Das Sofortimplantat bei „mehrwurzeliger“ Alveole

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BZB Januar/Februar 11
Wissenschaft und Fortbildung
Das Sofortimplantat bei
„mehrwurzeliger“ Alveole
Ersatz eines ersten oberen Molaren durch ein Sofortimplantat mit Vollkeramikkrone
E i n B e i t r a g v o n D r. Vo l k e r K n o r r, E i s l i n g e n / F i l s
Fehlende erste obere Molaren werden nach wie vor
gerne durch Brücken ersetzt. Der Lückenschluss mit
einem Implantat scheint vielen Patienten zu kompliziert, da in der Regel mehrere chirurgische Eingriffe
benötigt werden, die eine lange Behandlungsdauer
mit sich bringen. Die Sofortimplantation bietet hier
eine Alternative, die ästhetisch, parodontalhygienisch und auch finanziell an Bedeutung gewinnt.
Nachfolgend stellt der Autor seine Technik vor.
Ausgangssituation
Ein 40-jähriger Patient stellte sich zur Versorgung
aller vier Quadranten in unserer Praxis vor. Im
Rahmen dieser Versorgung entschlossen wir uns
zur Entfernung des nicht erhaltungswürdigen Zahnes 26. Der Zahn war tief zerstört und marktot
(Abb. 1). Auf dem Röntgenbild zeigte sich eine apikale Ostitis (Abb. 2). Nach entsprechender Aufklärung des Patienten planten wir zum Lückenschluss
ein Sofortimplantat mit einer individuell hergestellten Vollkeramikkrone.
Chirurgische Behandlung
Nach der schonenden Entfernung des dreiwurzeligen Zahnes (Abb. 3 und 4) wurde zentral im interradikulären Septum eine Primärbohrung angelegt.
Übereinstimmend mit der Vermessung des Orthopantogramms (OPG) wurde nach acht Millimetern
der Kieferhöhlenboden erreicht.
Das zukünftige Implantatbett wurde anschließend
mit rotierenden Instrumenten sowie Osteotomen
im Sinne eines internen Sinuslifts auf elf Millimeter
verlängert. Dabei wurde die kaudale Kompakta des
Sinus maxillaris abwechselnd rotierend abgetragen
und perkussiv bearbeitet, ohne die basale Kieferhöhlenschleimhaut zu verletzen. Nach vorsichtiger
Perforation des knöchernen Sinusbodens wurde
die Schneidersche Membran behutsam mit einem
Kombinationsprodukt aus Kollagen und bovinem
Knochenersatzmaterial [2-4,6,7,10-17] nach kranial verdrängt und danach ein Implantat mit dem
Durchmesser 4,3 mm und der Länge 11 mm inseriert (Abb. 5). Die Alveolen des dreiwurzeligen Zah-
nes und die noch verbliebenen Hohlräume wurden
mit bovinem Knochenersatzmaterial und den bei
der Aufbereitung des Implantatbettes angefallenen
Knochenspänen locker gefüllt (Abb. 6) [2-4,6,7,1017]. Danach deckten wir den Defekt mit einer nicht
resorbierbaren Membran ab und fixierten distal
die bukkale und die palatinale Papille mit einer
Naht (Abb. 7). Drei Wochen später wurde die Membran entfernt. Während der viermonatigen Einheilung verspürte der Patient in regio 26 keine
Schmerzen, es trat auch keine Schwellung auf.
Nach der Einheilung des Implantates (Abb. 8) und
Entfernung der Membran (Abb. 9) musste das Implantat nicht freigelegt werden; nur die Ränder der
Abb. 1: Klinischer Ausgangsbefund. Im geschilderten Zusammenhang ist der marktote, tief zerstörte und nicht erhaltungswürdige
Zahn 26 von Bedeutung.
Abb. 2: Röntgenmundfilm des Zahnes 26
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Abb. 8: Postoperatives Röntgenbild
Abb. 7: Abdeckung des Defektes mit einer nicht resorbierbaren Membran und
Fixierung der disto-bukkalen und der disto-palatinalen Papille mit einer Naht
Abb. 9: Nach drei Wochen wurde die Membran entfernt.
Deckschraube waren mit Gewebe bedeckt (Abb. 10).
Die Abformung des Implantates und weiterer präparierter Zähne – darunter auch die dem Implantat benachbarten Zähne 27 und 25 (Abb. 11) – erfolgte mit einem offenen Löffel. Zwei Wochen später wurden 17 Vollkeramikrestaurationen eingegliedert, unter anderem für die Zähne 25 und 27
und das Implantat 26 (Abb. 12 bis 14).
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Abb. 5: Insertion des Implantates in den interalveolären
Knochen nach internem Sinuslift
Abb. 3 und 4: Zustand unmittelbar nach vorsichtiger Extraktion von 26
Abb. 6: Die Alveolen des dreiwurzeligen Zahnes und die noch verbliebenen Hohlräume wurden mit bovinem Knochenersatzmaterial und den bei der Aufbereitung
des Implantatbettes angefallenen Knochenspänen locker gefüllt.
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Abb. 10: Nach weiterer Wundheilung waren nur die
Ränder der Deckschraube des Implantates mit Gewebe
bedeckt.
Beim Kontrollbesuch nach einem Jahr waren röntgenologisch und klinisch keine gravierenden Veränderungen zu erkennen (Abb. 15 und 16).
Vorteile des Verfahrens
Im Gegensatz zur verzögerten Sofortimplantation
bietet die interalveoläre Sofortimplantation am
oberen ersten Molaren folgende Vorteile:
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Abb. 11: Die Situation vor der Abformung
Abb. 12: Röntgenbild vier Tage nach der prothetischen
Versorgung des Implantates mit einer Vollkeramikkrone
Abb. 13: Der komplett mit vollkeramischen Kronen
versorgte Oberkiefer
Abb. 14: Detailansicht der implantatgetragenen Vollkeramikkrone in regio 26
Abb. 15: Röntgenaufnahme nach einem Jahr
Abb. 16: Detailansicht der implantatgetragenen Vollkeramikkrone ein Jahr nach der Eingliederung
· einschließlich Zahnentfernung nur ein chirurgischer Eingriff erforderlich,
· wenig postoperative Beschwerden,
· gute Ästhetik [1,9],
· kurze Behandlungsdauer,
· geringe Kosten.
Mit einer Brücke von 25 auf 27 kann das beschriebene Verfahren in finanzieller Hinsicht nicht konkurrieren. Ästhetisch und parodontalhygienisch
[5] bietet es jedoch Vorteile. So wurden bei der Versorgung mit Einzelkronen die Interdentalräume
nicht verblockt, wie das bei einer Brücke der Fall
gewesen wäre. Außerdem konnten die Zähne 25
und 27 substanzschonend mit adhäsiv befestigten
Teilkronen versorgt werden.
Besonderheiten
Selbstverständlich fordern verschiedene Wurzeltopographien eine Variation des chirurgischen Vorgehens. In Fällen mit weit gespreizten Wurzeln ist
die vertikale Ausdehnung der Konfluenz der interradikulären Septen geringer als in obigem Fall. Auch
die interradikuläre Ausdehnung der Kieferhöhle ist
dominanter. Verwendet man ein Implantat mit
knochenverdichtenden und selbstschneidenden Eigenschaften, kann eine Primärstabilität von 25 Ncm
und mehr erreicht werden. Dabei spielt die Verankerung des Implantates im knöchernen Boden der
Kieferhöhle eine entscheidende Rolle.
Mögliche postoperative Komplikationen ähneln in
Häufigkeit und Ausprägung denen nach einer Extraktion. Zur Verhinderung einer trockenen Alveole
sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:
· kleine Implantatdurchmesser [8],
· Schutz des Blutkoagulums (Folie und Naht beziehungsweise Abutment und Provisorium bei Sofortbelastung),
· antibiotische Abdeckung,
· Rauchverbot.
Korrespondenzadresse:
Dr. Volker Knorr
Mühlgäßle 6
73054 Eislingen/Fils
[email protected]
Literatur beim Verfasser
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