, x̃) < δ, so folgt d0 (f (x), f (x̃)) < ε. Eine bijektive Abbildung f : (X, d) → (Y, d0 ) heißt Isometrie, falls f und Abstände erhalten. Nach Lemma 1.2.5 sind Isometrien Homöomorphismen. f −1 8 Bemerkung: Es ist möglich auf dem Raum der kompakten metrischen Räume eine Metrik zu definieren, die Gromov-Hausdorff Metrik. Mit Hilfe dieser Metrik kann dann definiert werden, wann eine Folge von kompakten metrischen Räumen (Xi , di )i∈N in Gromov-Hausdorff-Topologie gegen einen kompakten metrischen Raum (X∞ , d∞ ) konvergiert. Für große i ∈ N sind also die Räume (Xi , di ) und (X∞ , d∞ ) fast isometrisch“. Einfache Gegenbei” spiel zeigen aber, dass im Allgemeinen die metrischen Räume (Xi , di ) und (X∞ , d∞ ) auch für große i ∈ N nicht homöomorph sein müssen. Wir notieren nun einige elementare Eigenschaften metrischer Räume, welche später benötigt werden: • Sind (X, d), (Y, d0 ) metrische Räume, so auch X × Y versehen mit der Produktmetrik (d × d0 )((x1 , y1 ), (x2 , y2 )) := d(x1 , x2 ) + d0 (y1 , y2 ). • Ist (X, d) metrischer Raum, so ist d : (X × X, d × d) → R stetig. • Ist (X, d) metrischer Raum und K kompakte Teilmenge von X, so nimmt für alle x ∈ X die Funktion fx : K → R ; q 7→ d(x, q) ihr Minimum (und ihr Maximum) an. • Ist (X, d) metrischer Raum und (xi )i∈N Cauchyfolge in X, so existiert R > 0, so daß für alle i ∈ N gilt: xi ∈ BR (x1 ) . Aus der Dreiecksungleichung folgt d(x1 , xi ) ≤ d(x1 , xj ) + d(xj , xi ) und d(x1 , xj ) ≤ d(x1 , xi ) + d(xi , xj ). Wir erhalten |d(p1 , pi ) − d(p1 , pj )| ≤ d(pi , pj ). Die reelle Folge (d(p1 , pi ))i∈N ist also Cauchyfolge in R und somit beschränkt. 1.3 Topologische Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt betrachten wir topologische Räume, welche lokal-euklidisch sind. Dies führt uns dann direkt zum Begriff der topologischen Mannigfaltigkeit. Definition 1.3.1 Sei n ∈ N. Einen topologischen Raum (M, τ ) nennt man lokal homöomorph zu Rn , falls für alle p ∈ M eine offene Umgebung U von p existiert und ein Homöomorphismus x : U → V ⊆ Rn . Das Paar (U, x) nennt man Karte (um p) und U Kartenumgebung (von p). Die Abbildung ϕ := x−1 : V → U nennt man Parametrisierung. Definition 1.3.2 Eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit ist ein topologischer Raum (M, τ ) mit folgenden Eigenschaften: 9 (1) M ist lokal homöomorph zu Rn . (2) M ist Hausdorffsch. (3) M erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom. Die Dimension von Mannigfaltigkeiten ist wohldefiniert, da zwischen offenen Teilmengen des Rm und offenen Teilmengen des Rn keine Homöomorphismen existieren für m 6= n ( Satz von der Gebietstreue“). Ferner ” sind topologische Mannigfaltigkeiten genau dann zusammenhängend, wenn sie wegzusammenhängend sind. Aus Bedingung (3) in obiger Definition folgt, dass topologische Mannigfaltigkeiten höchstens abzählbar viele Zusammenhangskomponenten besitzen. Beispiele für topologische Mannigfaltigkeiten: • Die Vereinigung von endlich oder abzählbar vielen Punkten ist eine null-dimensionale Mannigfaltigkeit. • Der Graph stetiger Funktionen f : Rn → R: M n = (u, v) ∈ Rn+1 | u ∈ Rn , v = f (u) n+1 n+1 ist eine n-dimensionale versehen mit der Spurtopologie τM n des R Mannigfaltigkeit. • Die n-dimensionalen Sphären S n = x ∈ Rn+1 | kxk = 1 . • Sind M, N topologische Mannigfaltigkeiten, so auch M × N . • Die Menge X = (x, y) ∈ R2 | (x − 1) · (x − y) = 0 versehen mit der 2 ist keine Mannigfaltigkeit. Spurtopologie τX • Wegzusammenhängende, kompakte Mannigfaltigkeiten der Dimension n zu klassifizieren ist relativ leicht möglich für n = 0, 1, 2. In Dimensionen n = 3 ist aber schon die Klassifikation von einfach zusammenhängenden kompakten Mannigfaltigkeiten extrem schwierig. Dies gelang erst Perelman im Jahre 2003 mit Hilfe differentialgeometrischer und analytischer Methoden. 1.4 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Sei im Folgenden (M, τ ) topologischer Hausdorffraum, welcher lokal homöomorph zu Rn ist. Definition 1.4.1 Seien (U, x), (Ũ , x̃) Karten in M mit U ∩ Ũ 6= ∅. Dann nennt man den Homöomorphismus x̃ ◦ x−1 : x(U ∩ Ũ ) → x̃(U ∩ Ũ ) zwischen den offenen Teilmengen x(U ∩ Ũ ) und x̃(U ∩ Ũ ) des Rn einen Kartenwechsel. 10 Definition 1.4.2 Sei r ∈ N ∪ {∞}. Man nennt Karten (U, x), (Ũ , x̃) C r verträglich, falls entweder U ∩ Ũ = ∅ ist oder der Kartenwechsel x̃ ◦ x−1 ein C r -Diffeomorphismus ist. Ist der Kartenwechsel x̃ ◦ x−1 C r -Diffeomorphismus, so auch x ◦ x̃−1 . Definition 1.4.3 SEine Familie a = (Uα , xα )α∈I von Karten heißt C r -Atlas von M , falls M S = α∈I Uα gilt und alle Karten C r -verträglich sind. Ist I 0 ⊆ I und gilt M = α∈I 0 Uα , so nennt man (Uα , xα )α∈I 0 einen Teilatlas von a. Einen C r -Atlas â = (Uα , xα )α∈I von M nennt man maximal, falls jede mit â C r -verträgliche Karte schon in â enthalten ist. Jeder C r -Atlas a in genau einem maximalen C r -Atlas â enthalten ist, nämlich in â := {(U, x) | (U, x) ist mit a C r -verträgliche Karte} . Definition 1.4.4 Sei r ∈ N ∪ {∞}. Eine C r -Mannigfaltigkeit (M, â) ist eine topologische Mannigfaltigkeit (M, τ ) zusammen mit einem maximalen C r -Atlas â von M . Wir werden später viele Beispiele von C ∞ -Mannigfaltigkeiten angeben. Jetzt erwähnen wir nur, dass offene Teilmengen differenzierbarer Mannigfaltigkeiten selbst wieder differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind. Lemma 1.4.5 Sei r ∈ N ∪ {∞} und M eine n-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit mit maximalem C r -Atlas â = (Uα , xα )α∈I . Dann besitzt â einen abzählbaren Teilatlas. Beweis. Sei p ∈ M . Da (M, τ ) topologische Mannigfaltigkeit ist, existiert einerseits eine Karte (U, x) um p, andererseits besitzt die Topologie τ eine abzählbareSBasis B = {Bα }α∈N . Es existiert also eine Teilmenge IU ⊂ N mit U = α∈IU Bα , und somit αp ∈ IU ⊂ N mit p ∈ Bαp ⊂ U . Nun ist (Bαp , x|Bαp ) Karte von M um p, welche C r -verträglich mit allen anderen Karten aus â ist. Da p beliebig gewählt war, folgt die Behauptung. Folgende Umkehrung obigen Lemmas ist ebenfalls richtig. Lemma 1.4.6 Sei r ∈ N ∪ {∞} und (M, τ ) topologischer Raum mit: (1) M ist lokal homöomorph zu Rn . (2) M ist Hausdorffsch. (3) M besitzt einen abzählbaren C r -Atlas a = (Uα , xα )α∈N . Dann ist (M, â) eine differenzierbare C r -Mannigfaltigkeit, wobei â den maximalen C r -Atlas auf M bezeichnet, welcher a als Teilatlas enthält. 11 Beweis. Zu zeigen ist nur, dass (M, τ ) dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom genügt. Für α ∈ N setzen wir Vα := xα (Uα ) ⊂ Rn offen. Dann ist Vα abzählbare Vereinigung offener Bälle Bεq (q) ⊂ Vα mit q ∈ Qn und εq ∈ Q. Wir zeigen nun, dass n B := x−1 α (Bεq (q)) | q ∈ Q , εq ∈ Q , Bεq (q) ⊂ Vα , α ∈ N eine abzählbare Basis von τ ist. Denn ist U ⊂ M offen, so gilt [ [ [ U =U ∩M =U ∩ Uα = U ∩ Uα = x−1 α (xα (U ∩ Uα )) . α∈N α∈N α∈N Da xα (U ∩ Uα ) ⊂ Vα ⊂ Rn abzählbare Vereinigung offener Bälle Bεq (q) ist mit q ∈ Qn , εq ∈ Q, folgt die Behauptung. Für kompakte Mannigfaltigkeiten kann man sogar einen endlichen Teilatlas wählen. Die minimale Anzahl der hierzu nötigen Karten zu bestimmen ist aber nicht einfach. 1.5 Differenzierbare Abbildungen Im Folgenden beschränken wir uns darauf, differenzierbare C ∞ -Mannigfaltigkeiten (M n , â) zu betrachten, und nennen solche Mannigfaltigkeiten einfach differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Für die differenzierbare Mannigfaltigkeit Rn betrachten wir den maximalen C ∞ -Atlas ân , welcher die Karte (Rn , id) enthält. Definition 1.5.1 Eine Abbildung f : M → N zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten heißt differenzierbar, falls für alle p ∈ M eine Karte (U, x) um p in M und eine Karte (V, y) um f (p) in N existiert, so dass gilt: 1. f (U ) ⊆ V . 2. Die Abbildung y ◦ f ◦ x−1 : x(U ) → y(V ) zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räume ist unendlich oft differenzierbar. Ist V ⊂ Rn offen, W ⊂ Rm offen und f : V → W eine Abbildung, so ist f unendlich oft differenzierbar, falls f unendlich oft stetig partiell differenzierbar ist. Das Differential Dfv : Rn → Rm in einem Punkt v ∈ V ∂fi ist dabei gegeben durch die Jacobimatrix ∂x (v) 1≤i≤m, 1≤j≤n von f in v. j Bemerkungen: • Differenzierbare Abbildungen sind stetig, denn es gilt: f |U = y −1 ◦ (y ◦ f ◦ x−1 ) ◦ x . 12 • Sind (Ũ , x̃), (Ṽ , ỹ) beliebige Karten um p beziehungweise f (p) mit f (Ũ ) ⊂ Ṽ , so ist auch ỹ ◦ f ◦ x̃−1 : x̃(Ũ ) → ỹ(Ṽ ) eine C ∞ -Abbildung: Da f differenzierbar ist, existieren Karten (U, x), (V, y) um p bzw. f (p), so dass Bedingung (1) und (2) aus Definition 1.5.1 erfüllt sind. Es folgt: ỹ ◦ f ◦ x̃−1 |x̃(Ũ ∩U ) = (ỹ ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ f ◦ x−1 ) ◦ (x ◦ x̃−1 ) . Daher ist ỹ ◦ f ◦ x−1 in einer Umgebung von x̃(p) differenzierbar. • Ist f : M → N differenzierbare Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M und N , so ist auch für jede offene Teilmenge U ⊂ M die Einschränkung f |U : U → N von f auf U differenzierbar. • Die Identität id : M → M ist differenzierbar. • Eine Abbildung f : (Rn , ân ) → (Rm , âm ) zwischen den differenzierbaren Mannigfaltigkeiten (Rn , ân ) und (Rm , âm ) ist differenzierbar genau dann, wenn die Abbildung n m idRm ◦ f ◦ id−1 Rn : R → R differenzierbar ist (als Abbildung zwischen Rn und Rm ). Lemma 1.5.2 Sind f : M → N , g : N → P differenzierbare Abbildungen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M, N, P , so ist auch die Komposition g ◦ f : M → P differenzierbar. Beweis. Sei p ∈ M und (W, z) Karte von P um g(f (p)). Da f und g stetig sind, gilt: (1) g −1 (W ) ist offene Umgebung von f (p). Wir wählen eine Karte (V, y) um f (p) in N mit V ⊂ g −1 (W ) (⇔ g(V ) ⊂ W ). (2) f −1 (V ) ist offene Umgebung von p in M . Wir wählen eine Karte (U, x) um p mit U ⊂ f −1 (V ). Dann gilt (g ◦ f )(U ) ⊂ W und z ◦ (g ◦ f ) ◦ x−1 = (z ◦ g ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ f ◦ x−1 ) ist differenzierbar als Komposition differenzierbarer Abbildungen. Da p beliebig gewählt war, folgt die Behauptung. 13 Definition 1.5.3 Eine Abbildung f : M → N zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten heißt Diffeomorphismus, falls f bijektiv ist und f und f −1 differenzierbar sind. Existiert ein Diffeomorphismus zwischen M und N , so nennt man M und N diffeomorph. Beispiele für Diffeomorphismen: • Ist (M, â) differenzierbare Mannigfaltigkeit mit maximalem Atlas â = (Uα , xα )α∈I , so ist jede Karte xα : Uα → xα (Uα ) = Vα ⊆ Rn ein Diffeomorphismus. • Die Identität id : M → M ist ein Diffeomorphismus. • Ist f : M → N Diffeomorphismus, so auch f −1 : N → M . • Sind f : M → N und g : N → P Diffeomorphismen, so ist auch g ◦ f : M → P ein Diffeomorphismus. Damit ist die Diffeomorphie eine Äquivalenzrelation auf der Menge der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Man beachte jedoch: • Auf einer topologischen Mannigfaltigkeit M können nicht-verträgliche maximale C ∞ -Atlanten â1 , â2 existieren, so dass die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten (M, â1 ) und (M, â2 ) diffeomorph sind. • Auf manchen topologischen Mannigfaltigkeiten existieren maximale C ∞ -Atlanten, die nicht zueinander diffeomorph sind. Man spricht dann auch von verschiedenen differenzierbaren Strukturen“. ” • Zum Beispiel existieren auf S 7 28 verschiedene differenzierbare Strukturen, gegeben durch die gewöhnliche S 7 ⊆ R8 und durch 27 weitere exotische Strukturen“ (John Milnor). Diese 28 Sphären Σ7k , k = ” 1, ..., 28, können nach Brieskorn explizit durch folgende Gleichungen für (z1 , ..., z5 ) ∈ C5 = R10 beschrieben werden: z12 + z22 + z32 + z43 + z56k−1 = 0 |z1 |2 + |z2 |2 + |z3 |2 + |z4 |2 + |z5 |2 = 1 . Ähnlich lassen sich auch beliebig hoch-dimensionale exotische Sphären beschreiben, z.B. wird durch die Gleichungen 2 z12 + · · · + zn−1 + zn3 = 0 |z1 |2 + · · · + |zn |2 = 1 . für n ≡ 2 mod 4, n ≥ 6, nach Hirzebruch eine exotische Sphäre der Dimension (2n − 3) beschrieben. 14 • Auf S 1 , S 2 und S 3 existiert genau eine differenzierbare Struktur, auf S 4 ist die Anzahl der differenzierbaren Strukturen nicht bekannt. Die folgende Tabelle gibt die Anzahl der differenzierbaren Strukturen auf S n an für n = 5, ..., 18: n 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 # 1 1 28 2 8 6 992 1 3 2 16256 2 16 16 • Auf Rn , n 6= 4, existiert genau eine differenzierbare Struktur. Auf R4 existieren überabzählbar viele differenzierbare Strukturen. • Ab Dimension 4 existieren topologische Mannigfaltigkeiten, die keinen differenzierbaren C ∞ -Atlas zulassen, also keine differenzierbare Struktur besitzen. • Besitzt eine Mannigfaltigkeit einen C 1 -Atlas, so auch einen C ∞ -Atlas. 1.6 Untermannigfaltigkeiten Wir kommen nun zu einer großen Beispielklasse differenzierbarer Mannigfaltigkeiten, den Untermannigfaltigkeiten euklidischer Räume. Tatsächlich kann man zeigen, dass jede differenzierbare Mannigfaltigkeit diffeomorph zu einer Untermannigfaltigkeit eines euklidischen Raumes ist ( Einbettungssatz ” von Whitney“). Definition 1.6.1 Seien n, k ∈ N0 und sei V ⊂ Rn offen. Eine C ∞ -Abbildung f : V → Rn+k heißt (1) Immersion, falls für alle v ∈ V das Differential Dfv : Rn → Rn+k injektiv ist, d.h. Rang(Dfv ) = n für alle v aus V gilt. (2) Einbettung, falls f injektive Immersion ist und n f −1 : f (V ), τfn+k (V ) → (V, τV ) stetig ist. Wir erinnern daran, dass die lineare Abbildung Dfv durch die Jacon bimatrix von f in v gegeben ist. Ist f Einbettung, so ist f : (V, τV ) → n+k f (V ), τf (V ) Homöomorphismus. Man beachte jedoch, dass nicht jede injektive Immersion eine Einbettung ist. Definition 1.6.2 Eine Teilmenge M n ⊂ Rn+k heißt n-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn+k , falls für alle p ∈ M n eine offene Umgebung Û von p in Rn+k existiert, so dass Û ∩ M n das Bild einer Einbettung f : V → Rn+k ist, d.h. f (V ) = M n ∩ Û . Man nennt f lokale Parametrisierung von M n . Beispiele für Untermannigfaltigkeiten: 15 • Graphen von C ∞ -Funktionen h : Rn → R: M n = {(u, v) ∈ Rn × R | u ∈ Rn , v = h(u)} Setze f : Rn → Rn+1 ; u 7→ (u, h(u)). Dann ist f eine C ∞ -Funktion und f : Rn → M n Homöomorphismus. • Reguläre Urbilder: Sei g : Rm+k → Rm differenzierbar und y ∈ Bild(g) regulärer Wert, d.h. für alle x ∈ g −1 (y) gelte Rang(Dgx ) = m. Dann ist M k := g −1 (y) k-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rm+k ( Satz vom regulären ” Urbild“, siehe [Fors]). Beispiel hierfür: S n = x ∈ Rn+1 | kxk0 = 1 . Denn S n = g −1 (1) für g : Rn+1 → R ; x 7→ kxk20 . Für alle x0 ∈ S n gilt: Dgx0 = 2 · xT 0 6= 0. Mit Methoden der algebraischen Topologie kann man zeigen, dass nicht jede Untermannigfaltigkeit von Rn+k als reguläres Urbild realisiert werden kann (siehe [MiSt]). Satz 1.6.3 Sei M n eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn+k. Dann ist M n eine differenzierbare n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Beweis. Die Teilmenge M n ⊂ Rn+k versehen mit der Spurtopologie ist topologischer Hausdorffraum und genügt dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom. Ferner ist M n lokal homöomorph zu Rn mit Karten (U, x) = (f (V ), f −1 ) für jede lokale Parametrisierung f : V → Rn+k . Es bleibt zu zeigen, dass Kartenwechsel x ◦ x̃−1 : x̃(U ∩ Ũ ) → x(U ∩ Ũ ) differenzierbar sind für Karten (U, x), (Ũ , x̃) um p, gegeben durch Einbettungen f : V → U , f˜ : Ṽ → Ũ . Da x̃−1 = f˜ : Ṽ → Rn+k differenzierbar ist, genügt es zu zeigen, dass x = f −1 : U → V ⊂ Rn (lokal) zu einer differenzierbaren Abbildung fortgesetzt werden kann. Sei q = f (v) ∈ f (V ). Da f nach Voraussetzung Immersion ist, sind die n Vektoren Dfv · e1 , . . . , Dfv · en ∈ Rn+k linear unabhängig, können also zu einer Basis (Dfv · e1 , . . . , Dfv · en , w1 , ..., wk ) ergänzt werden. Die invertierbare Matrix A = (Dfv · e1 , . . . , Dfv · en , w1 , . . . , wk ) 16 ist die Jacobimatrix der differenzierbaren Abbildung k X F : V × Rk → Rn+k ; (v, α) 7→ f (v) + αi · wi i=1 im Punkt (v, 0). Nach dem inversen Funktionensatz ist F Diffeomorphismus nahe (v, 0), d.h. es existiert eine offene Umgebung V 0 ⊂ V ⊂ Rn von v, ε > 0 und eine offene Umgebung Û 0 ⊂ Rn+k von f (v), so dass F 0 := F |V 0 ×(−ε,ε)k : V 0 × (−ε, ε)k → Û 0 Diffeomorphismus ist. Da f : V → f (V ) Homöomorphismus ist, dürfen wir annehmen, dass f (V 0 ) = F (V 0 × {0}) = M ∩ Û 0 gilt. Wir setzen G = (F 0 )−1 : Û 0 → V 0 × (−ε, ε)k ; û 7→ (G1 , . . . , Gn , Gn+1 , . . . , Gn+k )(û) mit Gi : Û 0 → R differenzierbar, 1 ≤ i ≤ n + k. Sei nun q 0 ∈ f (V 0 ), etwa q 0 = f (v 0 ) = F 0 (v 0 , 0). Dann folgt (v 0 , 0) = G(q 0 ) und wir erhalten f −1 (q 0 ) = v 0 = (G1 , . . . , Gn )(q 0 ) . Also ist (G1 , . . . , Gn ) : Û 0 → Rn differenzierbare Fortsetzung von f −1 = x nahe q ∈ f (V ). Für eine Untermannigfaltigkeit M n im Rn+k bezeichnen wir mit ân+k Mn den durch obigen Satz bestimmten maximalen C ∞ -Atlas auf M n . Korollar 1.6.4 Sind M n ⊂ Rn+k , N m ⊂ Rm+l Untermannigfaltigkeiten und ist H : Rn+k → Rm+l eine differenzierbare Abbildung mit H(M n ) ⊂ N m , so ist auch die Einschränkung n+k m m+l h = H|M n : (M n , âM , âN m ) n ) → (N differenzierbar. Beweis. Sei p ∈ M n und (V, y) Karte in N m um h(p), gegeben durch eine lokale Parametrisierung g. Da V ⊂ N m offen ist, gilt V = V̂ ∩ N m mit V̂ ⊂ Rm+l offen. Aus der Stetigkeit von H folgt, dass eine offene Umgebung Û ⊂ Rn+k um p existiert mit H(Û ) ⊂ V̂ . Daher existiert eine offene Kartenumgebung U von p in M n mit h(U ) ⊂ V und eine Karte x von M n um p, gegeben durch eine lokale Parametrisierung f = x−1 . Es bleibt zu zeigen, dass y ◦ h ◦ x−1 : x(U ) → y(V ) differenzierbar ist. Lokal gilt y ◦ h ◦ x−1 = Y ◦ H ◦ f , wobei Y (lokale) differenzierbare Fortsetzung von y = g −1 ist (siehe Satz 1.6.3). Damit folgt die Behauptung. 17 Umgekehrt kann man zeigen, dass eine differenzierbare Abbildung m m+l h : (M n , ân+k M n ) → (N , âN m ) (lokal) zu einer differenzierbaren Abbildung H : V̂ → Ŵ fortgesetzt werden kann, V̂ ⊂ Rn+k , Ŵ ⊂ Rm+l offen. Abschließend behandeln wir Untermannigfaltigkeiten abstrakter Mannigfaltigkeiten. Hierzu ist es hilfreich Untermannigfaltigkeiten offener Teilmengen V̂ des Rn+k einzuführen. Dies geschieht wie in Definition 1.6.2. Definition 1.6.5 Sei (Ln+k , â) eine (n + k)-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Teilmenge M n ⊂ Ln+k nennt man n-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Ln+k , falls für alle p ∈ M n eine Karte (U, x) um p existiert, so dass x(U ∩ M n ) eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit von x(U ) ist. Man beachte, dass x(U ) offene Teilmenge des Rn+k ist. Ferner zeigt man leicht, dass für alle Karten (Ũ , x̃) um p die Menge x̃(M n ∩ Ũ ) Untermannigfaltigkeit von x̃(Ũ ) ist. Aus Satz 1.6.3 folgt nun: Satz 1.6.6 Sei M n eine Untermannigfaltigkeit von (Ln+k, â) der Dimension n. Dann ist M n eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Für eine Untermannigfaltigkeit M n von (Ln+k , â) bezeichnen wir mit âM n den durch obigen Satz bestimmten maximalen C ∞ -Atlas auf M n . 1.7 Liegruppen Definition 1.7.1 Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit G nennt man Liegruppe, falls G eine Gruppe ist und die Abbildungen · : G × G → G ; (a, b) 7→ a · b : G → G ; a 7→ a−1 −1 differenzierbar sind. Bemerkung: Die Zusammenhangskomponente G0 von G, welche das neutrale Element e ∈ G enthält, ist auch eine Liegruppe. Ferner besitzen Liegruppen höchstens abzählbar viele Zusammenhangskomponenten, welche alle diffeomorph zu G0 sind. Beispiel: Die orthogonale Gruppe O(n) := A ∈ M at(n, R) | A · AT = I 2 ist 21 n(n − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn = M at(n, R). Wir betrachten die differenzierbare Abbildung 1 g : M at(n, R) → Sym(n, R) ∼ = R 2 n(n+1) ; X 7→ X · X T 18 mit Sym(n, R) = {A ∈ M at(n, R) | A = AT }. Es gilt O(n) = g −1 (I) und nach dem Satz vom regulären Urbild ist für alle A ∈ O(n) zu zeigen, dass Rang(DgA ) = 12 n(n + 1) gilt. Dies ist äquivalent zu dim(ker(DgA )) = 12 n(n − 1). Sei also A ∈ O(n) und A(s) : (−ε, ε) → M at(n, R) differenzierbare Kurve mit A(0) = A und A0 (0) = X ∈ M at(n, R). Dann gilt DgA · X = d ds |s=0 g(A(s)) 0 T = d ds |s=0 A(s) · 0 T A(s)T = A (0) · A(0) + A(0) · A (0) = X · AT + A · X T = X · AT + (X · AT )T = 0 genau dann, wenn X · AT ∈ Sym− (n, R) = {V ∈ M at(n, R) | V T = −V } . Es folgt ker(DgA ) = V · A | V ∈ Sym− (n, R) und wir erhalten dim(ker(DgA )) = dim(Sym− (n, R)) = 21 n(n − 1). Die spezielle orthogonale Gruppe SO(n) := {A ∈ O(n) | det A = 1} ist Untergruppe von O(n) und ebenfalls 12 n(n − 1)-dimensionale Unterman2 nigfaltigkeit des Rn . Tatsächlich sind SO(n) und A0 ·SO(n) die beiden Wegzusammenhangskomponenten von O(n) mit A0 := diag(1, ..., 1, −1) ∈ O(n). Für A ∈ SO(n) sind die Abbildungen LA : SO(n) → SO(n) ; B 7→ A · B RA : SO(n) → SO(n) ; B 7→ B · A 2 Einschränkungen von linearen Abbildungen auf Rn . Nach Korollar 1.6.4 2 sind LA und RA differenzierbare Abbildungen auf (SO(n), ânSO(n) ), sogar Diffeomorphismen, denn es gilt: LA ◦ LA−1 = RA ◦ RA−1 = id . Ferner ist −1 : SO(n) → SO(n) ; A 7→ AT 2 2 Einschränkung einer differenzierbaren Abbildung von Rn → Rn . Also sind Multiplikation und Inversenbildung in SO(n) differenzierbare Funktionen auf SO(n) × SO(n) bzw. SO(n). Wir betrachten nun die speziellen orthogonale Gruppen in den Dimensionen n = 2, 3, 4: 19 n = 2 : Hier besteht SO(2) = cos(φ) −sin(φ) sin(φ) cos(φ) |φ∈R gerade aus den Drehmatrizen. n = 3: Es bezeichne (e1 , e2 , e3 , e4 ) die Standardbasis des euklidischen Vektorraumes (R4 , +, h · , · i0 ), wobei h · , · i0 das Standardskalarprodukt auf R4 bezeichne. Wir setzen 1 := e1 , i := e2 , j := e3 , k := e4 und definieren folgende (nicht-kommutative) Multiplikation auf R4 : 1 · em = em · 1 = em für m = 1, ..., 4 i2 = j 2 = k 2 = −1 (= −e1 ) ij = k = −ji, ki = j = −ik, jk = i = −kj und ( 4 X n=1 αn · en ) · ( 4 X βm · em ) := m=1 4 X (αn · βm ) · (en · em ) n,m=1 mit αn , βm ∈ R. Wir erhalten so eine R-bilineare Multiplikation auf R4 . Ferner ist (R4 , +, ·) ein Schiefkörper, d.h. alle Körperaxiome sind erfüllt bis auf die Kommutativität der Multiplikation. Wir schreiben auch (H, +, ·) und nennen H den Quaternionenschiefkörper, entdeckt von Sir W. Hamilton am 16.10.1843. Die folgenden Eigenschaften erhält man nach kurzer Rechnung: (1) Ist q = α · 1 + β · i + γ · j + δ · k ∈ H\ {0}, so gilt: 1 q −1 = (α · 1 − β · i − γ · j − δ · k) · | {z } kqk20 =:q̄ mit kqk20 = hq, qi0 = α2 + β 2 + γ 2 + δ 2 . (2) Für q ∈ S 3 = {q ∈ H | kqk0 = 1} sind die R-linearen Abbildungen Lq : R4 → R4 ; v 7→ q · v Rq−1 : R4 → R4 ; v 7→ v · q −1 Isometrien von (R4 , h · , · i0 ), denn die darstellenden Matrizen bezüglich der Basis (e1 , e2 , e3 , e4 ) sind orthogonal. (3) (S 3 , ·) ist eine Liegruppe: (i) Sei p, q ∈ S 3 . Es gilt p · q = Lp (q) und nach (2) erhalten wir kp · qk0 = kpk0 = 1, d.h. p · q ∈ S 3 . (ii) Für q ∈ S 3 gilt q −1 = q̄ ∈ S 3 . 20 Differenzierbarkeit von Multiplikation und Inversenbildung ist klar. (4) Wir bezeichnen nun mit R3 := Im H = spanR {i, j, k} ⊂ H den Raum der rein imaginären Quaternionen, versehen mit dem Standardskalarprodukt h · , · i0 . Für x ∈ R3 gilt: (Lq ◦ Rq−1 )(x) = q · x · q −1 ∈ R3 für alle q ∈ S 3 . Wir erhalten einen differenzierbaren Gruppenhomomorphismus ρ : S 3 → SO(3); q 7→ {x 7→ q · x · q −1 } . (5) Man rechnet nun ker(ρ) = {±1} nach. Um zu zeigen, dass ρ ist surjektiv ist, schreiben wir q = cos(φ) · 1 + sin(φ) · xq , xq ∈ R3 kxq k0 = 1 und beachten ρ(q)(xq ) = xq . Damit ist R · xq Achse von ρ(cos(φ) · 1 + sin(φ) · xq ) . T Ferner zeigt man, dass ρ(q)|xTq : xT q → xq eine Drehung um den Winkel 2φ ist. Da jede Matrix A ∈ SO(3) eine Achse besitzt, d.h. 1 Eigenwert von A ist, folgt die Behauptung (det(A−1·I) = det AT ·det(A−1·I) = det(I − AT ) = det(I − A) = − det(A − I)). n = 4: Man kann zeigen, dass SO(4) = {Lq ◦ Rq̃ | q, q̃ ∈ S 3 } gilt. Auch hier erhalten wir einen surjektiven Gruppenhomomorphismus ρ : S 3 × S 3 → SO(4) ; (q, q̃) 7→ Lq ◦ Rq̃−1 mit kerρ = {(1, 1), (−1, −1)} = Z2 . Bemerkung: Die Tatsache, dass SO(4) (lokales) Produkt ist, zeichnet die Dimension n = 4 aus. Für die Geometrie 4-dimensionaler Riemannscher Mannigfaltigkeiten ergeben sich daraus weitreichende Konsequenzen. Wir notieren nun einige weitere Beispiele für Liegruppen (siehe [BrDi]): U (n) := A ∈ M at(n, C) | A · ĀT = In unitäre Gruppe SU (n) := {A ∈ U (n) | det A = 1} spezielle unitäre Gruppe Gl(n, R) := {A ∈ M at(n, R) | det A 6= 0} general linear group Sl(n, R) := {A ∈ GL(n, R) | det A = 1} special linear group 21 1.8 Quotientenmannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt beschreiben wir eine sehr allgemeine Methode, um aus einer gegebenen Mannigfaltigkeit neue, kompliziertere Mannigfaltigkeiten zu konstruieren. Sei (M, τ ) eine topologische Mannigfaltigkeit, (G, ·) eine Gruppe und ρ : (G, ·) → Homöo(M, ◦) ein Homomorphismus, wobei Homöo(M, ◦) die Gruppe der Homöomorphismen von M bezeichne. Es gilt also ρ(g1 · g2 ) = ρ(g1 ) ◦ ρ(g2 ) . Für p ∈ M schreiben wir abkürzend g.p := g(p) := ρ(g)(p) . Man sagt, dass G auf M operiert. Beispiel: M = S n ⊂ Rn+1 , G = {I, −I} ⊂ M at(n + 1, R) mit ρ(g)(v) := g · v = n v ;g = I −v ; g = −I d.h. ρ(I) = idS n , ρ(−I) = −idS n . Für p ∈ M bezeichne [ p ] := {g.p | g ∈ G} die Bahn oder den Orbit von p unter der Gruppenwirkung ρ von G. Es gilt: [ p ] = [ p̂ ] ⇔ p = g.p̂ für ein g ∈ G . Nun definieren wir den Bahnenraum M/G := {[ p ] | p ∈ M } . Die Abbildung π : M → M/G ; p 7→ [ p ] ist offenbar surjektiv. Versehen wir M/G mit der Quotiententopologie τM/G := {Ū ⊂ M/G | π −1 (Ū ) offen in M } , so ist (M/G, τM/G ) topologischer Raum. 22 Definition 1.8.1 Eine Gruppe G operiert frei auf einer topologischen Mannigfaltigkeit M , falls für alle g ∈ G\{e} gilt: g.p 6= p für alle p ∈ M . Eine Gruppe G operiert eigentlich diskontinuierlich auf einer topologischen Mannigfaltigkeit M , falls für alle kompakten Teilmengen K ⊂ M nur endlich viele Gruppenelemente g1 , . . . , gNK ∈ G existieren mit gi (K) ∩ K 6= ∅ für 1 ≤ i ≤ NK . Endliche Gruppen operieren eigentlich diskontinuierlich (jedoch nicht unbedingt frei). Satz 1.8.2 Es sei M eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit und ρ : G → Homöo(M ) ein Gruppenhomomorphismus. Operiert die Gruppe G frei und eigentlich diskontinuierlich auf M , so ist der Bahnenraum (M/G, τM/G ) eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit. Beweis. (a) Nach Definition von τM/G ist die Projektionsabbildung π stetig. (b) Für U ⊂ M gilt: π −1 (π(U )) = [ g(U ) . g∈G Zu ⊆“: Sei q ∈ π −1 (π(U )). Dann ist π(q) ∈ π(U ), d.h. es existiert p ∈ U ” mit π(q) = π(p), d.h. [ q ] = [ p ]. Daher existiert g ∈ G mit q = g.p. Es folgt q ∈ g(U ). S Zu ⊇“: Offenbar gilt π( g∈G g(U )) = π(U ). ” (c) Die Abbildung π ist offen, bildet also offene Mengen in M auf offene Mengen in M/G ab. (d) Der topologische Raum (M/G, τM/G ) genügt dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom: Denn ist B := {Bα | α ∈ N} abzählbare Basis von (M, τ ), so ist B̄ := {π(Bα ) | α ∈ N} abzählbare Basis von (M/G, τM/G ): Sei Ū ⊂ M/G offen. SDa die Menge U = π −1 (Ū ) ⊂ M offen ist, existiert IU ⊂ N mit U = α∈IU Bα . Wir erhalten [ [ Ū = π(U ) = π( Bα ) = π(Bα ) . α∈IU α∈IU (e) Für alle p ∈ M existiert eine offene Umgebung Up von p mit Up ∩ g(Up ) = ∅ für alle g ∈ G\{e} . 23 (1.1) Sei p ∈ M und (U, x) Karte um p. Da x(U ) = V offene Teilmenge des Rn ist, existiert ε > 0 mit Bε (x(p)) ⊂ x(U ). Daher ist Kp := x−1 (Bε (x(p))) kompakte und K̊p = x−1 (Bε (x(p))) offene Umgebung von p. Somit existieren nur endlich viele Gruppenelemente g1 = e, g2 , . . . , gN mit Kp ∩ gi (Kp ) 6= ∅ , i = 1, . . . , N . Im Fall N = 1 folgt die Behauptung mit Up := K̊p . Sei also N ≥ 2. Da G frei operiert, gilt gi .p 6= gj .p für i 6= j . Aus der Hausdorff-Eigenschaft von M folgt, dass die N verschiedenen Punkte p = g1 .p, . . . , gN .p durch offenen Umgebungen Ui (von gi .p) getrennt werden können, d.h. Ui ∩ Uj = ∅ für i 6= j. Wir definieren die offene Umgebung Up := N \ gi−1 (Ui ∩ gi (K̊p )) i=1 von p und nehmen an, dass g ∈ G\{e} existiert mit Up ∩ g(Up ) 6= ∅. Wegen Up ⊂ Kp , (g1 = e), folgt g = gi für ein i ∈ {2, . . . , N }, etwa g = g2 . Wir erhalten also: N \ gi−1 (Ui ∩ gi (K̊p )) ∩ g2 N \ i=1 gi−1 (Ui ∩ gi (K̊p )) 6= ∅ i=1 und es folgt U1 ∩ U2 6= ∅. Widerspruch. (f) Der topologische Raum (M/G, τM/G ) ist lokal homöomorph zu Rn : Sei p ∈ M und Up ⊂ M offene Umgebung von p mit Up ∩ g(Up ) = ∅ für alle g ∈ G\{e}. Betrachte Φ : Up → π(Up ) ; p 7→ π(p) = [ p ] . Die Abbildung Φ ist ein Homöomorphismus: Φ ist stetig, da π stetig ist, surjektiv nach Definition und injektiv nach Wahl von Up . Ferner ist Φ−1 stetig: Ist U ⊂ Up offen, so gilt: (Φ−1 )−1 (U ) = π(U ) ⊂ π(Up ) offen, da π offene Abbildung ist. Wir können annehmen, dass (Up , x) Karte um p in M ist. Damit ist (Ū , x̄) := π(Up ), x ◦ (π|Up )−1 Karte von (M/G, τM/G ) um [ p ]. (g) Der topologische Raum (M/G, τM/G ) ist Hausdorffsch: 24 Seien [ p ], [ q ] Bahnen im Bahnenraum M/G mit [ p ] 6= [ q ]. In (e) haben wir gezeigt, dass kompakte Umgebungen Kp , Kq von p bzw. q existieren mit Kp ∩ Kq = ∅ und Kp ∩ g(Kp ) = ∅ Kq ∩ g(Kq ) = ∅ und für alle g ∈ G\{e} . Gilt Kp ∩g(Kq ) = ∅ für alle g ∈ G, so folgt obige Behauptung. Aus der Kompaktheit von K := Kp ∪ Kq folgt, dass nur endlich viele Gruppenelemente g1 , . . . , gN existieren mit Kp ∩ gi (Kq ) 6= ∅. Die N + 1 Punkte p, g1 .q, . . . , gN .q trennen wir wieder durch offene Umgebungen U0 , U1 , . . . , UN in M . Wir definieren N \ Up := U0 ∩ K̊p und Uq := gi−1 (Ui ∩ gi (K̊q )) i=1 und nehmen an, dass die G-Orbiten von Up und Uq nicht disjunkt sind, d.h. N \ U0 ∩ K̊p ∩ g gi−1 (Ui ∩ gi (K̊q )) 6= ∅ i=1 für ein g ∈ G. Es folgt g ∈ {g1 , . . . , gN }, etwa g = g1 , und wir erhalten U0 ∩ U1 6= ∅. Dies ist ein Widerspruch. Man kann fragen, warum man für eine Gruppenaktion von G auf M nicht die viel natürlichere Bedingung (1.1) fordert, anstelle der zuerst sehr technisch wirkenden Forderung einer eigentlich diskontinuierlichen Aktion. Alle Beweisschritte in obigem Satz können übernommen werden, bis auf den letzten: Man kann leicht Beispiele solcher Gruppenaktionen angeben, so dass der Quotientenraum nicht mehr Hausdorffsch ist. Korollar 1.8.3 Sei M n eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit und ρ : G → Diffeo(M n ) ein Gruppenhomomorphismus, so dass G frei und eigentlich diskontinuierlich operiert. Dann ist der Bahnenraum M/G eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Beweis. Es ist zu zeigen, dass die Kartenwechsel für die in Satz 1.8.2 konstruierten Karten differenzierbar sind. Seien also (Ū1 , x̄1 ), (Ū2 , x̄2 ) Karten in M/G um [ p ] = π(p), d.h. x̄i = xi ◦ (π U )−1 : Ūi → xi (Ui ) = Vi ⊂ Rn i wobei (Ui , xi ) Karte von M um gi .p ist, g1 , g2 ∈ G. Nach Konstruktion von (Ūi , x̄i ) gilt g(Ui ) ∩ Ui = ∅ für alle q ∈ G\{e}. Es ist also zu zeigen, dass x2 ◦ (π U2 )−1 ◦ π U1 ◦ x−1 1 : x̄1 (Ū1 ∩ Ū2 ) → x̄2 (Ū1 ∩ Ū2 ) differenzierbar ist. Da x1 und x2 Diffeomorphismen sind, genügt es nachzuweisen, dass (π U2 )−1 ◦ π U1 : (π U1 )−1 (Ū1 ∩ Ū2 ) → (π U2 )−1 (Ū1 ∩ Ū2 ) 25 eine differenzierbare Abbildung ist. Aus (g2 · g1−1 )(g1 .p) = g2 .p folgt leicht, dass in einer Umgebung von g1 .p gilt: (π )−1 ◦ π (q) = (g2 · g −1 )(q) . U2 1 U1 Da [ p ] ∈ Ū1 ∩ Ū2 beliebig gewählt war und G auf M via Diffeomorphismen operiert, folgt die Behauptung. Beispiele für Quotientenmannigfaltigkeiten: • RP n = S n /{±id} reell-projektiver Raum (= Menge der 1-dimensionalen Unterräume des Rn+1 ). • Linsenräume: Wir P fassen die Sphäre S 2k−1 als Menge aller (z1 , . . . , zk ) ∈ Ck ∼ = R2k k 2 mit i=1 |zi | = 1 auf. Sind p ≥ 2 und 1 ≤ q1 , . . . , qk < p ganze Zahlen, so dass qi und p teilerfremd sind, 1 ≤ i ≤ k, so operiert die Gruppe der p-ten Einheitswurzeln Ep := {z ∈ C : z p = 1} ⊂ C frei und eigentlich diskontinuierlich auf S 2k−1 durch z.(z1 , . . . , zk ) = (z q1 z1 , . . . , z qk zk ) . Der Bahnenraum L(p, q1 , . . . , qk ) = S 2k−1 /Ep wird Linsenraum vom Typ (p; q1 , . . . , qk ) genannt. • T n = Rn /Zn (n-dimensionaler Torus): Hierbei operiert Zn auf Rn wie folgt: (z1 , . . . , zn ).(x1 , . . . , xn ) := (x1 + z1 , . . . , xn + zn ) Die Gruppenoperation ist frei, eigentlich diskontinuierlich und differenzierbar. Der Torus T n ist (kompakte) abelsche Liegruppe und es gilt: T n ∼ = S1 × · · · × S1. • Es bezeichne H := {(x, y) ∈ C | y > 0} die obere Halbebene der α β ∈ Sl(2, R) die komplexen Zahlenebene C. Dann ist für A = γ δ Abbildung hA : H → C ; z 7→ αz + β γz + δ eine biholomorphe Abbildung von H in sich (ein Automorphismus“). ” Ferner ist die Abbildung ρ : (Sl(2, R) , ·) → (Aut(H), ◦) ; A 7→ hA ein Gruppenhomomorphismus. Man kann nun zeigen, dass die Gruppe Sl(2, Z) eigentlich diskontinuierlich auf H operiert. 26 Ferner besitzt eine Abbildung hA , A ∈ Sl(2, R)\{±I}, genau dann einen Fixpunkt in H, wenn |Spur(A)| < 2 gilt. Daraus folgt, dass für m ≥ 3 die Untergruppen Γm := n α β o ∈ Sl(2, Z) | α ≡ δ ≡ 1, β ≡ γ ≡ 0 mod m γ δ von Sl(2, Z) frei und eigentlich diskontinuierlich auf H operieren. 1.9 Fundamentalgruppe topologischer Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt definieren wir die Fundamentalgruppe einer topologischen Mannigfaltigkeit und notieren einige ihrer Eigenschaften. Wir verweisen auf [Gre] für eine ausführlichere Darstellung dieser Konzepte. Definition 1.9.1 Es sei (M, τ ) eine topologische Mannigfaltigkeit und c : [0, 1] → M stetige Abbildung mit c(0) = c(1). Man nennt c null-homotop, falls eine stetige Abbildung H : [0, 1] × [0, 1] → M existiert (H ∼ = Homotopie), so dass gilt: (1) H0 (t) = H(0, t) = c(t) für alle t ∈ [0, 1]. (2) H1 (t) = H(1, t) ≡ c(0) Punktkurve für alle t ∈ [0, 1]. (3) H(s, 0) = H(s, 1) = c(0) für alle s ∈ [0, 1]. Eine stetige Abbildung c : [0, 1] → M mit c(0) = c(1) bezeichnen wir auch als geschlossenen Weg mit Basispunkt p = c(0). Definition 1.9.2 Eine topologische Mannigfaltigkeit nennt man einfach zusammenhängend, falls jeder geschlossene Weg null-homotop ist. Beispiele: • S n ist einfach zusammenhängend für n ≥ 2 (man beachte, dass surjektive geschlossen Wege existieren). • S 1 , T 2 und die Brezelflächen“ von höherem Geschlecht sind nicht ein” fach zusammenhängend. • Für zusammenhängende Mannigfaltigkeiten M ist die Quotientenmannigfaltigkeiten M/G mit |G| ≥ 2 nicht einfach zusammenhängend. Definition 1.9.3 Zwei geschlossene Wege c, c̃ : [0, 1] → M mit gleichem Basispunkt p ∈ M nennt man homotop (relativ (0, 1)), falls eine stetige Abbildung H : [0, 1] × [0, 1] → M existiert mit: (1) H(0, t) = c(t) für alle t ∈ [0, 1]. (2) H(1, t) = c̃(t) für alle t ∈ [0, 1]. 27 (3) H(s, 0) = H(s, 1) = p für alle s ∈ [0, 1]. Wir schreiben c ∼ = c̃ (relativ (0, 1)). Die Abbildung H nennt man eine Homotopie zwischen c und c̃. Lemma 1.9.4 Sei p ∈ M . Auf der Menge der geschlossenen Wege (mit Basispunkt p) ist ∼ =“ eine Äquivalenzrelation. ” Eine Äquivalenzklasse solcher geschlossenen Wege bezeichnen wir mit [ c ]. Auf der Menge dieser Äquivalenzklassen führen wir ein Produkt ein: [ c ] · [ c̃ ] := [c ∗ c̃] mit (c ∗ c̃)(t) := n c(2t) c̃(2t − 1) , 0 ≤ t ≤ 21 . , 12 ≤ t ≤ 1 Man zeigt leicht, dass c ∗ c̃ ein geschlossener Weg und obiges Produkt wohldefiniert ist. Definition 1.9.5 Sei p ∈ M . Wir bezeichnen mit π1 (M, p) := {[ c ] | c geschlossener Weg mit c(0) = c(1) = p} die Fundamentalgruppe von M zum Basispunkt p. Die Fundamentalgruppe (π1 (M, p), · ) zum Basispunkt p ist eine Gruppe: • Neutrales Element [e] ist gegeben durch die Punktkurve e(t) ≡ p. • Inverses Element zu [ c ] wird repräsentiert durch c−1 = c(1 − t). • Ist M wegzusammenhängend, so sind die Fundamentalgruppen zu verschiedenen Basispunkten isomorph. Man spricht in diesem Fall auch von der Fundamentalgruppe π1 (M ) von M . Fundamentalgruppen zu berechnen ist nicht einfach. Wir notieren: • π1 (S 1 ) = Z. • π1 (SO(3)) = Z2 . • Ist M zusammenhängende, einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit auf der eine Gruppe G von Homöomorphismen frei und eigentlich diskontinuierlich operiert, so gilt π1 (M/G) = G. Lemma 1.9.6 Sei f : M → N eine stetige Abbildung zwischen topologischen Mannigfaltigkeiten. Dann ist die Abbildung f∗ : π1 (M, p) → π1 (N, f (p) ; [ c ] 7→ [f ◦ c] ein Gruppenhomomorphismus. 28 Beweis. Die Abbildung f∗ ist wohldefiniert, denn aus c ∼ = c̃ (via H) folgt f ◦c∼ = f ◦ c̃ (via f ◦ H). Ferner gilt f∗ ([ c ] · [ c̃ ]) = f∗ ([c ∗ c̃]) = [f ◦ (c ∗ c̃)] = [(f ◦ c) ∗ (f ◦ c̃)] = f∗ ([ c ]) · f∗ ([ c̃ ]) , womit die Behauptung gezeigt ist. Für f = id : M → M erhalten wir also id∗ = idπ1 (M,p) . Lemma 1.9.7 Seien M, N, P topologische Mannigfaltigkeiten, f : M → N und g : N → P stetige Abbildungen. Dann kommutiert folgendes Diagramm: π1 (M, p) (g ◦ f )∗ f∗ −→ π1 (N, f (p)) & ↓ g∗ π1 (P, g(f (p))) Beweis. Es gilt: (g ◦ f )∗ ([ c ]) = [g ◦ f ◦ c] = g∗ ([f ◦ c ]) = g∗ (f∗ ([ c ])) , womit die Behauptung folgt. Korollar 1.9.8 Ist f : M → N ein Homöomorphismus zwischen zusammenhängenden topologischen Mannigfaltigkeiten, so gilt π1 (M ) = π1 (N ). Beweis. Setze in Lemma 1.9.7 g = f −1 . Zusammenhängende topologische Mannigfaltigkeiten mit nicht-isomorphen Fundamentalgruppen können also nicht homöomorph sein. Die Umkehrung gilt nicht: Die Linsenräume L(7, 1), L(7, 2) sind nicht homöomorph, haben aber die gleiche Fundamentalgruppe. Wir notieren den folgenden Satz ohne Beweis (vergleiche [Gre]): Satz 1.9.9 Sei M eine wegzusammenhängende topologische (differenzierbare) Mannigfaltigkeit. Dann existiert eine wegzusammenhängende, einfach zusammenhängende topologische (differenzierbare) Mannigfaltigkeit M̂ , so dass die Fundamentalgruppe π1 (M ) von M via Homöomorphismen (Diffeomorphismen) frei und eigentlich diskontinuierlich auf M̂ operiert mit M = M̂ /π1 (M ). 29 Man nennt die Mannigfaltigkeit M̂ die universelle Überlagerung von M . Ist X eine weitere wegzusammenhängende, einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit, auf der eine Gruppe G via Homöomorphismen (Diffeomorphismen) frei und eigentlich diskontinuierlich operiert, so dass X/G und M homöomorph (diffeomorph) sind, so sind X und M̂ homöomorph (diffeomorph) und G und π1 (M ) isomorph. Beispiel: Es gilt π1 (SO(n)) = Z2 für n ≥ 3: Die universelle Überlagerung von SO(n) ist die einfach zusammenhängenden kompakten Liegruppe Spin(n). Für n = 3 gilt Spin(3) = S 3 , für n = 4 erhält man Spin(4) = S 3 × S 3 . Die Projektionsabbildung ρ : S 3 → SO(3) ; q 7→ {x 7→ q · x · q −1 } konnte in diesem Fall explizit angegeben werden (x ∈ R3 ). Bemerkung 1.9.10 Ab Dimension n = 4 kann man zeigen, dass kompakte differenzierbare n-dimensionale Mannigfaltigkeiten nicht klassifiziert werden können, falls man beliebige Fundamentalgruppen zuläßt. Kompakte topologische einfach zusammenhängende 4-Mannigfaltigkeiten sind von Freedman klassifiziert worden. Donaldson hat gezeigt, dass viele dieser topologischen Mannigfaltigkeiten keine differenzierbare Struktur zulassen. Die Klassifikation der kompakten einfach zusammenhängenden 3-Mannigfaltigkeiten folgt aus Arbeiten von Perelman: Diese implizieren die Poincare-Vermutung, welche besagt, dass die 3-dimensionale Sphäre S 3 die einzige kompakte 3Mannigfaltigkeit mit trivialer Fundamentalgruppe ist. 2 Vektorfelder und Tangentialbündel 2.1 Der Tangentialraum einer Mannigfaltigkeit Im Folgenden sei M zusammenhängende differenzierbare Mannigfaltigkeit. Auf der Menge {c : (−εc , εc ) → M | c(0) = p} der differenzierbaren Kurven durch einen Punkt p ∈ M kann man eine Äquivalenzrelation definieren: c1 ∼ c2 ⇔ n Es existiert eine Karte (U, x) um p mit (x ◦ c1 )0 (0) = (x ◦ c2 )0 (0) Sind c1 und c2 äquivalent, so gilt für eine beliebige Karte (Ũ , x̃) um p: (x̃ ◦ c1 )0 (0) = = −1 d ◦ x ◦ c1 )(t) dt |t=0 (x̃ ◦ x −1 D(x̃ ◦ x )x(p) · (x ◦ c1 )0 (0) | {z } =(x◦c2 )0 (0) 30 = (x̃ ◦ c2 )0 (0) . Definition 2.1.1 Ein Tangentialvektor im Punkt p ist eine Äquivalenzklasse [ c ] von differenzierbaren Kurven in M durch p. Die Menge Tp M := {[ c ] | c differenzierbare Kurve mit c(0) = p} aller Tangentialvektoren in p nennt man den Tangentialraum von M in p. Bemerkung 2.1.2 Der Tangentialraum Tp M ist ein reeller Vektorraum: Ist (U, x) Karte um p, so definieren wir für [ c ], [ c̃ ] ∈ Tp M , λ ∈ R: [ c ] + [ c̃ ] := [x−1 (x ◦ c + x ◦ c̃ − x(p))] λ · [ c ] := [x−1 (λ · (x ◦ c) + (1 − λ) · x(p))] , so dass die Kurven x ◦ c + x ◦ c̃ − x(p), λ · (x ◦ c) + (1 − λ) · x(p) ganz in x(U ) ⊂ Rn enthalten sind. Diese Vektorraumstruktur ist wohldefiniert und hängt nicht von der Wahl der Karte (U, x) um p ab. Ist [ d ] = [ c ] und [ d˜] = [ c̃ ], so zeigt die Rechnung [ c ] + [ c̃ ] = [ d ] + [ d˜] ⇔ [x−1 (x ◦ c + x ◦ c̃ − x(p))] = [x−1 (x ◦ d + x ◦ d˜ − x(p))] ˜ 0 (0) ⇔ (x ◦ c + x ◦ c̃)0 (0) = (x ◦ d + x ◦ d) die Wohldefiniertheit der Addition. Ebenso weist man die Wohldefiniertheit von λ · [ c ] nach. Lemma 2.1.3 Die Abbildung n 0 Θ−1 (x,p) : Tp M → R ; [ c ] 7→ (x ◦ c) (0) ist ein Vektorraumisomorphismus. Beweis. Θ−1 (x,p) ist linear nach Definition der Vektorraumstruktur auf Tp M , injektiv nach Definition von ∼“ und surjektiv: Sei v ∈ Rn und c(t) := ” x−1 (x(p) + t · v), t klein genug.. Dann gilt Θ−1 (x,p) ([ c ]) = v. Definition 2.1.4 Ist f : M → N differenzierbare Abbildung, so ist das Differential dfp von f in p erklärt durch dfp : Tp M → Tf (p) N ; [ c ] 7→ [f ◦ c] . Das Differential dfp ist wohldefiniert: Sei (U, x) Karte von M um p, (V, y) Karte von N um f (p) und [ c ] = [ c̃ ] ∈ Tp M . Dann gilt: 0 Θ−1 (y,f (p)) ([f ◦ c]) = (y ◦ f ◦ c) (0) = d dt |t=0 (y ◦ f ◦ x−1 ) ◦ (x ◦ c)(t) = D(y ◦ f ◦ x−1 )x(p) · (x ◦ c)0 (0) = Θ−1 (y,f (p)) · ([f ◦ c̃]). 31 Aus der Identität −1 −1 (Θ−1 (y,f (p)) ◦ dfp )([ c ]) = (D(y ◦ f ◦ x )x(p) ◦ Θ(x,p) )([ c ]) folgt dfp = Θ(y,f (p)) ◦ D(y ◦ f ◦ x−1 )x(p) ◦ Θ−1 (x,p) , d.h. dfp ist als Komposition linearer Abbildungen linear. Lemma 2.1.5 Sind f : M → N und g : N → P differenzierbare Abbildungen, so gilt die Kettenregel: d(f ◦ g)p = dfg(p) ◦ dgp Beweis. Dies folgt aus der Identität: d(f ◦ g)p ([ c ]) = [f ◦ g ◦ c] = dfg(p) ([g ◦ c]) = dfg(p) dgp ([ c ]) . Bemerkung: Die Mannigfaltigkeiten M = Rn , N = Rm besitzen globale Karten (Rn , id), (Rm , id) verträglich mit den differenzierbaren Strukturen ân bzw. âm . Für eine differenzierbare Abbildung f : (Rn , ân ) → (Rm , âm ) kommutiert also folgendes Diagramm: dfp Tp Rn −→ Θ−1 (id,p) ↓ Rn Tf (p) Rm ↓ Θ−1 (id,f (p)) Dfp −→ Rm Bezeichnen wir mit [ei ] die Äquivalenzklasse der Kurve t 7→ p + t · ei und mit [Dfp · ei ] die Äquivalenzklasse der Kurve t 7→ f (p) + t · Dfp · ei , i = 1, ..., n, so gilt dfp · [ei ] = [Dfp · ei ] . Die durch die Jacobimatrix definierte lineare Abbildung Dfp : Rn → Rm einer differenzierbaren Funktion f : Rn → Rm und das Differential dfp : Tp Rn → Tf (p) Rm der differenzierbaren Abbildung f : (Rn , ân ) → (Rm , âm ) entsprechen sich also in kanonischer Weise: 2.2 Vektorfelder Definition 2.2.1 Sei M differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann nennt man die Menge [ TM = Tp M p∈M das Tangentialbündel von M . 32 Ist p ∈ M und (U, x) Karte um p, so ist x−1 : x(U ) → U Diffeomorphismus. Foglich ist (dx−1 )x(p) : Tx(p) Rn → Tp M linearer Isomorphismus für alle p ∈ U . Die Standardbasis ([e1 ], ..., [en ]) des Vektorraums Tx(p) Rn ist definiert vermittels [ei ] = [t 7→ x(p) + t · ei ] = Θ(id,x(p)) (ei ) , 1 ≤ i ≤ n. Die Tangentialvektoren −1 ∂ ∂xi p := (dx )x(p) · [ ei ] , 1 ≤ i ≤ n, bilden daher eine bezüglich der Karte (U, x) kanonische Basis von Tp M . Offenbar gilt ∂ = Θ(x,p) (ei ) . ∂xi p Definition 2.2.2 Eine Abbildung X : M → T M nennt man differenzierbares Vektorfeld auf M , falls für alle p ∈ M eine Karte (U, x) um p existiert mit n X ∂ X|U = ξi · ∂x i i=1 und differenzierbaren Funktionen ξi : U → R, 1 ≤ i ≤ n. Beispiel: Ist (U, x) Karte von M , so sind die Koordinatenvektorfelder ∂ ∂ ∂x1 , . . . , ∂xn differenzierbare Vektorfelder der differenzierbaren Mannigfaltigkeit U . Lemma 2.2.3 Sei X differenzierbares auf M und (Ũ , x̃) beliebige Pn ˜Vektorfeld ∂ Karte von M . Dann gilt X|Ũ = i=1 ξi · ∂ x˜i mit differenzierbaren Funktionen ξ˜i : Ũ → R, 1 ≤ i ≤ n. Beweis. Sei p ∈ Ũ und (U, x) Karte um p wie in obiger Definition. Dann gilt −1 ∂ ∂xi p = (dx )x(p) · [ei ] = (dx̃−1 )x̃(p) · d(x̃ ◦ x−1 )x(p) · [ei ] = (dx̃−1 )x̃(p) · [D(x̃ ◦ x−1 )x(p) · ei ] n X ∂(x̃◦x−1 )j = (x(p)) · ((dx̃−1 )x̃(p) · [ej ]) ∂vi j=1 = n X ∂(x̃◦x−1 ) ∂vi j (x(p)) · ∂ ∂ x̃j p . j=1 Setzen wir ξ˜i = n X ξj · ∂(x̃◦x−1 )i ∂vj ◦x j=1 so folgt die Behauptung. 33 Die Koeffizienten ξ˜1 , ..., ξ˜n berechnen sich also wie folgt: −1 T (ξ˜1 , ..., ξ˜n )T p = D(x̃ ◦ x )x(p) · (ξ1 , ..., ξn )p . (2.1) Für ein differenzierbares Vektorfeld X auf M erhalten wir für eine beliebige Karte (U, x) um p die Darstellung (X|U )(p) = n X −1 ξi (p) · dx−1 x(p) · [ei ] = (dxx(p) ◦ Θ(id,x(p)) ) i=1 n X ξi (p) · ei . i=1 Damit ist X|U eindeutig bestimmt durch die differenzierbare Abbildung ξ ◦ x−1 := (ξ1 , ..., ξn )T ◦ x−1 : x(U ) → Rn . | {z } =:ξ 2.3 Der Fluß von Vektorfeldern Ist V ⊂ Rn offene Teilmenge und f : V → Rn differenzierbare Abbildung, so nennt man f auch Vektorfeld auf V (gegeben durch sein Richtungsfeld). Eine differenzierbare Kurve c : I → Rn nennt man Integralkurve von f , falls c0 (t) = f (c(t)) für alle t ∈ I gilt. Sei nun M differenzierbare Mannigfaltigkeit und c : (−ε, ε) → M differenzierbare Kurve. Dann gilt [ c ] ∈ Tc(0) M und allgemeiner [ ct ] ∈ Tc(t) M mit ct (s) := c(t + s), t, s klein genug. Wir schreiben c0 (t) := [ct ] oder auch d dt c(t) = c0 (t). Definition 2.3.1 Sei X ein differenzierbares Vektorfeld auf M . Dann nennt man eine differenzierbare Kurve c : I → M Integralkurve von X, falls c0 (t) = X(c(t)) für alle t ∈ I gilt. Lemma 2.3.2 Sei X differenzierbares Vektorfeld auf M und (U, x) Karte von M , d.h. n X ∂ X|U = ξi · ∂x i i=1 mit differenzierbaren Funktionen ξi : U → R. Ferner sei c : I → U ⊂ M differenzierbare Kurve. Dann sind äquivalent: (1) c ist Integralkurve von X. 34 (2) c̃ = (c̃1 , ..., c̃n ) := (x ◦ c) : I → x(U ) ⊂ Rn ist Integralkurve des Vektorfeldes ξ ◦ x−1 auf x(U ). Beweis. Es gilt: c0 (t) = [ct ] = [x−1 ◦ x ◦ ct ] = (dx−1 )x(ct (0)) · ([x ◦ ct ]) , ferner (x ◦ ct )(0) = (x ◦ c)(t) = c̃(t) = n X c̃i (t) · ei i=1 und wir erhalten 0 c (t) = n X c̃0i (t) · dx−1 x(c(t)) · [ei ] = i=1 n X c̃0i (t) · ∂ ∂xi |c(t) . i=1 Es folgt c0 (t) = X(c(t)) genau dann, wenn c̃0i (t) = ξi (c(t)) = (ξi ◦ x−1 )(c̃(t)) für alle 1 ≤ i ≤ n. ∂ Beispiel: Die Integralkurven der Koordinatenvektorfelder ∂x (für eine Karte i −1 (U, x)) sind die Parameterlinien c(t) = x (x(q) + t · ei ), t ∈ R klein genug. Setzt man f : x(U ) → Rn ; v 7→ (ξ ◦ x−1 )(v), so ist f eine C ∞ -Abbildung und Bedingung (2) aus Lemma 2.3.2 ist äquivalent dazu, dass c̃ Lösung der gewöhnlichen autonomen Differentialgleichung (3) y 0 = f (y) ist. Nach den Existenz- und Eindeutigkeitssätzen existiert für einen gegebenen Anfangswert v0 ∈ x(U ) = V genau eine maximale, d.h. nicht fortsetzbare Lösung c̃v0 : Iv0 → V von (3) mit c̃v0 (0) = v0 (Iv0 ⊂ R offenes Intervall mit 0 ∈ Iv0 ). Ferner kann man zeigen, dass die Abbildung (t, v) 7→ c̃v (t) auf einer offenen Umgebung von (0, v0 ) in R × V definiert und differenzierbar ist. Satz 2.3.3 Sei X differenzierbares Vektorfeld auf M , p ∈ M . Dann existiert eine offene Umgebung U von p, ε > 0 und eine differenzierbare Abbildung Φ : (−ε, ε) × U → M ; (t, q) 7→ Φt (q) , so dass gilt: (1) Für q ∈ U ist c : (−ε, ε) → M ; t 7→ Φt (q) Integralkurve von X mit c(0) = Φ0 (q) = q . 35 (2) Für alle s, t ∈ (−ε, ε) mit |s + t| < ε und alle q ∈ U mit Φt (q) ∈ U gilt: Φs (Φt (q)) = Φs+t (q) . Beweis. Zu (1): Dies folgt aus Lemma 2.3.2 und dem oben erwähnten Resultat für gewöhnliche Differentialgleichungen im Rn . Zu (2): Die Kurven c(s) = Φs (Φt (q)), c̃(s) = Φs+t (q) sind beide Integralkurven von X mit c(0) = Φ0 (Φt (q)) = Φt (q) = c̃(0). Die Familie {Φt : U → M }|t|<ε nennt man den lokalen Fluß von X. Kann man U = M und ε = ∞ wählen, so nennt man das Vektorfeld X vollständig. In diesem Fall sind Integralkurven von X auf ganz R definiert. Ist X vollständig, so ist Φt : M → M differenzierbare Abbildung, sogar Diffeomorphismus, denn nach Satz 2.3.3 (2) gilt: Φt ◦ Φ−t = Φ−t ◦ Φt = Φ0 = idM . Darüberhinaus ist die Abbildung ρ : (R, +) → (Diffeo(M ), ◦) ; t 7→ Φt ein Gruppenhomomorphismus, eine sogenannte Einparametergruppe von Diffeomorphismen bzw. ein dynamisches System. Beispiel: Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten liefern Beispiele für vollständige Vektorfelder auf Rn : Sei A ∈ M at(n, R) und fA : Rn → Rn ; y 7→ f (y) := A · y auf Rn . Das entsprechende Anfangswertproblem lautet: y 0 (t) = A · y(t), y(0) = y0 ∈ Rn . Die Lösungen dieses Anfangswertproblems sind explizit bekannt: y(t) = exp(t · A) · y0 = ∞ X (t·A)k k! · y0 . k=0 Also ist y(t) Integralkurve des Vektorfeldes XA (y) = A · y. Der Fluß ΦA von XA ist gegeben durch: ΦA : R × Rn → Rn ; (t0 , y0 ) 7→ exp(t0 · A) · y0 Beispiel für ein nicht-vollständiges Vektorfeld auf R2 : Sei X gegeben durch x1 1 X = . x2 −x32 x1 Dann ist die Kurve y(t) = (t, 1t ), t > 0 maximale Integralkurve von X. Lemma 2.3.4 Ist M kompakte Mannigfaltigkeit und X differenzierbares Vektorfeld auf M , so ist X vollständig. Beweis. Siehe [Mil], Seite 10. 36 2.4 Das Tangentialbündel Sei M differenzierbare Mannigfaltigkeit. Wir bezeichneten mit [ TM = Tp M p∈M das Tangentialbündel von M . Die Abbildung π : T M → M ; Tp M 3 w 7→ p nennt man die Fußpunktabbildung. Ist (U, x) Karte von M um p, so besitzt Tp M die bezüglich (U, x) kanonische Basis ∂ ∂ , . . . , ∂x1 p ∂xn p ∂ −1 ◦ e ] und e (t) = x(p) + t · e ∈ x(U ) ⊂ Rn . mit ∂x = dx−1 i i i x(p) · ([ei ]) = [x i p Satz 2.4.1 Sei M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann ist T M eine 2n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Beweis. Sei p ∈ M und (U, x) Karte um p. Wir setzen Φ−1 x n : x(U ) × R → π −1 T (U ) ; (v, (ξ1 . . . , ξn ) ) 7→ n X ξi · ∂ ∂xi |x−1 (v) . i=1 Offenbar ist die Abbildung Φ−1 x bijektiv. Sei (Ũ , x̃) weitere Karten in M mit Ũ ∩U 6= ∅. Aus der Transformationsformel (2.1) für Koordinatenvektorfelder erhalten wir n n (Φx̃ ◦ Φ−1 x ) : x(U ∩ Ũ ) × R → x̃(U ∩ Ũ ) × R ; v, (ξ1 , . . . ξn )T 7→ (x̃ ◦ x−1 )(v), D(x̃ ◦ x−1 )v · (ξ1 , . . . , ξn )T . n n Die Abbildungen (Φx̃ ◦ Φ−1 x ) : x(U ∩ Ũ ) × R → x̃(U ∩ Ũ ) × R sind also Diffeomorphismen. Wir zeigen nun, dass n BT M := {Φ−1 x (V̂ ) | (U, x) Karte von M, V̂ ⊂ x(U ) × R offen} Basis eine Hausdorff-Topologie τT M auf T M ist. Die Abbildungen Φ−1 x sind dann per definitionem Homöomorphismen, und folglich ist (T M, τT M ) lokal homöomorph zu R2n . S Es gilt ∅, T M ∈ τT M . Ferner sind beliebige Vereinigung i∈I Xi von offenen“ Mengen Xi ∈ τT M ebensoSoffen. Es bleibt zuSzeigen, dass der ” Schnitt zweier offener Mengen W = i∈I Wi und W̃ = j∈J W̃j offen ist, Wi , W̃j ∈ BT M . Aufgrund der Mengengleichheit [ W ∩ W̃ = Wi ∩ W̃j (i,j)∈I×J 37 können wir W = Wi und W̃ = W̃j annehmen. Wir zeigen, dass für beliebiges w ∈ W ∩ W̃ ein Element W Sw ∈ BT M existiert mit w ∈ Ww und Ww ⊂ W ∩ W̃ . Dann folgt W ∩ W̃ = w∈W ∩W̃ Ww ∈ τT M . Sei w ∈ W ∩ W̃ . Nach Definition von BT M existieren Karten (U, x) und (Ũ , x̃) in M und offene Teilmengen V̂ ⊂ x(U ) × Rn , Ṽˆ ⊂ x̃(Ũ ) × Rn ˆ n mit W = Φ−1 x (V̂ ) und W̃ = Φx̃−1 (Ṽ ). Es folgt Φx (w) ∈ x(U ∩ Ũ ) × R und n n Φx̃ (w) ∈ x̃(U ∩ Ũ ) × Rn . Da Φx̃ ◦ Φ−1 x : x(U ∩ Ũ ) × R → x̃(U ∩ Ũ ) × R ein n n Homöomorphismus zwischen offenen Teilmengen von R × R ist, werden offene Umgebungen von Φx (w) ∈ V̂ auf offene Umgebungen von Φx̃ (w) ∈ Ṽˆ abgebildet, und es folgt obige Behauptung. Somit ist (T M, BT M ) topologischer Hausdorffraum, welcher lokal homöomorph zu R2n ist. Da M einen abzählbaren Teilatlas besitzt, ist dies auch richtig für das Tangentialbündel T M , und folglich ist T M 2n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Aus der Definition der Karten Φx : π −1 (U ) → x(U ) × Rn des Tangentialbündels T M folgt T T (x ◦ π ◦ Φ−1 x )(v, (ξ1 , . . . , ξn ) ) = pr1 (v, (ξ1 , . . . , ξn ) ) = v . (2.2) Die Fußpunktabbildung π : T M → M ist also differenzierbar, da folgendes Diagramm kommutiert: π π −1 (U ) −→ Φx ↓ U ↓x pr1 x(U ) × Rn −→ x(U ) Lemma 2.4.2 Die differenzierbaren Vektorfelder X auf M sind gerade die differenzierbaren Abbildungen X : M → T M mit π ◦ X = idM . Beweis. Sei X differenzierbares Vektorfeld auf M , und (U, x) Karte von Pn ∂ M . Dann ist X|U = i=1 ξi · ∂xi mit ξi : U → R differenzierbar, 1 ≤ i ≤ n. Offenbar gilt π ◦ X = idM . Ferner ist X differenzierbar, da das folgende Diagramm kommutiert: U x X −→ ↓ x(U ) π −1 (U ) ↓ Φx (id , ξ◦x−1 ) −→ x(U ) × Rn Sei nun X : M → T M eine differenzierbare Abbildung mit π ◦ X = idM . Dann ist X(p) ∈ Tp M für p ∈ P M . In einer Kartenumgebung (U, x) ∂ erhalten wir eine Darstellung X|U = ni=1 ξi · ∂x , wobei ξ1 , ..., ξn : U → R i Abbildungen sind. Aus obigem Diagramm folgt, dass ξ ◦ x−1 : x(U ) → Rn differenzierbar ist und somit auch ξi : U → R, 1 ≤ i ≤ n. Daher ist X ein differenzierbares Vektorfeld. 38 Das Tangentialbündel einer Mannigfaltigkeit ist ein Beispiel für ein Vektorraumbündel: Definition 2.4.3 Ein Tripel (E, B, π) nennt man Vektorraumbündel, falls E, B differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind, π : E → B differenzierbare und surjektive Abbildung ist und Folgendes gilt: Es existiert eine offene Überdeckung {Ui }i∈I von B und Diffeomorphismen hi : π −1 (Ui ) → Ui × Rn mit: (1) hi (π −1 (p)) = {p} × Rn für alle p ∈ Ui . (2) Ist Ui ∩ Uj 6= ∅, so gilt n n hi ◦ h−1 j : (Ui ∩ Uj ) × R → (Ui ∩ Uj ) × R ; (p, ξ) 7→ p, (gij )(p) · ξ wobei (gij ) : Ui ∩ Uj → GL(n, R) differenzierbare Abbildung ist. Die Mannigfaltigkeit E nennt man den Totalraum, B die Basis und die Funktionen (gij ) die Übergangsabbildungen des Vektorraumbündels (E, B, π). Ferner bezeichnen wir mit Ep := π −1 (p) die Faser über dem Punkt p ∈ B. Beispiele für Vektorraumbündel über M : • Das triviale Bündel E = M × Rk über einer Mannigfaltigkeit M : Die Projektionsabbildung π : E → M ist gegeben durch (p, v) 7→ p. • Das Tangentialbündel T M . • Das Kotangentialbündel T ∗ M = ∪p∈M (Tp M )∗ . Hier bezeichnet (Tp M )∗ den Vektorraum aller linearen Abbildungen ϕ : Tp M → R. Ist (U, x) Karte von M um p, so bilden die Koordinatendifferentiale (dx1 )p , ..., (dxn )p eine Basis von (Tp M )∗ , wobei die Linearform (dxi )p definiert ist durch folgende Identiät: 1 falls i = j ∂ (dxi )p ( ∂xj ) = δij = 0 sonst . p Wie in Satz 2.4.1 zeigt man nun, dass T ∗ M eine 2n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit ist. 39 • Sind E, E 0 Vektorraumbündel über M , so auch [ Hom(E, E 0 ) = Hom(Ep , Ep0 ) . p∈M Definition 2.4.4 Sei (E, B, π) ein Vektorraumbündel. Eine differenzierbare Abbildung σ : B → E heißt (differenzierbarer) Schnitt, falls π ◦ σ = idB . Die Menge der differenzierbaren Schnitte bezeichnet man mit Γ(E). Beispiele für differenzierbare Schnitte: • Sei E = M ×Rk : Dann können wir Γ(E) mit C ∞ (M, Rk ) identifizieren. Ein Schnitt σ ∈ Γ(E) ist eine differenzierbare Abbildung von M nach M × Rk , d.h. es gilt σ(p) = (α(p), f (p)) mit α : M → M und f ∈ C ∞ (M, Rk ). Aus π ◦ σ = idM folgt α = idM , d.h. σ(p) = (p, f (p)) . • Es gilt C ∞ (M ) := C ∞ (M, R) = Γ(M × R). • Nach Lemma 2.4.2 gilt Γ(T M ) = X(M ), wobei X(M ) die Menge der differenzierbaren Vektorfelder auf M bezeichne. Zu entscheiden, wie viele linear unabhängige Schnitte (ohne Nullstellen) für ein gegebenes Vektorraumbündel existieren, ist im Allgemeinen sehr schwierig. Wir notieren hier: Satz 2.4.5 (Igelsatz) Die 2-dimensionalen Sphäre S 2 besitzt kein differenzierbares Vektorfeld ohne Nullstellen. Allgemeiner kann man zeigen, dass für Sphären S 2n gerader Dimension das Tangentialbündel T S 2n keine Schnitte ohne Nullstellen zuläßt. Für Sphären S 2n−1 ungerader Dimension kann man leicht ein nichtverschwindendes Vektorfeld angeben. Die genau Anzahl der linear unabhängigen Vektorfelder auf S 2n−1 wurde erst 1962 von Adams bestimmt. 2.5 Vektorfelder und Derivationen Definition 2.5.1 Sei X ∈ X(M ) und {Φt }|t|<ε der lokale Fluß von X. Wir definieren: LX : C ∞ (M ) → {g : M → R | g Abbildung} ; f 7→ 40 d dt |t=0 f (Φ(t, ·)) . Später schreiben wir auch abkürzend Xf := X(f ) := LX f . Folgende Eigenschaften der Lieableitung LX f von f in Richtung X rechnet man leicht nach: d (LX f )(p) = dt |t=0 f (c(t)) für jede differenzierbare Kurve c : (−ε, ε) → M mit c(0) = p und c0 (0) = X(p). Sind ferner ξ1 , ..., ξn ∈ C ∞ (M ) und X1 , ..., Xn ∈ X(M ) so gilt: LPn i=1 ξi ·Xi f= n X ξi · LXi f . (2.3) i=1 Lemma 2.5.2 Für X ∈ X(M ) und f ∈ C ∞ (M ) gilt LX f ∈ C ∞ (M ), d.h. LX : C ∞ (M ) → C ∞ (M ) . Beweis. Sei p ∈ M und (U, x) Karte von M um p. Da X differenzierbares Vektorfeld differenzierbare Funktionen ξP 1 , ..., ξn : U → R mit P ist, existieren n ∂ X|U = ni=1 ξi · ∂x . Nach (2.3) erhalten wir L f = X|U i=1 ξi · L ∂ f . Nun i ∂xi gilt (L ∂ ∂xi d dt t=0 (f f )(p) = ◦ x−1 )(x(p) + t · ei ) = D(f ◦ x−1 )x(p) · ei ∂(f ◦x−1 ) (x(p)) , ∂vi = d.h. L ∂ ∂xi f= ∂(f ◦x−1 ) ∂vi ◦ x. Es folgt die Behauptung. Wir schreiben auch ∂f ∂xi (p) := (L ∂ ∂xi f )(p) . (2.4) Beispiel: Für xj = prj ◦ x : U → R gilt ∂xj ∂xi (p) = D(prj )x(p) · ei = δij und wir erhalten L(X|U ) xj = n X ξi · ∂ ∂xi (xj ) = i=1 n X i=1 41 ξi · ∂xj ∂xi = ξj . (2.5) Definition 2.5.3 Eine Abbildung D : C ∞ (M ) → C ∞ (M ) nennt man Derivation, falls D R-linear ist und der Produktregel genügt: D(f · g) = (Df ) · g + f · (Dg) für alle f, g ∈ C ∞ (M ). Die Menge aller Derivationen auf M bezeichnen wir mit Der(C ∞ (M )). Definieren wir f · D vermittels (f · D)(g) := f · D(g) , so wird Der(C ∞ (M )) zu einem C ∞ (M )-Modul. Wir notieren nun einige nützlich Eigenschaften von Derivationen: Lemma 2.5.4 Es gilt: (1) Derivationen sind lokal: Sind f, g ∈ C ∞ (M ) und ist f = g in einer offenen Umgebung U von p, so gilt (Df )(p) = (Dg)(p). (2) Derivationen lassen sich auf Funktionen anwenden, die nur auf offenen Teilmengen U ⊂ M definiert sind. (3) Konstante Funktionen werden auf die Nullfunktion abgebildet. Beweis. Zu (1): Sei p ∈ M und f, g ∈ C ∞ (M ) mit f = g nahe p, d.h. in einer offenen Umgebung U von p. Für φ ∈ C ∞ (M ) mit supp(φ) ⊂ U und φ(p) = 1 gilt f · φ, g · φ ∈ C ∞ (M ) und f · φ = g · φ. Es folgt D(f · φ) = D(g · φ), d.h. (Df ) · φ + f · (Dφ) = (Dg) · φ + g · (Dφ), und wir erhalten (Df )(p) = (Dg)(p). Zu (2): Sei U ⊂ M offen, p ∈ M und f ∈ C ∞ (U ). Dann existiert eine kompakte Umgebung Kp von p in U und eine Funktion φ ∈ C ∞ (M ) mit supp(φ) ⊂ Kp ⊂ U und φ ≡ 1 nahe p. Es folgt f · φ ∈ C ∞ (U ). Ferner läßt sich f · φ zu einer C ∞ -Funktion fd · φ auf M fortsetzen: n (f · φ)(q) , q ∈ U fd · φ (q) := 0 , sonst Wir setzen (Df )(p) := (Dfd · φ)(p) . Nach (1) ist dies wohldefiniert. Zu (3): Sei c : M → R ; p 7→ c ∈ R konstant. Dann gilt für c = 1: D1 = D(1 · 1) = (D1) · 1 + 1 · (D1) = 2 · (D1) , d.h. D1 = 0. Aus der R-Linearität von D folgt 0 = c · (D1) = Dc Lemma 2.5.5 Sei X ∈ X(M ). Dann ist LX eine Derivation. 42 Beweis. Für α ∈ R gilt LX (α · f )(p) = d dt |t=0 (α · f )(Φ(t, p)) = α · (LX f )(p) . Ebenso zeigt man LX (f + g) = LX f + LX g. Ferner gilt (LX (f · g))(p) = = d dt |t=0 (f · g)(Φ(t, p)) d dt |t=0 f (Φ(t, p)) · g(Φ(t, p)) = (LX f )(p) · g(p) + f (p) · (LX g)(p) für alle p ∈ M . Wir notieren nun den zentralen Satz in diesem Abschnitt: Satz 2.5.6 Die Abbildung L : X(M ) → Der(C ∞ (M )) ; X 7→ LX ist ein Isomorphismus von C ∞ (M)-Moduln. Beweis. In Gleichung (2.3) haben wir bereits gezeigt, dass die Abbildung L C ∞ (M )-linear ist. Wir beweisen nun die Injektivität der Abbildung L: Sei X ∈ X(M ) mit P ∂ LX = 0. Sei (U, x) Karte von M , d.h. X|U = ni=1 ξi · ∂x mit differenzierbai ren Funktionen ξi : U → R. Dann folgt LX|U = 0 (siehe Lemma 2.5.4, (b)), und aus (2.5) ergibt sich LX|U xj = ξj = 0. Es folgt X|U = 0, d.h. X = 0, da (U, x) beliebig gewählt war. Nun zeigen wir die Surjektivität der Abbildung L: Sei D ∈ Der(C ∞ (M )), p ∈ M und (U, x) Karte um p, so dass x(U ) ⊂ Rn konvex ist. Sei ferner f ∈ C ∞ (M ), d.h. f˜ = f ◦ x−1 : x(U ) → R ist differenzierbar. Für h ∈ x(U ) definieren wir gh : [0, 1] → R ; t 7→ f˜((1 − t) · x(p) + t · h) . Es gilt: f˜(h) = gh (1) 1 Z gh0 (t) dt = gh (0) + 0 = f˜(x(p)) + Z 0 = f (p) + n X i=1 n 1X ∂ f˜ ∂vi ((1 − t) · x(p) + t · h) · (hi − x(p)i ) dt i=1 Z (hi − x(p)i ) · |0 43 1 ∂ f˜ ∂vi ((1 − t) · x(p) + t · h) dt . {z } =: f˜i (h) Aus einem Differentiationssatz über parameterabhängige Integrale folgt nun, dass die Funktionen f˜i : x(U ) → R differenzierbar sind, da der Integrand und alle seinen partiellen Ableitungen stetig sind. Wir setzen fi := f˜i ◦ x : U → R und erhalten für q ∈ U folgende Darstellung von f : f (q) = f˜(x(q)) = f (p) + n X ((xi − x(p)i ) · fi )(q) . i=1 Es folgt nun einerseits (L ∂ ∂xi f )(p) = ∂ f˜ ∂vi (x(p)) = f˜i (x(p)) = fi (p) , andererseits aus Lemma 2.5.4, (2) und (3) (Df )(p) = n X D(xi − x(p)i ) · fi + (xi − x(p)i ) · Dfi (p) i=1 = = n X (Dxi )(p) · (L i=1 (LPn i=1 ∂ Dxi · ∂x ∂ ∂xi f )(p) f )(p) . i Da diese Identiät für p ∈ U richtig ist, haben wir einen Kandidaten X für das gesuchte Vektorfeld gefunden. Die Wohldefiniertheit von X folgt aus der bereits gezeigten Injektivität der Abbildung L. Bemerkung: In obigem Satz kann man C ∞ (M ) nicht durch C r (M ) ersetzen für r ∈ N. Wir können nicht nur differenzierbare Vektorfelder auf M mit Derivationen identifizieren, sondern auch Tangentialvektoren in Tp M mit punkt” weisen Derivationen“: Ein Funktionskeim in p ∈ M ist eine Äquivalenzklasse [ f ] von differenzierbaren Funktionen f : Uf → R, Uf ⊂ M offene Umgebung von p. Es gilt [ f ] = [ g ] ⇐⇒ f |U = g|U für eine offene Umgebung U von p mit U ⊂ Uf ∩ Ug . Wir bezeichnen mit C ∞ (M )p den Ring der Funktionskeime in p und mit Der(C ∞ (M )p ) den Raum der linearen Abbildungen Dp : C ∞ (M )p → R, welche der Produktregel Dp ([ f ] · [ g ]) = Dp ([ f ]) · g(p) + f (p) · Dp ([ g ]) 44 genügen, [f ], [g] ∈ C ∞ (M )p . Man nennt Der(C ∞ (M )p ) auch den Raum der punktweisen Derivationen. Beispiel: Ist X ∈ X(M ) so folgt aus Lemma 2.5.4, (a) und (b), dass Dp[X(p)] ([ f ]) := (LX|U f )(p) f eine punktweise Derivation ist. Aus dem Beweis von Satz 2.5.6 folgt, dass die beiden reellen Vektorräume Tp M und Der(C ∞ (M )p ) isomorph sind. Man nennt Der(C ∞ (M )p ) daher auch den algebraischen Tangentialraum von M in p. Der entsprechende Vektorraumisomorphismus kann explizit angegeben werden: ApM : Tp M → Der(C ∞ (M )p ) ; [ c ] 7→ Dp[ c ] mit Dp[ c ] ([h]) := d dt |t=0 (h ◦ c)(t) . Ist f : M → N differenzierbare Abbildung, so definieren wir: ˜ p · Dp ˜ p : Der(C ∞ (M )p ) → Der(C ∞ (N )f (p) ) ; Dp 7→ df df mit ˜ p · Dp )([ĥ]) := Dp ([ĥ ◦ f ]) . (df ˜ p wohldefiniert ist. Offenbar ist df ˜ p linear. Es folgt leicht, dass df Lemma 2.5.7 Das folgende Diagramm kommutiert: Tp M ApM dfp −→ Tf (p) N ↓ Der(C ∞ (M )p ) ↓ ANf (p) ˜p df −→ Der(C ∞ (N )f (p) ) Beweis. Sei [ c ] ∈ Tp M . Dann gilt: f (p) (AN [f ◦c] f (p) ◦ dfp )([ c ]) = AN ([f ◦ c]) = Df (p) . Andersherum erhalten wir für [ĥ] ∈ Der(C ∞ (N )f (p) ): ˜ p ◦ Ap )([ c ])([ĥ]) = (df ˜ p · D[ c ] )([ ĥ ]) (df p M = Dp[ c ] ([ĥ ◦ f ]) = = d dt |t=0 (ĥ ◦ f )(c(t)) d dt |t=0 ĥ ◦ ((f ◦ c)(t)) [f ◦c] = Df (p) ([ĥ]) . 45 Sind D und Γ Derivationen auf M , so ist D ◦ Γ eine R-lineare Abbildung von C ∞ (M ) → C ∞ (M ), jedoch im Allgemeinen keine Derivation mehr, aufgrund der folgenden Identität: (D ◦ Γ)(f · g) = D((Γf ) · g + f · (Γg)) (D ◦ Γ)(f ) · g + f · (D ◦ Γ)(g) + Γ(f ) · D(g) + D(f ) · Γ(g) | {z } i.A. 6=0 Allerdings ist D ◦ Γ − Γ ◦ D eine Derivation. Definition 2.5.8 Seien X, Y ∈ X(M ). Dann bezeichnet [X, Y ] die Lieklammer von X und Y , wobei die entsprechende Derivation L[X,Y ] wie folgt definiert ist: L[X,Y ] := LX ◦ LY − LY ◦ LX . Für f ∈ C ∞ (M ) gilt also [X, Y ]f = X(Y (f )) − Y (X(f )). Wir berechnen die Lieklammer zweier Vektorfelder X, Y in lokalen Koordinaten (U, x). Es gelte X|U = n X ξi · ∂ ∂xi , Y = n X ηi · ∂ ∂xi n X [X, Y ] U = αi · , i=1 i=1 ∂ ∂xi . i=1 Dann erhalten wir nach (2.5) αk = [X, Y ](xk ) = X(Y (xk )) − Y (X(xk )) | {z } | {z } =ηk n X = = i=1 n X ξi · ξi · =ξk ∂ ∂xi ηk − n X ηi · ∂ ∂xi ξk i=1 ∂ηk ∂xi − i=1 n X ηi · ∂ξk ∂xi i=1 für alle q ∈ U . Wir erhalten [X, Y ](q) = n X n X k=1 ξi (q) · ∂ηk ∂xi (q) − ηi (q) · ∂ξk ∂xi (q) · i=1 ∂ ∂xk q . Beispiel: Für die Mannigfaltigkeit (Rn , ân ) ergibt sich also [X, Y ](v) = n X n X k=1 ξi (v) · ∂ηk ∂vi (v) − ηi (v) · ∂ξk ∂vi (v) · ek . i=1 Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften der Lieklammer zusammen. 46 (2.6) Lemma 2.5.9 Für die Lieklammer [ , ] : X(M ) × X(M ) → X(M ) gilt: (1) Die Lieklammer [ , ] ist bilinear und schiefsymmetrisch. (2) Die Lieklammer [ , ] erfüllt die Jacobi-Identität: Für alle X, Y, Z ∈ X(M ) gilt [X, [Y, Z]] + [Z, [X, Y ]] + [Y, [Z, X]] = 0 . (3) Für alle X, Y ∈ X(M ), h ∈ C ∞ (M ) gilt: [X, h · Y ] = X(h) · Y + h · [X, Y ] . [h · X, Y ] = −Y (h) · X + h · [X, Y ] . (4) In einer Kartenumgebung (U, x) von M gilt: h i ∂ ∂ , ∂xi ∂xj = 0 . Beweis. Punkt (1) ist klar und (2) folgt durch Nachrechnen. Zu (3): Es gilt [X, hY ](f ) = X(h · Y (f )) − h · Y (X(f )) = X(h) · Y (f ) + h · X(Y (f )) − h · Y (X(f )) = X(h) · Y (f ) + h · [X, Y ](f ) = (X(h) · Y + h · [X, Y ])(f ) und die zweite Identität folgt leicht aus (1). Zu (4): Sei (U, x) Karte und f ∈ C ∞ (M ). Wir hatten in (2.4) die Identität ∂(f ◦x−1 ) ∂ ◦ x gezeigt. Wir erhalten ∂xi f = ∂vi i h ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ (f ) = , f − f ∂xi ∂xj ∂xi ∂xj ∂xj ∂xi = ∂ 2 (f ◦x−1 ) ∂vi ∂vj ◦x− ∂ 2 (f ◦x−1 ) ∂vj ∂vi ◦ x = 0, da für differenzierbare Funktionen zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räume partielle Ableitungen vertauscht werden dürfen. Sei f : M → N eine differenzierbare Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Differenzierbare Vektorfelder X auf M und X̂ auf N heißen f -verwandt, falls gilt dfp (X(p)) = X̂(f (p)) für alle p ∈ M . Lemma 2.5.10 Sind X und Y Vektorfelder auf M , welche f -verwandt zu Vektorfeldern X̂ und Ŷ auf N sind, so ist auch die Lieklammer [X, Y ] von X und Y f -verwandt zur Lieklammer [X̂, Ŷ ] von X̂ und Ŷ . 47 Beweis. Es gilt für ĥ ∈ C ∞ (N ) und p ∈ M : [X̂, Ŷ ](f (p))([ĥ)]) = X̂(Ŷ (ĥ)) − Ŷ (X̂(ĥ)) (f (p)) = X̂(f (p))([Ŷ (ĥ)]) − Ŷ (f (p))([X̂(ĥ)]) = (dfp · X(p))([Ŷ (ĥ)]) − (df (p) · Y (p))([X̂(ĥ)]) = X(p)([Ŷ (ĥ) ◦ f ]) − Y (p)([X̂(ĥ) ◦ f ]) = X(p)([Y (ĥ ◦ f )]) − Y (p)([X(ĥ ◦ f )]) = X(Y (ĥ ◦ f )) − Y (X(ĥ ◦ f )) (p) = [X, Y ](p)([ĥ ◦ f ]) = (dfp · [X, Y ](p))([ĥ]) . Sei f : M → N ein Diffeomorphismus und X differnzierbares Vektorfeld auf M . Dann ist f∗ X := df ◦ X ◦ f −1 ein differenzierbares Vektorfeld auf N und X und f∗ X sind f -verwandt. Lemma 2.5.11 Für die lokalen Flüße {Φt } und {Ψt } von X beziehungsweise f∗ X gilt: Ψt = f ◦ Φt ◦ f −1 . Beweis. Sei p ∈ M und q = f (p) ∈ N . Dann gilt: d d |t=t0 (f ◦ Φt ◦ f −1 )(q) = df · |s=0 (Φs ◦ Φt0 ◦ f −1 )(q) dt ds = df · X (Φt0 ◦ f −1 )(q) = (df ◦ X ◦ f −1 )((f ◦ Φt0 ◦ f −1 )(q)) = (f∗ X)((f ◦ Φt0 ◦ f −1 )(q)) . Wir bemerken, dass obiges Lemma auch für lokale Diffeomorphismen richtig ist. Satz 2.5.12 Seien X und Y differenzierbare Vektorfelder auf M und bezeichne {Φt } den lokale Fluß von X. Dann gilt für p ∈ M : [X, Y ](p) = d dt |t=0 (dΦ−t )Φt (p) · Y (Φt (p)) . Beweis. Sei f ∈ C ∞ (M ), p ∈ M und U offene Umgebung von p. Sei ferner der lokale Fluß {Φt } definiert auf (−2ε, 2ε) × U . Dann existiert eine differenzierbare Funktion g : [−ε, ε] × U → R mit g0 = (Xf )|U und f ◦ Φt = f + t · gt 48 für t ∈ [−ε, ε]: Es gilt Z 1 d dµ f (Φt (p)) − f (p) = 0 Z f (Φµ·t (p)) dµ 1 d |σ=µ·t f (Φσ (p)) dµ t · dσ 0 Z 1 (Xf )(Φµ·t (p)) dµ . = t· = 0 R1 Somit erfüllt die Funktion g(t, p) := 0 (Xf )(Φµ·t (p)) dµ obige Identität. Wir erhalten (dΦ−t )Φt (p) · Y (Φt (p)) ([f ]) = Y (Φt (p))([f ◦ Φ−t ]) = Y (Φt (p))([f ]) − t · Y (Φt (p))([g−t ]) und es folgt [X, Y ](p)([f ]) = X(p)([Y f ]) − Y (p)([Xf ]) d = |t=0 (Y f )(Φt (p)) − Y (p)([g0 ]) dt (Y f )(Φt (p)) − (Y f )(p) = lim − Y (p)([g0 ]) t→0 t Y (Φt (p))([f ]) − t · Y (Φt (p))([g−t ]) − Y (p)([f ]) = lim t→0 t (dΦ−t ) · Y (Φ (p)) − Y (p) t Φt (p) = lim ([f ]) . t→0 t Da diese Identität für beliebige Funktionen f gilt, folgt die Behauptung. Wir erhalten folgende Charakteresierung von Vektorfeldern mit kommutierenden lokalen Flüssen. Lemma 2.5.13 Es seien X und Y differenzierbare Vektorfelder auf M mit lokalen Flüßen {Φt } und {Ψs }. Dann gilt [X, Y ] = 0 genau dann, wenn die Flüsse Φt und Ψs kommutieren, d.h. falls gilt Φt ◦ Ψs = Ψs ◦ Φt . Beweis. Wir nehmen zuerst an, dass die lokalen Flüße von X und Y kommutieren. Dann folgt [X, Y ](p) = = = d dt |t=0 (dΦ−t )Φt (p) d dt |t=0 (dΦ−t )Φt (p) d dt |t=0 (dΦ−t )Φt (p) = 0. 49 · Y (Φt (p)) d ds |s=0 Ψs (Φt (p)) d ◦ (dΦt )(p) · ds |s=0 Ψs (p) · Um die Umkehrung zu zeigen, nehmen wir nun [X, Y ] = 0 an. Sei p in M : Für die differenzierbare Kurve c : (−ε, ε) → Tp M ; t 7→ (dΦ−t )Φt (p) · Y (Φt (p)) gilt: c(t0 + s) − c(t0 ) s→0 s (dΦ−(t0 +s) ) · Y (Φt0 +s (p)) − (dΦ−t0 ) · Y (Φt0 (p)) = lim s→0 s (dΦ−s ) · Y (Φs (Φt0 (p))) − Y (Φt0 (p)) = (dΦ−t0 ) · lim s→0 s = (dΦ−t0 ) · [X, Y ](Φt0 (p)) c0 (t0 ) = lim = 0. Die Kurve c ist also konstant, d.h. es gilt (dΦ−t )Φt (p) · Y (Φt (p)) = Y (p), folglich Y (Φt (p)) = (dΦt )p · Y (p) . Nach Lemma 2.5.11 erhalten wir Ψs = Φt ◦ Ψs ◦ Φ−t , und es folgt die Behauptung. Einen Vektorraum L versehen mit einer schiefsymmetrischen Bilinearform [ , ] : L × L → L, welche der Jacobi-Identität genügt, nennt man Liealgebra und [ , ] Lieklammer. Wir hatten in Lemma 2.5.9 gezeigt, dass (X(M ), [ , ]) eine unendlich-dimensionale Liealgebra ist. Beispiele für endlich-dimensionale Liealgebren: (1) Sei V endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Dann ist L = End(V ) eine Liealgebra mit Lieklammer [A, B] = A ◦ B − B ◦ A. (2) Der Tangentialraum Te G einer Liegruppe G im Einselement e ∈ G ist in kanonischer Weise eine Liealgebra: Für v, w ∈ Te G betrachten wir die linksinvarianten Vektorfelder Xv (g) = (dLg )e · v , Xw (g) = (dLg )e auf G, Lg : G → G ; g̃ 7→ g · g̃, und definieren: [v, w]0 := [Xv , Xw ](e) , Die Biliniearform [ , ]0 auf Te G × Te G ist schiefsymmetrisch. Ebenso ist die Jacobi-Identität erfüllt: Ein Vektorfeld X ∈ X(G) ist linksinvariant genau dann, wenn X zu sich selbst Lg -verwandt ist, für alle g ∈ G. Somit ist nach Lemma 2.5.10 die Lieklammer linksinvarianter Vektorfelder wieder ein linksinvariantes Vektorfeld, d.h. es gilt [Xv , Xw ] = X[v,w]0 . 50 Wir erhalten [v, [w, z]0 ]0 = [Xv , [Xw , Xz ]](e) und obige Behauptung folgt. 3 3.1 Riemannsche Mannigfaltigkeiten Riemannsche Metriken und Isometrien Um Geometrie (Differentialgeometrie) betreiben zu können, müssen wir in der Lage sein, die Länge“ von Tangentialvektoren und den Winkel zwischen ” Tangentialvektoren zu messen. Ist dies möglich, so können Begriffe wie Kurvenlänge, kürzeste Verbindungskurve, Volumen von Teilmengen eingeführt werden. Vorbemerkung: Unter einem Skalarprodukt verstehen wir im Folgenden eine symmetrische, positiv definite Bilinearform auf einem reellen Vektorraum endlicher Dimension. Definition 3.1.1 Sei M n eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Riemannsche Metrik g ist eine Familie (gp )p∈M von Skalarprodukten gp : Tp M × Tp M → R , die in folgender Weise differenzierbar von p abhängen: Für jedes p ∈ M existiert eine Karte (U, x) um p, so dass die Koeffizientenfunktionen ∂ x ∂ : U → R ; p 7→ gp ∂x gij , i p ∂xj p der Metrik g bezüglich der Karte (U, x) differenzierbar sind für alle i, j ∈ {1, . . . , n}. x (p) ist die darstellende Matrix des Skalarproduktes g Die Matrix gij p ∂ ∂ bezüglich der Basis ( ∂x1 |p , ..., ∂xn |p ) von Tp M : gp n X i=1 ai · n X ∂ ∂xi p , bj · ∂ ∂xj p j=1 = n X x ai · bj · gij (p) i,j=1 x (p) g11 ... . .. .. = (a1 , . . . , an ) · . x gn1 (p) . . . x (p) g1n .. · . x gnn (p) b1 .. . . bn Lemma 3.1.2 Ist (Ũ , x̃) beliebige Karte von M , so sind die Koeffizientenx̃ : Ũ → R differenzierbar. funktionen gij 51 Beweis. Sei p ∈ Ũ und (U, x) Karte um p wie in Definition 3.1.1. Die Transformationsformel für Koordinatenvektorfelder besagte ∂ ∂ x˜i p = n X ∂(x k ◦x̃ ∂vi −1 ) (x̃(p)) · ∂ ∂xk p k=1 und es folgt x̃ (gij )(p) = n X x gkl (p) · ∂(xk ◦x̃−1 ) (x̃(p)) ∂vi · ∂(xl ◦x̃−1 ) (x̃(p)) ∂vj k, l=1 = x −1 D(x ◦ x̃−1 )T x̃(p) ◦ (grs (p)) ◦ D(x ◦ x̃ )x̃(p) ij . Also sind die Koeffizientenfunktionen einer Riemannschen Metrik bezüglich jeder Karte differenzierbar. Bemerkung: Ist die Metrik g auf M festgelegt, so schreiben wir auch v, w für gp (v, w), v, w ∈ Tp M , X, Y anstelle von g(X, Y ) für X, Y ∈ X(M ) und ferner X, Y p = gp (X, Y ) für gp (X(p), Y (p)). Auf einer Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) können wir nun die Norm von Tangentialvektoren v ∈ Tp M definieren q kvkp := gp (v, v) ≥ 0 und somit auch die Norm von differenzierbaren Vektorfeldern kXk : M → [0, ∞) ; p 7→ kX(p)k . Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung besagt, dass |hv, wi| ≤ |v| · |w| ist. Somit ist der Winkel zwischen zwei Vektoren v, w ∈ Tp M \{0} wohldefiniert: hv,wi ∠(v, w) := arccos |v|·|w| ∈ [0, π] . Lemma 3.1.3 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit und X, Y ∈ X(M ). Dann ist die Funktion g(X, Y ) : M → R differenzierbar. P ∂ Beweis. Sei (U, x) Karte von M . Dann gilt X|U = ni=1 ξi · ∂x und Y |U = i Pn ∂ j=1 ηj · ∂xj . Für p ∈ U erhalten wir g(X, Y )p = n X x (ξi · ηj · gij )(p) i,j=1 und es folgt die Behauptung. Umgekehrt kann man zeigen, dass eine Familie (gp )p∈M von Skalarprodukten eine Riemannsche Metrik auf M ist, wenn für alle differenzierbaren Vektorfelder X, Y die Funktion g(X, Y ) : M → R differenzierbar ist. 52 Definition 3.1.4 Seien (M, g) und (N, g̃) Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Dann nennt man einen Diffeomorphismus f : M → N Isometrie, falls für alle p ∈ M und alle v, w ∈ Tp M gilt: gp (v, w) = g̃f (p) (dfp · v, dfp · w) . (3.1) Ist f nur lokaler Diffeomorphismus und ist (3.1) erfüllt, so nennt man f lokale Isometrie. Riemannsche Mannigfaltigkeiten nennt man isometrisch, falls eine Isometrie zwischen beiden Mannigfaltigkeiten existiert. Beispiel: Es sei A ∈ O(n), b ∈ Rn und FA,b : Rn → Rn ; x 7→ A · x + b. Die folgende Rechnung wird zeigen, dass FA,b eine Isometrie des flachen Pn n Euklidischen Raumes (R , gst ) ist, wobei (gst )p (v, w) = i=1 vi · wi = hv, wi das Standardskalarprodukt auf Rn bezeichnet. Man beachte, dass wir im Rn den Tangentialraum Tp Rn mit Rn identifizieren vermittels der Abbildung n Θ−1 (id,p) . Es gilt nun für v, w ∈ R : (gst )FA,b (p) ((DFA,b )p · v, (DFA,b )p · w) = hA · v, A · wi = hv, wi = (gst )p (v, w) . Bemerkung: • Ist f Isometrie, so auch f −1 . ˜ Isometrien, so auch • Sind f : (M, g) → (N, g̃), h : (N, g̃) → (P, g̃) ˜ . h ◦ f : (M, g) → (P, g̃) • Insbesondere ist Isom(M, g) := {f : (M, g) → (M, g) | f Isometrie} eine Untergruppe der Diffeomorphismengruppe von M , die sogenannte Isometriegruppe von (M, g). Satz 3.1.5 (Myers-Steenrod, 1939) Die Isometriegruppe Isom(M, g) einer Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) ist eine Liegruppe, so dass die natürliche Aktion Isom(M, g) × M → M ; (f, p) 7→ f (p) differenzierbar ist. Man kann darüberhinaus zeigen, dass die Dimension der Isometriegruppe einer n-dimensionalen Riemannschen Mannigfaltigkeit nach oben beschränkt ist durch dim SO(n + 1) = 21 n(n + 1). 53 Definition 3.1.6 Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) heißt homogener Raum, falls Isom(M, g) transitiv auf M operiert, d.h. falls für alle Punktepaare (p, q) ∈ M × M eine Isometrie f existiert mit f (p) = q. Der euklidische Raum Rn versehen mit der Standardmetrik g0 = h · , · i0 ist ein homogener Raum, ebenso die runde Sphäre S n ⊂ Rn+1 . Definition 3.1.7 Eine zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) heißt symmetrischer Raum, falls für alle p ∈ M eine Isometrie sp existiert mit sp (p) = p , dsp = −id|Tp M . Existiert für alle p ∈ M eine solche Isometrie nur lokal, d.h. auf einer offenen Umgebung Up von p, so nennt man (M, g) lokal symmetrischen Raum. Später zeigen wir, dass sp ◦ sp = id gilt und dass symmetrische Räume homogen sind. Der euklidische Raum Rn versehen mit der Standardmetrik h · , · i0 und die runde Sphäre sind symmetrische Räume. Lemma 3.1.8 Sei f : M n → N m eine Immersion zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M n , N m , d.h. dfp : Tp M n → Tf (p) N m ist injektiv für alle p ∈ M n . Sei ferner g̃ Riemannsche Metrik auf N m . Dann wird durch (f ∗ g̃)p (v, w) := g̃f (p) (dfp · v, dfp · w) eine Riemannsche Metrik auf M n definiert. Man nennt f ∗ g̃ den Pullback von g̃ unter f . Beweis. Die symmetrische Bilinearform (f ∗ g̃)p ist ein Skalarprodukt auf Tp M n , da g̃f (p) ein Skalarprodukt auf Tf (p) N n ist und dfp linear und injektiv ist. Sei nun p ∈ M n und (U, x) Karte von M n um p und (V, y) Karte von m N um f (p) mit f (U ) ⊂ V . Dann gilt ∂ (f ∗ g̃)q ∂x |q , ∂x∂ j |q = i ∂ ∂ = gf (q) dfq · ∂x |q , dfq · ∂x |q i i = m X ∂(y◦f ◦x−1 )k (x(q)) ∂vi · ∂(y◦f ◦x−1 )l (x(q)) ∂vj y · gkl (f (q)) k,l=1 für 1 ≤ i, j ≤ n und es folgt die Behauptung. Im Falle n = m ist eine lokale Immersion f lokaler Diffeomorphismus, d.h. f : (M, f ∗ g̃) → (N, g̃) ist lokale Isometrie. Wir definieren nun die erste Fundamentalform von Untermannigfaltigkeiten M n im Rn+k : Sei c : (−ε, ε) → M n differenzierbare Kurve mit c(0) = 54 p. Ferner sei (U, x) Karte von M n um p, so dass f = x−1 : x(U ) → Rn+k eine Einbettung ist. Wegen c = f ◦ x ◦ c können wir c auch als differenzierbare Kurve c : (−ε, ε) → Rn+k auffassen. Die erste Fundamentalform g von M n ist nun wie folgt definiert: gp ([c], [d]) := hc0 (0), d0 (0)i0 . Nach obigem Lemma ist die erste Fundamentalform g eine Riemannsche Metrik auf M n , denn die Einbettung i : M n → Rn+k ; p 7→ p ist eine Immersion zwischen den differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M n und Rn+k , d.h. es gilt g = i∗ g0 . Alternativ kann man die Koeffizientenfunktionen der ersten Fundamentalform berechnen: Es gilt x ∂ ∂ gij (p) = gp ∂x , = Dfx(p) · ei , Dfx(p) · ej 0 . ∂xj i p p Wir notieren den folgenden Satz ohne Beweis: Satz 3.1.9 (Zerlegung der Eins) Sei M differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann besitzt M einen Atlas (Uα , xα )α∈I und differenzierbare Funktionen λα : Uα → [0, 1], so dass folgendes gilt: 1. Für α ∈ I gilt supp(λα ) ⊂ Uα . 2. Für alle p ∈ M existiert ein Umgebung Up von p, so dass nur endlich viele Indizes α ∈ I existieren mit Up ∩ Uα 6= ∅. 3. Für alle p ∈ M gilt X λα (p) = 1 . α∈I Man beachte, dass diese Summe für alle p ∈ M endlich ist. Ist M kompakte Mannigfaltigkeit, so kann ein endlicher Atlas mit obigen Eigenschaften gewählt werden. Satz 3.1.10 (Whitney‘s Einbettungssatz, 1936) Eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit M n ist diffeomorph zu einer abgeschlossenen n-dimensionalen Untermannigfaltigkeit des R2n+1 . Beweis. Wir zeigen hier nur, dass kompakte Mannigfaltigkeiten M n in Rn+k eingebettet werden können, für ein möglicherweise sehr großes k ∈ N. Es sei (Uα , xα , λα )α∈I eine Zerlegung der Eins von M n mit m = |I|. Wir setzen die differenzierbaren Funktionen λα : Uα → [0, 1] zu differenzierbaren Funktionen λα : M n → [0, 1] fort mit λα (q) = 0 für q 6∈ Uα . Ebenso fassen wir die Funktionen λα · xα : Uα → Rn als differenzierbare Funktionen von M n nach Rn auf. Wir setzen f : M n → Rm(n+1) ; p 7→ λ1 · x1 , ..., λm · xm , λ1 , ..., λm (p) . 55 Offenbar ist die Abbildung f differenzierbar. Die Abbildung f ist injektiv: Sei p, q ∈ M n mit f (p) = f (q). Dann gilt λi (p) = λi (q) für i = 1, ..., m, ferner existiert i0 ∈ I mit λi0 (p) > 0. Aus (λi0 · xi0 )(p) = (λi0 · xi0 )(q) folgt p = q. Die Abbildung f ist eine Immersion: Sei p ∈ M n . Dann existiert i ∈ M mit λi (p) > 0. Da (dxi )p : Tp M n → Txi (p) Rn ein Isomorphismus ist, ist die Abbildung f eine injektive Immersion. Aus der Tatsache, dass injektive Immersionen kompakter Mannigfaltigkeiten Einbettungen sind, folgt obige Behauptung. In einem vollständigen Beweis des Whitneyschen Einbettungssatzes für kompakte Mannigfaltigkeiten projeziert man obige Immersion auf einen geeigneten (2n + 1)-dimensionalen Unterraum von Rm(n+1) und zeigt, dass die entsprechende Abbildung immer noch eine Einbettung ist. Die Dimension des umgebenden Euklidischen Raums kann im Allgemeinen nicht wesentlich verringert werden: Man kann zeigen, dass der reell projektive Raum RP n für n = 2k nicht in den R2n−1 als Untermannigfaltigkeit eingebettet werden kann. Korollar 3.1.11 Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit existiert eine Riemannsche Metrik. Beweis. Es sei M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Nach Satz 3.1.10 existiert ein Diffeomorphismus f : M → M̃ auf eine ndimensionale Untermannigfaltigkeit M̃ des R2n+1 . Die erste Fundamentalform g̃ ist eine Riemannsche Metrik auf M̃ , und daher ist g = f ∗ g̃ eine Riemannsche Metrik auf M . Wir notieren den folgenden wesentlich schwerer zu beweisenden Einbettungssatz von Nash. Satz 3.1.12 (Nash‘s Einbettungssatz, 1956) Jede n-dimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit (M n , g) kann isometrisch in RN (n) eingebettet werden, mit 3 N (n) = (n + 1) · n(n + 1) + 4n . 2 Wir geben einige weitere Beispiele für Riemannschen Mannigfaltigkeit an: Ist M = V ⊂ Rn offen und sind differenzierbare Funktionen gij : V → R gegeben, 1 ≤ j, i ≤ n, so dass die Matrix (gij (v)) für alle v ∈ V positiv definit ist, dann wird durch n X gv (v˜1 , . . . , v˜n ), (w˜1 , . . . , w˜n ) := ṽi · w̃j · gij (v) i,j=1 56 eine Riemannsche Metrik g auf V definiert, ṽ, w̃ ∈ Tv Rn . Sind (M, g), (N, g̃) Riemannsche Mannigfaltigkeiten, so ist auch (M × N, g × g̃) Riemannsche Mannigfaltigkeit, wobei die Produktmetrik g × g̃ auf M × N wie folgt definiert ist: Es existiert ein kanonischer Isomorphismus T(p,q) (M × N ) ∼ = Tp M × Tq N . Wir schreiben also Tangentialvektoren in T(p,q) (M × N ) wie folgt (v, w) ∈ Tp M × Tq N = T(p,q) (M × N ) und definieren (g × g̃)(p,q) ((v, w), (ṽ, w̃)) := gp (v, ṽ) + g̃q (w, w̃) . Eine weitere Klasse Riemannscher Metriken wird in folgendem Satz beschrieben: Satz 3.1.13 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit und G Untergruppe von Isom(M, g), welche frei und eigentlich diskontinuierlich auf M operiert. Dann existiert genau eine Riemannsche Metrik ḡ auf dem Bahnenraum M/G, so dass die Projektion π : (M, g) → (M/G, ḡ) lokale Isometrie ist. Beweis. Sei [ p ] ∈ M/G. Die Abbildung dπp : Tp M → T[ p ] M/G ist linearer Isomorphismus, da π lokaler Diffeomorphismus ist, Auf T[ p ] M/G können wir also ein Skalarprodukt definieren vermittels ḡ[ p ] (v̄, w̄) := gp (dπp )−1 (v̄), (dπp )−1 (w̄) , v̄, w̄ ∈ T[ p ] M/G . Die Definition von ḡ[ p ] hängt nicht vom Repräsentanten p von [ p ] ab: Ist etwa q = ρ(h)(p), so folgt aus π = π ◦ ρ(h) die Identität dπp = dπq ◦ dρ(h)p . Da G isometrisch auf (M, g) operiert, folgt diese Behauptung. Wir müssen noch zeigen, dass für jedes [ p ] ∈ M/G eine Karte (Ū , x̄) um [ p ] existiert, so dass die Koeffizientenfunktionen x̄ (ḡij )([ p ]) = ḡ[ p ] ∂∂x̄i , ∂∂x̄j [p] [p] differenzierbare Funktionen sind. Sei hierzu p ∈ M und (U, x) Karte von M um p. Wir können annehmen, dass π|U : U → π(U ) Diffeomorphismus ist. Damit ist (π(U ), x ◦ (π|U )−1 ) Karte von M/G um [ p ]. Wir setzen x̄ := x ◦ (π|U )−1 . Es folgt ∂ ∂ = dπ · p ∂ x¯i ∂xi [q] q 57 und wir erhalten x̄ (ḡij )([ q ]) = gq (dπq )−1 dπq ∂ ∂ = gq ∂x , ∂xj i q ∂ ∂xi q , (dπq )−1 dπq ∂ ∂xj q q x = (gij ◦ (π|U )−1 )([ q ]) , womit die Behauptung folgt. Beispiele: Der reell-projektive Raum RP n = S n /{±id}, versehen mit der von der ersten Fundamentalform von S n induzierten Metrik: π (S n , ·, · 0 |T S n ×T S n ) −→ (S n /{±id}, ḡ) . Allgemeinere Beispiele sind die Linsenräume (vom Typ (p, q1 , . . . , qk )): π S 2k−1 , ·, · 0 |T S 2k−1 ×T S 2k−1 −→ (L(p, q1 , . . . , qk ), ḡ) . Wir betrachten nun eine weiter große Klasse Riemannscher Metriken: Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit und f ∈ C ∞ (M ) mit f (p) > 0 für alle p ∈ M . Dann wird durch g̃f (p) := f (p) · gp eine Riemannsche Metrik auf M definiert. Man nennt g̃f eine konforme Variation von g. Die Menge der Riemannschen Metriken Cg := {g̃f = f · g | f ∈ C ∞ (M ) , f > 0} nennt man die konforme Klasse der Riemannschen Metrik g. Man beachte, dass sich für alle Metriken einer konformen Klasse der Zwischenwinkel zweier Tangentialvektoren nicht ändert, wohl aber deren Länge. 3.2 Riemannsche Abstandsfunktion In diesem Abschnitt werden wir jeder Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) eine Metrik dg : M × M → R zuordnen. Definition 3.2.1 Eine Kurve c : [a, b] → M heißt differenzierbar, falls eine differenzierbare Fortsetzung ĉ : I ⊃ [a, b] → M von c existiert mit I ⊂ R offen. Für t ∈ [a, b] setzen wir c0 (t) := ĉ0 (t) ∈ Tc(t) M . Ferner definieren wir die Kurvenlänge L(c) von c wie folgt: Z b 0 c (t) dt , L(c) := a q wobei kc0 (t)k = gc(t) (c0 (t), c0 (t)). 58 Für differenzierbare Kurven ist der Tangentialvektor c0 (t) und die Kurvenlänge L(c) wohldefiniert. Die Kurvenlänge L(c) ist ferner invariant unter Umparametrisierung der Kurve c. Eine Kurve c : [a, b] → M nennt man stückweise differenzierbar, falls eine Unterteilung a = t0 < · · · < tN = b von [a, b] existiert, so dass c|[ti−1 ,ti ] differenzierbar ist für i = 1, . . . , N . Wir setzen: L(c) := N X L(c|[ti−1 ,ti ] ) . i=1 Die Kurvenlänge stückweise differenzierbarer Kurven ist wohldefiniert. Bemerkung: Sei (U, x) Karte mit Bild(c) ⊂ U und c̃(t) = (x ◦ c)(t) ∈ Rn . P ∂ und wir erhalten Dann gilt c0 (t) = ni=1 c̃i (t) · ∂x i c(t) L(c) = Z b X n a 1 2 x dt . c̃0i (t) · c̃0j (t) · gij (c(t)) i,j=1 Lemma 3.2.2 Sei f : (M n, g) → (N n, g̃) differenzierbare Abbildung. Dann erhält f Kurvenlängen genau dann, wenn f eine lokale Isometrie ist. Beweis. Dass lokale Isometrien Kurvenlängen erhalten ist klar. Sei nun umgekehrt f : (M n , g) → (N n , g̃) differenzierbare Abbildung, die Kurvenlängen erhält. Ferner sei c : [0, ε] → M differenzierbare Kurve, t ∈ [0, ε]. Dann gilt: Z t Z t 0 dfc(s) · c0 (s) ds . c (s) ds = L(c|[0, t] ) = L(f ◦ c|[0, t] ) = g g̃ 0 0 Insbesondere ergibt sich = dfc(0) · c0 (0)g̃ , d.h. f erhält die Länge von Tangentialvektoren. Aus der (für alle Skalarprodukte gültigen) Identität kc0 (0)kg 1 v, w = (kv + wk2 − kvk2 − kwk2 ) 2 folgt die Behauptung (Umkehrsatz auf Mannigfaligkeiten). Nun können wir die eingangs angekündigte Metrik dg auf M definieren. Definition 3.2.3 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann ist die Riemannsche Abstandsfunktion auf (M, g) wie folgt definiert: dg : M × M → R ∪ {∞} ; (p, q) 7→ inf{L(c) | c : p q stückweise differenzierbare Kurve} In obiger Definition setzen wir inf(∅) = +∞. Beispiele: Für die flache Standardmetrik g0 auf Rn ist gerade dg0 (x, y) = kx − yk0 . Für die runde Standardmetrik gStd auf der Sphäre S n ⊂ Rn vom Radius eins kann man die Riemannsche Abstandsfunktion ebenfalls explizit angeben: Es gilt dgStd (v, w) = arccos(hv, wi0 ). 59 Lemma 3.2.4 Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann gilt für alle (p, q) ∈ M × M : dg (p, q) < ∞. Beweis. Sei p ∈ M . Wir zeigen, dass die Menge U (p) := {q ∈ M | ∃ c : p q stückw. diffb. Kurve} nichtleer und offen ist. Sei (U, x) Karte von M um p mit x(U ) ⊂ Rn konvex. Es gilt U ⊂ U (p): für m ∈ U definieren wir den differenzierbaren Weg c(t) := x−1 ((1 − t) · x(p) + t · x(m)) zwischen p und m. Es folgt U (p) 6= ∅. Sei nun q ∈ U (p), d.h. es existiert ein stückweise differenzierbarer Weg c:p q. Wie eben folgt die Existenz einer offenen Umgebung Ũ von q mit Ũ ⊂ U (p), d.h. U (p) ist offen. Ebenso zeigt man, dass M \U (p) offen ist. Es folgt die Behauptung. Satz 3.2.5 Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann ist die Riemannsche Abstandsfunktion dg : M × M → R eine Metrik auf M . Beweis. Seien p, q, r ∈ M . (1) Es gilt dg (p, q) ≥ 0 und dg (p, p) = 0 Sei umgekehrt p, q ∈ M mit p 6= q. Zu zeigen ist dg (p, q) > 0. Wir können annehmen, dass p, q in einer Kartenumgebung U enthalten sind mit x(U ) = Bε (0) = {v ∈ Rn | kvk < ε}, x(p) = 0 und x(q) 6∈ K = Bε/2 (0). Die Metrik (x−1 )∗ (g|U ) auf x(U ) bezeichnen wir mit g̃. Da K kompakt ist, existiert δ > 0 mit g̃v (ṽ, ṽ) ≥ δ 2 ·hṽ, ṽi0 für alle v ∈ K und ṽ ∈ Tv Rn . Für jede stückweise differenzierbare Kurve c : [a, b] → x(U ) mit c(a) = 0 und c(b) = x(q) existiert t0 ∈ (a, b) mit c(t0 ) ∈ ∂K. Es folgt Z b kc0 (t)kg dt Z t0 ≥ δ· kc0 (t)k0 dt a Z t0 ≥ δ· c0 (t) dt L(c) = a ε ≥ δ· . 2 a 0 (2) Es gilt dg (p, q) = dg (q, p): Sei c : [0, b] → M stückweise differenzierbare Kurve zwischen p und q. Dann ist c− : [0, b] → M ; t 7→ c(b − t) stückweise differenzierbare Kurve zwischen q und p mit L(c) = L(c− ). (3) Sei ε > 0 und seien c, c̃ : [0, 1] → M stückweise differenzierbare Kurven mit c(0) = p, c(1) = q, L(c) < dg (p, q) + 2ε und c̃(0) = q, c̃(1) = 60 r , L(c̃) < dg (q, r)+ 2ε . Dann ist (c̃∗c) : [0, 1] → M stückweise differenzierbare Kurve in M zwischen p und r und es gilt: L(c ∗ c̃) = L(c) + L(c̃) ≤ dg (p, q) + dg (q, r) + ε . Da ε > 0 beliebig gewählt war, folgt dg (p, r) ≤ dg (p, q) + dg (q, r). Korollar 3.2.6 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann stimmen die Mannigfaltigkeitstopologie und die durch dg induzierte Topologie auf M überein. Definition 3.2.7 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Eine stückweise differenzierbare Kurve c : [a, b] → M, c(a) = p, c(b) = q, nennt man Kürzeste (kürzeste Kurve) zwischen p und q, falls gilt dg (p, q) = L(c) . Später zeigen wir, dass Kürzeste (falls sie existieren) schon differenzierbar sind. 3.3 Tensoren Sei im Folgenden M differenzierbare Mannigfaltigkeit. Definition 3.3.1 Sei (E, M, π) Vektorraumbündel über M . Ein Tensor T vom Typ (r, E), r ∈ N, ist eine R-multilineare Abbildung T : X(M ) × · · · × X(M ) → Γ(E) , | {z } r×mal welche C ∞ (M )-linear in jedem Argument ist. Für X1 , . . . , Xr ∈ X(M ) und f ∈ C ∞ (M ) gilt also T (X1 , . . . , f · Xi , . . . , Xr ) = f · T (X1 , . . . , Xr ) für i = 1, . . . , n. Im Fall Γ(E) = C ∞ (M ) nennt man T einen (r, 0)-Tensor (in manchen Büchern auch (0, r)-Tensor). Im Fall Γ(E) = X(M ) nennt man T einen (r, 1)-Tensor. Beispiele für Tensoren: • Die Riemannsche Metrik g ist ein (2, 0)-Tensor, denn g ist C ∞ (M )bilinear und für X, Y ∈ X(M ) gilt: g(X, Y ) ∈ C ∞ (M ) . • Die Abbildung idX(M ) : X(M ) → X(M ) ; X 7→ X ist ein (1, 1)-Tensor. 61 • L• f : X(M ) → C ∞ (M ) ; X 7→ LX f ist für f ∈ C ∞ (M ) ein (1, 0)Tensor. Lemma 3.3.2 Sei T ein Tensor vom Typ (r, E). Dann hängt für p ∈ M der Wert T (X1 , . . . , Xr )(p) ∈ Ep nur von den Vektoren X1 (p), . . . , Xr (p) ∈ Tp M ab. Beweis. Sei p ∈ M und X1 , . . . , Xr , X̃1 , . . . , X̃r ∈ X(M ) mit Xi (p) = X̃i (p) für i = 1, . . . , r. Sei ferner (U, x) Karte um p und φ ∈ C ∞ (M ) mit φ(p) = 1 ∂ auf U lassen sich und supp(φ) ⊂ U . Die differenzierbaren Vektorfelder φ · ∂x i zu differenzierbaren Vektorfeldern auf M fortsetzen (welche wir wieder mit ∂ φ · ∂x bezeichnen). Somit existieren differenzierbare Funktionen ξji : M → R i mit n X φ · Xi = ξji · φ · ∂x∂ j j=1 und wir erhalten T (X1 , . . . , Xr )(p) = = φ(p)r · T (X1 , . . . , Xr )(p) = T (φ · X1 , . . . , φ · Xr )(p) n X = ξi11 (p) · · · · · ξirr (p) · T (φ · i1 ,...,ir =1 Aus der Identität Xi (p) = n X ξji (p) · ∂ ∂xi1 , . . . , φ · ∂ ∂xir )(p) . ∂ ∂xj |p j=1 folgt, dass die Koeffizienten ξji (p), 1 ≤ j ≤ n, nur von Xi (p) abhängen. Da nach Voraussetzung Xi (p) = X̃i (p) gilt, erhalten wir die Behauptung. Tensoren T vom Typ (r, E) können wir nach obigem Lemma als Familie (Tp )p∈M von multilinearen Abbildungen Tp : Tp M × · · · × Tp M → Ep ; (v1 , . . . , vr ) 7→ T (X1 , . . . , Xr )(p) auffassen (mit differenzierbaren Fortsetzungen Xi ∈ X(M ) von vi , i = 1, . . . , r, d.h. Xi (p) = vi ), die im folgenden Sinne differenzierbar von p abhängen: Sind X1 , ..., Xr differenzierbare Vektorfelder auf M , so ist die Abbildung σ : M → E ; p 7→ Tp (X1 (p), . . . , Xr (p)) ein differenzierbarer Schnitt, d.h. σ ∈ Γ(E). 62 4 Kovariante Ableitungen In Abschnitt 2.5 hatten wir jeder C ∞ -Funktion f : M → R eine Richtungsableitung LX f = X(f ) ∈ C ∞ (M ) in Richtung eines differenzierbaren Vektorfeldes X ∈ X(M ) zugeordnet. Nun möchten wir einem Vektorfeld und ganz allgemein einem Schnitt eines differenzierbaren Vektorraumbündels über M eine Richtungsableitung in Richtung eines differenzierbaren Vektorfeldes X zuordnen. 4.1 Levi-Civita-Ableitung des Tangentialbündels In diesem Abschnitt zeigen wir, dass auf dem Tangentialbündel einer Riemannschen Mannigfaltigkeit in kanonischer Weise Richtungsableitungen von Vektorfeldern definiert werden können. Definition 4.1.1 Sei M differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine R-bilineare Abbildung ∇ : X(M ) × X(M ) → X(M ) nennt man kovariante Ableitung auf T M falls gilt: (1) ∇ ist tensoriell in der ersten Komponente, d.h. es gilt ∇f X Y = f · ∇ X Y für f ∈ C ∞ (M ), X, Y ∈ X(M ). (2) ∇ ist derivativ in der zweiten Komponente, d.h. es gilt ∇X (f Y ) = X(f ) · Y + f · ∇X Y für f ∈ C ∞ (M ), X, Y ∈ X(M ). Man nennt eine kovariante Ableitung auf dem Tangentialbündel T M (oder einfach auf M ) auch linearen Zusammenhang. Bemerkung: Für Y ∈ X(M ) ist ∇• Y : X(M ) → X(M ) ein (1, 1)-Tensor. Da eine kovariante Ableitung ∇ tensoriell in der ersten Komponente ist, hängt (∇X Y )(p) nur von X(p) ab. Wir definieren daher für v ∈ Tp M ∇v Y := (∇X Y )(p) , für X ∈ X(M ) mit X(p) = v. Da eine kovariante Ableitung ∇ eine Derivation in der zweiten Komponente ist, hängt (∇X Y )(p) nur von der Einschränkung von Y auf eine beliebig kleine Umgebung Uε von p ab: Sei φ ∈ C ∞ (M ) mit supp(φ) ⊂ Uε 63 und φ ≡ 1 nahe p. Sei ferner Ỹ differenzierbares Vektorfeld mit Y |Uε = Ỹ |Uε . Dann gilt φ · Y = φ · Ỹ und es folgt (∇X Y )(p) = (Xφ)(p) ·Y (p) + φ(p) ·(∇X Y )(p) | {z } |{z} =0 (2) = =1 (∇X (φY ))(p) = (∇X (φỸ ))(p) = · · · = (∇X Ỹ )(p) . Wir definieren einige weitere Eigenschaften kovarianter Ableitungen: (3) Man nennt eine kovariante Ableitung ∇ auf M torsionsfrei, falls für alle X, Y ∈ X(M ) gilt T (X, Y ) := ∇X Y − ∇Y X − [X, Y ] = 0 . Man kann leicht zeigen, dass T ein (2, 1)-Tensor ist, der sogenannte Torsionstensor. (4) Sei nun (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann nennt man eine kovariante Ableitung ∇ auf M metrisch, falls für alle X, Y, Z ∈ X(M ) gilt: Xg(Y, Z) = g(∇X Y, Z) + g(Y, ∇X Z) . Satz 4.1.2 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann existiert genau eine kovariante Ableitung auf M , welche torsionsfrei und metrisch ist, die Levi-Civita-Ableitung ∇ = ∇g . Beweis. Wir zeigen zuerst die Eindeutigkeit einer solchen kovarianten Ableitung ∇ auf M . Da nach Voraussetzung ∇ metrisch ist, erhalten wir für X, Y, Z ∈ X(M ) folgende Identitäten: X Y, Z = ∇X Y, Z + Y, ∇X Z −Z X, Y = − ∇Z X, Y − X, ∇Z Y Y Z, X = ∇Y Z, X + Z, ∇Y X Summation ergibt X Y, Z − Z X, Y + Y Z, X = ∇X Y, Z + Z, ∇Y X − ∇Z X, Y + Y, ∇X Z + ∇Y Z, X − X, ∇Z Y (3) = 2 ∇X Y, Z − [X, Y ], Z − [Z, X], Y + [Y, Z], X und wir erhalten die Koszul-Formel 2 ∇X Y, Z = + X Y, Z − Z X, Y + Y Z, X + [X, Y ], Z + [Z, X], Y − [Y, Z], X , 64 die ∇ eindeutig festlegt. Nun kommen wir zur Existenz einer solchen kovarianten Ableitung: Man rechnet nach, dass die Koszul-Formel eine kovariante Ableitung ∇ auf M definiert, welche torsionsfrei und metrisch ist. Sei (U, x) Karte von M und ∂x∂ 1 , . . . , ∂x∂n : U → T U die entsprechenden Koordinatenvektorfelder. Da ∇ = ∇g derivativ in der zweiten Komponente ist, sind die Terme ∇ ∂ ∂x∂ j wohldefiniert, 1 ≤ i, j ≤ n. ∂xi Definition 4.1.3 Die Christoffelsymbole Γkij , 1 ≤ i, j, k ≤ n, sind definiert durch n X ∂ ∇ ∂ ∂xj = Γkij · ∂x∂ k . ∂xi k=1 Da die Levi-Civita-Ableitung torsionsfrei ist, gilt ∂ ∂ 0 = T ∂x , i ∂xj h i ∂ ∂ ∂ = ∇ ∂ ∂x∂ j − ∇ ∂ ∂x − , ∂xi ∂xj i ∂xi ∂xj | {z } =0 = n X (Γkij − Γkji ) ∂x∂ k k=1 und wir erhalten für 1 ≤ i, j, k ≤ n Γkij = Γkji (4.1) Man zeigt leicht, dass eine kovariante Ableitung auf T M genau dann torsionsfrei ist, wenn Bedingung (4.1) erfüllt ist. Wir berechnen nun die Christoffelsymbole mit Hilfe der Koszul-Formel, wobei wir folgende Schreibweisen einführen: −1 x kl ∂ ∂ ∂ gij = gij = g ∂x , , g := g , g := g . ij ij, k kl ∂x ∂x i j k Für ein differenzierbares Vektorfeld X= n X ξk · ∂ ∂xk k=1 auf U erhalten wir dann folgende Identität für die Koeffizienten ξk : ξk = n X ∂ g kl · g X, ∂x . l l=1 65 ∂ ∂ Aus der Koszul-Formel folgt wegen [ ∂r , ∂s ] = 0 ∇ ∂ ∂ ∂ ∂xj , ∂xk ∂xi 1 = (gjk, i − gij, k + gki, j ) , 2 und es ergibt sich folgende Identität für die Christoffelsymbole: Γkij = n 1 X kl · g · (gjl, i − gij, l + gli, j ) . 2 l=1 Insbesondere folgt Γkij ∈ C ∞ (U ). Bemerkung: Die Christoffelsymbole bestimmen die kovariante Ableitung ∇ auf der Kartenumgebung U , denn es gilt: ∇Pn ∂ i=1 ξi · ∂xi 4.2 n X j=1 ηi · ∂ ∂xj = n X ξi · n X i=1 ∂ ∂ ∂xi ηj ∂xj j=1 + ηj · ∇ ∂ ∂ ∂xj ∂xi . Die Levi-Civita-Ableitung für Untermannigfaltigkeiten Im Folgenden bezeichnen wir mit ∇0 den Levi-Civita-Zusammenhang auf (Rn+k , g0 ), wobei g0 das Standardskalarprodukt auf Rn+k bezeichne. Wir werden zeigen, dass für differenzierbare Vektorfelder X, Y auf Rn+k folgende Identität gilt: (∇0X Y )(p) = DYp · X(p) . Hierzu setzen wir (∇X Y )(p) = DYp · X(p) und zeigen, dass ∇ ein metrischer und torsionsfreier Zusammenhang auf (Rn+k , g0 ) ist. Aus der Eindeutigkeit der Levi-Civita-Ableitung folgt dann ∇ = ∇0 . Dass ∇ tensoriell im ersten und derivativ im zweiten Argument ist, ist klar. Der Beweis, dass ∇ metrischer Zusammenhang ist, folgt leicht (siehe Punkt (3) auf der folgende Seite). Zur Torsionsfreiheit: Aus der Formel (2.6) für die Lie-Klammer von X und Y in lokalen Koordinaten folgt ∇0X Y − ∇0Y X − [X, Y ] = 0 . Sei M n eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn+k versehen mit der ersten Fundamentalform g = i∗ g0 , i : M n → Rn+k Einbettung. Sei ferner X̂ : Rn+k → Rn+k tangentiales Vektorfeld längs M , d.h. X̂(p) ∈ Tp M n ⊂ Rn+k für p ∈ M n . Dann definiert die Einschänkung X := X̂|M n ein differenn+k zierbares Vektorfeld auf der abstrakten Mannigfaltigkeit (M n , aM n ), welches wir wieder mit X bezeichnen. Umgekehrt kann man zeigen, dass jedes diffen+k renzierbare Vektorfeld X auf (M n , aM n ) Einschränkung eines tangentialen n Vektorfeldes X̂ längs M ist. Seien X̂, Ŷ tangentiale Vektorfelder längs M n und X := X̂|M n , Y := Ŷ |M n . Wir definieren: (∇X Y )(p) := prTp M n DŶp · X(p) ∈ Tp M n . 66 Ist c : (−ε, ε) → M n differenzierbar mit c(0) = p und c0 (0) = X(p), so folgt n d (Ŷ ◦ c)(t) Tp M := prT M n d (Ŷ ◦ c)(t) . (∇X Y )(p) = dt p dt t=0 | t=0 {z } =(Y ◦c)(t) Dies zeigt die Wohldefiniertheit von (∇X Y )(p). Ferner kann man zeigen, dass ∇X Y ein differenzierbares Vektorfeld auf M n ist. Die Abbildung ∇ besitzt folgende Eigenschaften: ∇ ist R-bilinear, ∇ ist tensoriell in der ersten und derivativ in der zweiten Komponente, denn es gilt: (∇X (f Y ))(p) = n d (f · Y )(c(t)) Tp M = dt t=0 n d (f ◦ c)(t) · [Y (p)]Tp M n + f (p) · d (Y ◦ c)(t) Tp M = dt dt t=0 t=0 = (X(f ) · Y + f · ∇X Y )(p) . Folglich ist ∇ kovariante Ableitung. Wir zeigen nun, dass ∇ metrisch ist: (Xg(Y, Z))(p) = d = dt Y (c(t)), Z(c(t)) 0 t=0 d (Y ◦ c)(t), Z(p) + Y (p), d (Z ◦ c)(t) = dt dt t=0 t=0 0 0 = g((∇X Y )(p), Z(p)) + g(Y (p), (∇X Z)(p)) . Zur Torsionsfreiheit von ∇: Für den Fall k > 1 ergibt sich durch Einschränkung obiger Identität ∇0X̂ Ŷ − ∇0Ŷ X̂ − [X̂, Ŷ ] = 0 auf M n die Identität ∇X Y − ∇Y X − prT M [X̂, Ŷ ] = 0 . Die Vektorfelder X und X̂, beziehungsweise Y und Ŷ sind i-verwandt, für die Einbettung i : M n → Rn+k . Es folgt für p ∈ M n [X̂, X̂](p) = [X, Y ](p), d.h. prT M [X̂, Ŷ ] = [X, Y ] . Folglich ist ∇ die Levi-Civita-Ableitung von (M n , g). Wir haben also gesehen, dass die Levi-Civita-Ableitung ∇0 auf (Rn+k , g0 ) in kanonischer Weise eine Levi-Civita-Ableitung auf Untermannigfaltigkeiten induziert. Ganz allgemein gilt: Lemma 4.2.1 Sei (N, ĝ) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Levi-Civita-Ableitung ∇N . Ferner sei M Untermannigfaltigkeit von N versehen mit der ersten Fundamentalform g = i∗ ĝ. Dann ist die Levi-Civita-Ableitung ∇ von (M, g) gegeben durch ∇X Y := prT M ∇N X Ŷ ) für X, Y ∈ X(M ), Ŷ ∈ X(N ) mit Y = Ŷ |M . 67 Beispiel: Wir betrachten folgendes Beispiel: S 3 = {x ∈ R4 | kxk = 1}. Ferner identifizieren wir R4 mit dem Quaternionenschiefkörper H: R4 ∼ = H = {p1 · 1 + p2 · i + p3 · j + p4 · k | p1 , p2 , p3 , p4 ∈ R} . Die Vektorfelder X̂i , X̂j , X̂k , definiert durch −p4 −p3 −p2 −p3 p4 p1 X̂i (p) := i·p = −p4 , X̂j (p) := j ·p = p1 , X̂k (p) := k ·p = p2 p1 −p2 p3 sind differenzierbare Abbildungen auf H mit X̂i (p) , X̂j (p) , X̂k (p) ⊥ p für alle p ∈ H. Für p ∈ S 3 folgt X̂i (p) , X̂j (p) , X̂k (p) ∈ Tp S 3 . Damit sind die Einschränkungen von X̂i , X̂j ,X̂k auf S 3 tangentiale Vektorfelder auf S 3 , welche wir mit Xi , Xj , Xk bezeichnen. Für p ∈ S 3 erhalten wir: 3 3 (∇Xi Xj )(p) = [(DX̂j )p · Xi (p)]Tp S = [ j · i ·p]Tp S = −Xk (p) . |{z} −k Ebenso folgt ∇Xi Xk = Xj und ∇Xj Xk = −Xi und 3 (∇Xi Xi )(p) = (∇Xj Xj )(p) = (∇Xk Xk )(p) = [k · k · p]Tp S = 0 . (4.2) Aus der Torsionsfreiheit der Levi-Civita-Ableitung ergibt sich ∇Xi Xj − ∇Xj Xi − [Xi , Xj ] = 0 und wir erhalten [Xi , Xj ] = −Xk − Xk = −2Xk und entsprechend [Xi , Xk ] = 2 · Xj , [Xj , Xk ] = −2 · Xi . Die Mannigfaltigkeit S 3 ist eine Liegruppe und Xi , Xj , Xk sind rechtsinvariante Vektorfelder auf S 3 . Die rechtsinvarianten Vektorfelder auf S 3 induzieren eine Liealgebrenstruktur auf T1 S 3 = spanR (i, j, k) = R3 vermittels [v, w]r0 := [Xvr , Xwr ](e) , v, w ∈ T1 S 3 , Xvr , Xwr rechtsinvariante Vektorfelder mit Xvr (1) = v, Xwr (1) = w. Obige Rechnung zeigt [v, w]r0 = −(v · w − w · v) . 68 4.3 Kovariante Ableitungen auf Vektorraumbündeln Wir betrachten in diesem Abschnitt kovariante Ableitungen über beliebigen Vektorraumbündeln (E, M, π) über M . Definition 4.3.1 Eine R-bilineare Abbildung ∇ : X(M ) × Γ(E) → Γ(E) ; (X, s) 7→ ∇X s heißt kovariante Ableitung auf E, falls gilt: (1) ∇ ist tensoriell in der ersten Komponente, d.h. ∇f X s = f · ∇ X s für alle f ∈ C ∞ (M ), X ∈ X(M ), s ∈ Γ(E). (2) ∇ ist derivativ in der zweiten Komponente, d.h. ∇X (f · s) = X(f ) · s + f · ∇X s für alle f ∈ C ∞ (M ), X ∈ X(M ), s ∈ Γ(E). Wir haben bereits einige Beispiele von kovarianten Ableitungen auf Vektorraumbündeln kennengelernt: • Sei E = M × R das triviale Bündel über M mit Faserdimension eins. Dann galt Γ(E)“=“C ∞ (M ) und ∇X f := LX f ∈ C ∞ (M ) ist eine kovariante Ableitung auf E = M × R. • Sei M = Rn und E = Rn × Rn das triviale Bündel über M mit Faserdimension n. Ein Schnitt s ∈ Γ(E) ist gegeben durch s = (s1 , . . . , sn )T mit si : Rn → R differenzierbar, 1 ≤ i ≤ n. Dann ist (∇X s)(p) := Dsp · X(p) eine kovariante Ableitung auf E. • Für eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) ist die Levi-Civita-Ableitung ∇ = ∇g eine kovariante Ableitung auf T M . ˜ kovariante Ab• Seien nun E, Ẽ Vektorraumbündel über M und ∇, ∇ leitungen auf E, Ẽ. Wir setzen [ Hom(E, Ẽ) = Hom(Ep , Ẽp ), p∈M wobei Hom(Ep , Ẽp ) den Vektorraum der linearen Abbildungen von Ep nach Ẽp bezeichnet. Man kann (leicht) zeigen, dass Hom(E, Ẽ) wieder ein Vektorraumbündel über M ist. 69 Wir führen eine kovariante Ableitung ∇H auf Hom(E, Ẽ) wie folgt ein: Für φ ∈ Γ(Hom(E, Ẽ)), s ∈ Γ(E), X ∈ X(M ) setzen wir ˜ (∇H X φ)(s) := ∇X φ(s) − φ(∇X s) . Wir zeigenals erstes (∇H X φ) ∈ Γ(Hom(E, Ẽ)), d.h. für p ∈ M hängt (∇H φ)(s) (p) nur von s(p) ab. Um dies einzusehen, zeigen wir das X (∇H φ) tensoriell in s ist: Für f ∈ C ∞ (M ) gilt nämlich X ˜ (∇H X φ)(f · s) = ∇X φ(f · s) − φ(∇X (f · s)) ˜ X (f · φ(s)) − φ(X(f ) · s + f · ∇X s) =∇ ˜ X φ(s) − X(f ) · φ(s) − f · φ(∇X s) = X(f ) · φ(s) + f · ∇ = f (∇H X φ)(s) , Ferner ist die kovariante Ableitung ∇H tensoriell im ersten Argument H ˜ (∇H f ·X φ)(s) = ∇f ·X φ(s) − φ(∇f ·X s) = f · (∇X φ)(s) und derivativ im zweiten Argument ˜ (∇H X (f · φ))(s) = ∇X ((f · φ)(s)) − (f · φ)(∇X s) ˜ X (f · φ(s)) − f · φ(∇X s) = ∇ ˜ X φ(s) − φ(∇X s)) = X(f ) · φ(s) + f · (∇ = (X(f ) · φ + f · ∇H X φ)(s) . Wir kommen nun zu Besonderheiten von kovarianten Ableitungen gegenüber der gewöhnlichen Ableitung im Rn . Kovariante Ableitungen sind nicht mehr eindeutig bestimmt. Zum Beispiel sind im Allgemeinen die LeviCivita-Ableitungen ∇g , ∇g̃ auf T M für unterschiedliche Riemannsche Me˜ kovariante Ableitungen auf triken g, g̃ auf M verschieden. Sind aber ∇, ∇ E, so ist ˜X A : X(M ) → Γ(End(E)) ; X 7→ ∇X − ∇ ein Tensor vom Typ (1, End(E)): Beweis. A ist C ∞ (M )-linear, denn ˜ f X s = f · ∇X s − f · ∇ ˜ X s = f · A(X)(s) . A(f X)(s) = ∇f X s − ∇ Ferner gilt A(X) ∈ Γ(End(E)), denn: ˜ X (f s) A(X)(f s) = ∇X (f s) − ∇ ˜ Xs = X(f ) · s + f · ∇X s − X(f ) · s − f · ∇ = f · A(X)(s) . 70 Eine weitere Besonderheit von kovarianten Ableitungen gegenüber der gewöhnlichen Ableitung im Rn ist die Tatsache, dass der Krümmungstensor RE : X(M ) × X(M ) → Γ(End(E)) , gegeben durch E (RX, Y )(s) = ∇X ∇Y s − ∇Y ∇X s − ∇[X,Y ] s , X, Y ∈ X(M ), s ∈ Γ(E), im Allgemeinen ungleich Null ist. Lemma 4.3.2 RE ist ein Tensor vom Typ (2, End(E)). Beweis. Seien X, Y ∈ X(M ), s ∈ Γ(E) und f ∈ C ∞ (M ). Dann gilt: E (s) = ∇ ∇ s − ∇ ∇ s − ∇ (0) RX,Y X Y Y X [X,Y ] s ∈ Γ(E). E (1) RX, Y ∈ Γ(End(E)): E RX,Y (f · s) = ∇X ∇Y (f · s) − ∇Y ∇X (f · s) − ∇[X,Y ] (f · s) = ∇X (Y (f ) · s + f · ∇Y s) − ∇Y (X(f ) · s + f · ∇X s) −[X, Y ](f ) · s − f · ∇[X,Y ] s = X(Y (f )) · s + Y (f ) · ∇X s + X(f ) · ∇Y s + f · ∇X ∇Y s −Y (X(f )) · s − X(f ) · ∇Y s − Y (f ) · ∇X s − f · ∇Y ∇X s −[X, Y ](f ) · s − f · ∇[X,Y ] s E = f · RX,Y (s) . (2) Die Identität [f X, Y ] = −Y (f )X + f [X, Y ] zeigt ferner RfEX,Y (s) = ∇f X ∇Y s − ∇Y ∇f X s − ∇[f X,Y ] s = f · ∇X ∇Y s − (Y f ) · ∇X s − f · ∇Y ∇X s +Y (f ) · ∇X s − f · ∇[X,Y ] s E = f · RX,Y (s) . E E E E (3) Es gilt RX,f Y s = f RX,Y s, denn RX,Y = −RY,X . Beispiel: Für M = Rn , versehen mit der Standardmetrik g0 , ist die LeviCivita-Ableitung ∇0 gegeben durch ∇0X Y = DY · X. Es gilt R ≡ 0, denn sind ∂v∂ i = ei die globalen Koordinatenvektorfelder auf Rn und Z : Rn → Rn differenzierbares Vektorfeld, so gilt wegen [ei , ej ] = 0 Rei ,ej Z := ∇0ei ∇0ej Z − ∇0ej ∇0ei Z − ∇0[ei ,ej ] Z = Da R ein Tensor ist, zeigt dies R ≡ 0. 71 ∂2Z ∂vi ∂vj − ∂2Z ∂vj ∂vi = 0. 4.4 Kovariante Levi-Civita-Ableitung längs Kurven Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Wir zeigen, dass die Levi-CivitaAbleitung ∇g eine kovariante Ableitung für differenzierbare Vektorfelder längs differenzierbarer Kurven induziert. Definition 4.4.1 Sei c : I → M differenzierbare Kurve. Eine Abbildung X : I → T M heißt Vektorfeld längs c, falls X(t) ∈ Tc(t) M für alle t ∈ I gilt. Man nennt X differenzierbar, falls für jede Karte (U, x) von M mit Bild(c) ∩ U 6= ∅ die Koeffizientenfunktionen ξi : IU → R der Darstellung n X X(t) = ξi (t) · ∂ ∂xi c(t) i=1 differenzierbar sind, 1 ≤ i ≤ n. Ferner bezeichnen wir mit Xc (M ) den C ∞ (I)Modul der differenzierbaren Vektorfelder längs c. Schränkt man ein global definiertes differenzierbares Vektorfeld X auf M auf eine Kurve c : [a, b] → M ein, so erhält man ein differenzierbares Vektorfeld (X ◦c)(t) längs c. Man beachte jedoch, dass nicht jedes Vektorfeld längs c von dieser Gestalt ist: Ist etwa c : I → M differenzierbare, nichtinjektive Kurve, so ist X(t) = c0 (t) differenzierbares Vektorfeld längs c. Satz 4.4.2 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, ∇ die Levi-CivitaAbleitung auf M und c : I → M differenzierbare Kurve. Dann existiert genau eine R-lineare Abbildung D dt : Xc (M ) → Xc (M ) ; X 7→ D dt X = DX dt mit den folgenden Eigenschaften: D (1) Für alle Y ∈ X(M ) gilt: dt (Y ◦ c)(t) = (∇c0 (t0 ) Y )(c(t0 )). t=t0 D ∞ (2) Für alle X ∈ Xc (M ), f ∈ C (I) gilt: dt (f X) = f 0 · X + f · DX dt . Beweis. Wir zeigen zunächst die Eindeutigkeit einer solchen Abbildung. Wir können annehmen, dass Bild(c) ganz in einer Koordinatenumgebung (U, x) enthalten ist. Dann gilt für X ∈ Xc (M ): X(t) = n X ξi (t) · ∂ ∂xi c(t) i=1 mit differenzierbaren Funktionen ξ1 , . . . , ξn : I → R. Für eine Abbildung D dt : Xc (M ) → Xc (M ), die (1) und (2) erfüllt, folgt also: DX dt (t0 ) (2) n X (1) n X = ξi0 (t0 ) · ∂ ∂xi c(t0 ) + ξi (t0 ) · ξi0 (t0 ) · ∂ ∂xi c(t0 ) ∂ + ξi (t0 ) · ∇c0 (t0 ) ∂x (c(t0 )) . i D ∂ dt t=t0 ∂xi c(t) i=1 = i=1 72 (4.3) D Damit ist die Abbildung dt eindeutig festgelegt. Umgekehrt rechnet man leicht nach, dass die Identität (4.3) in einer Koordinatenumgebung (U, x) eine kovariante Ableitung längs differenzierbarer Kurven in U definiert, welche Bedingung (1) und (2) erfüllt. Wegen der bereits gezeigten Eindeutigkeit stimmen im Schnitt zweier Koordinatenumgebungen diese lokal definierten Ableitungen überein, und können daher zu D einer kovarianten Ableitung dt : Xc (M ) → Xc (M ) zusammengefügt werden. Die Levi-Civita-Ableitung ist metrisch. Daraus folgt, dass die induzierte D kovariante Ableitung dt : Xc (M ) → Xc (M ) ebenfalls metrisch ist. Lemma 4.4.3 Sei c : I → M differenzierbare Kurve. Dann ist die LeviD : Xc (M ) → Xc (M ) metrisch, d.h. es gilt Civita-Ableitung dt DX d DY dt X(t), Y (t) = dt (t), Y (t) + X(t), dt (t) für X, Y ∈ Xc (M ). Beweis. Seien X, Y ∈ Xc (M ) differenzierbare Vektorfelder Pn längs ∂ c und (U, x) Karte von M mit Bild(c) ⊂ U . Dann gilt X = i=1 ξi · ∂xi und Pn ∂ Y = i=1 ηi · ∂xi mit ξi , ηi : I → R differenzierbar, 1 ≤ i ≤ n. Es folgt d dt n X ∂ ∂ x x X, Y = ξi0 · ηj · gij + ξi · ηj0 · gij + ξi · ηj · c0 ∂x , . i ∂xj i,j=1 Da die Levi-Civita-Ableitung metrisch ist, erhalten wir ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ 0 0 , = ∇ , + , ∇ c0 ∂x c c ∂xi ∂xj ∂xi ∂xj . i ∂xj Andererseits ergibt sich aus Formel (4.3) DX dt n X x ∂ ,Y = ξi0 · ηj · gij + ξi · ηj · ∇c0 ∂x , ∂ i ∂xj i,j=1 und es folgt die Behauptung. Bemerkung: Wir haben allgemeiner kovariante Ableitungen ∇ auf Vektorraumbündeln (E, M, π) über M betrachtet. Auch in diesem allgemeineren Fall erhält man eine induzierte kovariante Ableitung für differenzierbarer Schnitte längs differenzierbare Kurven in M . Wir nehmen ferner an, dass E eine Fasermetrik h = {hp }p∈M besitzt, d.h. eine Familie von Skalarprodukten hp auf Ep = π −1 (p), welche differenzierbar von p abhängen. Man kann fordern, dass der Zusammenhang ∇ metrisch ist, d.h. dass für alle s, s̃ ∈ Γ(E) und X ∈ X(M ) gilt: X h(s, s̃) = h(∇X s, s̃) + h(s, ∇X s̃) . 73 In diesem Fall folgt wieder, dass die induzierte kovariante Ableitung längs differenzierbarer Kurven metrisch ist. Wir kommen nun zu einer weiteren Eigenschaft der kovarianten Ableitung längs Kurven, welche aus der Torsionsfreiheit der Levi-Civita-Ableitung folgt. Sei V ⊂ R2 offen, α : V → M ; (s, t) 7→ α(s, t) differenzierbar. Wir definieren für (s, t) ∈ V : ∂α ∂s (s, t) ∂α ∂t (s, t) := [σ 7→ α(s + σ, t)] ∈ Tα(s,t) M := [τ 7→ α(s, t + τ )] ∈ Tα(s,t) M . Für eine Karte (U, x) mit Bild(α) ∩ U 6= ∅, (α̃1 , . . . , α̃n )T := x ◦ α, folgt also: ∂α ∂s (s, t) = n X ∂ α̃i ∂s (s, t) · ∂ ∂xi α(s,t) (4.4) ∂ α̃i ∂t (s, t) · ∂ ∂xi α(s,t) . (4.5) i=1 ∂α ∂t (s, t) = n X i=1 Lemma 4.4.4 Sei V ⊂ R2 offen und α : V → M differenzierbar. Dann gilt: D ∂α D ∂α dt ∂s = ds ∂t . Beweis. Wir betrachten das differenzierbare Vektorfeld Kurve c(t) = α(s, t). Dann gilt: D ∂α dt ∂s (s, t) = n X ∂ α̃i D ∂ = dt ∂s (s, t) · ∂xi α(s,t) ∂α ∂s (s, t) längs der i=1 (2) n X (1) i=1 n X = = = i=1 n X i=1 ∂ 2 α̃i ∂t∂s (s, t) · ∂ ∂xi α(s,t) + ∂ α̃i ∂s (s, t) · ∂ 2 α̃i ∂t∂s (s, t) · ∂ ∂xi α(s,t) + ∂ α̃i ∂s (s, t) ∂ · ∇ ∂α (s,t) ∂x i ∂ 2 α̃i ∂t∂s (s, t) · ∂ ∂xi α(s,t) + n X D ∂ dt ∂xi α(s,t) ∂t ∂ α̃i ∂s (s, t) · ∂ α̃j ∂t (s, t) i,j=1 2 ·∇ ∂ ∂ ∂xi ∂xj . 2 α̃i α̃i Da α̃i : V → R differenzierbare Funktionen sind, gilt ∂∂s∂t = ∂∂t∂s und die ∂ ∂ ∂ ∂ Behauptung folgt aus der Identität ∇ ∂ ∂x − ∇ = [ , ] ∂ ∂xj ∂xj ∂xi = 0. i ∂xj ∂xi Bemerkung: Der Begriff Torsionsfreiheit macht nur für kovariante Ableitungen auf dem Tangentialbündel T M Sinn, nicht jedoch für kovariante Ableitungen auf beliebigen Vektorraumbündeln über M . 74 4.5 Geodätische Definition 4.5.1 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Eine differenzierbare Kurve c : I → M heißt Geodätische, falls gilt: Dc0 dt ≡ 0. Beispiel: Wir bezeichneten mit ∇0 die Levi-Civita-Ableitung auf (Rn+k , g0 ). Es galt (∇0X Y )p = (DY )p · X(p). Bezeichnen e1 , . . . , en+k die globalen Koordinatenvektorfelder von Rn+k , so erhalten wir für eine differenzierbare Kurve c : I → Rn+k die Identität D 0 c0 dt (t) = n X (c00i (t) · ei + c0i (t) · ∇0c0 (t) ei ) = c00 (t) . i=1 Somit sind die Geodätischen in (Rn+k , g0 ) gerade die proportional zur Bogenlänge parametrisierten Geradensegmente c : [a, b] → Rn+k ; t 7→ ṽ0 + t · ṽ für ṽ0 , ṽ ∈ Rn+k . Sei nun M n eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rn+k versehen mit der ersten Fundamentalform g. Dann erhalten wir für eine eine differenzierbare Kurve c : I → M n D0 c0 Tc(t) M Dc0 (t) = = [c00 (t)]Tc(t) M . dt dt (t) Differenzierbare Kurven c : I → M n sind also genau dann Geodätische in (M n , g), wenn c00 (t) ⊥ Tc(t) M , (4.6) gilt, t ∈ I, d.h. genau dann, wenn die zweite Ableitung c00 (t) keine tangentiale Komponente besitzt. Man kann nun zum Beispiel leicht einsehen, dass Großkreise in der Sphäre S n Geodätische sind. Die Integralkurven der Vektorfelder Xi , Xj , Xk auf S 3 sind (geschlossene) Geodätische, d.h. Großkreise (siehe (4.2)). Bezeichnet exp : TI SO(n) = {V ∈ M at(n, R) | V T = −V } → SO(n) die MaP Vk trixexponentialabbildung, d.h. exp(V ) = ∞ k=0 k! so ist γV (t) = exp(t · V ) Geodätische in (SO(n), g). Als nächstes zeigen wir, dass Geodätische c : I → M proportional zur Bogenlänge parametrisiert sind. Lemma 4.5.2 Sei c : (a, b) → M Geodätische mit a < 0 < b. Dann gilt 0 0 c (t) ≡ c (0) . Beweis. Da die Levi-Civita-Ableitungen längs Kurven metrisch ist, folgt 0 0 0 0 d Dc g(c (t), c (t)) = 2 · g (t), c (t) = 0. dt dt Dies zeigt die Behauptung. 75 Wir nehmen nun an, dass Bild(c) ganz in einer Kartenumgebung (U, x) enthalten ist und definieren (c̃1 , . . . , c̃n )T = c̃ = x ◦ c. Aus der Identität P ∂ ∇ ∂ ∂x = nk=1 Γkij · ∂x∂ k folgt dann i ∂xj Dc0 dt (t) = D dt n X c̃0i (t) · ∂ ∂xi c(t) i=1 = n X c̃00i (t) · ∂ ∂xi c(t) + n X i=1 = = n X c̃00k (t) · k=1 n X ∂ ∂xk c(t) + ∂ c̃0i (t) · ∇c0 (t) ∂x i i=1 n X c̃0i (t) · c̃0j (t) · ∇ i,j=1 c̃00k (t) + n X ∂ ∂ ∂xi ∂xj c̃0i (t) · c̃0j (t) · Γkij ◦ x−1 (c̃(t)) · ∂ ∂xk c(t) i,j=1 k=1 =0 genau dann, wenn gilt c̃00k (t) + n X c̃0i (t) · c̃0j (t) · Γkij ◦ x−1 (c̃(t)) = 0 k = 1, . . . , n . (4.7) i,j=1 Dies ist eine gewöhnliche (nichtlineare) Differentialgleichung zweiter Ordnung auf der offenen Teilmenge x(U ) ⊂ Rn . Setzen wir ṽ(t) = c̃0 (t), so ist (4.7) äquivalent zu folgender Differentialgleichung erster Ordnung auf x(U ) × Rn : c̃0k (t) = ṽk (t) P ṽk0 (t) = − ni, j=1 ṽi (t) · ṽj (t) · Γkij ◦ x−1 (c̃(t)) k = 1, . . . , n . (4.8) Die Lösungen der Differentialgleichung (4.7) sind eindeutig durch die Anfangswerte c̃(0) ∈ x(U ) und c̃0 (0) ∈ Rn festgelegt. Aus der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen erhält man folgendes Lemma 4.5.3 Sei p ∈ M , v ∈ Tp M und π : T M → M die Fußpunktsabbildung. Dann existiert eine offene Umgebung Û von v in T M und εv > 0, so dass für alle w ∈ Û die Geodätische c mit c(0) = π(w) ∈ M , c0 (0) = w auf dem offenen Intervall (−εv , εv ) definiert ist. Beweis. Sei v ∈ Tp M und (U, x) Karte von M um p. Dann ist Φx : π −1 (U ) → x(U ) × Rn ; n X ξi · ∂ ∂xi p 7→ x(p), (ξ1 , . . . , ξn )T i=1 eine Karte des Tangentialbündels T M um v. Wendet man die oben erwähnte Differentialgleichungstheorie auf (4.8) an, so folgt die Behauptung. 76 Für alle v ∈ Tp M bezeichnen wir mit γv : Imax (v) → M die Geodätische in (M, g) mit γv (0) = p und γv0 (0) = v, definiert auf dem maximalen (offenen) Existenzintervall Imax (v) ⊂ R. Bemerkung: Die Differentialgleichung (4.7) ist eine autonome Differentialgleichung, d.h. von der Form y 00 (t) = F (y 0 (t), y(t)). Ist y(t) Lösung, t ∈ (a, b), so ist auch ỹ(t) := y(t − c) Lösung, t ∈ (a + c, b + c) für alle c ∈ R. Die Tatsache, dass (4.7) eine homogene Differentialgleichung ist, hat folgendes Lemma zur Konsequenz. Lemma 4.5.4 Für v ∈ Tp M , α, t ∈ R mit αt ∈ Imax (v) gilt γαv (t) = γv (α · t) . 0 (0) = α · v = d Beweis. Es gilt γαv (0) = p = γv (α · 0), γαv dt t=0 γv (α · t). Aus D d (4.7) folgt ferner dt dt γv (α · t) = 0. Damit sind γαv (t) und γv (α · t) beides Geodätische mit den gleichen Anfangswerten. Wir zeigen nun, dass Geodätische kritische Punkte des Längenfunktionals sind. Satz 4.5.5 (1.Variationsformel) Sei α : (−ε, ε)×[a, b] → M differenzierbare Abbildung, so dass α(0, t) = α0 (t) = c(t) proportional zur Bogenlänge parametrisiert ist, d.h. kc0 (t)k ≡ µ > 0. Dann ist die Funktion Z b ∂α (s, t) dt s 7→ L(αs ) = ∂t a differenzierbar und es gilt: Z b 0 t=b Dc0 d µ · ds L(α ) = c (t), X (t) − s α dt (t), Xα (t) dt t=a s=0 a wobei Xα (t) = ∂α ∂s (0, t) das Variationsvektorfeld der Variation α bezeichnet. Beweis. Differentiation darf nach entsprechenden Sätzen aus der Analysis mit der Integration vertauscht werden. Es folgt Z b ∂α 1 d d ∂α 2 L(α ) = (s, t), (s, t) dt s ds s=0 ds s=0 ∂t ∂t a Z b D ∂α 2· ds (s,t), ∂α (0,t) ∂t s=0 q ∂t = dt a = 1 µ = 1 µ = 1 µ Z b a Z b 2· c0 (t),c0 (t) D ∂α dt ∂s (0, t), c0 (t) dt Dc0 − ∂α ∂s (0, t), dt (t) dt a Z b t=b Dc0 · c0 (t), Xα (t) t=a − dt (t), Xα (t) dt 0 d ∂α dt ∂s (0, t), c (t) a 77 und wir erhalten die Behauptung. Definition 4.5.6 Man nennt eine Variation α : (−ε, ε) × [a, b] → M eigentlich, fallsαs (a) ≡ c(a) und αs (b) ≡ c(b) für alle s ∈ (−ε, ε) gilt. Für eigentliche Variationen verschwindet das Variationsvektorfeld Xα in den Randpunkten, d.h. es gilt Xα (b) = Xα (a) = 0 . Korollar 4.5.7 Sei c : [a, b] → M eine differenzierbare, proportional zur Bogenlänge parametrisierte Kurve. Dann sind äquivalent: (1) Die Kurve c ist Geodätische. (2) Für jede eigentliche Variation α : (−ε, ε) × [a, b] → M von α0 = c gilt: d ds s=0 L(αs ) = 0 . Beweis. Zu (1) ⇒ (2) : Dies folgt aus der Definition der Geodätischen und der 1. Variationsformel. Zu (2) ⇒ (1) : Nach der 1. Variationsformel gilt b Z a Dc0 dt (t), Xα (t) dt = 0 0 für jede eigentliche Variation α von c. Zu zeigen ist Dc dt (t) ≡ 0. Wir nehmen Dc0 dt (t0 ) 6= 0 an für ein t0 ∈ (a, b) und werden zeigen, dass eine differenzierbare Funktion φ : [a, b] → R mit φ(t0 ) > 0, φ(a) = φ(b) = 0 und φ ≥ 0 und eine eigentliche Variation α von c = α0 existiert mit Xα (t) = φ(t) · Dc0 dt (t) . Dann folgt Z 0=− b φ(t) · a Dc0 dt 0 (t), Dc dt (t) dt < 0 . Widerspruch! 0 Es bleibt die Existenz obiger Variation α zu zeigen. Da Dc dt (t) ein differenzierbares Vektorfeld längs c ist, erhalten wir in einer Kartenumgebung (U, x) mit U ∩ Bild(c) 6= ∅ folgende Darstellung Dc0 dt (t) = n X ξi (t) · i=1 78 ∂ ∂xi c(t) mit differenzierbaren Funktionen ξi : IU → R, 1 ≤ i ≤ n. Wir können Bild(c) ⊂ U annehmen. Sei φ : [a, b] → R wie oben beschrieben. Wir betrachten die eigentliche Variation α̃ : (−ε, ε) × [a, b] → x(U ) ; (s, t) 7→ c̃(t) + s · φ(t) · n X ξi (t) · ei i=1 von α̃0 = c̃ = x ◦ c. Es gilt ∂ α̃ ∂s (0, t) = φ(t) · n X ξi (t) · ei . i=1 Somit ist α = x−1 ◦ α̃ die gesuchte eigentliche Variation von c. Korollar 4.5.8 Ist c : [a, b] → M eine nach Bogenlänge parametrisierte differenzierbare Kürzeste von c(a) = p nach c(b) = q, so ist c Geodätische. 4.6 Parallelverschiebung und Holonomie Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, c : [a, b] → M eine differenzierbare D : Xc (M ) → Xc (M ) die Levi-Civita-Ableitung für Vektorfelder Kurve und dt längs c. Definition 4.6.1 Ein differenzierbares Vektorfeld X(t) ∈ Xc (M ) nennt man parallel, falls für alle t ∈ [a, b] gilt: DX dt (t) = 0. Zum Beispiel ist das Geschwindigkeitsvektorfeld X(t) = c0 (t) einer Geodätischen ein paralleles Vektorfeld längs c. Lemma 4.6.2 Sei c : [a, b] → M differenzierbare Kurve. Dann existiert für v ∈ Tc(a) M genau ein paralleles Vektorfeld Xv längs c mit Xv (a) = v. Beweis. Sei X(t) ein differenzierbares Vektorfeld längs c. Da [a, b] kompakt ist, können wir annehmen, dassPeine Kartenumgebung (U, x) existiert n ∂ mit Bild(c) ⊂ U . Es folgt X(t) = ξ (t) · für differenzierbare i i=1 ∂xi c(t) Funktionen ξ1 , . . . , ξn : [a, b] → R. Setzen wir c̃ = x ◦ c, so gilt DX dt (t) = n X ξi0 (t) · ∂ ∂xi c(t) ∂ + ξi (t) · ∇c0 (t) ∂x i i=1 = n X ξi0 (t) · ∂ ∂xi c(t) i=1 = n X k=1 + n X c̃0j (t) · ξi (t) · ∇ j=1 ξk0 (t) + n X ∂ ∂ ∂xi ∂xj (c(t)) c̃0j (t) · ξi (t) · (Γkij ◦ x−1 )(c̃(t)) · i,j=1 =0 79 ∂ ∂xk c(t) genau dann, wenn ξ = (ξ1 , ..., ξn ) Lösung der linearen Differentialgleichung ξ 0 (t) = A(t) · ξ(t) (4.9) wobei A : [a, b] → M at(n, R) eine differenzierbare Kurve von (n × n)Matrizen ist. Mit Hilfe eines Satzes über gewöhnliche lineare Differentialgleichungen schließen wir, dass jede zunächst nur lokal definierte Lösung ξ(t) von (4.9) mit Anfangswert ξ(a) ∈ Rn für alle t ∈ [a, b] definiert ist. Dies zeigt die Existenz und Eindeutigkeit des Vektorfeldes Xv . Definition 4.6.3 Sei c : [a, b] → M differenzierbare Kurve. Die Parallelverschiebung P c längs c ist definiert durch: P c : Tc(a) M → Tc(b) M ; v 7→ Xv (b) . Lemma 4.6.4 Die Parallelverschiebung P c : (Tc(a) M, gc(a) ) → (Tc(b) M, gc(b) ) ist eine lineare Isometrie. Beweis. Wir zeigen zuerst die Linearität von P c : Sei v ∈ Tc(a) M und λ ∈ R. Dann existiert genau ein paralleles Vektorfeld Xv längs c mit Xv (a) = v. Da auch λ · Xv paralleles Vektorfeld längs c ist mit (λ · Xv )(a) = λ · Xv (a) = Xλv (a) , folgt λ · Xv = Xλv . Wir erhalten somit P c (λ · v) = Xλv (b) = (λ · Xv )(b) = λ · Xv (b) = λ · P c (v) . Ebenso folgt P c (v + w) = P c (v) + P c (w) für v, w ∈ Tc(a) M Seien nun Xv , Xw parallele Vektorfelder längs c. Dann gilt DXv DXw d dt Xv (t), Xw (t) = dt (t), Xw (t) + Xv (t), dt (t) = 0 und wir erhalten v, w c(a) = Xv (a), Xw (a) c(a) = P c (v), P c (w) c(b) . Somit ist P c : (Tc(a) M, gc(a) ) → (Tc(b) M, gc(b) ) eine Isometrie. Wir können mit Hilfe der Parallelverschiebung P c (nach Wahl von c und einer Riemannschen Metrik g) die Tangentialräume Tc(a) M und Tc(b) M in kanonischer Weise miteinander identifizieren. Die Parallelverschiebung kann auch längs stückweise differenzierbarer Kurven c : [a, b] → M definiert werden. Kovariante Ableitungen auf Vektorraumbündeln werden auch lineare Zusammenhänge genannt. Für metrische kovariante Ableitungen ist die Parallelverschiebung ebenfalls eine Isometrie. 80 Lemma 4.6.5 Sei (M, g) Riemannsche Manigfaltigkeit und seien X, Y Vektorfelder auf M . Sei ferner p ∈ M und c : (−ε, ε) → M Integralkurve von X und ct := c|[0,t] für t ∈ (0, ε). Dann gilt (∇X Y )(p) = ct −1 d dt t=0 (P ) (Y (c(t))) . Beweis. Übung. Die Parallelverschiebung legt also auch die umgekehrt die Levi-CivitaAbleitung fest. Korollar 4.6.6 Sei (M, g) Riemannsche Manigfaltigkeit, p ∈ M , v ∈ Tp M und Y Vektorfeld auf M . Sei ferner c : (−ε, ε) → M Integralkurve eines Vektorfeldes X mit X(p) = v. Dann hängt (∇v Y )(p) nur von Y (c(t)) ab. Definition 4.6.7 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Die Holonomiegruppe Holp (M, g) zum Basispunkt p ∈ M ist definiert durch Holp (M, g) := {P c | c stückw. diffb. Kurve mit c(a) = c(b) = p} . Die reduzierte Holonomiegruppe Holp0 (M, g) zum Basispunkt p ∈ M ist gegeben durch Holp0 (M, g) := {P c ∈ Holp (M, g) | c null-homotop} . Offenbar sind Holp (M, g), Holp0 (M, g) Untergruppen von O(Tp M, gp ). Wir notieren nun einige Eigenschaften von Holonomiegruppen (siehe [KoNo], [Joy], [Bes]): (1) Ist M zusammenhängend, so sind für p 6= q die Gruppen Holp (M, g) und Holq (M, g) konjugiert (gleiches gilt für die reduzierten Holonomiegruppen). Wir schreiben in diesem Fall auch Hol(M, g), Hol0 (M, g). (2) Die Holonomiegruppe Hol(M, g) ist eine Liegruppe. Die Zusammenhangskomponente von Hol(M, g), welche die Eins“ in Hol(M, g) ent” hält, ist gerade Hol0 (M, g). (3) Die reduzierte Holonomiegruppe Hol0 (M, g) ist kompakt. Insbesondere ist also für zusammenhängende, einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeiten die Holonomiegruppe Hol(M, g) kompakt. (4) Es existieren zusammenhängende, kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeiten, für welche Hol(M, g) nicht kompakt ist (Wilking, 1999). Der Tangentialraum Te G einer Liegruppe ist in kanonischer Weise eine Liealgebra. Da die Liealgebrenstrukture auf Te G im Wesentlichen die Liegruppe G bestimmt, ist von Interesse, die Liealgebra der Holonomiegruppe zu bestimmen. 81 Satz 4.6.8 (Ambrose-Singer, 1953) Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann gilt: Te Holp0 (M, g) = {(P c )−1 ◦ RP c (v),P c (w) ◦ P c | v, w ∈ Tp M, c : [a, b] → M stückw. diffb. mit c(a) = p} Die Liealgebra der Holonomiegruppe einer Riemannschen Mannigfaltigkeit ist also durch den Krümmungstensor bestimmt. Definition 4.6.9 Eine zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit nennt man irreduzibel, falls die reduzierte Holonomiegruppe Holp0 (M, g) irreduzibel auf Tp M operiert, d.h. kein echter Unterraum W von Tp M existiert, d.h. 0 ( W ( Tp M , so dass für alle P c ∈ Holp0 (M, g) gilt: P c (W ) ⊂ W . Ist eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) nicht irreduzibel, so ist die reduzierte Holonomiegruppe ein Produkt reduzierter Holonomiegruppen irreduzibler Riemannscher Mannigfaltigkeiten. Nach diesen Vorbemerkungen können wir nun die Klassifikation der reduzierten Holonomiegruppen Riemannscher Mannigfaltigkeiten angeben. Da symmetrische Räume von E. Cartan klassifiert wurden, sind die reduzierten Holonomiegruppen von lokal symmetrischen Räumen bekannt. Satz 4.6.10 (Berger, 1955; Simons, 1962) Sei (M, g) zusammenhängende irreduzible Riemannsche Mannigfaltigkeit, die nicht lokal symmetrisch ist. Dann tritt einer der folgenden Fälle ein: (1) Hol0 (M, g) = SO(n) Generische Fall (2) n = 2m und Hol0 (M, g) = U (m) Kähler-Mnf., Ric 6= 0 (3) n = 2m und Hol0 (M, g) = SU (m) Calabi-Yau-Mnf., Ric = 0 (4) n = 4m und Hol0 (M, g) = Sp(1)Sp(m) Quaternionisch-Kähler-Mnf. (5) n = 4m und Hol0 (M, g) = Sp(m) (6) n = 8 und Hol0 (M, g) = Spin(7) (7) n = 7 und Hol0 (M, g) = G2 Hyperkähler-Mnf., Ric = 0 Joyce-Mnf., Ric = 0 Joyce-Mnf., Ric = 0 Es ist sehr schwierig die Existenz von kompakten Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit Holonomiegruppe Hol(M, g) = SU (m), Spin(7), G2 zu beweisen (siehe [Joy]). Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit spezieller Holonomie spielen auch in der Physik eine wichtige Rolle. 4.7 Die Exponentialabbildung Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M und c : (−ε, ε) → U differenzierbare Kurve mit c(0) = p. Dann ist c Geodätische, genau dann wenn 82 0 c die gewöhnliche Differentalgleichung Dc dt (t) ≡ 0 erfüllt. Wir setzten die Geodätische c zu einer maximalen Lösung γv : Imax (v) → M fort, eindeutig bestimmt durch die Anfangswerte γv (0) = c(0) = p, γv0 (0) = c0 (0) = v. Aus 0 der Homogenität der Differentialgleichung Dc dt (t) ≡ 0 folgerten wir ferner γαv (t) = γv (αt) mit α, t ∈ R und αt ∈ Imax (v). Da Lösungen gewöhnlicher Differentalgleichungen stetig vom Anfangswert abhängen, ist nach Lemma 4.5.3 die Teilmenge [ Û := v ∈ Tp M | γv (1) ist definiert {z } | p∈M =:Up von T M offen und nicht-leer, da für den Anfangswert 0p = 0 ∈ Tp M die Geodätische γ0p (t) ≡ p auf ganz R definiert ist. Bemerkung: Für alle p ∈ M existiert ein εp > 0, so dass jede Geodätische γv , v ∈ Tp M mit kvk = 1, auf (−εp , εp ) definiert ist. Die Teilmenge Up ⊂ Tp M ist offen und sternförmig bezüglich 0p : Denn ist v ∈ Up , d.h. γv ist auf [0, 1] definiert, so ist für alle α ∈ [0, 1] auch α · v ∈ Up wegen γα·v (1) = γv (α), da somit auch γα·v auf [0, 1] definiert ist. Definition 4.7.1 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Die Exponentialabbildung ist gegeben durch exp : Û → M ; v 7→ γv (1) . Die Einschränkung von exp auf Up ⊂ Tp M wird mit expp : Up → M ; v 7→ γv (1) bezeichnet. Der Name Exponentialabbildung rührt von der bereits bewiesenen Tat2 sache her, dass die Geodätischen in SO(n), versehen mit der von Rn = M at(n, R) induzierten ersten Fundamentalform, gerade von der Form exp(t· V ) sind.. Tatsächlich ist dies für jede zusammenhängende kompakte Untergruppe von SO(n) richtig. Wir halten einige Eigenschaften der Exponentialabbildung fest: (1) Es gilt expp (0p ) = p. (2) expp : Up → M ist differenzierbar, da Lösungen von gewöhnlichen Differentialgleichungen y 0 (t) = f (y(t)), f differenzierbar, differenzierbar vom Anfangswert abhängen. 83 (3) d(expp )0p : T0p (Tp M ) ∼ = Tp M → Tp M ist gerade id |Tp M , denn es gilt d d d expp (t · v) = dt γ (1) = dt γ (t) = v . d(expp )0p · v = dt t=0 t=0 t·v t=0 ·v (4) Nach dem Umkehrsatz ist die Exponentialabbildung expp lokaler Diffeomorphismus, d.h. es existiert ε̃p > 0, so dass expp : Bε̃p (0p ) → expp (Bε̃p (0p )) Diffeomorphismus ist. Insbesondere ist expp |Bε̃ (0p ) injektiv. (5) Die Konstante ε̃p > 0 kann auf einer kleinen Umgebung von p unabhängig vom Fußpunkt gewählt werden: Es bezeichne π : T M → M die Fußpunktabbildung. Wir betrachten die differenzierbare Abbildung F : Û → M × M ; v 7→ (π(v), expπ(v) (v)) . Sei Φx : π −1 (U ) → x(U ) × Rn Karte von T M um v und x : U → x(U ) Karte von M um p = π(v). Wir definieren F̃ : Φx (Û ) ∩ {x(U ) × Rn } → x(U ) × x(U ) ; (x, x) ◦ F ◦ (Φx )−1 (ṽ, ξ) (ṽ, ξ) 7→ und berechnen das totale Differential von F̃ im Punkt Pn (x(p),∂0). Es 0 0 0 gilt F̃ (ṽ , 0) = (ṽ , ṽ ) und F̃ (x(p), ξ) = (x(p), x(expp ( i=1 ξi · ∂xi |p ))). Wir erhalten somit In 0 . DF̃(x(p),0) = In In Folglich ist F lokaler Diffeomorphismus. Lemma 4.7.2 (Lemma von Gauß) Die von p ausgehenden Geodätischen schneiden im ersten Schnittpunkt die expp -Bilder der Sphären Sr (0p ) := {v ∈ Tp M | kvkp = r} senkrecht für r ∈ (0, ε̃p ). Beweis. Sei v : (−δ, δ) → Tp M differenzierbare Kurve mit kv(s)k ≡ 1. Dann ist auch r · v eine differenzierbare Kurve mit r · v(s) ∈ Sr (0p ) für alle s ∈ (−δ, δ). Wir betrachten die differenzierbare Variation α : (−δ, δ) × [0, r] → M ; (s, t) 7→ expp (t · v(s)) = γv(s) (t) von c = α0 = γv(0)|[0,r] . Dann gilt einerseits Z d L(αs ) = d ds s=0 ds s=0 84 0 r 1 dt = 0 , andererseits folgt aus der 1.Variationsformel 0 d ∂α ds s=0 L(αs ) = c (r), ∂s (0, r) . Die Kurve t(s) = α(s, r) ist differenzierbar mit Bild(t) ⊂ expp (Sr (0p )) und wir erhalten 0 d (0, r) = t0 (0) = ∂α ∂s ds s=0 α(s, r) = d(expp )rv(0) · (rv (0)) . Es folgt die Behauptung. Korollar 4.7.3 Die Abbildung expp : Up → (M, g) ist eine radiale Isometrie, d.h. für v ∈ Up und α ∈ R gilt: (1) d(expp )v (αv)exp (v) = kαvkp . p (2) Für alle w ∈ Tp M mit w⊥v gilt d(expp )v · v, d(expp )v · w = 0. Beweis. Zu (1): Sei v ∈ Up , α ∈ R. Dann gilt: d d(expp )v · (αv) = dt expp (v + t · (αv)) t=0 d = dt t=0 expp ((1 + t · α) · v) d γ (1 + t · α) = dt t=0 v = α · γv0 (1) . Wir erhalten also d(expp )v · (αv) exp p (v) = α · γv0 (1)exp p (v) = kα · vkp , da Geodätische proportional zur Bogenlänge parametrisiert sind. Zu (2): Dies folgt exakt wie im Beweis des Gauß-Lemmas. Später untersuchen wir das Verhalten von (d expp )v für Richtungen tangential an die Sphären Sr (0p ) ⊂ Tp M . Für solche Richtungen wird im Allgemeinen die Exponentialabbildung keine Isometrie mehr sein. Definition 4.7.4 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M . Dann nennt man inj(p) := sup{r > 0 | expp : Br (0p ) → expp (Br (0p )) injektiv} ∈ (0, +∞] den Injektivitätsradius von (M, g) im Punkt p und inj(M, g) := inf inj(p) ∈ [0, +∞] p∈M den Injektivitätsradius von (M, g). 85 Um jedem Punkt p existiert eine offenen Umgebung U von p und eine Konstante δp,U > 0, so dass für alle q ∈ U der Injektivitätsradius inj(q) durch δp,U nach unten beschränkt ist. Insbesondere ist der Injektivitätsradius von kompakten Riemannschen Mannigfaltigkeiten größer Null. Der Injektivitätsradius einer nicht-kompakten Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, g) kann allerdings Null sein. Bemerkung 4.7.5 Bisher haben wir gezeigt, dass für jedes p in M ein Radius r = ε̃p ∈ (0, inj(p)) existiert, so dass expp : Br (0p ) → expp (Br (0p )) Diffeomorphismus ist. In Satz 5.6.7 werden wir beweisen, dass dies sogar für r = inj(p) richtig ist. In allen folgenden Aussagen und Argumenten muß daher inj(p) durch ε̃p ersetzen werden, bis obige Aussage auch für r = inj(p) bewiesen ist. Dies zeigt dann, das die im Folgenden behaupteten Aussagen richtig sind. Satz 4.7.6 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M , v ∈ Tp M mit kvk = 1 und r ∈ (0, inj(p)). Dann gilt dg p, γv (r) = L(γv |[0, r] ) = r . Ferner ist γv |[0,r] bis auf Umparametrisierung eindeutig bestimmte Kürzeste zwischen p und γv (r). Beweis. Sei c : [a, b] → M differenzierbare Kurve mit c(a) = p und c(b) = expp (r · v). Das folgende Argument wird zeigen, dass wir c(t) 6= p für t 6= a und Bild(c) ⊂ expp (Binj(p) (0p )) annehmen dürfen. Wir erhalten somit folgende Darstellung der Kurve c|(a,b] : c(t) = expp (r(t) · v(t)) mit r : (a, b] → R, v : (a, b] → S1 (0p ) differenzierbar und r : [a, b] → R stetig mit r(a) = 0 und r(b) = r. Für alle (kleinen) ε > 0 folgt aus Korollar 4.7.3 Z b Z b d(expp )r(t)·v(t) · (r0 (t) · v(t) + r(t) · v 0 (t)) dt | {z } | {z } a+ε L(c) ≥ radial ≥ a+ε b Z = |r0 (t)| dt a+ε b ≥ tangential 0 r (t) · v(t) dt Z r0 (t) dt = |r(b) − r(a + ε)| = r − r(a + ε) . a+ε 86 Da r stetig ist, folgt L(c) ≥ r = L(γv [0,r] ). Für stückweise differenzierbare Kurven c : [a, b] → M zeigt obige Rechnung ebenfalls L(c) ≥ r und wir erhalten d(p, γv (r)) = r. Zur Gleichheitsdiskussion in obiger Abschätzung: In diesem Fall folgt, dass v 0 ≡ 0 und r monoton wachsend ist. Dies zeigt die Behauptung. Bemerkungen: Aus obigem Satz folgt ebenfalls die Abschätzung dg (p, q) > 0 für p 6= q. Für r ∈ (0, inj(p)] gilt ferner: d Br g (p) = expp (Br (0p )) . Zu ⊃“: Sei q = expp (v) mit v ∈ Br (0p ). Dann ist c(t) = expp (tv), t ∈ ” [0, 1], differenzierbare Kurve zwischen p und q mit L(c) = kvk < r. Es folgt d d dg (p, q) < r, d.h. q ∈ Br g (p). Zu ⊂“: Sei q ∈ Br g (p). Dann existiert eine ” stückweise differenzierbare Kurve c : p q mit L(c) < r. Obige Rechnung zeigt Bild(c) ⊂ expp (Br (0p )). Insbesondere folgt q ∈ expp (Br (0p )). Aus obigem Satz folgt auch, dass Kürzeste Kurven c : p q geodätische Polygonzüge (mit eventuellen Knickstellen) sind, da Kürzeste auch lokal Kürzeste sind. Im nächsten Satz zeigen wir, dass Kürzeste keine Knickstellen aufweisen. Kürzeste sind somit Geodätische. Satz 4.7.7 Sei c : [a, b] → M eine stückweise differenzierbare, nach Bogenlänge parametrisierte Kurve mit L(c) = dg (c(a), c(b)). Dann ist c Geodätische. Beweis. Wir wissen bereits, dass c ein geodätisches Polygon mit eventuellen Knickstellen“ ti ∈ (a, b), i ∈ {1, . . . , N }, ti < ti+1 , ist. Wir setzen ” v := lim c0 (t) , w := lim c0 (t) , t↑ti+1 t↓ti+1 mit kvk = kwk = 1. Im Fall v 6= w, werden wir zeigen, dass in der Nähe von p = c(ti+1 ) die Kurve c keine Kürzeste ist. Wir betrachten hierzu die differenzierbare Variation α : (−ε, ε) × [t̃i , ti+1 ] → M ; (s, t) 7→ expc(ti+1 ) (t − ti+1 ) · v + ts(t−−t̃it̃) · w i+1 i von α0 (t) = c|[t̃i ,ti+1 ] (t). Die Abbildung α ist für ε > 0 klein genug und t̃i ∈ (ti , ti+1 ) mit |t̃i − ti+1 | < inj(c(ti+1 )) definiert und besitzt folgende Eigenschaften: α(s, t̃i ) = αs (t̃i ) = c(t̃i ) für alle s ∈ (−ε, ε) und αs (ti+1 ) = c(ti+1 + s) für alle s ∈ (−ε, ε). Aus der 1.Variationsformel erhalten wir im Fall v 6= w d ds s=0 L(αs ) = v, w < 1 . Andererseits verbinden auch die Kurven α̃s = c|[t̃i , ti+1 ] ∪ c|[ti+1 , ti+1 +s] 87 die Punkte c(t̃i ) und c(ti+1 + s). Da L(α0 ) = L(α̃0 ) und d d ds s=0 L(αs ) < 1 = ds s=0 L(α̃s ) gilt, folgt L(αs ) < L(α̃s ) für kleines s > 0. Dies steht im Widerspruch zur Tatsache, dass c|[t̃i ,ti+1 +s] Kürzeste ist. Es folgt v = w. 4.8 Der Satz von Hopf-Rinow In diesem Abschnitt geben wir mehrere äquivalente metrische und geometrische Bedingungen für Riemannsche Mannigfaltigkeiten (M, g) an, welche äquivalent zur Vollständigkeit des metrischen Raumes (M, dg ) sind. Definition 4.8.1 Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) nennt man geodätisch vollständig, falls alle Geodätischen auf ganz R definiert sind. Die obere Halbebene H = {(x, y) ∈ R2 | y > 0} versehen mit der Standardmetrik ist geodätisch nicht vollständig. Versieht man H jedoch mit H der hyperbolischen Metrik g(x,y) = y12 · h · , · i0 , so ist (H, g H ) geodätisch vollständig. Lemma 4.8.2 Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit und p, q ∈ M , p 6= q. Dann existiert für r ∈ (0, inj(p)) mit r < d(p, q) ein Punkt p0 ∈ ∂Br (p) mit d(p, q) = d(p, p0 ) + d(p0 , q) . Beweis. Aus r < inj(p) folgt ∂Br (p) = expp (Sr (0p )). Daher nimmt die stetige Funktion f (p̃) := d(p̃, q) auf der kompakten Menge ∂Br (p) ihr Minimum an, etwa in p0 . Sei nun c : [a, b] → M stückweise differenzierbare Kurve mit c(a) = p, c(b) = q. Aufgrund von r < d(p, q) existiert t ∈ (a, b) mit c(t) ∈ ∂Br (p). Es folgt L(c) = L(c|[a, t] ) + L(c|[t, b] ) ≥ d(p, p0 ) + d(p0 , q) . | {z } ≥f (c(t)) Da c : p q beliebig war, ergibt sich d(p, q) ≥ d(p, p0 ) + d(p0 , q). Aus der Dreiecksungleichung folgt andererseits d(p, q) ≤ d(p, p0 ) + d(p0 , q) und wir erhalten die Behauptung. Satz 4.8.3 (Hopf-Rinow) Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann gilt: (1) Ist für ein p ∈ M die Abbildung expp auf ganz Tp M definiert, so existiert für alle q ∈ M eine Geodätische c : p q mit d(p, q) = L(c). (2) Ist (M, g) geodätisch vollständig, so können zwei beliebige Punkte in M durch eine kürzeste Geodätische miteinander verbunden werden. 88 Beweis. Zu (1): Seien p, q ∈ M , p 6= q. Im Fall d(p, q) < inj(p) folgt die Behauptung aus Satz 4.7.6. Sei also d(p, q) ≥ inj(p). Nach Lemma 4.8.2 existiert r0 ∈ (0, inj(p)) und p0 ∈ ∂Br0 (p) mit d(p, q) = d(p, p0 ) +d(p0 , q) , | {z } =r0 wobei d(p, p0 ) durch eine Geodätische γv0 , kv0 k = 1, realisiert wird. Nach Voraussetzung ist γv0 auf ganz R definiert. Wir wenden nun Lemma 4.8.2 auf das Punktepaar (p0 , q) an. Es existiert also r1 ∈ (0, inj(p0 )) und p1 ∈ ∂Br1 (p0 ) mit d(p0 , q) = d(p0 , p1 ) +d(p1 , q) , | {z } =r1 wobei d(p0 , p1 ) durch eine Geodätische γv1 , kv1 k = 1, realisiert wird. Wir erhalten d(p, p0 ) + d(p0 , p1 ) + d(p1 , q) = d(p, q) ≤ d(p, p1 ) + d(p1 , q) ≤ d(p, p0 ) + d(p0 , p1 ) + d(p1 , q) und somit d(p, p1 ) = d(p, p0 ) + d(p0 , p1 ) = r0 + r1 . Die Kurve γv0 |[0, r0 ] ∪ γv1 |[0,r1 ] realisiert also den Abstand d(p, p1 ). Da nach Satz 4.7.7 Kürzeste keine Knickstellen besitzen, folgt v1 = γv0 0 (r0 ), d.h. p1 = γv0 (r0 + r1 ). Wir setzen nun I := {t ∈ R | d(p, q) = t + d(γv0 (t), q)} . Dann ist I nichtleer, abgeschlossen und nach oben durch d(p, q) beschränkt. Die Annahme max I < d(p, q) führt aber mit Hilfe obigen Arguments zu einem Widerspruch. Es folgt (1). Zu (2): Dies folgt direkt aus (1). Bemerkung: Um die Existenz einer Kürzesten c : p q zu zeigen, genügt es in obigem Satz anzunehmen, dass alle Geodätischen γv , v ∈ Tp M und kvk = 1, auf dem Intervall [0, d(p, q)] definiert sind. In einem metrischen Raum (X, d) nennt man eine Teilmenge A ⊂ X beschränkt, falls p ∈ X und cp > 0 existieren mit d(p, a) < cp für alle a ∈ A. Aus der Dreiecksungleichung folgt, dass dann für beliebige p̃ ∈ X eine Konstante cp̃ existiert mit d(p̃, a) < cp̃ für alle a ∈ A. Korollar 4.8.4 (Hopf-Rinow) Sei (M, g) zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: 89 (1) (M, g) ist geodätisch vollständig. (2) Für alle p ∈ M ist die Exponentialabbildung expp auf ganz Tp M definiert. (3) Es existiert ein p ∈ M , so dass expp auf ganz Tp M definiert ist. (4) Jede abgeschlossene und beschränkte Menge K im metrischen Raum (M, dg ) ist kompakt. (5) Der metrische Raum (M, dg ) ist vollständig. Beweis. Die Implikationen (1) ⇒ (2) ⇒ (3) sind klar. Zu (3) ⇒ (4): Sei p ∈ M , so dass expp auf ganz Tp M definiert ist. Sei ferner K abgeschlossene und beschränkte Teilmenge von M . Da K beschränkt ist, existiert nach Satz 4.8.3 ein R > 0 mit K ⊂ expp ((BR (0p )). Daher ist K 0 := exp−1 p (K) ∩ BR (0p ) abgeschlossene und beschränkte Teilmenge von (Tp M, k·kp ). Da auf endlichdimensionalen reellen Vektorräumen Normen äquivalent sind, ist K 0 nach dem Satz von Heine-Borel kompakte Teilmenge von Tp M , und daher auch K = expp (K 0 ). Zu (4) ⇒ (5): Sei (pj )j∈N Cauchyfolge in (M, dg ). Dann existiert R > 0 d d mit pi ∈ BRg (p1 ) für alle i ∈ N. Nach Voraussetzung ist BRg (p1 ) kompakt, also besitzt (pj )j∈N eine konvergente Teilfolge und konvergiert somit. Zu (5) ⇒ (1): Sei p ∈ M , v ∈ Tp M und γv Geodätische definiert auf (a, b) = Imax (v) mit a, b ∈ R ∪ {±∞}, a < 0 < b. Wir nehmen b < +∞ an. Die durch qj := γv (b − 1j ) definierte Folge (qj )j∈N ist Cauchyfolge in (M, dg ), konvergiert also nach Voraussetzung gegen q∞ ∈ M . Wir setzen vj := γv0 (b− 1j ) ∈ Tqj M , kvj kqj = kvkp . Es existiert eine konvergente Teilfolge vjk , die gegen v∞ ∈ Tq∞ M konvergiert, kv∞ k = kvk. Nach bereits zitierten Sätzen aus der Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen existiert für v∞ ∈ T M eine offene Umgebung Û von v∞ in T M und ε > 0, so dass für alle w ∈ Û die Geodätische γw auf (−ε, ε) definiert ist. Sei nun j0 so groß, dass vj0 ∈ Û und j10 < 2ε gilt. Dann ist γvj0 auf (−ε, ε) definiert, d.h. γv kann auf das Intervall (a, b + 21 ε) fortgesetzt werden. Dies ist ein Widerspruch zur Maximalität von b. Es folgt b = +∞. Ebenso zeigt man a = −∞. Als erste kleine Anwendung obigen Satzes ergibt sich, dass kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeiten und abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten versehen mit der ersten Fundamentalform geodätisch vollständig sind. Nach dem Whitneyschen Einbettungssatz existiert also auf jeder Mannigfaltigkeit eine geodätisch vollständige Riemannsche Metrik. Korollar 4.8.5 Sei (M, g) eine vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit und γv : R → M Geodätische. Dann gilt: 90 (1) Existiert keine kürzere Geodätische zwischen γv (a) und γv (b), so ist γv |[a, b] Kürzeste. (2) Existiert eine weitere Geodätische γṽ : [a, b] → M mit γv (a) = γṽ (a), γv (b) = γṽ (b) und mit L(γv |[a, b] ) = L(γṽ |[a, b] ), so ist für alle ε > 0 γv |[a, b+ε] : γv (a) γv (b + ε) nicht mehr Kürzeste. Beweis. Zu (1): Nach Hopf-Rinow existiert eine Geodätische γṽ , welche den Abstand zwischen γv (a) und γv (b) realisiert. Zu (2): Aus v 6= ṽ folgt, dass im Punkt γv (b) die Tangentialvektoren von γv und γṽ linear unabhängig sind. Wie im Beweis von Satz 4.7.7 folgt nun die Behauptung, da Ecken abgekürzt werden können. Geodätische sind zwar lokal Kürzeste, sie müssen aber nicht für alle Zeiten Kürzeste sein. Die zweite Aussage in obigem Korollar beschreibt eine (von zwei) Möglichkeiten dafür. 5 Der Riemannsche Krümmungstensor Für eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) hatten wir den Levi-CivitaZusammenhang ∇ = ∇g eingeführt und den Riemannschen Krümmungstensor RXY (Z) := ∇X ∇Y Z − ∇Y ∇X Z − ∇[X,Y ] Z vom Typ (2, End(T M )) definiert. Den folgenden (3, 1)-Tensor RXY Z := RXY (Z) nennen wir auch Riemannschen Krümmungstensor, und ebenso den (4, 0)Tensor RXY ZW := RXY Z, W . 5.1 Algebraische Eigenschaften des Krümmungstensors Die kovariante Ableitung ∇R des Riemannschen Krümmungstensor sei wie folgt definiert: (∇R)(X, Y, Z, W ) := (∇X R)(Y, Z, W ) := (∇X R)Y Z W := ∇X (RY,Z W ) − R∇X Y,Z W − RY,∇X Z W − RY,Z (∇X W ) , wobei X, Y, Z, W differenzierbare Vektorfelder auf M seien. Man kann leicht zeigen, dass ∇R ein (4, 1)-Tensor ist. Lemma 5.1.1 Seien X, Y, Z, W ∈ X(M ). Dann gilt: 91 (1) RXY = −RY X . (2) RXY ZW = −RXY W Z . (3) RXY Z + RZX Y + RY Z X = 0. 1.Bianchi-Identität“ ” (4) RXY ZW = RZW XY . Blockvertauschung“ ” (5) (∇X R)Y Z + (∇Z R)XY + (∇Y R)ZX = 0. 2.Bianchi-Identität“ ” Beweis. Zu (1): Dies folgt unmittelbar aus der Definition von R. Zu (2): Da ∇ metrisch ist, gilt Y Z, W = ∇Y Z, W + Z, ∇Y W und es folgt XY Z, W = ∇X ∇Y Z, W + ∇Y Z, ∇X W + ∇X Z, ∇Y W + Z, ∇X ∇Y W . Wir erhalten somit (XY − Y X − [X, Y ]) Z, W = ∇X ∇Y Z, W − ∇Y ∇X Z, W − ∇[X,Y ] Z, W + Z, ∇X ∇Y W − Z, ∇Y ∇X W − Z, ∇[X,Y ] W = RXY Z, W − Z, RXY W . 0 = Zu (3): Da R ein (3, 1)-Tensor ist, können wir Vektorfelder X, Y, Z in einer Umgebung von p beliebig“ vorgeben, um (RXY Z)(p) zu berechnen. ” Wir dürfen also z.B. annehmen, dass in einer Umgebung von p die Vektorfelder [X, Y ] = [X, Z] = [Y, Z] verschwinden. Folgende Identität zeigt dann die Behauptung: (RXY Z + RZX Y + RY Z X)(p) = ∇X ∇Y Z − ∇ Y ∇X Z + ∇Z ∇X Y −∇X ∇Z Y + ∇Y ∇Z X − ∇Z ∇Y X (p) = ∇X (∇Y Z − ∇Z Y ) + ∇Y (∇Z X − ∇X Z ) + ∇Z (∇X Y − ∇Y X ) (p) . | {z } | {z } | {z } =[X,Y ]≡0 =[Z,X]≡0 =[X,Y ]≡0 Zu (4): Wir definieren SXY ZW := RXY ZW − RZW XY und zeigen, dass SXY ZW antisymmetrisch und symmetrisch in X und Y ist. Antisymmetrie“: SY XZW = RY XZW − RZW Y X ” Symmetrie“: Es gilt ” (1) (3) (2) (3) RXY ZW = −RY XZW RXY ZW = −RXY W Z = = (1),(2) = 92 (1),(2) = −SXY ZW . RZY XW + RXZY W RW XY Z + RY W XZ RXW ZY + RY W XZ und Subtraktion liefert 0 = SZY XW + SXZY W . Es folgt SZY XW = SZXY W und SY ZXW = SXZY W . Damit ist S symmetrisch bezüglich dem Vertauschen der zweiten und dritten Komponente und der ersten und dritten Komponente. In der symmetrischen Gruppe S3 gilt nun (1, 3)(2, 3)(1, 3) = (1, 2) und die Behauptung folgt. Zu (5): Um diese Identität zu zeigen, benutzen wir Normalkoordinaten in p, d.h. wir nehmen [X, Y ] = [Y, Z] = [X, Z] ≡ 0 und (∇X Y )(p) = (∇X Z)(p) = (∇Y Z)(p) = 0 an. Nach Definition von ∇R gilt (∇X R)Y Z W (p) = = ∇X (RY,Z W ) − R∇X Y,Z W − RY,∇X Z W − RY Z (∇X W ) (p) ∇X RY Z W − RY Z ∇X W (p) = ∇X , [∇Y , ∇Z ] W (p) mit [∇Y , ∇Z ]W := ∇Y ∇Z W − ∇Z ∇Y W . Die 2.Bianchi-Identität folgt nun aus der Jacobi-Identität für Kommutatoren und folgender Rechnung: (∇X R)Y Z W + (∇Z R)XY W + (∇Y R)ZX W (p) = ∇X , [∇Y , ∇Z ] + ∇Z , [∇X , ∇Y ] + ∇Y , [∇Z , ∇X ] W (p) . {z } | =0 Wir betrachten nun für Vektorfelder X, Y ∈ X(M ) die Bi-quadratische Form k(X, Y ) = RXY Y X . Lemma 5.1.2 Für Vektorfelder X, Y, Z, W ∈ X(M ) gelten die beiden folgenden Identitäten: RXY Y Z = RXY ZW = 1 k(X + Z, Y ) − k(X − Z, Y ) 4 1 RX,Y +Z,Y +Z,W − RX,Y −Z,Y −Z,W 6 −RY,X+Z,X+Z,W + RY,X−Z,X−Z,W Beweis. Die erste Identität folgt durch einfaches Nachrechnen. Die zweite 93 Identität ergibt sich aus nachfolgender Rechnung RX,Y +Z,Y +Z,W − RX,Y −Z,Y −Z,W − RY,X+Z,X+Z,W + RY,X−Z,X−Z,W = = RXY Y W + RXY ZW + RXZY W + RXZZW −(RXY Y W − RXY ZW − RXZY W + RXZZW ) −(RY XXW + RY XZW + RY ZXW + RY ZZW ) RY XXW − RY XZW − RY ZXW + RY ZZW = 2(RXY ZW + RXZY W − RY ZXW − RY XZW ) = 2(RXY ZW + RXZY W + RZY XW +RXY ZW ) | {z } −RY XZW = 6RXY ZW . Dies zeigt die Behauptung. Der Krümmungstensor einer Riemannschen Mannigfaltigkeit ist daher durch die Bi-quadratische Form k bestimmt: RXY ZW = 1 k(X + W, Y + Z) − k(X − W, Y + Z) 24 −k(X + W, Y − Z) + k(X − W, Y − Z) −k(Y + W, X + Z) + k(Y − W, X + Z) +k(Y + W, X − Z) − k(Y − W, X − Z) 5.2 Krümmungen Im Folgenden sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M . Definition 5.2.1 Seien v, w ∈ Tp M linear unabhängig und bezeichne Ev,w := span(v, w) ⊂ Tp M die von v und w aufgespannte Ebene. Dann nennt man K(Ev,w ) := Rvw w,v p kvk2p ·kwk2p − v,w 2 p die Schnittkrümmung der Ebene Ev,w . Lemma 5.2.2 Die Schnittkrümmung K(Ev,w ) hängt nur von der Ebene Ev,w ab. Beweis. Ist v 0 = av + bw, w0 = cv + dw, a, b, c, d ∈ R, eine weitere Basis von Ev,w , so ist a b A := c d 94 invertierbar. Es gilt Rv0 w0 = Rav+bw,cv+dw = Rav,cv + Rav,dw + Rbw,cv + Rbw,dw 5.1.1 = 0 + ad · Rvw + bc · Rw,v + 0 = (ad − bc) · Rv,w = detA · Rvw . Aus der Blockvertauschungsregel erhalten wir einerseits Rv0 w0 v 0 , w0 = (detA)2 · Rvw v, w , andererseits folgt aus der Identität 2 kvk v, w T ·A (detA) · (kvk · kwk − v, w ) = det A · 2 v, w kwk 0 0 2 2 kv 0 k v ,w 2 2 = det 0 0 = kv 0 k · kw0 k − v 0 , w0 0 2 v ,w kw k 2 2 2 2 die Behauptung. Eine Riemannsche Metrik hat positive (negative) Schnittkrümmung, falls Kg (Ev,w ) > 0 (< 0) für alle Ebenen Ev,w ⊂ T M gilt. Man schreibt auch K = Kg > 0. Gilt K ≡ 0, so nennt man die Mannigfaltigkeit (M, g) flach. Der euklidische Raum Rn versehen mit der Standardmetrik g0 ist flach. Wir haben bereits gezeigt, dass eine Riemannsche Mannigfaltigkeit genau dann flach ist, wenn ihr Riemannscher Krümmungstensor gleich Null ist. Es ist sehr schwierig die Existenz von (kompakten) Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit K > 0 nachzuweisen; ab Dimension 25 sind die einzig bekannten Beispiele (gewisse) kompakte symmetrische Räume. Mannigfaltigkeiten, welche eine vollständige Riemannsche Metrik mit K ≤ 0 tragen, werden wir später noch genauer untersuchen. Auch hier stellt sich heraus, dass viele topologische Eigenschaften solcher Mannigfaltigkeiten bekannt sind. Wir betrachten nun folgende Mittelung der Schnittkrümmung. Definition 5.2.3 Sei (e1 , . . . , en ) eine gp -Orthonormalbasis von Tp M . Dann nennt man die symmetrische Bilinearform n X ricp : Tp M × Tp M → R ; (v, w) 7→ tr(R • , v w) = Rei v w, ei i=1 die Ricciform von (M, g) im Punkt p. Die Riccikrümmung in Richtung v ∈ Tp M ist gegeben durch ricp (v) := ricp (v, v) . 95 Ist v ∈ Tp M mit kvk = 1 und (e1 = v, e2 , . . . , en ) eine gp -Orthonormalbasis von Tp M , dann gilt ricp (v) = n X Rei v v, ei = i=1 n X K(Eei ,v ) . i=2 Eine Riemannsche Metrik g hat positive (negative) Riccikrümmung, falls ricp (v) > 0 (< 0) für alle v ∈ Tp M \{0}, p ∈ M . Man schreibt ric > 0 (< 0). Es ist nicht bekannt, welche kompakten (einfach zusammenhängenden) Mannigfaltigkeiten Riemannsche Metriken mit positiver Riccikrümmung zulassen, obgleich viele Beispiele beschrieben wurden. Nach einem tiefen Satz von Gromov weiß man ferner, dass kompakte einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeiten existieren, die eine Riemannsche Metrik mit positiver Riccikrümmung besitzen, jedoch keine Metrik mit K ≥ 0 zulassen. Aus der Existenz von Metriken mit negativer Riccikrümmung ergeben sich ab Dimension 3 überhaupt keine topologischen Obstruktionen, wie der folgende tiefliegende Satz zeigt: Satz 5.2.4 (Lohkamp, 1994) Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit M n , n ≥ 3, existiert eine vollständige Riemannsche Metrik mit negativer Riccikrümmung. Da ricp eine symmetrische Bilinearform ist, existiert genau ein gp -selbstadjungierter Endomorphismus Ricp von Tp M mit ricp ( · , ·) = gp (Ricp ·, ·) , gegeben durch Ricp (v) = n X ricp (v, ej ) · ej , j=1 wobei (e1 , ..., en ) eine gp -Orthonormalbasis von Tp M ist. Definition 5.2.5 Die Skalarkrümmung von (M, g) im Punkt p ist definiert durch n X scalp = scp := tr(Ricp ) = ricp (ei ) i=1 Offenbar gilt: scp = n X K(Eei ,ej ) . i, j=1 Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit M n , n ≥ 3, existiert eine Riemannsche Metrik mit negativer Skalarkrümmung. Kompakte einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeiten der Dimension größer gleich fünf, welche 96 eine Riemannsche Metrik mit positiver Skalarkrümmung zulassen, sind klassifiziert worden mit Hilfe tiefliegender geometrischer und topologischer Methoden. Bemerkung: Die Ricciform ric(g) = ric ist ebenso wie die Riemannsche Metrik g selbst ein (2, 0)-Tensor. Die Skalarkrümmung sc(g) = sc : M → R ist eine differenzierbare Funktion. Wir notieren nun einige Eigenschaften Riemannscher Mannigfaltigkeiten mit konstanter Schnittkrümmung, konstanter Riccikrümmung und konstanter Skalarkrümmung. Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit konstanter Schnittkrümmung sind lokal isometrisch zum flachen Rn , versehen mit der Standardmetrik, zur runden Sphäre Srn vom Radius r oder zum n-dimensionalen hyperbolischen Raum mit Schnittkrümmung K = −r, r > 0. Jede kompakte Mannigfaltigkeit besitzt eine Riemannsche Metrik mit konstanter Skalarkrümmung. Man kann sogar in der konformen Klasse Cg einer (beliebigen) Riemannschen Metrik g auf M eine solche Metrik finden. Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit konstanter Riccikrümmung sind dagegen noch nicht so gut verstanden. Konstante Riccikrümmung ist äquivalent dazu, dass die Riemannsche Metrik und ihre Ricciform proportional sind. Definition 5.2.6 Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) nennt man Einsteinmannigfaltigkeit, falls λ ∈ R existiert mit ric(g) = λ · g. Man kann zeigen (siehe [Bes]), dass Riemannsche Mannigfaltigkeiten (M, g) mit reduzierter Holonomiegruppe Hol0 (M n , g) = SU ( n2 ), Sp( n4 ), G2 , Spin(7) Ricciflach sind, d.h. hier gilt ric(g) = 0. Lemma 5.2.7 Sei (M n , g) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit, n ≥ 3, mit ric(g) = f · g für f ∈ C ∞ (M ). Dann ist (M, g) Einsteinmannigfaltigkeit. 5.3 Krümmung Riemannscher Untermannigfaltigkeiten Sei (N, ĝ) Riemannsche Mannigfaltigkeit und (M, g) Riemannsche Untermannigfaltigkeit, versehen mit der ersten Fundamentalform g = i∗ ĝ von M , ˆ die Levi-Civitai : M → N ; p 7→ p Einbettungsabbildung. Bezeichnet ∇ Ableitung von (N, ĝ) und ∇ die Levi-Civita-Ableitung von (M, g), so gilt ˆ X Ŷ ) ∇X Y = prT M (∇ mit X, Y ∈ X(M ), Ŷ ∈ X(N ) Fortsetzung von Y . Für p ∈ M gilt Tp N = Tp M ⊕ νp M 97 mit ĝp (Tp M, νp M ) = 0. Man nennt νp M den Normalraum von M im Punkt p und [ νM = νp M p∈M das Normalenbündel von M . Das Normalenbündel νM ist ein Vektorraumbündel über M . Definition 5.3.1 Sei (M, g) eine Riemannsche Untermannigfaltigkeit von (N, ĝ), X, Y ∈ X(M ) und Ŷ ∈ X(N ) Fortsetzung von Y . Dann nennt man ˆ X Ŷ ) α : X(M ) × X(M ) → Γ(νM ) ; (X, Y ) 7→ prνM (∇ die zweite Fundamentalform von M . Die zweite Fundamentalform ist tensoriell im ersten Argument und auch im zweiten aufgrund des folgenden Lemmas, somit ein Tensor. Lemma 5.3.2 Die zweite Fundamentalform ist symmetrisch. Beweis. Sei p ∈ M , X, Y ∈ X(M ) und X̂, Ŷ ∈ X(N ) (lokale) Fortsetzungen von X beziehungsweise Y . Dann gilt αp (X, Y ) − αp (Y, X) = ˆ Ŷ − ∇ ˆ X̂) = prν M ([X̂, Ŷ ]) = prν M ([X, Y ]) = 0 . = prνp M (∇ p p X̂ Ŷ Dies zeigt die Behauptung. Sei nun ξ ∈ Γ(νM ) normales Vektorfelder längs M , ξˆ (lokale) Fortsetˆ ˆ X ξ)(p) zung von ξ und X ∈ X(M ). Dann hängt prTp M (∇ nicht von der ˆ Fortsetzung ξ von ξ ab. Denn ist (e1 , ..., en ) eine lokale Orthonormalbasis ˆ êi i ≡ 0 (auf von T M mit lokalen Fortsetzungen (ê1 , ..., ên ), so folgt aus hξ, M) X X ˆ = ˆ êi ip · ei (p) = − ˆ X ξ) ˆ X ξ, ˆ X êi ip · ei (p) prTp M (∇ h∇ hξ, ∇ i=1 i=1 Definition 5.3.3 Sei ξ ∈ Γ(νM ). Dann nennt man ˆ X ξ) Aξ : X(M ) → X(M ) ; X 7→ prT M (∇ die Weingartenabbildung von M in Richtung ξ. Nach obiger Bemerkung ist Aξ tensoriell in ξ. Die Weingartenabbildung (Aξ )p ist ferner gp -selbstadjungiert, denn für X, Y ∈ X(M ) und (lokalen) ˆ Ŷ i ≡ 0 (auf M ) Fortsetzungen X̂, Ŷ gilt wegen hξ, ˆ Ŷ i = −hξ, ∇ ˆ X ξ, ˆ X Ŷ i = −hξ, α(X, Y )i . hAξ (X), Y i = h∇ 98 Somit kann (Aξ )p diagonalisiert werden. Beispiel: Sei M 2 ⊂ R3 Fläche, versehen mit der ersten Fundamentalform g. Sei ferner N = ξ lokales Einheitsnormalenfeld von M 2 mit (lokaler) Fortsetzung N . Dann gilt ANp (v) = prTp M (DNp · v) = DNp · v , für v ∈ Tp M 2 . Satz 5.3.4 (Gauß-Gleichungen) Sei (M, g) Riemannsche Untermannigfaltigkeit von (N, ĝ) und X, Y, Z, W ∈ X(M ). Dann gilt hRXY Z, W i = hR̂XY Z, W i + hα(X, W ), α(Y, Z)i − hα(X, Z), α(Y, W )i . Beweis. Seien X̂, Ŷ , Ẑ ∈ X(N ) Fortsetzungen von X, Y, Z mit [X̂, Ŷ ] = [X̂, Ẑ] = [Ŷ , Ẑ] = 0. Dann gilt ˆ ˆ ˆ ∇ ∇ X̂ Ŷ Ẑ = ∇X̂ (∇Y Z + α(Y, Z)) = ∇X ∇Y Z + Aα(Y,Z) X + η mit η ∈ Γ(νM ). Aus der Identität hR̂XY Z, W i = h∇X ∇Y Z − ∇Y ∇X Z + Aα(Y,Z) X − Aα(X,Z) (Y ), W i = hRXY Z, W i − hα(X, W ), α(Y, Z)i + hα(X, Z), α(Y, W )i folgt die Behauptung. Für die Schnittkrümmung von Untermannigfaltigkeiten erhalten wir also (kXk = kY k = 1, X ⊥ Y ): K(X, Y ) = K̂(X, Y ) + hα(X, X), α(Y, Y )i − kα(X, Y )k2 . Für Hyperflächen M n ⊂ N n+1 ist der Normalraum νp M n eindimensional. Es existiert also (lokal) ein Einheitsnormalenfeld N auf M n , und wir können somit die zweite Fundamentalform α als reelle symmetrische Bilinearform auffassen. In jedem Punkt p ∈ M werden die Hauptachsen e1 (p), ..., en (p) der zweiten Fundamentalform αp Hauptkrümmungsrichtungen und die entsprechenden Eigenwerte λ1 (p), ..., λn (p) Hauptkrümmungen von M n in p genannt. Für Flächen M 2 ⊂ R3 gilt also Kp = λ1 (p) · λ2 (p) d.h. die Schnittkrümmung einer Fläche im R3 ist gerade das Produkt der Hauptkrümmungen. Mann nennt diese von Gauß entdeckte Identität auch Theorema egregium“. ” 99 Hauptkrümmungen können in diesem Fall wie folgt beschrieben werden: Für v ∈ Tp M 2 mit kvk = 1 bezeichne Ev := Spann hv, Np i die durch v und den Normalenvektor Np aufgespannte Ebene. Jede Ebene schneidet die Fläche M 2 in einer (ebenen) differenzierbaren Kurve cv ⊂ Ev , welche nach Bogenlänge parametrisiert werden kann. Diese Kurve bezeichnet man auch als Normalenschnitt. Die Normalkrümmung der ebenen nach Bogenlänge parametrisierten Kurve cv : (−ε, ε) → M 2 ∩ Ev im Punkt c(0) = p ist definiert durch κ(c(0)) := hc00 (0), N (p)i0 . Lemma 5.3.5 Die Hauptkrümmungsrichtungen einer Fläche M 2 im R3 in einem Punkt p ∈ M 2 sind genau diejenigen Richtungen v ∈ Tp M , kvk = 1, für welche die Normalkrümmung des Normalenschnittes cv im Punkt p minimal bzw. maximal ist. Beweis. Sei p ∈ M 2 und c : I → M 2 ein nach Bogenlänge parametrisierter Normalenschnitt mit c0 (0) = v ∈ Tp M 2 . Dann gilt hNp , α(v, v)i0 = −hDNp · v, vi0 = hNp , c00 (0)i0 = κ(c(0)) . Obige Behauptung folgt nun aus der wohlbekannten Charakterisierung von Eigenwerten symmetrischer Bilinearformen. Beispiel 1: Wir berechnen nun die Schnittkrümmung der runden“ Sphäre ” Srn = {x ∈ Rn+1 | kxk = r} ⊂ Rn+1 vom Radius r > 0. Sei p ∈ Srn . Dann ist N (p) = malenfeld auf Srn und es gilt ANp (v) = DNp · v = 1 r 1 r · p globales Einheitsnor- ·v für v ∈ Tp Srn . Aus den Gaußgleichungen folgt K(Σ) = 1 r2 für jede Ebene Σ ⊂ T Srn . Beispiel 2: Sei G ⊂ SO(n) eine Untermannigfaltigkeit von (M at(n, R), ·, · 0 ), welche gleichzeitig Untergruppe von SO(n) ist (d.h. G ist Liegruppe). Wir betrachten für g ∈ G die differenzierbare Abbildung ig : G → G ; h 7→ (Lg ◦ Rg−1 )(h) = g · h · g −1 100 und berechnen das Differential von ig in p = e. Sei also h : (−ε, ε) → G differenzierbare Kurve mit h(0) = e, h0 (0) = Y . Dann gilt: −1 d d i (h(t)) = = g · Y · g −1 ∈ Te G g dt t=0 dt t=0 g · h(t) · g | {z } =:Ad(g)·Y Die adjungierte Darstellung Ad : G → End(Te G) ; g 7→ {Y 7→ Ad(g) · Y } ist eine differenzierbare Abbildung, sogar ein Gruppenhomomorphismus: Ad(g1 · g2 )(Y ) = g1 · g2 · Y · (g1 · g2 )−1 = (Ad(g1 ) ◦ Ad(g2 ))(Y ) . Sei nun g : (−ε, ε) → G differenzierbare Kurve mit g(0) = e, g 0 (0) = X. Dann gilt: d d = dt g(t) · Y · g(t)−1 = |X · Y {z − Y · X} ∈ Te G . dt t=0 Ad(g(t)) · Y t=0 =:[X,Y ]0 Seien X, Y ∈ Te G und X̂(g) = (dLg )e · X = Lg · X , Ŷ (g) = (dLg )e · Y = Lg · Y die entsprechenden linksinvarianten Vektorfelder auf G. Ferner bezeichne g die erste Fundamentalform auf G. Da die Diffeomorphismen Lg : G → G Isometrien von (G, g) sind, ist auch ∇X̂ Ŷ ein linksinvariantes Vektorfeld auf G. d.h. (∇X̂ Ŷ )(g) = Lg · (∇X̂ Ŷ )(e). Wir berechnen nun (∇X̂ Ŷ )(e): Sei c : (−ε, ε) → G differenzierbare Kurve mit c(0) = e, c0 (0) = X̂(e) = X. Dann gilt d (Ŷ ◦ c)(t) Te G (∇X̂ Ŷ )(e) = dt t=0 d c(t) · Y Te G = [X · Y ]Te G = dt t=0 T G = 21 · (X · Y − Y · X) + 21 · (X + Y · X}) e | · Y {z ⊥Te SO(n)⊃Te G = 1 2 · [X, Y ]0 , d.h. ∇X̂ Ŷ = 1 2 \ · [X, Y ]0 = 1 2 · [X̂, Ŷ ] . Wir haben also die durch linksinvariante Vektorfelder induzierte Liealgebrenstruktur auf Te G auf eine zweite Weise berechnet, und zwar mit Hilfe der adjungierten Darstellung. Das Skalarprodukt ge auf Te G ist Ad(G)-invariant, denn die Abbildungen Lg , Rg−1 sind Isometrien von (G, g). Ist also g : (−ε, ε) → G differenzierbare Kurve mit g(0) = e, g 0 (0) = X, so gilt für Y, Z ∈ Te G: 0= d dt t=0 Ad(g(t)) · Y, Ad(g(t)) · Z 0 101 = [X, Y ]0 , Z 0 + Y, [X, Z]0 0 . Es folgt: [X, Y ]0 , Z 0 = − Y, [X, Z]0 0 = [Z, X]0 , Y 0 = − X, [Z, Y ]0 0 = X, [Y, Z]0 0 . Nun können wir den Krümmungstensor des homogenen Raumes (G, g) berechnen: Es gilt 1 2 ∇X̂ ∇Ŷ Ẑ = · ∇X̂ [Ŷ , Ẑ] = 1 4 · [X̂, [Ŷ , Ẑ]] −∇Ŷ ∇X̂ Ẑ = − 41 · [Ŷ , [X̂, Ẑ]] = −∇[X̂,Ŷ ] Ẑ = − 12 · [[X̂, Ŷ ], Ẑ] = 1 4 1 2 · [Ŷ , [Ẑ, X̂]] · [Ẑ, [X̂, Ŷ ]] . Aus der Jacobi-Identität folgt RX̂ Ŷ Ẑ = 1 4 · [Ẑ, [X̂, Ŷ ]] und wir erhalten RXY Y, X e = RX̂ Ŷ Ŷ , X̂ e = 14 · [Ŷ , [X̂, Ŷ ]], X̂ e = 14 · [Y, [X, Y ]0 ]0 , X e = − 41 · [[X, Y ]0 , Y ]0 , X e = − 14 · [X, Y ]0 , [Y, X]0 e = 1 4 · k[X, Y ]0 k2 ≥ 0 . Damit ist die Schnittkrümmung größer gleich Null, d.h. K ≥ 0, (und es folgt natürlich auch Ric ≥ 0). Ist (Te G, [ · , · ]0 ) abelsche Liealgebra, d.h. gilt [x, y]0 = 0 für alle x, y ∈ Te G, so ist (G, g) eine flache Riemannsche Mannigfaltigkeit. Bemerkung: Jede kompakte Liegruppe G tritt in obiger Weise als Untergruppe von SO(NG ) auf, für geeignetes NG ∈ N (siehe [Bred2]). Man kann ferner leicht zeigen, dass (G, ·, · 0 T G×T G ) ein symmetrischer Raum ist: Die Punktspiegelung im Punkt p = e ist gerade gegeben durch die Abbildung T : G → G ; g 7→ g T . 5.4 Der Satz von Gauß-Bonnet Sei (M 2 , g) kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit. Eine (geodätische) Triangulierung T von M 2 ist eine endliche Familie (∆i )i=1,...,N von geodätischen Dreiecken ∆i mit 1. M 2 = ∪N i=1 ∆i . 2. Gilt ∆i ∩ ∆j 6= ∅ für i 6= j, so ist ∆i ∩ ∆j entweder eine gemeinsame Kante oder eine gemeinsame Ecke von ∆i und ∆j . 102 Für eine gegebene Triangulierung T von M 2 bezeichnen wir mit F (T ) die Anzahl der Dreiecke (Flächen) mit K(T ) die Anzahl der Kanten und mit E(T ) die Anzahl der Ecken von T . Die Zahl χ(T ) := F (T ) − K(T ) + E(T ) nennt man die Euler-Poincare-Charakteristik der Triangulierung T . Wir erinnern daran, dass für kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeiten 2 (M , g) der Injektivitätsradius inj(M 2 , g) positiv ist, und notieren folgendes Resultat ohne Beweis (siehe [Bär]): Lemma 5.4.1 Auf jeder kompakten Riemannschen Fäche (M 2 , g) existiert eine (geodätische) Triangulierung T = (∆i )i=1,...,N mit ∆i ⊂ exppi (B 1 inj(M 2 ,g) (0pi )) 2 und pi Ecke von ∆i , i = 1, ..., N . Wir führen nun auf kompakten Riemannschen Mannigfaltigkeiten die Integration von reellen Funktionen ein: Sei (Uα , xα , λα )α=1,...,N eine Zerlegung der Eins von M . Für eine stetige Funktion f : M → R definieren wir Z f µg := M N Z X (λα · f )(x−1 α (v)) · α=1 xα (Uα ) q xα −1 det gij (xα (v)) dv Wir zeigen nun, dass diese Definition des Integrals unabhängig von der Wahl der Zerlegung der Eins ist. Sei U ⊂ M offen und X : U → V und x̃ : U → Ṽ zwei Karten von M . Ferner sei f : U → R stetig mit kompaktem Träger. Dann gilt Z Z q q −1 −1 x x̃ (x̃−1 (ṽ)) dṽ. −1 (f (x (v)) det gij (x (v)) dv = (f (x̃ (ṽ)) det gij V Ṽ Nach Voraussetzung ist x ◦ x̃−1 : Ṽ → V ein Diffeomorphismus zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räume. Aus dem Transformationssatz für das Lebesgue-Integral erhalten wir also Z q x (x−1 (v)) dv = (f (x−1 (v)) det gij V Z q −1 x (x̃−1 (ṽ)) · | det D(x ◦ x̃−1 ) | dṽ = (f (x̃ (ṽ)) det gij ṽ Ṽ x erhalten wir Aus der Transformationregel für die Koeffizientenfunktionen gij ferner x̃ x det(gij )x̃−1 (v) = (det D(x ◦ x̃−1 )ṽ )2 · det(gij )x̃−1 (v) und es folgt obige Behauptung. 103 Sei nun (Ũβ , x̃β , λ̃β )β=1,...,Ñ weitere Zerlegung der Eins von M . Dann gilt: N Z X λα · f µg = α=1 M N X Ñ Z X λα · λ̃β · f µg α=1 β=1 M = Ñ Z X λ̃β · f µg . β=1 M Nun können wir den Satz von Gauß-Bonnet formulieren: Satz 5.4.2 (Satz von Gauß-Bonnet) Sei (M 2, g) kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit und T eine (geodätische) Triangulierung von M 2 wie in Lemma 5.4.1. Dann gilt Z K µg = 2π · χ(T ) . M2 Beweis. An jeder Ecke einer Triangulierung T von M 2 summieren sich die Innenwinkel der involvierten Dreiecke zu 2π auf. Es gilt also F (T ) X αi + βi + γi = 2π · E(T ) . i=1 Ferner besitzt jedes Dreieck ∆i genau drei Kanten. Jede Kante ist Seite von genau zwei Dreiecken. Es folgt 3F (T ) = 2K(t) und wir erhalten χ(T ) = E(T ) − 21 F (T ) . Die Behauptung folgt nun aus Satz 5.4.3, denn es gilt: F (T ) Z Z K µg = M2 X K µg ∆i i=1 F (T ) = X (αi + βi + γi − π) i=1 = 2π · E(T ) − π · F (T ) = 2π · χ(T ) . Die Euler-Poincare-Charakteristik einer Triangulierung T von M 2 hängt also insbesondere nicht von der gewählten Triangulierung ab. Wir setzen χ(M 2 ) := χ(T ) 104 und nennen χ(M 2 ) die Euler-Poincare-Charakteristik von M 2 . Man zeigt leicht χ(S 2 ) = 2, χ(T 2 ) = 0. Allgemeiner gilt für die (orientierbaren) Flächen Fg von höherem Geschlecht χ(Fg ) = 2(1 − g). Das Integral über die Schnittkrümmung einer zweidimensionalen (orientierbaren) Mannigfaltigkeit M 2 bestimmt also den topologischen Typ von M 2 bis auf Homöomorphie. Satz 5.4.3 Sei (M 2 , g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M 2 . Sei ferner ∆ ⊂ expp (B 1 inj(M 2 ,g) (0p )) geodätisches Dreieck mit Ecke p und Innenwinkel 2 α, β und γ. Dann gilt Z K µg = α + β + γ − π . ∆ Beweis. Sei (M 2 , g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M 2 und (e1 , e2 ) eine gp -Orthonormalbasis von Tp M 2 . Wir betrachten die Immersion F : (0, inj(M 2 , g)) × R ; (r, ϕ) 7→ expp r · (cos ϕ · e1 + sin ϕ · e2 ) . Für die Koeffizientenfunktionen der Metrik g bezüglich des lokalen Diffeomorphismus F erhalten wir mit Hilfe des Gauß-Lemmas: 1 0 gij (F (r, ϕ)) 1≤i,j≤2 = 0 f 2 (r, ϕ) mit p g22 (F (r, ϕ)) = f (r, ϕ). Somit folgt Z Z q K µg = K(F (r, ϕ)) · det(gij (F (r, ϕ))) drdϕ . ∆ F −1 (∆) {z } | =f (r,ϕ) Wir berechnen nun die Schnittkrümmung von (M 2 , g). Für die Christoffelsymbole Γkij gilt Γ111 = Γ211 = Γ112 = 0 und Γ212 = 1 f · ∂f ∂r , Γ122 = −f · ∂f ∂r , Γ222 = 1 f · ∂f ∂ϕ und wir erhalten hR K= ∂ ∂ ∂ , ∂ ∂r , ∂ϕ i ∂ϕ ∂r f2 h∇ = ∂ ∂ ∇ ∂ ∂r −∇ ∂ ∂ϕ ∂r ∂r f2 ∇ ∂ ∂ ∂ ∂r , ∂ϕ i ∂ϕ = − f1 · ∂ 2f ∂r2 . Es folgt Z Z K µg = − ∆ F −1 (∆) ∂ 2f (r, ϕ) drdϕ . ∂r2 Die Seiten des geodätischen Dreiecks ∆ ⊂ M 2 seien gegeben durch nach Bogenlänge parametrisierte Geodätische cβ , cγ und cα , wobei cβ und cγ von p ausgehen. Den Zwischenwinkel zwischen cβ und cγ im Punkt p bezeichnen 105 wir mit α und mit β und γ die beiden anderen Zwischenwinkel. Wir können annehmen, dass im Punkt p gerade c0γ = e1 gilt und c0β = D(α) · e1 für die Drehung D(α) um den Winkel α in Richtung e2 . Das Urbild F −1 (∆\{p}) ⊂ Tp M 2 von ∆\{p} ist also gegeben durch F −1 (∆\{p}) = {(r, ϕ) | 0 ≤ ϕ ≤ α und 0 < r ≤ h(ϕ)} für eine differenzierbare Funktion h : [0, α] → R>0 . Es folgt α Z h(ϕ) Z Z K µg = − Z0 α ∆ = − 0 0 ∂ 2f (r, ϕ) dr ∂r2 ∂f ∂r (h(ϕ), ϕ) dϕ ∂f (r, ϕ) dϕ . r→0 ∂r − lim Aus den Identitäten g22 = ∂ ∂ ∂ϕ , ∂ϕ und ∂ ∂ϕ F (r, ϕ) = d expp r(cos ϕ·e1 +sin ϕ·e2 ) · r · (− sin ϕ · e1 + cos ϕ · e2 ) folgt limr→0 f (r, ϕ) = 0 und lim ∂f (r, ϕ) r→0 ∂r = 1, d.h. wir haben den zweiten Integrand in obigem Integral berechnet. Wir schreiben ferner cα (t) = F (r(t), ϕ(t)) für differenzierbare Funktionen r, ϕ : [0, l] → R. Es gilt c0α = r0 · ∂ ∂r + ϕ0 · ∂ ∂ϕ , ϕ0 (t) > 0 für alle t ∈ [0, l] und r(t) = h(ϕ(t)) nach Definition von h. Wir erhalten also Z Z l 0 K µg = α + − ∂f ∂r (h(ϕ(t)), ϕ(t)) · ϕ (t) dt . ∆ 0 Die oben eingeführte Orientierung auf Tp M 2 induziert eine Orientierung ∂ ∂ auf der Menge F (∆), so dass die Basis ( ∂r , ∂ϕ ) positiv orientiert ist. Wir ∂ bezeichnen mit ϑ : [0, l] → (0, π) den orientierten Winkel zwischen ∂r (cα (t)) 0 und cα (t). Dann ist ϑ differenzierbar und es gilt ϑ(0) = π − β , ϑ(l) = γ , ∂ cos ϑ(t) = hc0α (t), ∂r (cα (t))i = r0 (t) . 106 Nun nutzen wir die Tatsache aus, dass cα Geodätische ist. Es folgt 2 0 r00 (t) = f (r(t), ϕ(t)) · ∂f (r(t), ϕ(t)) · ϕ (t) = − sin ϑ(t) · ϑ0 (t) . ∂r Ferner gilt ∂ (cα (t)) = ϕ0 (t) · f (r(t), ϕ(t)) sin ϑ(t) = c0α (t), k ∂ϕ ∂ (c (t))k ∂ϕ α und wir erhalten 0 ϑ0 (t) = − ∂f ∂r (r(t), ϕ(t)) · ϕ (t) . Es folgt Z K µg = α + ϑ(l) − ϑ(0) = α + β + γ − π . ∆ Damit ist der lokale Satz von Gauß-Bonnet bewiesen. Aus dem Beweis obigen Satzes erhalten wir eine weitere geometrische Charakterisierung der Schnittkrümmung von Flächen: Wir hatten gezeigt, p dass für geodätische Polarkoordinaten die Funktion f (r, ϕ) = g22 (F (r, ϕ)) folgenden Identitäten genügt: f (0, ϕ) = 0 , ∂f ∂r (0, ϕ) ∂ 2f (r, ϕ) ∂r2 =1, = −f (r, ϕ) · K(F (r, ϕ)) . Aus der letzen Identität folgt ∂ 2f (0, ϕ) ∂r2 =0 ∂ 3f (0, ϕ) ∂r3 und = −K(p) . Die Taylorentwicklung von f (r, ϕ) nach r in r = 0 lautet also f (r, ϕ) = r − K(p) 6 · r3 + O(r4 ) . Bezeichnet nun Sr (p) den Abstandskreis vom Radius r um p, und L(Sr (p)) dessen Länge, so folgt Z 2π 3 L(Sr (p)) = f (r, ϕ) dϕ = 2πr − 2πK(p) r6 + O(r4 ) . 0 Lemma 5.4.4 Sei (M 2 , g) eine Riemannsche Fläche, p ∈ M 2 . Dann gilt K(p) · π 3 = lim r→0 2πr−L(Sr (p)) r3 . Bezeichnet Br (p) den Abstandsball in (M 2 , g) um p so erhalten wir durch Integration nach r: Korollar 5.4.5 Sei (M 2 , g) eine Riemannsche Fläche, p ∈ M 2 . Dann gilt K(p) · π 12 = lim r→0 πr2 −Vol(Br (p)) r4 107 . 5.5 Die Index-Form Mit Hilfe der 1.Variationsformel hatten wir gezeigt, dass Geodätische kritische Punkte des Längenfunktionals sind. Wir untersuchen nun die zweite Ableitung des Längenfunktionals, um zu klären, ob eine Geodätische ein Minimum, Maximum oder ein Sattelpunkt ist. Sei c : [a, b] → M differenzierbare nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Für V (t) ∈ Xc (M ) definieren wir V ⊥ (t) = V (t) − V (t), c0 (t) c0 (t) . Dann gilt: 2 V (t)⊥ , V (t)⊥ = kV (t)k2 − V (t), c0 (t) . Satz 5.5.1 (2.Variationsformel) Sei c : [a, b] → M eine nach Bogenlänge parametrisierte Geodätische und α : (−ε, ε)×[a, b] → M eine differenzierbare Abbildung mit α0 (t) = c(t). Dann ist die Funktion b Z ∂α (s, t) dt s 7→ L(αs ) = ∂t a zweimal differenzierbar und es gilt: D ∂α t=b 0 d2 L(αs ) = ∂s ∂s (0, t), c (t) t=a ds2 s=0 Z b D Xα (t) ⊥ 2 − RX (t), c0 (t) c0 (t), Xα (t) dt + α ∂t a wobei Xα (t) = ∂α ∂s (0, t) das Variationsvektorfeld von α bezeichnet. Beweis. Aus dem Beweis der 1.Variationsformel ergab sich d ds L(αs ) = a Es folgt d2 L(αs ) 2 ds s=0 Z b 1 = ∂α 3 a ∂t (0,t) + ∂α 1 ∂t (0,t) Z b − = a b Z · 1 ∂α · (s, t) (s, t), ∂α (s, t) dt . ∂t ∂t · (− 21 ) · 2 · d ds s=0 D ∂α ∂s ∂t D ∂α ∂s ∂t D ∂α ∂s ∂t 2 (0, t), c0 (t) (s, t), ∂α ∂t (s, t) dt 2 D 0 Xα (t)2 + D X (t), c (t) + α ∂t ∂t ∂s s=0 D 108 D ∂α ∂t ∂s (s, t), c0 (t) dt . Das Vektorfeld X(s, t) = ∂α ∂s (s, t) ist ein differenzierbares Vektorfeld längs α, d.h. für jede Kartenumgebung (U, x) mit Bild(α) ∩ U 6= ∅ gilt: X(s, t) = n X ξi (s, t) · i=1 ∂ ∂xi α(s,t) i mit differenzierbaren Funktionen ξi = ∂(x◦α) : Ṽ ⊂ R2 → R, i = 1, . . . , n ∂s (siehe (4.4)). Es folgt ∂ 2 ξi ∂ξi ∂ ∂ ∂ D D ∂ ∂ i = ∂s∂t · ∂x + ∂ξ ∂s ∂t ξi · ∂xi ∂t · ∇∂α ∂xi + ∂s · ∇∂α ∂xi + ξi · ∇∂α ∇∂α ∂xi . i ∂s ∂t ∂s ∂t Die Summe der ersten drei Terme ist symmetrisch in s und t. Ferner gilt ∂α [ ∂α ∂s , ∂t ] = 0, und wir erhalten: D D ∂s ∂t X = D D ∂t ∂s X + R ∂α ∂α X ∂s , ∂t . Insgesamt ergibt sich D 0 D ∂α ∂s s=0 ∂t ∂s (s, t), c (t) D D ∂α 0 0 = ∂t ∂s ∂s (0, t), c (t) + RXα (t), c0 (t) Xα (t), c (t) D ∂α 0 0 d = dt ∂s ∂s (0, t), c (t) − RXα (t), c0 (t) c (t), Xα (t) und es folgt die Behauptung. Für stückweise differenzierbare Variationen treten mehrere Randterme auf, welche jedoch von obiger Gestalt sind. Wir kommen nun zu ersten interessanten Anwedungen der zweiten Variationsformel, welche lokale Krümmungsgrößen einer Riemannschen Mannigfaltigkeit und globale (topologische) Eigenschaften der unterliegenden differenzierbaren Mannigfaltigkeit in Beziehung setzen. Man nennt eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M orientierbar, falls ein differenzierbarer Atlas a = (Uα , xα )α∈I von M existiert, so dass alle Kartenwechsel xα ◦x−1 β : xβ (Uα ∩Uβ ) → xα (Uα ∩Uβ ) orientierungserhaltende Diffeomorphismen sind, d.h. falls det D(xα ◦ x−1 β ) v > 0 gilt für alle v ∈ xβ (Uα ∩ Uβ ). Satz 5.5.2 (Synge, 1936) Sei (M 2n , g) kompakte, orientierbare Riemannsche Mannigfaltigkeit mit positiver Schnittkrümmung. Dann ist M 2n einfach zusammenhängend. Beweis. Wir nehmen an, dass M nicht einfach zusammenhängend ist, d.h. es existiert eine nichtkontrahierbare geschlossene Kurve. Da M kompakt ist, kann in der entsprechenden freien Homotopieklasse (wir erlauben variablen Fußpunkt) diese Kurve durch eine geschlossenen Geodätische c : [a, b] → M representiert werden, welche nicht mehr verkürzt werden kann. 109 Die Parallelverschiebung Pc : Tc(a) M → Tc(a) längs c ist eine Isometrie, D 0 welche orientierungserhaltend ist, da M 2n orientierbar ist. Wegen dt c =0 0 0 0 folgt Pc (c (a)) = c (b) = c (a). Somit läßt Pc das orthogonale complement W von hc0 (a)i in Tc(a) M ebenfalls invariant. Die Einschränkung Pc |W : W → W ist wieder orientierungserhaltend, d.h. diese Einschränkung hat eine positive Determinante. Jede spezielle orthogonale Abbildung eines euklidischen Vektorraumes ungerader Dimension besitzt einen Eigenvektor zum Eigenwert eins. Wir wählen einen Einheitsvektor v ∈ Tc(a) M , v ⊥ c0 (a) mit Pc (v) = v und betrachten das parallele Vektorfeld Xv längs c und die Variation α(s, t) = (expc(t) )(s · Xv (t)) der lokal kürzesten Geodätischen c. Da nach Voraussetzung (M, g) positive Schnittkrümmung besitzt, erhalten wir aus der zweiten Variationsformel d2 L(αs ) < 0. Widerspruch! ds2 s=0 Setzt man in obigem Satz nicht mehr die Orientierbarkeit von M 2n voraus, so muß M 2n nicht mehr einfach zusammenhängend sein; z.B. besitzen die reell Projektiven Räume RP2n eine Metrik mit konstanter Schnittkrümmung eins. Größere Fundamentalgruppen können aber nach dem Satz von Synge nicht auftreten. Korollar 5.5.3 Sei (M 2n , g) kompakte, nicht orientierbare Riemannsche Mannigfaltigkeit mit positiver Schnittkrümmung. Dann gilt |π1 (M 2n )| = 2. Beweis. Jede nicht orientierbare Mannigfaltigkeit M besitzt eine orientierbare, kompakte, zweifache Orientierungsüberlagerung M̂ , d.h. M ist Quotientenmannigfaltigkeit: M = M̂ /Z2 . Die Riemannian Metrik g auf M 2n kann man zu einer lokal isometrischen Metrik ĝ auf M̂ liften, welche immer noch positive Schnittkrümmung hat (vergleiche Beweis von Satz 5.5.11). Aus dem Satz von Synge folgt, dass M̂ 2n einfach zusammenhängend ist. Dies zeigt die Behauptung. Aus obigen Aussagen folgt, dass eine kompakte differenzierbare Mannigfaligkeit M 2n mit |π1 (M 2n )| ≥ 3 keine Riemannsche Metrik mit positiver Schnittkrümmung besitzt. Die Produktmannigfaltigkeit RPn × RPn trägt somit keine Metrik mit positiver Schnittkrümmung. Als weitere Anwendung der zweiten Variationsformel notieren wir den Satz 5.5.4 (Frankel, 1961) Sei (M, g) vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit mit positiver Schnittkrümmung. Sind M1 , M2 kompakte, totalgeodätische Untermannigfaltigkeiten von M mit dim M ≤ dim M1 + dim M2 , so gilt M1 ∩ M2 6= ∅. 110 Beweis. Wir nehmen an, dass sich M1 und M2 nicht schneiden. Dann existiert ein kürzeste Geodätische c : [0, l] → M zwischen M1 und M2 , welche nach erster Variationsformel beide Untermannigfaltigkeiten senkrecht schneidet, etwa in p ∈ M1 und q ∈ M2 . Aus Dimensionsgründen existiert ein Vektor v ∈ Tp M1 , so dass das entsprechende parallele Vektorfeld Xv längs c in q = c(l) tangential an M2 ist. Wie im Beweis vom Satz von Synge betrachten wir die Variation α(s, t) = expc(t) (s · Xv (t)) von c. Da M1 und M2 totalgeodätisch sind, sind die Kurven c1 (s) = α(s, 0) und c2 (s) = α(s, l) Geodätische in M1 beziehungsweise in M2 . d2 Aus der 2. Variationsformel folgt wieder ds 2 s=0 L(αs ) < 0. Folglich existierten Kurven zwischen M1 und M2 , welche kürzer als c sind. Widerspruch. Bemerkung: Der Satz von Frankel wurde von Wilking wesentlich verallgemeinert. Wir betrachten nun die zweite Variationsformel für eigentliche Variationen von Geodätischen. Definition 5.5.5 Sei c : [a, b] → M eine differenzierbare Kurve. Dann nennt man die symmetrische Bilinearform Ic : Xc (M ) × Xc (M ) → R ; Z b DX 0 DY (X(t), Y (t)) 7→ dt (t), dt (t) − RX(t), c0 (t) c (t), Y (t) dt a die Indexform von c. Satz 5.5.6 Sei α : (−ε, ε) × [a, b] → M eine eigentliche Variation einer nach Bogenlänge parametrisierten Geodätischen c(t) = α0 (t). Dann gilt: d2 L(αs ) = Ic Xα⊥ (t), Xα⊥ (t) . ds2 s=0 Beweis. Da α eine eigentliche Variation von c ist, gilt α(s, a) ≡ c(a), ∂α α(s, b) ≡ c(b). Es folgt ∂α ∂s (s, a) = ∂s (s, b) ≡ 0 und damit verschwinden die Randterme in der zweiten Variationsformel. Für V (t) ∈ Xc (M ) gilt ⊥ D D = dt V (t) − V (t), c0 (t) c0 (t) dt V (t) D ⊥ D D = dt V (t) − dt V (t), c0 (t) c0 (t) = dt V (t) ⊥ D ⊥ D und wir erhalten ∂t Xα (t) = dt Xα (t). Ferner gilt RXα (t), c0 (t) c0 (t), Xα (t) = RXα⊥ (t), c0 (t) c0 (t), Xα⊥ (t) und die Behauptung folgt. 111 Korollar 5.5.7 Sei (M, g) eine Riemannsche Mannigfaltigkeit mit nichtpositiver Schnittkrümmung. Sei ferner c : [a, b] → M eine nach Bogenlänge parametrisierte Geodätische und α eigentliche Variation von c mit Xα⊥ 6= 0. Dann gilt: d2 L(αs ) > 0 . 2 ds s=0 In Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit K ≤ 0, etwa dem flachen Rn , sind Nachbarkurven“ von Geodätischen c : p q mit gleichem Anfangs” und Endpunkt länger als c (auch wenn c keine Kürzeste ist). Definition 5.5.8 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann nennt man diam(M n , g) := sup { dg (p, q) | p, q ∈ M n } den Durchmesser von (M, g). Sei nun k ∈ R . Gilt ric(g)(x, x) ≥ k·g(x, x) für alle x ∈ T M , so schreiben wir auch ric(g) ≥ k · g oder Ric(g) ≥ k . Satz 5.5.9 (Bonnet-Myers) Sei (M n , g), n ≥ 2, geodätisch vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit. Gilt ric(g) ≥ k · (n − 1) · g für k > 0, so folgt diam(M n , g) ≤ √π k . Insbesondere ist M n kompakt. Beweis. Seien p, q ∈ M , p 6= q. Nach dem Satz von Hopf-Rinow existiert eine Kürzeste c : [0, L] → M zwischen p und q mit kc0 (t)k ≡ 1. Wir ergänzen en = c0 (0) ∈ Tp M zu einer gp -Orthonormalbasis e1 , e2 , . . . , en−1 , c0 (0) von Tp M und bezeichnen mit Ej (t) die parallelen Vektorfelder längs c mit Ej (0) = ei , 1 ≤ j ≤ n − 1. Ferner setzen wir Xj (t) := sin π·t j = 1, . . . , n − 1 . L · Ej (t) , Dann ist αj : (−ε, ε)×[0, L] → M ; (s, t) 7→ expc(t) s·Xj (t) eine eigentliche Variation von c mit Aus Satz 5.5.6 folgt: d2 L(αsj ) ds2 s=0 ∂αj ∂s (0, t) Z = L D Xj (t)2 − RX = 0 j (t), c dt 0 Z = Xj (t) ⊥ c0 (t), da Ej (0) = ej ⊥ c0 (0) gilt. L π2 L2 · cos2 πt L 112 − sin2 0 (t) πt L c0 (t), Xj (t) dt · K Ej (t), c0 (t) dt . Summation über j liefert: n−1 X d2 L(αsj ) ds2 s=0 j=1 L Z = (n − 1) · 0 π2 L2 · cos 2 πt L L Z sin2 dt − πt L 0 · ric c0 (t), c0 (t) dt {z } | ≥(n−1)·k·kc0 (t)k2 L Z ≤ (n − 1) · 0 = (n − 1) · π2 L2 π2 L2 · cos2 πt L − k · sin2 πt L dt Z L Z L π2 2πt · cos L dt − k − L2 · sin2 0 0 {z } | πt L dt =0 = −(n − 1) · k − Ist also L > √π , k π2 L2 Z · L sin2 0 πt L dt . d2 L(αsj0 ) < 0, d.h. ds2 s=0 erhalten L ≤ √πk und die so existiert j0 ∈ {1, . . . , n − 1} mit c(t) = α0j0 (t) ist keine Kürzeste. Widerspruch! Wir Behauptung folgt. Wir notieren den folgenden Starrheitssatz ohne Beweis: Satz 5.5.10 (Cheng, 1975) Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit und k > 0. Gilt ric(g) ≥ (n − 1) · k · g und diam (M, g) = √πk , so ist (M, g) isometrisch zu (S n , 1 · h·, ·i n n ). k 0 T S ×T S Man beachte, dass nichtkompakte vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeiten existieren mit positiver Riccikrümmung, d.h. Ric > 0, etwa der Rotationsparaboloid im R3 . Ist allerdings (M, g) kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Ric > 0, so existiert k > 0 mit ric(g) ≥ (n − 1) · k · g. Satz 5.5.11 Sei (M, g) kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit mit positiver Riccikrümmung. Dann ist die Fundamentalgruppe von M endlich. Beweis. In Abschnitt 1.9 hatten wir notiert, dass eine wegzusammenhängende, einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit M̂ existiert (die universelle Überlagerung von M ), auf der π1 (M ) frei und eigentlich diskontinuierlich operiert via Diffeomorphismen mit M ∼ = M̂ /π1 (M ). Die Projektionsabbildung π : M̂ → M̂ /π1 (M ) ; p 7→ [ p ] ist lokaler Diffeomorphismus. Der Pullback ĝ = π ∗ g von g ist also eine Riemannsche Metrik auf M̂ und π : (M̂ , ĝ) → (M, g) lokale Isometrie. Es folgt ric(ĝ) ≥ (n − 1) · k · ĝ für ein k > 0. Im folgenden Lemma zeigen wir, dass ĝ geodätisch vollständige Metrik ist. Aus dem Satz von Bonnet-Myers folgt, dass M̂ kompakt ist und wir erhalten |π1 (M )| < ∞ (denn sonst könnte man eine offene Überdeckung von M̂ angeben, welche keine endliche Teilüberdeckung besitzt). 113 In Satz 3.1.13 hatten wir Folgendes gezeigt: Ist (M̂,ĝ) Riemannsche Mannigfaltigkeit, G ⊆ Isom(M̂ , ĝ), welche frei und eigentlich diskontinuierlich auf M̂ operiert, so existiert genau eine Riemannsche Metrik g auf M = M̂ /G, so dass die Projektionsabbildung π lokale Isometrie ist. Lemma 5.5.12 Die Riemannsche Mannigfaltigkeit (M̂,ĝ) ist geodätisch vollständig genau dann, wenn (M, g) geodätisch vollständig ist. Beweis. Sei (M̂ , ĝ) geodätisch vollständig, d.h. alle Geodätischen γv̂ in M̂ sind auf ganz R definiert. Da π lokale Isometrie ist, ist auch π ◦ γv̂ Geodätische in (M, g). Ferner sind alle Geodätischen in (M, g) von dieser Gestalt. Damit ist (M, g) geodätisch vollständig. Sei nun (M, g) geodätisch vollständig und γv̂ : (a, b) → M̂ eine maximale Geodätische in (M̂ , ĝ) mit b < +∞. Da c : (a, b) → M ; t 7→ (π ◦ γ˜)(t) Geodätische in (M, g) ist, können wir c zu einer maximalen Geodätischen γv : R → M fortsetzen. Nach Definition der Quotientenmannigfaltigkeit existiert eine offene Umgebung Ū von γv (b) mit [ π −1 (Ū ) = g(U ) , g∈G 0 0 U ⊂ M̂ offen und g(U ) ∩ g (U ) = ∅ für g 6= g . Also existiert g ∈ G, ε > 0 mit γv̂ (b−ε,b) ⊂ g(U ). Da π lokale Isometrie ist, kann γv auf (a, b + δ) fortgesetzt werden für eine δ > 0. Es folgt b = +∞, d.h. (M̂ , ĝ) ist geodätisch vollständig. Ist π : (M̂ , ĝ) → (M, g) nur lokale Isometrie, so folgt aus der geodätischen Vollständigkeit von (M, g) nicht die geodätische Vollständigkeit von (M̂ , ĝ). Wir notieren folgende Anwendung des Satzes von Bonnet-Myers und bemerken, dass kompakte Untergruppen von SO(n) immer schon Untermannigfaltigkeiten von M at(n, R) sind (siehe [BrDi]). Korollar 5.5.13 Sei G kompakte Untergruppe von SO(n). Ist das Zentrum Z(Te G) := {x ∈ Te G | [x, y]0 = xy − yx = 0 für alle y ∈ Te G} der Liealgebra (Te G, [·, ·]0 ) trivial, so ist die Fundamentalgruppe von G endlich: Beweis. Wir versehen G ⊂ SO(n) ⊂ M at(n, R) mit der ersten Fundamentalform g. Sei v, w ∈ Te G, kvk = kwk = 1, v⊥w. Dann gilt K(v, w) = 1 4 k[v, w]0 k2 . Ist also (e1 = v, e2 , . . . , en ) eine ge -Orthonormalbasis von Te G, so folgt: ric(v) = ric(v, v) = 1 4 · N X i=1 114 k[v, ei ]0 k2 > 0 für alle v ∈ Te G\{0}, da sonst v ein Element im Zentrum Z(Te G) von Te G wäre. Aus der Homogenität von (G, g) folgt Ric > 0. Damit trägt die kompakte Mannigfaltigkeit G eine Riemannsche Metrik mit positiver Riccikrümmung, und wir erhalten die Behauptung aus dem Satz von BonnetMyers. Ist M 0 kompakte Mannigfaltigkeit, so ist die Fundamentalgruppe von × M 0 unendlich. Nach dem Satz von Bonnet-Myers existiert daher auf 1 S × M 0 keine Riemannsche Metrik mit Ric > 0. Existiert allerdings auf M 0 eine Riemannsche Metrik mit positiver Skalarkrümmung, so hat die Produktmetrik auf S 1 × M 0 ebenfalls positive Skalarkrümmung. S1 5.6 Jacobi-Vektorfelder Im letzten Abschnitt haben wir gezeigt, dass für eine eigentliche Variation α : (−ε, ε) × [a, b] → M einer nach Bogenlänge parametrisierten Geodätischen c(t) = α0 (t) d2 L(αs ) = Ic (Xα⊥ (t), Xα⊥ (t)) 2 ds s=0 gilt, wobei Xα (t) = ∂α ∂s (0, t) das Variationsvektorfeld bezeichnete. Da α eine eigentliche Variation ist, ist Xα (a) = Xα (b) = 0. Sei nun allgemeiner X(t) ∈ Xc (M ) ein differenzierbares Vektorfeld längs c mit X(a) = X(b) = 0. Dann gilt: D X(t)2 = d X(t), D X(t) − X(t), D22 X(t) dt dt dt dt und wir erhalten b Z Ic (X(t), X(t)) = − a D2 X(t) dt2 + RX(t), c0 (t) c0 (t), X(t) dt . Dies motiviert die folgende Definition 5.6.1 Sei c : [a, b] → M eine Geodätische und X(t) ∈ Xc (M ). Dann heißt X(t) Jacobifeld längs c, falls gilt: D2 X(t) dt2 + RX(t),c0 (t) c0 (t) ≡ 0 . (5.1) Um Jacobifelder geometrisch zu charakterisieren führen wir folgenden Begriff ein: Eine Variation α : (−ε, ε) × [a, b] → M nennt man geodätische Variation von c(t) = α0 (t), falls für alle s ∈ (−ε, ε) die Kurven αs (t) Geodätische sind. Satz 5.6.2 Sei c : [a, b] → M Geodätische. Dann ist X(t) ∈ Xc (M ) genau dann ein Jacobifeld längs c, falls eine geodätische Variation α von c existiert mit X(t) = ∂α ∂s (0, t) für alle t ∈ [a, b]. 115 Beweis. Sei α : (−ε, ε) × [a, b] → M eine geodätische Variation von c. Dann D ∂α gilt ∂t ∂t )(s, t) = 0 für alle s ∈ (−ε, ε) und es folgt D D ∂α ∂t ∂t ∂s = D D ∂α ∂t ∂s ∂t = D D ∂α ∂s ∂t ∂t ∂α ∂α ∂t ∂t , ∂s +R ∂α | {z } ∂α ∂α ∂t ∂s , ∂t = −R ∂α . ≡0 Daher ist Xα (t) = ∂α ∂s (0, t) Jacobifeld längs c. Sei nun umgekehrt X(t) ein Jacobifeld längs c. Sei γ die Geodätische mit γ(0) = c(a) und γ 0 (0) = X(a) und seien Y0 (s), Y1 (s) die parallele D Vektorfelder längs γ mit Y0 (0) = c0 (a), Y1 (0) = dt X(t). Wir definieren t=a die geodätische Variation α : (−ε, ε) × [a, b] → M ; (s, t) 7→ expγ(s) (t − a) · (Y0 (s) + s · Y1 (s)) von α0 (t) = c(t). Nach obiger Rechnung ist das Variationsvektorfeld Xα (t) ein Jacobifeld längs c. Es gilt: d d Xα (a) = ds expγ(s) (0) = ds γ(s) = X(a) s=0 s=0 und D dt t=a Xα (t) = = = D ∂ ∂s s=0 ∂t t=a expγ(s) (t D ∂s s=0 Y0 (s) + s · Y1 (s) D dt t=a X(t) . − a) · (Y0 (s) + s · Y1 (s)) Damit ist sowohl X also auch Xα Lösung der linearen Differentialgleichung (5.1) mit gleichen Anfangswerten. Es folgt X = Xα . Bemerkung: Im Beweis des lokalen Satzes von Gauß-Bonnet hatten wir bereits ein Jacobifeld betrachtet, das Koordinatenvektorfeld ∂ d ∂ϕ (F (t, ϕ0 )) = dϕ ϕ=ϕ0 expp (t · (cos ϕ · e1 + sin ϕ · e2 )) . ∂ Wir bezeichneten mit f (t, ϕ) die Norm von ∂ϕ (F (t, ϕ)). Aus der JacobiGleichung (5.1) erhalten wir noch einmal die bereits bewiesene Identität ∂ 2f (t, ϕ) ∂t2 = −f (t, ϕ) · K(F (t, ϕ)) . Gilt also K ≡ +1, so erhalten wir f (t, ϕ) = sin t, gilt K ≡ −1, so gilt f (t, ϕ) = sinh(t). In der Tat ist (5.1) eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung: Sei etwa (e1 , . . . , en ) eine gc(a) -Orthonormalbasis von Tc(a) M mit e1 = k · c0 (a), k ∈ R\{0}, und seien ferner E1 (t), . . . , En (t) parallele Vektorfelder längs c mit Ei (a) = ei , 1 ≤ i ≤ n. Für ein differenzierbares Vektorfeld X(t) ∈ 116 P Xc (M ) längs c erhalten wir die Darstellung X(t) = ni=1 ξi (t) · Ei (t) mit differenzierbaren Funktionen ξi : [a, b] → R, 1 ≤ i ≤ n. Es folgt D2 dt2 X(t) + RX(t), c0 (t) c0 (t) = n X = ξi00 (t) · Ei (t) + ξi (t) · REi (t), c0 (t) c0 (t) i=1 = n X ξi00 (t) · Ei (t) + i=1 n X ξi (t) · REi (t), c0 (t) c0 (t), Ej (t) · Ej (t) . i,j=1 Daher ist X genau dann Jacobifeld längs c, falls gilt: ξi00 (t) + n X REi (t), c0 (t) c0 (t), Ej (t) · ξj (t) = 0 , i = 1, . . . , n . (5.2) j=2 Insbesondere folgt ξ100 (t) = 0, d.h. ξ1 (t) = a + bt für a, b ∈ R. Für die tangential Komponente 0 X tan (t) := X(t), kcc0 (t) (t)k · c0 (t) kc0 (t)k von X erhalten wir also X tan (t) = (a + b · t) · c0 (t) . kc0 (t)k Offenbar ist X tan (t) Jacobifeld längs c und somit auch die normale Komponente X ⊥ (t) = X(t) − X tan (t) von X, da (5.1) eine lineare Differentialgleichung ist. Bemerkung: Ist X ein Jacobifeld längs c : [a, b] → M mit X(a) = X(b) = 0, so ist X normales Jacobifeld, d.h. X(t) ⊥ c0 (t) für alle t ∈ [a, b]. Definition 5.6.3 Sei c : [a, b] → M eine Geodätische, w ∈ Tc(a) M . Dann bezeichnen wir mit Xw0 (t) das Jacobifeld längs c mit D X(a) = 0 und dt X(t) = w . t=a Im Folgenden werden wir solche Jacobifelder speziell nennen. Gilt w ⊥ so ist Xw0 (t) normales Jacobifeld. c0 (a), Satz 5.6.4 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M und v ∈ Tp M , so dass γv (1) definiert ist. Ferner sei w ∈ Tv (Tp M ) ∼ = Tp M . Dann gilt für alle t ∈ (0, 1]: d(expp )tv · w = 1t · Xw0 (t) . 117 Beweis. Wir definieren folgende geodätische Variation von γv [0,1] : α : (−ε, ε) × [0, 1] → M ; (s, t) 7→ expp (t · (v + s · w)) . Nach Satz 5.6.2 ist Xα (t) = ∂α längs ∂s (0, t) = d(expp )tv · (tw) ein Jacobifeld D γv [0,1] , eindeutig bestimmt durch die Anfangswerte Xα (0) und dt t=0 Xα (t). Es gilt Xα (0) = 0 und D D ∂ X (t) = α dt t=0 ∂s s=0 ∂t t=0 expp (t · (v + s · w)) = w , {z } | =v+s·w d.h. Xα = Xw0 . Mit Hilfe der speziellen Jacobifelder Xw0 , w⊥v = γv0 (0), können wir das Differential der Exponentialabbildung nun vollständig beschreiben, da wir im Gauß-Lemma bereits gezeigt hatten, dass expp eine radiale Isometrie ist. Als erste kleine Anwendung notieren wir: Korollar 5.6.5 Sei p ∈ M und v ∈ Tp M , so dass γv (1) definiert ist. Dann hat d(expp )v : Tv (Tp M ) → Texpp (v) M genau dann keinen vollen Rang, wenn ein nichttriviales, spezielles Jacobifeld Xw0 (t) existiert mit Xw0 (1) = 0. Diese Beobachtung motiviert folgende Definition 5.6.6 Sei c : [a, b] → M eine Geodätische. Dann heißen die Punkte c(a) und c(b) konjugiert längs c, falls ein nichttriviales Jacobifeld X(t) längs c existiert mit X(a) = X(b) = 0. Die Exponentialabbildung expp : Binj(p) (0p ) → expp (Binj(p) (0p )) ist injektiv und differenzierbar. In Abschnitt 4.7 hatten wir behauptet, dass auch die Umkehrfunktion differenzierbar ist. Dies wird in nächstem Satz gezeigt. Satz 5.6.7 Sei (M, g) Riemannsche Mannigfaltigkeit, p ∈ M . Dann ist die Exponentialabbildung exp : Binj(p) (0p ) → exp(Binj(p) (0p )) ein Diffeomorphismus. Beweis. Nach dem inversen Funktionensatz ist zu zeigen, dass das Differential d(expp )v für alle v ∈ Binj(p) (0p ) vollen Rang hat. Wir nehmen also an, dass v ∈ Binj(p) (0p ) existiert, so dass p und γv (1) konjugiert sind längs γv [0,1] , und werden zeigen, dass für kleine ε > 0 Geodätische γvε : p γv (1 + ε) existieren mit L(γvε |[0,1] ) < L(γv |[0,1+ε] ) . (5.3) Die Vektoren vε und v sind somit nicht kollinear (d.h. es existiert kein λ > 0 mit vε = λ · v). Aus γvε (1) = γv (1 + ε) folgt expp (vε ) = expp ((1 + ε) · v) und wir erhalten einen Widerspruch. 118 Sei also v ∈ Binj(p) (0p ) und Xw0 spezielles Jacobifeld längs γv [0,1] mit Xw0 (0) = Xw0 (1) = 0 und Z := 0 D dt t=1 Xw (t) 6= 0 . Sei ε > 0 so klein, dass γv auf [0, 1 + ε] definiert ist. Sei ferner X(t) paralleles Vektorfeld längs γv [0,1+ε] mit X(1) = −Z . Für eine differenzierbare Funktion φ : [0, 1+ε] → R mit φ(0) = φ(1 + ε) = 0, φ(1) = 1 und κ ∈ R betrachten wir das (stetige) stückweise differenzierbare Vektorfeld n X 0 (t) + κ · φ(t) · X(t) , t ≤ 1 w Xα (t) := κ · φ(t) · X(t) ,t ≥ 1 . Das Vektorfelds Xα (t) ist das Variationsvektorfeld der (stelängs γv [0,1+ε] tigen) stückweise differenzierbaren Variation α : (−δ, δ) × [0, 1 + ε] → M ; (s, t) 7→ expγv (t) (s · Xα (t)) von c = α0 = γv [0,1+ε] . Da Xα (0) = Xα (1 + ε) = 0 gilt, ist α eigentliche Variation von c. Aus w ⊥ c0 (0) und Z ⊥ c0 (1) folgt ferner Xα (t) ⊥ c0 (t) für alle t ∈ [0, 1 + ε]. Mit Hilfe der ersten Variationsformel erhalten wir d ds s=0 L(αs ) = 0, da c Geodätische ist. Aus der zweiten Variationformel folgt d2 L(αs ) = Ic (Xα , Xα ) ds2 s=0 Z 1 D 0 2 Xw − RX 0 , c0 c0 , Xw0 dt = dt w 0 Z 1 D 0 D 0 +2 · 0 , c0 c , κφX dt dt Xw , dt (κφX) − RXw 0 2 + κ · Ic (φX, φX) . Da Xw0 Jacobifeld ist mit Xw0 (0) = Xw0 (1) = 0, ist das erste Integral Null. Mit Hilfe der Identität D 0 D D2 0 d D 0 = dt dt Xw , dt (κφX) dt Xw , κφX − dt2 Xw , κφX ergibt sich ferner d2 L(αs ) = ds2 s=0 D 0 t=1 = 0 + 2 dt Xw , κφX t=0 + κ2 · Ic (φX, φX) = 2 · κ · Z, −Z + κ2 · Ic (φX, φX) = −2 · κ · kZk2 + const · κ2 < 0 119 für hinreichend kleines κ. Für obiges ε > 0 existieren also stückweise differenzierbare Kurven cε : p γv (1 + ε) mit L(cε ) < L(γv [0,1+ε] ) . Wie im Beweis vom Satz von Hopf-Rinow folgt, dass p und γv (1 + ε) durch eine kürzeste Geodätische γvε : [0, 1] → M verbunden werden können. Wir erhalten L(γvε [0,1] ) < L(γ(1+ε)·v [0,1] ) mit vε ∈ Binj(p) (0p ) und obige Behauptung ist bewiesen. Wir haben in obigem Beweis die erste und zweite Variationsformel für stückweise differenzierbare eigentliche Variationen verwendet. Alle zusätzlich auftretenden Randterme verschwinden aber, da Xα (t)⊥c0 (t) gilt und die Kurve s 7→ α(s, t) = expγ(t) (s · Xα (t)) eine Geodätische ist. Bemerkung: In obigem Satz ist folgendes geometrisch interessante Resultat gezeigt worden: Sind p = c(a) und q = c(b) konjugierte Punkte längs einer Kürzesten c : p q, so ist für ε > 0 die Geodätische c : p c(b + ε) nicht mehr Kürzeste. Der Injektivitätradius inj(p) ist daher noch oben durch den konjugierten Radius conj(p) := inf{d(p, q) | p und q sind konjugiert} beschränkt. 5.7 Der Satz von Hadamard-Cartan In diesem Abschnitt untersuchen wir Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit K ≤ 0. Wir werden zum Beispiel zeigen, dass keine kompakte Mannigfaltigkeiten existieren, die sowohl eine Riemannsche Metrik mit Ric > 0 zulassen also auch eine Riemansche Metrik mit K ≤ 0. Definition 5.7.1 Sei M eine wegzusammenhängende differenzierbare Mannigfaltigkeit. Man nennt eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M̂ eine Überlagerung von M , falls eine surjektive differenzierbare Abbildung π : M̂ → M existiert, so dass für alle p ∈ M eine offene Umgebung U von p in M existiert mit: S (1) π −1 (U ) = i∈I Ûi , Ûi offen, Ûi ∩ Ûj = ∅ für i 6= j. (2) π|Ûi : Ûi → U ist Diffeomorphismus für alle i ∈ I. Die Abbildung π : M̂ → M nennt man Überlagerungsabbildung. Man kann zeigen, dass die Anzahl |I| der Urbilder eine konstante Funktion auf M ist. Beispiele von Überlagerungen: (0) M überlagert M (π = id). 120 (1) S 3 ist 2-fache Überlagerung von SO(3) = RP 3 . (2) S 3 × S 3 ist 2-fache Überlagerung von SO(4). (3) Sei M̂ differenzierbare Mannigfaltigkeit, auf der eine Gruppe von Diffeomorphismen G frei und eigentlich diskontinuierlich operiert. Dann ist M̂ |G|-fache Überlagerung von M = M̂ /G. (4) Ist M wegzusammenhängende nicht-orientierbare Mannigfaligkeit, so existiert eine 2-fache Überlagerung M̂ von M , welche orientierbar ist, die sogenannte Orientierungsüberlagerung. In Satz 1.9.9 hatten wir notiert, dass zu für jede wegzusammenhängenden Mannigfaltigkeit M eine wegzusammenhängende, einfach zusammenängende Mannigfaltigkeit M̂ existiert, die universelle Überlagerung von M , mit M = M̂ /π1 (M ). Man kann ferner folgende universelle Eigenschaft von M̂ nachweisen: Ist X̂ beliebige wegzusammenhängende, einfach zusammenhängende Überlagerung von M , so gilt: X̂ und M̂ sind diffeomorph und π1 (M ) operiert auf X̂ via Diffeomorphismen frei und eigentlich diskontinuierlich mit M = X̂/π1 (M ). Satz 5.7.2 (Hadamard-Cartan) Sei (M n , g) vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit mit K ≤ 0. Dann ist die universelle Überlagerung von M n diffeomorph zu Rn . Beweis. Sei p ∈ M , c : R → M Geodätische mit c(0) = p und Xw0 (t) beliebiges spezielles Jacobifeld längs c. Wir definieren f : R → R ; t 7→ 21 · Xw0 (t), Xw0 (t) . Dann gilt f (0) = 0, f 0 (0) = 0 und 0 d D 0 f 00 (t) = dt dt Xw (t), Xw (t) D 0 2 = − RXw0 (t), c0 (t) c0 (t), Xw0 (t) + dt Xw (t) ≥ 0 . | {z } ≤0 Somit ist f eine konvexe Funktion mit f (0) = f 0 (0) = 0. Es folgt f (t) ≥ 0 für alle t ∈ R. Wir nehmen nun an, dass t0 > 0 existiert mit f (t0 ) = 0. Dann gilt f |[0, t0 ] ≡ 0, insbesondere Xw0 ≡ 0. Nichttriviale spezielle Jacobifelder Xw0 längs einer Geodätischen c besitzen also genau eine Nullstelle in t = 0. In Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit K ≤ 0 existieren deshalb keine konjugierten Punktepaare. Folglich ist d(expp )v : Tv (Tp M ) → Texpp (v) M für alle v ∈ Tp M ein linearer Isomorphismus, d.h. expp ist eine Immersion. Der Pullback ĝ := exp∗p g ist eine Riemannsche Metrik auf Tp M . Die radialen Strahlen durch 0p sind Geodätische in (Tp M, ĝ), welche auf ganz R definiert sind. Nach dem Satz von Hopf-Rinow ist (Tp M, ĝ) vollständig. Da expp : (Tp M, ĝ) → (M, g) eine lokale Isometrie ist, folgt die Behauptung aus Satz 5.7.3. 121 Einfach zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeiten mit K ≤ 0 nennt man auch Hadamard-Mannigfaltigkeiten (siehe [BGS], [Ball]). Aus dem Satz von Hadamard-Cartan folgt, dass eine kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit mit K ≤ 0 eine Fundamentalgruppe unendlicher Ordnung besitzen muß. Satz 5.7.3 Sei (M̂ , ĝ) vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann ist jede lokale Isometrie π : (M̂ , ĝ) → (M, g) eine Überlagerungsabbildung. Beweis. Sei p ∈ M , ε := inj(p) und U := Bε (p) . Nach Satz 5.6.7 ist expp : Bε (0p ) → U Diffeomorphismus. Sei ferner π −1 (p) = {p̂i }i∈I . Wir definieren für i ∈ I Ûi := B̂ε (p̂i ) . Die Vollständigkeit von (M̂ , ĝ) liefert ed xpp̂i (B̂ε (0p̂i )) = Ûi . Es gilt: (1) Da lokale Isometrien Kurvenlängen erhalten, und somit den Abstand vermindern, folgt ∪i∈I Ûi ⊂ π −1 (U ), (2) Sei i ∈ I, ŵ ∈ Tp̂i M̂ und v = dπp̂i · w. Da π lokale Isometrie ist, gilt π ◦ γ̂ŵ = γv , d.h. expp ◦ dπp̂i = π ◦ ed xpp̂i . Offenbar ist expp ◦ dπp̂i ein Diffeomorphismus zwischen B̂ε (0p̂i ) und U , somit auch ed xpp̂i : B̂ε (0p̂i ) → Ûi und π : Ûi → U . (3) Wir zeigen nun ∪i∈I Ûi = π −1 (U ): Sei q̂ ∈ π −1 (U ), q = π(q̂) ∈ U und γv : [0, L] → M , v ∈ Tq M , die eindeutig bestimmte minimale Geodätische zwischen q und p. Sei ŵ ∈ Tq̂ M̂ mit dπq̂ · ŵ = v. Nach Voraussetzung ist γŵ auf ganz R definiert. Es gilt γv (L) = p, d.h. es existiert i ∈ I mit γŵ (L) = p̂i ˆ i , q̂) ≤ L(γŵ |[0,L] ) = L(γv |[0.L] ) = d(p, q) < ε, d.h. und wir erhalten d(p̂ q̂ ∈ B̂ε (p̂i ) = Ûi . (4) Es bleibt Ûi ∩ Ûj = ∅ für i 6= j zu zeigen: Wir nehmen das Gegenteil ˆ i , p̂j ) < 2ε für i 6= j. Sei ĉ : p̂i an, d.h. d(p̂ p̂j kürzeste Geodätische mit L(ĉ) < 2ε. Dann ist c := π ◦ ĉ eine geodätische Schleife zum Basispunkt p mit L(c) < 2ε. Dies ist aber eine Widerspruch zur Wahl von ε = inj(p). Damit ist gezeigt, dass π eine Überlagerungsabbildung ist. In obigem Satz kann auf die Annahme der Vollständigkeit von (M̂ , ĝ) nicht verzichtet werden, wie einfache Gegenbeispiele zeigen. 122 Literatur [Ball] W. Ballmann, Lectures on Spaces of Nonpositive Curvature, DMVSeminar 25, Birkhäuser-Verlag. [BGS] W. Ballmann, V. Schröder, M. Gromov, Manifolds of non-positive curvature, Birkhäuser-Verlag. [Bär] C. Bär, Elementare Differentialgeometrie, de Gruyter-Verlag. [Bes] A. Besse, Einstein Manifolds, Springer-Verlag. [Bred] G. Bredon, Topology and Geometry, Springer-Verlag. [Bred2] G. Bredon, Introduction to compact transformation groups, New York-London, Academic Press. [BrDi] T. Bröcker, T. Dieck, Representations of Compact Lie Groups, Springer-Verlag. [Conl] L. Conlon, Differentiable Manifolds A first Course, BirkhäuserVerlag. [Fors] O. 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