Geologische-ökologische Bedeutung kieseliger Protisten am

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Geologische-ökologische Bedeutung kieseliger Protisten
am Beispiel der Diatomeen
Astrid Schaller
TU Bergakademie Freiberg, Institut für Geologie, Bernhard von Cotta-Str. 2,
09599 Freiberg, [email protected]
Zusammenfassung. Kieselalgen stellen eine der formenreichsten Gruppe innerhalb der einzelligen Algen dar. Aufgrund ihrer guten Anpassungsfähigkeit, ihres
Arten- und Individuenreichtums und ihrer weiten Verbreitung sind sie von außerordentlichem Interesse für Wissenschaftler. Sie dienen der Erforschung und Untersuchung von Gewässern in Hinsicht limnologisch-ökologischer Parameter. In der
Geologie sind die fossilen Ablagerungen bestimmter Diatomeentaxa für biostratigraphische Zwecke sowie für die Rekonstruktion damaliger Umwelt- und Klimabedingungen bedeutsam. Die folgende Ausarbeitung soll Einblicke in die Biologie der Kiesalgen sowie deren vielfältigen Bedeutung in der Ökologie und Geologie geben.
1. Einleitung
Die Diatomeen bzw. Kieselalgen gehören zum Stamm der Phycophyta (Meister,
1968) und bilden die Klasse der Bacillariophyceae, wobei sich diese Bezeichnung
von der ersten beschriebenen Art Bacillaria paradoxa ableitet. Diatomeen sind
einzellige, eukaryotische und überwiegend photoautotrophe Algen. Einige Arten
bilden sternförmige, kettenförmige oder fächerförmige Kolonien. Das Größenspektrum variiert von weniger als 1 µm bis hin zu 2000 µm, bei Süßwasserarten
zwischen 10 und 100 µm (Barron, 1993), bei marinen Arten bis zu 2 mm. Ein
wichtiges Merkmal der Diatomeen sind die Zellwände, bestehend aus amorpher
Kieselsäure (SiO2*nH2O). Die Kieselalgen sind somit über geologische Zeiträume
erhaltungsfähig.
Es sind über 10.000 Arten in 200 Gattungen beschrieben. Die Zahlen fossiler
Arten schwanken allerdings zwischen 40.000 und 100.000. In Meeren und Ozeanen stellen die Diatomeen die wichtigsten Primärproduzenten dar und spielen eine
entscheide Rolle im Kohlenstoff-, Siliziumdioxid- und Nährstoff-Haushalt der O-
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zeane (Armstrong & Brasier, 2005). Diatomeen zeigen eine artspezifische Sensitivität gegenüber physikalischen und chemischen Bedingungen und können sehr
schnell auf veränderte Umweltbedingungen reagieren.
Zur genauen Untersuchung und Klassifikation der Diatomeen nach ihren speziellen Strukturen dient häufig ein Licht- oder Rasterelektronenmikroskop.
2. Biologie der Diatomeen
2.1 Morphologie und Systematik
Die Diatomeen (Klasse Bacillariophyceae) werden zusammen mit den Goldalgen
(Klasse Chrysophyceae) und den Goldgrünalgen (Klasse Xanthophyceae) in die
Abteilung der Chrysophyta gestellt (Barron, 1993), da Vertreter dieser Klassen
gemeinsame Merkmale aufweisen. Die Algengruppen bilden endoplasmatische
Zysten, speichern Lipide statt Stärke in ihren Zellen und die Chloroplasten sind
durch das Pigment Fucoxanthin goldbraun gefärbt. Die Diatomeen bauen, als einzige Algengruppe, amorphe Kieselsäure in die Zellwände ein. Einige Gattungen
der Goldalgen können nur silikathaltige Plättchen bilden und in ihren Panzer einbauen,
Die taxonomische Einordnung der Diatomeen leiten sich aus Morphologie und
Feinstruktur der verkieselten, schwer löslichen Zellwände (Skelett) ab. Aufgrund
ihrer Schalengeometrie werden die Diatomeen in zwei Ordnungen unterteilt. Die
Centrales zeichnen sich durch einen radialsymmetrischen Aufbau aus, wogegen die
Pennales bilaterale Symmetrieverhältnisse aufweisen (Meister, 1968). Beide Ordnungen sind durch typische Schalenfeinstrukturen charakterisiert (Abb. 2.1.1).
Abbildung 2.1.1: Morphologische Grundformen der Diatomeen in der Schalenansicht,
Centrales (A, B) und Pennales (C- E). A- Coscinodiscus, B- Triceratium, C- Cocconeis, DRhaphoneis, E- Denticulopsis, Skalierung 10 µm (Barron in Lipps, 1993, Fig. 10.1)
Die verkieselten Zellwände der Diatomeen bestehen aus zwei ineinander greifende
Schalenhälften, der Hypo- und Epivalve, sowie einem Gürtelband. Das Gürtelband
besteht aus den zwei Gürtelbandelementen Epicingulum und Hypocingulum (Barron, 1993). Die größere Schale (Epivalve), zusammen mit dem Gürtelbandelement,
wird als Epitheka bezeichnet, während die kleinere Schale (Hypovalve) und ihr da-
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zugehöriges Element Hypotheka genannt wird. Die ineinander greifenden Schalen
stellen die sogenannte Frustela dar (Abb.2.1.2).
Abbildung 2.1.2: Schematischer Aufbau der Diatomeenfrustel (Barron in Lipps, 1993,
Fig.10.2 A).
Prinzipiell unterscheiden sich Schalen- und Gürtelbandansicht nach ihren Feinstrukturen. Die Strukturelemente sind oft Durchbrüche in den Schalen wie Raphen
und Rippen oder Öffnungen wie apikale Poren und Areolen.
Typische Merkmale für die Arten der Ordnung Centrales (Abb. 2.1.3 a) sind
Lippen- und Stürzfortsätze, Dornen sowie Borsten, die sich auf der Zelloberfläche
zwischen Gürtelband- und Schalenansicht befinden können. Die Ordnung ist durch
ein punktförmiges Symmetriezentrum charakterisiert. Die Schalen in der Schalenansicht können rundlich, drei- oder viereckig ausgebildet sein (Armstrong & Brasier, 2005). Fortsätze, Filamente und Dornen sind typisch für planktische Arten und
dienen der Bewegung in der Wassersäule.
Abbildung 2.1.3: Darstellung der Symmetrieverhältnisse von a: Centrales und b: Pennales.
(Baier, 2003, Abb. 6).
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Die Arten der Ordnung Pennales (Abb. 2.1.3 b) zeichnen sich durch die häufig
längliche, elliptische Schalenform aus. Sie können stab- oder schiffchenförmige,
mitunter auch bogen- oder S-förmig gekrümmte Schalen ausbilden (Brüchmann,
1998). Für die zugehörigen Arten sind die Rippen ein wichtiges Erkennungsmerkmal. Diese sind intern um einen zentralen Bereich hin angeordnet. Im Zentrum der
Schalenansicht befindet sich die Raphe. Über diesen spaltförmigen Durchbruch
kann ein Plasma ausgeschieden werden, welches zur Fortbewegung dient. Zentrale
und polare Knoten auf der Schalenoberfläche sind typische Merkmale und dienen
der taxonomischen Einteilung.
2.2 Reproduktion der Diatomeen
Die Reproduktion der Diatomeen verläuft sowohl vegetativ als auch generativ. Bei
der vegetativen Zellteilung (Mitose) werden beide Diatomeenschalen (Valven) der
zu teilenden Zelle als Epitheka an die beiden neuen Tochterzellen vererbt. Jeder
neuen Zelle steht somit eine neue Theka zur Verfügung, sodass eine neue Hypotheka gebildet werden muss d.h. bei einer der beiden Tochterzellen wird die Hypotheka zu einer neuen Epitheka. Dies hat eine Verkleinerung der Zellen zur Folge
(Abb. 2.2.1). Sobald eine Mindestgröße erreicht ist, kann keine Teilung mehr stattfinden. Die generative Fortpflanzung setzt ein. Diese Art der Vermehrung erfolgt
über Auxosporen (Barron, 1993). Dabei werden Sporen über Iso- oder Anisogamie
(Pennales) oder über Oogamie (Centrales) gebildet. Es kommt zur Bildung von
haploiden Gametenkernen. Bei der Verschmelzung zweier haploider Gameten entsteht eine diploide Zygote, die zur Auxospore heranwächst. Erneute vegetative
Zellteilung setzt nach Erreichen einer bestimmten Größe ein.
Abbildung 2.2.1: Schema der vegetativen Vermehrung (Barron in Lipps, 1993, Fig.10.8)
Die Diatomeen sind in der Lage eine hohe Reproduktionsrate zu erzielen und können somit schnell auf veränderte Umweltbedingungen reagieren.
Einige Arten bilden bei ungünstigen Wachstumsbedingungen, wie z.B. Nährstoffknappheit, Dunkelheit, zu niedrige Temperaturen und fehlender Feuchtigkeit,
Dauerstadien aus (Brüchmann, 1998). Diese Eigenschaft ermöglicht eine weite
geographische Verbreitung.
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2.3 Verbreitung der Diatomeen
Die Verbreitungsgebiete der Diatomeen sind im Zusammenhang mit ökologischen
Bedingungen zu betrachten. Die Entwicklung der Algenflora ist von verschiedenen
Faktoren wie Licht, Temperatur, Nährstoffbedingungen, Salinitätsgrad u.a. sowie
biologischen Wechselbeziehungen wie Konkurrenz abhängig. In Bezug auf die
Standorte sind die Diatomeen in allen Klimaten lebensfähig und entfalten sich ausschließlich in Feuchthabitaten. Die Kieselalgen sind aufgrund ihrer außerordentlichen Anpassungsfähigkeit und weiten Verbreitung Kosmopoliten (Brüchmann,
1998). Es gibt nur wenige endemische Arten. Sie leben als Plankter (pelagische Arten) oder auf dem Boden (benthische Arten) in Teichen, Seen, Flüssen, Marschgebieten, Lagunen, Meeren und Ozeanen (Armstrong & Brasier, 2005). In den Meeren und Ozeanen stellen sie einen wichtigen Bestandteil des Phytoplanktons dar.
Zahlreiche Arten sind aerophil, d.h. sie leben in stark belüfteten Standorten wie auf
feuchten Felsen, Moosen, Flüssen oder in Küstenzonen. Die auf einem feuchten
Substrat lebenden Algen (epibenthische Arten) können assoziiert sein mit Steinen
(epilithisch), Sand (epipsammisch), Ton (epipelisch), mit Pflanzen (epiphytisch)
oder mit Tieren (epizoisch) (Baier, 2002). Viele grüne Wasserpflanzen und das
Watt zeigen daher charakteristisch braune Überzüge bzw. Verfärbungen durch das
Pigment Fucoxanthin.
2.4 Ökologie
Diatomeen betreiben Fotosynthese und bilden die Grundlage von Nahrungsketten
in vielen aquatischen Ökosystemen. Sie benötigen genügend Licht und CO2 für
Wachstum und Vermehrung. Einige Arten sind teilweise heterotroph und fähig aus
organischen Stoffen CO2 zu beziehen. Konzentrationen von Sauerstoff, Stickstoff,
Phosphor und Silizium sind die wichtigsten regulierenden Faktoren für die Entwicklung, Verbreitung und Häufigkeit der Diatomeen in den Gewässern. Das Auftreten der Algen steht im direkten Zusammenhang zu den Regionen höherer Gehalte im Oberflächenwasser (Barron, 1993). Weitere Elemente wie Sulfat, Bor,
Barium, Magnesium und Vitamin B12 sind ebenfalls notwendig für das Wachstum
verschiedener Arten.
Anhand spezifischer Vergesellschaftungen der Diatomeen, deren Artenspektrum
und Dominanzspektrum sowohl der saisonalen als auch der interannuell fortschreitenden Sukzession unterliegen, kann auf den Einfluss weiterer limnologischer Parameter, wie pH-Wert, Salinität, Alkalinität und Temperatur, geschlossen werden.
Relative pH-Abstufungen können mit Wachstumsbedingungen bestimmter Diatomeenarten korreliert werden. Dies ist nur begrenzt möglich, da die meisten Arten
in Gewässern mit mittleren pH-Werten zwischen 6 und 8 vorkommen. Erst für die
Bereiche bestimmter Azidität bzw. Basizität d.h. für pH-Werte unter 6 bzw. über 8
ist es möglich, bestimmte Arten als Bioindikatoren auszuweisen. Die je nach Salinitätsgrad (Elektrolytgehalt) vorkommenden Kieselalgen werden nach Hustedt
(1953) in ein Halobiensystem eingeordnet. Man unterscheidet halophobe Arten,
Oligohalobien, Mesohalobien und Polyhalobien, wobei die ersten beiden im Süßwasser auftreten. Zu den Mesohalobien zählen Brackwasser- und Meeresformen.
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Polyhalobien fordern einen hohen Salzgehalt und sind besonders empfindlich gegenüber Salinitätsschwankungen in den Küstengebieten. Für die Einordnungen in
Meeres-, Brackwasser- und Süßwasserarten sind keine scharfen Grenzen zu ziehen,
in allen Gruppen sind an eine bestimmte Konzentration angepasste (stenohaline)
wie auch weniger empfindliche (euryhaline) Formen zu finden, die größere
Schwankungen des Salzgehaltes vertragen (Hustedt, 1953). Viele Diatomeenarten
weisen Toleranzen in Hinsicht der erwähnten Parameter auf.
Einfache Indikationssysteme wie das Halobiensystem, wonach die Arten entsprechend ihrer ökologischen Präferenz zu Gruppen zusammengefasst und anhand
ihrer relativen Häufigkeiten gewichtet werden, wurden für pH- und Trophieberechnungen sowie zur Charakterisierung des Saprobiegrades (Intensität der heterotrophen Stoffumsetzungen) von Gewässern entwickelt (Baier, 2003). Auf der
Grundlage der Kenntnis der Autökologie der einzelnen Taxa lässt sich aus der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der Diatomeenflora auf die Intensitäten der im Gewässer erwähnten wirksamen Umweltparameter schließen. Sie dienen
somit als Indikator für Eutrophierung und Abwasserbelastung, folglich zur Beurteilung von Wasserqualitäten in Seen und Fließgewässern. Zur Umsetzung der EGWasserrahmenrichtlinie (seit 2000) sind die Diatomeen Bestandteil der biologischen Qualitätskomponente Makrophyten und benthische Algen in Fließgewässern.
Saisonale Veränderungen in Temperatur, Licht und Nährstoffgehalt verursachen
saisonale Sukzessionen der planktischen Arten. Algenblüten (Blooms) werden
durch den saisonalen Aufstieg von Tiefenwässern (Upwelling) hervorgerufen, welche die Oberflächenwässer in der lichtdurchfluteten Zone mit Nährstoffen anreichern, die sich sonst in tieferen Wasserschichten befinden. In Seen verursachen
Frühjahrs- und Herbstzirkulation durch jahreszeitliche Wind- und Temperaturänderungen eine Umschichtung des Wasserkörpers und damit Algenblüten im Frühling
und Spätsommer. Die Kieselalgen benötigen weniger Licht und geringere Temperaturen als z.B. die Grünalgen und haben somit einen Wachstumsvorteil. Die Diatomeenpeaks enden, wenn das Silizium im Wasser aufgebraucht ist. Der bimodale
Jahresverlauf der Diatomeenentwicklung ist in Seen und Fließgewässern der gemäßigten Klimazone sowie in marinen Habitaten zu beobachten.
3. Geologische Bedeutung der Diatomeen
3.1 Sedimentbildung
Rezente Bildungen von Diatomeenablagerungen sind auf erhöhte biologische Produktion der Diatomeen zurück zuführen. Nach Barron (1993) korrelieren wiederum
die Gebiete hoher Produktionsraten mit Regionen, die hohe Konzentrationen von
SiO2, Nitraten und Phosphaten im Oberflächenwasser aufweisen (Abb. 3.1.1).
Geologische-ökologische Bedeutung kieseliger Protisten am Beispiel der Diatomeen 7
Abb. 3.1.1: Globale Verteilung der Extraktion von SiO2 (Gramm SiO2 /m2 pro Jahr) durch
das Phytoplankton im Oberflächenwasser der Ozeane (Barron in Lipps, 1993, Fig. 10.9)
Hohe Bioproduktion, Wachstum der Algenflora und Sedimentation der Diatomeen
sind besonders in Upwelling-Gebieten ausgeprägt. Unterschiedliche Oberflächenströmungen oder Winde verursachen Zirkulationen im Wasserkörper und folglich
eine Nährstoffzufuhr durch die Tiefenwässer. Die heutigen Hauptgebiete biogener
Akkumulation befinden sich in den Ozeanen:
(1) des äquatorialen Bereiches wie Indischer und Pazifischer Ozean (Abb. 3.1.2)
(2) sub- arktischer Wässer der Nordhemisphäre wie Nordatlantik, Japanisches
und Ochotskisches Meer, Beringmeer
(3) sub- antarktischer Wässer der Südhemisphäre zwischen 45° und 65° S.
Abb. 3.1.2: Verteilung und Konzentration fossiler Diatomeenschalen in den Sedimenten des
Pazifischen und Indischen Ozeans (Barron in Lipps, 1993, Fig. 10.10)
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Hervorzuheben sind Küstengebiete östlich angrenzender Strömungen oder Winde,
wie entlang der Küste von Kalifornien, Peru (El Niño), und SW-Afrika. Diese
Kontinentalränder sind besonders betroffen von Upwelling. Der Nährstoffreichtum
in Küstennähe kann auch durch den Eintrag der Flüsse vom Festland hervorgerufen
werden.
In kälteren Gebieten nahe der Antarktis und des Nordpazifiks variieren die
Temperaturdifferenzen zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser nicht mehr signifikant, so dass Nährstoffe schneller aus der Tiefe an die Oberfläche aufsteigen
können ohne windbeeinflusste Umwälzungen.
Trotz der Nährstoffverfügbarkeit ist das Oberflächenwasser nach dem Diatomeenwachstum an SiO2 untersättigt, da es zum Aufbau des Skeletts der Diatomeen dem Wasser entzogen wird. Nach dem Absterben sinken die Valven zu Boden. In den Ozeanen führt dies zur Sedimentation und Bildung von Diatomiten
(Harwood, 1999). Diatomite sind poröse, leichte Sedimente, die durch die Akkumulation und Kompaktion der Schalen entstehen. In den fossilen Ablagerungen ist
mehr Silikat (70- 90%) gebunden, als die SiO2- Gehalte in den oberen Wasserschichten aufweisen.
In geringen Wassertiefen kann allerdings SiO2 gelöst werden, mit zunehmender
Tiefe und Druckverhältnissen sowie abnehmenden Temperaturen wird die Löslichkeit schlechter.
3.2 Biostratigraphie
Die Methodik der Biostratigraphie ist umso besser anwendbar, je jünger die fossilen Daitomeenablagerungen sind. Neogene und quartäre Diatomite sind für biostratigraphische Untersuchungen geeigneter als Ablagerungen aus dem Paläogen und
der Kreide, da mehr Material, aufgrund der weiteren Verbreitung, zur Verfügung
steht. Neogene und quartäre biostratigraphische Events der Kieselalgen sind in
Verbindung mit der Magnetostratigraphie zu betrachten, so dass eine Korrelation
der Biochronologie über paläobiographische Grenzen erleichtert werden kann
(Barron, 1993). Magnetostratigraphie gründet darauf, welche Arten im Laufe der
geologischen Zeit auftreten und aussterben. Migrationsereignisse sind somit von
evolutionären Vorgängen unterscheidbar.
Für die Biostratigraphie mariner Diatomeen sind holoplanktische Arten geeignet, da diese verbreiteter sind als benthische oder neritische Algen (Flachwasseralgen). Im Flachwasserbereich, lokal häufig durch Zonen charakterisiert, dienen diese wiederum als Marker für die Taxonomie. In höheren als auch in niedrigen
geographischen Breiten entwickelten sich Zonen (Abb. 3.1.1), da die Diatomeen in
beiden klimatischen Regionen verschiedenartig und häufig auftreten. Die Diatomeenvergesellschaftungen zeigen einen hohen Grad des Provinzialismus, besonders in posteozänen Sedimenten. In den Gebieten niedriger Breiten ist das Auftreten der Diatomeen besonders auf die Upwelling-Regionen begrenzt, so dass sie
nicht für biostratigraphische Analysen genutzt werden können.
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Abbildung 3.2.1: Stratirgraphische Einordnung planktischer mariner Diatomeen (Armstrong & Brasier, 2005, Fig.17.5)
Die Abbildung 3.2.1 zeigt die biostratigraphische Einordnung einzelner mariner
Gattungen. Die nachweislich ältesten fossilen Diatomeenablagerungen mariner
zentrischen Arten stammen aus dem Jura und der Unterkreide (Barron, 1993). Erste frühe Formen der Kieselalgen sind vermutlich kugelförmig gewesen und besaßen noch keine opalinen Zellwände, sondern nur in den Zellen eingebaute Plättchen wie die Zellen der heutigen Goldalgen. Die Empfindlichkeit der amorphen
Kieselsäure in Bezug zur Löslichkeit und deren möglichen Mangel bei gut entwickelten kieselhaltigen Valven erklärt, warum die Diatomeen keine älteren geologischen Belege liefern.
Die Kieselalgen zeigen ein geringes Artensterben an der Kreide-Tertiär Grenze
(Abb.3.2.1). Diatomitablagerungen von Süßwasserarten sind seit dem Eozän und
Miozän bekannt. Erste Arten pennater Formen wie Nitzschia treten im Oligozän
auf.
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Nach Harwood (1999) zeigen die Analysen von Akkumulationsraten diatomeenhaltiger Sedimente seit der Kreide Schwankungen im geologischen Zeitverlauf und in der Verteilung von Diatomiten in den Ozeanen, mit Perioden maximaler Kieselsäureanreicherungen während der Spätkreide, mittleren Eozän, und
späten Miozän. Wie bereits bei der Sedimentbildung erwähnt, kann bis zu 90% biogenes Silikat im Ozean abgelagert werden. In Ästuaren und küstennahen Becken
akkumulieren keine Diatomite, aufgrund hoher terrigener Sedimentzufuhr. Süßwasserdiatomite sind mit Seen assoziiert, wo der klastische Sedimenteintrag gering
ist.
Die Kieselalgenzusammensetzung innerhalb des Pleistozäns zeigt einen erheblichen Anstieg der Populationen während der Vereisungsphasen infolge zunehmender Oberflächenzirkulation, Upwelling und erhöhten Nährstoffniveaus (Barron,
1993). Diatomeen haben sich zusammen mit den Radiolarien an die zunehmende
Konkurrenz und Knappheit von Silikat im Oberflächenwasser angepasst.
3.3 Rekonstruktion von Umwelt- und Klimabedingungen
Diatomeen sind aufgrund ihres Artenreichtums und der weiten geographischen
Verbreitung ökologisch spezialisierter Taxa geeignete Indikatoren verschiedener
Umweltbedingungen in allen Gewässern. In Abhängigkeit von den wirksamen Intensitäten abiotischer Parameter ihres Lebensraumes (siehe Kapitel 2.4) bilden sich
spezifische Vergesellschaftungen der Diatomeen. Die Kieselalgen sind auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen in ihrem Habitat angewiesen und besitzen spezifische
Optima wie in Bezug auf Phosphor und Stickstoff (Kapitel 2.4). Sie reagieren daher sensibel auf den Grad der Verfügbarkeit einzelner Nährstoffe und auf limnologischen Veränderungen wie Wasserspiegelschwankungen, Temperatur, pH-Wert
und Salinität.
An strömungsarmen Stellen z.B. in Seen und in Altgewässern von Flussauen
oder in Marschgebieten, werden geschichtete Sedimente abgelagert, in denen die
verkieselten Valven der Diatomeen enthalten sind. Diese Ablagerungen können
über geologische Zeiträume hinweg konserviert werden und sind sehr gut erhaltungsfähig.
Die Analyse von Veränderungen fossiler Diatomeenablagerungen im Vertikalprofil laminierter Sedimente können Tendenzen der Entwicklung limnologisch relevanter Umweltfaktoren über die Zeitspanne vom Einsetzen der ungestörten Sedimentation bis zur Gegenwart abgeleitet werden. Neben qualitativen Aussagen zur
Entwicklung des untersuchten Habitates können quantitative Rekonstruktionen von
Entwicklungen ausgewählter limnischer Parameter durchgeführt werden. Im Vordergrund paläolimnischer Rekonstruktionen stehen die Untersuchungen des pHWertes und Konzentrationen des Phosphors.
Die Grundlage quantitativer Rekonstruktionen bestimmter limnischer Umweltparameter durch Diatomeenanalyse bilden regional statistisch kalibrierte Transferbeziehungen zwischen den betreffenden Umweltfaktoren und den rezenten Diatomeengesellschaften. Die für die Diatomeen existierenden Transferfunktionen
beziehen sich häufig auf pH-Wert, Gesamtphosphor und Salinität. Die Absolutwerte von Variablen, die aus Diatomeen-Transferfunktionen resultieren, und qualitati-
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ve Schwankungen von Variablen, die aus artspezifischen Optima in Bezug auf
Licht, Temperatur, Turbulenz und Nährstoffverhältnisse (Si/P, N/P) abgeleitet
werden, gestatten indirekte Aussagen über das Paläoklima (Baier, 2003). Klimatische Veränderungen haben Auswirkungen auf limnologische Prozesse. In Verbindung mit präzisen Altersdatierungen können Aussagen zum Ausmaß und zum
chronologischen Ablauf von Zustandsveränderungen des untersuchten Gewässers
getroffen werden. Die Erfassung von Änderungen der Nährstoffverfügbarkeit ermöglicht beispielsweise die Rekonstruktion von Eutrophierungsphasen, die sowohl
anthropogen als auch klimatisch verursacht sein können.
In hydrologisch offenen Systemen wie Seen und Flussauen, die durch Zu- und
Abflüsse und Grundwassereinträge beeinflusst sind, stellen Rekonstruktionen limnologischer und klimatischer Änderungen eine Herausforderung dar. Veränderungen der limnologischen Gegebenheiten sind oft schwächer ausgeprägt als in geschlossenen Systemen. Bevorzugt werden oft Seesediment-Archive mit
Jahresschichten (Warven), da diese eine zeitlich hochauflösende Datierung ermöglichen. Warvenzählungen in Kombination anderer chronostratigraphischen Methoden wie Radiokarbon-Datierung und pollenanalytische Untersuchungen (Palynostratigraphie) erlauben die Erstellung eines Altersmodells über das
Bildungsgeschehen der Sedimente.
Literatur
Armstrong, H. A., Brasier, M.D. (2005): Microfossils. 2. ed., Blackwell, Malden, 200- 209.
Baier, J. (2003): Diatomeen als Indikatoren für Umwelt- und Klimaänderungen- Eine mittelbis spätholozäne paläolimnologische Studie am Holzmaar, Westeifel. Reihe: Scientific
Technical Report STR03/03, GeoForschungsZentrum Potsdam,, Univ., Diss., Potsdam.
Barron, J.A. (1993): Diatoms. In: Lipps, J.H. (Hrsg.): Fossil prokaryotes and protists.
Blackwell Scientific Publ., Boston, 155- 167.
Brüchmann, C. (1998): Diatomeen in frühholozänen Warven des Holzmaares (Eifel) und ihre Bedeutung für paläolimnologische Rekonstruktionen. Univ., Diss., Potsdam.
Harwood, D.M. (1999): Diatomite. In: Stoermer, E.F., Smol (Hrsg.): The Diatoms: Applications fort he Environmental and Earth Sciences. Cambridge, 436-443.
Hustedt, F. (1953): Die Systematik der Diatomeen in ihren Beziehungen zur Geologie und
Ökologie nebst einer Revision des Halobiensystems. – Svensk. bot. Tidskr., 47, 4: 509- 519;
Uppsala, 56- 63.
Meister, F.E. (1968): Untersuchung über Zusammenhänge zwischen Daitomeenführung und
Sedimentaufbau, dargestellt an Seeablagerungen der Lisan Formation bei Jericho, Palästina,
und dem Lampa-Becken, El Salvador.
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