Leseprobe zum Titel

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Grundlagen
fekte wird teilweise durch die besonderen Pflichten der Medienunternehmen
erreicht (vgl. Heinrich 2001, S. 95 f. sowie Kiefer 2001, S. 135 f.).
Aufmerksamkeit produzieren Medienunternehmen für bestimmte Themen, sie
benötigen diese für den Konsum ihrer Produkte aber auch selbst. Damit gewinnt eine Theorie der Aufmerksamkeit für Medienunternehmen an Bedeutung.
Im Zentrum der Aufmerksamkeitstheorie steht die Aufmerksamkeit als knappes
und damit wirtschaftliches Gut. Die Analysen hierzu wurden vor allem im Zusammenhang mit den Onlinemedien und der Vernetzung forciert.
Aufmerksamkeit kann aber nicht direkt als Zahlungsmittel gelten. Sie muss in
Geld umgewandelt werden. Das erfolgt über PageImpressions, Visits und ähnliche Kriterien, die auch schon bisher als Werbewährung dienen (vgl. Ziegler
2012, S. 12). Aus dieser Sicht ist dies also keine neue Ökonomie. Allerdings zeigen die Überlegungen zur Aufmerksamkeitsökonomie ein Defizit der Medienökonomie: „Open Source-Angebote oder das Engagement nichtkommerzieller
Privatanbieter, die werbefreie persönliche Homepages offerieren, lassen sich
nicht allein mit monetären Kalkülen erklären“ (Beck/Schweiger 2000).
Eine strategische Perspektive für die klassischen, etablierten Medien kann es
sein, im Wettbewerb mit den neuen Medien, den Rezipienten auf Themen und
Entwicklungen aufmerksam zu machen.
Medienprodukte sind teilweise meritorische Güter. Allgemein handelt es
sich bei meritorischen Gütern um Produkte, die nicht in dem erwünschten
Ausmaß nachgefragt werden (bspw. Bildung). Im Vergleich dazu sind demeritorische Güter Produkte, die zu stark nachgefragt werden (bspw. Drogen). Die
Entscheidung darüber, was zu wenig bzw. zu viel ist, wird von politischen Entscheidungsträgern gefällt und ist damit Ausdruck einer paternalistischen Grundhaltung. Zur Beseitigung der nicht erwünschten Situation werden dann Eingriffe
in den Markt als notwendig erachtet (vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer 1975, S.
76 ff.). Allerdings ist fraglich, ob die Bereitstellung meritorischer Güter bereits
zum Konsum führt oder ob zusätzlich noch eine Verpflichtung zum Konsum
notwendig ist. Im Medienbereich widerspräche eine Verpflichtung zum Konsum dem Grundrecht der Informationsfreiheit. Im Medienbereich stellt öffentlich-rechtlicher Rundfunk ein meritorisches Gut dar (vgl. Wolf 2006, S. 26 ff.).
Medienprodukte sind meist unteilbar, zeitelastisch und zeitgebunden.
Kinofilme, Zeitungen oder Magazinbeiträge werden als Ganzes angeboten. Sie
können selten einzeln oder in Teilen gekauft werden. Die Unteilbarkeit des An20
Besonderheiten des Medienbereichs
gebotes verhindert jedoch nicht den selektiven Konsum. Insbesondere bei Fernsehen und Hörfunk tritt zu der Unteilbarkeit des Angebotes heute noch die
zeitgebundene Nutzung hinzu, die sich allerdings durch die Verbreitung von
DVD- und Videorekordern und digitalem Fernsehen abschwächt.
Zeitelastisch sind Medienprodukte insoweit, als sie nach dem Konsum deutlich
an Wert verlieren. Dies ist bei aktuellen Inhalten, wie bei einer Sportdirektübertragung, der Fall. Es handelt sich dabei also um ein Verbrauchsgut, auch wenn
das Gut an sich materiell noch vorhanden ist. Es stiftet für den Rezipienten aber
keinen großen Zusatznutzen. Unterhaltung hingegen ist weniger zeitelastisch
und lässt sich daher zu den Gebrauchsgütern rechnen. Die Abnahme des Nutzens erfolgt nicht so schnell wie bei Sportdirektübertragungen oder Börsenkursen (vgl. Sjurts 2004, S. 166 f.).
Medienprodukte stehen in einem kulturbedingten Kontext. Dies schränkt
ihre kommerzielle internationale Verwertbarkeit ein. Dies bezieht sich sowohl
auf Sprachbarrieren als auch auf die Relevanz bestimmter Nachrichten und die
Präsentation sowie die Ausgestaltung der Beiträge. Die kulturellen Grenzen sind
umso höher, je stärker das Medienprodukt auf die Alltagssituation der Rezipienten zugeschnitten ist. So bringen bspw. eigenproduzierte Serien mit deutschen
Schauspielern höhere Einschaltquoten als synchronisierte amerikanische Serien,
selbst wenn die Inhalte und Strukturen angeglichen wurden. Auch die Gestaltung der Websites orientiert sich zu einem Teil an den jeweiligen nationalen
Konsumgewohnheiten bei Mediengütern. Dieser so genannte Cultural Discount
wird umso niedriger, je größer der Kulturraum ist, für den produziert wird.
Aus der Größe des Kulturraums erklärt sich die Dominanz amerikanischer
Spielfilmproduktionen oder die Dominanz der englischen Sprache. Der ökonomisch attraktivere Kulturraum setzt damit die Akzente für die kleineren Kulturregionen und erlangt dort Akzeptanz bzw. es erfolgt Angleichung. Aus kulturpolitischer Perspektive kann sich durch diesen ökonomischen Mechanismus das
Problem des Verlustes kultureller Identität ergeben. Es werden daraus zum Teil
Markteingriffe im Sinne protektionistischer Maßnahmen zum Schutz und Erhalt
der heimischen Medienindustrie und Kultur gerechtfertigt. Andererseits lässt
sich die kulturelle Angleichung positiv beurteilen (vgl. Detering 2001, S. 50 ff.).
Die Existenz und Bedeutung bspw. lokaler Presseerzeugnisse zeigt aber auch,
dass spezifische Informationen für kleine Kulturräume ihren Markt besitzen.
Die angeführte Problematik entsteht vor allem im Unterhaltungsbereich.
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Grundlagen
Insgesamt ist der Globalisierungsgrad im Medienbereich gering. Es „dominieren
bei den Märkten für Medienprodukte nationale Absatzgebiete, in einigen Teilbereichen sogar regionale Absatzmärkte“ (Seufert 2004, S. 82). Insbesondere
Rundfunksender, Zeitungsverlage aber auch Internetagenturen verfügen nur
über relativ geringe Umsatzanteile auf globalen Märkten. Allerdings macht eine
globale Erweiterung der Absatzmärkte nur Sinn, solange sich die Produktionskosten auf mehr Rezipienten verteilen und damit Stückkostenreduktionen einhergehen, die größer sind als die Zusatzkosten der jeweiligen Marktausweitung
(vgl. Seufert 2004, S. 83). Internationalisierungstendenzen großer Medienunternehmen sind jedoch Fakt (vgl. Sjurts/Strubl 2010) und sprechen auf den ersten
Blick gegen die Existenz eines Cultural Discounts. Allerdings macht globale Expansion im Medienbereich nur solange Sinne, solange die Stückkostensenkung
durch die Erhöhung der Rezipientenzahl größer ist als die dadurch notwendigen
Anpassungskosten an nationale Eigenarten (vgl. Seufert 2004, S. 84 f.).
Abb. 2: Ökonomische Merkmale von Medienprodukten
Marktfähigkeit
Qualitätsbewertung
Produktart
Materialität
Kostenstruktur
Rivalität im Konsum
Meritorisches Gut
Rezipientenmarkt
Werbemarkt
stark eingeschränkt
schwierig/komplex
Erfahrungsund Vertrauensgüter
immaterieller Verbrauch
hoher Fixkostenanteil
nicht vorhanden
teilweise
vollkommen
einfach
Inspektionsgüter
Quelle: In Anlehnung an Sjurts 2005, S. 12
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materieller Verbrauch
geringer Fixkostenanteil
vorhanden
kein meritorisches Gut
Medienunternehmen und ihr Umfeld
1.3 Medienunternehmen und ihr Umfeld
Wie alle Unternehmen sind nach der Systemtheorie auch Medienunternehmen
soziotechnische Systeme: Menschen und Maschinen fungieren als Elemente in
dem System Unternehmung und stehen zueinander in Beziehungen. Außerdem
handelt es sich bei Medienunternehmen um offene Systeme: Dies ergibt sich aus
den Beziehungen des Unternehmens zu seinem Umfeld bzw. zu seinem Umsystem. Durch diese Offenheit steigt die Komplexität umso stärker, je vielfältiger
und verschiedener die Beziehungen zum Umfeld sind. Darüber hinaus führt die
Offenheit zu einem dynamischen System, da das Umsystem seinerseits Wandlungen unterliegt, die Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Die Bedingungen
durch das Umfeld beeinflussen die Planungen und Entscheidungen in den Unternehmen. Sie können andererseits auch von den Unternehmen direkt oder indirekt beeinflusst werden (vgl. Ulrich 1970, S. 112).
Für einen Überblick und für die Analyse der Ausgangsbedingungen ist es deshalb sinnvoll, das Umfeld von Medienunternehmen in eine Struktur zu bringen
und in einzelne Bereiche zu zerlegen: Wie alle Unternehmen stehen auch Medienunternehmen direkt mit dem Absatzmarkt, Kapitalmarkt und Beschaffungsmarkt sowie mit unterstützenden Dienstleistern in Beziehung. Dabei sind sie
überall mit ihren aktuellen und potenziellen Wettbewerbern konfrontiert. Darüber hinaus sind Medienunternehmen nicht nur Elemente des wirtschaftlichen
Systems. Sie haben für ihre Planungen auch die rechtlich-politische, die soziokulturelle, die wissenschaftlich-technische und die natürliche Umwelt mit in ihre
Planungen einzubeziehen (vgl. Thommen/Achleitner 2009, S. 53 ff.).
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Grundlagen
Abb. 3: Das Umsystem von Medienunternehmen
Quelle: eigene Darstellung
Der Stakeholder-Ansatz rückt die Analyse des Umsystems in den Mittelpunkt.
Stakeholder sind Anspruchsgruppen, die aktiv Einfluss auf Entscheidungen im
Unternehmen nehmen und ihm im Gegenzug Ressourcen zur Verfügung stel24
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