62 BZB Januar/Februar 11 Wissenschaft und Fortbildung Das Sofortimplantat bei „mehrwurzeliger“ Alveole Ersatz eines ersten oberen Molaren durch ein Sofortimplantat mit Vollkeramikkrone E i n B e i t r a g v o n D r. Vo l k e r K n o r r, E i s l i n g e n / F i l s Fehlende erste obere Molaren werden nach wie vor gerne durch Brücken ersetzt. Der Lückenschluss mit einem Implantat scheint vielen Patienten zu kompliziert, da in der Regel mehrere chirurgische Eingriffe benötigt werden, die eine lange Behandlungsdauer mit sich bringen. Die Sofortimplantation bietet hier eine Alternative, die ästhetisch, parodontalhygienisch und auch finanziell an Bedeutung gewinnt. Nachfolgend stellt der Autor seine Technik vor. Ausgangssituation Ein 40-jähriger Patient stellte sich zur Versorgung aller vier Quadranten in unserer Praxis vor. Im Rahmen dieser Versorgung entschlossen wir uns zur Entfernung des nicht erhaltungswürdigen Zahnes 26. Der Zahn war tief zerstört und marktot (Abb. 1). Auf dem Röntgenbild zeigte sich eine apikale Ostitis (Abb. 2). Nach entsprechender Aufklärung des Patienten planten wir zum Lückenschluss ein Sofortimplantat mit einer individuell hergestellten Vollkeramikkrone. Chirurgische Behandlung Nach der schonenden Entfernung des dreiwurzeligen Zahnes (Abb. 3 und 4) wurde zentral im interradikulären Septum eine Primärbohrung angelegt. Übereinstimmend mit der Vermessung des Orthopantogramms (OPG) wurde nach acht Millimetern der Kieferhöhlenboden erreicht. Das zukünftige Implantatbett wurde anschließend mit rotierenden Instrumenten sowie Osteotomen im Sinne eines internen Sinuslifts auf elf Millimeter verlängert. Dabei wurde die kaudale Kompakta des Sinus maxillaris abwechselnd rotierend abgetragen und perkussiv bearbeitet, ohne die basale Kieferhöhlenschleimhaut zu verletzen. Nach vorsichtiger Perforation des knöchernen Sinusbodens wurde die Schneidersche Membran behutsam mit einem Kombinationsprodukt aus Kollagen und bovinem Knochenersatzmaterial [2-4,6,7,10-17] nach kranial verdrängt und danach ein Implantat mit dem Durchmesser 4,3 mm und der Länge 11 mm inseriert (Abb. 5). Die Alveolen des dreiwurzeligen Zah- nes und die noch verbliebenen Hohlräume wurden mit bovinem Knochenersatzmaterial und den bei der Aufbereitung des Implantatbettes angefallenen Knochenspänen locker gefüllt (Abb. 6) [2-4,6,7,1017]. Danach deckten wir den Defekt mit einer nicht resorbierbaren Membran ab und fixierten distal die bukkale und die palatinale Papille mit einer Naht (Abb. 7). Drei Wochen später wurde die Membran entfernt. Während der viermonatigen Einheilung verspürte der Patient in regio 26 keine Schmerzen, es trat auch keine Schwellung auf. Nach der Einheilung des Implantates (Abb. 8) und Entfernung der Membran (Abb. 9) musste das Implantat nicht freigelegt werden; nur die Ränder der Abb. 1: Klinischer Ausgangsbefund. Im geschilderten Zusammenhang ist der marktote, tief zerstörte und nicht erhaltungswürdige Zahn 26 von Bedeutung. Abb. 2: Röntgenmundfilm des Zahnes 26 Wissenschaft und Fortbildung Abb. 8: Postoperatives Röntgenbild Abb. 7: Abdeckung des Defektes mit einer nicht resorbierbaren Membran und Fixierung der disto-bukkalen und der disto-palatinalen Papille mit einer Naht Abb. 9: Nach drei Wochen wurde die Membran entfernt. Deckschraube waren mit Gewebe bedeckt (Abb. 10). Die Abformung des Implantates und weiterer präparierter Zähne – darunter auch die dem Implantat benachbarten Zähne 27 und 25 (Abb. 11) – erfolgte mit einem offenen Löffel. Zwei Wochen später wurden 17 Vollkeramikrestaurationen eingegliedert, unter anderem für die Zähne 25 und 27 und das Implantat 26 (Abb. 12 bis 14). 63 Abb. 5: Insertion des Implantates in den interalveolären Knochen nach internem Sinuslift Abb. 3 und 4: Zustand unmittelbar nach vorsichtiger Extraktion von 26 Abb. 6: Die Alveolen des dreiwurzeligen Zahnes und die noch verbliebenen Hohlräume wurden mit bovinem Knochenersatzmaterial und den bei der Aufbereitung des Implantatbettes angefallenen Knochenspänen locker gefüllt. BZB Januar/Februar 11 Abb. 10: Nach weiterer Wundheilung waren nur die Ränder der Deckschraube des Implantates mit Gewebe bedeckt. Beim Kontrollbesuch nach einem Jahr waren röntgenologisch und klinisch keine gravierenden Veränderungen zu erkennen (Abb. 15 und 16). Vorteile des Verfahrens Im Gegensatz zur verzögerten Sofortimplantation bietet die interalveoläre Sofortimplantation am oberen ersten Molaren folgende Vorteile: 64 BZB Januar/Februar 11 Wissenschaft und Fortbildung Abb. 11: Die Situation vor der Abformung Abb. 12: Röntgenbild vier Tage nach der prothetischen Versorgung des Implantates mit einer Vollkeramikkrone Abb. 13: Der komplett mit vollkeramischen Kronen versorgte Oberkiefer Abb. 14: Detailansicht der implantatgetragenen Vollkeramikkrone in regio 26 Abb. 15: Röntgenaufnahme nach einem Jahr Abb. 16: Detailansicht der implantatgetragenen Vollkeramikkrone ein Jahr nach der Eingliederung · einschließlich Zahnentfernung nur ein chirurgischer Eingriff erforderlich, · wenig postoperative Beschwerden, · gute Ästhetik [1,9], · kurze Behandlungsdauer, · geringe Kosten. Mit einer Brücke von 25 auf 27 kann das beschriebene Verfahren in finanzieller Hinsicht nicht konkurrieren. Ästhetisch und parodontalhygienisch [5] bietet es jedoch Vorteile. So wurden bei der Versorgung mit Einzelkronen die Interdentalräume nicht verblockt, wie das bei einer Brücke der Fall gewesen wäre. Außerdem konnten die Zähne 25 und 27 substanzschonend mit adhäsiv befestigten Teilkronen versorgt werden. Besonderheiten Selbstverständlich fordern verschiedene Wurzeltopographien eine Variation des chirurgischen Vorgehens. In Fällen mit weit gespreizten Wurzeln ist die vertikale Ausdehnung der Konfluenz der interradikulären Septen geringer als in obigem Fall. Auch die interradikuläre Ausdehnung der Kieferhöhle ist dominanter. Verwendet man ein Implantat mit knochenverdichtenden und selbstschneidenden Eigenschaften, kann eine Primärstabilität von 25 Ncm und mehr erreicht werden. Dabei spielt die Verankerung des Implantates im knöchernen Boden der Kieferhöhle eine entscheidende Rolle. Mögliche postoperative Komplikationen ähneln in Häufigkeit und Ausprägung denen nach einer Extraktion. Zur Verhinderung einer trockenen Alveole sind folgende Maßnahmen empfehlenswert: · kleine Implantatdurchmesser [8], · Schutz des Blutkoagulums (Folie und Naht beziehungsweise Abutment und Provisorium bei Sofortbelastung), · antibiotische Abdeckung, · Rauchverbot. Korrespondenzadresse: Dr. Volker Knorr Mühlgäßle 6 73054 Eislingen/Fils [email protected] Literatur beim Verfasser