1 VO Antike II: Grundzüge der frühen Hochkulturen Pädagogische

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VO Antike II: Grundzüge der frühen Hochkulturen
Pädagogische Hochschule der Diözese Linz
Sommersemester 2007
Ao.Univ.Prof. Dr. Christian ROHR
Politische, wirtschaftliche und kulturelle Merkmale früher Hochkulturen
Gemeinsamkeiten der Hochkulturen
Ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr. entwickelten sich in klimatisch begünstigten Regionen so genannte Hochkulturen, die gemeinsame Merkmale aufwiesen:
• Es kommt zur Ausbildung einer Schrift, die von einer größeren Anzahl
von Menschen gelesen und geschrieben werden kann.
• Durch das Vorhandensein einer Schrift kann eine Verwaltung aufgebaut
werden, die auch für Großreiche funktioniert.
• Die bedeutendsten frühen Hochkulturen entstehen an großen Flüssen in
einem warmen, aber nicht zu trockenen Klima. Regelmäßige Überschwemmungen der Flüsse machen größere Landstriche fruchtbar und
für ertragreichen Ackerbau geeignet. Durch den Bau künstlicher Kanäle
können die Überschwemmungen auch abseits der Flüsse nutzbar gemacht werden.
• Durch Arbeitsteilung (Bauern, Handwerker, Händler) wird das Leben in
Städten möglich. Für den Warenaustausch ist wiederum die Kenntnis
der Schrift nötig, da Aufzeichnungen über Tauschverträge und Besitzverhältnisse die notwendige Rechtssicherheit garantieren.
Ägyptischer Schreiber
• An der Spitze des Großreichs steht ein mächtiger Herrscher, der allein (um 1370 v. Chr., Kairo,
mit seiner Familie und seinem Hofstaat regiert. Häufig wird er sowohl Nationalmuseum)
als weltlicher Herrscher als auch als Gott verehrt.
• Durch technische Neuerungen, etwa die Erfindung des Rades, werden
auch Großbauten (Pyramiden, Tempel etc.) möglich.
Räumliche Verbreitung der Hochkulturen
Die früheste Hochkultur entstand um 3200 v. Chr. entlang der beiden Flüsse
Euphrat und Tigris im heutigen Irak: In diesem „Zwischenstromland“ (Mesopotamien) gründeten zunächst die Sumerer einzelne Stadtstaaten; ab etwa
2200 v. Chr. kam es erstmals zur Ausbildung von Großreichen, die sich um
die Zentren Babylon im Südosten Mesopotamiens sowie Assur und Ninive
im Nordwesten gruppierten. Im 6. Jh. übernahmen die Perser, aus dem
Hochland von Iran kommend, die Macht auch in Mesopotamien.
In Ägypten entwickelte sich ab etwa 3000 v. Chr. eine Hochkultur entlang
des Nils; auch hier kam es zu Großreichsbildungen ab etwa 2900 v. Chr.
In Ostasien breitete sich zunächst ab etwa 2500 v. Chr. am Indus im westlichen Indien eine Hochkultur aus, die nach ihrer Hauptstadt Harappa-Kultur
benannt ist. Etwa ein Jahrtausend später kam es auch an den großen Flüssen Chinas (Janktsekiang und Hoangho) zu Großreichsbildungen und zur
Ausbildung einer Schrift.
Auch in Vorderasien entwickelten die Menschen eigene Schriften und gründeten Reiche mit einer wohl organisierten Verwaltung, obwohl dort keine
großen Flüsse für vorzügliche Ackerflächen sorgten: Im Hochland von Anatolien (asiatischer Teil der Türkei) gründeten die Hethiter ab etwa 2000 v.
Chr. ein Reich. Die Phönizier besiedelten um 1400 v. Chr. die Ostküste des
Mittelmeeres (heute Syrien und Libanon); sie waren die ersten, die weniger
ein Großreich als eine Vorherrschaft im Seehandel anstrebten. Etwa 200
Jahre später entstanden bei den Hebräern und Israeliten kleine Reiche, die
aber ebenso alle wesentlichen Merkmale einer Hochkultur aufwiesen. Die
ersten Hochkulturen in Europa bildeten sich ab etwa 2000 v. Chr. in Kreta
und ab etwa 1700 v. Chr. auf dem südgriechischen Festland heraus.
1
Altersbestimmungen – die C14-Methode (Radiokarbonmethode)
In jedem organischen Stoff – in Menschen, Tiere, Pflanzen, aber auch in
organischen Resten in Ton – befindet sich eine bestimmte Menge von leicht
radioaktiven Kohlenstoffatomen, so genannten C14-Atomen (weil der Atomkern aus 14 Teilchen besteht). Beim Absterben der Lebewesen zerfallen
diese Atome in einer bestimmten Geschwindigkeit (Halbwertszeit). Durch
genaue Messungen kann festgestellt werden, wie viele der C14-Atome noch
vorhanden sind. Ist der organische Stoff schon länger abgestorben, sind
schon mehr C14-Atome zerfallen und umgekehrt. Somit kann zurückgerechnet werden, wann der Zerfallsprozess begonnen hat. Diese Methode hat
einen Ungenauigkeitsfaktor von etwa 50-100 Jahre: Ein Gegenstand, der
auf das Jahr 1900 v. Chr. datiert wird, könnte auch aus den 50-100 Jahren
davor oder danach stammen.
Arbeitsfragen zum Text:
• Liste jene Merkmale auf, die eine Kultur haben muss, um als „Hochkultur“ zu gelten!
• Welche Hochkulturen entwickelten sich entlang großer Flüsse, welche nicht?
Materialien
Von der Bilderschrift zur Buchstabenschrift
Zu den wichtigsten Kennzeichen einer Hochkultur gehört die Verbreitung einer Schrift, wenn auch die
Gleichsetzung „Schrift = Hochkultur“ heute nicht mehr so deutlich gezogen werden kann. So verfügte
etwa auch die so genannte Vinča-Kultur auf dem Balkan schon im 6. bis 4. Jahrtausend v. Chr. über
ein Zeichensystem, doch fehlen dort alle übrigen Merkmale einer Hochkultur.
Am Beginn standen sowohl bei den Sumerern in Mesopotamien als auch in Ägypten Bilderschriften.
Im Lauf der Zeit wurden sie zu einfach und schnell schreibbaren Formen verändert, bis schließlich
abstrakte Zeichen für Einzelwörter, Silben oder Laute entstanden. Diese Entwicklung lässt sich vor
allem in Ägypten nachvollziehen: die Hieroglyphen (= heilige Zeichen) entwickelten sich zur hieratischen Schrift weiter, bei der die Bildzeichen schon sehr schnell und abstrakt geschrieben wurden. Die
demotische Schrift, die seit etwa 700 v. Chr. gebräuchlich war, hat den Bildcharakter schließlich ganz
verloren. Sie beeinflusste später die Entstehung der arabischen Schrift. Der Übergang von einer Bilder- und Silbenschrift zu einer Buchstabenschrift ist erstmals um 1400 v. Chr. in der Handelsstadt
Ugarit (heute Ras Šamra, Syrien) festzustellen. Für die dort ansässigen Kaufleute war es besonders
wichtig, sich einer einfachen Schrift bedienen zu können.
Die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphenschrift gelang zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem
Franzosen Jean-François Champollion (1790-1832) auf der Basis des Steins von Rosette, den man im
Zuge des englisch-französischen Krieges 1799 im Nildelta fand. Die Inschrift darauf stammt aus dem
Jahr 196 v. Chr. und ist in Hieroglyphen, in demotischer und in griechischer Schrift angebracht. Sie
handelt vom Sieg des Pharaos Prolemaios V. Epiphanes über aufständische Ägypter. Die Mehrsprachigkeit der Inschrift erklärt sich daraus, dass die Hieroglyphen immer noch dazu verwendet wurden,
um die göttliche Stellung des Pharaos zu betonen, die demotische Schrift damals die am weitesten
verbreitete Schrift unter der ägyptischen Bevölkerung darstellte und schließlich das Griechische längst
zur dominierenden Weltsprache im östlichen Mittelmeerraum geworden war. Ptolemaios V. gehörte
selbst der 30. und letzten ägyptischen Pharaonendynastie an, die sich von Ptolemaios, einem der
wichtigsten Feldherrn und Nachfolger Alexanders des Großen ableitete, und demnach griechische
Wurzeln hatte.
Je weiter die Schriftlichkeit verbreitet war und je mehr Abläufe des täglichen Lebens schriftlich festgehalten wurden, desto mehr musste auch die Schrift schnell schreibbar sein. Parallel dazu erfolgte
auch der Aufschwung des Papyrus. Während die Hieroglyphen vorrangig auf Stein oder auch Holz
angebracht wurden (etwa an den Wänden von Tempeln und Grabbauten sowie auf Sarkophagen,
etc.), wurden die hieratische und demotische Schrift fast ausschließlich auf Papyrus geschrieben, der
wohl mit Abstand billigste Beschreibstoff der Antike.
Der Papyrus (πάπυρος) diente seit dem Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. in Ägypten als Beschreibstoff. Er wird aus dem Halm der Papyrusstaude, einer Schilfpflanze, gewonnen, die vor allem am Nil
gedeiht. Der Halm wird zunächst mit einem Messer in Streifen geschnitten, die senkrecht und waagrecht übereinander gelegt, dann glatt gehämmert und gepresst werden. Durch den Saft der Pflanze
2
kleben die Streifen von selbst zusammen. Die Oberfläche wird zudem noch mit einem Bimsstein geglättet. Papyrus wurde in langen Rollen aufbewahrt, die jeweils in Spalten beschrieben wurden. Eine
Buchrolle wurde später von den Römern als volumen bezeichnet, ein Begriff, der in der englischen,
italienischen und französischen Bezeichnung volume für „Band“ weiterlebt.
Hieroglyphenschrift, hieratische Schrift und demotische Schrift aus Ägypten (aus: Harald Haarmann,
Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt/New York 1990, S. 104 f.)
Arbeitsaufgabe:
• Warum ist eine Zeichenschrift nur begrenzt brauchbar? Wann stößt eine solche an ihre Grenzen?
Ägypten und Mesopotamien im Vergleich
Einigung lokaler Fürstentümer und Stadtstaaten
Bis um etwa 3000 v. Chr. waren im fruchtbaren Niltal mehrere kleine Reiche
entstanden, in denen sich die Hieroglyphenschrift verbreitete. Unter dem
sagenhaften Pharao Menes sollen diese lokalen Fürstentümer um 2900 v.
Chr. schließlich zu einem Großreich vereint worden sein. Um 2700 v. Chr.
war dieser Einigungsprozess jedenfalls weitgehend abgeschlossen: das so
genannte Alte Reich umfasste das gesamte Niltal von Assuan bis zum Nildelta.
Die früheste Hochkultur entstand jedoch nicht in Ägypten, sondern um 3200
v. Chr. zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris im heutigen Irak. Zunächst
bildeten sich unter dem Volk der Sumerer Stadtstaaten heraus, die aus einem städtischen Mittelpunkt und dem Umland bestanden; die bedeutends3
Die Jahresangaben zur
altägyptischen
Geschichte weichen teilweise deutlich voneinander ab. Dies liegt
daran, dass es schwierig ist, die Daten aus
den ägyptischen Quellen mit denen aus anderen frühen Hochkulturen
in Verbindung zu setzen
(so genanntes cross
ten waren Ur und Uruk. Die Sumerer verwendeten zunächst eine Bilderschrift, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr zu abstrakten Keilschriftformen weiterentwickelte.
Während des 3. Jahrtausends v. Chr. wanderten in mehreren Wellen weitere semitische Stämme aus der arabischen Wüste ins Zwischenstromland
ein. Von der Stadt Akkad aus einigte der Gottkönig Sargon I. um 2200 v.
Chr. die sumerischen Stadtstaaten erstmals zu einem Großreich.
Die Ausbildung einer gesellschaftlichen Ordnung und Verwaltung
Der Pharao war ein unumschränkter Herrscher, der als Gottheit, zunächst
als Verkörperung des Falkengottes Horus, später des Sonnengottes Re,
verehrt wurde. Er regierte mit Hilfe seiner Großfamilie, der Priester und eines Beamtenapparates. In dem hierarchisch gegliederten Gesellschaftssystem unterstanden dem Pharao und seiner Familie Priester, Beamte sowie
Krieger. Diese wiederum verpachteten Land an die Bauern und besaßen
weiters Sklaven, die völlig rechtlos waren. Durch dieses straff organisierte
System gelang es schon bald, ein großes Reich aufzubauen und zu verwalten.
Auch in Mesopotamien waren die Könige sowohl weltliche Herrscher als
auch oberste Priester und damit Vermittler zwischen den Gottheiten und der
Erde. Der Ensi, der Regent der sumerischen Stadtstaaten, galt als Stellvertreter des jeweiligen Stadtgottes.
dating, v.a.mit der minoischen Kultur und der
hethitischen Kultur).
Semiten:
eine Gruppe sprachlich
und kulturell verwandter
Völker in Vorderasien
Beamte beim Vermessen eines Kornfeldes
(Wandmalerei aus dem
Grab des „Ackervorstehers des Amun“ in Theben-West, um 1397/87
Pyramiden und Zikkurate
Die Pyramiden waren prunkvolle Begräbnisstätten für den Pharao und seine v. Chr.)
Familie. Sie wurden während der 3. und 4. Pharaonendynastie (ca. 2600- Mit einem Seil, das durch
2500 v. Chr) unter großem menschlichen und technischen Aufwand errich- Knoten unterteilt war,
tet; dabei kamen wichtige Erfindungen, beispielsweise die des Rades, hilf- wurde die Fläche des
reich zum Einsatz. Die ersten Pyramiden waren noch stufenförmig angelegt, Feldes bemessen und die
dafür
zu
entrichtende
etwa die für den Pharao Djoser in Sakkara. Wenige Generationen später Grundsteuer festgelegt. Im
ging man aber dazu über, alle Seitenflächen glatt auszukleiden; die berühm- unteren teil des Bildes sind
testen Beispiele dafür sind die Pyramiden für die Phraonen Cheops, Cheph- Schreiber dargestellt, die
ren und Mykerinos in Gizeh. Im 2. Jahrtausend v. Chr. begann man schließ- die Ergebnisse auf Papylich, die Gräber der Pharaonen in Felsen zu hauen. Allein das Tal der Kö- rus festhalten.
nige in Mittelägypten umfasst nicht weniger als 64 Grabstätten für Pharaonen und einige andere hoch gestellte Personen in deren Umkreis.
Der Pharao wurde nach seinem Tod mumifiziert. Dazu wurde sein Körper
zunächst mit Salz behandelt, um dem Gewebe Flüssigkeit zu entziehen;
danach wurde er mit harzhältigen Salben einbalsamiert, um das Eindringen
von Insekten, Pilzen und Bakterien zu verhindern. Schließlich wurde er in
Binden gewickelt und in einen prunkvollen Sarkophag (ein reich verzierter
steinerner Sarg) gelegt. In die Grabkammer wurden auch Schmuck und
prunkvolle Kultgegenstände mitgegeben. Die Wände wurden mit Bildern
und Hieroglyphen bemalt, die dem Verstorbenen unter anderem Ratschläge
für seine Reise ins Jenseits geben sollten. Obwohl die Grabkammern nach
dem Begräbnis fest verriegelt wurden und oft nur durch geheime Gänge
Turmbau
zu
Babel
erreichbar waren, wurden sie zumeist noch in der Antike ausgeraubt.
(Gemälde
von
Pieter
Auch die Sumerer errichteten aus luftgetrockneten Ziegeln stufenförmige
Großbauten, die Zikkurate. Dabei handelt es sich aber nicht um Begräbnis- Breughel dem Älteren,
stätten, sondern um Tempelanlagen, die besonders für astronomische Beo- 1563, Kunsthistorisches
bachtungen verwendet wurden. Auf die Sumerer geht auch der erste Kalen- Museum Wien).
der zurück: Die Monate wurden nach den Mondzyklen mit 29 bzw. 30 Tagen Das Gemälde gibt den
des
berechnet; das Mondjahr von 354 Tagen wurde zudem durch den Einschub Zusammensturz
Turms wieder, wie er in
zusätzlicher Tage mit dem 365-tägigen Sonnenjahr in Beziehung gesetzt.
der Bibel erzählt wird. Der
Die Zikkurate wurden schließlich zu Symbolen der mesopotamischen Kultu- Maler des 16. Jh. n. Chr.
ren insgesamt: Als sich das Volk der Israeliten im 6. Jh. v. Chr. in der süd- hat mit Sicherheit nie Zikmesopotamischen Stadt Babylon in Gefangenschaft befand, bezeichnete kurate selbst gesehen; er
man die Großbauprojekte des Königs Nebukadnezar als „Turmbau von Ba- gab daher rein seine
Phantasie dazu wieder.
bel“ – Zikkurate wurden zum Inbegriff mesopotamischen Größenwahns.
Gesamtreiche und „Zwischenzeiten“ in Ägypten
4
Die erste Blütezeit der ägyptischen Hochkultur bildete das so genannte Alte
Reich (ca. 2707-2170 v. Chr.). Danach zerfiel das Alte Reich in kleinere
Einheiten, bis es um 2020 v. Chr. von Oberägypten aus wieder vereinigt
wurde. Dieses Mittlere Reich besaß seinen Mittelpunkt in Theben (heute
Luxor), doch zerfiel auch dieses Großreich, als um 1650 v. Chr. das Reitervolk der Hyksos in Ägypten einfiel. Diese waren militärisch vor allem durch
den Einsatz von Pferden und Streitwagen den Ägyptern überlegen.
Im 16. Jh. v. Chr. verloren die Hyksos ihre Vorrangstellung wieder. Ägypten
wurde um 1550 erneut zu einem Großreich, dem Neuen Reich, geeint. Im
Gebiet um Theben (Luxor) zeugen heute noch die gewaltigen Tempelanlagen und die Gräber im Tal der Könige von der Macht der Pharaonen im
Neuen Reich. Unter Pharao Ramses II. (ca. 1292-1225) dehnte sich das
ägyptische Reich bis in die Südosttürkei aus, sodass es sogar zu Zusammenstößen mit den dort ansässigen Hethitern kam. Nach der vermutlich
unentschiedenen Schlacht bei Kadesch wurde um 1275 v. Chr. der erste
bekannte internationale Friedens- und Freundschaftsvertrag der Weltgeschichte geschlossen.
Bemerkenswert ist auch die Regierung des Pharaos Amenophis IV. (= Echnaton, ca. 1365-1347 v. Chr.): Er versuchte gemeinsam mit seiner Gattin
Nofretete, den Vielgottglauben der Ägypter durch den Kult des Sonnengottes Aton zu ersetzen. Es handelte sich dabei um den einzigen Eingottglauben außer dem Judentum vor der Zeitenwende. Echnatons Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der mächtigen Priester, die nach seinem Tod zu
den bisherigen Kulten zurückkehrten.
Um 1085 v. Chr. zerfiel das dritte ägyptische Großreich wieder. Diese Spätzeit der ägyptischen Hochkultur war vor allem durch Machtkämpfe geprägt.
Schließlich wurde Ägypten Teil des Perserreiches (525-322 v. Chr.) und des
Reiches Alexanders (322-30 v. Chr.).
Babylonier und Assyrer in Mesopotamien
Am Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. stieg die Stadt Babylon im Südosten
Mesopotamiens zur führenden Macht auf. Vermutlich kurz vor 1700 v. Chr.
gelang es König Hammurapi, von Babylon aus Mesopotamien unter seine
Gewalt zu bringen. Er begründete damit das so genannte Altbabylonische
Reich, das etwa 200 Jahre Bestand hatte. Hammurapi baute einen straffen
Beamtenapparat auf, förderte den Handel und baute seine Hauptstadt Babylon prächtig aus. Berühmt wurde vor allem seine Sammlung von Rechtssätzen, der so genannte „Codex Hammurapi“. Es handelt sich dabei um das
älteste Gesetzeswerk der Weltgeschichte.
Nach dem Ende des Altbabylonischen Reiches wechselten die Herrscher
des Zwischenstromlandes häufig, bis um 883 v. Chr. die semitischen Assyrer mit dem so genannten Neuassyrischen Reich wieder ein dauerhaftes
Großreich errichten konnten; Hauptstädte waren Assur und Ninive im Nordwesten Mesopotamiens. Durch zahlreiche Kriege dehnten die Assyrer ihre
Herrschaft im 7. Jahrhundert bis nach Ägypten aus.
Gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. war das Assyrerreich durch Kriege
und innere Unruhen so weit geschwächt, dass es schließlich von Babylon
aus vernichtet wurde. Auch dieses so genannte Neubabylonische Reich
stützte sich vor allem auf seine militärische Stärke: König Nebukadnezar II.
(um 604-562 v. Chr.) eroberte Syrien und Palästina und kontrollierte damit
auch den Handel vom Mittelmeer bis zum Persischen Golf. Nach dem Tod
Nebukadnezars II. zerfiel das Neubabylonische Reich durch Machtkämpfe
im Inneren rasch. 539 eroberten die Perser vom heutigen Iran aus das Neubabylonische Reich und machten es zur Provinz des Perserreiches.
Der Tempel von Abu
Simbel in Südägypten
ist vielleicht das bedeutendste Kunstwerk aus
der Regierungszeit des
Pharaos Ramses II. Als
der Stausee des Assuanstaudammes diesen
in den Fels gehauenen
Tempel zu überfluten
drohte, wurde er in den
Jahren 1965-1968 mit
Hilfe der UNESCO, der
Kulturorganisation der
UNO, in über 120000
Teile zerschnitten und
in sicherem Abstand
zum Stausee wieder
aufgebaut.
Codex Hammurapi (um
1700 v. Chr, Musée du
Louvre, Paris)
Der König erhält vom
Richtergott Schamasch die
Zeichen der richterlichen
Gewalt auf Erden.
Palästina
Im 6. Jh. v. Chr. wurde
Jerusalem
zweimal
erobert, der Tempel der
Israeliten zerstört und
große Teile des Volkes
nach
Mesopotamien
deportiert. Die Verbannungszeit der Israeliten,
die auch in der Bibel gut
dokumentiert ist, wird
als „Babylonische Gefangenschaft“ bezeichnet.
Arbeitsfragen zum Text:
• Erkläre die folgenden Begriffe und skizziere deren Bedeutung: Zikkurat, Ensi, Stufenpyramide,
Schlacht bei Kadesch, Babylonische Gefangenschaft, Codex Hammurapi, Neues Reich in Ägypten!
5
•
Arbeite Parallelen Unterschiede zwischen den Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien heraus!
Materialien
Aus dem ältesten Gesetzeswerk der Welt
Bei Ausgrabungen französischer Archäologen in der mesopotamischen Metropole Susa wurde
1901/02 eine mehr als zwei Meter hohe Stele aus schwarzem Stein (Diorit) gefunden, die den altbabylonischen Gottkönig Hammurapi während eines Gebets für eine Gottheit, wohl den Sonnen- und Richtergott Schamasch, zeigt (siehe Bild dazu im Haupttext): der König erhält von der Gottheit einen Richterstab, das Zeichen der richterlichen Gewalt auf Erden. Darunter ist in Keilschrift (51 Spalten von
oben nach unten beschrieben) der erste ausführliche Gesetzestext der Weltgeschichte überhaupt
überliefert.
Prinzipiell ist aber davon auszugehen, dass es ähnliche Gesetzessammlungen in Mesopotamien
schon längere Zeit gegeben haben dürfte. Allerdings sind vom Gesetzeswerk des Sumerers Urnammu
aus Ur (um 2000 v. Chr.) und von König Lipitischtar aus Isin (um 1800 v. Chr.) nur bruchstückhafte
Abschriften erhalten. Ganz offensichtlich war der Stein mit der Rechtssammlung (Codex) des Hammurapi öffentlich aufgestellt und diente allen Menschen, die lesen konnten, zur Rechtssicherung.
Die Gesetze des Codex Hammurapi lassen freilich kein Gesamtkonzept eines umfassenden Rechtssystems erkennen, sondern gehen vielmehr auf konkrete Vorfälle aus dem Alltag ein. Man muss daher
weniger von unumstößlichen „Gesetzen“ in unserem Sinn ausgehen als von der Aufzählung von Präzedenzfällen, an denen sich Richter in Zukunft orientieren konnten, aber nicht mussten. Dies wird
etwa dadurch deutlich, dass die zahlreichen aus altbabylonischer Zeit stammenden Keilschrifttafeln,
die Rechtsurkunden beinhalten, oft nicht mit den Bestimmungen des Codex Hammurapi übereinstimmen.
Allgemein wirken die Bestimmungen im Vergleich mit späteren Rechtstexten aus der griechischen und
römischen Antike, als sehr streng, doch finden sich auch im Alten Testament (Buch Numeri) Parallelen
zu der Rechtsauffassung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Die Bestimmungen hatten wohl vor
allem die Funktion der Abschreckung. Sie lassen auch eine Ungleichbehandlung verschiedener sozialer Schichten erkennen.
„§ 1
§ 195
§ 196
§ 197
§ 199
§ 200
§ 201
§ 209
§ 210
Wenn ein Bürger einen anderen Bürger bezichtigt und ihm Mord vorwirft, ihn jedoch nicht überführt, so wird derjenige, der ihn bezichtigt hat, getötet.
Wenn ein Sohn seinen Vater schlägt, soll man ihm eine Hand abschneiden.
Wenn ein Bürger ein Auge eines Sohnes eines Bürgers zerstört, so soll man ihm ein Auge
zerstören.
Wenn er einen Knochen eines Bürgers bricht, soll man ihm einen Knochen brechen.
Wenn er ein Auge eines Sklaven … zerstört oder einen Knochen eines Sklaven … bricht, so
soll er die Hälfte seines Kaufpreises zahlen.
Wenn ein Bürger einem ihm ebenbürtigen Bürger den Zahn ausschlägt, so soll man ihm einen
Zahn ausschlagen.
Wenn er einem Palastdiener den Zahn ausschlägt, so soll er eine Drittelmine Silber zahlen.
Wenn ein Bürger die Tochter eines Bürgers schlägt und bei ihr eine Fehlgeburt verursacht, so
soll er zehn Scheqel Silber für ihre Leibesfrucht zahlen.
Wenn diese Frau stirbt, so soll man ihm eine Tochter töten.“
(Codex Hammurapi, Paris, Musée du Louvre, um 1700 v. Chr., Auswahl einzelner Bestimmungen,
zitiert nach H.-Dieter Viel, Der Codex Hammurapi)
Arbeitsaufgaben:
• Wo findet sch nach deiner Meinung Ungerechtigkeit im Codex Hammurapi?
• Welche Prinzipien stehen hinter dieser Rechtsauffassung?
• Was könnten die strengen Strafen bewirken?
6
Die Stellung der Ehefrau im Alten Ägypten
Die Stellung der Frauen hing bei den Ägyptern in erster Linie vom sozialen Rang ab. So waren Pharaoninnen an der Spitze des Staates keine Seltenheit. Zentrale Gottheiten in der ägyptischen Religion
wie etwa die Fruchtbarkeits- und Muttergöttin Isis, die Liebesgöttin Hathor oder Maat, die Göttin für
Recht und Ordnung, stellten sich die Ägypter als weiblich vor. Auch in den gehoben Schichten, etwa in
der Verwaltung, erscheinen die Frauen stets als gleichrangig mit ihrem Gatten. Ob man allerdings
ganz allgemein von einer Gleichstellung der Frau sprechen kann, bleibt umstritten. In jedem Fall hatte
die ägyptische Frau im Vergleich zu anderen Hochkulturen eine herausragende Stellung inne.
Die Ehe hatte in der ägyptischen Gesellschaft weder eine öffentliche noch eine religiöse Funktion,
sondern war eine private Abmachung zwischen Mann und Frau. In diesem Sinne war sie auch ohne
größere Probleme auflösbar und zwar, wie die Textstelle eindeutig erkennen lässt, auch seitens der
Frau. Zu diesem Zweck war es aber auch wichtig, dass beide Seiten im Falle einer Scheidung finanziell ausreichend abgesichert waren.
Der folgende Ehevertrag aus dem Jahr 219 v. Chr. – aus früheren Zeiten sind keine derartigen Dokumente überliefert – darf wohl mit einiger Vorsicht auch auf frühere Zeiten der ägyptischen Hochkultur
umgelegt werden. In dieser Zeit regierte in Ägypten die 30. und letzte Pharaonendynastie, die griechischstämmigen Ptolemäer. Dennoch lässt der Vertrag in keiner Weise die deutliche Schlechterstellung der Frau in der griechischen Gesellschaft erkennen, sondern führt offensichtlich altägyptische
Traditionen fort.
Schon allein die Tatsache, dass es mitten in der Ehe (es sind schon Kinder vorhanden) zur Abfassung
eines Ehevertrags kommt, spricht für die hohe Stellung der Frau in der Gesellschaft. Ganz offensichtlich entstand er nach dem Willen der Frau zur Absicherung. Die Bestimmung, dass der Mann alle von
der Frau in die Ehe eingebrachten Vermögenswerte (die „Frauensachen“, also die Mitgift) zurückgibt,
Geldzahlungen leistet und zudem ein Drittel des gemeinsamen Vermögens ihr überantwortet, garantiert, dass der Frau auch nach der Scheidung (oder auch nach dem Tod des Mannes?) ein weitgehend abgesichertes Leben oder ein Neubeginn möglich war. Fraglich ist nur, wie weit ein derartiger
Vertrag nur die soziale Stellung der Frauen in den gehobenen Schichten reflektiert oder auch auf die
bäuerliche Bevölkerung umgelegt werden kann.
„Es sagte der in Ägypten geborene Her-em-heb zur Frau Ta-is ...: Ich habe dich zur Ehefrau gemacht.
Als deine Frauengabe habe ich dir zwei Silberlinge ... gegeben. Entlasse ich dich als Ehefrau, sei es,
dass ich dich hasse, sei es, dass ich dir eine andere Frau vorziehe, so gebe ich dir zwei Silberlinge ...
außer den zwei Silberlingen, die oben genannt sind und die ich dir als deine Frauengabe gegeben
habe, um voll zu machen vier Silberlinge. ... Und ich gebe dir ein Drittel von all und jedem, was sein
wird zwischen dir und mir von jetzt an. Die Kinder, die du mir geboren hast und die du mir noch gebären wirst, sind die Herren von all und jedem, was mir gehört und was ich noch erwerben werde. Die
Wertsumme deiner Frauensachen, die du mit dir in mein Haus gebracht hast, beträgt in Kupfergeld
drei Silberlinge ... Ich soll keinen Eid gegen dich wegen deiner Frauensachen geben können, die oben
beschrieben sind, sagend: ‚Nein, du hast sie nicht mit dir in mein Haus gebracht.’
Deine Frauensachen, ... du hast sie mit dir in mein Haus gebracht, ich habe sie vollständig aus deiner
Hand empfangen, ohne einen Rest. Mein Herz ist zufrieden mit ihnen. Wenn ich dich als Ehefrau entlassen werde oder wenn du zu gehen beliebst, so gebe ich dir die Frauensachen, die du mit dir in
mein Haus gebracht hast, oder ihren Wert in Silber entsprechend dem Preis, der diesbezüglich geschrieben ist. Mein ist ihre Verwahrung.“
(Staatliche Museen, Berlin, Papyrus Hauswaldt 6, 219 v. Chr., gekürzt; zitiert nach Steffen Wenig, Die
Frauen im Alten Ägypten, Wien/München 1969, dort S. 24)
Arbeitsaufgaben:
• Wer erbt im Falle einer Scheidung den gemeinsamen Besitz?
• Wie wird mit dem Vermögen, das die Frau in die Ehe mitbringt (Frauensachen), im Falle einer
Scheidung umgegangen?
• In welchen Bereichen scheint die Frau ihrem Mann praktisch gleichberechtigt zu sein?
• Worin unterscheidet sich das Verhältnis von Ehe und Scheidung, wie es sich hier zeigt, von unserem „modernen“ Verständnis?
7
Die Entwicklung von der Bilderschrift zur Keilschrift in Mesopotamien
Mesopotamische Bilderschrift und Keilschriftformen (aus: Harald Haarmann, Universalgeschichte der
Schrift, Frankfurt/New York 1990, S. 159)
8
Das Weltreich der Perser
Meder und Perser
Im Gegensatz zu Mesopotamien, wo zumeist semitische Völker ihre Reiche
errichteten, war das Hochland von Iran seit der Mitte des 2. Jahrtausends v.
Chr. von indogermanischen Völkern besiedelt. Zunächst standen sie im
Einflussbereich der mesopotamischen Großreiche. Erst als die Meder sich
maßgeblich am Sturz des Neuassyrischen Reiches beteiligten (614/612 v.
Chr.), stiegen diese zu einer eigenständigen Großmacht im iranischen
Hochland auf.
Schon bald nach der Begründung des medischen Großreiches wurden dessen Könige von den ihnen untergebenen Persern gestürzt. Innerhalb von
wenigen Jahren dehnten sich die Perser vom Iran aus auch über das Hochland von Anatolien (546 v. Chr.), über ganz Mesopotamien (539 v. Chr.) und
über Ägypten (525 v. Chr.) aus. Im Zuge der Ausdehnung nach Westen bis
an die Küste des ägäischen Meeres waren gegen Ende des 6. Jahrhunderts
v. Chr. auch die griechischen Kolonien an der Ostküste der Ägäis unter
persische Oberhoheit geraten. Diese erhoben sich zwischen den Jahren
500 und 494 v. Chr., waren aber der persischen Übermacht nicht gewachsen. Im Gegenzug versuchte der persische König Dareios I. (521-486 v.
Chr.), Griechenland zu erobern, doch stieß er im Jahr 490 ebenso auf erbitterten Widerstand wie zehn Jahre später sein Nachfolger Xerxes. Die Perser mussten sich für die Zukunft im Westen mit dem Besitz Kleinasiens begnügen. Schließlich brach das Perserreich nach Jahrzehnten innerer
Machtkämpfe unter dem Ansturm Alexanders des Großen (334-331 v. Chr.)
wie ein Kartenhaus zusammen.
Relief am Königspalast
von Persepolis (Iran)
Dargestellt
sind
Beamte während
Prozession.
hohe
einer
Ein straff organisiertes Großreich
Das Weltreich der Perser erstreckte sich um das Jahr 500 v. Chr. von Indien
bis zur Meerenge zwischen Europa und Asien und bis nach Ägypten. Das
Reich war im Inneren straff organisiert, sodass es gelang, einen Herrschaftsbereich von noch nie da gewesener Größe über 200 Jahre zu halten.
Der König stützte sich auf einige Vertrauensleute, die „Augen und Ohren
des Königs“, denen die Aufgabe zufiel, die übrigen Beamten und die Statthalter (Satrapen) in den Provinzen (Satrapien) zu kontrollieren. Eine strenge
Gesetzgebung diente zur Abschreckung. Die großen Städte mit Statthalterschaften waren durch Fernstraßen (so genannte Königsstraßen) verbunden,
die sowohl dem Militär als auch dem Handel dienten. Maße und Gewichte
sowie das Geld waren für das gesamte Reich vereinheitlicht. Als Schrift
diente die von den Mesopotamiern übernommene Keilschrift.
Religion und Kultur
Die persische Religion geht auf den Propheten Zarathustra (6. Jh. v. Chr.)
zurück: Er verkündete eine Lehre, die vom starken Gegensatz zwischen
dem Lichtgott Ahuramazda und dem Reich der Finsternis, zwischen Gut und
Böse geprägt war. Über Zwischenstufen beeinflussten diese Gegensatzpaare auch das Christentum.
Viele der persischen Traditionen lebten zunächst im Weltreich Alexanders
des Großen weiter, der eine Vermischung von griechischer und persischer
Kultur anstrebte. Nach dem Zusammenbruch der Nachfolgestaaten des
Alexanderreiches stiegen die Parther zu den neuen Machthabern im Hochland von Iran sowie in Mesopotamien auf, später die Sassaniden; beide
waren eine fast ständige Bedrohung für die östlichen Teile des Römerreiches.
9
Königliche
persische
Leibgarde (emailliertes
Ziegelrelief im Königspalast von Susa)
Das Relief, das sich heute
im Pariser Louvre-Museum
befindet, zeigt die Leibwächter in voller Pracht:
die Kleidung besteht aus
wertvollen Stoffen, die
Köcher sind mit Gazellenfell überzogen.
Die Hochkulturen im Fernen Osten
Indien
Zunächst entwickelte sich um 2800/2500 v. Chr. am Fluss Indus im Westen
des heutigen Staates Indien und in Pakistan eine städtische Kultur. Diese so
genannte Induskultur kannte auch schon eine Schrift, die bis heute noch
nicht entziffert ist. Nach dem Ende der Induskultur (um 1800 v. Chr.) wanderten Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. aus dem Hochland von Iran die
indogermanischen Arya (Arier, „die Edlen“) ein und nahmen die fruchtbaren
Ebenen am Indus und am Ganges in Besitz. Durch die Verwendung von
Eisen und den Einsatz des Streitwagens waren sie der ansässigen Bevölkerung militärisch überlegen.
Die Gesellschaft war in streng voneinander abgegrenzte Kasten (sozialen
Gruppen) eingeteilt; damit sollte die Vermischung von Zugezogenen und
Urbevölkerung verhindert werden. Neben den drei sozial geachteten Klassen der Krieger (Kshatriyas), Priester (Brahmanas) und freien Bauern
(Vaishyas) gab es als vierte Klasse die „Unreinen“ (Shudras), zumeist Unterworfene, unfreie Bauern und Mischlinge. Außerhalb dieses Systems
standen die völlig ausgegrenzten Paraiyas (Parias, die „Unberührbaren“).
Eheschließungen zwischen den Kasten waren kaum möglich. Nach den
Vorstellungen der Inder konnte man in eine höhere Kaste war nur aufsteigen, indem man nach einem rechtschaffenen Leben in eine neue Kaste
geboren wurde. In weiter entwickelter Form bestand das Kastensystem in
Indien bis zum Ende des 20. Jh.!
Zunächst dominierte im indischen Kulturkreis der so genannte Brahmanismus als Religion. In einer künstlich geschaffenen Sprache, dem Sanskrit,
wurden religiöse Lieder und Sprüche in den Veden („Wissen“) aufgezeichnet. Neben dem Brahmanismus entstand aus der Vermengung von brahmanischen und vorarischen Elementen der Hinduismus. In feierlichen Gedichten (Epen) wird einerseits von sagenhaften Königen und Göttern erzählt; andererseits finden sich darin religiös-sittliche Anleitungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Religionen gibt es im Hinduismus keinen Propheten oder Religionsgründer. Ab dem 5. Jh. v. Chr. fand auch der Buddhismus rasche Verbreitung, vor allem weil er den Menschen mehr als Einzelwesen denn als Mitglied einer bestimmten Kaste sah.
Im Gegensatz zu China stand Indien stets in einem intensiven Handelskontakt mit benachbarten Kulturen: Die Induskultur unterhielt Beziehungen mit
den zeitgleichen Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien. Ab dem 7./8.
Jh. n. Chr. drang über arabische Kaufleute auch der Islam bis nach Indien
vor und verbreitete sich schnell. Besonders in den großen Hafenstädten
herrschte eine weitgehende religiöse Toleranz: Hindus, Muslime und Juden
lebten zwar nicht konfliktfrei nebeneinander, doch vermischten sich Sprache
und Kultur immer mehr. Im 11. und 12. Jh. übernahmen die aus Innerasien
eingewanderten Türken die Herrschaft und gründeten das Sultanat von
Delhi. Dieses wiederum wurde 1526 von der Mogul-Dynastie übernommen,
die aus Samarkand im heutigen Usbekistan geflohen war. Unter der muslimisch dominierten Mogulherrschaft (1526-1858) wurde fast ganz Indien zu
einem Reich vereinigt. Charakteristisch für diese Zeit ist eine Verschmelzung von muslimischen und altindischen Elementen in allen Bereichen der
Kultur und des Alltagslebens.
Die Gesellschaft im chinesischen Kaiserreich
Schon um 2000 v. Chr. entwickelte sich an den großen Flüssen Chinas,
dem Huangho und dem Yanktsekiang, eine Hochkultur. 221 v. Chr. nahm
der König Qin den Titel eines Kaisers (huang-ti = „Göttlich Erhabener“) an.
Er sah sich als „Sohn des Himmels“ und Stellvertreter des Himmels auf
Erden. Sollte er jedoch nicht weise regieren, verliere er den „Auftrag des
Himmels“, was Missernten, Krieg und Naturkatastrophen im Land zur Folge
habe. In diesem Falle haben die Untertanen sogar die Pflicht, einen neuen
„Sohn des Himmels“ auf den Thron zu heben. Nach außen hin erwartete der
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Brahmanismus:
benannt nach der indischen
Priesterkaste;
Vielgötterglaube
mit
dem Glauben an eine
Seelenwanderung als
zentralem Element.
Buddhismus:
vom Adeligen Gautama
Siddharta (Buddha) im
6./5. Jh. v. Chr. in Nordindien gegründete religiös-philosophische
Lehre, die die Abkehr
von allen Begierden und
Leidenschaften
zum
Ziel hat. In Japan erfolgte die Weiterentwicklung
zum
ZenBuddhismus, in dem die
Sitzmeditation und die
ästhetische Gestaltung
der eigenen Umwelt
eine besondere Rolle
spielen.
Kaiser von allen Völkern Unterwerfung oder die Zahlung von Tributen.
Einen besonderen Rang in der chinesischen Gesellschaft hatten die Mandarine inne: Diese kaiserlichen Beamten mussten sich einer harten, oft 20 bis
30 Jahre dauernden Ausbildung mit einem strengen Ausleseverfahren unterziehen. Hatten sie aber schließlich den Rang eines Mandarins erreicht,
konnten sie zahlreiche Privilegien für sich in Anspruch nehmen. In vielen
Phasen der chinesischen Geschichte spielten sie neben dem Kaiser eine
maßgebliche Rolle in der Politik. Sie lebten ebenso wie die Handwerker in
Städten, die an Einwohnern die europäischen Städte der Antike und des
Mittelalters bei weitem übertrafen.
Den Großteil der Bevölkerung, über 80 Prozent, machten bis ins 19. Jh. n.
Chr. die Bauern auf dem Land aus. Ihre wirtschaftliche Lage hing davon ab,
ob sie Großgrundbesitzer, Kleinbauer, Pächter oder landloser Ackerknecht
waren. Die Hauptprobleme der Bauern bildeten Missernten und Naturkatastrophen, aber auch die hohe Kinderzahl.
Die Stellung der Frau in der chinesischen Gesellschaft war denkbar
schlecht: Sie galt als wertlos und hatte allen den Männern zu dienen. Ein
Sprichwort aus dem 3. Jh. n. Chr. fasst den Wert der Frau zusammen: „Es
ist einträglicher Gänse aufzuziehen als Mädchen“. Mit der Hochzeit gelangte
die Frau in die Befehlsgewalt ihres Ehemanns und galt als dessen „Besitz“;
sie selbst hatte kein Recht auf Bildung oder Besitz. Starb ihr Ehemann, so
durfte sie nicht mehr heiraten. Die Unterdrückung der Frau zeigte sich bis
ins 20. Jh. n. Chr. auch in der (Un-)Sitte des Füßebindens: Mit den verkrüppelten Fußstümmeln war es den Frauen nicht möglich ordentlich zu gehen.
Höhere Ämter waren Frauen generell verschlossen, allein für die TangDynastie ist eine Frau namens Wu Zetian bezeugt, die sogar die Kaiserherrschaft an sich reißen konnte (690-705).
Die wichtigsten religiösen Lehrer Chinas waren Lao-Tse und Konfuzius. Im
Zentrum der Lehre Lao-Tses (um 600 v. Chr.), die im Buch vom Tao in
Form von Sinnsprüchen festgehalten ist, steht das Streben nach Einklang
mit der Natur. Konfuzius (um 552-479 v. Chr.) hingegen stellte vornehmlich
moralische Regeln für ein gutes Zusammenleben der Menschen auf. Somit
handelt es sich beim so genannten Konfuzianismus weniger um eine Religion, sondern um Anleitungen zu einer harmonischen Gesellschaft.
Die Chinesen waren Meister im Anlegen von Großbauten: Neben Straßenund Kanalbauten entstanden gewaltige Mauerbauten. Die Chinesische
Mauer, mit fast 2500 km Länge das mit Abstand größte Bauwerk der Welt,
entstand ab dem im 3. Jh. v. Chr. und wurde bis ins 16. Jh. n. Chr. immer
wieder erneuert. Sie sollte Schutz gegen Reitervölker im Norden Chinas,
aber auch gegen den Flugsand bieten.
Die chinesische Hochkultur wurde nicht wie die Kulturen im Vorderen Orient
und in Europa zerstört, sondern entwickelte sich in China, Japan und Korea
bis heute weiter. Erst die gesellschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts beendeten diese Entwicklung.
Die
Terracottakrieger
von Chang’an (Xi’an)
(Ende 3. Jh. v. Chr.)
Der erste Kaiser Qin Shihuang-ti ließ sich nördlich
der Hauptstadt ein Grabmal errichten, in dem 1974
mehrere tausend überlebensgroße Krieger und
Pferde aus Terrakotta
gefunden wurden, die
seine letzte Ruhestätte wie
eine Armee bewachten.
Konfuzianismus:
auf den chinesischen
Philosophen Konfuzius
(Kongfuzi, 551-479 v.
Chr.)
zurückgehende
Philosophie. Im Konfuzianismus sollen alle
Beziehungen in Familie
und Gesellschaft von
Menschlichkeit
und
Gerechtigkeit
geprägt
sein.
Die „kleineren“ Kulturzentren im Nahen Osten – Hethiter, Phönizier und Israeliten
Im Schatten der bekannteren Hochkulturen in Ägypten, Mesopotamien,
Kreta und am griechischen Festland entwickelten sich in Kleinasien weitere
Hochkulturen, die nur einige der Merkmale der großen Hochkulturen aufweisen. Allen ist zwar die Kenntnis einer Schrift gemein, doch dehnten sich
die Reiche der Hethiter, Phönizier und Israeliten nicht entlang eines großen
Flusses aus. Auch das Vorhandensein eines Beamtenapparates ist nur in
Ansätzen nachweisbar.
Hethiter
Die Hethiter siedelten im Hochland von Anatolien, d. h. im asiatischen Teil
der heutigen Türkei. Erst im frühen 20. Jahrhundert wurde ihre Sprache und
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Schrift als indogermanisch erkannt. Das Zentrum des Hethiterreiches, das
um 2000 v. Chr. entstand, lag in Hattusa(s) östlich von Ankara. Mächtige
Mauern schützten die Stadt, in der ein absoluter Herrscher residierte. Unter
dem König stand ein Adelsrat. Als sich das Hethiterreich im 14. Jh. v. Chr.
bis nach Syrien ausdehnte und somit zum Großreich wurde, kam es in Konflikt mit dem sich nach Norden ausdehnenden Reich des ägyptischen Pharaos Ramses II. Nach der Schlacht bei Kadesch im heutigen Syrien (um
1290 v. Chr.), die von beiden Seiten als Sieg ausgelegt wurde und somit
vermutlich unentschieden ausging, kam es um 1275 zum ersten bekannten
Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen zwei Staaten. Wie die Kultur Das Löwentor von Hatvon Mykene dürfte das Hethiterreich um 1200 v. Chr. durch den so genann- tusas
Der hethitische Königspaten „Seevölkersturm“ zugrunde gegangen sein.
Phönizier
Die Phönizier (= Phöniker) siedelten seit dem 13. Jh. v. Chr. an der Ostküste des Mittelmeeres. Beeinflusst durch die Kulturen der Hethiter, Mesopotamiens und Ägyptens entwickelten sie um 1000 v. Chr. eine Buchstabenschrift, aus der sich später auch das griechische Alphabet entwickelte. Da
die Phönizier nur auf einen schmalen fruchtbaren Küstenstreifen zurückgreifen konnten, lebten sie bald in erster Linie vom Fischfang und vom Seehandel. Die Stadtstaaten Sidon, Tyros und Byblos wurden zu wichtigen Handelszentren. Mit der Zeit wurden die Phönizier zu den wichtigsten Seehändlern der Antike. Wie später die Griechen gründeten sie Handelsniederlassungen (Kolonien) im gesamten Mittelmeerbereich. Am bedeutendsten von
diesen Kolonien wurde die Stadt Karthago in der Nähe des heutigen Tunis,
die angeblich im Jahr 814 v. Chr. gegründet wurde. Karthago stieg bald zur
wichtigsten Seemacht im westlichen Mittelmeer auf, bis die Römer in drei
lang andauernden Kriegen das Reich der Karthager völlig zerstörten (146 v.
Chr.). Wahrscheinlich dürften phönizische Seefahrer im 6. Jh. v. Chr. auch
den offenen Atlantik erreicht haben sowie Afrika umsegelt haben.
Israeliten
Über die Geschichte und Kultur der Israeliten (= Hebräer, Juden; alle drei
Bezeichnungen werden für das antike Judentum vor Christi Geburt häufig
unterschiedslos verwendet; für die Anfangszeit spricht man zumeist von den
Hebräern) sind wir aus der Bibel gut informiert. Während der Hyksoszeit in
Ägypten (um 1650-1550 v. Chr.) dürfte ein Teil der Israeliten in ägyptische
Abhängigkeit geraten sein, doch verließen sie unter der Führung des Moses
vermutlich um 1230 v. Chr. das östliche Nildelta, um sich der Unterdrückung
zu entziehen. Nach Palästina zurückgekehrt vermischten sie sich mit der
ansässigen Bevölkerung. Um 1220 v. Chr. taucht erstmals der Name „Israel“ auf.
Die Besonderheit der Israeliten liegt in der Verehrung des alleinigen Gottes
Jahwe. Allein unter dem ägyptischen Pharao Echnaton (Amenophis IV.)
findet sich im 14. Jh. v. Chr. sonst noch ein Eingottglaube vor dem Christentum. Hauptstadt und religiöses Zentrum war die Stadt Jerusalem.
An der Spitze des Volkes standen zunächst Richter aus dem Volk, später
wählte man Könige, um den Bedrohungen aus der Nachbarschaft durch
eine starke Führung widerstehen zu können. Hinter dem Kampf „David gegen Goliath“ verbirgt sich der Krieg, den der junge König David (um 1000960 v. Chr.) gegen die übermächtigen Philister führte. Davids Nachfolger
König Salomon (um 960-926 v. Chr.) ließ in Jerusalem den ersten großen
Tempel errichten. Außerdem dürfte seine Regierungstätigkeit allgemein als
weise beurteilt worden sein („salomonisches Urteil“). Nach dessen Tod zerfiel das Reich wieder in die Teilstaaten Israel im Norden und Juda im Süden. Schon 721 v. Chr. wurde Samaria, die Hauptstadt Israels, von den
Assyrern erobert; 598 und 587/586 wurde Jerusalem völlig zerstört. Die
meisten Bewohner Judas wurden nach Babylon deportiert. Diese „Babylonische Gefangenschaft“ wurde erst durch die persische Eroberung Babylons
im Jahr 539 beendet. Auch danach wurden Israel und Juda zumeist von
fremden Mächten beherrscht, zunächst von den Persern, dann von Alexan12
last von Hattusas unweit
der türkischen Hauptstadt
Ankara weist zahlreiche
monumentale Steinskulpturen auf. Als nach dem
Ende des Osmanenreiches (am Ende des Ersten
Weltkrieges) eine nationaltürkische Bewegung um
Mustafa Kemal (genannt
Atatürk) in der Türkei an
die Macht kam, griff man
bei der Wahl der Staatssymbole nicht auf die
verhasste
osmanische
Vergangenheit,
sondern
auf die Hethiter zurück.
Die Löwenfiguren im Mausoleumskomplex für Atatürk sind daher den Löwen
aus Hattusas nachgebildet.
der dem Großen und seinen Nachfolgern im syrischen Bereich, den Seleukiden. Aufgrund der religiösen Unterdrückung erhoben sich national gesinnte jüdische Kreise im Jahr 168 v. Chr. und errichteten in der Folge wieder
ein Königreich, das auch noch um Christi Geburt von den Römern geduldet
wurde.
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