Hormonell aktive Eindringlinge

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Gynäkologie
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Hormonell aktive Eindringlinge
Neue Aspekte zur Ätiologie und Pathogenese der Endometriose. Sie stellt durch die vielfältige Morphologie und
diverse Beschwerdebilder eine schwer fassbare Entität dar. Von M.M. Wölfler, P. Klein, M. Zalewski, N. Maass
Die Endometriose ist eine der
häufigsten gutartigen gynäkologischen Erkrankungen und tritt
hauptsächlich in der reproduktiven Lebensphase auf. Bei Frauen mit chronischen Unterbauchschmerzen beträgt die Prävalenz
bis zu 80 Prozent, Frauen mit
Fertilitätsstörungen sind zu etwa
30 Prozent von Endometriose
betroffen. Symptome und Ausprägung der Erkrankung sind
vielfältig, wodurch sich Diagnosestellung und Therapie häufig
verzögern. Die Ätiologie und die
Pathogenesemechanismen der
Endometriose sind auch heute
noch teilweise ungeklärt.
nanztomografie) und teils vielversprechenden wissenschaftlichen Ansätzen zur Etablierung von Biomarkern für diese Erkrankung bis heute
nur invasiv mittels Laparoskopie,
idealerweise ergänzt durch histomorphologische
Untersuchungen
des Gewebes zur Diagnosesicherung, möglich.
Eine Reihe von Theorien zur Ätiologie und Pathogenese wurde seit der
Erstbeschreibung dieser Erkrankung
vorgestellt. Einerseits gibt es umfangreiche Evidenz, dass Endometriose
eine vom eutopen Endometrium ausgehende, also eine uterogene Erkrankung ist; andererseits gibt es Theorien
und zum Teil Evidenz, dass Endometrioseläsionen auch aus anderen Geweben entstehen können: durch Metaplasie von Peritoneum oder Induktion von peritonealen Zellen zur Differenzierung zu endometriotischen
Läsionen.
Neuerdings muss auch die mögliche Entstehung von insbesondere
extragenitalen Endometrioseläsionen aus (extra)uterinen Stammzellen berücksichtigt werden, welche
die lymphovaskuläre Metastasierungstheorie der Entstehung von Endometrioseläsionen in extrauterinen
Geweben, wie etwa dem Gehirn,
zum Teil relativiert.
Die Theorie der „Müllerianosis“,
also einer Entstehung von Endometrioseläsionen aus embryonalen Residuen der Müller-Gänge, beschreibt
die Entstehung von Endometriose
aus diesen Zellen durch hormonelle
Stimuli, wie physiologisch durch die
zunehmende Hormonproduktion ab
der
Pubertät,
beziehungsweise
durch sog. endokrine Disruptoren
mit östrogenähnlicher Wirkung auf
den Organismus.
Inwiefern diese Agenzien für Endometriose durch endokrine oder
immunologische Dysregulation, Induktion von Stammzellen oder epigenetische Modifikationen prädis27. August 2015
Endokrine Disruptoren erhöhen
die Prävalenz der
Endometriose in
epidemiologischen
Studien.
ponieren, ist ungeklärt. Epidemiologische Studien unterstreichen jedenfalls eine erhöhte Prävalenz von Endometriose nach DiethylstilbestrolExposition (selektiver Östrogenrezeptormodulator) in uteri sowie Exposition an endokrine Disruptoren
wie unter anderem Dioxin, Phthalate, polychlorierte Biphenyle (PCB),
Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT)
und Bisphenol A (BPA).
Uterine Dysfunktion
Das Endometrium ist ein hoch
dynamisches Gewebe und zyklischen hormonellen Veränderungen
unterworfen. Sofern keine Schwangerschaft entsteht, wird das Endometrium nach Proliferation und anschließender Sekretionsphase monatlich im Rahmen der Menstruation abgestoßen. Obwohl bei bis zu 90
Prozent aller Frauen neben der an-
tegraden auch retrograde Menstruation beschrieben wurde, beträgt die
Prävalenz von Endometriose nur etwa zehn Prozent. Der retrograde
Transport von überlebensfähigen
endometrialen Zellen in das Cavum
peritonei ist höchstwahrscheinlich
eine „conditio sine qua non“ für die
Entstehung von Endometriose. Für
die Etablierung der Erkrankung sind
jedoch zusätzliche Faktoren, wie ein
verändertes Potenzial der dislozierten endometrialen Zellen sowie eine
verminderte Immunreaktion intraperitoneal erforderlich, damit Adhäsion, Invasion, Neurovaskularisation
und Progression der Läsionen erfolgen können.
Uterine Dysperistalsis
und Hyperperistalsis
Die Dislokation von basalen endometrialen Schichten durch uterine Dysperistalsis und Hyperperistalsis als Pathogenesefaktor in der
Entstehung von Adenomyosis uteri
und Endometriose wurde von Leyendecker et al. definiert und als TIAR („tissue injury and repair“)-Modell (siehe Abbildung) implementiert. Für das Verständnis der Pathogenese von Endometriose und Adenomyosis uteri ist die genaue
Kenntnis der uterinen Architektur
2
und Funktion des
Uterus – insbesondere
des Endometriums und
der
subendometrialen
Schicht des Myometriums
(die gemeinsam die Archimetra bilden) von zentraler Bedeutung. Der
nichtschwangere Uterus zeigt eine
mechanische Aktivität, die periovulatorisch den gerichteten Spermientransport zum Ovar mit dem dominanten Follikel unterstützt und
während der Menstruation den antegraden Transport des abgestoßenen Endometriums Richtung Vagina konzertiert. In der Lutealphase
kommt die uterine Peristaltik durch
den Einfluss von Progesteron zur
Ruhe. Diese physiologischen Prozesse bringen eine mechanische
Belastung und Beschädigung mit
sich, die molekulare Reparaturme-
chanismen erfordern,
wie sie auch von anderen Geweben wie etwa dem kardiovaskulären
System bekannt sind. Im Uterus können pathologische Prozesse
wie die lokale Östrogenproduktion
durch aberrante Expression von
Aromatase im Endometrium zu einer vermehrten mechanischen Belastung durch Dys- und Hyperperistalsis führen und gesteigerte Anforderungen an diese Reparaturmechanismen darstellen – beziehungsweise die retrograde Menstruation
verstärken. In der Lutealphase kann
die persistierende Dysperistalsis die
Implantation erschweren, was die
oftmals reduzierte Fertilität bei Endometriosepatientinnen zum Teil
erklären könnte.
Im Endometrium sind außerdem
epigenetisch abnorme Zellen für die
Codierung von „pro survival“ Genen,
wie „steroidogenic factor“ 1 und Östrogenrezeptor verantwortlich. Die
vom eutopem Endometrium abstammenden ektopen Endometrioseläsionen zeigen eine Überexpression von diesen Faktoren, wodurch eine Kaskade von lokaler Östrogenund Prostaglandinbiosynthese aktiviert wird. Auf diese Weise verursachen sie lokale Inflammation und
Apoptoseresistenz und führen damit
Punkte
Abkürzungen
COX-2:
PGE 2:
P450arom:
StAR:
ER a:
ER :
Cyclooxygenase 2
Prostaglandin E 2
Aromatase
„steroidogenic
acute regulatory
protein“
Östrogenrezeptor a
Östrogenrezeptor
© SENTELLO / fotolia.com
Die standardisierte und sichere Diagnose von Endometriose ist trotz
Weiterentwicklung der apparativen
Diagnostik (Sonografie, Magnetreso-
Gynäkologie
zur Etablierung und Persistenz von
Endometriose.
Das intakte Mesothel des Peritoneums stellt eine protektive Barriere gegen Implantation von disseminierten endometrialen Gewebe dar.
In-vitro-Studien zeigten, dass endometriale Fragmente hauptsächlich
an freigelegter extrazellulärer Matrix nach Oberflächenschädigung
implantieren. Außerdem wurden in
der Peritonealflüssigkeit und im Peritoneum selbst veränderte Expression von proinflammatorischen Zytokinen (IL-6, TGF- , Matrixmetalloproteinasen [MMP-3] und Adhäsionsmolekülen [ICAM-1]) gezeigt,
die ein fruchtbares Mikromilieu für
die Implantation von endometrialen Zellen bieten und eine immunologische Dysfunktion im Sinne
einer verminderten peritonealen
Clearance begünstigen.
Im Rahmen der retrograden
Menstruation werden auch vermehrt potenziell toxische Hämolyseprodukte wie Hämoglobin, Häm
und Eisen ins Cavum peritonei
transportiert. Für die Entstehung
von peritonealen Läsionen scheint
die Akkumulation von Häm und Eisen bedeutsam zu sein, da dies oxidativen Stress sowie Inflammation
an der peritonealen Oberfläche verursacht und durch die Freilegung
der mesothelialen Basalmembran
die Implantation von endometrialen Zellen fördert. Bei Patientinnen
mit peritonealen Endometrioseläsionen ist nachweislich der Eisenmetabolismus in der Peritonealflüssigkeit und in den Makrophagen verändert.
Hormonelle Dysregulation
Während des gesamten Menstruationszyklus wird die Funktion des
Endometriums durch den Einfluss
von Östrogenen, insbesondere dem
biologisch aktiven Östradiol (E 2) und
Progesteron (P) reguliert und kontrolliert. Diese Hormone sind die Liganden für die zugehörigen intrazellulären Östrogenrezeptoren ER a
und ER . Die für Progesteron prädominanten Isoformen PR-A und
PR-B werden durch zwei verschiedene Promotoren von einem Gen transkribiert. Auf diese Weise werden im
weiblichen Zyklus hunderte von Genen zu verschiedenen Zyklusphasen
aktiviert und reguliert.
nen sowohl das Wachstum als auch
die Symptome der Endometriose
gemindert werden.
Ektope endometriale Zellen zeigen im Vergleich zum normalen eutopen Endometrium eine veränderte
Östrogenrezeptordichte, vor allem
ER wird vermehrt exprimiert. Im
eutopen Endometrium hingegen ist
ERa der dominante Rezeptor der östrogengesteuerten Aktivität. Die Ursache der ausgeprägten Expression
des ER ist wahrscheinlich ein epigenetischer Defekt an einer Promoterregion des zuständigen Gens in
Endometrioseläsionen. Hohe ER Konzentrationen in den Zellen führen zur Inhibition der Expression
von ERa. ER ist in der Lage, einen
relevanten Promoter des ERa-Gens
zu verändern, sodass die ERa-Expression inhibiert wird und auf diese
Weise eine atypische ERa-ER -Ratio entsteht.
Progesteronresistenz
Die veränderte ERa-ER -Ratio
hat multiple Auswirkungen auf die
betroffenen Zellen. Auch im Progesteronsystem führt dies zu einem
Ungleichgewicht. Die beiden Progesteronrezeptoren PR-A und PR-B
sind im Endometrium für die Regulation wichtiger Zielgene des ERa
bedeutungsvoll. Als Folge des verhältnismäßig niedrigen Anteils an
verfügbarem ERa wird trotz des hohen Anteils an E2 sekundär die PRA- und vor allem PR-B-Expression
deutlich vermindert. Daher ist die
zelluläre Antwort auf das verfügbare Progesteron in Endometrioseläsionen, trotz der hohen Progesteronkonzentration, signifikant reduziert.
Insbesondere PR-B ist ein wichtiger
Aktivator vieler progesteronabhängiger Zielgene. Die relative Progesteronresistenz führt zur verminderten Transkription entsprechender
Zielgene, so ist beispielsweise die
Dezidualisierung primär progesteronabhängig und verläuft durch
Defekte der epithelialen Zellen in
Endometrioseläsionen inadäquat.
Eine Erhöhung der Expression der
PR und damit eine Verminderung
der Progesteronresistenz kann
durch Veränderung der ERβ-ERβRatio beispielsweise durch die Gabe
von Dienogest erzielt werden.
Die erhöhte Expression von ER
greift jedoch auch in andere, nichthormonelle Systeme ein. So wird
Vermehrte retrograde Menstruation
prädisponiert durch
Schädigung der
peritonealen Oberfläche für Endometrioseläsionen.
durch die lokale Hyperöstrogenämie
auch die Expression der Cyclooxygenase-2 (COX-2) und somit Inflammation induziert. Die hohen Mengen von COX-2 führen zudem zur
deutlich erhöhten Produktion von
Prostaglandin E2, was schmerzinduzierend wirkt. Aus diesem Grunde ist
speziell die Therapie mit COX-Inhibitoren bei Patientinnen mit Endometriose zur analgetischen und antiphlogistischen Therapie geeignet.
Über die Hemmung des inflammatorischen Prozesses und die Reduktion
der Prostaglandinsynthese werden
die endometriosetypischen Symptome deutlich verbessert. Auch Gestagene, insbesondere Dienogest, können durch Veränderung der ER Dichte die Expression von COX-2
hemmen.
Immunologische Dysfunktion
Untersuchungen der Peritonealflüssigkeit von Endometriosepatientinnen im Vergleich zeigen sowohl
Veränderungen in der Konzentration
von Entzündungszellen als auch von
Ein komplexes Zusammenspiel proinflammatorischer
Prozesse steigert
die Suszeptibilität
für Endometriose.
verschiedenen Proteinen, insbesondere Zytokinen und Chemokinen.
Einige dieser Veränderungen sind
Folgen des hormonellen Ungleichgewichts bei Endometriosepatientinnen. Im eutopen Endometrium ist
Progesteron der wichtigste Regulator
immunologischer Funktionen durch
Suppression von Matrixmetalloproteinasen (MMPs), die wiederum die
Ausschüttung proinflammatorischer
Zytokine kontrollieren. MMPs spielen eine zentrale Rolle im Remodelling der extrazellulären Matrix und
der Zellinvasion.
Progesteron reguliert auch die
Aktivierung des Transkriptionsfaktors „nuclear factor k B“ (NF-k B),
der im Zellkern die Transkription
verschiedener
proinflammatorischer Faktoren initiiert. Durch die
relative
Progesteronresistenz
nimmt die Aktivität von NF-k B zu.
Hierdurch werden unter anderem
antiapoptotische Effekte und die Invasivität in umliegende Gewebe sowie die Ausschüttung von proinflammatorischen Zyto- und Chemokine stimuliert. Durch dieses Zusammenspiel entsteht ein proinflammatorisches Milieu in den Endometrioseläsionen.
Weitere inflammatorische Komponenten wie beispielsweise die
Chemokine Tumornekrosefaktor-a
(TNF-a) und RANTES („regulated
on activation, normal T expressed
and secreted“) können in erhöhten
Konzentrationen in der Peritonealflüssigkeit von Endometriosepatientinnen gefunden werden. Ob diese veränderten Zytokin- und Chemokinprofile Ursache oder Konsequenz der Endometriose sind, ist
unklar. Durch die Ausschüttung
dieser Chemokine kommt es zur gesteigerten Chemotaxis diverser Entzündungszellen. Endometriosepatientinnen zeigen eine deutlich erhöhte Konzentration von aktivierten Makrophagen sowie Lymphozyten in der Peritonealflüssigkeit, die
allerdings nicht zur adäquaten Immunantwort mittels Elimination
der defekten Zellen führt, da die
phagozytotische Aktivität dieser
Zellen reduziert ist. TNF-a hat zudem durch die Ausschüttung unterschiedlicher Zytokine andere proinflammatorische Effekte, insbesondere die Induktion von Interleukin-6 (IL-6) stimuliert Zellproliferation und Angiogenese. Auch führt
die hohe Konzentration von TNF-a
Hyperöstrogenämie
Östrogene stellen nach derzeitigem Wissensstand den wichtigsten
Wachstumsfaktor für Endometriose
dar. Neben der physiologischen Östrogenproduktion im Ovar und der
peripheren
Östrogensynthese
durch Aromatase im Fett- und
Hautgewebe führt bei Endometriosepatientinnen aberrante Aromataseaktivität im eutopen Endometrium und in ektopen endometrialen
Zellen in den Endometrioseläsionen selbst zu exzessiver Östrogenproduktion. Die zusätzlich verminderte Expression von 17 -Hydroxysteroid-Dehydrogenase
Typ
2
(17 -HSD2) verstärkt die Akkumulation von bioaktivem E2 und befeuert die lokale Hyperöstrogenämie. Die Aktivität der Aromatase
wird über einen positiven Feedback-Mechanismus durch Prostaglandin E2 induziert. Durch hohe
Aromataseaktivität
akkumuliert
Östradiol, das über seinen Liganden ER die Prostaglandin-E2-Konzentration erhöht. Dies induziert
wiederum die Expression von Aromatase. Durch Unterbrechung dieses Feedback-Mechanismus kön-
Mechanismus der Gewebeschädigung
19
zur Hochregulation des „nerve
growth factor“ (NGF) und somit zur
Ausbildung sensorischer Nervenzellen
und
Verstärkung
des
Schmerzgefühls in den von Endometriose betroffenen Regionen.
Endometriale Stammzellen
Der Nachweis endometrialer
Stammzellen und ihre Rolle in der
Pathogenese der Endometriose sind
in den letzten Jahren in den Fokus
der Forschungsaktivitäten gerückt.
Erste Ergebnisse unterstreichen die
Bedeutung der retrograden Menstruation als Pathomechanismus für
den
Transport
endometrialer
Stammzellen in die Peritonealhöhle.
Aufgrund ihres hohen proliferativen
Potenzials, der erweiterten Differenzierungsmöglichkeiten unter dem
Einfluss des Umgebungsmilieus und
der enormen Regenerationsfähigkeit
begünstigen endometriale Stammzellen die Etablierung von Endometrioseherden.
Stammzellen werden unterteilt
in pluripotente embryonale und
multipotente
adulte.
Adulte
Stammzellen haben ein teilweise
restringiertes Differenzierungspotenzial, zeichnen sich jedoch durch
eine hohe Plastizität aus, die eine
Differenzierung in verschiedene
Zell- und Gewebetypen weiterhin
ermöglicht. Adulte Stammzellen
werden durch das sie umgebende
Mikromilieu mit Signalen versorgt,
der sog. „Stammzellnische“. Die
weitere Entwicklung der Stammzellen wird hierdurch bestimmt. Sie
werden in einem undifferenzierten
Stadium gehalten, wodurch eine
Balance zwischen notwendiger
Selbsterneuerung und Differenziegewährleistet
rungsprozessen
bleibt. Stammzellen können sich in
Tochterzellen, sog. Progenitorzellen, oder in „transient amplifying
cells“ teilen. Letztere durchlaufen
einen
Differenzierungsprozess
durch repetitive Zyklen der Zellteilung, vermehren sich und akquirieren dabei stufenweise Marker, die
einen ausdifferenzierten Phänotyp
kennzeichnen. Dabei verlieren sie
die Fähigkeit zur Selbsterneuerung.
Erste Studien erbrachten den
Nachweis adulter Stammzellen im
Epithel des eutopen Endometriums
und wurden im proliferativen und
sekretorischen Endometrium aber
auch im inaktiven Endometrium der
Postmenopause gefunden. Endometriale Stammzellen und Progenitorzellen sind auch im Menstruationsblut nachweisbar. In vitro konnte das
Differenzierungspotenzial endometrialer Stammzellen in osteogene,
chondrogene und adipozytäre Zelllinien aufgezeigt werden.
Bedeutung von
Stammzellmarkern
 „Tissue injury and repair“ (TIAR) am endomyometrialen Übergang. Dargestellt ist der Mechanismus der Gewebeschädigung an den fundocornualen Raphe. Persistierende uterine Peristaltik und Hyperperistalsis verursachen fortwährend Gewebeschädigung und erhöhte die parakrine Östrogenwirkung.  © Quelle: Mod. nach Leyendecker G et al;  Arch Gynecol Obstet 280:529–538
Eine Reihe von endometrialen
Stammzellmarker und stammzellverwandten Genen sind beschrieben
und auf ihre Bedeutung bei der Differenzierung endometrialer Stammzellen/Progenitorzellen untersucht
worden. Im Jahr 2005 wurde erstmals ein Octamer-bindender Transkriptionsfaktor-4 (OCT-4) im endometrialen Gewebe als ein pluripotenter Stammzellmarker nachgewiesen. Eine genaue Zuordnung des
Zelltyps und der Lokalisation erfolgte nicht. In einer neueren Studie
wurde OCT-4 ausschließlich in Single-Stroma-Zellen im eutopen Endometrium und in Endometrioseläsionen nachgewiesen. Eine ÜberexFortsetzung auf Seite 20
27. August 2015
20
Gynäkologie
Fortsetzung von Seite 19
Fazit für die Praxis
pression von OCT-4 in ektopen Stromazellen von Endometrioseläsionen
führte experimentell zu einer Stimulation der Zellmigration, sodass der
pluripotente Transkriptionsfaktor eine besondere Rolle beim endometrialen Wachstum spielen könnte. Eine Überexpression bestimmter Transkriptionsfaktoren (SOX-2, OCT-4,
KLF-4 und NANOG) wurde im
menschlichen Endometrium, Myometrium und in Endometrioseläsionen nachgewiesen. In Endometrioseläsionen fanden sich im Vergleich
zu den eutopen Stromazellen gesunder Frauen während der sekretorischen Phase vermehrt SOX-2 positive Stromazellen. In einer kürzlich erschienenen Studie wurde nachgewiesen, dass in ovariellen Endometrioseläsionen die pluripotenten Faktoren SOX-2 und NANOG überexprimiert werden. Ihre Rolle in der Pathogenese der Endometriose ist
noch unklar. Erhöhte Spiegel des
neuen potenziellen Stammzellmarkers IPO-13 (zur Familie der Importin- -Nukleartransportproteine
gehörend) zeigten sich in Endometrioseläsionen im Vergleich zum eutopen Endometrium. Stammzellrelevante Gene (UTF-1, TCL-1 und
ZFP42) sind in ektopen Endometrioseläsionen im Vergleich zum normalen eutopen Endometrium als überexprimiert nachgewiesen worden.
Inwieweit sie eine Rolle in der Pathogenese der Endometriose spielen
ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.
Endometriose ist eine vielfältige
Erkrankung mit multiplen
klinischen Ausprägungsformen;
für die Krankheitsentstehung
spielt eine Reihe von pathogenetischen Prozessen eine Rolle.
Zentrale Faktoren in der Ätiologie
und Pathogenese der Endometriose sind
• verstärkte retrograde Menstruation durch uterine Dysperistalsis
und damit verbundener Dislokation von endometrialen Zellen
und endometrialen Stammzellen,
• Schädigung der peritonealen
Oberfläche durch vermehrte
retrograde Menstruation und
Prädisposition für die Implantati-
on von Endometrioseläsionen,
• erhöhtes Potenzial zur ektopen
Implantation und Proliferation
der dislozierten endometrialen
Zellen durch epigenetische Veränderungen bzw. durch Entstehung von Endometrioseläsionen
aus Stammzellen,
• hormonelle Dysregulation der
eutopen und ektopen endometrialen Zellen, insbesondere lokale Hyperöstrogenämie und
Progesteronresistenz sowie
• veränderte immunologische
Funktionen intraperitoneal (verminderte peritoneale Clearance)
und an den Prädilektionsstellen
für Endometriose (proinflammatorisches Mikromilieu).
tonealhöhle begünstigt wird. Diese
These könnte erklären, warum nur
ein kleiner Teil der Patientinnen bei
retrograder Menstruation eine Endometriose entwickelt. Weiterführend wird es sein, die Techniken zur
Identifizierung der Stamm-/Progenitorzellen in Endometrioseläsionen mit gleichzeitigen genetischen
bzw. epigenetischen Untersuchungen an den gleichen Zellen zu kombinieren.
Die gesammelten Literaturhinweise
zu diesem Artikel finden Sie auf
www. springermedizin/fortbildung.
Knochenmark als Quelle
endometrialer Stammzellen
Adulte Stammzellen aus dem
Knochenmark können sich in multiple Zelltypen wie beispielsweise
Hepatozyten, Neurone, Hautzellen,
Kardiomyozyten und Endothelzellen differenzieren. Da sich bei Patientinnen mit vollständiger Endometriumablation häufig neue Endo-
27. August 2015
metriumzellen nachweisen lassen,
lag die Hypothese nahe, dass diese
Stammzellen nicht-endometrialen
Ursprungs sind. Taylor et al. stellten
im Jahr 2004 fest, dass nach Knochenmarkstransplantation ein Chimärismus in den endometrialen
Drüsen und Stromazellen nachzuweisen war. Nachfolgende experimentelle Studien im Mausmodel
unterstrichen die Hypothese, dass
extrauterine Stammzell-/Progenitorzellen sich in normales endometriales Gewebe sowie in Endometriosegewebe differenzieren können
und somit eine Funktion in der Entwicklung der Endometriose haben
könnten. Extrauterine Progenitorzellen aus dem Knochenmark oder
aus einer anderen Quelle könnten
die lymphovaskuläre Metastasierungstheorie der Entstehung von
Endometrioseläsionen in Gehirn,
Lunge und Abdomen erklären. Es
bleibt jedochunklar, inwieweit es
sich um abnorme endometriale
Stamm-/Progenitorzellen handelt,
welche die Kapazität zur Implantation und zur Entwicklung von ektopem Endometrium haben oder ob
es sich um normale Stammzellen
handelt, deren Implantation durch
ein verändertes Milieu in der Peri-
Zentrale Pathogenesefaktoren sind
lokale Hyperöstrogenämie und
relative Progesteronresistenz.
Dr. Monika Wölfler ist als Oberärztin
an der Klinischen Abteilung für
Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin, Medizinische
Universität Graz tätig. Dr. Petra Klein
ist Oberärztin an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kreiskrankenhaus Dormagen. Dr. Magdalena Zalewski arbeitet als Assistenzärztin an der Klinik für Gynäkologie
und Geburtshilfe am Universitätsklinikum der RWTH Aachen. Prof. Dr.
Nicolai Maass ist Direktor an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe,
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.
Ärztlicher Fortbildungsanbieter:
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische
Universität Graz, Prof. Uwe Lang
Lecture Board:
• PD Dr. Peter Oppelt, AKH Linz
• Dr. Burghard Abendstein, LKH Hall
Fragebogen im Web
Den Fortbildungsartikel als Download (inkl. Literatur) und den
dazugehörigen DFP-Fragebogen
finden Sie unter
www.springermedizin.at/
fortbildung
oder direkt
mithilfe dieses
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