16 – Beugung Wir haben das Phänomen der Beugung bereits im letzten Kapitel angesprochen, wie bspw. bei der Ableitung der Beugung am Spalt aus unserem Ergebnis der Interferenz am Gitter. Allgemein meint Beugung alle Phänomene der Lichtausbreitung nach dem Auftreffen auf ein Hinderniss, dass die geradlinige Lichtausbreitung verhindert. Augustin Fresnel (1788­1827) war maßgeblich an der Entwicklung der Theorie der Beugung beteiligt. Er stellte seine Überlegungen 1819 der französischen Akademie der Wissenschaften vor. 16.1 – Beugung am Doppelspalt Wir haben die Beugung am Einfachspalt bereits diskutiert. Auch die Interferenz am Doppelspalt mit verschwindenden Spaltbreite haben wir behandelt. Ein offene Frage ist noch: Welche Intensitätsverteilung ergibt sich hinter einem Doppelspalt mit nichtverschwindender Spaltbreite? ­ Konzeptionell ist klar, dass die Beugung am Einfachspalt die Intensitätsverteilung des Doppelspalt­Interferenzbildes modifizieren muss. Wir betrachten dazu einen Doppelspalt mit Spaltabstand d (zwischen den Zentren der Einzelspalte gemessen) und den Spaltbreiten a. Der elektrische Feldvektor wird aufgrund der Überlagerung der Wellen von der zwei Einzelspalten den Betrag E = 2 E 0 cos / 2 annehmen. meint den Phasenunterschied. Die Beugung an den Einzelspalten modifiziert diesen Ausdruck zu E = 2 E 0 sin sin / 2 cos / 2 /2 Dabei meint die Phasendifferenz der Wellen, die von der oberen bzw. unteren Kante eines Einzelspaltes ausgehen (d.h. = N in unserer Diskussion in Kapitel 15). Es gelten weiter die Identitäten: = a sin und = d sin 2 2 Wir erhalten den folgenden Ausdruck für die Intensität a I = I 0 sin 2 d dsin sin / 2 cos2 / 2 /2 in den wir die Ausdrücke für und einsetzen können. Der sin2­Faktor wird auch als Beugungsfaktor bezeichnet. Ein exemplarisches Beugungsbild am Doppelspalt ist auf der nächsten Seite gezeigt. Intensität bei Beugung am Doppelspalt (d = 6a = 60) Beugungsfaktor Doppelspalt­Interferenz­Faktor Beugung am Doppelspalt 16.2 – Grenzen des Auflösungsvermögens Jede Linse ist durch ihren Rand oder ihre Fassung begrenzt. Sie wirkt also als beugende Öffnung. Ein beliebig scharfer Objektpunkt wird deshalb immer auf ein Beugungsscheibchen (Airy­Scheibchen) abgebildet. Der Winkeldurchmesser dieses Beugungsscheibchens beträgt =1,22 r Dieser Ausdruck weicht um den Faktor 1,22 vom Resultat für den rechteckigen Spalt ab. Der Grund liegt darin, dass bei einer kreisrunden Öffnung der Wegunterschied von Randstrahlen eben nicht konstant ist (wie beim Rechteckspalt), sondern von D bis 0 variiert, wobei D = 2r der Durchmesser der Öffnung ist. Das erste Beugungsminimum tritt also jeweils links und rechts vom zentralen Maximum bei den Winkeln =±1,22 D auf. Das bedeutet beispielsweise, dass zwei benachbarte Sterne mit einem Fernrohr nur dann getrennt abgebildet werden können, wenn ihre Beugungsscheibchen sich nicht überdecken. Sterne sind aufgrund ihrer großen Entfernung von uns auch mit den besten Teleskopen stets nur als Punktlichtquellen abzubilden. Diese Beugung limitiert das Auflösungsvermögen eines jeden optischen Geräts. 16.3 – Auflösungsvermögen des Auges Der mittlere Pupillenradius ist 2 mm. Auf der 24 mm dahinter liegenden Netzhaut entsteht für jeden Objektpunkt ein Beugungsscheibchen. Gelbes Licht (Wellenlänge 600 nm) hat aufgrund des Brechungsindex im Glaskörper (n = 1,33) im Auge eine etwas kürzere Wellenlänge von 600 nm/1,33. Der Öffnungswinkel des Beugungskegels ist 600 ×10−9 =1,22 =1,22 ≈ 0,3 mrad r 1,33⋅2 ×10−3 Der Durchmesser des Beugungsscheibchens ist demnach D B = ⋅24 mm ≈ 7 µm Das entspricht in etwa dem mittleren Abstand zweier Rezeptoren (Zäpfchen) auf der Netzhaut. Die lichtempfindliche Schicht hat also eine Rasterung, die das Auflösungsvermögens des Auges voll auszunutzen erlaubt. 16.4 – Auflösungsvermögen des Mikroskops und Teleskops Wir betrachten zunächst das Mikroskop. Licht von einem Punkt auf der optischen Achse tritt in das Objektiv unter einem maximalen Öffnungswinkel ein, wobei gilt sin = r f ( r : Radius Objektivblende) Dabei ist die Gegenstandsweite (in sehr guter Näherung) gleich der Objektivbrennweite f. In der Bildebene des Objektivs entsteht ein Beugungsscheibchen, das man sich als Bodenfläche eines Kegels mit Öffnungswinkel vorstellen kann = 1,22 r Damit zwei Objektpunkte getrennt gesehen werden, muss deren Mindestabstand xmin also so groß sein, dass die zugehörigen Beugungsscheibchen um mindestens den Winkel gegeneinander verschoben sind. Dies ist das Rayleigh­Kriterium. f D=2r xmin benachbarte Objektpunkte Aus der Zeichnung lesen wir ab: x min 1,22 ≈ = f r Wir können r mittels sin tan r/f eliminieren und erhalten x min = 1,22 1,22 ⋅f = f sin sin Das können wir noch auf Immersionssysteme verallgemeinern und erhalten. x min = 1,22 NA Das Auflösungsvermögen eines Mikroskops wird also umso besser, je kleiner die Wellenlänge des verwendeten Lichts ist, und je größer die numerische Apertur ( siehe auch Elektronenmikroskop). Beim Teleskop wird direkt die Winkelauflösung verwendet, um das Auflösungsvermögen zu spezifizieren: 1,22 = r 16.5 – Spektrometer und Spektroskop Mittels eines Spektrometers oder Spektroskops werden Wellenlängen mit hoher Präzision gemessen unter Verwendung eines Gitters (oder eines Prismas). Das zu analysierende Licht fällt durch eine Schlitzblende in einen Kollimator. Der Schlitzt sitzt am Brennpunkt einer Linse, so dass paralleles Licht auf das Gitter fällt. Kollimator Lichtquelle Mittels eines Teleskops mit variabler Winkelstellung zum Gitter kann das Spektrum der Lichtquelle analysiert werden. Aus der Interferenz am Gitter kennen wir den Zusammenhang Gitter = Teleskop Auge/Detektor d sin m für die m. Beugungsordnung des Lichtanteils mit der Wellenlänge . Die in einem Spektrometer sichtbare Linie einer Wellenlänge ist tatsächlich ein Bild der Schlitzblende vor dem Kollimator. Je enger diese Blende, desto lichtschwächer das Spektrum aber desto hoher auch die Präzision der Messung der Wellenlänge. Eine wichtige Anwendung von Spektrometern ist die Identifikation von Atomen oder Molekülen durch ihr charakteristische Absorptions­ oder Emissionsspektrum. Das Bild zeigt das Absorptionsspektrum unserer Sonne jeweils getrennt nach den verschiedenen Hauptfarben Rot, Gelb, Grün, Blau. Die dunklen Linien sind eine Folge der Absorption des Lichts aus den (heisseren) inneren Bereichen der Sonnenhülle durch Atome in den kühleren, äußeren Zonen der Sonnenatmosphäre. Auch die Atome und Moleküle in der Erdatmosphäre verursachen einen Teil der Absorptionslinien. Generell gilt: Atome und Moleküle absorbieren Licht bei den Wellenlängen, bei denen sie auch Licht emittieren. 16.6 – Auflösungsvermögen von Beugungsgittern Wir hatten gesehen, dass die bei der Interferenz am Gitter auftretenden Hauptmaxima umso schärfer werden (d.h. ihre Winkelbreite wird umso kleiner), je größer die Zahl der Gitteröffnungen (= “Striche”) ist. Jetzt wollen wir diskutieren, welche Trennschärfe ein solches Gitter hinsichtlich der Analyse von mehrfarbigem Licht hat. Wir nehmen wieder an, dass die Breite der Gitteröffnungen a gegen ihren Abstand d sehr klein sein soll, d.h. wir vernachlässigen die Beugung an den einzelnen Öffnungen. Bei realen Gittern ist das nicht erfüllt. Vielmehr gilt für diese oftmals a d. Für die Analyse der Trennschärfe bzw. des Auflösungsvermögens des Gitters macht das aber keinen Unterschied. Wie beim Doppelspalt diskutiert, verursacht die Beugung an den Öffnungen eine Einhüllende für die Intensitätsverteilung am Gitter, verändert aber nicht die Schärfe der Interferenzlinien. Unser Gitter habe N Striche. Das erste Minimum neben dem Hauptmaximum 0. Ordnung tritt auf, wenn zwischen zwei benachbarten Gitterstrichen eine Phasendifferenz von = 2 N auftritt. So ergibt sich bspw. für N = 2 (Doppelspalt) gerade als Phasendifferenz, was die Auslöschungsbedingung ist. Der zugehörige Winkel ist gegeben über die Beziehung = 2 d sin Nennen wir den Winkel, unter dem das 1. Minimum auftritt, 0. Wir erhalten damit sin 0 = Nd Für typische Werte von und d und einer ausreichend großen Strichzahl N gilt in guter Näherung 0 ≈ Nd Dies entspricht der Winkel­Halbwertsbreite des Hauptmaximums 0. Ordnung. Die Winkelbreite für höhere Beugungsordnungen erhalten wir aus der Beziehung 2 d sin = durch Bildung des totalen Differentials d 2 d cos = = d Wenn m die Halbwertsbreite eines Hauptmaximums m. Ordnung bezeichnet. Mit = 2 N erhalten wir für die Halbwertsbreite = 2 2 d cosm = m N m = Nd cosm Diese Ableitung gilt nur für kleine , was aber für reale Beugungsgitter sehr gut erfüllt ist, da diese N = O(10.000) aufweisen. Die Linienbreite aller Hauptmaxima ist also umso geringer, je größer N wird. Eine wichtige Anwendung für das Beugungsgitter ist die Spektrometrie. Dazu liefert das Auflösungsvermögen R des Beugungsgitters definiert als R= eine wichtige Kennzahl. Aus der Bedingung für konstruktive Interferenz am Gitter (siehe Kapitel 15) d sin m = m können wir ableiten = d d m = cosm m d m m Wir setzen den Ausdruck für die Halbwertsbreite des m. Hauptmaximums ein und erhalten = d = m Nd mN Für das Auflösungsvermögen gilt damit R= = mN Je größer R wird, desto enger benachbart können zwei Wellenlängen sein, die man im Gitterspektrometer immer noch trennen kann. Hörsaal­Übung: Gelbes Natriumlicht wird durch zwei charakteristische Emissionslinien von angeregtem Natriumdampf bei den Wellenlängen 589,00 nm und 589,59 nm verursacht. Dieses Licht falle auf ein Beugungsgitter mit 7500 Strichen/cm. (a) Welche maximal Beugungsordnung ergibt sich? (b) Welche Gitterbreite muss man haben, um die beiden Linien zu trennen? (c) Wie groß ist die Halbwertsbreite der einzelnen Na­Linien? 16.7 – Röntgenstrahlung und Röntgenbeugung 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen (1845­1923), dass beschleunigte Elektronen beim Auftreffen auf Glas oder Metall innerhalb einer Elektronenröhre ausserhalb der Röhre bei in der Nähe liegenden fluoreszierenden Mineralien ein Leuchten hervorrufen. Röntgen schloss, dass in der Röhre eine neue Art von Strahlen entstehen müsse, die Fluoreszenz in den Minerialien induziert. Diese bis dato unbekannte Strahlung nannte er X­Strahlung. Er fand schnell heraus, dass das Durchdringungsvermögen dieser Strahlung stark von der Dichte eines betrachteten Materials abhängt. Dies ist die Grundlage für die Röntgendiagnostik in der Medizin. Zur Aufklärung der Natur der X­Strahlung waren folgende Erkenntnisse wesentlich: ● Die Strahlung ist durch elektrische und magnetische Felder nicht beeinflussbar. ● Interferenz kann mit dieser Strahlung mit gewöhnlichen Beugungsgittern nicht beobachtet werden. Die wichtigste Erkenntnis aber stammte von Max von Laue (1879­1960), der vorschlug, dass die Atome in Kristallen regelmäßig angeordnet seien und deshalb ein Kristall als eine Art Beugungsgitter in drei Dimensionen für besonders kurzwellige Strahlung angesehen werden könne. Dies wurde von ihm 1912 experimentell verifiziert unter Verwendung von X­Strahlen aus einer Röntgenröhre an einem ZnS­Kristall. Er zeigte damit, dass Röntgenstrahlung Licht mit sehr kurzer Wellenlänge ist. Ausserdem bewies er seine Theorie zur Röntgenbeugung an Kristallen. Wir wissen heute, dass Röntgenstrahlung (englisch nach wie vor X­rays) elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von ungefähr 0,01 nm bis 10 nm ist. Den Aufbau heutiger Röntgenröhren zeigt die Abbildung. Als Anodenmaterial (A) wird vorwiegend Molybdän oder Kupfer eingesetzt. Wasserkühlung Heizkreis Kathode Anode Das von der Anode ausgehende Röntgenlicht ist nicht monochromatisch. Es enthält einen kontinuierlichen Beitrag, das sogenannte Bremsstrahlungskontinuum, sowie einige für das Anodenmaterial charakteristische Linien mit hoher Intensität. Diese Linien werden insbesondere für die Röntgenbeugung “herausgefiltert” und verwendet. Die Filterung erfolgt mittels Bragg­Streuung (s.u.) an einem Kristall vor der Röntgenröhre, der als Monochromator wirkt. Mit der Methode der Röntgenbeugung (oder auch Röntgendiffraktion) geschieht heute ein Großteil der kristallinen Strukturaufklärung der unterschiedlichsten Materialien. Die Details der Theorie der Röntgenbeugung sind recht kompliziert aber sehr viel lässt sich schon anhand der sogenannte Bragg­Bedingung verstehen. Wir betrachten einen einfachen Kristall (wie Kochsalz NaCl) in dem die Atome auf einem einfachen kubischen Gitter angeordnet sein sollen. Entlang einer der Kubusachsen betrachtet ergibt sich folgendes Bild: ds in d Fällt monochromatisches Röntgenlicht auf den Kristall unter einem Winkel , so können die an der obersten und zweiten Atomlage reflektierten Wellen interferieren. Konstruktive Interferenz tritt ein, wenn der optische Weglängenunterschied 2d∙sin ein ganzes Vielfaches der Wellenlänge ist. Das ist die Bragg­ Bedingung. 2 d sin = m , m =1,2 ,3 , Alle in gleichem Abstand d darunter liegenden Atomebenen (=Netzebenen) tragen in der gleichen Weise zur konstruktiven Interferenz bei. Diese Gleichung wurde von W. L. Bragg (1890­1971) abgeleitet. Zusammen mit seinem Vater W. H. Bragg (1862­1942) entwickelte er die Theorie und Experimentiertechnik der Röntgendiffraktometrie in den Jahren 1912­1913. Heute werden mittels der Röntgendiffraktometrie unter anderem Strukturen kristallisierter, komplexer Biomoleküle mit vielen hundert Atomen in der elementaren Einheitszelle aufgeklärt. In diesen Fällen hat ein Röntgendiffraktogramm viele tausend Interferenzmaxima (= Reflexe). Der Röntgendiffraktometrie ist es bspw. zu verdanken, dass Watson und Crick 1953 die Doppelhelix­Struktur der DNA vorschlagen konnten. Laue­Diffraktogramm eines komplexen, kristallisierten Bio­Moleküls.