4 Elementare Mengentheorie 4.3 Relationen [ Partee 27-30, 39-51, McCawley 148-149, Chierchia 534-536 ] Relationen können als spezielle Mengen verstanden werden. Hierfür muss zunächst der Begriff eines weiteren mengentheoretischen Objektes – der des geordneten n-Tupels – eingeführt werden. Geordnete n-Tupel Bei Mengen ist die Reihenfolge ihrer Elemente irrelevant, d.h. es gilt z.B.: {x , y} = {y, x } . Für bestimmte Zwecke werden geordnete Zusammenstellungen von Objekten benötigt. Der einfachste Fall einer solchen Zusammenstellung ist ein geordnetes Paar x , y , wobei x das erste Element und y das zweite Element des Paares ist. Im Allgemeinen gilt: x , y ≠ y, x . Geordnete Paare lassen sich als spezielle Mengen definieren. Auf der Basis von geordneten Paaren lassen sich dann geordnete Tripel x , y, z , Quadrupel x , y, z , z ' , Quintupel x , y, z , z ', z '' etc., allgemein geordnete n-Tupel x1, …, x n , wobei n ∈ N , definieren. Kartesisches Produkt (nach René Descartes, 1596-1650) Aus zwei gegebenen Mengen lässt sich eine Menge von geordneten Paaren bilden. D4.13 A × B =def { x , y | x ∈ A ∧ y ∈ B } „ A kreuz B “ Das Kartesische Produkt (bzw. die Kreuzmenge) von A und B ist die Menge aller geordneten Paare derart, dass das erste Element aus A und das zweite Element aus B stammt. Beispiel: ? Sei A = {a, b, c } und B = {1,2} . A × B = { a,1 , a,2 , b,1 , b,2 , c,1 , c,2 } Bestimme B × A . Verallgemeinerung: D4.14 A1 × ... × An =def { x 1,..., x n | x 1 ∈ A1 ∧ ... ∧ x n ∈ An } „ A1 kreuz ... kreuz An “ Beispiel: Sei A = {a, b, c } und B = {1,2} . ⎧ a,1,1 , a,1, 2 , a, 2,1 , a, 2, 2 ,⎪ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ A × B × B = ⎨ b,1,1 , b,1, 2 , b, 2,1 , b, 2, 2 , ⎬⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ c,1,1 , c,1, 2 , c, 2,1 , c, 2, 2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ ⎭ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 1 4.3 Relationen D4.15 A2 =def A × A „die 2. Kartesische Potenz von A “ Die 2. Kartesische Potenz von A ist das Kartesische Produkt (bzw. die Kreuzmenge) von A mit sich selbst. ? Bestimme A2 für A = {a, b, c } . Verallgemeinerung: D4.16 An =def A × …× A n-mal A „die n. Kartesische Potenz von A “ Relationen als Mengen von n-Tupeln Eine 2-stellige (oder binäre) Relation R zwischen Elementen x und y lässt sich mit { x , y | R(x , y )} , d.h. der Menge der geordneten Paare x , y identifizieren, für die R(x , y ) gilt. D4.17 R ist eine 2-stellige (oder binäre) Relation zwischen Elementen x von A und y von B gdw R ⊆ A × B . Dass zwei Elemente x und y in einer Relation R zueinander stehen, kann also nicht nur mit Hilfe von R(x , y ) oder xRy , sondern auch mit x , y ∈ R angezeigt werden. Beispiel: „… füttert ...“; F : Relation des Fütterns F (x ,y ) xFy x, y ∈ F Beispiel: Angenommen, für A = {Lisa,Bart,Maggie} und B = {Karlo,Pluto} gelte, dass Bart den Kater Karlo und Maggie sowohl Karlo als auch den Hund Pluto füttert. Die Relation des Fütterns F zwischen Elementen von A und Elementen von B ist dann wie folgt bestimmt: F = { Bart,Karlo , Maggie,Karlo , Maggie,Pluto } , wobei F ⊆ {Lisa,Bart,Maggie} × {Karlo,Pluto} , d.h. ⎧ ⎪ Lisa,Karlo , Lisa,Pluto , ⎪ ⎪ ⎪ F ⊆⎪ ⎨ Bart,Karlo , Bart,Pluto , ⎪ ⎪ ⎪ Maggie,Karlo , Maggie,Pluto ⎪ ⎪ ⎩ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 2 4 Elementare Mengentheorie Ein Spezialfall ist eine 2-stellige (oder binäre) Relation R in einer Menge A , d.h. zwischen Elementen ein und derselben Menge. D4.18 R ist eine 2-stellige (oder binäre) Relation in A gdw R ⊆ A2 . ? Angenommen, für A = {Lisa,Bart,Maggie} gelte, dass zum einen Lisa und Maggie Bart und zum anderen Bart und Maggie Lisa mögen und außerdem Bart sich selbst mag. Bestimme die Relation des Mögens M in A als eine Teilmenge von A × A . ⎧ Lisa,Lisa , Lisa,Bart , Lisa,Maggie , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ A×A = ⎪ ⎨ Bart,Lisa , Bart,Bart , Bart,Maggie , ⎪ ⎪ ⎪ Maggie,Lisa , Maggie,Bart , Maggie,Maggie ⎪ ⎪ ⎩ ⎪⎫⎪ ⎪⎪ ⎪⎬ ⎪⎪ ⎪⎪ ⎭⎪ Verallgemeinerung: Eine n-stellige Relation R zwischen Elementen x 1,..., x n lässt sich entsprechend mit { x 1, …, x n | R(x 1, …, x n )} , d.h. mit der Menge der geordneten n-Tupel identifizieren, für die R(x 1, …, x n ) gilt. x 1 , …, x n D4.19 R ist eine n-stellige Relation zwischen Elementen x 1 von A1 , x 2 von A2 , ... und x n von An gdw R ⊆ A1 × ... × An . Eine 2-stellige (oder binäre) Relation kann auch als eine Abbildung aus einer Menge nach einer Menge aufgefasst werden. D4.20 R ist eine Abbildung aus A nach B gdw R ⊆ A × B . Beispiel: Die binäre Relation des Fütterns F zwischen Elementen von A = {Lisa,Bart,Maggie} und Elementen von B = {Karlo,Pluto} lässt sich als Abbildung aus A nach B wie folgt darstellen: Lisa Bart Maggie A Karlo Pluto B Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 3 4.3 Relationen Jedes Element von B , das mit einem bestimmten Element x von A gepaart auftritt, heißt ein Bild von x bei R . Umgekehrt heißt jedes Element von A , das mit einem bestimmten Element y von B gepaart ist, ein Urbild von y bei R . Die Menge der Urbilder bei R bilden den Vorbereich Vb und die Menge der Bilder den Nachbereich Nb von R . D4.21 (1) Vb(R) =def {x ∈ A | ∃y ∈ B [ x , y ∈ R ]} (2) Nb(R) =def {y ∈ B | ∃x ∈ A [ x , y ∈ R ]} ? Gib für die Relationen F und M jeweils deren Vor- und Nachbereich an. Das Komplement R ' einer Relation R ⊆ A × B enthält alle geordneten Paare aus A × B , die nicht Elemente von R sind. D4.22 R ' =def { x , y | x , y ∉ R} Dagegen enthält die Inverse R−1 einer Relation R ⊆ A × B alle geordneten Paare aus B×A , die aus den Paaren von R dadurch hervorgehen, dass die Reihenfolge von deren Elementen umgekehrt wird. D4.23 R−1 =def { y,x | x ,y ∈ R} Beispiel: Wenn F = { Bart,Karlo , Maggie,Karlo , Maggie,Pluto } , dann ist F ' = { Bart,Pluto , Lisa,Karlo , Lisa,Pluto } und F −1 = { Karlo,Bart , Karlo,Maggie , Pluto,Maggie } . ? Wie lässt sich das Komplement F ' von F und die Inverse F −1 von F angesichts dessen charakterisieren, dass F die Relation des Fütterns („... füttert ...“) ist? ? Bestimme die Relationen M ' und M −1 als Teilmengen von A × A . Eigenschaften von binären Relationen D4.24 (1) R in A ist reflexiv gdw ∀x ∈ A [ x , x ∈ R ] . (2) R in A ist irreflexiv gdw ∀x ∈ A [ x , x ∉ R ] . Beispiele: (a) (b) Sei A = {1,2,3} . zu (1): R1 = { 1,1 , 2,1 , 2,2 , 3,3 } zu (2): R2 = { 1,3 , 2,3 } Sei A die Menge der Menschen. zu (1): „... ist ebenso alt wie ...“ zu (2): „... ist älter als ...“ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 4 4 Elementare Mengentheorie D4.25 (1) R in A ist symmetrisch gdw ∀x ,y ∈ A[ x ,y ∈ R → y,x ∈ R ] . (2) R in A ist asymmetrisch gdw ∀x ,y ∈ A[ x ,y ∈ R → y,x ∉ R ] . (3) R in A ist antisymmetrisch gdw ∀x ,y ∈ A[ x ,y ∈ R ∧ y,x ∈ R → x = y ] . Beispiele: (a) (b) zu (1): zu (2): zu (3): R3 = { 1,2 , 2,1 , 2,2 } R4 = { 1,2 , 3,1 } R5 = { 1,1 , 2,3 } zu (1): „... ist Geschwister von ...“ zu (2): „... ist Mutter von ...“ zu (3): „... ist nicht älter als ...“ D4.26 (1) R in A ist transitiv gdw ∀x ,y,z ∈ A[ x ,y ∈ R ∧ y,z ∈ R → x ,z ∈ R ] . (2) R in A ist intransitiv gdw ∀x ,y,z ∈ A[ x ,y ∈ R ∧ y,z ∈ R → x ,z ∉ R ] . Beispiele: (a) (b) zu (1): zu (2): R6 = { 1,1 , 1,2 , 1,3 , 2,3 } R7 = { 1,2 , 2,3 } zu (1): „... ist Vorfahre von ...“ zu (2): „... ist Großtante von ...“ D4.27 R in A ist konnex (oder linear) gdw ∀x ,y ∈ A[x ≠ y → x ,y ∈ R ∨ y,x ∈ R ] . Beispiele: (a) (b) ? R8 = { 1,3 , 2,1 , 3,2 } „... ist älter als ... oder ebenso alt“ Welche der vorangehend definierten Eigenschaften hat die Relation M ? M = { Lisa,Bart , Bart,Lisa , Bart,Bart , Maggie,Lisa , Maggie,Bart } D4.28 (1) R aus A nach B ist linkstotal gdw ∀x ∈ A∃y ∈ B [ x , y ∈ R ] (2) R aus A nach B ist rechtstotal (oder surjektiv) gdw ∀y ∈ B ∃x ∈ A [ x , y ∈ R ] . Damit gibt es bei linkstotalem R zu jedem Element von A mindestens ein Bild (d.h. Vb(R)= A ), bei rechtstotalem R zu jedem Element von B mindestens ein Urbild (d.h. Nb(R) = B ). ? Sind die Relationen F und M linkstotal oder rechtstotal oder beides? ? Was folgt hieraus jeweils für die inversen Relationen F −1 und M −1 ? Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 5 4.3 Relationen D4.29 (1) R aus A nach B ist linkseindeutig (oder injektiv) gdw ∀x , x ' ∈ A∀y ∈ B [ x , y ∈ R ∧ x ', y ∈ R → x = x '] . (2) R aus A nach B ist rechtseindeutig gdw ∀x ∈ A∀y, y ' ∈ B [ x , y ∈ R ∧ x , y ' ∈ R → y = y '] . Damit gibt es bei linkseindeutigem R zu jedem Element von B höchstens ein Urbild, bei rechtseindeutigem R zu jedem Element von A höchstens ein Bild. ? Sind die Relationen F und M linkseindeutig oder rechtseindeutig oder beides? ? Was folgt hieraus jeweils für die inversen Relationen F −1 und M −1 ? Spezielle Arten von binären Relationen Eine Relation, die reflexiv, symmetrisch und transitiv ist, ist eine Äquivalenzrelation. Beispiele: (a) (b) R9 = { 1,1 , 1,2 , 1,3 , 2,1 , 2,2 , 2,3 , 3,1 , 3,2 , 3,3 } „... ist ebenso alt wie ...“ Eine Relation, die reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist, ist eine schwache Ordnungsrelation (oder reflexive Halbordnung). Beispiele: (a) (b) R10 = { 1,1 , 1,2 , 1,3 , 2,2 , 3,3 } „... ist nicht älter als ...“ Eine Relation, die irreflexiv, asymmetrisch und transitiv ist, ist eine strenge Ordnungsrelation (oder irreflexive Halbordnung). Beispiele: (a) (b) R11 = { 1,2 , 1,3 , 2,3 } „... ist älter als ...“ Eine Relation, die reflexiv, antisymmetrisch, transitiv und konnex ist, ist eine totale Ordnungsrelation (oder Totalordnung). Beispiel: ? (a) R12 = { 1,1 , 2,1 , 2,2 , 3,1 , 3,2 , 3,3 } Warum gehört die Relation M zu keiner dieser speziellen Arten? Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 6 4 Elementare Mengentheorie Übungen Ü4.9 Sei A= {1,2,3} und B = {a,b} . (a) (b) (6 P.) Gib die folgenden Mengen in Listennotation an: B×A B×B (A ∪ B )×(B \ A) (A×A)∩(B×B ) Sei R = { 1,a , 2,a , 2,b } eine Relation aus A nach B . Gib das Komplement R ' und die Inverse R−1 an. Zusatz: (c) Gilt (R ')−1 = (R−1 )' ? Ü4.10 Welche der folgenden Relationen über der Menge der Menschen sind reflexiv, irreflexiv, symmetrisch, asymmetrisch oder transitiv? (1) (2) (3) „… ist genauso alt wie …“ „… ist Onkel von …“ „… kennt …“ Ü4.11 Sind die folgenden Relationen Äquivalenzrelationen? (1) (2) (3) (4) (3 P.) (2 P.) (2 P.) (4 P.) „… ist Nachfahre von …“ in der Menge der Menschen R1 = { p,q | p,q sind aussagenlogische Formeln und es gelten p → q und q → p} R2 = { A,B |A ∈ P(G )∧ B ∈ P(G )∧ A⊆ B} , wobei G = {1,2,3} “… kann genauso viele Gedichte rezitieren wie …” Zusatzübungen: Ü4.12 Sei D = { j,m,s} . Wieviele verschiedene Relationen in D gibt es? Wieviele davon sind reflexiv? Ü4.13 Zeige für die in A= {1,2,3,5,6,10,15,30} definierte Relation R = { x ,y |y ist ohne Rest durch x teilbar}, dass sie eine schwache, aber keine totale Ordnungsrelation ist. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 7