Aus der Klinik für Dermatologie und Allergologie des St. Josef-Hospitals Bochum - Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Direktor : Prof. Dr. med. P. Altmeyer ________________________________________________ Lokal-immunologische und -proliferative Veränderungen unter topischer Retinoidtherapie bei Psoriasis vulgaris Inaugural-Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät, der Ruhr-Universität zu Bochum vorgelegt von Ingo Schugt aus Hattingen 2001 Abstract Schugt Ingo Lokal-immunologische und -proliferative Veränderungen unter topischer RetinoidTherapie bei Psoriasis vulgaris Die Psoriasis vulgaris ist eine gutartige, erbliche Dispositionskrankheit der Haut mit streckseitenbetonten, entzündlichen Papeln mit parakeratotischer, silberglänzender Schuppung und vielfältigen histologischen Veränderungen wie v.a. Akanthose und entzündlicher Infiltration in Epidermis und Korium. Bei zehn Patienten mit Psoriasis vulgaris vom chronisch-stationären Typ erfolgte eine lokal-topische Therapie mit dem rezeptorselektiven Retinoidgel Tazarotene (Zorac®) über durchschnittlich 24,9 Tage. Durch Stanzbiopsien erhaltene Gewebeschnitte befallener Hautareale wurden neben einer herkömmlichen Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit den Antikörpern MIB-1 (Proliferationsmarker), OPD-4 (T-Helfer-Zell-Marker) und Anti-S-100 (Marker dendritischer Zellen (z.B. Langerhans-Zellen)) markiert. Im Rahmen antiinflammatorischer Effekte zeigte sich unter Therapie eine Reduktion der epidermalen und dermalen T-Helfer-Lymphozyten-Infiltration. Darüberhinaus fand sich eine Supprimierung antigenpräsentierender Zellen. Die schon dokumentierte antiproliferative Wirkung des Retinoids wurde auch durch diese Studie bestätigt. Die Epidermisdicke nahm ab. Klinisch sichtbare Manifestationen der Psoriasis vulgaris wie die erythematosquamösen Plaques besserten sich bei allen Patienten. Restplaques fanden sich nach Therapie jedoch noch bei sechs Personen. Systemische Nebenwirkungen traten nicht auf. Die immunsupprimierende Wirkung von Tazarotene auf die hier untersuchten LangerhansZellen und T-Helfer-Lymphozyten Wirkmechanismus sowie eine ist wahrscheinlich Kopplung epidermaler auf einen und gemeinsamen korialer Prozesse zurückzuführen. Die verminderte Antigenpräsentation durch Langerhans-Zellen könnte so zu einer Reduktion CD4-positiver Lymphozyten führen. Die konsekutiv verminderte Lymphokinfreisetzung würde dann die Keratinozytenproliferation normalisieren und könnte auch die antiinflammatorischen und antiproliferativen korialen Effekte bedingen. II Dekan: Prof. Dr. G. Muhr Referentin: PD Dr. M. Bacharach-Buhles Koreferent: Prof. Dr. Bufe Tag der mündlichen Prüfung: 11.12.2001 III Meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet IV INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1. Einleitung 1 1.1. Historische Aspekte der Psoriasis 1 1.2. Definition 2 1.3. Epidemiologie 2 1.4. Formen der Psoriasis 4 1.5. Klinisches Bild 4 1.6. Sonderformen der Psoriasis 6 1.6.1. Psoriatische Erythrodermie 6 1.6.2. Psoriasis pustulosa 7 1.6.3. Psoriasis pustulosa generalisata (vom Typ Zumbusch) 7 1.6.4. Psoriasis pustulosa palmaris et plantaris (vom Typ BarberKönigsbeck) 8 1.6.5. Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau) 8 1.6.6. Impetigo herpetiformis 8 1.6.7. Psoriasis vulgaris cum pustulatione 9 1.6.8. Erythema-anulare-centrifugum-artige Psoriasis 9 1.7. Histologie 9 1.8. Immunologischer Hintergrund 10 1.9. Psoriasis - eine Autoimmunerkrankung? 13 1.10. Psoriasiforme Akanthose und Tazarotene 14 1.11. Therapie 17 1.12. Retinoide 18 1.12.1. Definition 18 1.12.2. Herkunft und Geschichte 18 1.12.3. Retinoid-Rezeptoren 20 V 1.12.4. Wirkungsweise der Retinoide 21 1.12.5. Entwicklung von Tazarotene - die verschiedenen Retinoidgenerationen 23 1.12.6. Tazarotene-induzierte Gene 26 1.12.7. Pharmakokinetik von Tazarotene 27 1.13. Immunhistochemie 29 1.14. Zielsetzung 30 2. Material und Methode 31 2.1. Patientenkollektiv 31 2.2. Gewebewinnung 32 2.3. Gewebeaufbereitung 33 2.3.1. Paraffineinbettung 33 2.3.2. Aufbereitung der Schnitte 34 2.3.2.1. Paraffinschnitte 34 2.3.2.2. Entparaffinierung 34 2.3.2.3. Hämalaun-Eosin-Färbung 35 2.4. Immunmarkierungen 36 2.4.1. Allgemeines 36 2.4.2. Antikörper (Ak) 36 2.4.3. Immunhistochemische Methodik 36 2.4.4. Direkte Immunmarkierung 37 2.4.5. Indirekte Immunmarkierung 37 2.4.5.1. 2-Schritt-Methode 38 2.4.5.2. 3-Schritt-Methode 38 2.4.5.3. Unkonjugierter Ak-Enzym-Brücken-Methode 39 2.4.5.4. PAP/APAAP-Technik 40 2.4.6. Biotin-Avidin-Methode (ABC-Methode) 41 2.4.7. Gewebefixierung und Vorbereitung 42 VI 2.4.8. Enzymatische Markersubstanzen 43 2.4.9. Verwendete Antikörper 43 2.4.9.1. MIB 1 43 2.4.9.1.1. Vorkommen und Struktur 43 2.4.9.1.2. Histochemische Verfahrensweise 44 2.4.9.2. Anti-OPD 4 45 2.4.9.2.1. Vorkommen und Struktur 45 2.4.9.2.2. Histochemische Verfahrensweise 46 2.4.9.3. Anti-S-100 46 2.4.9.3.1. Vorkommen und Struktur 46 2.4.9.3.2. Histochemische Verfahrensweise 47 2.4.9.4. Anti-Human-Filaggrin 47 2.4.9.4.1. Vorkommen und Struktur 47 2.4.9.4.2. Histochemische Verfahrensweise 48 2.4.10. Auswertung der Schnitte 48 2.4.10.1. Allgemeines 48 2.4.10.2. Epidermisdicke 52 2.4.10.3. Gesamtzellzahl 53 2.4.10.4. Proliferationsaktivität 53 2.4.10.5. T-Zellen 53 2.4.10.6. S-100-positive Zellen 53 3. Ergebnisse 54 3.1. Klinisches Bild 54 3.2. Dermatohistopathologie 57 3.2.1. Dermatohistopathologische Veränderungen vor Therapiebeginn 57 3.2.2. Dermatohistopathologie unter Tazarotene 57 3.3. Epidermisdicke 58 VII 3.4. Gesamtzellzahl 60 3.5. Immunmarkierungen 61 3.5.1. MIB 1 61 3.5.2. Anti-OPD 4 62 3.5.3. Anti-S-100 63 3.5.4. Zusammenfassung der Immunmarkierungen 64 3.6. Zusammenfassung aller Ergebnisse 70 4. Diskussion 71 4.1. Methodendiskussion 71 4.1.1. Patientenkollektiv 71 4.1.2. Auswahl der Gewebebiopsien 73 4.1.3. Bild- und Strukturanalyse 74 4.2. Ergebnisdiskussion 76 4.2.1. Klinisches Bild 76 4.2.2. Dermatohistopathologische Besonderheiten im Patientenkollektiv 77 4.2.2.1. Subkorneale Pustulation 77 4.2.2.2. Gewebseosinophilie 77 4.2.2.3. Quantitative Abweichungen der Anti-S-100-Markierung 78 4.2.3. Immunkompetente Zellen bei Psoriasis vulgaris - Funktion und Änderungen unter Tazarotene-Therapie 80 4.2.4. Akanthose und Proliferation unter Tazarotene 84 4.3. Ausblick 89 5. Zusammenfassung 91 VIII 6. Literaturverzeichnis 92 Danksagungen 113 Lebenslauf 114 IX ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb. (-n) Abbildung (-en) Ak Antikörper bzw. beziehungsweise ca. circa CD cluster determinants d.h. das heißt E Ebene et al. et alii HLA human leucocyte antigen HWZ Halbwertzeit Ig Immunglobulin m Meter max. maximal (-e, -en, -er) MHC major histocompatibility complex mm Millimeter min. minimal (-e, -en, -er) o.a. oder andere (-r) o.g. oben genannt (-e, -en, -er) RAR retinoid acid receptor RXR retinoid-x-receptor s.o. siehe oben sog. sogenannt (-e, -en, -er) s.u. siehe unten usw. und so weiter v.a. vor allem z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil µm Mikrometer X 1.Einleitung 1.1. Historische Aspekte der Psoriasis Die Dermatologie ist ein verhältnismäßig junges Fachgebiet der Medizin. Dies verwundert natürlich, da die Haut der am einfachsten zugängliche Teil des Körpers ist und daher dermatologische Erkrankungen fast immer leicht zu beobachten sind. Die Ursache liegt in erster Linie wahrscheinlich darin, daß im Altertum und Mittelalter die Haut lediglich als Hülle des Körpers galt und man somit aüßerlich sichtbare Erkrankungen für Ausschwitzungen kranker Säfte aus dem Inneren hielt, die man nicht hemmen oder heilen konnte. Trotzallem existieren Berichte über Hautkrankheiten und ihre Behandlung bereits aus dem Altertum. Die vermutlich ältesten Beschreibungen schuppender Hauterkrankungen, aus denen sich jedoch nicht immer zweifelsfrei unsere heutige Psoriasis ableiten läßt, datieren aus dem 4.Jahrhundert v. Chr. Sie stammen aus China und Indien (83). Die erste Erwähnung einer spezifisch antipsoriatischen Behandlung findet sich im Papyrus Ebers (1500 v. Chr.). Dort wird ein externes Vorgehen im Sinne von Einreibungen mit Mixturen aus Zwiebeln, Urin und Meersalz beschrieben. Die erste Verwendung des Begriffes „Psoriasis“ wird Galen (130 - 201 n. Chr.) zugeschrieben. Unter diesem Begriff faßte er eine Schuppung der Augenlider und einen mit starker Exkoriation und Juckreiz verbundenen Zustand der Skrotalhaut zusammen. Zur Therapie empfahl er eine Brühe aus gekochten Nattern. Der Name „Psoriasis“ leitet sich am wahrscheinlichsten von dem griechischen Verb „Psora“ ab, welches man mit „abschilfern, in kleine Teile zerfallen“ übersetzen kann. Im alten Griechenland wurde der Begriff „Psora“ für die unterschiedlichsten Erkrankungen, die mit abschilfernden Prozessen einhergingen, verwendet; so zum Beispiel die Erythrodermie oder Krätze. Hippokrates wiederum verstand unter „Psora“ eine Impetigo, während er die eigentliche Schuppenflechte als „Lepra“ beschrieb. Er empfahl eine Kombinationstherapie mit Zitronensaft und Essig. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Psoriasis beschrieb sehr früh Cornelius Celsus (25 v. Chr. - 45 n. Chr., ein römischer Edelmann und Zeitgenosse des Kaisers Augustus, dem Medizinhistoriker insbesondere ihr Wissen über die alexandrinischen Ärzte verdanken) (1). Diese Beschreibungen finden sich in seinem Werk „De medicina libri octo“ im Kapitel 1 „impetigines“, wo er Schwefel und Salpeter zur Behandlung empfiehlt. Im Mittelalter sah man die Psoriasis als Abart des Aussatzes an. Demzufolge endeten viele Psoriasiskranke in sogenannten Leprosorien, den erstmals nach dem Konzil von Lyon im Jahre 583 eingeführten, der Isolierung dienenden Leprahäusern. In der Literatur des 13. bis 19. Jahrhunderts fällt immer wieder das Bemühen auf, die nichtinfektiösen Hauterkrankungen, zu denen die Psoriasis zählt, von dem ansteckenden Aussatz zu trennen. Dahinter verbarg sich v.a. ein finanzieller Aspekt, um Simulanten aus den mit öffentlichen Mitteln betriebenen Leprosorien zu entfernen. Ferdinand von Hebra wiederum (1816 - 1880) führte histologische und pathologische Aspekte in die Dermatologie ein. Ihm und einigen anderen ist somit die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehende einheitliche, allgemein anerkannte Definition der Psoriasis, zu verdanken. 1.2. Definition Die Psoriasis ist eine sehr häufige, gutartige, erbliche Dispositionskrankheit der Haut (auch der Schleimhaut, Gelenke und Nägel) mit scharf, aber oft unregelmäßig begrenzten, streckseitenbetonten, entzündlichen Papeln mit parakeratotischer, silberglänzender Schuppung. Es finden sich mannigfaltige histologische Veränderungen v.a. im Sinne einer Akanthose und entzündlichen Hautinfiltration. 1.3. Epidemiologie Die Psoriasis gehört in den gemäßigten Klimazonen, und damit auch in Europa, mit einer Morbidität von 1 - 2% zu den häufigsten dermatologischen Erkrankungen (17, 83). Fest steht, daß es zur klinischen Manifestation zum einen einer genetischen Disposition (84) und zum anderen sogenannter Manifestationsfaktoren wie physikalischen, chemischen oder auch immunologischen Reizen bedarf (6, 84). Man nimmt eine polygene multifaktorielle Vererbung mit Schwellenwerteffekt an. Genotypisch determiniert ist dabei außer der Disposition auch der Typ der Psoriasis, während die Lokalisation der Morphen und der 2 Verlauf im wesentlichen exogen bedingt sind. Beide Geschlechter erkranken gleichhäufig. In den meisten Fällen beginnt die Erkrankung im 2. - 3. Lebensjahrzehnt, beim weiblichen Geschlecht im Durchschnitt etwas früher. Man findet sie jedoch nur selten vor der Pubertät. Man unterscheidet desweiteren innere und äußere Auslöser. Äußere Auslöser können mechanischer (enge Kleidung, Körperauflagestellen), physikalischer (Sonnenbrand) oder auch chemischer („Dithranol-Dermatitis) Natur sein. Zu den inneren Auslösern wiederum zählen entzündliche Foci (Tonsillitis), bestimmte Grunderkrankungen (HIV-Infektion, Diabetes mellitus), Medikamente (Resochin, Lithium, ß-Blocker, Chlorthalidon, Goldpräparate, NSA), sowie psychische und saisonale Faktoren (z.B. Frühfahr, Herbst). Ebenfalls bedeutende Faktoren der Morbidität scheinen ethnische und / oder geographische Gegebenheiten zu sein. So erkranken mit Ausnahme der Eskimos, südamerikanischen Indianern und den afrikanischen Schwarzen alle Rassen, am häufigsten die Europäer. Die Psoriasis gliedert sich anhand epidemiologischer Gesichtspunkte in zwei morphologisch nicht oder nur schwer unterscheidbare Typen: Typ I umfasst die schweren Fälle mit frühem Manifestationsalter zwischen 10 und 25 Jahren. Die familiäre Belastung ist hoch. Es besteht eine besonders starke Kopplung bis zu 95% mit HLA-Cw 6 und HLA-Dr 7, eine schwächere mit HLA-B 13 und HLA-B 17. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten ist durch mechanische Provokation eine Psoriasis isomorph auslösbar. Man spricht von isomorphen Reizeffekt und im engeren Sinne von Köbner-Phänomen. Eine krankheitsspezifische Hautreaktion folgt also auf einen unspezifischen Reiz. 60 - 70% der Patienten leiden unter einer Typ-I-Psoriasis. Typ II wiederum umfasst die relativ leichten Fälle mit einer späten Manifestation zwischen 35 und 60 Jahren. Eine familiäre Häufung tritt nicht auf. Es besteht keine oder nur geringgradige Kopplung mit den bereits genannten HLA-Typen. Ein Köbner-Phänomen läßt sich kaum auslösen. Diesem Typ sind 30 - 40% der Psoriasis-Patienten zuzuordnen. 3 1.4. Formen der Psoriasis Grundlegend unterscheidet man neben einer Vielzahl an Sonderformen die eruptivexanthematische von der chronisch-stationären Form. Die eruptiv-exanthematische Psoriasis manifestiert sich nach akuten Infektionen, wie z.B. Tonsillitis, mit subakuter Aussaat kleiner Herde vom Typ der Psoriasis punctata (disseminierte punktförmige oder tropfenartige Herde) v.a. an Rumpf und Extremitäten ohne Prädilektionsstellen (s.u.) und ohne deutliche Infiltration. Der endogene Eruptionsdruck ist sehr groß, sodaß häufig ein isomorpher Reizeffekt ausgelöst werden kann. Desweiteren zeigt sich häufig ein Pruritus. Diese exanthematische Form kann auch in die chronisch-stationären Psoriasis übergehen. Diese verlangt eine intensive lokale Therapie, da sich stärker infiltrierende und silbrig schuppende Herde zeigen. Sie treten jedoch in geringerer Zahl an den typischen Prädilektionsstellen auf. Provozierbarkeit und Pruritus sind im Gegensatz zur exanthematischen Form nur gering ausgeprägt. Die chronisch-stationäre Form kann bei entprechendem Eruptionsdruck auch zusätzlich eruptiv-exanthematische Schübe aufweisen. 1.5. Klinisches Bild Der einzelne Psoriasisherd ist durch ein monotones klinisches Bild gekennzeichnet. während Lokalisation, Größe und auch Konfiguration bei den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich ausfallen können. Die Ausbreitung erfolgt durch zentrifugales Wachstum. Die klassische Hautveränderung der Psoriasis stellt eine scharf begrenzte, entzündliche Papel mit nicht fest haftender, parakeratotischer Schuppung dar. Diese Effloreszenzen können punktförmig klein (Psoriasis punctata), tropfenförmig exanthematisch (Psoriasis guttata), münzenförmig oder durch Konfluieren meherer Herde auch großflächig in bizarren Formen (Psoriasis geographica) und in der Maximalvariante auf der gesamten Hautoberfläche (Psoriasis erythrodermatica) auftreten. Im Bereich jedes Herdes finden sich drei Phänomen, die die Psoriasisdiagnose gestatten. - Das Kerzenfleck-Phänomen: Bei vorsichtigem Kratzen an einem Herd lösen sich die 4 silbrigen Schuppen als kleine Blättchen wie Geschabsel beim Kratzen an einer Stearinwachskerze. - Das Phänomen des letzten Häutchens: Nach Entfernung des Schuppenmaterials findet sich bei weiterem Kratzen ein feucht wirkendes, blattartiges Häutchen als unterste, die Papillenspitze überziehende dünne Epidermisschicht. Wichtigstes Kriterium zur Abgrenzung gegenüber anderen Hauterkrankungen ist das Trockenbleiben der Schuppung bis zur Entfernung des letzten Häutchens. - Das Phänomen des blutigen Taus (Auspitz-Phänomen): Nach Entfernung des letzten Häutchens kommt es zu einer punktförmigen Blutung durch Arrosion von Kapillaren im dann freigelegten Papillarkörper. Punktförmige Blutungen treten aber auch bei anderen dermatologischen Erkrankungen auf, so z.B. bei Ekzemen. Prädilektionsstellen der Psoriasis sind gewöhnlich mechanisch beanspruchte Hautareale mit relativ hoher epidermaler Erneuerungsrate, wie die Streckseiten der Extremitäten, hier besonders im Bereich der Knie- und Ellenbogengelenke, des behaarten Kopfes und der Lendengegend. Auch die Kreuzbeingegend kann betroffen sein. Das klassische Verteilungsmuster kann jedoch auch geradezu umkehrend im Sinne einer Psoriasis inversa in den Hautfalten, perianal und am Bauchnabel lokalisiert sein. Bei klinischem Verdacht sollten desweiteren die Gehörgänge und die Nägel untersucht werden. Solche Nagelveränderungen finden sich bei etwa 30 - 50 % der Psoriasispatienten, bei der Psoriasis arthropathica (s.u.) mit bis zu 70% sogar noch wesentlich häufiger. Die Veränderungen manifestieren sich im Bereich der Nagelmatrix und des Nagelbettes. Bei der Nagelmatrixpsoriasis findet sich nicht selten auch gleichzeitig eine paronychiale Psoriasis. Es treten sog. Tüpfelnägel (Psoriasis punctata ungucum) auf. Dabei fallen die punktförmigen, parakeratotischen Psoriasisherde in der Nagelmatrix bei Vorwachsen der Nägel aufgrund ihrer weicheren Hornbeschaffenheit heraus und bilden die typischen, stecknadelkopfgroßen Grübchen. Bei stärkerer psoriatischer Veränderung der Nagelmatrix finden sich unregelmäßige Strukturveränderungen der Nageloberfläche, die Onychodystrophia psoriatica. Wird das Nagelbett in erkrankungsspezifische Prozesse miteinbezogen, kommt es zu umschriebenen, punkt- bis linsengroßen subungualen Herden 5 mit einem durch das subunguale parakeratotische Material bedingten gelblichen Eigenfarbton, welcher durch die Nägel hindurchschimmert und die sog. psoriatischen Ölflecken bedingt. Diese bilden sich an verschiedenen Nägeln, schieben sich mit dem wachsenden Nagel vor und erreichen schließlich im Rahmen einer partiellen Onycholyse (Onycholysis psoriatica) den freien Nagelrand. Treten Nagelmatrix- und Nagelbettpsoriasis gleichzeitig auf, führt dies durch ausschließliche Bildung von parakeratotischem Material unweigerlich zum Untergang des Nagels, dem sog. psoriatischen Krümelnagel. Bei 5 - 7% der Psoriasispatienten tritt zumeist nach den ersten Hautveränderungen, selten gleichzeitig oder gar vorher, eine Gelenkbeteiligung im Sinne einer Psoriasis arthropathica auf. Man unterscheidet einen häufiger vorkommenden peripheren Typ von einem seltener auftretenden zentralen, axialen Typ. Als Differentialdiagnose wäre an eine primär chronische Polyarthritis zu denken, der Rheumafaktor (ein IgM) ist jedoch bei beiden negativ. Dennoch findet sich, besonders beim zentralen Typ eine positive Korrelation mit HLA-B 27. Dieser ist auch bei M. Reiter und M. Bechterew häufig positiv. Beim peripheren Typ der psoriatischen Arthritis sind ein oder mehrere kleine Gelenke der Hände und / oder Füße betroffen. Es zeigen sich akute, sehr schmerzhafte, gerötete Weichteilschwellungen im Bereich der Gelenke, Wucherungen der Synovia und eine gelenknahe Osteoporose. Das Geschehen läuft schubweise über Monate und Jahre, wobei das betroffene Gelenk oft wechselt. Der Gelenkbefall vom peripheren Typ ähnelt dem der primär chronischen Polyarthritis, der Gelenkbefall vom zentralen Typ eher dem des Morbus Bechterew. Besonders typisch ist der Befall von Finger- und Zehenendgliedern. Der zentrale Typ wiederum betrifft v.a. die sakroiliakalen und die Wirbelgelenke. In den Endstadien bestehen Destruktion, Mutilation und Ankolyse der betroffenen Gelenke. 1.6. Sonderformen der Psoriasis 1.6.1. Psoriatische Erythrodermie Sie tritt als sekundäre Erythrodermie bei ca. 1 - 2% der Patienten als besonders schwere Verlaufsform auf. Zur Entstehung kommt es entweder spontan durch stetige Größenzunahme der Herde bei eruptiv-exanthematischer oder chronisch-stationärer 6 Psoriasis, selten auch iatrogen durch zu intensive Lokalbehandlung. Es zeigt sich eine universelle (d.h. den gesamten Körper betreffende) entzündliche, infiltrierende Rötung, Schuppung und eventuell Exsudation der Haut. Meist ist ein starker Pruritus vorhanden. Eine diskrete Vergrößerung der Lymphknoten im Sinne einer dermopathischen Lymphadenopathie ist die Regel. Die Patienten sind immer schwer krank und können infolge Wärme-, Protein- und Wasserverlustes in der Kachexie versterben. 1.6.2. Psoriasis pustulosa Im Laufe akuter Schübe der Psoriasis sowie bei Konfluenz der Munro-Mikroabszesse bei primär starker exsudativer Psoriasis, kann es zu pustulösen Eruptionen kommen. Es handelt sich um stets sterile, auf Berührung schmerzhafte, intraepidermale Pusteln auf geröteter Haut. Das typische histologische Korrelat ist bei allen Fällen die unilokuläre spongiforme Pustel nach Kogoj (65). Es wandern sehr viele neutrophile Granulozyten ein, welche sich zwischen die Epidermiszellen drängen, was ein Zerreißen der Interzellularbrücken zur Folge hat. Auch bei der gewöhnlichen Psoriasis vulgaris kommt es zur subkornealen, intraepidermalen Neutrophilen-Aggregation, diese ist jedoch nur mikroskopisch sichtbar, während sie bei der Psoriasis pustula auch makroskopisch imponiert. Die Kogoj-Pustel ermöglicht die Differenzierung gegenüber dem pustulösen Bakteriid Andrews. Dort bleiben in nekrobiotischen und karyolytischen Epidermiszellen in subkornealer Lokalisation die Zellwände intakt. Dies führt wiederum zu einer schwammartigen Struktur, die durchsetzt ist von polymorphkernigen neutrophilen Leukozyten. Zentral entwickelt sich eine einkammerige Pustel. Man kann mehrere Formen der Psoriasis pustulosa unterscheiden. 1.6.3. Psoriasis pustulosa generalisata (vom Typ Zumbusch) Diese mit hohem endogenen Eruptionsdruck einhergehende Form der Psoriasis vulgaris kann als exsudative Maximalvariante gewertet werden, obwohl sie klinisch-morphologisch 7 kaum noch Symptome der Psoriasis aufweist. Es finden sich akut bis subakut disseminiertentzündliche Erytheme mit multipler Pustulation auf dem gesamten Integument. Handinnen-flächen und Fußsohlen sind oft stark betroffenen. Die Haut brennt und ist schmerzhaft, sodaß das Allgemeinbefinden schwer gestört wird. Komplikationen wie Bronchopneumonien, Leberstoffwechselstörungen, Eisenmangel usw. können auftreten. 1.6.4. Psoriasis pustulosa palmaris et plantaris (vom Typ Barber-Königsbeck) Es entstehen scharf begrenzte erythrosquamöse psoriasiforme Herde mit nur flachen Pusteln, hauptsächlich im Bereich von Thenar und Hypothenar der Hand und des Hohlfußes. Psoriatische Läsionen werden aber auch an anderen Prädilektionsstellen gefunden. 1.6.5. Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau) Es handelt sich um eine historische Bezeichnung für eine Variante der Psoriasis pustulosa an Händen und Füßen. Es finden sich Pustulationen ausschließlich an den Fingern oder Zehen mit bevorzugtem Befall der Endglieder. Häufig treten reversible Onychodystrophien und Onycholysen auf. 1.6.6. Impetigo herpetiformis Historische Bezeichnung für eine klinische Variante der Psoriasis pustulosa generalisata. Ein gehäuftes Auftreten findet sich in der Schwangerschaft ab dem zweiten Trimenon. Nosologisch scheint eine Epithelkörpercheninsuffizienz (mit daraus folgender Parathormoninsuffizienz) zugrunde zu liegen. Charakteristisch ist ein schubweises Auftreten von primär sterilen Pusteln mit herpetiformer Anordnung auf größeren geröteten Hautarealen, v.a. in den intertriginösen Bereichen des Stammes. Klinisch finden sich 8 Fieber, rheumatoide Beschwerden, Nephritis, Diarrhoen und Zeichen der Hypokalzämie wie z.B. tetanische Anfälle und ein positives Chvostek-Zeichen. 1.6.7. Psoriasis vulgaris cum pustulatione Bei dieser Form der Psoriasis ist das Allgemeinbefinden nur unwesentlich gestört. Es besteht meist schon lange eine Psoriasis vulgaris. Nach Provokation z.B. im Sinne akuter Infektionen, Arzneiallergie oder auch Schwangerschaft entwickelt sich in den Herden zunehmend eine entzündliche Rötung mit Exsudation, Pusteln und Schuppenkrusten. 1.6.8. Erythema-anulare-centrifugum-artige Psoriasis Im Verlauf entsteht meist eine typische Psoriasis vulgaris, obwohl diese Form in klinischmorphologischer Sicht nichts mit der Psoriasis vulgaris gemein hat, sondern der Psoriasis pustulosa näher steht. Die auftretenden Veränderungen, die über Jahre hinweg kommen und gehen, können innerhalb von 1 - 2 Wochen eine beachtliche Progredienz und auch Rückbildungstendenz aufweisen. Besonders an den Extremitäten zeigen sich scharf begrenzte plaqueförmige, gyrierte oder zirzinäre, hellrote entzündliche Erytheme, welche zentrale Abheilung und peripheres Fortschreiten unter Ausbildung einer nach innen gerichteten halskrausenartigen Schuppung (Colleretteschuppung) erkennen lassen. 1.7. Histologie Die psoriatische Läsion ist eine Folge dermaler und epidermaler Störungen. Aufgrund einer massiv gesteigerten Epidermopoese (bis auf das 10-fache) zeigt die Epidermis eine Akanthose unterschiedlichen Ausmaßes, also eine Verdickung auf das 4-5-fache, v.a. durch Verbreiterung des Stratum spinosum. Normalerweise wird nicht unterschieden, ob diese Hyperproliferation die Epidermis insgesamt betrifft, oder ob sie nur in bestimmten Bereichen zu finden ist. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang in erster Linie von einer Elongation der Reteleisten (42, 69, 82) und somit des dermalen Papillarkörpers (9, 9 16). Die Papillenspitzen sind verlängert, insgesamt schmal mit apikal kolbiger Auftreibung. Das schmale darüberliegende Deckepithel ist meist nur wenige Zellschichten dick. Häufig findet sich hier ein interzelluläres Ödem. Weiterhin treten Verhornungsstörungen im Sinne einer Hyperkeratose (Verdickung der Hornschicht mit kernlosen Zellen innerhalb dieser bei ausgebildetem Stratum spinosum) und Parakeratose (Kernhaltige Keratinozyten im Stratum corneum bei weitgehend fehlendem Stratum spinosum) auf. Unterhalb des Stratum corneum an der Grenze zum Stratum spinosum finden sich häufig sterile Ansammlungen neutrophiler Granulozyten, welche zur Bildung der sog. Munro-Mikroabszesse führen. Für die pustulösen Formen sind die intraepidermal lokalisierten Kogoj-Pusteln charakteristisch. Im Korium finden sich in fast allen Fällen perivaskuläre entzündliche Infiltrate aus Lymphozyten, Histiozyten und einzelnen Granulozyten. Man unterscheidet hier das mononukleäre Infiltrat der dermal-entzündlichen Frühphase von dem granulozytär-dominierten Infiltrat der neutrophilenreichen Dauerphase. Es besteht ein mäßiger Epidermotropismus, d.h. vereinzelt wandern Entzündungszellen, v.a. Granulozyten, in die Epidermis ein. Aktivierte CD4- und CD8-positive TLymphozyten finden sich in Korium und Epidermis, allerdings nicht in gleichförmiger Ausprägung (26, 44, 96). So dominiert in der akuten Phase der Psoriasis eine epidermale Infiltration und Aktivierung CD4-positiver Lymphozyten, während die Phase der Rekonvaleszenz mit einer Migration und Persistenz CD8-positiver Lymphozyten korreliert. 1.8. Immunologischer Hintergrund Die Psoriasis vulgaris wird von einigen Autoren, v.a. von Baker und Fry et al. sowie von Menter et al., als immunologische Erkrankung gesehen (6, 84). Im folgenden sollen daher zunächst immunologische Interaktionen betrachtet werden, um später die dargestellten Ergebnisse einer Tazarotenetherapie optimal bewerten und einordnen zu können. Die meisten Antigene aktivieren Lymphozyten unter Mithilfe sog. akzessorischer Zellen wie Makrophagen und Langerhans-Zellen. Den letztgenannten kommt dabei in der Haut eine besondere Funktion zugute. Sie gehören zu den antigenpräsentierenden Zellen (APZ) der Epidermis und besitzen eine ausgeprägte immunstimulatorische Kapazität. Es handelt sich um suprabasal in der Epidermis sowie in der äußerern Wurzelscheide des Haarfollikels 10 gelegene dendritische Zellen. Ihre Dichte ist sehr variabel und beträgt im Mittel 450 / mm2. Charakteristisch sind tennisschlägerartig geformte Birbeck-Granulae im Zytosol der Zelle. Mit den benachbarten Keratinozyten sind sie nicht, wie auch die Melanoyzten nicht, durch Desmosomen verbunden. Sie entwickeln sich aus Monozyten, welche aus dem Knochenmark in die Epidermis einwandern und sich dort zu Langerhans-Zellen differenzieren. Im Rahmen der Antigenpräsentation und in diesem Sinne auch bei der Psoriasis vulgaris spielen sie vor allem bei der Ausbildung der allergischen Typ-IVReaktion eine entscheidende Rolle (58). In der vorliegenden Studie werden sie (zusammen mit den basal gelegenen Melanozyten) durch den Anti-S-100-Antikörper detektiert. Voraussetzung für die Zusammenarbeit dieser akzessorischen Zellen mit den Lymphozyten ist die morphologische Oberflächenidentität beider Zellarten. Die ZelloberflächenErkennungsstrukturen bezeichnet man als HLA- (HLA=human leucocyte antigen) oder MHC-Antigene (MHC = major histocompatibility complex). Sie werden auf dem kurzen Arm von Chromosom Nr. 6 kodiert. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen: Die MHCKlasse-I-Antigene HLA-A, -B und -C, welche auf fast allen kernhaltigen Zellen zu finden sind, und die MHC-Klasse-II-Antigene HLA-D (-DO, -DP, -DR), die vorwiegénd auf Immunzellen lokalisiert sind. T-Lymphozyten, welche in vorliegender Arbeit im Rahmen der Helfer-Linie durch den OPD4-Antikörper erfasst werden, können über ihren T-ZellRezeptor nur Antigene erkennen, die an o.g. HLA-Moleküle auf der APZ gebunden sind. Freies Antigen aktiviert sie nicht, was man als MHC-Restriktion bezeichnet. Die APZ, hier also v.a. die Langerhans`schen Zellen, nehmen das Fremdantigen auf, zerlegen es in kleinere Peptidfragmente und präsentieren es dann in dieser Form zusammen mit den MHC-Proteinen an der Zelloberfläche den T-Lymphozyten. Zeitgleich produzieren sie Zytokine, die ein weiteres Aktivierungssignal für die T-Lymphozyten darstellen. Im Regelfall führt IL-1 in T-Lymphozyten zur Bildung von IL-2 und zur Expression von entsprechenden IL-2-Rezeptoren. Interleukin 1 initiiert damit zusammen mit der Antigenpräsentation die T-lymphozytäre Immunreaktion. Darüberhinaus scheint IL-1 im Rahmen der Psoriasis eine besondere Bedeutung zuzukommen (19, 67, 120) (Kapitel 4). Sog. exogene Antigene, d.h. solche, die von bakteriellen oder protozoalen Erregern stammen, sowie andere Makromoleküle, die in löslicher oder partikulärer Form in den Körper kommen, werden dann über MHC-Klasse-II-Ag nur den CD-4-positiven T- 11 Lymphozyten präsentiert. Sogenannte endogene Ag, also solche, die endogen im Zytoplasma gebildet werden (z.B. virale Antigene), werden über MHC-Klasse-II-Moleküle nur den CD8-positiven T-Lymphozyten präsentiert (89). Da auch die Psoriasis vulgaris mit dem Auftreten bestimmter Gewebsantigene korreliert (starke Kopplung mit HLA-Cw 6 und HLA-Dr 7 und schwache mit HLA-B 13 sowie HLA-B 17 bei Typ I) und im Hinblick auf die Bevorzugung der MHC-Klasse-II-Ag bei Krankheiten mit HLA-Assoziation, drängt sich die Vermutung auf, daß Autoimmunreaktionen durch eine fehlerhafte Präsentation bestimmter antigener Peptide durch diese MHC-Proteine und die dadurch bewirkte fehlerhafte T-Zellregulation begünstigt werden (6, 89). T-Zellen wandeln sich antigenabhängig in zytotoxische T-Lymphozyten (CD8positiv), DTH-Zellen (delayed type hypersensitivity) oder T-Gedächtniszellen um. Dies wird unter den jeweiligen Voraussetzungen durch Lymphokine ( z.B. IL-2), die von THelfer-Zellen gebildet werden, ermöglicht. Die T-Helferzellen können sich unter Einwirkung weiterer exogener Mediatoren in zwei Subpopulationen differenzieren: Th1und Th2-Zellen. Th1-Zellen (inflammatorische Zellen) produzieren vor allen Dingen Interleukin-2 und Gamma-Interferon, wobei letztgenanntes zu einer verstärkten Phagozytoseleistung der Makrophagen führt. IL-2 bewirkt ein Wachstum aktivierter Bund T-Lymphozyten. Th2-Zellen wiederum fördern v.a. über die Sezernierung von IL-4 die Proliferation und Differenzierung von B-Zellen in antikörperproduzierende Plasmazellen. Den erstgenannten Th1-Zellen scheint v.a. im Hinblick auf die entzündlichen Veränderungen bei der Psoriasis vulgaris eine besondere Funktion zuzukommen (4). B-Zellen, welche die humorale Immunität vermitteln, sollen der Vollständigkeit dieses Überblickes halber auch erwähnt sein, wurden in vorliegender Arbeit jedoch nicht spezifisch durch einen Ak untersucht (OPD4 markiert keine B-Zell-Linien). Die Lymphozyten entwickeln sich aus omnipotenten Stammzellen im Knochenmark. Im Rahmen der Reifung gelangen diese Stammzellen bzw. ihre Abkömmlinge in das BursaSystem, das bei Vögeln die sog. Bursa fabricii ist, ein Organ in der Nähe des Enddarms. Bei Menschen findet die B-Lymphozyten-Entwicklung wahrscheinlich in den Peyer`schen Plaques am Darm statt. Diese im Blut und der Lymphe zirkulierenden B-Lymphozyten gehen nach einigen Tagen zugrunde, es sei denn, es bindet an einen von ihnen ein passendes Antigen, das diesen dadurch aus der Masse der anderen selektioniert. Durch 12 diesen Prozess wird der Lymphocyt als Ausgangszelle für einen Lymphocytenklon vorgesehen (klonale Selektion). Unter Einfluß von Makrophagen und T-Helfer-Zellen (Produktion sog. B-Zell-Differenzierungsfaktoren, z.B. Interferon Gamma) differenziert sich dieser Lymphocyt dann zu einer Ak-produzierenden Plasmazelle und Gedächtniszelle (memory cell) (51). Initial sezernieren die Plasmazellen Ak der IgM-Klasse (sog. „frühe Antikörper“), später IgG- bzw. IgA- oder IgE-Ak desselben Idiotyps (Ig-class-switch) (58). Jedoch auch ohne Stimulation produzieren sie latent eine geringe Menge Antikörper. Dieses Immunglobulin vom Typ IgM befindet sich nicht nur im Inneren, sondern auch auf der Oberfläche des jeweiligen Lymphocyten (51). 1.9. Psoriasis - eine Autoimmunerkrankung? Im Rahmen der initialen pathogenetischen Prozeße bei der Manifestation der Psoriasis vulgaris, v.a. im Hinblick auf die Funktion immunkompetenter Zellen wie die auch in dieser Studie untersuchten Lymphozyten, scheint es sinnvoll, zunächst die Frage zu klären, inwiefern eine autoimmunologische Pathogenese der Schuppenflechte überhaupt in der Literatur belegt ist. Wie schon von Baker und Fry angenommen (6), sprechen zahlreiche Ergebnisse dafür, daß die Psoriasis vulgaris eine Erkrankung mit eindeutig (auto-)immunologischem Hintergrund ist. Die pathogenetische Basis stellt dabei wahrscheinlich ein Demaskierungsprozess bestimmter Antigene entweder durch kutane Alteration im Sinne eines KoebnerPhänomens oder durch bakterielle bzw. virale Pathogene dar. Tierversuche haben gezeigt, daß bakterielle Superantigene effektive Trigger der Psoriasis sind. Auch StreptokokkenInfektionen bei Kindern wurden als solche Faktoren gewertet (13, 136). In diesem Zusammenhang spricht man von der sog. „Molekularen-Mimikry“-Theorie. Dahinter verbirgt sich in o.g. Sinne die Annahme, daß Peptid-Fragmente infektiöser Antigene, die zu MHC-Proteinen der humanen Zelloberflächen homolog sind, die autoimmunologischen Vorgänge triggern. Darüberhinaus sind Fallbeschreibungen bekannt, die nahelegen, daß Krankheiten - auch die Psoriasis - vergleichbar einer „graft-versus-host-Reaktion“ induzierbar sind. Gardembase-Pain et al. berichten sowohl von Personen, die nach Knochenmarktransplantation von Psoriasis-Patienten auch eine Psoriasis entwickelten (38), 13 als auch von Fällen, bei denen es nach Knochenmarktransplantation von gesunden Spendern zu einer Heilung der Psoriasis beim entsprechenden Empfänger gekommen ist (34). 1.10. Psoriasiforme Akanthose und Tazarotene Die Psoriasis vulgaris kombiniert epidermale und koriale Veränderungen, wobei kontrovers diskutiert wird, ob das initiierende Moment primär epidermaler oder dermaler Genese ist. Die beeindruckendste Veränderung der psoriatischen Haut stellt die Akanthose als Verbreiterung der Epidermis auf dem Boden einer Dickenzunahme des Stratum spinosum mit Verlängerung der Reteleisten und dermalen Bindegewebspapillen (Papillarkörper) dar. Da die Epidermisdicke im Rahmen dieser Studie anhand der vorliegenden FilaggrinPräparate vor und nach Therapie gemessen wurde und darüberhinaus Tazarotene neben der antiinflammatorischen auch eine massiv antihyperproliferative Wirkung ausübt und somit Einfluß auf die psoriatische Akanthose hat (32), soll daher zunächst auf die pathogenetischen Hintergründe dieser eingegangen werden. Wie im folgenden zu sehen, zeigt sich in der Literatur ein mannigfaltiges Spektrum an Erklärungsansätzen: So konnte eine positive Korrelation zwischen teilungsaktiven Zellen der Epidermis sowie Größe und Dichte der Munro`schen Mikroabszeße, wie sie bei der manifesten Psoriasis vulgaris zu finden sind, gezeigt werden. Das läßt darauf schließen, daß die eindringenden neutrophilen Granulozyten die epidermale Proliferation triggern (110). Weiterhin wurde an Zellkulturen mit Keratinozyten der experimentelle Nachweis der Induktion epidermaler Proliferation durch neutrophile Granulozyten erbracht. Nach Zugabe neutrophiler Granulozyten zu einer Keratinozytenkultur stieg die Inkorporation von Tritium-Thymidin in die Keratinozyten um 100 - 170 % an (110). Für dieses Phänomen finden sich in der Literatur unterschiedliche Erklärungsansätze: Mier et al. schreiben in diesem Zusammenhang dem Phosphoinositol-Zyklus eine wichtige Funktion zu, da dieser sowohl epidermales Wachstum als auch die Freisetzung entzündlicher Eicosanoide reguliert (86). Die Autoren postulieren eine gemeinsame metabolische Kontrolle für beide Mechanismen, wobei zunächst eine chemotaktische Wirkung auf die neutrophilen Granulozyten und 14 später eine proliferative auf die Epidermis ausgeübt werden soll. Ergänzend zu diesem Modell findet sich aber auch eine direkte Wirkung von Cytokinen auf die Proliferation der Keratinozyten, wobei IL-1 eine besondere Bedeutung zukommt. Im Rahmen inflammatorischer Prozesse induziert es neben einer Keratinozytenproliferation und einer Stimulation anderer chemotaktischer Cytokine auch die Bildung von Ahäsionsmolekülen. Es handelt sich z.B. um ELAM-1 (endothelial leucocyt adhesion molecule 1), ICAM-1 (intercellular cell adhesion molecule 1) und VCAM-1 (vascular cell adhesion molecule 1) (19, 67, 120). Diese Adhäsionsmoleküle werden nun von Baker und Fry für die Infiltration der Granulozyten in die psoriatische Läsion verantwortlich gemacht (6). Allerdings ergibt sich ein enormer Unterschied der Aktivitäten von IL-1 in gesunder und psoriatisch affektierter Haut. Die Aktivität der sog. „non-functional“ IL-1 beta in der psoriatisch affektierten Epidermis ist im Vergleich zu gesunder Haut erhöht, die der IL-1 alpha erniedrigt (126). Diese könnte durch den Verbrauch der funktionell aktiven IL-1-Form bedingt sein (128), wobei diese Vermutung auch durch das Vorkommen einer erhöhten Anzahl von Il-1-Rezeptoren in psoriatischer Haut gestützt wird (117) und möglicherweise auch der erhöhte Zell-turn-over der psoriatischen Epidermis reflektiert wird. Van de Kerkhof et al. erklären die Wirkung der neutrophilen Granulozyten auf das epidermale Wachstum mit der Produktion von C-4, D-4 und LTB-4 durch die Neutrophilen selbst (131). Diese Faktoren stimulieren ebenfalls die DNA-Synthese von Keratinozyten in Zellkulturen (66). Die Infiltration der psoriatisch affektierten Haut mit neutrophilen Granulozyten (106, 131) führt im Stratum germinativum (sog. Stratum. Malphigi) zur Bildung spongiformer Pusteln. Desweiteren bilden sich durch Ansammlung der Granulozyten unterhalb des Stratum corneum die schon beschriebenen Munro`schen Mikroabszeße. Chowaniec et al. hielten die neutrophilen Granulozyten für die ersten Zellinfiltrate im Rahmen dieses Krankheitsbildes (22). Dem stehen Berichte über das Auftreten mononukleärer Zellen in psoriatischen pin-point-lesions vor der Granulozyten-Infiltration von Braun-Falco gegenüber (15), was bedeuten würde, daß die neutrophilen Granulozyten nicht die initial zu findenden Zellen in psoriatischen Läsionen wären. Desweiteren wurden solche mononukleären Zellen vor Auftreten neutrophiler Granulozyten bei der pustulösen Psoriasis beobachtet (130). Dieser Tatsache entnahm man, daß die Neutrophilen- 15 Aggregation lediglich eine „Interphase“ und nicht wie bis dahin angenommen die Initialphase der Psoriasis darstellt. Ebenso zeigen sich IL-6 und IL-8 in psoriatischer Epidermis in erhöhter Konzentration (45), wobei IL-8 einen eindeutig chemotaktischen Effekt auf neutrophile Granulozyten und auf T-Zellen hat (6). Il-6 und IL-8 haben bezüglich der Keratinozytenproliferation eine stimulierende Wirkung, was bedeutet, daß sie neben der chemotaktischen auch eine direkte Wirkung auf die epidermale Proliferation haben. Baker und Fry sehen dieses Interleukin-8 als verantwortlichen Faktor bei der Bildung der o.g. Munro`schen Mikroabszeße an. Auf dieser Überlegung beruhend stuften sie die Psoriasis als eine immunologische Erkrankung ein (6, 7). Bei ihrem Modell zur Erklärung der Immunpathogenese der Psoriasis bedürfe es der Präsentation von Antigenen wie z.B. von Viren, Streptokokken etc. durch Klasse-II-positive Zellen an CD4-T-Zellen in der Epidermis. Die dadurch aktivierten CD4-T-Zellen würden daraufhin Cytokine wie IL2, IL-6 und IL-8 sowie Gamma-Interferon freisetzen. Daraufhin würden die psoriatischen Keratinozyten durch die Interaktion mit den Cytokinen der aktivierten T-Zellen stimuliert werden, ihre eigenen Cytokine zu synthetisieren. Die Cytokine würden diesen Prozeß dann in einem autokrinen und / oder parakrinen Wirkmechanismus aufrechterhalten. Weiterhin konnte von anderen Autoren die Existenz leukotaktisch aktiver Faktoren nicht nur in den Schuppen der Psoriasis vulgaris, sondern auch der Psoriasis palmaris et plantaris und der Psoriasis pustulosa nachgewiesen werden. Auch wurde hier der Nachweis der Komplementspaltprodukte C5a und C3a (sog. Anaphylatoxine) als leukotaktisch aktive Faktoren erbracht (124). Man nahm zunächst an, daß diesen drei Subtypen der Psoriasis (Psoriasis vulgaris, Psoriasis palmaris et plantaris, Psoriasis pustulosa) ein gemeinsamer pathogenetischer Basismechanismus zugrunde liegt, entfernte sich aber wieder von dieser Theorie, nachdem klar wurde, daß unterschiedliche Konzentrationen der Komplementspaltprodukte im peripheren Blut vorlagen. So zeigten nur Patienten mit einer Psoriasis vulgaris eine deutliche Erhöhung der Durchschnittskonzentrationen für C3a und C4a, Patienten mit Psoriasis palmaris et plantaris allerdings nicht (127). Als weiterer Aspekt zur Beurteilung der Akanthose darf die Zellzahl nicht unberücksichtigt bleiben. Im allgemeinen wird bei der Betrachtung der Akanthose nur isoliert die Dicke der Epidermis und nicht die Zellzahl beurteilt (9). Pinkus und Weinstein (105, 135) erkannten eine niedrigere Zelldichte in psoriatischer Haut, d.h. eine Reduktion der Zellzahl pro 16 Flächeneinheit mit zunehmender Akanthose. Daraus läßt sich wiederum schließen, daß mit zunehmender Dicke der Epidermis die einzelnen Zellen größer werden, die Akanthose also nicht nur durch eine isolierte Proliferation allein, sondern auch durch Zunahme der Zellgröße mitbedingt ist. 1.11. Therapie Neben den speziellen - meist lokal-pharmakologischen Therapieoptionen - gilt es, einige allgemeine Regeln zu beachten. So sollten irritative Noxen, wie z.B. beengende Kleidung, Sonnenbrände oder auch starke Hautaustrocknungen und Nagelirritationen (z.B. Schreibmaschine schreiben, Klavier spielen) vermieden werden. Die Nägel sollten möglichst kurz gehalten werden, um eineTraumatisierung der Nagelmatrix zu vermeiden. Eine spezielle Diät gibt es nicht, allerdings sollten scharfe Gewürze und Alkohol gemieden werden. Bei bekannter Nahrungsmittelunverträglichkeit gilt es die verantwortlichen Stoffe zu umgehen. Am Anfang der Psoriasisbehandlung steht zunächst die Entfernung der Hautschuppen (Keratolyse) durch lokale Anwendungen, z.B. Acidi salicylici 5% in Vaseline, HarnstoffSalben, auch kombiniert mit Solebädern oder Ölbädern. Sollte sich die parakeratotische Hornschicht wieder ausbilden, muß die Keratolyse wiederholt werden. Sowohl die antipsoriatische Lokalbehandlung als auch die systemische Therapie zielen in erster Linie auf eine Drosselung der Hyperepidermopoese und auf eine Entzündungshemmung. Lokal eignen sich dazu Dithranol (Anthralin®, Cignolin®) in Vaseline im Salbentuch oder als Kurzbehandlung (sog. „Minutentherapie“: 10 - 30 Minuten). Ebenso können Calcipotriol (ein Vitamin-D-Analogon) und natürlich Retinoide zur topischen Behandlung verwendet werden. Eine Normalisierung der Hyperproliferation und Hemmung der NeutrophilenChemotaxis kann z.B. mit dem oralen Retinoid Neotigason® (Acitretin) erreicht werden. Eine Kombinationsbehandlung, z.B. simultane Gabe von Dithranol und Retinoiden, ist auch möglich und effizient (112). Lokale und systemische Steroide in Salben- oder Cremegrundlagen führen ebenfalls zu einer wirksamen Reduktion der Hyperproliferation und wirken überdies stark antientzündlich. Sie kommen v.a. initial in besonders schweren Fällen zur Normalisierung des Hautstatus zur Anwendung. Wegen der drohenden Gefahr 17 der Epidermisatrophie und einer Rarefizierung des dermalen Bindegewebes sind sie jedoch nicht für eine längerfristige Anwendung geeignet. In seltenen und besonders schweren Fällen kann auch das Zytostatikum Methotrexat (z.B. Lantarel®) (2) oder Fumarsäure (8, 88) eingesetzt werden. Hierbei zeigt sich ein sehr gutes Ansprechen innerhalb weniger Wochen, allerdings kommt es häufig zu starken Reboundphänomen, die einen stationären Aufenthalt erforderlich machen. Eine weitere Therapieoption stellt die UV-Behandlung, meist in Kombination mit einer Lokaltherapie, dar. Zur Anwendung kommen die sog. selektive Ultraviolett-Phototherapie (SUP) sowie die Photochemotherapie mit UV-ABestrahlungen, meist nach oraler Einnahme oder lokaler Applikation von 8Methoxypsoralen (z.B. Meladinine®), welches zu einer Photosensibilisierung der Haut führt (PUVA). Je nach Ausprägung des Krankheitsbildes und individuellem Thearpieansprechen werden die genannten Verfahren kombiniert. 1.12. Retinoide 1.12.1. Definition Synthetische Derivate der Vitamin-A-Säure (Tretinoin, all-trans-Retinsäure), wie zum Beispiel Isotretinoin oder Acitretin. 1.12.2. Herkunft und Geschichte Vitamin-A umfaßt die Substanzen Retinol (Vitamin-A-Alkohol), 3-Dehydroretinol bzw. Retinal (Vitamin-A-Aldehyd) und Retinsäure (besitzt nur einen Teil der Vitaminwirkung). Es handelt sich um ein fettlösliches Vitamin, welches auch in Form seines Provitamins (Betacarotin) aufgenommen werden kann. Zur intestinalen Resorption im Darm sind Gallensäuren nötig. Retinol kann als Fettsäureester in der Leber in großen Mengen gespeichert und durch Esterase wieder freigestzt werden. Im Blut ist es an ein spezifisches Transportprotein, an alpha-1-Globulin, gebunden. Man findet Vitamin A v.a. in Gemüse, Obst, Milch und Eiern. Der tägliche Bedarf liegt bei ca. 5000 IE / d. Symptome eines Mangels sind Nachtblindheit (Nyktalopie), später Atrophie und Verhornung der Haut und 18 Schleimhaut, die dadurch leichter von Mikroorganismen angegriffen wird. In der Folge können Xerophthalmie, Glossitis oder Vulvadystrophie auftreten. Bei Heranwachsenden kommt es zu Störungen des Wachstums und der Knochenbildung, während der Gravidität zu Mißbildungen des Feten. Auch Hypervitaminosen sind jedoch möglich. Die akute Form (über 1Mio IE / d) manifestiert sich in Schmerzen, Schwindel und Erbrechen. Die chronische Form zeigt sehr schmerzhafte Schwellungen des Periosts, Hämorrhagien, Haarausfall, Reizbarkeit und laborchemisch einen Anstieg der alkalischen Phosphatase im Serum , wahrscheinlich bedingt durch eine Freisetzung lysosomaler Enzyme. Teratogene Wirkungen sind bekannt. Das Retinol ist in seinen verschiedenen Formen an der Regulation vieler physiologischer Funktionen beteiligt, so an der Hämatopoese, Knochenbildung, am programmierten Zelltod, dem Sehvorgang sowie der Immunabwehr. Darüberhinaus ist es für die Stabilität der Zellmembranen wichtig (Zellmembranen und Membranen der subzellulären Partikel, wie Lysosomen und Mitochondrien) (12). Auch bezüglich der Zellproliferation und -differenzierung haben Retinol und seine Derivate eine Schlüsselfunktion. Daher spielen sie sowohl bei „normalen“ Wachstumsprozessen, als auch bei Entwicklung und Suppression der Karzinogenesis eine wichtige Rolle (12, 72). Die physiologischen Wirkungen entfaltet das Retinol allerdings nicht selbst, sondern in Form der Retinolsäure. Die einzige Ausnahme stellt der Sehprozess dar, bei welchem sich 11-cis- oder all-trans-Retinal mit dem Protein Opsin verbinden und so das sog. Sehpurpur Rhodopsin bilden, das in den Stäbchen und Zapfen des Auges zu finden ist (72). Synthetische Retinoide wurden erstmals Mitte der 70er Jahre auf experimenteller Ebene eingeführt und zur systemischen Behandlung der Psoriasis Anfang bis Mitte der 80er Jahre eingesetzt. Dies basierte v.a. auf der Tatsache, daß Retinoide sehr effektiv die drei pathologischen Hauptkennzeichen der Psoriasis zu beseitigen vermögen, d.h. also die gesteigerte Keratinozytenproliferation, die abnormale Keratinozytendifferenzierung sowie die Infiltration inflammatorisch wirkender Komponenten in die Haut. Auch topische Anwendugen gibt es seit dieser Zeit (Tretinoin) (38, 99), allerdings wurde die Entwicklung der entsprechenden Substanzen aufgrund zu starker lokaler Irritation (Brennen, Rötung, Pruritus) zunächst nicht weiter verfolgt (36, 46, 73). Trotz des Nutzens distanzierte man sich auch wieder von einer systemischen Retinoid-Therapie, da die orale Gabe mit einer Reihe schwerer Nebenwirkungen vergesellschaftet war. Dazu zählen toxische Effekte auf 19 Fett-, Knochen- und (Schleim-)hautgewebe sowie teratogene Wirkungen. Seit Entdeckung und Charakterisierung der Retinoid-Rezeptoren 1987 jedoch, wuchs das Wissen über die Wirkungsweise dieser Pharmaka immer weiter an, sodaß es möglich wurde Retinoide mit definierter Rezeptorselektivität zu entwickeln. Darauf begründete sich die Renaissance der Retinoid-Therapie. 1.12.3. Retinoid-Rezeptoren Retinoide vermitteln ihre biologischen Effekte durch Aktivierung nukleärer Rezeptoren und sich anschließender Regulation der Gen-Transkription (75). Man unterscheidetet prinzipiell zwei Familien von Retinoidrezeptoren: die Retinoid-Säure-Rezeptor (RAR (Retinoic acid receptor)-Familie (40, 101) und die Retinoid-X-Rezeptor (RXR)-Familie (74). Beide Gruppen enthalten drei Subtypen (alpha, beta, gamma), welche durch verschiedene Gene kodiert sind (102). Die Existenz mehrerer Rezeptortypen ist dabei wahrscheinlich die Ursache für die unterschiedlichen Wirkungen der therapeutisch genutzten, neuerdings auch rezeptorselektiven Retinoide. Der dominierende Rezeptortyp in der Haut ist RAR-gamma. Die RARs und RXRs existieren als Dimere, also in Form einer Verbindung zweier gleichartiger Moleküle. Die RARs kommen immer als Heterodimere zusammen mit den RXRs vor (75), wohingegen die RXRs als Homodimere oder als Heterodimer mit RARs, Vitamin-D3-Rezeptoren, Thyroid-Hormon-T3-Rezeptoren und einigen anderen Kernrezeptoren vorkommen (64, 102). Die Existenz dieser Heterodimere ist daher verantwortlich für die „Kreuzreaktion“ mit hormonellen Signalwegen und den daraus resultierenden Nebenwirkungen einer, v.a. systemischen, Retinoidtherapie. Die Aktivierung der Rezeptoren erfolgt durch unterschiedliche Agenzien. So werden die RARs durch all-trans-Retinoidsäure aktiviert, während 9-cis-Retinoidsäure der physiologische Ligand für die RXRs ist (43). 20 1.12.4. Wirkungsweise der Retinoide Der aktivierte Retinoid-Rezeptor-Komplex kann die Genregulation auf zwei Arten beeinflussen: einen direkten und einen indirekten Weg. Der direkte Weg wird zunächst über sog. „retinoid acid response elements“ in der Promotorregion der Zielgene vermittelt. RAR / RXR - Heterodimere binden direkt an diese Region, welche aus kurzen Nukleotidsequenzen wie AGGTCA oder AGTTCA besteht. Es handelt sich um Wiederholungssequenzen, welche durch zwei bis fünf Nukleotid-Spacer voneinander getrennt sind (75). Eine Aktivierung dieser „response elements“ resultiert dann in einer Induktion der Gentranskription, welche zu den physiologischen Effekten führt. Man nimmt an, daß dieser Typ der Aktivierung für die Wirkung der Retinoide auf die zellulären Differenzierungsmechanismen verantwortlich ist (30, 72). Der zweite, indirekte Effekt resultiert aus der Fähigkeit der Retinoide zur negativen Genregulation, wodurch Gene reguliert werden können, die keine „retinoid acid response elements“ haben. Der Retinoid-Rezeptor-Komplex antagonisiert wahrscheinlich bestimmte Transkriptionsfaktoren wie AP1 durch einen Konkurrenzmechanismus, der normalerweise ein co-activator-protein erfordert. AP1 ist ein onkogenes Protein, welches unter hyperproliferativen und inflammatorischen Bedingungen stark erhöht ist. Es reguliert die Transkription vieler Gene, die mit solchen Prozessen (Proliferation, Entzündung) einhergehen. Durch die Verbindung mit dem Retinoid-Rezeptor-Komplex entsteht ein inaktiver Komplex, welcher zur Down-Regulation der Transkription AP1-regulierter Gene führt. Man geht davon aus, daß die antiproliferativen und antiinflammatorischen Wirkungen der Retinoide in erster Linie durch diesen Wirkmechanismus zu erklären sind (50, 90, 139). Eine Zusammenfassung der verschiedenen Mechanismen zeigt Abb.1. Abschließend muß man sagen, daß die Komplexität der Retinoid-assoziierten Signalwege sowohl für die Vielzahl der möglichen Nebenwirkungen, als auch für die breite therapeutische Anwendung verantwortlich ist. So sind Retinoide unter spezifischindividueller Indikation nicht nur zur Psoriasistherapie geeignet, sondern auch zur Behandlung anderer Dermatosen (38) sowie Krebsleiden (71, 91, 139), Arthritis (139) und möglicherweise zur Krebsprävention(10, 113). 21 Abb.1: Genregulationsmechanismen des Tazarotensäure-Rezeptor-Komplexes. (nach Chandraratna, R.A.S.: Tazarotene - first of a new generation of receptorselective retinoids., B. J. Dermatol. 135, 18-25 (1996)) 22 1.12.5. Entwicklung von Tazarotene - Die verschiedenen Retinoidgenerationen Das Basismolekül der Retinoidsäure besteht aus einer cyclischen Endgruppe, einer mehrfach ungesättigten polyenen Seitenkette und einer polaren Endgruppe (Abb.2). Abb.2: Strukturelle Modifikationen des Retinolmoleküls resultieren in der Bildung dreier Retinoidgenerationen. (nach Chandraratna, R.A.S.: Rational design of receptor-selective retinoids., J. Am. Acad. Dermatol. 39, 124-128 (1998)) Zur ersten Generation der Retinoide, die diese Charakteristika aufweisen, zählen Tretinoin (all-Trans-Retinoidsäure) sowie das leicht modifizierte Isotretinoin (13-cis-Retinoidsäure) (43). Durch Umbau der cyclischen Endgruppe entstanden die Retinoide der zweiten Generation wie z.B. Etretinat. (aktiver Metabolit: Acitretin). Infolge einer weiteren 23 Modifikation der polyenen Seitenkette (Zyklisierung) wurden Substanzen wie die Arotinoide, welche zu den Retinoiden der dritten Generation zählen, kreiert (43). Die Erstund Zweitgenerationsretinoide enthalten mehrere, sich mit Einfachbindungen abwechselnde, Doppelbindungen im Molekül. Diese verleihen dem Pharmakon eine große Flexibiltiät bezüglich seiner Konformation, sodaß das Molekül mit vielen Rezeptoren interagieren kann. Doch genau darin liegt die Problematik, da so eine selektive Therapie im Sinne großer Rezeptorselektivität nicht ereicht werden kann. Eine große Anzahl verschiedener Rezeptoren wird stimuliert, was eine enorme Spanne an topischen oder systemischen Nebenwirkungen - je nach Applikationsart - zur Folge hat. Obwohl die Arotinoide schon eine rigidere Struktur aufweisen, sind auch sie noch derart flexibel, daß sie mit mehr als einem Rezeptortyp reagieren können. Infolge weiterer Reduzierung der molekularen Flexibilität durch Erhöhung der Rigidität des eigentlichen Moleküls konnte die Rezeptorselektivität immer weiter verbessert werden, was schließlich zur Entwicklung von Tazarotene geführt hat. Tazarotene und Tazarotensäure, der eigentlich wirksame Metabolit, gehören zu einer neuen Klasse von Retinoiden, den sog. azetylierten Retinoiden. Wie kam es zur Entwicklung von Tazarotene? Wie anhand von Abb. 3 zu erkennen, wurde zunächst die Flexibilität des Moleküls durch Integration der Doppelbindungen der Seitenkette in zwei Ringstrukturen und eine lineare Dreifachbindung reduziert, wodurch die Grundstruktur von Tazarotene entstand. Weitere Modifizierungen folgten, um eine bessere topische Anwendung möglich zu machen. So erfolgte zunächst die Umwandlung des Moleküls in eine Ethylester-Vorstufe, wodurch Hautirritationen weiter reduziert werden konnten, da das Pharmakon in Esterform natürlich wesentlich besser vertragen wird als in Säureform. Weiterhin wurde ein Stickstoffatom eingeführt, um sicherzustellen, daß die Ethylestervorstufe schnell systemisch in ihre polarere Säureform umgewandelt werden kann. Dies ist wichtig, um eine Akkumulation besonders in fetthaltigen Geweben, wie sie bei einigen Retinoidestern, z.B. bei Etretinat, auftritt, zu vermeiden und dadurch die Halbwertszeit zu verkürzen (37). Weiterhin wurde ein Schwefelatom in den lipophilen Teil des Moleküls eingebracht, um eine leichte und schnelle oxidative Metabolisierung zu gewährleisten. Abbildung 3 gibt einen Überblick bezüglich dieses Entstehungsprozesses. 24 Abb.3: Die Entstehung von Tazarotene: Strukturelle Progression von Retinoidsäure zu Tazarotene. (nach Chandraratna, R.A.S.: Tazarotene - first of a new generation of receptor-selective retinoids., B. J. Dermatol. 135, 18-25 (1996)) Tazarotene selbst bindet an keinen Rezeptor. Der aktive Metabolit ist die Tazarotensäure (Abb.4), welche mit hoher Affinität an die RARs bindet. In abnehmender Affinität bindet sie an RAR-beta, RAR-gamma und RAR-alpha (90), wobei allerdings die Wirkung auf die beiden erstgenannten im Vordergrund steht. RXR werden nicht aktiviert (90). Tazarotene und Tazarotensäure enthalten keine isomerisierbaren Doppelbindungen mehr und können daher auch nicht in andere Formen umgewandelt werden, sie können also keine anderen Retinoidrezeptoren aktivieren. Im Gegensatz dazu ist die all-trans-Retinoidsäure, das Mutterhormon, zu sehen, welches mit annähernd gleicher Affinität an alle drei RAR-Typen bindet und darüberhinaus in Formen umgewandelt werden kann, die zur Aktivierung von RXRs führen. 25 Abb.4: Strukturformel von Tazarotene und Tazarotensäure. (nach Chandraratna, R.A.S.: Tazarotene - first of a new generation of receptorselective retinoids., B. J. Dermatol. 135, 18-25 (1996)) 1.12.6. Tazarotene-induzierte Gene Mittlerweile sind drei Tazarotene-induzierbare Gene bekannt, die man als TIG-1, -2 und -3 bezeichnet. TIG-1 scheint selektiv durch RAR-spezifische und nicht durch RXR-assoziierte Retinoide stimuliert zu werden (93). Es handelt sich um eine komplementäre DNA (cDNA), die für ein Protein aus 228 Aminosäuren (AS) kodiert. TIG-1 selbst scheint ein transmembranäres Protein zu sein, welches als ein Zelladhäsionsmolekül wirken könnte, um so Zell-zu-ZellKontakte zu vermitteln. Wahrscheinlich reduziert es die Keratinozytenproliferation (93). Bei TIG-2 handelt es sich ebenfalls um eine cDNA. Sie kodiert für ein Protein bestehend aus 164 AS. TIG-2 ist in hoher Konzentration in nichtaffektierter psoriatischer Haut und in 26 geringer Konzentration in psoriatischen Läsionen zu finden. Unter Tazarotene-Therapie steigt der TIG-2-Wert innerhalb von drei Tagen massiv an (94). Es wird angenommen, daß TIG-2 ein löslicher Ligand für Zell-Oberflächenrezeptoren sein könnte. TIG-3 wiederum ist in hoher Konzentration in nichtläsionalen psoriatischen Zellen und nur in geringen Konzentrationen in akut psoriatisch affektierter Haut zu finden. Unter Umständen handelt es sich hierbei um neues Tumor-Suppressor-Gen (33). 1.12.7. Pharmakokinetik von Tazarotene Tazarotene (Molekülstruktur Abb.4) ist das erste synthetisch entwickelte rezeptorselektive Retinoid zur topischen Behandlung von Patienten mit Psoriasis vulgaris. Die Molekülformel lautet C21H21NO2S (=Ethyl 6-[2-(4,4-dimethylthiochroman-6-yl)-Ethynyl)Nikotinat), das Molekulargewicht beträgt 351,46 KD. Die dermatologische Darreichungsform stellt ein durchscheinendes, Wasser-basiertes Gel, welches 1%igen Benzylalkohol als Konservierungsmittel enthält, dar (31). Die perkutane Penetration von Tazarotene und damit die systemische Absorption ist limitiert. Studien haben gezeigt, daß der Großteil der Substanz auf oder in der Haut verbleibt (77). Die totale systemische Absorption von [14C]-Tazarotene unter okklusiven Bedingungen auf normaler gesunder Haut war dabei annähernd 5,3% (2,7% der Dosis wurden mit den Fäzes, 2,6% mit dem Urin ausgeschieden). Die systemische Absorption unter nichtokklusiven Bedingungen auf psoriatisch affektierter Haut lag bei unter 1% (77). Tazarotene als Ethylester-Prodrug wird in der Haut schnell durch Esterasen („aktivierende“ Metabolisierung) in den aktiven Metaboliten, die stärker Wasser-lösliche freie Säure, die Tazarotensäure, überführt, sodaß die Halbwertszeit nur 2 bis 18 Minuten beträgt. Weitere deaktivierende oxidative Metabolisierungsschritte resultieren in der Bildung von Sulfoxiden, Sulfonen und polareren Konjugaten. Die Tazarotensäure selbst hat somit ebenfalls eine kurze Eliminationshalbwertszeit von ein bis zwei Stunden (80, 81). Das pharmakokinetische Profil folgt dabei einem linearen Verlauf. Besonders im Hinblick auf Retinoide früherer Generationen zeigt sich hierbei die fortgeschrittene Entwicklung, da z.B. die Halbwertszeit von Acitretin noch bei zwei Tagen und die von Etretinat sogar bei 120 Tagen liegt (37). 27 Diese schnelle Metabolisierung hat zur Folge, daß weder Prodrug noch die freie Säure im Gewebe akkumulieren. Die Elimination erfolgt in Form o.g. Sulfoxide und Sulfone über Urin, Galle und Fäzes. Die Rate der fäkalen Elimination erreicht ihren Höhepunkt 2,5 Tage nach Gabe des Medikaments und ist nach insgesamt sieben Tagen abgeschlossen. Die Ausscheidung über den Urin ist nach zwei bis drei Tagen abgeschlossen. Die Eliminationshalbwertszeit liegt insgesamt bei ca. 16 Stunden (77). Topisch angewendete Tazarotene und Tazarotensäure sind weder zytotoxisch (99), mutagen noch üben sie chromosomen-aberrierende Wirkungen aus (25). Auch gibt es keine Hinweise auf eine mögliche Karzinogenität (25). Ebenfalls hat Tazarotene keinen Einfluß auf Fertilität und Reproduktion. Desweiteren ist es, im Gegensatz zu den oralen Retinoiden Etretinat und Acitretin, nicht teratogen (53, 63). Auch längerfristige topische Anwendung führte bei Studien mit Meerschweinchen zu keinen systemisch-toxischen Effekten und bewirkte allenfalls eine lokale reversible Irritation (25). Die topische Anwendung führt in diesem Sinne dosisabhängig zu leichten Hautreizungen wie Juckreiz, Entzündungen, Brennen oder Schälen der Haut (59). Darüberhinaus konnten bisher keine Tazarotene-induzierten Kontaktallergien bzw. phototoxischen und photoallergischen Reaktionen festgestellt werden. Allerdings erhöht Tazarotene, wie andere Retinoide auch, die Photokarzinogenität der Haut (25). Orale Gabe von Tazarotene wiederum führte bei Studien mit Ratten, ähnlich den herkömmlichen Retinoiden, zu Schwächungen des Individuums bis hin zu letalem Ausgang. Desweiteren traten Knochen- und Fettgewebsanomalien auf. Auch wurden teratogene Effekte dokumentiert. Allerdings können Plasmalevel, welche diese Wirkungen hervorrufen, nicht durch eine lokale Therapie erreicht werden (77). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Tazarotene, verglichen mit anderen topischen Retinoiden wie Tretinoin, bei gleicher oder höherer Effektivität weniger und schwächere Nebenwirkungen aufweist und daher für eine lokale Therapie bestens geeignet ist. Die Behandlung spricht innerhalb einer Woche an, wobei ein klinischer Nutzen bis zu 12 Wochen nach Beendigung der Therapie besteht, so daß auch eine Intervalltherapie möglich und sinnvoll ist (59). Treten Hautreizungen auf, so können diese leicht durch Wahl einer schwächeren Form kontrolliert und beseitigt werden. Tazarotene ist unter dem Handelsnamen Zorac® in 0,05% bis 0,1%iger Konzentration als Gel erhältlich. 28 Eine Kombinationsbehandlung mit anderen Pharamka ist möglich. So stellt sich die kombinierte Anwendung von Tazarotene z.B. mit topischen Kortikoiden als sehr effektive Therapieform dar. Dies ist durch die unterschiedlichen Wirkmechanismen zu begründen. Beide Substanzen zeigen in der Psoriasistherapie einen synergistischen Effekt. So bewirken die Kortikosteroide einerseits ein initial schnelles Ansprechen der psoriatisch affektierten Haut bei gleichzeitiger Minimierung erthyematöser Nebenwirkungen des Retinoids, während dieses andererseits die therapeutische Wirkung verlängert und so die Gefahr eines Relapse, wie unter isolierter Kortikoidtherapie relativ häufig zu sehen, verringert (70). Desweiteren scheint auch eine kombinierte Phototherapie effektiv zu sein. Eine zweiwöchige Vorbehandlung mit 0,1%igem Tazarotene-Gel, gefolgt von einer zehnwöchigen Kombination von Tazarotene und UVB-Bestrahlung (sog. Tazarotene-UVB) zeigt in diesem Zusammenhang bessere Ergebnisse hinsichtlich der Reduzierung vorhandener Plaques, Hautschälung und Rötung als eine isolierte UVB-Therapie oder Kombination mit einem Placebogel. Die Kombinationsbehandlung wird dabei gut vertragen. Phototoxische Effekte sind nicht dokumentiert (51). 1.13. Immunhistochemie Die Immunhistochemie begann 1941 mit der Verwendung Fluoreszenzfarbstoffgekoppelter Antikörper (Coons) und wurde seither in Sensitivität und Spezifität immer weiter verbessert. Eine wesentliche Weiterentwicklung erfuhr die Technik der Immunmarkierung durch die Einführung monoklonaler Antikörper, welche durch die sog. Hybridisierungstechnik in großer Menge hergestellt werden konnten. Immunisiert man eine Maus mit den nachzuweisenden Zellen oder Membranbestandteilen, wird die Bildung spezifischer Antikörper gegen die der Maus injizierte Zellpopulation angeregt. Durch Fusion der den spezifischen Antikörper produzierenden Milzzellen der Maus mit einer sich rasch teilenden Myelom- oder Lymphomzellreihe lassen sich größere Mengen chemisch, physikalisch und immunologisch völlig identischer Antikörper herstellen. Somit wurde die kommerzielle Produktion ermöglicht. 29 1.14. Zielsetzung In dieser Arbeit sollen die immunologischen, (anti)-proliferativen und dermatohistopathologischen Auswirkungen einer lokal-topischen Behandlung der Psoriasis vulgaris mit dem rezeptorselektiven Retinoidgel Tazarotene (Zorac®) untersucht werden. Da die Psoriasis gleichermaßen durch epidermale und koriale Störungen charakterisiert ist, wird sich die Untersuchung auch auf diese beiden Areale beziehen. Ziel ist es in erster Linie zu klären, inwiefern eine quantitative Beeinflussung immunologisch kompetenter Zellen wie T-Helfer-Lymphozyten (CD4-positiv) und antigenpräsentierender Zellen wie die epidermalen Langerhans-Zellen (S-100-positiv) in Epidermis und Korium auftritt. In diesem Zusammenhang soll eruiert werden, ob antiinflammatorische Wirkungen, wie von anderen Retinoiden bekannt, zu verzeichnen sind. Darüber hinaus sollen Tazaroteneassoziierte antiproliferative Wirkungen betrachtet und in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden: Gibt es möglicherweise einen pharmakologisch induzierten gemeinsamen Wirkmechanismus zwischen immunkompetenten Zellen und der Anzahl proliferativ aktiver Zellsubpopulationen sowie zwischen Epidermis und Korium? Inwiefern können Effekte auf Psoiasis-typische Entzündungsinfiltrate verzeichnet werden? Weiterhin stellt sich die Frage, ob unter Therapie die Dicke der Epidermis sowie die Gesamtzellzahl in Epidermis und Korium beeinflußt werden und wie dies möglicherweise zu erklären ist. Letztendlich muß geklärt werden, ob eine solche topische Retinoidbehandlung überhaupt zu einer Normalisierung der hier untersuchten gegebenenfalls pathologischen Parameter führt und wie schwer mögliche Nebenwirkungen auf den Behandlungsverlauf Einfluß nehmen. 30 2. Material und Methode 2.1. Patientenkollektiv Bei dem untersuchten Krankengut handelt es sich um stationär aufgenommene Patienten der Dermatologischen Klinik des St. Joseph-Hospitals Bochum, welche sich in der Zeit zwischen 1997 und 1999 einer ausschließlich externen Therapie der Psoriasis vulgaris vom chronisch - stationären Typ unterzogen haben. Es handelt sich um zehn Patienten, wobei ein Patient aufgrund erneuter Exazerbation der Hautveränderungen nach 15 Monaten erneut in die Studie aufgenommen wurde. Zum besseren Verständnis sollen die untersuchten Personen von 1 bis 10 durchnummeriert werden, wobei o.g. doppelt integrierter Patient zum ersten Einschlußzeitpunkt die Fallnummer 3a, zum zweiten die Nummer 3b zugewiesen bekommt. Daher ergibt sich ein Gesamtkollektiv von elf Fällen. Sofern die Anzahl der Untersuchungen nicht der Anzahl der Patienten entspricht (siehe doppelt aufgenommener Patient (3a, 3b)), wird entsprechend auf diesen Umstand hingewiesen. Die Daten dieses Kollektiv werden auf zweierlei Weisen analysiert, um eine individuellere Betrachtung zu ermöglichen. Einerseits wird im folgenden nach individuellem Verlauf differenziert (Longitudinalstudie, longitudinaler Ansatz), d.h. wir betrachten bei wievielen Patienten definierte Laborparameter zu- oder abnehmen, andererseits werden die histologischen Zellzählungen pauschal gemittelt (Querschnittsstudie). Die Patienten wurden - neben ihrer festgelegt stationären Therapie - jeweils an einem vorher bestimmten Hautareal lokal morgens und abends mit 0,1%igem Tazarotene-Gel (Zorac® 0,1%) über einen durchschnittlichen Zeitraum von 24,9 Tagen (arithmetischer Mittelwert) behandelt. Erfolgte eine zusätzliche Bestrahlung der Patienten (UVB isoliert : 5Pat., PUVA isoliert : 1Pat., UVB/PUVA : 1Pat.), wurden die Studienareale unter Folie abgedeckt. Eine zum Studienzeitpunkt initial stationär neu angeordnete Therapie mit Tazarotene lag bei fünf Patienten vor. Der untersuchte Herd durfte nur mit Tazarotene in o.g. Wirkkonzentration behandelt werden. Andere Externa kamen am Studienareal nicht zum Einsatz, um eine Beeinflussung durch nicht studienreleante Substanzen zu vermeiden und eine einheitliche Behandlungsgrundlage für die spätere Analyse zu schaffen. 31 Über Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung wurden die Patienten vor Beginn unterrichtet. Eine Einwilligungserklärung bezüglich der notwendigen Hautbiopsien lag vor. Nach Zulassung des Präparats wurden die Patienten entsprechend der Deklaration von Helsinki (revidierte Version beschlossen von der 48. Generalversammlung des Weltärztebundes im Oktober 1996 in Somerset West (Südafrika)) untersucht und behandelt. Darüber hinaus lag im Rahmen einer klinisch-pharmazeutischen Studie ein Votum der Ethik-Kommission vor. Weiterhin wurden alle Ergebnisse der Longitudinal- und Querschnittsstudie in Kooperation mit dem Institut für medizinsche Informatik, Biometrie und Epidemiologie der RuhrUniversität Bochum analysiert und interpretiert. 2.2. Gewebegewinnung Jeweils vor Therapie sowie am letzten Behandlungstag unter Tazarotene wurde eine Hautbiopsie analog Tabelle 1 durchgeführt. Tab.1: Zeitpunkt der Abschlußbiopsie (AB) unter Tazarotene in Tagen. Patient Biopsiezeitpunkt, AB (Tage) 1 28 2 24 3a 29 3b 25 4 30 5 22 6 28 7 22 8 21 9 24 10 21 Mittelwert 24,9 32 Um eine nicht durch Artefakte beeinträchtigte histologische Aufarbeitung und anschließende computergestützte Analyse der Schnitte zu ermöglichen, mußten die zur Biopsie vorgesehenen Psoriasisherde möglichst atraumatisch entnommen werden. Dazu wurden sie derart lokalanästhesiert - z.B. mit Lidocain - , daß die interessierenden Bereiche nicht durch die Kanülenverletzungen beeinträchtigt werden konnten. Anschließend wurden diese Areale durch vorsichtige Stanzbiopsie entnommen. Mittels eines Stanzzylinders (Biopsie Punch®, Stiefel Laboratorium GmbH, Offenbach) wurde durch Drehbewegung unter Druck die Haut kreisförmig eingeschnitten, der so enthaltene Stanzzylinder mit einer Pinzette gefaßt, behutsam angehoben und mit einem Skalpell an der Basis abgetrennt. Der Durchmesser der Biopsien betrug dabei 3 - 4 mm. Die entnommenen Bioptate wurden sofort in die entsprechende Fixierlösung - 5%iges Formalin für die Paraffineinbettung gegeben. Die Adaptation der Wundränder wiederum erfolgte mit Einzelkopfnaht. Das Nahtmaterial wurde je nach Lokalisation am 5. bis 10. postoperativen Tag entfernt. 2.3. Gewebeaufbereitung 2.3.1. Paraffineinbettung Die Präparate wurden nach 12-stündiger Formalinfixierung (5%) in Paraffin (Schmelzpunkt < 60 Grad Celsius) eingebettet. Dies geschah halbautomatisch mittels des Autotechnikons duo der Firma Technicon Instruments Corporation, Targ Town, New York. Bis zur Weiterverarbeitung wurden die Paraffinblöcke bei Raumtemperatur in lichtgeschützten Kästen aufbewahrt. Die Biopsien wurden im weiteren Verlauf horizontal eingebettet, so daß beim späteren Anschneiden die Hornschicht zuerst, danach das Epithel und zuletzt das Korium angeschnitten wurden. Die Einbettung in Paraffin (nach Fixierung) beeinträchtigt zwar diskret die Antigenität, hat aber den Vorteil guter Strukturerhaltung und Beurteilbarkeit (11). 33 2.3.2. Aufbereitung der Schnitte 2.3.2.1. Paraffinschnitte Mittels des Rotationsmikrotoms der Firma Jung-Reichert (Histocut®) wurden von den Paraffinblöcken Schnitte mit einer Dicke von 4µm gefertigt. Anschließend wurden die Schnitte in einem 60 - 80°C warmen Wasserbad zur Vermeidung von Schrumpfartefakten gestreckt. Das Aufbringen auf die Objektträger erfolgte durch Aufkleben mittels Eiweißglycerin. Auf jedem Objektträger wurden zwei bis drei Schnitte plaziert. 2.3.2.2. Entparaffinierung Die Paraffin-eingebetteten Schnitte wurden vor dem Färben und vor der Immunmarkierung zunächst mindestens 60 Minuten bei 55°C inkubiert. Durch eine Fällung des Eiweißes im Eiweißglycerin resultierte hieraus eine verbesserte Haftung der Biopsien am Objektträger. Es folgte eine Entparaffinierung in absteigender Alkoholreihe. Dazu wurden die Präparate in folgende Tauchbäder gebracht: - Xylolbad 5 Minuten - Xylolbad 5 Minuten - absoluter Alkohol 10 Minuten - 90%-iger Alkohol 5 Minuten - 70%-iger Alkohol 5 Minuten - 50%-iger Alkohol 5 Minuten - 30%-iger Alkohol 5 Minuten - Spülung mit fließendem Wasser 10 Minuten 34 2.3.2.3. Hämalaun-Eosin-Färbung Bei der sog. HE-Färbung wurden die entparaffinierten Schnitte in folgende Tauchbäder eingebracht: - Hämatoxylinlösung 5 Minuten - Leitungswasser (1x wechseln) - HCL kurze Spülung - Leitungswasser - Kaliumacetat 2 Minuten - Leitungswasser - Eosinlösung 10 Minuten (frische Lösung mit Eisessig) - Leitungswasser - 50%-iger Alkohol 2 Minuten - 70%-iger Alkohol 2 Minuten - 96%-iger Alkohol 2 Minuten - absoluter Alkohol 2 Minuten - absoluter Alkohol 5 Minuten - Xylol 5 Minuten Im Anschluß erfolgte die Abdeckung der gefärbten Schnitte mit mittels Eukitt aufgeklebter Deckgläschen. 35 2.4. Immunmarkierungen 2.4.1. Allgemeines Immunhistochemische Färbemethoden spielen in der morphologischen Diagnostik eine wesentliche Rolle. Ziel dieser Techniken sind Nachweis und Identifikation antigener Komponenten in Zellen und Gewebsschnitten durch spezifische Antikörper, die durch Fluoreszenzfarbstoffe, Enzyme, partikuläres Material (z.B. Goldpartikel) oder Isotope markiert sind. 2.4.2. Antikörper (Ak) Für die routinemäßige Anwendung eignen sich kommerziell erhältliche poly- oder monoklonale Ak. Polyklonale Antikörperpräparationen sind heterogen, d.h. sie enthalten Ak gegen unterschiedliche Determinanten des Antigens. Sie haben den Nachteil eventueller unerwünschter Immunreaktionen mit falsch-positiven Ergebnis (z.B. durch Kreuzreaktion), aber den Vorteil der größeren Reaktivität bedingt durch die mögliche Erkennung unterschiedlicher antigener Determinanten. Monoklonale Ak wiederum sind homogen. Sie sind nur gegen eine antigene Struktur gerichtet und damit sehr spezifisch, haben jedoch den Nachteil geringerer Sensitivität und Stabilität. In dieser Arbeit sollen ausschließlich monoklonale Antikörper verwendet werden. 2.4.3. Immunhistochemische Methodik Man unterscheidet sog. konjugierte von unkonjugierten Methoden. Bei ersteren werden z.B. Enzyme direkt an den Antikörper gekoppelt. Dies hat den Vorteil der einfacheren Anwendung, aber den Nachteil, daß chemische Kopplungsreaktionen sowohl die Aktivität 36 des Ak, als auch des Enzyms beeinträchtigen können. Bei letzteren wiederum wird das Markerenzym über (Anti-Enzym-)Antikörper an den Ort der Ag-Ak-Reaktion fixiert. Diese Methode ist sehr sensitiv und ermöglicht den Ag-Nachweis auch in suboptimalem Erhaltungszustand, wie z.B. in routinemäßig fixierten und eingebetteten Geweben. Weiterhin differenziert man zwischen direkter und indirekter Methode. 2.4.4. Direkte Immunmarkierung Der direkt mit einer Markersubstanz, z.B. Fluoreszenzfarbstoff (Fluochrom) oder, wie in dieser Studie verwendet, Enzyme, konjugierte Antikörper bindet an das Antigen. Die Inkubation mit einem Substrat, einem sog. Chromogen, das durch das an den dritten Ak gebundene Enzym in einen Farbstoff umgesetzt wird, ermöglicht die optische Detektion des gesamten Ag-Ak-Komplexes. Wird ein Fluochrom verwendet, reicht die Benutzung eines Fluoreszenzmikroskops zur visuellen Erkennung (11). Abb.5.: Prinzip der direkten Immunmarkierung (nach Naish, S.-J.: Handbuch II immunchemischer Färbemethoden, 2.Auflage, 1989, DAKO Corporation, Hamburg) 2.4.5. Indirekte Immunmarkierung Das Prinzip dieser Vorgehensweise entspricht dem der o.g. unkonjugierten Methode. Auch hier lassen sich verschiedenste Markersubstanzen wie Fluochrome oder Enzyme 37 verwenden, wobei das Reaktionsprinzip ein ähnliches ist. Da in der durchgeführten Untersuchung die enzymatischen Methoden zur Anwendung kamen, soll eine Erklärung diesem Bereich vorbehalten bleiben: 2.4.5.1. 2-Schritt-Methode Der erste, spezifische Antikörper wird erst durch einen zweiten Antikörper sichtbar gemacht. Zunächst bindet der erste Antikörper mit seinem Fab-Stück an das zu untersuchende Antigen. In einem zweiten Schritt wird ein gegen das Fc-Stück der Spezies des ersten, spezifischen Antikörpers gerichteter Ak inkubiert (11, 81). Dieser Enzym (meist Peroxidase, PX)-konjugierte sekundäre Antikörper markiert somit die Position des unkonjugierten primären Antikörpers. Auch hier wird die optische Detektion durch Inkubation mit einem Chromogen erreicht, welches in einen Farbstoff umgesetzt wird und so die lokale Immunreaktion sichtbar macht. Abb.6: Prinzip der indirekten Immunmarkierung (2-Schritt-Methode). (nach Naish, S.-J.) 2.4.5.2. 3-Schritt-Methode Zusätzlich zu der bereits beschriebenen indirekten Technik, wird hier mit einem zweiten enzymkonjugierten Antikörper inkubiert, welcher gegen den Zweitantikörper gerichtet ist. 38 Sowohl der sekundäre als auch der tertiäre Ak sind mit dem gleichen Enzym gekoppelt. Das Hinzufügen eines solchen dritten Ak dient der weiteren Signalverstärkung, da mehrere Ak an das zuerst gebundene sekundäre Reagenz binden können. Diese Signalamplifikation ist besonders dann hilfreich, wenn Antigene, die nur wenige Epitope besitzen, dargestellt werden sollen. Abb.7.: Prinzip der indirekten Immunmarkierung (3-Schritt-Methode). (nach Naish, S.-J.) 2.4.5.3. Unkonjugierter Ak-Enzym-Brücken-Methode Ein brückenbildender Ak verbindet einen gegen ein Markerenzym gerichteten Ak mit einem unkonjugierten, gegen das nachzuweisende Ag gerichteten primären Ak. Der primäre sowie der gegen das Markerenzym gerichtete Ak stammen dabei von der gleichen Spezies ab. Der Brückenantikörper ist gegen Immunglobuline dieser Spezies gerichtet. Die Immunreaktion wird durch Bindung und histochemischen Nachweis des Enzyms (Peroxidase) sichtbar gemacht. 39 Abb.8: Prinzip der unkonjugierten Ak-Enzym-Brücken-Methode. (nach Naish, S.J.) 2.4.5.4. PAP/APAAP-Technik Ein aus der vorgenannten Technik abgeleitetes Verfahren liegt in der Enzym-Anti-EnzymKomplex-Technik vor, bei der Anti-Enzym-Ak und Markerenzym nicht sequentiell, sondern in Form eines löslichen Enzym-Anti-Enzym-Komplexes zugegeben werden. Als Enzym-Anti-Enzym-Komplexe haben sich der Peroxidase-Anti-Peroxidase(PAP)-Komplex sowie der alkalische-Phosphatase-Anti-alkalische-Phosphatase(APAAP)-Komplex bewährt. Letzterer wird erfolgreich bei Verwendung monoklonaler Ak eingesetzt. 40 Abb.9: Prinzip der PAP/APAAP-Methode (nach Naish, S.-J.) 2.4.6. Biotin-Avidin-Methode (ABC-Methode) Diese Methode beruht auf der hohen Bindungsaffinität von Avidin, einem HühnereiweißGlykoprotein, zum Vitamin Biotin. Avidin kann durch Streptavidin, ein Protein von Streptomyces Avidinii, ersetzt werden. Bei der direkten Methode wird ein biotinylierter primärer Ak durch Avidin mit dem biotinylierten Enzym verbunden. Bei der indirekten, in dieser Studie verwendeten, Avidin-Biotin-Technik ist der sekundäre Antikörper biotinyliert. Dieser bindet dann unter Ausnützung der Affinität von Avidin zu Biotin an einen meist präformierten „avidin-biotinylated peroxidase complex (ABC). Avidin besitzt vier Bindungsstellen für Biotin, so daß mehrere ABC-Komplexe binden können. Somit wird eine größere Anzahl an Marker-Enzymmolekülen nachweisbar, wodurch die Sensitivität erhöht wird (11, 81). Die Peroxidase wird im Anschluß histochemisch nachgewiesen. Die Verwendung von alkalischer Phosphatase anstelle der o.g. Peroxidase ist möglich und kam in dieser Untersuchung auch zur Anwendung. 41 Abb.10: Prinzip der Avidin-Biotin-Methode (nach Naish, S.-J.) 2.4.7. Gewebefixierung und Vorbereitung Wie bereits erwähnt, werden Gewebeproben zur mikroskopischen Untersuchung in den meisten Fällen - wie auch bei dieser Studie - zunächst in neutralgepuffertem Formalin fixiert und anschließend in Paraffin eingebettet. Die Fixierung mit formaldehydhaltigen Fixierlösungen verursacht bei Proteinen jedoch Quervernetzungen, die Paraffineinbettung verändert die dreidimensionale Struktur der Zellproteine (Konformationsänderung) (24). Einige Antikörper reagieren problemlos mit ihren Antigenen bzw. genauer mit ihren Epitopen sog. „paraffingängige“ Antikörper). Andere Antikörper, wie zum Beispiel MIB1 oder S-100, hingegen sind gegen Epitope gerichtet, die nach Fixierung und Einbettung ihre immunologische Reaktivität verloren haben. Aus diesem Grunde führt man verschiedene Methoden der Antigendemaskierung ( sog. „Target Retrieval“ (24)) durch, da man davon ausgeht, daß so einige dieser Prozesse wieder rückgängig gemacht werden können. Eine proteolytische Vorbehandlung unter Zuhilfenahme der Protease (Verwendung bei S-100 ) sowie eine Hitzevorbehandlung z.B. in der Mikrowelle (Verwendung bei MIB1) hat sich in diesen Fällen als vorteilhaft erwiesen. Diese Vorgehensweise ermöglicht heute den Einsatz der Immunhistochemie als ein unverzichtbares Werkzeug in der Routinepathologie (104, 118, 119). 42 2.4.8. Enzymatische Markersubstanzen Als Enzyme werden hauptsächlich Meerrettich-Peroxidase, auch bekannt als POD (Horseradish Peroxidase) (81), und alkalische Phosphatase (AP(Gewinnung aus Kalbsdarm)) verwendet, seltener Glukoseoxidase (GOD) oder ß-Galaktosidase (14). Da die beiden erstgenannten Enzyme auch endogen im Gewebe vokommen können, müssen „falschpositive“ Reaktionen durch Blockade des endogenen Enzyms verhindert werden. Die Enzyme werden mit unterschiedlichen Substraten, die bereits erwähnten Chromogene, entwickelt, so daß unterschiedlich gefärbte Produkte entstehen, welche die lokale Immunreaktion sichtbar machen. Das bei Peroxidasemethoden derzeit am häufigsten verwendete Chromogen ist 3,3`-Diamino-benzidin (DAB). Es ergibt mit H2O2 ein braunes Reaktionsprodukt, dessen Farbintensität durch Nachbehandlung mit Osmiumtetroxid, NiCl2, CoCl2 oder CuSO4 noch verstärkt werden kann. Es ergibt sich dann ein nahezu schwarzes Reakionsprodukt. Weitere Peroxidase-Substrate sind 4-chloro-1-Naphthol (blaues, nicht alkoholresistentes Produkt), 3-amino-9-Äthylcarbazol (rote Reaktion) sowie p-Phenylen-diamin-HCl/Pyrokatechol (schwarze Färbung). Wird hingegen die alkalische Phosphatase als Markerenzym verwendet, kommen Naphthol-AS-MX-Phosphat mit Fast Red (rote Farbreaktion), mit Neufuchsin (rote Farbreaktion) oder mit Fast Blue (blaue Färbung) zum Einsatz (11). In dieser Studie wurden alkalische Phosphatase und Ventana®-Fast Red verwendet. 2.4.9. Verwendete Antikörper 2.4.9.1. MIB 1 2.4.9.1.1. Vorkommen und Struktur Der monoklonale Antikörper MIB 1 (ein IgG-Ak) der Firma Dianova (20354 Hamburg, Germany) weist das nukleäre zellproliferationsassoziierte Antigen Ki-67 nach, welches in allen aktiven Phasen des Zellzyklus, d.h. S-, G1-, G2- und M-Phase, exprimiert wird (61, 43 62). MIB zeigt auf proliferierenden Zellen eine starke Kernfärbung. Im Gegensatz zu dem bekannten Ki-67-Antikörper markiert MIB 1 auch Formalin-fixierte und Paraffineingebettete Schnitte (20). Bei Ki-67 handelt es sich um ein nukleäres, nonhistonisches Protein mit hoher Empfindlichkeit gegenüber Proteasen. Es wird durch 15 Exons, welche auf Chromosom 10 lokalisiert sind, kodiert (29). Von dem eigentlichen Ak existieren drei Subtypen, die in ihrer Anwendung variieren. Nur MIB1 und MIB 3 detektieren Mitosefiguren im Formalin-fixierten, Paraffin-eingebetteten Schnitten. Allerdings muß hier eine Mikrowellenbehandlung zur Entwachsung des Präparates vorangestellt werden. MIB 2 färbt das entsprechende Ag nicht an. MIB 1 erkennt das Ki-67 Epitop, das in 9 von 16 concatemeren Wiederholungen im Exon 13 des Ki-67 Gens vorkommt (61). In der Dermatologie stellt MIB 1 einen potentiellen Marker zur Erkennung proliferierender Gewebe wie z.B. melanozytärer Tumoren (111, 122) dar. 2.4.9.1.2. Histochemische Verfahrensweise Zunächst werden Paraffinschnitte hergestellt, die wie oben beschrieben entparaffiniert werden. Daran schließt sich eine Mikrowellenvorbehandlung (Firma Siemens®) an . Anschließend werden die Präparate in PBS (phosphatic balanced salt solution) gewaschen und mit H2O2 blockiert. Die immunhistochemische Färbung wird mittels des Ventana®Detektions-systems wie folgt automatisch durchgeführt: - 3 x Waschen in PBS - Blockierung mit Blocking Serum, 20 min Raumtemperatur (RT) - MIB 1 1 : 10 verdünnt 1h bei RT, oder 4°C über Nacht - 3 x Waschen in PBS für je 5 min bei RT - Biotinylierter Sekunderantikörper, 30 min bei RT - 3 x Waschen in PBS für je 5 min bei RT - Avidin-Biotinylierter Peroxidase Komplex, 30 min bei RT - 3 x Waschen in PBS für je 5 min bei RT 44 - 1 mal Waschen mit1% Triton X-100 in PBS, 30 Sekunden bei RT - Substrat, 3-7 Minuten bei RT - 3 x Waschen mit Aqua dest. bei RT - 2 x 5% NH4OH, je 5 Sekunden bei RT - Dehydrieren in 95% Ethanol, 2 x je 10 Sekunden bei RT - Dehydrieren in 100% Ethanol, 2 x je 10 Sekunden bei RT - Xylol, 2 x je 10 Sekunden bei RT Abschließend erfolgt die Eindeckung mittels Mounting Medium und Deckglas. Die mit dem Ventana®-Alkalische-Phosphatase-Kit erhaltenen Färbungen sind im Alkohol und Xylol stabil. Die Färbung ist rot bei Tageslicht und fluoreszierend bei UVBeleuchtung. 2.4.9.2. Anti-OPD 4 2.4.9.2.1. Vorkommen und Struktur Bei dem hier verwendeten Anti-OPD 4-Antikörper der Firma DAKO (Dänemark) handelt es sich um einen monoklonalen Ak vom IgG-Typ. Eine Studie zeigte, daß OPD 4 zur sog. CD45R0 - Gruppe gehört (108), was auch im fünften „International Workshop on Human Leukocyte Differentiation Antigens (Boston 1993)“ bestätigt wurde. Der Antikörper reagiert mit Helfer/Induktions (HI)-Untergruppen von T-Zellen in Formalin-fixierten, Paraffin-eingebetteten Schnitten. Darüberhinaus sind Reaktionen mit Histiozyten im Gewebe von Sarkoidose- und Tuberkulosepatienten bekannt. In neoplastischem Gewebe interagiert der Ak in ca. 50% der Fälle mit T-Zell-Lymphomen. Er reagiert nicht mit Suppressor- / Zytotoxischen-T-Zellen, B-Zellen, Monozyten des peripheren Blutes oder nichthämato- poetischen Zellen (138). 45 2.4.9.2.2. Histochemische Verfahrensweise Die Durchführung der Immunmarkierung entspricht im wesentlichen der des MIB1-Ak. Allerdings wird bei OPD4 keine Mikrowellenbehandlung vor der eigentlichen Färbung durchgeführt. 2.4.9.3. Anti-S-100 2.4.9.3.1. Vorkommen und Struktur Bei dem hier verwendeten Anti-S-100 der Firma DAKO®-Corporation (6392 Via Real, Carpinteria, CA 93013 USA) handelt es sich um einen primären monoklonalen Antikörper, welcher das sog. S-100-Antigen detektiert und sowohl mit Rinder- als auch mit Human-S100 reagiert. Kreuzreaktivität mit S-100 von Huhn, Känguruh, Maus und Ratte ist bekannt (23). S-100 stellt ein multifunktionales calcium-bindendes Protein dar, welches in vielen Zelltypen zu finden ist. Drei dimere Formen sind bekannt: S-100ao / alpha alpha, S-100b / beta beta sowie eine Mischform, das S-100a (125). Man findet S-100 in einer Vielzahl gesunder wie auch pathologischer bzw. neoplastischer Gewebe. Es kommt vor in Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems, Glia- und Schwannzellen, interdigitierenden retikulären Zellen der Lymphknoten, Chondrozyten und myoepithelialen Zellen. Desweiteren in diversen sekretorischen Bereichen wie ekkrinen Schweiß- und Speicheldrüsen und den Mammae. Darüberhinaus findet man ein Auftreten in neurogenen Tumoren, Neuroblastomen, Schweißdrüsen-Tumoren, bei der sog. Histiozytose X, in pleomorphen Adenomen, in einigen Karzinomen der weiblichen Brust, sowie in bronchoalveolären Karzinomen. Auch Phäochromozytome, Teratome des Ovars und Knorpeltumoren reagieren positiv (47, 60, 68, 139). Auf dermatologischem Gebiet findet sich S-100 in Melanozyten, Langerhans`schen Zellen sowie in melanozytären Tumoren (51, 60). Die Untergruppen des Antigens sind dabei allerdings nicht gleichmäßig verteilt, sondern variieren in den verschiedenen Lokalisationen. So findet sich die beta-Untereinheit in nahezu allen genannten Arealen, jedoch nicht in Neuronen des zentralen und peripheren 46 Nervensystems. Dort konnte bisher ausschließlich die alpha-Untereinheit nachgewiesen werden (57, 125). In Kontrast dazu steht jedoch die Tatsache, daß die alpha-Untereinheit nicht in Schwann-Zellen, Schwannomen, Neurofibromen, bestimmten Myoblastomen, der Neurohypophyse, den Langhans`schen Zellen, interdigitierenden retikulären Zellen und bei der Histiozytose X vorkommt (125). 2.4.9.3.2. Histochemische Verfahrensweise Zunächst erfahren die entparaffinierten Paraffinschnitte eine Inkubation mit Protease, um das Präparat für die Immunmarkierung sensibel zu machen. Anschließend wird auch dieses Paräparat in PBS (phosphatic balanced salt solution) gewaschen und mit H2O2 blockiert. Die immunhistochemische Färbung wird mittels des Ventana®-Detektionssystems wie bereits oben beschrieben unter Verwendung des S-100-Ak durchgeführt. 2.4.9.4. Anti-Human-Filaggrin 2.4.9.4.1. Vorkommen und Struktur Das Anti-Human-Filaggrin (Firma Paessel + Lorei, D-63452 Hanau, Germany) stellt einen monoklonalen Ak vom IgG-Typus dar. Bei Filaggrin wiederum handelt es sich um ein interfilamentäres Matrixprotein, welches sich von einem kreuzreaktiven Precursor-Protein, daß in Keratohyalingranula gespeichert wird, ableitet. Es findet sich somit in keratinozytenhaltigen Geweben wie Epidermis oder Mundschleimhaut (Gaumen, Zahnfleisch) und stellt damit ein wichtiges sensitives Markerprotein zur Erfassung der epidermalen Keratinisierung dar (52, 55, 121). Paraffin-eingebettete Schnitte können verwendet werden, eine Fixierung in Formaldehyd darf erfolgen. 47 2.4.9.4.2. Histochemische Verfahrensweise Auch die Anfärbung des Filaggrins erfolgt auf ähnliche Art und Weise wie bei der MIB1Markierung schon beschrieben. Bei Anwendung des Ventana®-Detektionskits wird AntiHuman-Filaggrin verwendet. Eine Mikrowellenbehandlung oder Protease-Inkubation ist nicht erforderlich. 2.4.10. Auswertung der Schnitte 2.4.10.1. Allgemeines Alle Messungen (S-100, MIB 1, OPD 4) wurden in vier Ebenen durchgeführt, um eine differenzierte Analyse von Dermis und Epidermis zu gewährleisten. Beide Kompartimente wurden wiederum in zwei Ebenen unterteilt. Bei Ebene 1 handelt es sich um die Epidermis ohne Basalzellreihe, bei Ebene 2 um die Basalzellreihe isoliert, bei Ebene 3 um das erste koriale Raster, Ebene 4 enspricht dem zweiten korialen Raster. Die isolierte Betrachtung der Basalzellreihe innerhalb der Epidermis ist sinnvoll, da v.a. dort bestimmte Zellpopulationen wie z.B. die Langerhans-Zellen zu finden sind, die suprabasal in der Regel nicht bzw. höchstens vereinzelt auftreten. Die Dermis wurde auch in zwei Ebenen unterteilt (E3, E4), um Veränderungen im oberflächlichen subepidermalen Bereich exakter von tieferen korialen Prozessen abgrenzen zu können. Dazu zählen beispielsweise topische Zellansammlungen, welche in psoriatisch affektierter Haut z.B. häufig um die Gefäße des oberen subepidermalen Gefäßplexus lokalisiert sind. Das morphologische Korrelat von Ebene 3 stellt hierbei entsprechend Abbildung 11 der jeweils erfaßte Papillarkörper dar, der Gefäßschlingen enthält, welche aus diesem subepidermalen Gefäßplexus stammen. Das sekundäre koriale Raster wiederum beinhaltet einen direkt unterhalb an Ebene 3 angelegten Bereich gemäß angegebenem Schema, was einem tieferen dermalen Abschnitt mit zur Oberfläche verlaufenden Arteriolen entspricht. Der tiefe Gefäßplexus wurde nicht erfasst. Zellen innerhalb der Gefäße (intraluminär, intramural) wurden von der Analyse ausgeschlossen. Diese vier Ebenen sollen im folgenden als E1, E2, E3, und E4 bezeichnet 48 werden. Das Stratum corneum wurde nicht erfaßt. Die Vergrößerung setzte sich aus Objektiv- und Okularvergrößerung des Mikroskops zusammen und lag bei 400fach. Die Meßdaten (Ak, HE-markierte Zellen, Epidermisdicke) wurden dann mittels angeschlossener Kamera in einen Computer übertragen und dort unter Verwendung des Programms Lucia® und spezieller Makros vermessen bzw. analysiert. Jede Ebene entsprach einem rechteckigen Ausschnitt des Computerbildschirms, welcher auf die untersuchten Schnitte bezogen bei definierter Vergrößerung eine maximale Breite von 250,75 µm und Höhe von 182,63 µm hatte. Die Größe des betrachteten Feldes errechnete sich daher aus Breite x Höhe des vermessenen Gebietes. Desweiteren soll nicht die große Zahl analysierter Schnittbilder unerwähnt bleiben, da diese die Signifikanz der Studie deutlich erhöhen. So wurden insgesamt 792 Einzelbilder untersucht. Das entspricht dem Produkt aus den drei verwendeten Antikörpern (MIB1, OPD4, S-100) in vier Ebenen bei drei untersuchten histologischen Schnitten pro Ebene zu zwei Zeitpunkten (prä / post) in elf Fällen. Daher wurden 264 Bilder pro Ak entsprechend 66 Bildern pro untersuchter Ebene verwendet. Nachfolgende Graphik zeigt die verschiedenen Vermessungsbereiche (E1 - 4). 49 _________________________________________________________________________ I II III Reteleiste Papillarkörper IV Basalzellreihe Corium Abb.11: Zählschema der immunmarkierten Schnitte (E1 - 4); I = Ep. ohne Basalzellreihe (E1), II = nur Basalzellreihe (E2), III = erstes koriales Raster (entsprechend Papillarkörper (E3)) , IV = zweites koriales Raster (E4); eingerahmte Areale = Bildschirmausschnitte des Computers bei definierter Vergrößerung Einige innerhalb der zu vermessenden Areale (E1 - 4) liegende Strukturen sind jedoch nicht erfaßt worden. Es handelt sich zunächst um intraluminär bzw. intravaskulär gelegene Zellen, die aufgrund quantitativer Verfälschungen nicht mitgezählt werden sollten. Daher wurden entsprechende Gefäßstrukturen ausgespart, d.h. innerhalb des angelegten Rasters nicht markiert. Auch Lymphkapillaren und natürlich Artefakte wie z.B. Fältelungen im Präparat sowie intraepidermale Anschnitte von Papillarkörpern wurden nicht mit in die 50 Untersuchung aufgenommen. Desweiteren sind nur solche Zellen erfaßt worden, die im Hinblick auf die Ränder des angelegten Rasters auf oberer und linker Kante lagen. Eine intraedipermale oder koriale Struktur wurde dann als Zelle erkannt und erfaßt, sofern ein Zellkern erkennbar war. Dabei war die färberische Intensität nicht das entscheidende Kriterium (diskret oder massiv gefärbt), sondern allein die Frage, ob ein Zellkern erkennbar war oder nicht. Es wurden auch Zellen mit nur schwach zu sehendem Kern in die Untersuchung integriert. Untersucht wurden stets Schnitte, welche zumindest HE-markiert waren, da sie gegenüber Nativpräparaten den Vorteil boten, Zytoplasma und Interzellulärsubstanz zusätzlich leicht rosa (Eosin) und Chromatin und damit den Kern leicht blau (Hämalaun) anzufärben. Dies erleichterte die Detektion der Zellen. Als angeschnittene Zellen in Epidermis und Korium (immunmarkiert / immununmarkiert) wurden jene definiert, die nur schwach oder blaß erkennbar waren und keinen Kern boten. Sie wurden nicht erfaßt. Als immununmarkierte, lediglich HE-angefärbte Zellen der Epidermis wurden solche gewertet und gezählt, bei denen im oben erklärten Sinne der Zellkern erkennbar war. Die Epidermis präsentiert eine recht einheitliche Zellpopulation, die in erster Linie aus Keratinozyten besteht, basal findet man darüber hinaus Melanozyten und Merkelzellen (Druckrezeptor) (58), suprabasal die Langerhans-Zellen. Im Korium wiederum wurden ebenfalls ausschließlich Zellen erfaßt, die einen Zellkern präsentierten, um insbesondere in diesem Bereich Verwechslungen mit Fasern zu vermeiden. Da hier die Zellpopulation allerdings nicht so einheitlich ist, wurden, sofern ein Kern erkennbar war, alle Zellen gezählt, gleich ob es Fibroblasten, Fibrozyten, Histiozyten oder auch Mastzellen waren. Es handelt sich hierbei um die in der Dermis dominierenden Zellen (58). Dies ist in erster Linie bezüglich der normalen HE-Färbung von Bedeutung, da die Immunmarker wie bereits erwähnt z.T. nur selektiv anfärben und daher eine höhere Differenzierung zwischen den zu markierenden Strukturen erlauben. Sofern es sich um dendritische Zellen handelte, z.B. Melanozyten (Erkennung durch S100), wurden diese nur dann detektiert, wenn die zugehörigen Zellausläufer optisch erkennbar mit dem Zelleib in Verbindung standen. 51 Die positiv-immunmarkierten Zellen wiederum sind nur dann als solche gewertet worden, wenn sie neben den bereits erwähnten Charakteristika der HE-markierten Zellen auch eine eindeutig rote Färbung aufwiesen. Nur blaß- oder hellrote Zellen wurden nicht gezählt. Aufgrund der verschiedenen Antikörper mußte hier noch weiter differenziert werden: So wurden bei der MIB1-Markierung nur solche Zellen als positiv gewertet, die ausschließlich eine rote Kernfärbung zeigten. Die OPD4-positiven Zellen wiederum präsentierten ein ausschließlich rotes Zytoplasma während die S-100-assoziierten Zellen sowohl ein rotes Soma als auch einen roten Kern abbildeten. Alle untersuchten Areale wurden zur besseren Beurteilbarkeit und Vergleichbarkeit auf eine Einheitsfläche von 100.000µm2 umgerechnet. Die graphische Aufbereitung der gezählten Flächenanteile erfolgte mittels Microsoft Excel® und Word® Version 6.0. 2.4.10.2. Epidermisdicke Die Epidermis wurde bei jedem Patienten jeweils an den drei breitesten sowie an den drei schmalsten Stellen vermessen. Die erstgenannten Abschnitte entsprachen dabei den Reteleisten, die letzteren dem schmalen Deckepithel über dem Papillarkörper. Aus den drei Einzelmessungen wurde dann für jeden Patienten der Mittelwert errechnet, welcher nun als Arbeitswert verwendet werden konnte. Die Ergebnisse aller zehn Patienten wurden später noch einmal gemittelt, um so einen Überblick bezüglich des gesamten Kollektivs zu erhalten. Die minimale Breite soll im folgenden als „Ep.min.“, die maximale Breite als „Ep.max.“ bezeichnet werden. Die Epidermis-Dickenmessung wurde an den Anti-Human-Filaggrin-Präparaten durchgeführt. Als Mikroskop stand ein Gerät der Firma Nikon® zur Verfügung. Es kam eine 400fache Vergrößerung zur Anwendung. 52 2.4.10.3. Gesamtzellzahl Die Gesamtzellzahl errechnete sich aus der Summe der jeweils Ak-immunmarkierten und ausschließlich HE-markierten Zellen des jeweiligen Anschnittes. Diese Summe wurde für jeden Antikörper ermittelt (z.B. MIB-positive Zellen + Unmarkierte usw.). Anschließend erfolgte die Berechnung der arithmetischen Mittelwerte zunächst jedes einzelnen Patienten, dann des gesamten Patientenkollektivs. Die Gesamtzellzahl wurde für die Ebenen 1 - 4 jeweils isoliert errechnet. 2.4.10.4. Proliferationsaktivität Die Proliferationsaktivität wurde mit dem MIB 1-Ak detektiert. Auch hier fand die Analyse der Schnitte unter Anwendung des Programms Lucia® statt. Die mikroskopischen Bilder lieferte das o.g. Mikroskop, welches auch bei allen weiteren Auswertungen zum Einsatz kam. Da es sich bei diesem Versuchsansatz um eine Kernfärbung handelte, wurde hier natürlich ein Zellkern zur Erkennung gefordert. 2.4.10.5. T-Zellen Die Anzahl der T-Zellen in E1 bis E4 wurde mittels OPD4 bestimmt. Auch hier wurde die ganze Zelle - ähnlich wie S-100 - angefärbt, der Kern jedoch nicht. Die weitere Analyse erfolgte auf bereits dargestellte Art und Weise. 2.4.10.6. S-100-positive Zellen Die Detektion dieser Zellen erfolgte mit dem Anti-S-100-Antikörper. Da die komplette Zelle gefärbt wurde, wurden die dendritischen Ausläufer nach schon erwähntem Prinzip (Zugehörigkeit zum Zelleib) beurteilt. 53 3. Ergebnisse 3. 1. Klinisches Bild Vor Therapiebeginn stellten erythematosquamöse Plaques in unterschiedlichster Ausprägung und Lokalisation das führende Leitsymptom im Hautbefund dar. Bevorzugt waren die Arme streckseitig im Bereich der Ellenbogen (9x) sowie die Beine im Bereich der Knie (9x), z.T. auch streckseitig, befallen. Das Capillitium zeigte bei fünf Patienten o.g. Veränderungen, wobei die Schuppung zumeist jedoch nur diskret ausgeprägt war. Vier Patienten präsentierten erythrosquamöse Plaques auch am Stamm, dort bevorzugt abdominal, in einem Fall auch gluteal. Hier traten in erster Linie großflächige, teils bis zu handtellergroße, scharf begrenzte, jedoch auch konfluierende Herde auf. Die pathologischen Areale an den Extremitäten zeigten wie auch am Stamm sehr unterschiedliche Ausdehnungen. So traten zum einen kleinfleckige, stecknadelkopf- bis markstückgroße Herde auf , zum anderen aber auch wesentlich größere z.T. konfluierende Abschnitte. Sogenannte Tüpfelnägel fanden sich bei vier Patienten, Nageldystrophien bei dreien, Ölflecken bei nur einem Patienten. Diese Veränderungen manifestierten sich vor allem an den Fußnägeln (in Kombination mit Veränderungen an den Händen oder isoliert), nur bei zwei Personen traten Tüpfelnägel isoliert an den Händen auf. Eine schmerzhafte Gelenkbeteiligung im Sinne einer Psoriasis arthropathica fand sich in zwei Fällen. Ein Juckreiz an den betroffenen Arealen wurde von weiteren zwei Patienten angegeben. Von der Psoriasis abweichend fanden sich darüber hinaus bei ebenfalls zwei Probanden weitere pathologische Haut- und Schleimhautveränderungen: Ein Naevuszellnävus vom Junktionstyp abdominal bei dem einen sowie orale Leukoplakien und ein Plattenepithelkarzinom des rechten Mundwinkels bei dem anderen Patienten. Eine Übersicht dieser psoriatischen Veränderungen bietet folgende Tabelle. 54 Tab.2: Quantitative Ausprägung klinischer Symptome vor Therapiebeginn Klinisches Symptom Anzahl Patienten Plaques: - Ellenbogen 9 - Knie 9 - Stamm 4 - Capillitium 5 Nagelveränderungen: -Tüpfelnägel 4 - Nageldystr. 3 - Ölflecken 1 Gelenkbeteiligung 2 Pruritus 2 Bei Aufnahme zeigten insgesamt acht Patienten laborchemisch Gamma-GT-Erhöhungen, welche sich schon - z.B. im Rahmen diverser Vorerkrankungen (Leberzirrhose) - vor Therapiebeginn manifestiert hatten. Diese reichten von diskretem Anstieg (34 U/l) bis hin zu exzessiv erhöhten Werten (922 U/l ( Pat. mit äthyltoxisch-bedingter Leberzirrhose)). Eine weitere Verschlechterung dieser Parameter im Verlaufe des klinischen Aufenthaltes wurde nicht dokumentiert. Desweiteren traten bei jeweils zwei Untersuchten erhöhte Werte bezüglich des Cholesterins, der Triglyzeride und des CRPs auf. In drei Fällen war die Alkalische Phosphatase nach oben abgewichen. In zwei Fällen war der Urin Nitrit-positiv. Laborchemisch komplett unauffällig waren drei Patienten. Ein positiver HLA-B27-Wert wurde nicht dokumentiert. Diese Veränderungen besserten sich im Laufe der Therapie sowohl in Quantität als auch in Qualität bei allen Patienten, allerdings konnten nach Behandlungsschluß noch bei sechs Patienten makroskopisch sichtbare Restplaques erkannt werden. Einen repräsentativen Plaque vor und nach Therapie zeigen die Abbildungen 12 und 13. 55 Abb.12: Typischer Psoriasisplaque vor Therapie Abb.13: Psoriasisplaque unter Tazarotenetherapie 56 3.2. Dermatohistopathologie 3.2.1. Dermatohistopathologische Veränderungen vor Therapiebeginn Die histologischen Merkmale führten in zehn Fällen zur Diagnose einer superfiziellen perivaskulären Dermatitis (SD), welche siebenmal konkret mit einer Psoriasis vereinbar war. Daß es nicht in allen zehn Fällen zur Diagnose Psoriasis kam, ist u.a. auf die ausgeprägte Dermatohistopathologie dieses Krankheitsbildes zurückzuführen. Die alleinige Feststellung einer SD kann daher nicht zur Diagnosestellung ausreichen. So finden sich die psoriasiforme Epidermishyperplasie, Hyper- und Parakeratose oder auch MunroeMikroabszeße als weitere Kriterien zur Beurteilung. Letztendlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß auch die Erfahrung des Untersuchers in die histopathologische Analyse mit einfließt, was demnach auch zu einer subjektiven Beurteilung führt. Bei nur einem Patienten blieb die Diagnose allgemein auf eine Epidermishyperplasie beschränkt. In diesem Fall führte vor allem das klinische Bild zur Diagnose. Gemäß der dermatohistopathologischen Befundung fand sich immer eine Akanthose (11x), zumeist mit Elongation der Reteleisten (8x). Auch traten Vernetzungen bzw. Verplumpungen derselben auf. Eine als kompakt oder fokal beschriebene Parakeratose fand sich bei acht Patienten. Eine Weitstellung der Gefäße des oberen korialen Gefäßplexus zeigten sieben Probanden. Dort präsentierten sich perivaskulär entzündliche Infiltrate aus Lymphozyten und Histiozyten (8x). Zu erwähnen sei außerdem die Gewebseosinophilie einer Patientin. Darüberhinaus trat bei vier Personen eine subkorneale Pustulation im Sinne eines Munroe-Mikroabszeßes auf. Eine spongiotische Auflockerung des Deckepithels zeigten vier Patienten. 3.2.2. Dermatohistopathologie unter Tazarotene Nahezu alle genannten Veränderungen waren nach Therapie, d.h. nach durchschnittlich 24,9 Tagen Behandlung, entweder qualitativ oder semiquantitativ schwächer ausgeprägt. 57 Eine Akanthose fand sich noch in acht von elf Elongation der Reteleisten beschriebene Fällen, wobei eine ausdrücklich als Veränderung noch dreimal zusätzlich dokumentiert wurde. Die oben beschriebene Parakeratose trat nur noch bei drei Probanden in Erscheinung. Die bereits erwähnte Dilatation der oberen korialen Gefäße fand sich nur in zwei Fällen. Eine superfizielle perivaskuläre Dermatitis konnte aus diesen Befunden jedoch immer noch bei zehn Patienten abgeleitet werden. In zwei dieser zehn Fälle war das dermatohisto- pathologische Bild mit einer Psoriasis vereinbar. Subkorneale Pustulationen und spongiotische Auflockerungen des Deckepithels traten nicht mehr auf. Die vor Therapie beschriebene Gewebseosinophilie einer Patientin fand sich nicht mehr. 3.3. Epidermisdicke Die Ep.max. verringerte sich im Laufe der Therapie bei neun (81,82%) von elf Patienten, d.h. daß es dort zu einer Verschmälerung der Reteleisten gekommen ist. Bei der Ep.min. verhielt es sich ähnlich. Es kam bei acht Patienten (72,73 %) zu einer Verringerung , d.h. die ohnehin schon schmale Epidermis über dem Papillarkörper dünnte unter Therapie noch einmal aus. Bei insgesamt acht Patienten (72,73 %) ist eine Abnahme in beiden Parametern aufgetreten. Einen Überblick über diese Ergebnisse bietet Abbildung 14. Betrachtet man diese acht abnehmenden Wertepaare isoliert, erkennt man darüber hinaus bei je vier Paaren eine stärkere Reduktion der Ep.min., dementsprechend bei den übrigen vieren eine stärkere Abnahme der Ep.max. Eine Tendenz zur kräftigeren Reduktion des einen oder anderen kann daher nicht ausgemacht werden. Meist (bei sieben dieser acht Patienten) nehmen Ep.min. und Ep.max. um einen ähnlichen Betrag ab: Sie lagen dabei um durchschnittlich 9,06% auseinander. Abweichungen von dieser doch eindeutigen Tendenz zur Epidermisausdünnung fanden sich bei insgesamt drei Probanden, von denen wiederum zwei eine Zunahme in beiden Parametern präsentierten (siehe Abb.14). So sah man bei diesen zwei Patienten. bezogen auf die Ep.min. eine Verbreiterung um 21,5% und 33,9%, bezogen auf die Ep.max. eine vergleichsweise geringe Zunahme um 2,27% und 5,14%. 58 Bei dem dritten zu erwähnenden Wert lag eine gegensätzliche Entwicklung vor. So zeigte sich einerseits zwar eine Verdickung der Ep.min. um 17,7% entsprechend einer Verdickung des Deckepithels, andererseits aber wieder eine Reduktion der Ep.max. um 28,72%, was mit einer Ausdünnung der Reteleisten vereinbar ist. Dies verdeutlicht, daß auch hier in zumindest einem Parameter (Ep.max.) die bereits demonstrierte Tendenz zur Reduktion der Dicke fortgesetzt wird. Bezieht man nun alle elf Werte der zehn Psoriatiker in eine Rechnung ein, so kann zusammenfassend gesagt werden, daß es trotz der drei Abweichungen im arithmetischen Mittelwert zu einer deutlichen Abnahme der Epidermisbreite unter Tazarotene kommt. Die Ep.min. verringert sich hierbei um durchschnittlich 29,52%, die Ep.max. sogar um 34,1%. Folgendes Diagramm veranschaulicht abschließend die Entwicklung der Epidermisdicke unter Tazarotene. 40 33,9 21,5 17,7 Prozentuale Veränderung der Epidermisdicke 20 5,14 2,27 0 1 2 3 4 5 6 -2,86 7 8 9 10 11 Ep.min. -20 Ep.max. -23,51 -25,6 -28,72 -40 -35,17 -37,37 -45,97 -36,9 -37,62 -46,2 -51,0 -54,5 -60 -62,15 -67,8 -71,07 -75,44 -78,5 -80 Fälle 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Abb.14: Prozentuale Veränderungen der Ep.min. und Ep.max. nach 24,9 Tagen (arithmetisches Mittel) Therapie in Relation zum Ausgangswert; n = 11 59 3.4. Gesamtzellzahl Auch diese Zahlen wurden auf eine Einheitsfläche von 100.000µm2 umgerechnet. So erkennt man in der Epidermis entsprechend Ebene 1 eine Zunahme von durchschnittlich 464,28 Zellen / Einheitsfläche auf 485,59. Dies bedeutet eine Steigerung um 4,59% vom Ausgangswert. In der Basalzellreihe wiederum ergibt sich ebenfalls eine diskrete Zunahme von 879,18 auf 879,44 / EF, also ein Anstieg um lediglich 0,03%. Im ersten korialen Raster (E3) resultiert dagegen eine Reduktion von 121,81 auf 82,23 Zellen / EF und damit eine Abnahme um ganze 32,49%, was mit einem Rückgang der entzündlichen Infiltration in diesem Abschnitt vereinbar ist. In der tiefsten Ebene (E4) präsentiert sich abschließend auch eine Abnahme. Im Detail von 35,45 auf lediglich 34,61 Zellen / EF, was einer leichten Reduktion um 5,88% entspricht. Auch diese Ergebnisse sollen in einer Graphik (Abb.15) verdeutlicht werden. 900 800 879,44 879,18 700 Anzahl 600 500 485,59 464,28 prä 400 post 300 121,81 200 82,23 100 40,30 37,93 0 1 2 3 4 Ebene Abb.15: Gesamtzellzahl pro Einheitsfläche (100.000 µm2) vor und nach Therapie mit Tazarotene. n = 11; prä = Wert vor Therapie, post = Wert nach Therapie 60 Die hohe Zellanzahl im Stratum basale ist dabei durch die Umrechnung der gezählten Zellen zu erklären. In diesem Bereich liegen die Zellen auf geringer Fläche enger beieinander, was natürlich zur Folge hat, daß sich die Gesamtzellzahl, rechnet man auch diese auf 100.000µm2 um, relativ stärker erhöht als in der Epidermis entsprechend Ebene 1. Die tatsächliche Anzahl ist vor allem im Hinblick auf den kleineren Erfassungsbereich (durch-schnittliche Vermessungsfläche der Basalzellreihe: prä 5680,22µm2, post 5110,35µm2) selbstverständlich kleiner. Der Mittelwert der gemessenen Fläche in Ebene 1 lag absolut bei 33373,78µm2 (prä) und 24862,34µm2 (post). Die betrachteten Bereiche im Korium waren 25269,29µm2 (prä) und 30905,92µm2 (post) für E3 sowie 41687,74µm2 (prä) und 42320,3µm2 (post) bezüglich E4 groß. Auch diese wurden auf die vorgegebene Einheitsfläche umgerechnet. 3.5. Immunmarkierungen 3.5.1. MIB 1 Im Hinblick auf die untersuchten Psoriasisfälle zeigt sich sowohl bei der interindividuellen Auswertung des Gesamtkollektivs (Longitudinaler Ansatz), als auch bei den arithmetischen Mittelwerten der einzelnen Markierungen ein einheitliches Bild (Studienquerschnitt). Im Detail: In E1 ergibt sich eine Abnahme der MIB-1-Markierungen bei sechs Fällen (54,55%) und eine Zunahme bei fünfen (45,45%). Patient Nr.3a zeigt hier eine Zunahme (von 44,7 / EF auf 71,3 / EF), Pat. Nr.3b eine Reduktion (von 204 / EF auf 44,6 / EF). E2 präsentiert eine Abnahme der MIB1-positiven Zellen in neun Fällen (81,82%) sowie eine Zunahme bei lediglich zweien (18,18%). In Bereich 3 erkennt man eine ebenfalls starke Reduktion bei zehn Fällen (90,9%), eine Erhöhung bei einem Patienten (9,1%). In Ebene 4 wiederum ergibt sich eine Abnahme der MIB 1-positiven Zellen bei acht Patienten (72,73%), eine Zunahme bei einem (9,1%) und keine Veränderung tritt bei zweien (18,18%) auf. Diese zwei Patienten zeigen sowohl vor als auch nach Therapie keine MIB 1 markierte Zelle in E4. Diese Daten sind in Abbildung 16 zu sehen. Der zu zwei Zeitpunkten integrierte Patient zeigt einmal eine Reduktion, einmal keine Veränderung. 61 Die Mittelwerte der MIB 1-positiven Zellen (hochgerechnet auf o.g. Einheitsfläche) erscheinen wie folgt. In Ebene 1 kommt es zu einer Verminderung der Mittelwerte von 104,93 / EF vor Therapie auf 69,48 Zellen / EF nach Therapie, in E2 sieht man eine Abnahme von 300,74 / EF (vor) auf 206,79 / EF (nach), E3 präsentiert ebenfalls eine Reduktion von durchschnittlich 13,19 / EF (vor) Markierungen auf 3,31 / EF (nach) und auch in E4 erkennt man eine Abnahme; hier von 3,57 / EF (vor Therapie ) auf 1,7 Zellen / EF (nach Therapie) reduziert. Resumierend kann also gesagt werden, daß es unter Therapie mit Tazarotene in allen erfaßten Schichten zu einer Abnahme MIB 1-positiver Zellen kommt. Abbildung 17 faßt diese Werte zusammen. 3.5.2. Anti-OPD 4 Sowohl auf die interindividuellen Einzelwerte, als auch auf die Mittelwerte der angefärbten Zellen bezogen, zeigt sich eine Tendenz zur Abnahme der OPD 4-positiven Zellen. In Ebene 1 stellt sich zunächst eine Abnahme der OPD 4-markierten Zellen (pro Einheitsfläche) in sieben Fällen (63,64%) sowie keine Veränderung in vieren (36,36%) dar. Bei diesen nicht veränderten Werten handelt es sich um Nullwerte, d.h. vor und nach Therapie mit Tazarotene treten dort keine OPD 4-positiven Zellen auf. Eine Ebene tiefer (Basalzellreihe) ergibt sich eine ähnliche Konstellation. Dort finden sich bei acht Patienten (72,73%) nach Therapie weniger OPD 4-positive Zellen sowie bei drei Personen unveränderte Nullwerte (27,27% (keine OPD 4-markierten Zellen vor und nach TazaroteneGabe)). Zunahmen treten bei keinem Patienten auf. In Ebene 3 erkennt man eine Abnahme der Anzahl OPD 4-positiver Zellen in sieben Fällen (63,64%) sowie eine Zunahme in lediglich vieren (36,36%). In der tiefsten Ebene (E4) präsentieren sich bezüglich der OPD 4-markierten Zellen Abnahmen bei Nullwerte vor bzw. nach Behandlung acht (72,73%) Untersuchten, drei unveränderte (27,27%), keine Zunahmen. Zusammengefaßt dargestellt sind auch diese Ergebnisse durch Abbildung 16. Die Mittelwerte der OPD 4-assoziierten Zellen stellen sich wie folgt dar. In Ebene 1 kommt es unter Tazarotene zu einer Reduktion der Mittelwerte OPD 4-positver Zellen von 1,9 / EF vor Therapie auf 0,27 / EF nach Therapie. E2 präsentiert eine 62 Verminderung von 8,12 Zellen / EF (vor) auf 2,21 / EF (nach). In Ebene 3 ergibt sich ebenfalls eine Abnahme. Hier von 20,85 / EF (vor) auf 8,88 / EF (nach) markierte Zellen, und auch in Ebene 4 verringert sich die Anzahl: Dort von 8,64 / EF vor auf 4,96 / EF nach Therapie. Diese Mittelwerte sind in Abbildung 17 einheitlich dargestellt. 3.5.3. Anti-S-100 Die Ergebnisse dieser Ak-Untersuchung variieren stärker in ihren Einzelergebnissen und zeigen daher ein breiteres Spektrum an Veränderungen. Im Hinblick auf die interindividuellen Veränderungen (Longitudinalstudie) erkennt man in den ersten drei Ebenen, daß dort überwiegend eine Reduktion der S-100 positiven Zellen zu verzeichnen ist. In Ebene 1 kommt es in sechs Fällen zu einer Reduktion der S-100 assoziierten Zellen (54,55%) und zu einer Zunahme bei fünfen (45,45%). E2 zeigt eine Abnahme bei fünf (45,45%), eine Zunahme bei vier (36,36%) und keine Veränderung bei zwei (18,18%) Fällen. Hier lagen zwei konstant gebliebene Nullwerte im Sinne keiner positiven S-100-Markierung vor. In E3 wiederum finden wir eine Abnahme bei sieben (63,64%), eine Zunahme bei drei (27,27%) und keine Änderung bei einem (9,1% (keine positive Markierung vor u. nach Therapie)) Untersuchten. Diese Tendenz findet sich in der vierten untersuchten Ebene nicht. Dort präsentiert sich eine Abnahme bei nur vier (36,36%), aber eine Zunahme bei sieben (63,63%) Fällen. Der zweifach aufgenommene Patient präsentiert hier einmal eine Zunahme (von 3 auf 11,9 Zellen / EF), einmal eine Reduktion (von 5,95 auf 0 Zellen / EF). Diese interindividuellen Unterschiede verdeutlicht ebenfalls Abbildung 16. Im Hinblick auf die arithmetischen Mittelwerte der durchschnittlich markierten S-100positiven Zellen der einzelnen Personen (Querschnittsstudie) zeigt sich unter Therapie mit Tazarotene besonders in Bezug auf E1 bis E3 ein etwas anderes Bild, welches noch näher erläutert werden soll (Kapitel 4). In den vier Hautbereichen der Studie ergeben sich zunächst die nachfolgenden Werte. 63 Für E1 ein Anstieg der markierten Zellen von im Mittel 5,26 / EF auf 6,13 Zellen / EF, für E2 eine Zunahme von 18,51 / EF auf 42,53 Z. / EF, für E3 ein Abfall von 8,69 / EF auf 4,05 Zellen / EF (was im Mittel auch den Einzelergebnissen der Patienten entspricht, s.o.) und für E4 wieder ein leichter Anstieg von 2,33 / EF auf 3.29 Zellen / EF, ähnlich dem Ergebnis der longitudinalen Untersuchung. Einige dieser Durchschnittswerte muß man jedoch, wie bereits angedeutet, genauer betrachten und nach Rücksprache mit dem Institut für medizinsche Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Ruhr-Universität Bochum auch hier konkret relativieren bzw. aus der Berechnung ausschließen, was detailliert jedoch später diskutiert werden soll. Einen Überblick bezügl. dieser Daten inklusive der übrigen Antikörper bietet Abbildung 17. 3.5.4. Zusammenfassung der Immunmarkierungen Eine Übersicht der Daten des gesamten Patientenkollektivs (S-100, MIB 1, OPD 4) gibt folgendes Diagramm. 64 MIB 1 OPD 4 S-100 6 5 4 5 Anzahl 2 MIB1 / Zunahme MIB1 / Abnahme 0 OPD4 / Zunahme 0 OPD4 / Abnahme -2 S-100 / Zunahme -4 S-100 / Abnahme -7 -6 -6 -8 -6 Immunmarker EBENE 1 4 4 2 2 0 Anzahl 0 -2 -4 -6 -5 -8 -10 -8 -9 Immunmarker EBENE 2 4 3 4 2 1 Anzahl 0 -2 -4 -6 -8 -7 -7 -10 -10 Immunmarker EBENE 3 7 8 6 3 Anzahl 4 2 1 0 -2 -4 -4 -6 -8 -7 Immunmarker EBENE 4 -8 Abb.16: Longitudinalstudie (Interindividuelle Zu- und Abnahmen der positiv markierten Zellen unter Therapie mit Tazarotene.) n = 11; Keine Änderung: E1: OPD4: 4x; E2: OPD4: 3x, S-100: 2x; E3: S-100: 1x; E4: MIB1: 2x 65 Das Diagramm verdeutlicht interindividuelle Zu-, Abnahmen und Gleichstände (= keine Veränderung ) bezüglich der Anzahl immunmarkierter Zellen bei den einzelnen Patienten. Die MIB1-markierten Zellen nehmen in allen vier Ebenen stärker ab (E1=6, E2=9, E3=10, E4=7). Ein Gleichstand zeigt sich zusätzlich nur in E4 (2 Pat.). Bezüglich der OPD4-Anfärbungen ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch dort treten in allen vier Ebenen bezogen auf die Patientenzahl mehr Abnahmen auf (E1=7, E2.=8, E3=7, E4=8). Lediglich in E3 und E4 erscheinen jeweils 4 und 3 Verminderungen. Zusätzliche Gleichstände treten in E1 (4) und E2 (3) auf. Im Hinblick auf die S-100-positiven Zellen findet sich in den Ebenen 1 bis 3 häufiger ein Rückgang (E1=6, E2=5, E3=7), nur in Ebene 4 treten mehr Pat. mit einer Zunahme auf (E4=7). In E2 und 3 gibt es Gleichstände (E2 = 2, E3 = 1). Eine weitere Übersicht (Abbildung 17) soll darüber hinaus die arithmetischen Mittelwerte aller positiv immunmarkierten Zellen (S-100, MIB 1, OPD 4) pro Einheitsfläche darstellen (Querschnittsstudie). Betrachtet wird das gesamte Patientenkollektiv. Zu beachten sei die logarithmische Darstellung. Diese wurde aufgrund der vielfältigen Untersuchungsergebnisse gewählt und ermöglicht daher eine differenziertere Betrachtung der verschiedenen Parameter. Zu beachten sei desweiteren die z.T. negative Wertepräsentation. Diese stellt lediglich eine Besonderheit des logarithmischen Diagramms dar und zeigt keine tatsächlich negativen Ergebnisse auf (Ebene 1, OPD 4 post), sondern lediglich Werte unter 1. Ein möglicher Nullwert kann daher in solch einem Diagramm faktisch nicht dargestellt werden. 66 MIB1 OPD 4 S-100 1000 104,93 Zellanzahl 100 MIB1/ prä 69,48 MIB1 / post 5,26 10 6,13 1,90 OPD4 / prä OPD4 / post S-100 / prä 1 S-100 / post 0,27 0,1 Immunmarker EBENE 1 1000 Zellanzahl 300,74 206,79 100 42,53 18,51 8,12 10 2,21 1 Immunmarker EBENE 2 100 Zellanzahl 20,85 13,19 8,88 10 8,69 4,05 3,31 1 Immunmarker EBENE 3 8,64 10 Zellanzahl 4,96 3,60 3,29 2,33 1,70 1 Immunmarker EBENE 4 Abb.17: Querschnittsstudie (Arithmetische Mittelwerte der Anzahl positiv markierter Zellen vor und nach Therapie mit Tazarotene.) n = 11; prä = Mittelwert vor Therapie, post = Mittelwert nach Therapie 67 Im Hinblick auf die Mittelwerte MIB1-positiver Zellen erkennt man nach Therapie eine Abnahme in allen vier Ebenen. Die Anzahl OPD4-markierter Zellen wiederum nimmt ebenfalls in E1 - 4 ab. Die Mittelwerte der S-100-positiven Zellen zeigen lediglich in E3 eine Reduktion. In den Ebenen 1, 2, 4 allerdings eine Zunahme der Werte. Bisher haben wir überwiegend isoliert immunmarkierte Zellen und die Gesamtellzahl betrachtet. Setzt man beide Ergebnisse zueinander in Beziehung, so ergibt sich der prozentuale Anteil der Ak-markierten Zellen an der Gesamtzellzahl. Abbildung 18 veranschaulicht die Daten. Die Ergebnisse entsprechen dabei in allen Ebenen exakt den tendenziellen Veränderungen der arithmetischen Mittelwerte der positiv markierten Zellen. Nimmt daher der Mittelwert der MIB1- / OPD4- oder S-100-positiven Zellen in einer Ebene zu, so kann auch von einer Zunahme des prozentualen Anteils an der Gesamtzellzahl ausgegangen werden. Die Gesamtzellzahl selbst zeigt dieses korrelierende Verhalten jedoch nicht. Sie verhält sich bezogen auf die Mittelwerte der MIB1- und OPD4-positiven Zellen in der Epidermis (E1+2) gegensinnig - steigt unter Therapie also an -, während sie im Korium (E3+4) abfällt. Im Hinblick auf die Anti-S-100-positven Zellen wiederum korreliert sie in E1-3 (E1+2=Anstieg, E3=Abfall der markierten Zellen und der Gesamtzellzahl) und verhält sich nur in E4 gegensinnig (S-100-pos. Zellen nehmen zu, Gesamtzellzahl fällt ab). Konkret sinkt der prozentuale Anteil der MIB1- und OPD4-markierten Zellen an der Gesamtzellzahl in allen vier Ebenen. Wie anhand der Graphik zu erkennen ist, nehmen besonders die Werte des MIB1-Antikörpers ab. Die augenfälligste Reduktion tritt hierbei in E2, also der Basalzellreihe, auf. Dort resultiert eine Verminderung um 10,23% gegenüber dem prozentualen Anteil vor Therapiebeginnn. Die Verminderung des OPD4-Anteils wiederum ist vor allem im Korium ausgeprägt (E3: Abnahme um 6,61%, E4: Abnahme um 3,02%). Der prozentuale Anteil der S-100-positiven Zellen zeigt entsprechend den arithmetischen Mittelwerten nicht diese einheitliche Abnahme. Eine leichte Reduktion ist lediglich in E3 zu erkennen (Verminderung um 1,57%). In den übrigen drei Bereichen (E1, 2, 4) kommt es zu einer, wenn auch nur diskreten, Erhöhung des prozent. Anteils der S-100-positiven Zellen (E1:+0,12%, E2:+2,62%, E4:+0,64%). 68 MIB 1 Prozent 25 OPD 4 S-100 22,12% MIB1 / prä MIB1 / post 20 15 14,59% OPD4 / prä OPD4 / post 10 5 0,4% 0 0,05% 1,20% 1,32% S-100 / prä S-100 / post Prozent Immunmarker EBENE 1 35 30 25 20 15 10 5 0 33,28% 23,05% 0,88% 0,25% 2,29% 4,91% Immunmarker EBENE 2 Prozent 20 15 16,37% 11,75% 10 9,76% 6,91% 4,00% 5,34% 5 0 Immunmarker EBENE 3 Prozent 20 15 10 5 16,89% 13,87% 10,51% 6,75% 7,39% 5,08% 0 Immunmarker EBENE 4 Abb.18: Prozentualer Anteil MIB1- (Proliferationsindex), OPD4- und S-100positiver Zellen an der Gesamtzellzahl vor und nach Therapie mit Tazarotene. n = 11; prä = Werte vor Therapie, post = Werte nach Therapie 69 Auch hier gelten die schon genannten Besonderheiten der logarithmischen Skalierung. Alle gemachten Angaben beziehen sich auf die Einheitsfläche von 100.000µm2. 3.6. Zusammenfassung aller Ergebnisse Zunächst findet sich eine supprimierende Wirkung bezüglich der Epidermisdicke. Beide gemessenen Werte (Ep.min., Ep. max.) zeigen im Mittel eine Reduktion, d.h. es kommt konkret zur Ausdünnung des Deckepithels über dem Papillarkörper (- 29,52%) sowie zur Verminderung der Dicke der Reteleisten (34,1%) (Abb.14). Die Gesamtzellzahl wiederum nimmt unter Tazarotene in der Epidermis zu (E1: + 4,59%, E2: + 0,03%), im Korium jedoch ab (E3: -32,49%, E4: -5,88%) (Abb.15). Im Hinblick auf die durchgeführten Immunmarkierungen ergibt sich folgendes Bild: Quantitativ reduzieren sich in allen Ebenen sämtliche Parameter der MIB-1- und OPD-4-Markierungen, d.h. sowohl interindividuell auf das Patientenkollektiv bezogen (longitudinal), als auch im Hinblick auf die histologischen Zellmarkierungen (Querschnitt) (Abb. 16 und 17). Die Ergebnisse der S100-Markierung wiederum fallen zunächst nicht derart einheitlich aus. Vor weiterer Interpretation zeigt dieser Antikörper interindividuell betrachtet (Gesamtkollektiv) in den Ebenen eins bis drei häufiger einen Rückgang markierter Zellen ( E1=6, E2=5, E3=7 ), nur Ebene vier präsentiert mehr Patienten mit einer Zunahme S-100-positiver Zellen (E4=7). Die arithmetischen Mittelwerte der durchschnittlich markierten S-100-positiven Zellen zeigen innerhalb der Ebenen 1, 2 und 4 einen Anstieg der markierten Zellen, nur Ebene 3 präsentiert einen Abfall. Der prozentuale Anteil der Ak-markierten Zellen an der Gesamtzellzahl (Abb.18) entspricht in allen Untersuchungsebenen den Veränderungen der Querschnittsstudio, also der arithmetischen Mittelwerte der positiv markierten Zellen. Resumierend scheint Tazarotene auf beinahe alle betrachteten Parameter einen supprimierenden Effekt auszuüben. Unter topischer Medikation zeigt sich dementsprechend eine Reduktion der proliferativ aktiven und der immunkompetenten Zellen sowie eine Abnahme der Zellgröße der Keratinozyten bei gleichzeitigem Anstieg der Gesamtzellzahl in der Epidermis. 70 4. Diskussion Die vorliegende immunhistologische Studie belegt im Rahmen antiinflammatorischer Effekte unter Tazarotene-Therapie eine Reduktion der epidermalen und dermalen T-HelferLymphozyten-Infiltration bei Psoriasis vulgaris. Desweiteren zeigt Tazarotene eine supprimierende Wirkung auf antigenpräsentierende Zellen. Die antiproliferative Wirkung von Tazarotene wird bestätigt. 4.1. Methodendiskussion 4.1.1. Patientenkollektiv Die Auswahl der Präparate erfolgte aus dem Kollektiv der Patienten mit einer Psoriasis vulgaris vom chronisch - stationären Typ der Dermatologischen Klinik der RuhrUniversität Bochum. Wichtigstes Einschlußkriterium in die Untersuchung war eine ausschließlich externe Therapieform, um systemische Beeinflussungen zu vermeiden. Es wurden zehn Patienten entsprechend elf untersuchter Fälle analysiert. Im Rahmen einer klinisch- pharmazeutischen Studie lag ein Ethik-Votum vor. Nach Zulassung des Präparats wurden die Patienten gemäß der Deklaration von Helsinki (revidierte Version beschlossen von der 48. Generalversammlung des Weltärztebundes im Oktober 1996 in Somerset West (Südafrika)) integriert und untersucht. Im Hinblick auf den zu zwei Zeitpunkten integrierten Patienten (Fall-Nr. 3a & 3b) ist eine Beeinflussung des zweiten Therapiezyklus` durch den ersten praktisch ausgeschlossen, da die beiden Behandlungszyklen 16 Monate auseinander lagen. In Anbetracht der extrem geringen systemischen Absorption (77) ist darüberhinaus auch nicht von einer pharmakospezifischen Depotbildung auszugehen. Im Hinblick auf die geringe Größe des Patientenkollektivs stellt sich letztendlich natürlich die Frage, ob ein Kollektiv dieses Umfanges repräsentativ für die Veränderungen einer Erkrankung und der zugehörigen Therapie sein kann. Der Grund für das kleine Kollektiv liegt darin, daß es sich hier um eine Pilotstudie handelt, in welcher zunächst tendenzielle Veränderungen der untersuchten 71 Parameter gezeigt werden sollen. Eine weitergehende Objektivierung müßte daher durch neue Studien mit ähnlichem Untersuchungsansatz folgen. Darüberhinaus stellt es ein ethisches Problem dar, einen Patienten mit operativ nicht heilbarem Leiden im Rahmen der Studie zweimal zu biopsieren. Dies ist für den Erkrankten verständlicherweise nicht immer akzeptabel. Weiterhin stellt die Rekrutierung von Patienten aus verschiedenen Gründen ein nicht zu vernachlässigendes Problem dar: Bei der Psoriasis vulgaris handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die Patienten haben einen z.T. langjährigen Leidensund Therapieweg hinter sich und sind daher in erster Linie an einer schnellen und unkomplizierten Behandlung interessiert. Die Grundlagen des Wirkmechanismus der Therapie sind für den Patienten eher von sekundärem Interesse. Auf der anderen Seite können diese Standardtherapie und intensiven Kontrollen der Wirkung im Rahmen der Untersuchung einen objektiven Nutzen für den Patienten darstellen: Individuelle Veränderungen bei dem Erkrankten werden sofort erkannt und spätere Therapieschemata schneller und individueller erarbeitet. Desweiteren kann die Teilnahme an einer Studie auch subjektiv vom Patienten als angenehm empfunden werden, da die besondere Zuwendung einem sekundären Krankheitsgewinn nahekommt. Darüberhinaus sollen Grund- bzw. Systemerkrankungen der behandelten Patienten nicht unberücksichtigt bleiben. So waren (schon vor Therapiebeginn) zwei Patienten zusätzlich an einem Typ-II-Diabetes, weitere zwei an einer Leberzirrhose mittelschweren (GammaGT: 385 U/l, GOT: 284 U/l) und massiven (Gamma-GT: 922 U/l, GOT: 45 U/l, Ikterus) Ausmaßes erkrankt. Acht Personen zeigten z.T. massive Erhöhungen der Gamma-GT. Die Leberaffektion korreliert häufig mit einem Alkoholabusus, welcher immer wieder beim Psoriatiker zu finden ist. Es handelt sich um eine chronische Dermatose, welche letztendlich nur symptomatisch therapiert, aber nicht geheilt werden kann. Die subjektiv sichtbare und somit belastende Erkrankung kann dazu führen im Alkoholkonsum eine zumindest temporäre Erleichterung oder Lösung von der Krankheit zu suchen. Dabei handelt es sich aber um einen Circulus vitiosus, da der Alkohol selbst wieder eine erneute Exazerbation provozieren oder einen akuten Krankheitsschub verschlimmern kann. In Anbetracht der hier vorliegenden Studie sind diese Veränderungen jedoch zweitrangiger Natur, da keine systemische Therapieform vorlag, sondern lediglich eine lokal-topisch begrenzte Behandlung und somit Interaktionen in diesem Sinne kaum zu erwarten sind. 72 Darüber hinaus zeichnet sich eine Behandlung mit dem hier verwendeten Retinoid-Gel durch äußert niedrige Plasmaspiegel des Pharmakons und damit geringste systemische Beteiligung aus (76, 77, 134). 4.1.2. Auswahl der Gewebebiopsien Die Entnahme der Probebiopsien erfolgte vor Therapiebeginn sowie am letzten Behandlungstag bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 24,9 Tagen (arithmetischer Mittelwert) bis zur Entlassung aus der Klinik. Zum Zeitpunkt des letzten stationären Behandlungstages wurde allerdings nicht immer eine vollständige Abheilung der psoriatischen Plaques erreicht. Eine ambulante Fortführung der individuellen Therapie wurde allen Patienten empfohlen. Die Entnahme fand bei den einzelnen Patienten immer in dem gleichen Plaque statt, sodaß Erst- und Zweitbiopsie obligat zu dem gleichen Herd gehörten. Interindividuell variierten die Biopsieareale allerdings (Schulter- / Rückenpartie, Arme). In Anbetracht der unterschiedlichen Morphologie der Haut an den variierenden Entnahmestellen (z.B. unterschiedliche Dicke der Epidermis) stellt sich daher die Frage, ob diese Schnitte überhaupt miteinander vergleichbar sind bzw. ob es zulässig ist daraus einen Mittelwert zu bilden. Da die Untersuchungsareale immer derselben Therapie und damit Tazarotene-Konzentration unterzogen wurden und somit von einem ähnlichen Therapieeffekt ausgegangen werden kann, würde es sich jedoch in erster Linie um einen systemischen Fehler bezüglich des lokalen Ansprechens auf die Behandlung handeln. Dies bedeutet, ein solcher systemischer Fehler würde sich selbst eliminieren. Da die Ergebnisse weiterhin auch als Einzelwert in die Longitudinalstudie eingehen, wie zum Beispiel die Epidermisdicke (Ep.min., Ep.max.), und unrepräsentative Werte beachtet und analysiert werden, gehen hier keine Daten verloren. Inwiefern die einzelnen Hautareale allein aufgrund ihrer Lokalisation her unterschiedlich auf die vorliegende Behandlung reagieren, wurde aufgrund der geringen Fallzahl in dieser Studie nicht untersucht. Desweiteren stellen Fixierung und Paraffineinbettung der histologischen Präparate Fehlerquellen dar. So führt die Fixierung mit formaldehydhaltigen Lösungen bei Proteinen zu Quervernetzungen, die Paraffineinbettung bewirkt Konformationsänderungen der Proteine und beeinträchtigt 73 somit diskret die Antigenität, hat aber auf der anderen Seite den Vorteil guter Strukturerhaltung und Beurteilbarkeit (22). Im übrigen verursachen diese beiden Prozesse einen systemischen Fehler, da alle Präparate gleich behandelt wurden. 4.1.3. Bild- und Strukturanalyse Für die Auszählung der (immunhistologisch und Hämatoxylin-Eosin(HE)-markierten) Schnittbilder gibt es prinzipiell zwei technische Möglichkeiten. Es können zum einen alle Bilder nach vorangehendem Einlesen in den Computer mit Hilfe entsprechender Programme markiert und gezählt werden, zum anderen kann eine Analyse rein „manuell“ mit Mikroskop und normiertem Zählraster erfolgen. Computergestützte Zellzählungs- und analyseprogramme sind mannigfaltigst einsetzbar und in der Literatur mehrfach beschrieben (3, 21, 54, 123, 133). Erstgenannte Methode hat, sofern eindeutig abzugrenzende bzw. zu markierende Strukturen vorliegen, den Vorteil der wesentlich schnelleren Bearbeitung und auch Handhabung, da zeitraubendes und ermüdendes Arbeiten mit dem Mikroskop entfallen (133). Die tatsächliche Praktikabilität dieser isolierten Vorgehensweise ist jedoch oft - wie auch in dieser Studie - stark eingeschränkt, da die zu analysierenden Strukturen, hier also die markierten Zellen, in Farbgebung und Form sehr variieren, so daß der Computer diese nicht immer als klar identifizierbare Struktur wiedererkennt. Markiert man beispielsweise eine Zelle mit zehn Referenzpunkten, um alle Farbschattierungen anhand derer der Rechner in diesem Falle eine Struktur identifiziert und somit „wiedererkennt“, so werden immer noch Gewebeabschnitte als Zellen identifiziert, obwohl es sich nicht um solche handelt, allein aufgrund der Tatsache, daß ein übereinstimmender Farbpunkt gefunden wurde. Daher bedarf es weiterer Bemühungen zur einwandfreien Identifizierung einer histologischen Struktur. Die Lösung findet sich in der Synergie digitaler Bildverarbeitung und subjektiver Objektmarkierung durch den Untersucher (54, 133). Hier bedeutet dies konkret, daß das über eine Kamera vom Mikroskop in den Rechner übertragene Bild am Bildschirm auf seine analysierbaren Strukturen untersucht wird. Die eigentliche Zellmarkierung findet also durch „optischmanuelle“ Auswahl subjektiv am Bildschirm statt. Solch eine Vorgehensweise hat den 74 großen Vorteil der wesentlich genaueren quantitativen Markierung, da die alleinige Verwendung eines Mikroskops schnell zu Doppelzählungen oder auch zum Übersehen einzelner Zellen führen kann (54), weil der Blick des Betrachters immer zwischen Okular und eigenen Aufzeichnungen wechseln muß. Dies entfällt hier, da das gesamte auszuwertende Areal ständig am Bildschirm präsent ist und markiert werden kann. Dieser Ablauf führt daher zu einer exakteren Erfassung der interessierenden Strukturen. Aber auch bei solch einer Vorgehensweise findet, wie bei jeder Untersuchung und Darstellung organischer Verhältnisse, eine subjektive Auswahl der interessierenden Strukturen statt. Die durch diese Auswahl entstehende Reduktion tatsächlich in der Haut existierender Strukturen erfolgt bei hier beschriebenem Vorgehen beim Markieren der Zellen. Es werden nicht alle in der Haut vorhandenen Zellen markiert, sondern lediglich ein Teil. So kann eine angeschnittene Zelle noch Zeichen der Färbung aufweisen, soll aber, da sie nicht mehr in einer Schnittebene mit den übrigen Zellen liegt, trotzdem nicht mitgezählt werden. Hierdurch kommt es zwar zu einem Informationsverlust, notwendig wird diese Beschränkung jedoch, um erstens eine allgemeine quantitative „Übermarkierung“, wie sie der Computer im o.g. Sinne alleine durchführt, zu vermeiden und zweitens um auch bei markierten Strukturen weiter differenzieren zu können. Diese Auswahl konnte nur durch den Untersucher selbst erfolgen. Ergänzt wird das Vorgehen der digitalen Bildanalyse durch Verwendung des Mikroskops, welches ständig als Informationsquelle parallel laufend die zusätzliche Betrachtung unklarer Strukturen des digitalen Bildes ermöglicht. 75 4.2. Ergebnisdiskussion 4.2.1. Klinisches Bild Die augenfälligste klinische Veränderung im Rahmen der Psoriasis vulgaris stellt der erythematöse Plaque mit Schuppung in unterschiedlichster Ausprägung und Lokalisation dar. Dies war auch bei dem hier vorliegenden Patientenkollektiv der Fall, wobei ein gelegentlich zu beobachtender Pruritus nur von zwei Patienten vor Therapiebeginn angegeben wurde. Vordringlichstes Behandlungsziel stellte die Abheilung der entzündlich infiltrierten Areale dar. Bei allen Patienten (10 Patienten entprechen 11 Fälle) zeigte sich eine Verbesserung des Hautstatus. Diese Ergebnisse korrelieren eng mit den histologischen Veränderungen. Der erythematöse Plaque stellt das klinisch sichtbare Korrelat zur Gefäßweitstellung und entzündlichen Infiltration dar. Die Akanthose korreliert wiederum mit der Induration bzw. Erhabenheit des Plaques. In der Ausprägung in welcher sich die Histologie wieder normalen Werten anglich, normalisierte sich auch das klinische Bild. Bei insgesamt sechs Patienten bestanden nach Ende des Beobachtungszeitraumes jedoch noch immer makroskopisch sichtbare Restplaques und eine entsprechend affektierte Epidermis bzw. Dermis (Akanthose, Infiltrate). Der Grund hierfür ist einerseits in der für die Psoriasis recht kurzen Therapiedauer zu sehen (zwischen 22 und 30 Tagen), zum anderen sollte auch ein individuell unterschiedliches Ansprechen nicht unerwähnt bleiben. Letztendlich muß auch die Frage nach einer immer korrekten Applikation gestellt werden. Lokale Retinoid-typische Nebenwirkungen wie Brennen, Schälen oder Juckreiz der Haut (25, 59) wurden kaum beschrieben. Bei zwei Patienten trat ein leichter Juckreiz des behandelten Areals auf. Zu einem Therapieabbruch kam es bei keinem Patienten. Eine Verschlechterung der Retinoid-assoziierten Laborparameter (GOT, GPT, AP, Triglyzeride, Gesamtcholesterin) fand sich bei keinem Patienten, was die geringe systemische Absorption bestätigt. 76 4.2.2. Dermatohistopathologische Besonderheiten im Patientenkollektiv 4.2.2.1. Subkorneale Pustulation Bei vier Patienten fand sich vor Beginn der topischen Therapie eine subkorneale Pustulation im Sinne eines sog. Munro-Mikroabszeßes. Dabei handelt es sich um eine sterile Ansammlung neutrophiler Granulozyten, d.h. ohne Vorliegen infektiöser Organismen wie z.B.Bakterien. Die Lokalisation dieser Pustulation entsprach in unserer Studie Ebene E1 (Epidermis oberhalb der Basalzellreihe) und fand sich - sofern ein solcher Abszeß auftrat - im histologischen Schnitt aller Immunmarkierungen. Zu beachten sei jedoch, daß im Rahmen der Analysevorgaben solche Areale nicht mitgemessen wurden, da derart lokal begrenzte Prozesse nicht den interessierenden Zellstatus, d.h. Zellen in der normal konfigurierten Epidermis, wiederspiegeln. Betrachtet man nun die histologischen Einzelergebnisse der genannten vier Patienten isoliert, lassen sich keine quantitativen Besonderheiten bezüglich der Zellanzahl feststellen. Lediglich bei einem der vier Patienten fand sich im Bereich der Basalzellreihe (E2) einer der unrepräsentativen, da enorm hohen, S-100-Werte, welcher posttherapeutisch dokumentiert wurde und daher nicht in Zusammenhang mit genannter Pustulation stehen kann. Darüberhinaus färbt Anti-S-100 zwar Entzündungszellen wie z.B. Makrophagen an, jedoch nicht Neutrophile (59). 4.2.2.2. Gewebseosinophilie Die prätherapeutisch dokumentierte Gewebseosinophilie einer Patientin sollte nicht unerwähnt bleiben. Dieses auch bei initialer Psoriasis dokumentierte Phänomen (27, 28) fand sich im vorliegenden Fall konkret im Rahmen eines frühentzündlichen Infiltrates zusammen mit Lymphozyten und Histiozyten um die Gefäße des oberen Koriums. Das lymphohistiozytäre Infiltrat dieser Patientin ist auch posttherapeutisch dokumentiert worden, dort allerdings ohne Eosinophilie. Eine systemische Form im Sinne einer Bluteosinophilie ist nicht dokumentiert, das große Blutbild zeigte Normwerte. Im Hinblick auf die untersuchten Zelldifferenzierungen bei dieser Patientin waren allerdings kaum 77 Auffälligkeiten zu erkennen. Lediglich in den wesentlich höher gelegenen Epidermislagen (E1) fanden sich bei dieser Patientin unrepräsentativ hohe Werte an Langerhans-Zellen / Einheitsfläche. Daher wäre sicherlich zu überlegen, ob diese Werte infolge der Gewebseosinophilie aufgetreten sind. Da sich Lokalisation von Eosinophilie (oberes Korium (E3)) und genannten S-100-Werten (suprabasale Epidermisschichten (E1)) jedoch unterscheidet, ist es eher unwahrscheinlich diesbezüglich eine Kausalität zu vermuten. Darüberhinaus färbt der S-100-Antikörper keine Granulozyten an (60). Etwas anders stellt sich die Sachlage bezüglich der Gesamtzellzahl bei dieser Patientin dar, zumal die Eosinophilen im Rahmen der routinemäßig durchgeführten HE-Färbung auch gefärbt wurden und somit die Gesamtzellzahl mitbeeinflussen: Wie bereits erwähnt, fand sich die Gewebseosinophilie nur vor Beginn der Lokaltherapie, später nicht mehr. In diesem Zusammenhang fällt der leichte Abfall der Gesamtzellzahl dieser Patientin im oberen Korium (=E3 (dort wurde das Infiltrat dokumentiert)) auf. Nur dort kommt es überhaupt zu einer Reduktion der Gesamtzellzahl, in den übrigen Ebenen (E1,2,4) nicht. Diese Verminderung könnte daher mit der Abnahme der Eosinophilen erklärt werden. Auch eine rückläufige Entzündungsraktion könnte hier mitbedingend sein. 4.2.2.3. Quantitative Abweichungen der Anti-S-100-Markierung Weiterhin müssen die Ergebnisse der Anti-S-100-Untersuchung (Markierung dendritischer Zellen, v.a. Langerhans-Zellen) genauer betrachtet werden. Die Ergebnisse dieses Untersuchungsabschnittes variieren stärker als bei den übrigen Antikörpern, besonders im Hinblick auf die Ergebnisse der Querschnittsstudie (Mittelwerte der positiv markierten Zellen vor und unter Tazarotene). Diese Werte korrelieren jedoch nicht in allen Ebenen mit den Longitudinalergebnissen (interindividuelle Veränderungen im Gesamtkollektiv) wie es bei den anderen Antikörpern der Fall ist. So stimmen die Querschnittsresultate nur im oberen und unteren Korium entsprechend E3 und E4 mit den Ergebnissen des longitudinalen Ansatzes überein. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Einzelergebnisse der elf untersuchten Fälle bezüglich der Immunmarkierungen isoliert, fällt folgendes auf: 78 In der Epidermis oberhalb der Basalzellreihe (E1) ist der Anstieg des Mittelwertes nur durch die extrem hohen prä- und posttherapeutischen Werte einer einzelnen Patientin bedingt, die sonst nicht zu finden sind (prä: 24,4 S-100-positiver Zellen / Einheitsfläche, post: 42,5 S-100-positiver Zellen / Einheitsfläche). Der durchschnittliche Wert der übrigen Patienten bezüglich S-100 markierter Zellen in der oberen Epidermis (=E1) vor Therapie lag wesentlich niedriger (zwischen Null und 9,73, bzw. nach Therapie zwischen Null und 11,3 S-100-positiver Zellen / Einheitsfläche). Läßt man die isoliert erhöhten Werte o.g. Patientin in der Berechnung der Mittelwerte nun einmal unberücksichtigt, so ergibt sich im Studienquerschnitt bereits eine Reduktion der Mittelwerte S-100-markierter Zellen (im Detail von 3,35 auf 2,49 Zellen / Einheitsfläche). Diese Veränderung korreliert dann auch mit der Abnahme im Gesamtpatientenkollektiv (Longitudinalstudie) in E1 (Abnahme bei 54,55% (=sechs Personen) entsprechend dem Großteil des Kollektivs). Eine solche Vorgehensweise zum Ausschluß nichtrepräsentativer Werte ist nach Rücksprache mit dem Institut für medizinsche Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Ruhr-Universität Bochum im allgemeinen üblich und auch konkret bei diesen Werten indiziert. Für den mittleren Anstieg der S-100-positiven Zellen (Querschnitt) in der Basalzellreihe (E2) sind zwei Ergebnisse, die man im Hinblick auf die übrigen Auswertungen dieses Bereiches erneut überdenken muß, verantwortlich. So kommt es bei zwei Patienten jeweils von einem Nullwert ausgehend (vor Therapiebeginn) zu massiven Erhöhungen der S-100positiven Zellen, welche weit über den arithmetischen Mittelwerten der übrigen neun Fälle liegen. Daher müssen diese beiden Mittelwerte distanzierter betrachtet werden. Bezieht man jetzt ausschließlich diese neun Fälle - entsprechen 81,82% aller Untersuchten - in unsere Berechnung ein, ergibt sich bereits eine Reduktion der S-100-Markierungen, welche eher mit dem Ergebnis der longitudinalen Untersuchung (Abnahme der Markierungen bei fünf Patienten - bei zwei unveränderten Werten - ) korreliert. Auch dieser Datenausschluß wurde mit o.g. Institut erörtert und legitimiert. Darüberhinaus darf vom Untersuchungsansatz her nicht außer acht gelassen werden, daß Anti-S-100 nicht nur die spezifisch zu analysierenden Langerhans-Zellen markiert, sondern auch die Melanozyten, was besonders im Hinblick auf die Basalzellreihe (=E2) von Bedeutung ist, da Melanozyten ebenso wie die T-Lymphoztyen vor allem in der Basalzellschicht der Epidermis vorkommen (58) und daher mitgezählt wurden. Man findet sie desweiteren auch in der 79 äußeren Wurzelscheide, im Bulbus des Haarfollikels sowie vereinzelt in der Dermis. Von der Darstellung im Rahmen einer Immunmarkierung einmal abgesehen, sind Melanozyten als große, helle Zellen mit Dendriten lichtmikroskopisch oft nicht sicher zu identifizieren. Sie lassen sich dennoch elektronenmikroskopisch anhand der charakteristischen, pigmentierten, strukturlosen Organellen, den sog. Melanosomen, oder deren pigmentlosen Vorstufen, den Prämelanosomen, identifizieren (58). Zusätzlich zu den besprochenen Besonderheiten im Patientenkollektiv, wäre daher einerseits zu überlegen, ob im betreffenden Untersuchungsareal, also im angefertigten histologischen Schnittbild, lediglich ein Areal mit zufällig erhöhter Melanozytenpopulation erfaßt wurde und / oder ob es nicht zu einer Abwanderung S-100-positiver Zellen aus dem oberen Korium (E3) in die Epidermis (E2) und sogar suprabasale Schichten gekommen sein könnte, was dann zur Erhöhung der gemessenen Parameter geführt haben könnte. Nimmt man nun diese Ergebnisse (quantitativ reduziertes Patientenkollektiv entsprechend 81,82% der Fälle) als Analysengrundlage, läßt sich zusammenfassen, daß es unter Tazarotene in der Mehrzahl der Fälle in der Epidermis (E1, E2) sowie im oberen Korium (E3) zu einer Verminderung der S-100-positiv detektierten Zellen gekommen ist. Nur das tiefere Korium (E4) weist einen Anstieg dieser Zellpopulation auf. Dies ist am ehesten auf eine Abwanderung dendritischer Zellen (Langerhans-Zellen) aus höher gelegenen Bereichen, wie z.B. dem oberen Korium, zurückzuführen. 4.2.3. Immunkompetente Zellen bei Psoriasis vulgaris - Funktion und Änderungen unter Tazarotene-Therapie Die Aktivierung der Lymphozyten bzw. die Einwanderung aktivierter Lymphozyten ist für die Krankheitsentstehung entscheidend (6). Die Mechanismen der Aktivierung sind allerdings - noch - nicht völlig verstanden. Ein Modell zum möglichen Ablauf initialer Vorgänge bei der Psoriasis vulgaris stammt von Norris und Leung (34). Diese Autoren denken im Rahmen einer vier Stadien umfassenden Chronologie bei der Psoriasis zunächst an eine systemische Lymphozytenaktivierung, es folgt eine lokale Akkumulation aktivierter T-Helfer-Lymphozyten. An dies schließt sich eine Rekrutierung unspezifischer CD4+ 80 Lymphozyten und Monozyten an. Im letzten Schritt folgt eine Akkumulation intraepidermaler CD8+ Lymphozyten. Im psoriatischen Plaque scheinen allerdings die CD4+ Lymphozyten zu dominieren (18, 97). Die Initiierung der Entzündungskaskade, welche in erster Linie in der Migration der Lymphozyten und einer Freisetzung verschiedenster Zytokine und Lymphokine (z.B. IL-1, IL-2, IL-6) zu sehen ist, spielt bei der Auslösung und Erhaltung der Psoriasis eine essentielle Rolle (4). So haben Studien mit verschiedenen Entzündungsmarkern eine starke inflammatorische Aktivität in psoriatischer Haut nachgewiesen. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang IL-6 und das Adhäsionsmolekül ICAM-1 (intercellular adhesion molecule-1). Il-6 steigert die Proliferation und Aktivierung von B- und T-Zellen, sowie die Aktivierung von Makrophagen (45). Desweiteren stellt es einen Wachstumsfaktor für Keratinozyten dar (103). Daher eignet sich IL-6 genauso zur Betrachtung der epidermalen Hyperproliferation wie auch zur Analyse entzündlicher Prozesse in der Haut. ICAM-1 wiederum scheint eine wichtige Funktion bei der Migration von Lymphozyten in die Dermis und Epidermis zu haben. Es korreliert daher mit dem Grad der lymphozytären Entzündungsreaktion. Beide Markersubstanzen sind in psoriatischer Haut erhöht und zeigen unter lokaler TazaroteneTherapie einen Abfall bzw. eine Normalisierung (33). Analysen der betroffenen Läsionen zeigen, daß die Infiltration von T-Lymphozyten und Makrophagen in die Haut die epidermale Hyperproliferation (mit-) verursachen (100). Natürlich stellt sich in diesem Rahmen die Frage, ob zunachst infiltrative oder hyperproliferative Prozesse ablaufen und dann den jeweils anderen nach sich ziehen. Für eine initiale Infiltration mit Entzündungszellen spricht das Modell zur Immunpathogenese der Psoriasis vulgaris von Baker und Fry (5, 6, 7). Als Auslösefaktoren werden folgende immunologische Reaktionen diskutiert: Ihr Modell beruht auf der Präsentation von Antigenen wie z.B. von Viren, Streptokkoken etc. durch Klasse II - positive Zellen an CD4-T-Zellen in der Epidermis. Die dadurch aktivierten CD4-T-Zellen würden daraufhin Cytokine wie IL-2, IL-6 und IL-8 sowie Gamma-Interferon freisetzen (18). Daraufhin würden die psoriatischen Keratinozyten durch die Interaktion mit den Zytokinen der aktivierten T-Zellen stimuliert werden, ihre eigenen Zytokine zu synthetisieren. Die Zytokine würden diesen Prozeß dann in einem autokrinen und / oder parakrinen Wirkmechanismus aufrechterhalten. Insbesondere IL-6 und IL-8 zeigen sich in psoriatischer Epidermis in erhöhter 81 Konzentration (45), wobei IL-8 einen eindeutig chemotaktischen Effekt auf neutrophile Granulozyten und auf T-Zellen hat (6). IL-6 und IL-8 haben bezüglich der Keratinozytenproliferation eine stimulierende Wirkung, was bedeutet, daß sie neben der chemotaktischen auch eine direkte Wirkung auf die epidermale Proliferation haben. Diese These der immunologischen intraepidermalen Initiierung fand in den folgenden Jahren weitere Unterstützung (49, 107, 132). Erst im zweiten Schritt kommt es dann zur Epidermishyperplasie. Placek et al. (107) und Vladimarsson (132) sehen insbesondere THelfer-Zellen, Hammar et al. (48) T-Suppressor-Zellen als initiierende Zellen. Unter der hier betrachteten lokalen Tazarotene-Therapie erkennt man, daß der prozentuale Anteil der CD4-assoziierten Zellen (v.a. T-Helfer-Zellen) in der Epidermis mit prä- und postterapeutischen Werten von unter 1% sehr gering sind. Diese geringen Werte sind als physiologisch anzusehen, da es sich nicht um Parenchymzellen (Keratinozyten) handelt. Unter Therapie zeigen alle untersuchten Ebenen eine Reduktion der T-Lymphozyten. Man könnte somit darauf schließen, daß sich unter Therapie die epidermale und dermale Lymphozyteninfiltration verringert hat. Dies gilt sowohl für die longitudinale als auch für die Querschnittsbeobachtung. Im Hinblick auf die antigenpräsentierenden LangerhansZellen (S-100-positive Zellen) ergibt sich ein ähnliches Bild: In der Epidermis findet sich unter Therapie eine Reduktion der Anzahl dieser Zellen. Die Ergebnisse des longitudinalen Ansatzes stützen diese Aussage von Beginn an, d.h. daß jeweils eine größere Anzahl an Patienten eine Abnahme der Infiltration mit dendritischen Zellen (Anti-S100-positiv) als eine Zunahme zeigte, während die Ergebnisse des Studienquerschnitts im Sinne der arithmetischen Mittelwerte der entsprechenden Immunmarkierungen diese Aussage erst nach Ausschluß der Ausreißer untermauern (Kap.4.2.2.3.). Letztendlich kommt es unter Tazarotene-Therapie zu einer Verminderung der Langerhans-Zellen in der Epidermis. Inwieweit Melanozyten (werden auch durch S-100 angefärbt) dieses Ergebnis mitbeeinflussen, kann aufgrund der nichtselektiven Färbeeigenschaften des Antikörpers SKorium (E3) ergibt sich ebenfalls eine 100 kaum ermittelt werden. Im oberen Verminderung der S-100-positiven Zellen, was am ehesten auf einen Rückgang der ebenfalls S-100-positiven Thymozyten und der auch dort lokalisierten Langerhans-Zellen zurückzuführen ist, da diese als dendritische Zellen im Korium wandern. Eine Ausnahme dieser, sich bei fast allen durchgeführten Immunmarkierungen wiederspiegelnden Tendenz 82 zur Zellverminderung, findet sich bezüglich der S-100 positiven Langerhans-Zellen im tieferen Korium (=E4). In diesem Bereich zeigen alle Analyseergebnisse (longitudinal und Querschnitt) eine Zunahme der S-100-positiven Zellen. Hierbei dürfte es sich am wahrscheinlichsten um eine Abwanderung von dendritischen Zellen (Langerhans-Zellen) oder Thymozyten aus anderen Bereichen wie z.B. dem oberen Korium (E3) handeln. Zu klären wäre nun sicherlich, ob Langerhans-Zellen und T-Helfer-Lymphozyten aufgrund isolierter Effekte des Pharmakons und / oder durch einen gemeinsamen Wirkmechanismus (auch epidermal und korial) quantitativ reduziert werden. Für letztgenannten Ablauf könnte die immunologische Kopplung beider Zellarten sprechen. Daher wäre zu überlegen, ob der Rückgang der CD4-positiven Lymphozyten nicht Folge einer - pharmakologisch induzierten - verminderten Antigenpräsentation duch die Langerhans-Zellen sein könnte, zumal sich die Anzahl beider Zellpopulationen gemäß der Immunmarkierungen reduziert. Eine Verminderung der T-Lymphozyten könnte dann auch zu reduzierter Lymphokinfreisetzung führen, was wiederum, besonders im Hinblick auf IL-6 und IL-8, die Keratinozytenproliferation, sowie die chemotaktischen Effekte dieser Lymphokine auf die neutrophilen Granulozyten reduzieren würde. Darüberhinaus Erklärungsansatz mit wäre ein weiterer sekundärem Wirkmechanismus denkbar, bei welchem die Infiltratreduktion nicht Ursache sondern Folge sich normalisierender Prozesse v.a. in der Epidermis ist. Dies würde bedeuten, daß eine Tazarotene-induzierte physiologische Angleichung der Keratinisierung auch pathologisch erhöhte Entzündungsmediatoren und Infiltratzellen in der Haut wieder auf ein nicht schädigendes als normal zu bezeichnendes Niveau bringen könnte. Ob diese Prozesse initial durch die beschriebenen sog. indirekten Effekte der Retinoide (Kap.1), welche in erster Linie die antiinflammatorischen und antiproliferativen Wirkungen vermitteln, hervorgerufen werden, müßte in weiteren Studien erörtert werden. 83 4.2.4. Akanthose und Proliferation unter Tazarotene Der Proliferationsmarker (MIB1-Antikörper) zeigt, daß es unter topischer Retinoid- Therapie in Epidermis und Dermis zu einer z.T. deutlichen Reduktion proliferierender Zellen kommt. Quantitativ besonders stark ausgeprägt sind diese Veränderungen in der Basalzellreihe (E2) sowie suprabasal (E1). Interessant ist dies vor allem im Hinblick auf die Basalzellreihe, da bei lokaler Applikation des Pharmakons nur eine geringe Absorption erfolgt (der Großteil einer lokal angewendeten Tazarotenemenge verbleibt auf der Haut (77, 78)) und trotzdem in dieser tiefen epidermalen Schicht eine Wirkung zu verzeichnen ist. Die Mitosen erfolgen normalerweise nur in der Basalzellreihe (Kompartiment der Proliferation). Eine Tochterzelle bleibt unter physiologischen Verhältnissen basal erhalten (sie teilt sich nach ca. 20 Tagen erneut), während die andere in suprabasale Schichten entlassen wird (Kompartiment der Differenzierung) und unter Veränderung ihrer Struktur (Stachelzelle, Körnerzelle, Hornzelle) zur Hautoberfläche wandert, wo sie als Hornschuppe abgeschilfert wird. Die bei der Psoriasis vorliegende überschießende Epidermopoese reduziert sich somit unter lokaler Retinoidbehandlung. Zu diskutieren wäre in diesem Zusammenhang der Mechanismus, über welchen es konkret zur normalisierenden Wirkung kommt. Denkbar sind mindestens zwei Wege. Zum Einen könnte Tazarotene einen direkten proliferationshemmenden Effekt auf mitotische Prozesse, v.a. im Stratum basale, haben, zum Anderen ist ein „Feedback-Mechanismus“ denkbar: Retinoide führen zu einer Normalisierung der Keratinozytenreifung (25, 116). Ist die Epidermis unter TazaroteneTherapie wieder physiologisch im Sinne reifer Keratinozyten ausdifferenziert, wäre daher an einen, wahrscheinlich Interleukin-vermittelten, Rückkopplungsmechanismus zu denken (siehe Kapitel 4.2.3.). Ein „Feedback“ aus suprabasalen Schichten könnte so eine Reduktion der basalen Proliferation erklären. Auch im Korium findet man diese antiproliferative Wirkung wieder, wenn auch im Rahmen einer wesentlich kleineren Zellzahl. Sowohl in der oberen (E3) als auch tiefen (E4) Dermis tritt unter Tazarotene-Therapie eine Reduktion proliferierender Zellen auf, d.h. daß Tazarotene selbst in diesen tiefen Bereichen unterhalb von Epidermis und Basalmembran eine antiproliferative Wirkung haben könnte. Auch hier wäre zu überlegen, ob ein direkter pharmakologischer Effekt vorliegt oder ob chemotaktisch wirksame Faktoren epidermalen 84 Ursprungs (Entzündungsmediatoren, Interleukine) zu einer nachgeschalteten antiproliferativen Reaktion im Korium führen. Eine Kombination beider Mechanismen ist natürlich nicht auszuschließen. Vor allem die epidermalen Werte können somit als Korrelate einer überschießenden Epidermopoese vor Therapie und deren Rückgang unter Therapie gesehen werden. Diese antiproliferativen Effekte von Tazarotene sind in der Literatur bekannt: So konnte in einer klinischen Studie an Patienten mit psoriatischen Plaques unter Verwendung eines 0,05%igen Tazarotene-Gels, zweimal täglich für zwei Wochen aufgetragen, eine Normalisierung der abnormalen Keratinozyten-Differenzierung gezeigt werden (35). Histologisch fand sich eine Reduktion der Hyperkeratose sowie eine klare Verminderung der Akanthose. Auch andere Studien zeigen unter Verwendung spezifischer Proliferations- und Differenzierungsmarker wie TGaseK, SKALP, MRP-8 sowie Keratin K6 und K16 ähnliche Ergebnisse. Bei TGaseK handelt es sich um ein Enzym, welches einen kritischen Schritt in der Entwicklung der Hornschicht katalysiert, nämlich die Synthese einer spezifischen Proteinschicht unterhalb der Zellmembran (115). SKALP, auch bekannt als Elafin, ist ein starker Elastase-Inhibitor in psoriatischer Epidermis (87). Er findet sich ausschließlich in suprabasalen Schichten der psoriatischen Epidermis und nicht in normaler Haut (114). MRP-8 (macrophage migration inhibitory related-factor) wiederum findet sich suprabasal lokalisiert. Er ist auch als Calgranulin A bekannt und tritt vor allem im Rahmen chronisch entzündlicher Erkrankungen, wie z.B. der chronisch-stationären Psoriasis vulgaris, auf. SKALP und MRP-8 scheinen daher gut als Marker einer abnormalen oder hyperproliferativen Keratinozyten-Differenzierung geeignet zu sein (95). Die Keratine K6 und K16 sind vor allem unter hyperproliferativen Bedingungen wie im Rahmen der Wundheilung (129) und auch der Psoriasis zu finden, nicht in gesunder Epidermis. Die übermäßige Expression dieser Keratine scheint dabei die Folge des gesteigerten Zell-Turn-overs während der Hyperproliferation zu sein. Erwähnt sei, daß der Anstieg dieser Keratine verbunden ist mit einem parallelen Abfall zweier weiterer Keratine, K1 und K10 (129). Duvic et.al. zeigten, daß sich TGase und K16 unter Tazarotene-Therapie normalisierten (32). Weitere Studien bestätigten diese Ergebnisse und zeigen dieselben Resultate bezüglich MRP-8 (95), SKALP (95) und K6 (33), d.h. eine Verminderung dieser Marker unter Therapie und damit eine Normalisierung der epidermalen Proliferation und Keratinozyten-Differenzierung. Diese Veränderungen 85 werden wahrscheinlich ausschließlich direkt über eine Beeinflussung der keratinozytären Genexpression (Kapitel 1) hervorgerufen (32). Die Resultate dieser Untersuchungen stützen die auch in der vorliegenden Arbeit gesehenen antiproliferativen und damit auf die überstürzte Epidermopoese normalisierend wirkenden Effekte einer Tazarotenetherapie. Zwei weitere wichtige Aspekte im Rahmen der Betrachtung der Akanthose stellen die Epidermisdicke und die Gesamtzellzahl dar. Die Akanthose bei der Psoriasis ist nicht nur durch eine isolierte Proliferation allein, sondern auch durch Zunahme der Zellzahl und Zellgröße bedingt (105, 135). Unter Therapie kommt es bezüglich der Gesamtzellzahl zu gegensätzlichen Veränderungen in Epidermis und Korium. Betrachten wir zunächst die epidermalen Veränderungen: Man erkennt unter Therapie mit Tazarotene eine leichte Zunahme der epidermalen Zellzahl pro Einheitsfläche, welche im Stratum basale allerdings nur als vernachlässigende Tendenz zu werten ist. In den suprabasalen Epidermisschichten zeigt sich nichtsdestotrotz ein Anstieg der Gesamtzellzahl, wenn auch nur diskret. Um diese Veränderung interpretieren zu können, bedarf es zusätzlich der Integration der Epidermisdicke: Die Höhe der Reteleisten reduziert sich ebenso wie die Dicke der Epidermis oberhalb der Papillarkörper. Verbindet man beide Faktoren, könnte geschlossen werden, daß sich die Größe der Einzelzelle rein rechnerisch reduziert bzw. wieder normalisiert. Auch eine Änderung der zellulären Kern/Plasmarelation mit Verminderung der zytoplasmatischen Komponente wäre denkbar. Eine weitere Erklärung für die Zunahme der Zellzahl pro Fläche liegt in Veränderungen des Interzellularraumes. Dieser müßte in vorliegendem Fall unter Tazaroteneapplikation kleiner geworden sein. Ein interstitielles Ödem, welches sich bei der Psoriasis häufig im Sinne einer spongiformen Auflockerung epidermaler Zellagen (109) findet, würde somit erfolgreich therapiert. Daß die Gesamtzellzahl zunimmt, die Anzahl der proliferierenden Zellen jedoch abnimmt, läßt auf zwei mögliche Prozesse zurückschließen: Zum einen ist es möglich, daß die Mitose der einzelnen Zellen schneller abläuft, sodaß über die entsprechende Immunmarkierung (MIB 1) weniger Zellen zum Zeitpunkt eines proliferativen Stadiums erfaßt werden, zum anderen könnte sich die Differenzierungs- und damit Reifungszeit der Keratinozyten verlängern, in diesem Sinne also wieder normalisieren, zumal Retinoide die Ausreifung prinzipiell fördern (25, 92, 116). 86 Die Normalisierung der Epidermopoese unter Tazarotenetherapie ist zusammenfassend durch mindestens zwei Mechanismen zu erklären. Einerseits durch einen direkten antiproliferativen Effekt auf die betreffenden Zellen bzw. einen direkten normalisierenden Effekt bezüglich der Keratinisierung, andererseits als indirekte Folge vorgeschalteter immunsupprimierender Vorgänge, wobei eine Reduktion entzündlicher Infiltrate und Entzündungsmediatoren eine Normalisierung des Keratinisierungsprozesses nach sich zieht. Diese These stützen Studien von Ristow et al., in denen eine positive Korrelation zwischen teilungsaktiven Zellen der Epidermis sowie Größe und Dichte der Munro`schen Mikroabszeße, wie sie bei der Psoriasis häufig zu finden sind, gezeigt werden. Diese Untersuchungen zeigen, daß die eindringenden neutrophilen Granulozyten die epidermale Proliferation triggern (110). Dementsprechend könnte man den Rückschluß ziehen, daß sich bei Reduktion dieser typischen Entzündungszellen auch die Epidermopoese wieder normalisiert. Im Korium findet sich entgegen der epidermalen Veränderungen eine Reduktion der Gesamtzellzahl, welche vor allem im Bereich der korialen Papillarkörper (E3) ausgeprägt ist. Diese Reduktion ist vor allem auf eine Abnahme der Infiltratzellen bzw. immunkompetenten Zellen zurückzuführen, da die mit diesen Zellsubpopulationen assoziierten Untersuchungen (OPD4-, S-100-Antikörper) ganz überwiegend eine Reduktion der entsprechenden Zellzahlen zeigen. Die Zahl der T-Zellen reduziert sich im kompletten Korium, die der dendritischen Zellen zumindest in der oberen Dermis entsprechend dem Bereich der Papillarkörper. In diesen Bereichen nimmt auch der prozentuale Anteil in Bezug auf die Gesamtzellzahl ab, was bedeutet, daß es nicht nur zu einer relativen, sondern auch zu einer absoluten Reduktion dieser - immunkompetenten Zellen gekommen ist. Aber auch die Anzahl proliferierender Zellen reduziert sich. Diese Zellpopulation nimmt ebenfalls stärker ab als die Gesamtzellzahl, was sich anhand des verringerten prozentualen Anteils der proliferierenden Zellen (des Proliferationsindex) unter Therapie zeigt, d.h. daß sich diese Zellen quantitativ stärker reduzieren als die Gesamtzellzahl. Die Erklärung für den lokal immunsupprimierenden Effekt kann vielfältig sein. Einerseits könnte ein primär immunsupprimierender Effekt des Pharmakons die Ursache sein, andererseits ist auch an eine Interaktion mit der Epidermis zu denken. Die dortige 87 Normalisierung des Keratinisierungsprozesses könnte sekundär über Botenstoffe duch die, entzündlich affektierte, Basalmembran hindurch zu antiinflammatorischen und antiproliferativen Effekten im Korium führen. Was nun diese Prozesse im einzelnen bewirken, ist nicht eindeutig zu klären. Denkbar sind folgende Möglichkeiten: Es könnte sich um eine schlichte Abwanderung der Infiltratzellen handeln, da möglicherweise leukotaktisch wichtige Faktoren fehlen oder zumindest reduziert werden. Dabei ist in erster Linie an Interleukine wie IL-6 (Wachstum und Differenzierung von B- und TZellen), IL-8 (Aktivierung neutrophiler Granulozyten), und IL-12 (Stimulierung der Zytokinprokuktion und Proliferation von T-Lymphozyten) sowie an Entzündungsmediatoren wie Prostaglandine zu denken. In diesem Sinne ist auch ein reduziertes Nachrücken neuer Infiltratzellen aus dem selben Grunde möglich. Schließlich wäre zu diskutieren, ob die Infiltratzellen nicht im Rahmen apoptotischer Vorgänge zugrunde gehen. Das Ergebnis ist letztendlich eine Verminderung des entzündlichen Infiltrates. Die Zellen des Bindegewebes, v.a. Fibroblasten und Fibrozyten, bleiben von diesen Prozessen weitestgehend unbeeinflußt. Eine verminderte Proliferationsaktivität dieser Zellen wäre zu diskutieren, die Zahl bleibt jedoch konstant. Auch zeigt sich in der Literatur keine Tazarotene-assoziierte zytotoxische Wirkung auf Bindegewebszellen. 88 4.3. Ausblick Zur lokal-topischen Behandlung der Psoriasis vulgaris werden in zunehmendem Maße neben den „klassischen“ Externa wie Dithranol oder Kortikosteroiden auch Retinoide eingesetzt. Nicht-Rezeptor-selektive Retinoide haben den Nachteil, daß sie im Rahmen der simultanen Aktivierung mehrerer oder aller Rezeptoren verstärkt unerwünschte Wirkungen bzw. Nebenwirkungen hervorrufen. Aus diesem Grunde sind sie auch nur eingeschränkt in der systemisch-oralen Therapie einsetzbar und bedürfen auch bei lokaler Anwendung intensiver Kontrollen des Patienten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Retinoiden wie z.B. Tretinoin weist Tazarotene (Zorac®) eine rezeptorselektive Wirkung auf. Die derzeitige und zukünftige Retinoid-Entwicklung muß somit darauf abzielen, Retinoide zu kreieren, die nur solche Teile biologischer Systeme beeinflussen, die spezifisch für die Auslösung bzw. Aufrechterhaltung einer Krankheit, z.B. der Psoriasis, verantwortlich sind. Dies bedeutet konkret, Retinoide weiter hinsichtlich Rezeptorselektivität und funktionaler Selektivität zu verbessern. In diesem Rahmen scheint sich die Entwicklung dreier RetinoidTypen herauszukristallisieren: Agonisten, Antagonisten und inverse Agonisten. Bindet ein Retinoid-Agonist an den spezifischen Rezeptor, so wird die Interaktion des Rezeptors mit spezifischen Aktivatorproteinen gefördert. Es resultiert ein Anstieg der Transkription verbundener Gene. Tazarotene und Tazarotensäure gehören zu dieser Klasse von Retinoiden. Retinoid-Antagonisten wiederum führen zu keiner direkten Veränderung der basalen GenTranskription. Binden sie an den Rezeptor, ist die resultierende Wirkung eher indirekter Natur. So schützt die Bindung dieses Typus` vor weiterer Anlagerung z.B. von RetinoidAgonisten und damit vor Steigerung der Transkriptionsrate. Klinische Anwendung könnte in der kombinierten Therapie mit oralen Retinoiden liegen, um so vor der kutanen Toxizität bei systemischer Applikation zu schützen. Die Bindung inverser Agonisten, einer komplett neuen Klasse von Retinoiden, bewirkt eine verstärkte Anlagerung von Repressorproteinen an den Retinoidrezeptor, während die Interaktion mit Aktivatorproteinen verhindert wird. Es resultiert eine Abnahme der Gentranskription. 89 Zur Abklärung der Interaktion zwischen diesen neuen Retinoidtypen, histologischen und immunologischen Reaktionen des menschlichen Körpers wären weitere Untersuchungen, wie z.B. prospektive Studien mit einem größeren Patientengut, wünschenswert. Geklärt werden müßte z.B., welche weiteren initialen Genregulationsmechanismen diesen neuen Retinoidgenerationen konkret zugrunde liegen. Existieren auch hier indirekte Wirkstrukturen ähnlich derer der Retinoid-Agonisten und wie sind diese zu bewerten? Darüberhinaus muß eruiert werden, welche Zellsubpopulationen beeinflußt werden und inwiefern gekoppelte Mechanismen vorliegen. Letztendlich könnten weitere Studien auch die Beeinflussung immunologisch kompetenter Zellen dokumentieren. 90 5. Zusammenfassung In der vorliegenden Studie wurden zehn Patienten der Dermatologischen Klinik des St. Joseph-Hospitals Bochum, die sich in der Zeit zwischen 1997 und 1999 einer ausschließlich externen Therapie der Psoriasis vulgaris vom chronisch-stationären Typ mit Tazarotene unterzogen haben, untersucht. Die Untersuchung erfolgte an histologischen Schnitten befallener Hautareale vor Therapie und unter Therapie nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 24.9 Tagen. Die fixierten Schnitte wurden neben einer obligaten Charakterisierung Hämatoxylin-Eosin-Färbung unterzogen. Verwendet auch einer wurden die immunhistologischen Antikörper MIB-1 (Proliferationsmarker), OPD-4 (T-Zell-Marker) und Anti-S-100 (Marker dendritischer Zellen (Langerhans-Zellen)). Desweiteren wurde die Epidermisdicke bildanalytisch vermessen. Unter Therapie fand sich im Rahmen antiinflammatorischer Effekte eine Reduktion der epidermalen und dermalen T-Helfer-Lymphozyten-Infiltration. Desweiteren zeigte Tazarotene eine supprimierende Wirkung auf antigenpräsentierende Zellen. Die schon bekannte antiproliferative Wirkung des Retinoids konnte in dieser Studie bestätigt werden. Die Dicke der Epidermis nahm sowohl im Hinblick auf Reteleisten, als auch im Hinblick auf das Deckepithel oberhalb der Papillarkörper ab. Die charakteristischen erythematosquamösen Plaques bessertern sich bei allen Patienten unter Therapie. Allerdings fanden sich nach Behandlungsschluß noch bei sechs Patienten makroskopisch sichtbare Restplaques. Systemische Nebenwirkungen traten nicht auf. Dem supprimierenden Effekt von Tazarotene auf Langerhans-Zellen und T-Helfer-Lymphozyten scheint in erster Linie ein gemeinsamer Wirkmechanismus sowie eine Kopplung epidermaler und korialer Prozesse zugrunde zu liegen. So könnte die Reduktion der Zahl CD4-positiver Lymphozyten Resultat einer verminderten Antigenpräsentation durch die Langerhans-Zellen nachgeschaltet zu sein. Eine verminderter Reduktion dieser T-Lymphozyten Lymphokinfreisetzung führen, könnte was auch dann die Keratinozytenproliferation normalisieren würde. Diese Veränderungen in der Epidermis könnten dann sekundär über Botenstoffe wie die genannten Interleukine durch die, entzündlich affektierte, Basalmembran hindurch antiproliferativen Effekten im Korium führen. 91 zu antiinflammatorischen und 6. LITERATURVERZEICHNIS 1. Ackerknecht, E.H. Geschichte der Medizin. Enke Verlag Stuttgart 1986 2. Altmeyer, P., Nüchel, C. Systemic therapy of psoriasis. Dtsch. Med. Wochenschr. 121, 1605-1607 (1996) 3. 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Bacharach-Buhles für die engagierte und freundliche Unterstützung bei der Realisierung der Arbeit Frau Panz für ihre stets freundliche Hilfe bei der Erstellung der histologischen Präparate 113 Lebenslauf : Name : Ingo Schugt Anschrift : Melschedeweg 15 A 44799 Bochum Telelonnr.: 0234 / 7981759 Geburtstag : 25.März 1975 Geburtsort : Hattingen Eltern : Peter Schugt Rentner Marianne Schugt Arzthelferin Schullaufbahn : 1981 - 1985 Grundschule in Bochum 1985 - 1991 Helene-Lange-Realschule in Bochum 1991 - 1994 Goethe-Gymnasium in Bochum Schulabschluß : 1991 Sekundarabschluß I 1994 Allg. Hochschulreife ( Abitur ) Praktikum : 12/94 bis 08/95 Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich Alten-u.Krankenpflege Studium : seid WS 95/96 Humanmedizin an Ruhruniversität - 08/97 : Ärztl. Vorprüfung - 08/98 : Erster Abschnitt der Ärztl. Prüfung - 08/00 : Zweiter Abschnitt der Ärztl. Prüfung - 11/01: Dritter Abschnitt der Ärztl. Prüfung 114