Nachhaltige Finanzmärkte – Romantische Illusion, Show oder realistische Notwendigkeit? Vortrag Technische Universität München, Wissenschaftszentrum Weihenstephan 13. Januar 2010 Prof. Dr. Berthold Eichwald Gliederung 1. Nachhaltigkeit im Selbstbild der Banken 2. Zum Begriff „Nachhaltige Finanzmärkte“ 3. Nachhaltigkeitsaktivitäten der Banken 4. Nachhaltigkeit und Stabilität der Finanzmärkte 5. Orientierungshilfen für die praktische Umsetzung 6. Schlussbetrachtungen 1. Nachhaltigkeit im Selbstbild der Banken Als ich zur Vorbereitung meines Referats durch die Websites der Banken mit dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ surfte, fand ich eine erstaunlich heile Welt vor. „Zukunftsfähigkeit sichern – damit Ökonomie und Ökologie Hand in Hand gehen“ (Deutsche Bank), „Nachhaltigkeit – der Schlüssel zum Erfolg“ (Postbank), „Gestern, heute und morgen – Nachhaltigkeit als gelebter Unternehmenszweck“ (KfW), „Ohne eine ökologisch und sozial vertretbare Wirtschaftsweise ist eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung nicht möglich. Daher berücksichtigen wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette ökologische und soziale Aspekte und tragen so unserer gesellschaftlichen Verantwortung Rechnung“ (BayernLB), „Unternehmerisches Handeln heißt für die Hypo Real Estate Group, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu übernehmen und eine nachhaltige und lebenswerte Umwelt zu fördern und zu erhalten“ (HRE). 1 Spätestens bei den beiden zuletzt genannten Banken werden Sie skeptisch: Von einer heilen Welt kann wohl nicht die Rede sein. Auch bei besten Vorsätzen der Kreditinstitute holt uns die bittere Realität der Finanzkrise ein. Was bedeutet Nachhaltigkeit in einer Zeit, in der viele Banken weltweit noch mit existenzbedrohenden Problemen zu kämpfen haben? Medizinisch ausgedrückt: Die schwer verletzten Patienten wurden stabilisiert, die notwendigen chirurgischen Eingriffe zur Wiederherstellung müssen jedoch noch erfolgen. Ist das Streben nach nachhaltigen Finanzmärkten eine romantische Illusion, muss man es als PR-Show einstufen, oder stehen wir vor einer realistischen Notwendigkeit. 2. Zum Begriff der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Finanzmärkten Würde man eine „Top-Ten-Liste“ der im vergangenen Jahrzehnt am häufigsten erwähnten Begriffe erstellen, würde man „Nachhaltigkeit“, „Nachhaltige Entwicklung“ oder auf englisch „sustainable development“ an vorderer Stelle finden. Keine Regierungserklärung, keine internationale Konferenz, kein Unternehmensgeschäftsbericht und auch kein Lehrplan einer Universität, in der „Nachhaltigkeit“ fehlt. Auch wenn der Begriff in aller Munde ist, gibt es kein eindeutiges Verständnis des Begriffsinhaltes. Unterschiedliche Sichtweisen und Interessen führen zu abweichenden Erklärungen, die zwangsläufig zu konträren Auffassungen über geeignete Maßnahmen zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung führen.1 Für die folgende Erörterung wird die Definition des von der deutschen Bundesregierung berufenen „Rates für Nachhaltige Entwicklung“ zugrunde gelegt: „Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ Mit dieser Definition ist zwar noch nicht klar gestellt, was man unter einem intakten ökologischen, sozialen und ökonomischen Gefüge verstehen kann, man erhält aber einen brauchbaren strukturellen Rahmen, der mit konkreten Themen gefüllt werden kann. Nun zum zweiten Begriff, der den Kern meines Themas bestimmt, dem Finanzmarkt. „Finanzmarkt“ ist ein abstrakter Oberbegriff für alle Finanzierungsbeziehungen in Form von Geld, Kapital, Krediten und Devisen sowie deren Derivate2. Die wichtigsten Akteure an den Finanzmärkten sind die Banken. Sie entwickeln und vermarkten Finanzprodukte und 1 So befürchte ich beispielsweise, dass die aktuelle Konzentration auf Maßnahmen zur Reduzierung der CO2Emissionen zu einer Simplifizierung des Themas und zu einer eingeschränkten Wahrnehmung der Probleme nachhaltigen Wirtschaftens führt. 2 Derivate sind „abgeleitete“ Finanzinstrumente, die z.B. das Recht zum Abschluss eines Finanzgeschäfts verschaffen (Optionen) oder das Recht verbriefen, ohne direkte Beteiligung (z.B. in Form von Aktien) an der Kursentwicklung bestimmter Wertpapiere teilzuhaben (Zertifikate). 2 haben somit die Funktion eines Vermittlers zwischen Angebot und Nachfrage nach Geld. Nur ein Teil der Finanzierungsbeziehungen findet an Börsen, den Finanzmärkten im engeren Sinne, statt. Die meisten Finanztransaktionen werden unmittelbar zwischen zwei Partnern durchgeführt. In der Fachsprache nennt man das „Over-the-Counter (OTC)-Geschäft“. Während Börsen als geordnete Märkte durch vielerlei Vorschriften eine relativ ausführliche Information über die getätigten Finanztransaktionen ermöglichen, erfährt man nur wenig über OTC-Geschäfte.3 Globalisierung und elektronische Medien haben zu einer weltweiten Vernetzung der Banken und deren Geschäfte geführt, so dass nationale Grenzen eine immer geringer werdende Rolle für die Finanzmärkte spielen. Um das komplexe Thema der Nachhaltigkeit an den Finanzmärkten einigermaßen überschaubar angehen zu können, werde ich mich im Wesentlichen mit den Banken4 als den Hauptträgern der Finanzmärkte befassen. 3. Nachhaltigkeitsaktivitäten der Banken In ihrem Selbstbild streben Banken ein nachhaltiges Wirtschaften an. Es ist daher zu fragen, inwieweit sie ökologische, soziale und spezifische ökonomische Aktivitäten ergreifen, die dem Ideal einer zukunftssichernden Wirtschaft möglichst nahe kommen. Hierzu gehe ich auf drei Bereiche ein: Nachhaltigkeit des Betriebs, soziale Aktivitäten im Rahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) und spezifische „nachhaltige Finanzprodukte“. Nachhaltigkeit des Betriebs wird allgemein mit einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen und mit möglichst wenig Umweltverschmutzung dargestellt. Zielvorgaben für die Planung sind dabei geringerer Verbrauch an Wasser, Strom und anderen Energiequellen, weniger Papier und vor allem weniger CO2-Emissionen. Ein praktisches Beispiel gibt hierzu die DZ BANK, in dem sie folgende Ziele bis 2012 erreichen will: Die Reduzierung des Stromverbrauchs um 7,5 bis 10 Prozent (durch die verstärkte Abschaltung von Computern und Bürobeleuchtung zu Ruhezeiten) Die Verringerung der klimaschädlichen Energienutzung um 30 Prozent (durch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien sowie ein noch effizienteres Energiemanagement) 3 Dies ist einer der Gründe, warum es zu Beginn der Finanzkrise so lange gedauert hat, bis das tatsächliche Ausmaß der Probleme erkannt wurde. 4 Es ist nicht ganz korrekt, von „den Banken“ zu sprechen. Angesichts der Vielfalt der Institute mit unterschiedlichen Größen und Geschäftsmodellen, wäre eine sehr differenzierte Vorgehensweise angemessen. Dies würde jedoch den zeitlichen Rahmen des Referats bei weitem sprengen. Soweit Unterschiede zwingend geboten erscheinen, wird fallweise darauf hingewiesen. 3 Die Verbesserung der Abfalltrennung (insbesondere die Erhöhung des Anteils an entsorgtem Papier um 10 Prozent) Die Steigerung des Anteils ökologischer Verkehrsarten (bei Dienstreisen auf mindestens 66 Prozent) Die Reduzierung des Wasserverbrauchs (und die Steigerung des Bewusstseins der Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit Wasser)5 Das größte deutsche Kreditinstitut, die Deutsche Bank, formuliert eine „Klimastrategie“: „Klimaneutralität ist ein wesentlicher Baustein unserer Klimastrategie. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, unsere globalen CO2-Emissionen um 20 Prozentpunkte jährlich gegenüber dem Basisjahr 2007 zu reduzieren und alle unsere betrieblichen Aktivitäten ab dem Jahr 2013 klimaneutral zu betreiben.“6 Um die Messbarkeit, Vergleichbarkeit und vor allem eine Glaubwürdigkeit dieser Bemühungen zu gewährleisten, lassen sich die Banken von neutralen Gutachten nach Normkriterien (z.B. ISO 14001) zertifizieren7. Nachhaltigkeitsberichte werden entweder Teil des allgemeinen Jahresgeschäftsbericht oder Gegenstand einer eigenen Berichterstattung. Die Nachhaltigkeit im sozialen Bereich wird meistens mit Corporate Social Responsibility (CSR) gleichgesetzt. Damit beschreibt man die Verantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter und für die Gesellschaft, und zwar freiwillig und über die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften hinaus. So berichtet beispielsweise die HypoVereinsbank: „Auch intern gehen wir mit gutem Beispiel voran. Das Spektrum der Nachhaltigkeits-Themen ist sehr breit: Es reicht von Energie- und Rohstoffeinsparung, über den Code of Conduct (Verhaltensgrundsätze für Management und Mitarbeiter), Integrity Charter zum Kundenzufriedenheits-Controlling. Und von der Sozialberatung über den Schutz vor Diskriminierung hin zum Sponsoring.“8 Personalentwicklung wird als besonderes Element der Nachhaltigkeit herausgestellt. „Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital“ (Postbank), von „Human Ressources“ und „Human Capital“ ist dabei die Rede. 5 www.nachhaltigkeit.dzbank.de/oekologie/umweltmanagement/anspruchsvolle-ziele-bis-2012 (28.12.2009) 6 www.banking-on-green.de (27.12.2009) 7 Mit Zertifikat ist in diesem Fall eine Bescheinigung über einen überprüften Zustand gemeint. 8 www.hypovereinsbank.de (28.12.2009) 4 Mit den ökologischen und sozialen Aktivitäten unterscheiden sich Banken nur wenig von anderen Dienstleistungsunternehmen. Eine branchenspezifische Besonderheit kann man eher in den nachhaltigen Finanzprodukten sehen. Als nachhaltige Finanzprodukte kann man diejenigen Finanzdienstleistungen bezeichnen, die dem Nachhaltigkeitsstreben der Kunden dienen. Hierzu zählen Kredite zur Finanzierung von Nachhaltigkeitsvorhaben, Geldanlagen in „nachhaltige Investments“ und das Spezialthema CO2-Zertifikate Ob ein Kredit die Eigenschaft eines nachhaltigen Finanzprodukts verdient, ist sehr schwer zu entscheiden. Man kann so genannte Negativ- und Positivkriterien heranziehen9. Bei Betrachtung nach Negativkriterien scheidet eine als nachhaltig zu bezeichnende Kreditvergabe aus, wenn gegen soziale und ökologische Mindeststandards, die von den UNInstitutionen, insbesondere von der Weltbank, erlassen wurden, vom Kreditnehmer nicht eingehalten werden. Themen sind unter anderem Verstöße gegen Menschenrechte, Korruption, verbotene Kriegswaffen, Pornographie. Dies ist insbesondere für die internationale Projektfinanzierung relevant, jedoch im Einzelfall schwer nachzuvollziehen.10 Bei den Positivkriterien stellt man in erster Linie auf den Verwendungszweck ab und muss überzeugt sein, dass die Geldmittel auch so verwendet werden. Typische Verwendungszwecke sind Steigerung der Energieeffizienz (z.B. Gebäudedämmung, sparsamere Heizungssysteme) Förderung erneuerbarer Energien (z.B. Investitionen zur Nutzung der Energie aus Sonne, Wind, Biomasse und Erdwärme) Investitionen in Abwasserreinigung, Luftreinhaltung und Lärmschutz Investitionen in soziale Zwecke (z.B. Bau von Behinderteneinrichtungen) und einige Beispiele im landwirtschaftlichen Bereich Förderung des Ökologischen Landbaus Minderung der Schadstoffemissionen von schweren Fahrzeugen Verbesserung der Tierhaltung. Wenn ein nachhaltiger Kredit Anreiz zu nachhaltigem Wirtschaften geben soll, müsste er mit attraktiven Zinssätzen für den Kreditnehmer ausgestattet sein. Sofern Banken eigene Mittel 9 Mit derartigen Kriterienkatalogen muss man sehr vorsichtig umgehen. Ihre Zusammenstellung wird stark von Werturteilen geprägt, die zum Teil auf diskussionsbedürftigen Ideologien beruhen. 10 Bei strenger Auslegung der Kriterien Menschenrechte und Anti-Korruption würden viele Unternehmen eines großen Teils der Welt von vornherein als Kreditnehmer ausscheiden. 5 wegen des geringeren Zinserlöses und der langfristigen Kreditlaufzeit nicht einsetzen wollen oder gar nicht können, können die Banken auf geeignete Mittel staatlicher Förderbanken zurückgreifen. Die bundesweit tätige KfW-Bankengruppe und die Landwirtschaftliche Rentenbank sowie die LfA-Förderbank Bayern seien beispielhaft genannt. Ein Sonderthema der nachhaltigen Finanzierung sind die Mikrokredite. Das sind „Kleinstkredite“ (z.B. 1.000 US Dollar) an Bedürftige, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Mit der Idee der „Hilfe zur Selbsthilfe“ (z.B. durch die Finanzierung einer Nähmaschine als Starhilfe für eine gewerbliche Selbständigkeit) sollen Wege aus der Armut bereitet werden. Einer der Initiatoren der Mikrokredite in Europa ist die von den Kirchen initiierte „Oikocredit“11. Da „Hilfe zur Selbsthilfe“ ein originär genossenschaftliches Prinzip ist, findet man auf dem Gebiet der Mikrokredite überwiegend Genossenschaftsbanken. Geldanlagen in nachhaltige Investments boomten in den letzten Jahren. Einige Banken, insbesondere im Genossenschaftssektor, widmeten sich des Themas schon sehr früh, so z.B. die GLS-Bank12, die EthikBank13, genossenschaftliche Kirchenbanken14 und das Schweizer Bankhaus Sarasin15. Als noch relativ junge private Bank in Form einer Aktiengesellschaft hat sich die „UmweltBank“16 in Nürnberg auf das so genannte „Green Banking“ spezialisiert. Inzwischen haben aber auch alle anderen Bankengruppen das Wachstumspotential dieses Geschäftsbereichs erkannt und bieten eine Vielzahl „nachhaltiger Investments“ an.17 Nachhaltige Finanzprodukte sind – auch wenn sie Bezeichnungen wie Ökofonds oder Ethikfonds haben - formal ganz normale Bankprodukte. Sie erstrecken sich von Spar- und Termineinlagen über Renten und Aktien zu Investmentfonds, allen Formen von Private Equity und im weitesten Sinne auch die Derivate. Es kommt darauf an, wer Empfänger ist und wofür das Geld verwendet wird. Ob die Geldanlagen im Einzelfall das Attribut „nachhaltig“ im hier verwendeten Sinne verdienen, ist kritisch zu hinterfragen. Was die Produktanbieter anbetrifft, kann man grundsätzlich diejenigen Finanzinstitute nennen, die der Finanzinitiative des UN11 Oikocredit ist eine ökumenische Entwicklungsbank, die 1975 auf Initiative des ökumenischen Rats der Kirchen gegründet wurde. 12 GLS steht für „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“. Die Bank ist schon seit 35 Jahren erfolgreich auf dem Gebiet nachhaltiger Dienstleistungen tätig. 13 Die EthikBank ist eine Zweigniederlassung der Volksbank Eisenberg. Sie bezeichnet sich als Direktbank für ethische und soziale Produkte. 14 Z.B. die LIGA-Bank und die Pax-Bank, die Kreditgenossenschaften der Katholischen Kirche ihren Kunden spezielle „nachhaltige“ Vermögensanlagen anbieten. 15 Sarasin gehört zur Rabobank-Gruppe, der Holländischen Genossenschaftszentralbank. 16 www.umweltbank.de 17 Selbst die Deutsche Bank bezeichnet sich als Pionier der Mikrokredite und damit einhergehender Investments. 6 Umweltprogramms und der UN Global Compact gefolgt sind, und die Leitlinien für die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei Anlageentscheidungen anerkennen. Dieser Kreis umfasst nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen, private Fondsgesellschaften, Stiftungen und Staatsfonds, die angabegemäß allein in den USA ein Investitionsvolumen in nachhaltigen Anlagen in Höhe von zwei Billionen Euro verwalten18. Grundsätzlich gelten für die nachhaltigen Anlagen ebenfalls die Negativ- und Positivkriterien, die wir schon von der nachhaltigen Kreditfinanzierung kennen. Banken, die sich in besonderem Maße der nachhaltigen Geldanlage widmen, betonen die strengen Auswahlkriterien für den Einzelfall. So teilt das Bankhaus Sarasin mit: „Die Nachhaltigkeit von Unternehmen und Branchen wird anhand von über 70 Merkmalen beurteilt. Dieses von Sarasin selbst erstellte Nachhaltigkeitsresearch entscheidet, ob gemäß den Grundsätzen der nachhaltigen Geldanlage Mittel in das Unternehmen investiert werden oder nicht.“19 Die GLS-Bank geht noch weiter: Schon bei der Kontoeröffnung können Sie festlegen, in welchem Bereich oder in welcher Branche wir Ihr Geld vorzugsweise als Kredit vergeben.“20 Interessant ist auch, welche Motive Geldanleger haben, die sich für nachhaltige Anlageprodukte interessieren. Man kann sie in drei Gruppen einteilen: „Altruisten“, „Renditebewusste mit Gewissen“ und „Spekulanten“. Der Altruist ist bereit, für eine gute Sache Geld mit geringer oder gar keiner Rendite zu geben, im äußersten Fall sogar zu schenken. Diese Gruppe wird besonders von Banken wie der GLS-Bank und der Oikocredit angesprochen. Sie erwartet sehr genaue Informationen über den Geldempfänger und die Mittelverwendung.21 Der größte Teil der Anleger wünscht jedoch eine marktgerechte Rendite, will aber „ein gutes Gewissen“ haben, was die Verwendung seines Geldes anbetrifft. In diesem Fall reichen allgemeine Standards der nachhaltigen Anlage mit regelmäßigen Berichten aus. Die Produktpalette ist entsprechend umfangreich. Spekulanten „wetten“ auf eine zukünftige Entwicklung ihrer Geldanlage. Die potentielle Wertentwicklung (z.B. Kurssteigerung) ist wichtiger, als eine am aktuellen Marktniveau orientierte „nachhaltige“ Rendite. Ihre Entscheidungskriterien haben streng genommen nichts mit ökologischen und sozialen Motiven zu tun. Spekulativ motivierte Anleger sehen in dem 18 Quelle: Deutsche Bank. Corporate Responsibility at Deutsche Bank. Roadshow 11-16 June 2009 (www.banking-on-green.com ) 19 Sarasin. Nachhaltigkeitsbericht 2008, S. 43 20 www.gls.de/unsere-angebote/finanzierungen/unsere-arbeitsweise/mittelverwendung (04.01.2010) 21 Ein extremes Beispiel der Offenlegung liefert beispielsweise die Ethik-Bank, in dem sie die Namen der Kreditnehmer und die Verwendungszwecke benennt. Damit kann auch der Sparkunde sehen, was mit seinem Geld geschieht. 7 rasch wachsenden Markt für nachhaltige Anlagen ein interessantes Feld, kurzfristig Gewinne zu erreichen22 und einen überdurchschnittlichen Vermögenszuwachs zu erlangen. Da die Geldanleger trotz verbesserter Berichterstattung der Banken in der Regel nur eine geringe Chance haben, sich ein eigenes umfassendes Bild von den Empfängern ihrer Mittel zu machen, werden zunehmend Nachhaltigkeitsratings erstellt. Speziell auf ökologische, soziale und ethische Themen ausgerichtete Ratingagenturen erteilen, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, „Gütesiegel“, die eine Anlageentscheidung erleichtern sollen. Eine weitere Entscheidungshilfe sind die Nachhaltigkeitsindizes. In einem Nachhaltigkeitsindex werden Unternehmen aufgelistet, denen man nach Auffassung der Indexverantwortlichen nachhaltige Geldanlagen zukommen lassen kann. Die Zusammensetzung der Index-Anbieter ist heterogen und dementsprechend weichen die Auswahlkriterien für eine Listung voneinander ab. Sie reichen von den „prominenten“, international beachteten Dow Jones Sustainability Indexes bis zu eher regional bedeutsamen Indizes wie dem deutschen UmweltBank-Aktienindex.23 Nun ist noch auf eine besondere Form nachhaltiger Finanzprodukte einzugehen, nämlich auf das Sonderthema des Emissionshandels. Damit ist der grenzüberschreitende, im Rahmen der EU festgelegte Handel von CO2-Zertifikaten gemeint24. Diese Sonderform der Wertpapiere verbrieft das Recht, eine bestimmte Menge (kleinste Einheit 1 Tonne) umweltschädliche Gase, insbesondere CO2, pro Jahr auszustoßen. In einem ersten Schritt wurden den besonders energieintensiven Unternehmen (in Deutschland 1665 Unternehmen wie z.B. Kraftwerke, Stahlwerke, Raffinerien, Zementwerke) auf der Bezugsbasis des Jahres 1990 Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt. Die Zertifikate sind als Wertpapiere handelbar, und zwar sowohl direkt zwischen Käufer und Verkäufer, als auch über die Börsen25. Reduziert ein beteiligtes Unternehmen seine Schadstoffemissionen, kann es nicht mehr benötigte Zertifikate verkaufen und spart somit Geld. Erhöht ein Unternehmen dagegen seine Emissionen über das festgestellt Maß hinaus, muss es eine entsprechende Anzahl an Zertifikaten zukaufen. Tut es das nicht, muss eine Strafe bezahlen. Die Gesamtzahl an CO222 Typisch hierfür sind Index-Zertifikate, bei denen das Geld letztlich nicht ein „nachhaltigem“ Unternehmen zugute kommt, sondern nur der Preis für die „Wette“ auf eine bestimmte Kursentwicklung ausgewählter „nachhaltiger“ Unternehmen ist. So z.B. beim DAXglobal Alternative Energy Kurs-Index, der sich an der Wertentwicklung von 15 ausgewählten Aktiengesellschaften der Sektoren Erdgas, Solar, Wind, Ethanol, Geothermie, Hydro und Batterien bemisst. 23 Eine ausführliche Darstellung und kritische Diskussion des Nachhaltigkeitsratings und der Nachhaltigkeitsindizes siehe Gabriel, K. Nachhaltigkeit am Finanzmarkt. Mit ökologisch und sozial verantwortlichen Geldanlagen die Wirtschaft gestalten. München 2007 24 Nähere Informationen über Wesen und Handel der Emissionszertifikate siehe www.ecx.eu 25 Der für Europa wichtigste Handelsplatz ist die European Climate Exchange Plc. London. Aber auch regionale Börsen – wie z.B. die Bayerische Börse in einem eigenen Segment „greenmarket“ - ermöglichen einen Handel von Zertifikaten (European Union Allowances und Certified Emission Reductions des European Union Emission Trading Systems). 8 Zertifikaten wird entsprechend der Klimaschutzziele der Bundesregierung reduziert. Neue Zertifikate werden ab 2010 nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt 26. Die im Auftrag der Bundesregierung herausgegebenen CO2-Zertifikate sind in erster Linie für Unternehmen gedacht. Mehrere Banken haben inzwischen spezielle derivate Wertpapiere konstruiert, die auch von Privatpersonen gekauft und wieder veräußert werden können. Der Preis von CO2-Rechten und derivaten Formen wird grundsätzlich an der Börse nach Angebot und Nachfrage festgestellt und kann erheblich schwanken. In die Preisfindung gehen vor allem Erwartungen hinsichtlich der künftigen Klimaschutzmaßnahmen der Politik und den Umfang der vorgeschriebenen CO2-Einsparungen ein. Je mehr die Regierungen bereit sind, den erlaubten Schadstoffausstoß zu reduzieren, desto wertvoller werden die Zertifikate. Wenn dagegen Zweifel an einer wirksamen Klimaschutzpolitik bestehen, sinkt der Wert. Dem entsprechend schwankte der Kurs eines CO2-Zertifikats zwischen mehr als 25 Euro und weniger als 10 Euro. Allein daraus kann man erkennen, dass die Geldanlage in dieser neuartigen Wertpapierart beachtliche Risiken beinhaltet. Angesichts des boomenden Wachstums und der kaum zu überschauenden Vielfalt halte ich eine kritische Beurteilung der nachhaltigen Finanzprodukte für geboten. Wir müssen uns stets bewusst sein, dass die Auswahlkriterien, wonach eine Anlage das Attribut „nachhaltig“ erhält, immer auf Werturteilen beruht. Werturteile entstammen nicht weiter in Frage gestellten, wissenschaftlich nicht überprüfbaren Überzeugungen, seien es religiöse, allgemein ethische Einstellungen oder politische Ideologien. Insbesondere Ideologien schränken den Blick auf die Realität ein und grenzen die vorbehaltslose Würdigung von Lösungsmöglichkeiten erheblich ein. Besonders gefährlich sind nicht offen gelegte Ideologien, die man – wenn man sie nicht durchschaut – unbeabsichtigt unterstützt. So ist beispielsweise in Deutschland – wie in kaum einem anderen Land – eine Diskussion über die Nutzung von Kernenergie und der Gentechnik tabuisiert. Technikfreundlichkeit und Technikfeindlichkeit prallen unversöhnlich aufeinander. Ganze Bereiche werden daher in der Auswahl geeigneter nachhaltiger Finanzprodukte von vornherein ausgeschlossen. Doch selbst Finanzprodukte, die alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, müssen nicht zwangsläufig eine nachhaltige Wirtschaft fördern. Dies ist beispielsweise zu befürchten, wenn ein zu großes Geldangebot zu leichtfertigen Investitionen verleitet. Wir haben dies sehr drastisch während des „New Economy Booms“ in den vergangenen neunziger Jahren erlebt, als in naivem Glauben an ein grenzenloses Wachstum der Internetwelt eine „Spekulationsblase“ wuchs, die zu Beginn des neuen Jahrtausends platzte und vielen Anlegern schmerzliche Verluste bereitete . Auf die Investitionen in erneuerbare Energien bezogen, erkennen wir das Phänomen bereits am Beispiel der Biogasanlagen. Zuviel des Guten ist auch Gift, sagt der Volksmund. Im Übrigen sollten die Finanzprodukte nicht so kompliziert sein, dass sie kaum jemand versteht. Vor allem Investmentbanker neigen zu einem „sophisticated financial engineering“, das hoch komplex ist, im Einzelfall wohl eine sehr präzise Problemlösung anbieten mag, 26 CO2-Zertifikate werden ab 2010 im Auftrag der Bundesregierung an der Leipziger Strombörse „European Energy Exchange“ (EEX) wöchentlich versteigert. Siehe www.eex.com 9 dessen Risiken jedoch nicht transparent genug sind. Diese mangelnde Transparenz und das Unvermögen, die Risiken zu erkennen, war eine der typischen Ursachen der Finanzkrise.27 Selbst die gut gemeinte Förderung nachhaltiger Finanzprodukte kann – wenn man dem Spiel der Märkte freien Lauf lässt – zum Ausgangspunkt einer neuen Finanzkrise werden. 4. Nachhaltigkeit und Stabilität der Finanzmärkte Was nützen alle ökologischen und sozialen Bemühungen, wenn die ökonomischen Voraussetzungen wegbrechen? Salopp geantwortet: Geld ist zwar nicht Alles, aber ohne Geld ist Alles nichts. Ohne ein funktionsfähiges Finanzsystem kollabiert die Wirtschaft, und zwar auch die so genannte nachhaltige Wirtschaft. Die Versorgung der Unternehmen mit Krediten leidet unter der „Schockstarre“, in der sich viele krisengeschüttelte Banken befinden. Der Staat leidet unter der extremen Neuverschuldung, die er auf sich nehmen muss, um die angeschlagenen Banken zu retten und der in die Rezession geratenen Wirtschaft neuen Auftrieb zu geben. Das hierfür benötigte Geld – weltweit mehrere Billionen Euro – fehlt für andere wünschenswerte Vorhaben. Was lernen wir aus der Krise? Der Mythos der Selbstheilungskräfte der freien Finanzmärkte ist entzaubert. Ein Mehr an Deregulierung bringt keinen zusätzlichen volkswirtschaftlichen Nutzen. Es vergrößert zudem das Risiko eines totalen Marktzusammenbruchs. Finanzmärkte sind so existenziell für die gesamte Wirtschaft, dass sie gewissermaßen die Bedeutung eines öffentlichen Gutes28 haben. Existenznotwendige Güter sollte man nicht dem Spiel ungezügelter Märkte überlassen. Globalisierung und moderne Medien haben die Geschäfte der Finanzinstitute so eng miteinander verbunden, dass nationale Regulierungen keine Lösung der gravierendsten Probleme bieten. Internationale Regelungen und supranationale Aufsichtsinstitutionen stoßen jedoch auf den Widerstand nationalen politischen Selbstbewusstseins. Das Problem „too big to fail“ trifft bei Banken exemplarisch zu und führt zu einer faktischen Staatsgarantie. Dem Staat fehlen aber effektive Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten, um dem Eintritt des Bürgschaftsfalls früh genug entgegenwirken zu können. Verstaatlichung von Banken29 ist keine dauerhafte Lösung. In der Finanzkrise erlitten gerade einige schon seit ihrer Gründung in Staatsbesitz befindliche Banken einen existenzbedrohlichen Schaden30. 27 Die Verbriefung von Krediten zu so genannten Asset Back Securities wurde zunehmend so kompliziert gestaltet, dass weder die Banken, noch die Finanzinvestoren und auch die Bankenaufsicht ein hinreichend klares Bild von den Risiken hatten. 28 Der Charakter eines öffentlichen Gutes führt jedoch nicht zwingend zu der Entscheidung, das Gut auch „öffentlich“, also staatlich verwalten zu lassen. Die marktwirtschaftliche Verwaltung des Öffentlichen Gutes kann indes innerhalb bestimmter politischer Vorgaben erfolgen. 29 Mit der Bereitstellung von Eigenkapital zur Sanierung von Banken kommt es zu einer quasi Verstaatlichung. Der Staat wird Miteigentümer oder alleiniger Eigentümer der Bank (siehe Beispiel der Hypo Real Estate). 10 Das Selbstverständnis einiger Banker hinsichtlich riskanter Geschäfte und der darauf folgenden Boni, und zwar nicht nur für die Mitarbeiter, ist trotz öffentlicher Kritik nicht getrübt. „The Party goes on“. An diesem Selbstverständnis muss sich einiges ändern.31 Welche Schlussfolgerungen kann man ziehen? Auf politischer Ebene hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass Finanzmärkte wieder stärker reguliert werden müssen. Sie sollten geeignet sein, als „Leitplanken“ der Handlungsspielräume der Finanzinstitutionen die Entstehung extremer Risiken zu begrenzen oder zumindest Warnsignale für ein Einschreiten des Staates zu geben32. Dies betrifft insbesondere folgende Aspekte: Fördern der Transparenz der Finanzgeschäfte (vom Begrenzen des OTC-Handels bis zum Börsenzwang33 für bestimmte Produkte). Die staatliche Finanzaufsicht ist grundlegend zu verbessern, und zwar insbesondere durch Erfassen aller Finanzinstitute und durch enge internationale Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden anderer Staaten34. neue Eigenkapitalvorschriften, die nicht prozyklisch wirken und die Größe und Geschäftsstruktur der Banken berücksichtigen35. Zur Beurteilung der Finanzmarktstabilität sind neben den Risiken der einzelnen Banken auch die systemischen Risiken zu berücksichtigen36. Leitlinien für eine angemessene Entlohnung und eine an langfristigen Erfolgen ausgerichtete Bonus-Gestaltung (finanzielle Anreiz-Systeme) in Banken37. 30 Siehe die Probleme der meisten deutschen Landesbanken. 31 So erfreulich es ist, dass einige Banken wieder hohe Gewinne ausweisen, so bedenklich ist es, wodurch diese Gewinne zum Teil entstanden sind. Ermöglicht wurde die Gewinnerzielung ohnehin erst, nachdem die Regierungen mit größten finanziellen Anstrengungen die Existenz der Finanzmärkte und der Banken gesichert haben. Der Erfolg ist nicht nur eine Frage der „Cleverness“ einiger Weniger. 32 Bei allen guten Regulierungsabsichten darf man die Gefahr „planwirtschaftlicher Versuchungen“ nicht übersehen. Auch Planwirtschaften können Krisen nicht ausschließen. 33 Durch die strengen Publikationsvorschriften der Börsen wird transparent, wie sich bestimmte Geschäft entwickeln und ob sich ein außergewöhnliches Wachstum abzeichnet. 34 Zu den Voraussetzungen der Finanzkrise gehörte unter anderem, dass wesentliche Teile der Finanzmärkte (so genannte Special Purpose Companies und Hedgefonds) nicht der Bankenaufsicht unterworfen waren. Außerdem konnten staatliche Aufsichtsbehörden die ausländischen Tochterunternehmen von Banken nicht oder nicht nah genug beurteilen (siehe beispielsweise Problematik der Hypo Real Estate-Tochter in Dublin). 35 Die so genannten Basel II – Vorschriften haben sich als prozyklisch erwiesen. Das heißt, sie verstärken den Wirtschaftsaufschwung wie den –abschwung, ohne dass dies gewollt ist. 36 Systemische Risiken beziehen sich auf die Frage, ob die finanziellen Schwierigkeiten einzelner Banken zu einer Krise des Finanzsystems als Ganzes führen können. Banken, die so groß und bedeutend sind, dass sie im Falle einer Insolvenz das gesamte Finanzsystem zum Einsturz bringen könnten, nennt man systemische Banken. 11 Welche strittigen Punkte gibt es? Einige Vorschläge zur Stabilisierung der Finanzmärkte werden jedoch national wie international kontrovers diskutiert. Dazu gehören: Die Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte (Umsatzsteuer) teils in der Annahme, das Volumen riskanter Geschäfte durch Verteuerung begrenzen zu können, teils mit der Absicht, über die Steuereinnahmen einen Teil der Staatshilfen für Banken wieder zurück zu erhalten.38 Gesetzliche Begrenzung der Boni und Sondersteuer auf Boni von Bankmitarbeitern in der Annahme, dass so kein Anreiz für besonders ertragreiche aber auch riskante Geschäfte entsteht.39 Einführen eines so genannten Trennbanksystems nach US-amerikanischem Vorbild40 durch Trennen des Investmentbanking vom kommerziellen Bankgeschäft, teils in der Annahme, dass aus den unterschiedlichen „Kulturen“ der Geschäftsbereiche besondere Risiken entstehen, teils mit der Absicht, große Banken so zu verkleinern, dass für sie das „too big to fail“ nicht mehr gilt.41 Mehr Kompetenzen und Machtbefugnisse für staatliche und supranationale Finanzaufsichtsinstitutionen, vor allem mit dem Ziel, Risiken einer Krise früher erkennen und schneller eingreifen zu können. Neuregeln der künftigen Rolle staatlicher Banken (in Deutschland betrifft das insbesondere die Zukunft der Landesbanken). Mit der Diskussion über die strittigen Themen geht man über den Bereich der „technischen“ Gestaltung der Finanzmärkte hinaus und spricht grundsätzliche Themen der Wirtschaftsverfassung und der wirtschaftspolitischen Grundordnung an. Abhängig von der politischen Überzeugung und dem Grad der Betroffenheit werden die Handlungsalternativen 37 Bemessungsgrundlage für eine erfolgsbezogene Entlohnung ist nicht nur die aktuelle Gewinnentwicklung, sondern die Erfolgsentwicklung mehrerer Jahre. Folgen einem guten Geschäftsjahr schlechte, so ist das insgesamt zu berücksichtigen. 38 Wesentliche Voraussetzung für eine wirkungsvolle Steuer ist, dass sie weltweit eingeführt wird. Angesichts der globalisierten Finanzmärkte fällt ein Ausweichen auf „Steuer-Oasen“ nicht schwer. 39 Das Motiv einer solchen Regulierung ist in erster Linie populistisch auf den durchaus verständlichen Unmut der Bevölkerung ausgerichtet. Die Wirksamkeit hinsichtlich der Stabilität der Finanzmärkte ist – nicht nur wegen vieler Umgehungsmöglichkeit – anzuzweifeln. 40 Die Beschränkung der Ausübung bestimmter Bankgeschäfte war eine politische Entscheidung der USRegierung nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Sie wurde vor kurzer Zeit faktisch aufgehoben und wird nach den Erfahrungen der aktuellen Krise wieder diskutiert. 41 Diese Diskussion läuft auch unter der Bezeichnung „Zerschlagung“ und gerät dadurch eine besonders ideologisch befrachtete politische Gemengelage. Sachlicher Kern ist die Frage, wie viele „systemische Banken“, also solche großen Banken, deren Insolvenz eine Krise des Finanzsystems auslösen würden, sich ein Staat leisten kann. 12 unterschiedlich beurteilt. Besonders „delikat“ ist die Beteiligung der Banken an den Problemlösungen. Sie sind einerseits als Experten der Finanzmärkte gefragt, sollen andererseits aber an Lösungen mitwirken, die – zumindest sehen das einige so – ihren Interessen zuwiderlaufen. Insofern muss man schon genau prüfen, welche Vorschläge seitens der Finanzinstitute unterbreitet werden. Reichen die Regulierungsvorschläge zum Sichern nachhaltiger Finanzmärkte aus? Beim größten Teil der dargestellten formalen Regulierungen kann man davon ausgehen, dass sie hilfreich sind. Sie bleiben jedoch Flickwerk insofern, als sie letztlich nur versuchen, bereits vorhandene Möglichkeiten der Regulierung zu verbessern. Den Charakter einer neuen globalen Finanzordnung im Sinne des lange Zeit gültigen Systems von Bretton-Woods haben die Vorschläge ohnehin nicht42. Außerdem zeigt sich immer wieder, dass jede Regulierung mit Kreativität oder auch mit krimineller Energie umgangen werden kann. Die großen Herausforderungen zum Bewältigen der Finanzkrise und zum Schaffen nachhaltiger Finanzmärkte wird man meines Erachtens mit dem Erlass formaler Regeln nicht sicher stellen.43 Nachhaltige Finanzmärkte in einer globalisierten Welt bedürfen eines gemeinsamen Werteverständnisses44 als Fundament einer globalen Finanzmarktordnung, die notwendige gemeinsame Regelungen definiert aber auch genügend Spielraum für sinnvolle regionale Sonderregelungen45 lässt. Das gemeinsame Werteverständnis könnte folgende Elemente haben: Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft als „Grundverfassung einer globalen Finanzmarktordnung. Damit würde ein Bekenntnis zu einer Wirtschaftsordnung ausgesprochen werden, die Marktwirtschaft bejaht, die aber soziale und ökologische Verpflichtungen verbindlich anerkennt. 42 Das so genannte System von Bretton-Woods wurde in den 1940er Jahren nach den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise und des Weltkriegs unter maßgeblicher Mitwirkung von John Maynard Keynes als neue Weltwährungsordnung geschaffen. Eine neue umfassende und nachhaltige Globalisierung forderte der Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, schon zu Beginn der Finanzkrise im Oktober 2007. 43 Im Übrigen kann man die staatliche Kontrolle nicht so ausweiten, dass quasi hinter jedem Bankmitarbeiter eine Aufsichtsperson steht. 44 Mit der Einbeziehung von Werten in wirtschaftswissenschaftliche Erörterungen und mit normativen Empfehlungen tun wir uns traditionell schwer. Jahrzehnte lang galten die Anforderungen Max Webers an die Wissenschaft mit dem Postulat der Wertfreiheit. Allerdings kann man die Vorstellung einer idealen Wirtschaft, die von einem freien Markt mit seinem Homo Oeconomicus getragen wird, quasi als Dogma und somit als werturteilsbehaftet ansehen. 45 Es wäre beispielsweise fatal, wenn Regeln, die für global tätige Investmentbanken sinnvoll sind, auch für lokal oder regional tätige Banken mit überschaubarer Geschäftsstruktur anzuwenden sind. 13 Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Verpflichtungen werden auf transparent gemachte ethische Werte aufgebaut. Ideologien, die nur bestimmte Handlungsmöglichkeiten zulassen und einen „Endzweck“ verfolgen, scheiden als ethische Basis aus. Finanzinstitutionen werden auf ihre dienende Funktion für die Wirtschaft verpflichtet und daran gemessen. Eigengeschäfte der Banken sind Zusatzgeschäfte, sollen aber das Geschäftsmodell nicht dominieren. Andernfalls sind staatliche Hilfen nicht gerechtfertigt.46 Das traditionelle Prinzip des „ehrbaren Kaufmanns“47 gilt als Verhaltensnorm für die Führungskräfte in Banken. Sitte und Brauch, was man tut und nicht tut, sind – auch wenn es über rechtlich verbindliche Vorgaben hinausgeht – Elemente eines als verbindlich angesehenen Selbstverständnisses. 5. Orientierungshilfen für die praktische Umsetzung Die Umsetzung von Ideen ist umso leichter, als man sich an bewährten praktischen Beispielen orientieren kann. Selbst wenn man kein „Patentrezept“, das vorbehaltslos anzuwenden ist, erwarten darf, so kann man dennoch einige Anregungen erhalten. Zwei Bereiche, die meines Erachtens ein lange Erfahrung mit nahhaltigem Wirtschaften haben, möchte ich herausstellen: Die Forstwirtschaft und das Genossenschaftswesen. Im Folgenden werden einige Wesensmerkmale der beiden Bereich in Thesenform dargelegt und Analogien und Schlussforderungen48 – gleichermaßen als Thesen – formuliert. In der Forstwirtschaft Europas wird Nachhaltigkeit seit Jahrhunderten gelebt. Schmerzliche Erfahrungen mit dem Raubbau der Wälder und der Pflanzung von Monokulturen haben ein Bewusstsein gefördert, das Ökonomie, Ökologie und gesellschaftliche Verpflichtung als untrennbare Einheit versteht. Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft ist nach wie vor primär ein ökonomisches Anliegen. Die Nutzung des Waldes soll nicht nur jetzt, sondern auch folgenden Generationen einen nachhaltigen Nutzen sichern, sei es als Einkommen der Waldbesitzer oder als Nutzer des 46 Die Rechtfertigung staatlicher Hilfen ergibt sich aus dem „öffentlichen Charakter“ der für die Funktion der Gesamtwirtschaft erforderlichen Finanzdienstleistungen. 47 Mit diesem, seit dem Mittelalter in Europa bekannten Begriff sind Kaufleute gemeint, die sich über ihre fachliche Qualifikation hinaus durch „ehrbares“ im Sinne von „tugendhaftes“ Verhalten auszeichnen. Die Vorstellungen von den zu beachtenden Tugenden haben sich zwar im Laufe der Jahrhunderte verändert, nach wie vor beinhalten sie aber das Gebot, unabhängig von rechtlichen Vorschriften auch ethische Normen zu beachten. 48 Zur leichteren Lesbarkeit werden die Analogien und Schlussfolgerungen kursiv dargestellt. 14 wertvollen Rohstoffs Holz .49 Kurzfristige Erfolgssteigerungen mittels übermäßiger Holzeinschläge (Raubbau) schmälern das Einkommen und die Nutzungsmöglichkeit zweier nachfolgender Generationen. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Im Grunde genommen ganz einfach: Primäres Anliegen ist der Generationen überdauernde, nachhaltige wirtschaftliche Erfolg. Er ist jedoch nur unter Berücksichtigung ökologischer und soziale Anforderungen zu verwirklichen. Forstliche Geschäftsmodelle, die auf leicht zu bewirtschaftenden und frühzeitig zu verwertenden Monokulturen beruhen, bergen hohe Risiken. Kalamitäten wie Windwurf, Schneedruck und Borkenkäferbefall können eine forstwirtschaftliche Planung völlig über den Haufen werfen und zu gravierenden Einkommensverlusten führen. Selbst wenn man beispielsweise eine Fichtenmonokultur durch Pflanzung und Naturverjüngung dauerhaft erhalten will, kann man das Gegenteil herbeiführen, nämlich den Verlust der Wirtschaftsgrundlage. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Die so genannten Blasen an den Finanzmärkten sind durch eine extrem einseitig ausgerichtete, einem „Mainstream“ folgende Expansion einiger weniger Finanzprodukte gekennzeichnet. „Klumpenrisiken“50 entstehen, die verheerende Folgen haben, wenn Unvorhergesehenes passiert. Eine Kalamität lösten die weltweit riesigen Bestände an fragwürdigen Wertpapieren im Besitz der Banken und anderer Finanzinstitutionen aus. Forstliche Geschäftsmodelle, die ökologische Gegebenheiten berücksichtigen und eine standortgemäße Waldstruktur anstreben, bringen zwar weniger oder erst spät zu realisierende Einnahmen, sind aber resistenter gegenüber Kalamitäten. Der Verzicht auf schnelle Nutzung und Gewinnerwirtschaftung zahlt sich aus. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Jede Bank ist ein Individuum, hat eine prägende Geschichte, bewegt sich in einem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld und hat eine eigene „Kultur“ im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Eigentümern. Abrupte Änderungen in der gewachsenen Identität – etwa durch Verfolgen völlig neuer Geschäftsmodelle – mögen wegen veränderter Marktverhältnisse geboten erscheinen, führen aber regelmäßig zu erheblichen Friktionen.51 49 Die strengsten Regelungen einer nachhaltigen Nutzung gab es in Regionen, in denen es wegen Bergbaus einen besonders großen Bedarf an Holz gab. Das galt beispielsweise im 18. Jahrhundert in Sachsen in der Zeit des Schöpfers des Begriffs der Nachhaltigkeit, Carl von Carlowitz oder auch schon Jahrhunderte zuvor in vielen Regionen der Salzgewinnung. 50 Viele kleine Risiken, die für sich genommen keine Krise auslösen können, werden durch Häufung (Klumpenbildung) durchaus zu einem großen, schwer beherrschbaren Risiko. 51 Die Liste gescheiterter Geschäftsmodelle ist lang. Sie beginnt bei missglückten Fusionen und setzt sich mit vielen gescheiterten Aktivitäten in Bereichen fort, für die nicht nur eine fachliche Expertise, sondern auch eine 15 Das Prinzip „Schuster bleib bei deinen Leisten“ mag zwar mit Verzicht auf möglicherweise höhere Einnahmen verbunden sein, kann aber ein Überleben in Krisenzeiten gewährleisten. Diese Individualität darf auch nicht von der Politik und von den Finanzaufsichtsbehörden übersehen werden. Der Erhalt einer differenzierten Bankenstruktur („Artenvielfalt“) hat sich gerade jetzt als stabilisierend für das Finanzsystem erwiesen.52 Wälder haben über ihre ökologische Funktion hinaus eine große gesellschaftliche Bedeutung als Ort der Erholung. Die Freizeitnutzung der Wälder muss geduldet werden, in vielen Fällen entstehen hierfür Kosten, die der Waldbesitzer tragen muss. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Die staatlichen Rettungsaktionen zum Erhalt der Finanzmärkte führten zu einem gewaltigen Geldtransfer vom Bürger und Steuerzahler zu den gestützten Banken. Die Öffentlichkeit erwartet nun verständlicherweise, dass die Banken sich wieder ihrer dienenden Funktion für die Wirtschaft besinnen und dementsprechend handeln. Der Grundbedarf an Bankdienstleistungen sollte zu fairen Preisen erhältlich sein. Es wäre grundsätzlich zu prüfen, ob defizitäre Geschäftsbereiche, die jedoch einen hohen Kundennutzen darstellen, nicht durch profitable andere Geschäftsbereiche, insbesondere in den Eigengeschäften, subventioniert werden können.53 Als zweiter Bereich soll das Genossenschaftswesen betrachtet werden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Finanzmärkte künftig hauptsächlich von Kreditgenossenschaften getragen werden sollen – was weder sinnvoll noch machbar wäre -, sondern um Erfahrungen, die mit den Besonderheiten dieser Gruppe gemacht wurden, insbesondere hinsichtlich der Grundprinzipien genossenschaftlichen Handelns54: Das Ziel einer Genossenschaft ist nicht die Gewinnmaximierung, sondern das Fördern der Ziele seiner Mitglieder. Genossenschaften müssen die Erwartungen hinsichtlich des Nutzens der Mitglieder und die Anforderungen einer marktwirtschaftlich gebotenen Gewinnerzielung in Einklang bringen. Damit unterscheiden sie sich sowohl von Kapitalgesellschaften, als auch von Non-Profit-Einrichtungen. betriebliche Kultur geboten sind. Das typische Beispiel ist die Neuaufnahme des Investmentbanking durch Banken, die dieses Geschäftsmodell bislang nicht hatten. 52 Das gilt besonders für das lange Zeit als veraltet geltende und rasch zu verändernde 3-Säulen-Prinzip der deutschen Bankwirtschaft. Während einige große private Banken beinahe einen Zusammenbruch des Finanzmarktes ausgelöst haben und nur mit dreistelligen Milliardenbeträgen am Leben erhalten blieben, konnte die Masse der Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihren Aufgaben unbehelligt nachkommen. 53 So bieten beispielsweise die genossenschaftlichen Sparda-Banken kostenlose Gehaltskonten an. 54 In jüngster Zeit wurden genossenschaftliche Prinzipien gewissermaßen neu entdeckt und öffentlich „honoriert“. So z.B. durch Verleihen des Friedennobelpreises 2006 für Muhammad Yunus und des Wirtschaftsnobelpreises 2009 für Elinor Ostrom. 16 Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Die Finanzmärkte und ihre Institutionen existieren nicht nur ihrer selbst wegen. Ihr Erfolg ist nicht nur an dem aus den Finanzmarktgeschäften resultierenden Gewinn der Banken, sondern auch an der Mehrung des Nutzens der Bankkunden und letztlich auch der Gesellschaft zu beurteilen. Interbankengeschäfte ohne Bezug zu korrespondierenden Kundengeschäfte sind als „Zubrot“ und nicht als Hauptgeschäftszweck anzusehen. In Genossenschaften sind die Kunden zugleich die Eigentümer und können so die Grundsätze der Geschäftspolitik mitbestimmen. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Ein konsequent verfolgtes Shareholder-Value-Prinzip mit Priorität der Eigentümerinteressen in Form von hohen Dividenden und/oder hohen Kurssteigerungen ist grundsätzlich in Konflikt mit den Interessen der Kunden. Nachhaltiges Wirtschaften setzt aber nicht nur zufriedene Eigentümer, sondern zufriedene Stakeholder55 voraus. Es ist eine Balance der unterschiedlichen Interessen der Stakeholder zu finden. Genossenschaften sind in der Mehrzahl nur lokal oder regional tätig. Sie kennen die Herausforderungen ihrer Kunden und Mitglieder und können sich darauf einstellen. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Mit zunehmender Entfernung vom Kunden und von den „realen Wirtschaftsprozessen“56 verschwimmen die Vorstellungen vom Bedarf an Finanzdienstleistungen. Die Produkte werden auf einen abstrakteren Bedarf ausgerichtet. Finanzwelt und reale Wirtschaftswelt drohen auseinander zu driften. Eigentümer, die nicht zugleich Kunden sind, stören sich an dieser Entwicklung meistens so lange nicht, als die kurzfristigen Gewinne darunter nicht leiden. Langfristig gerät ein Unternehmen jedoch in Schwierigkeiten, wenn es den Bedarf seiner Kunden vernachlässigt. Genossenschaften arbeiten freiwillig, arbeitsteilig und subsidiär in einem Netzwerk zusammen, um die Nachteile der geringen Betriebsgröße zu kompensieren. Konzernstrukturen kommen nur im Ausnahmefall vor. Was bedeutet das für die Finanzmärkte? In den Vorschlägen für einen nachhaltigen Finanzmarkt wird immer wieder die These vertreten, Deutschland brauche mehrere große, global tätige Banken, um sich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können. Mit dieser Maßgabe werden auch 55 Zu den Stakeholdern gehören alle Personen und Einrichtungen, die den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens ermöglichen. Das sind neben den Eigentümern die Mitarbeiter, die Kunden und auch das gesellschaftliche Umfeld. 56 Damit sind Produktionsprozesse gemeint, in denen Güter und Dienstleistungen hergestellt werden. 17 Übernahmen und Fusionen von Banken zu international vergleichbaren Großkonzernen befürwortet. Nun ist es in der Tat richtig, dass eine globale Wirtschaft auch einen globalen Finanzmarkt und globale Banken braucht57. Die Frage ist nur, ob dies für die Finanzwirtschaft insgesamt gilt. Der weitaus größte Teil der Wirtschaft ist lokal oder regional, allenfalls grenzüberschreitend, nicht jedoch global im engeren Sinne. Die in diesem Bereich tätigen Unternehmen benötigen primär Banken mit Kenntnis der örtlichen und regionalen Gegebenheiten. Dies erklärt auch den hohen Marktanteil, den Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Geschäft mit dem Mittelstand haben. Sofern auch bei kleinen Unternehmen ein Bedarf an globalen Finanzprodukten besteht, kann dieser grundsätzlich mittels der spezialisierten Finanzinstitute des genossenschaftlichen Verbundes im In- und Ausland dargestellt werden.58 Die vorgenannten Ausführungen zur Forstwirtschaft und zum Genossenschaftswesen mögen vielleicht als zu ideal und zu werblich angesehen werden. Sie helfen – bei aller Unzulänglichkeit, die wir auch in diesen Bereichen kennen – den Blick zu erweitern, wenn es um die Beurteilen von Vorschlägen für nachhaltige Finanzmärkte geht. 6. Schlussbetrachtungen Zum Schluss komme ich auf den als Frage formulierten Untertitel meines Vortrags zurück. Sind nachhaltige Finanzmärkte eine romantische Illusion, eine Show oder eine realistische Notwendigkeit? Eine romantische Illusion wären Finanzmärkte, die sich primär an ökologischen und sozialen Forderungen ausrichten und das marktwirtschaftliche Gebot der Gewinnerzielung vernachlässigen. „Der Weg zur Hölle ist mit Tugenden gepflastert.“ Es gibt genügend Banken, die für politische Vorhaben großzügig und unter Missachten der Risiken Kredite gegeben haben und schließlich in Existenzprobleme geraten sind.59 Als Show kann man wohl bezeichnen, wenn Finanzinstitute „Green Banking“ oder andere Begriffe aus dem Nachhaltigkeitsvokabular eher nur zur Öffentlichkeitsarbeit einsetzen, um so ein altruistisches Bild von sich in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Es kommt letztlich auf die Gesamtsicht an, was eine Bank wirklich unternimmt, um den Kriterien der Ökologie und der sozialen Belange gerecht zu werden und wie groß der Anteil der geschäftlichen Aktivitäten ist, der auf Nachhaltigkeitsprodukte entfällt. 57 Ein aktuelles Beispiel sind die ehrgeizigen Vorhaben eines länderübergreifenden Netzes an WindenergieAnlagen in der Nordsee mit Investitionen in Milliardengröße. 58 Für Großunternehmen stellt sich die Frage durchaus anders. Sie brauchen regelmäßig ein global tätiges Finanzinstitut. Ob dies unbedingt ein deutsches Institut sein soll, ist fraglich – zumal diese nationale Ansicht auch dem Bild einer globalisierten Welt widerspricht. In Deutschland haben wir zwar mit der Deutschen Bank das einzige wirklich globale Finanzinstitut, Großunternehmen unterhalten jedoch schon seit langem Geschäftsbeziehungen mit anderen globalen Banken, unabhängig von deren formalen Firmensitz. . 59 Ein solches Beispiel ist die im bayerischen Hof ansässige SchmidtBank, die 2005 untergegangen ist. 18 Nachhaltigkeit ist im Sinne des Wortes „notwendig“ – es soll die Not wenden -, wenn dadurch Finanzmärkte wieder ihren Funktionen nachkommen können und in Zukunft resistenter gegen Krisenentstehung sind. Dies ist zwar in erster Linie eine ökonomische Herausforderung, die aber ohne Rücksicht auf ökologische und soziale Belange in der zuvor angesprochenen Weise kaum zu meistern ist. Bloße Gewinnmaximierung und Shareholder Value – so wie es in den meisten Betriebswirtschaftslehre-Büchern steht, sind letztlich romantische Illusionen anderer Art. Die Erkenntnis der Herausforderungen an nachhaltige Finanzmärkte darf nicht Thema von Festvorträgen bleiben. Sie sollte auch in die Lehrpläne der Hochschulen eingehen. Das traditionelle Denken in Modellen mit undifferenzierter Gewinnmaximierung, mit dem Entscheidungsverhalten eines Homo Oeconomicus und mit einer mathematisch-basierten Scheinsicherheit, versperrt den Blick auf grundlegende Probleme und Problemlösungsmöglichkeiten und verleitet zum Leben in einer Scheinwelt60. Mit dem Bild dieser Scheinwelt dürfen wir die Hochschulabsolventen nicht in die Welt der praktischen Wirklichkeit entlassen. 60 Die Scheinwelt der Banker kann man im Vergleich von Schauspielern und Bankern pointiert darstellen: Der Schauspieler schlüpft mit Betreten der Bühne in eine Rolle, die er mit größter Überzeugung spielt. Die Zuschauer sind vom Spiel ergriffen. Wenn der Vorhang fällt, kehren Schauspieler und Publikum wieder in ihre reale Welt zurück. Sie wissen, dass es nur ein Spiel war. Bei Bankern und ihrem Publikum verschwimmen die Grenzen von Spiel und Realität. Es fällt kein Vorhang. Allenfalls stürzt das Bühnenhaus ein. Siehe: Zehelein, K. (Präsident der Bayerischen Theaterakademie), Kunst und Krise. Vorwort zum Programm des neuen Studienganges 2009. 19