Entwicklung des Viszerokraniums

Werbung
Focus
Entwicklung des Viszerokraniums
Rob Kwakman
Beim Durchforsten der Raum-Zeit-­
Beziehungen embryologischer Vorgänge im Körper stellen sich immer wieder
Fragen nach dem Henne-oder-Ei-Prinzip.
Ist zuerst die Form da und folgt darauf
eine Funktion oder entsteht eine Form
aufgrund einer Funktion? Lösen epi­
genetische Prozesse eine Genantwort
aus oder schafft eine Genexpression
eine epigenetische Antwort? Sind Gene
proaktiv oder reaktiv? Wirken die vorhandenen Kräfte eher von innen oder
von außen? Diese Fragen beschäftigen
uns auch im Hinblick auf die Entwicklung des Viszerokraniums.
Dieser Artikel beschreibt die Faktoren,
die die Raumentwicklung des Gesichtsschädels beeinflussen und jene, die laut
aktueller Forschung ganz spezifisch
für das Gesichtswachstum zuständig
sind. Gesondert geht der Beitrag auf
die funktionellen Matrices ein, die laut
Sperber Einfluss auf das Schädelwachstum haben [8]. Die abschließenden
­klinischen Folgerungen fassen die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
B
ergsmann und Bergsmann haben
in ihrer Arbeit von 1997 auf die
elek­tromagnetische Aktivität der
Bindegewebssepten
zwischen
den
Muskelketten und den Ursprungs- und
Ansatz­sehnen
hingewiesen.
Wenn
Wachstumsvorgänge durch diese elektro­
magnetische Aktivität beeinflusst werden, bilden die Bindegewebssepten des
Kopfes eine Matrix für die Entwicklung
des Gehirns, des Neurokraniums und des
Viszerokraniums. Dabei ist zu beachten,
dass die Feldwirkung Räume im Körper
entstehen lässt, wohingegen die Septen
zu Orientierungspunkten oder Fulkren
werden. Alle Räume im Körper entstehen
demnach aus kondensierter Feldwirkung,
umhüllt oder umgeben von Bindegewebsblättern. Chronologisch betrachtet bedeutet das, dass zuerst ein Feld entsteht, dann
eine Form mit mehreren Feldern, die eine
­Matrix bilden für die Bindegewebsent-
16
wicklung an den Kontaktstellen der einzelnen Felder. Die ­daraus neu entstehenden Felder sind dann die Vorstufen der
Raumentwicklung im Körper. Dies gilt
gleichermaßen für das Neurokranium,
die Räume im Viszerokranium, Brustund Bauchraum, Becken und Retroperitonealraum.
Für die Osteopathie sind sowohl die Chronologie der Entwicklung von Bedeutung
wie auch die Funktion der Bindegewebssepten für die einzelnen Räume und den
Körper insgesamt.
Raumentwicklung
des Viszerokraniums
Die Möglichkeiten des Viszerokraniums
sich zu entfalten sind primär abhängig
von 2 Entwicklungsfaktoren:
1. Entwicklung des Gehirns
2. Entwicklung des Brustraums mit
­Herzentwicklung und Deszensus des
Zwerchfells
1. Entwicklung des Gehirns
Die Entwicklung des Gehirns scheint
zuerst eine primär kaudokraniale Entwicklung des Neuralrohrs zu sein. Die
Trennung der primären Gehirnbläschen
an der Lamina terminalis und die darauf folgende Wachstumsrichtung zur
Seite und nach hinten scheinen die Entwicklung in kaudokranialer Richtung zu
bestätigen. Denkt man aber im Sinne
einer Feldtheorie, kommen andere, funktionellere Gedanken auf.
Demnach stellt die Entwicklung des
Gehirns in erster Linie ein Expansionswachstum in alle Richtungen des Raumes
dar bzw. ein Wachstum innerhalb eines
Feldes. Die elektromagnetischen Felder
kreieren dabei Räume, die eine Matrix
erzeugen, von Flüssigkeiten durchzogen
werden und Material zum Materieaufbau heranschaffen. Dabei spielt die Elektrizität eine herausragende Rolle, sowohl
beim Phänomen der Ignition (Zündung)
einiger Entwicklungen, wie auch als Rest­
elektrizität an der Gehirnoberfläche, in
den Hirnnerven, den Hirnkernen und an
den Schädelknochen.
Die funktionellen Vorgänge in der Entwicklung des Kopfes können nur dann
hinreichend erklärt werden, wenn man
eine Feldtheorie und die Entstehung eines
Electric Body annimmt. Dies gilt für die
Entstehung der Schädelkalotte (= Neuro­
kranium), des Viszerokraniums und für
das Gehirn selbst. Formen und Funktionen der Gehirnteile und der Schädelknochen sprechen für diese Annahmen. Und
auch wenn es den Anschein hat, dass die
Schädelbasis die Räume zwischen Neuround Viszerokranium trennt, lässt sich die
Gesamtentwicklung des Kopfes nur aus
der Entwicklung des Gehirns heraus verstehen.
2. Entwicklung des Brustraums
Die Entwicklung des Brustraums in Verbindung zum Kopf ist embryologisch
betrachtet vor allem eine Entwicklung
des Herzens. Sowohl die Einfaltung des
primär mesodermalen oder mesenchymalen Herzens, wie auch die Entstehung des Zwerchfells samt Deszensus
in den Körper hinein, sprechen für eine
Ansaug­bewegung durch elektromagnetische Feldwirkung des primären Ortes des
Herzens. Die zugehörigen Septen sind die
Pharyngealbögen und das Zwerchfell.
Die Entwicklung des Herzens und des
Gehirns als elektrische Organe sprechen
für eine funktionelle Verbindung der
beiden. Auch die Chronologie der Funktionsentwicklung beider Systeme bestätigt diese Annahme.
In diesem Spannungsfeld zwischen Hirn
und Herz entwickeln sich Gesicht, Pharynx und Larynx. Denn durch die Einfaltung des Herzens in den Körper hinein braucht es eine Entfaltung zwischen
Gehirn und Herz, um einen Raum zu
schaffen für das Wachstum des Gesichts
und des Halsbereichs. Wichtige Funktionen von Pharynx und Larynx wie Sehen,
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
Knochenentwicklung
Das Viszerokranium ist ein herausragendes Beispiel für das Zusammenspiel
verschiedener Kräfte bei der Entwicklung der Form. Die aktuelle Forschung
beschreibt mehrere Aspekte des Gesichtswachstums:
1. genetische und epigenetische Faktoren/Weichteilmatrix
2. neurotrope Effekte
3. Induktionssubstanzen
4. das nicht selbst gesteuerte Knochenwachstum
5. genetische Antwort, die durch verschiedene mechanische Kräfte auf
einen Knochen wirkt
6. passives Knochengewebe
7. durch piezoelektrische Potenziale stimulierte Osteoblasten- und Osteoklastenantwort
Es scheint demnach, dass Knochen ein
passives Sammelbecken für Informationen sind, auf die sie mit Wachstum
reagieren. Persönlich glaube ich zwar
nicht, dass Knochen in diesem Zusammenspiel der Kräfte vollkommen passiv
sind, aber erst einmal ist es wichtig zu
verstehen, dass Knochen Informationen
allerart in sich aufnehmen können und
N 1 und 2 Das Biomagnetfeld des menschlichen Körpers und des Kopfes.
diese in Form und Funktion speichern.
Dabei sind sie nicht proaktiv.
Sämtliche mikro- und makroskopische
Betrachtungen des Bindegewebes sind im
vollen Umfang auch auf die Entwicklungen der Knochen anwendbar.
1. Matrix
Zu Beginn existiert ein bioenergetisches
Feld. Daraus entsteht eine Flüssigkeitsmatrix, die unter epigenetischen Einwirkungen (Druck, Zug und Torsionskräfte)
Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des inneres Milieus des Bindegewebes erzeugt. Für die Steuerung
sind die Zellmembranen zuständig.
Unter Einfluss der Kräfte entwickelt sich
aus einer flüssigen eine verdichtete Matrix. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist
die Bildung von Knochen. Sie sind es, die
die Bildungskräfte in Plastizität umsetzen
und damit unserem Körper eine Gerüstmatrix schenken.
Die Wechselwirkungen in der Strukturbildung der Knochen werden durch
Osteoklasten und Osteoblasten geregelt.
Osteoblasten sind für die Knochenbildung
zuständig. Sie sorgen für den Aufbau der
organischen Knochenmatrix mithilfe von
Glykoproteinen, Kollagen (vor allem Tropokollagen) und Hydroxylapatit.
Die Osteoklasten dagegen bauen Knochen ab, indem sie organische und anorganische Komponenten der Knochen
chemisch spalten und Enzyme (Kollagenasen) und verschiedene Säuren dazu
produzieren.
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
2. Neurotrope Effekte
Nerven sind in ihren Entwicklungen vor
allem elektrisch belebt und belebend. Ihr
Wachstumskegel sucht über Filopodien
nach differenzierten chemischen Substanzen, die eine Weiterentwicklung funktionell begleiten und ermöglichen. Dabei
wird das umliegende Gewebe ständig
elektrisch und chemisch informiert. Ein
Übergang von Feldmatrix zu flüssiger
Matrix ist abhängig von den bindegewebigen Entwicklungen. Der Übergang von
flüssiger in verdichtete Matrix ist primär
elektrisch bedingt.
Nerven und vor allem Hirnnerven wirken chemisch als Induktionsvermittler. Wachstumshormone, Enzyme und
andere Gewebshormone werden spezifisch eingesetzt, um Informationen im
Gewebe zu übertragen. Dabei kommt es
zu Rückkopplungsmechanismen zwischen den Muskeln und dem Periost der
Insertionsknochen, während die Wachstumsrichtungen der Hirnnerven u.a.
von der Anordnung der Bindegewebssepten abhängen. Schädelbasis und Falx
cerebri „lenken“ das Wachstum des Bulbus olfactorius. Die Dura mater oberhalb
der Schädelbasis ebnet den Weg für die
Nervi optici (siehe auch Augenentwicklung). Eine herausragende Rolle für das
Gesichtswachstum spielen der Nervus
trigeminus und Nervus facialis. Die Dreiteilung des N. trigeminus und der Verlauf
der N. facialis sind besonders wichtig für
die Gesamtentwicklung des Viszerokraniums. Hier spielen die einzelnen Knochen
und ihre Entstehung in der Matrix im Verhältnis zur Dura mater bzw. zu rezipro-
DO · Focus
Riechen, Schmecken, Sprechen und Hören
sind auf diese Entwicklungen zurückzuführen.
So wie die Faszien im Neurokranium die
Raumentwicklung des Schädels gewährleisten (Dura mater), sind es im Viszerokranium zusätzlich Septen und Hirnnerven, die mit ihrem Wachstum die Räume,
deren Umhüllungen und damit Knochen
entstehen lassen und funktionell in den
Körper (Pharyngealbögen) einbinden.
Beispielhaft für diese Entwicklung sind
die Formentwicklungen der Pharyn­
gealbögen. Zwei Felder (Kopf und Herz)
entfernen sich voneinander und lassen
Platz entstehen für einen neuen Raum
mit eigenen Wänden, Faszien, Nerven
und Gefäßen. Die Pharyngealbogennerven sind dabei die Motoren der Entwicklung, jeder mit einem elektrischen Feld
bzw. einer Funktion versehen. Ob Schmecken oder Riechen, alle zuerst stofflichen Informationen werden in elektrische ­Signale umgesetzt und zum Gehirn
geführt. Auch das Sehen und Hören sind
für stoffliche Informationen angelegt,
haben aber zusätzlich weitere Funktionen erhalten.
17
ken Spannungsmembranen eine wesentliche Rolle.
3. Induktionssubstanzen
Als Induktionssubstanzen in der Knochenentwicklung gelten vor allem die
nicht kollagenen Proteine oder Vernetzungsproteine (Osteokalzin, Osteopontin), weitere Glykoproteine und Phosphoprotein sowie Knochen-Sialoprotein.
Meyer hat festgestellt, dass die Verknöcherung von einer Schicht eingeleitet
wird, die nur aus Grundsubstanz und
nicht-kollagenen Proteinen aufgebaut
ist [5]. Knochen-Sialoprotein und Osteopontin stimulieren die Mineralisierung
des Knochens und hemmen die Aktivität
der Osteoklasten. Das Osteokalzin stimuliert die Osteoklasten zum Knochen- und
Mineralienabbau.
4. Knochenwachstum wird nicht
selbst gesteuert
So wie die Gene reaktiv und nicht proaktiv sind, gilt gleiches für die Knochen
bei normaler Entwicklung. Im abstrakten
Sinne könnte man die Funktion der Knochen für den Körper vergleichen mit der
Funktion der Zellen für das Gewebe. Steuern epigenetische Prozesse eine Genantwort, so steuern mechanische Kräfte die
Entwicklung und Erhaltung der Knochen.
5. Zusammenspiel mechanischer
Kräfte
Das Gesicht entwickelt sich in einem
reziproken Verhältnis zur Schädelbasis
und zum Gehirn. Die genetische Kontrolle erfolgt durch die Weichteilmatrix der
Umgebung und besteht hauptsächlich
aus den Reaktionen auf Zug und Druck-
kräfte aus den Weichteilen bzw. mesenchymalen Anlagen sowie der Entwicklung der Nerven und Organsysteme wie
Augen und Gehörorgane. Die Mechanik der Druck- und Zugkräfte setzt sich
im Bindegewebe in Alignments fort, d.h.
Fasern der Grundsubstanz ordnen sich in
Linien an. Die mechanische Information
wird über die Zellmembran (u. a. Integrine) zum Zellkern übertragen. Es entstehen bioelektrische Effekte im Bindegewebe und an der Zellmembran.
Funktionelle Matrices
Sperber beschreibt folgende funktionelle Matrices, die Einfluss auf das Schädelwachstum haben [8]:
A.das sich ausdehnende Gehirn
B. das sich ausdehnende Auge
C. der wachsende Knorpel des Septum
nasi
D.die wachsende Zunge
E. das Kraftzentrum der Synchondrose
sphenobasilaris (SSB)
F. verschiedene Muskeln (M. temporalis, M. masseter, M. stylohyoideus,
M. sternocleidomastoideus)
Eine osteopathische Betrachtung dieser
Punkte führt zu vielen Übereinstimmungen, aber auch einigen Differenzen.
A. Das sich ausdehnende Gehirn
Die Wachstumsrichtungen des Gehirns
haben großen Einfluss auf Entwicklung
und Wachstum des Gesichts. Die zuerst
sphärisch-expansiv gerichtete Entwicklungskraft der primären Gehirnbläschen
wird durch den einschnürenden Effekt
der entstehenden Falx cerebri nach rechts
und links gedrängt. Diese Trennungsstelle
hat funktionell noch Bedeutung als Linea
terminalis und markiert den Übergang
c
x
y
b
z
a
18
N 3 Beispiel
Stativ: Die
­gesamte
­Balance bleibt
erhalten, weil
sich regionale
Ungleich­
gewichte ge­
genseitig
aufheben und
die Gesamt­
länge jedes
­Beines somit
gleich bleibt.
zwischen Knochen (Os ethmoidale) und
Gehirn (Thalamus). Gleichzeitig ist dies
ein wichtiger Punkt in der elektrischen
Entwicklung des Gehirns.
Nun verfolgt das Gehirn eine Entwicklung
wie die Hörner eines Schafbocks: Von
vorn nach oben, dann nach hinten und
unten, um danach wieder nach vorn und
außen zu wachsen. Die dabei entstehenden Lobi des Gehirns verfolgen aber weiterhin sphärisch-expansive Kräfte, jeder
Lobus für sich in Abhängigkeit von Septen
wie Falx und Dura mater. Gerade diese
expansiven Kräfte bilden eine Umwandlung von Bindegewebe in Knochenmatrix und Knochen. Die Flüssigkeitsmatrix
wandelt sich in verschiedenen Stufen zu
verdichteter Matrix um.
Von der ursprünglich energetischen Matrix bleibt letztlich der Liquor cerebrospinalis (LCS) als flüssige Matrix übrig. Aus
physiologischer und osteopathischer
Sicht können wir die verschiedenen Funktionen dieses Highest known Element nie
oft genug erwähnen. Auch physikalisch
betrachtet ist die Fluktuation der LCS ein
wichtiger Motor für Bewegung.
Wenn wir die verschiedenen Lobi des
Gehirns in ihrer sphärisch-expansiven
Entwicklungskraft betrachten, wird deutlich, wie wichtig die Räume der Schädelgruben für die kraniosakrale Osteopathie
sind. Diese Räume sind die „Häuser“ der
einzelnen Hirnteile.
Wir Osteopathen werden das Gehirn
immer weniger in seiner gesamten Bewegung betrachten, sondern, so wie wir
Organe und Viszera im Bauch voneinander unterscheiden, die einzelnen Teile des
Gehirns auf Motilität und Ausdruck testen und behandeln. Das Gehirn ist damit
Ausdruck verschiedener Kräfte und elektrischer Felder.
Die vordere Schädelgrube entwickelt
eine Kraft nach vorn und unten. Dadurch
verursacht sie einen Knick der Schädelbasis. In der Folge vertikalisiert sich das
Rückenmark und es kommt zu einer Aufrichtung. Der Lobus frontalis lässt die
Orbitae rotieren, die sich nach vorn und
horizontal ausrichten. Eine weitere Folge
der Aufrichtung ist, dass das Viszerokranium an Höhe gewinnt. Der Raum des
Epipharynx wird dadurch breiter und
rückt nach vorne (vgl. Os hyoideum). Die
Halsorgane treten tiefer, was die Voraussetzung für Luft- bzw. Nahrungswege und
Stimmbildung schafft.
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
Die mittlere Schädelgrube hat eine starke
Entwicklungskraft nach vorn und außen.
Die Größe dieser Schädelgrube bestimmt
die horizontale Dimension des Pharyngealraumes und die horizontale Entwicklung der Pharyngealbögen. Die Entwicklung der Rami mandibulae gleicht diese
weitere Ausdehnung aus.
Die hintere Schädelgrube wird durch die
Entwicklung des Zerebellums geprägt.
Auch hier ist eine Ausdehnung nach lateral und unten zu beobachten:
 Das Os frontale wird durch das Gehirn
in eine vertikale Ebene gedreht.
 Die Augen stehen im rechten Winkel
zum Rückenmark. Das Rückenmark
steht senkrecht und die optische Achse
liegt waagerecht.
N 5 Richtungen des suturalen Kno­
chenwachstums an der Schädelbasis.
B. Das sich ausdehnende Auge
Die Entwicklungsbewegung der Augen
hat viele Ursachen, was viele Betrachtungsmöglichkeiten zulässt.
Die Augenkapseln entwickeln sich lateral
und werden durch 2 große Kraftsysteme
in ihre spätere Position gebracht: Die Entwicklung der gesamten Aufrichtung im
Körper (= Aszensus des Rückenmarks)
und die Rückstellkraft der Falx cerebri.
Die Aufrichtung ermöglicht dem Gesicht
nach vorn, außen und unten zu wachsen
(vgl. kranialer Ausdruck). Die reziproken
Spannungsmembranen entwickeln dagegen eine Kraft in Richtung Sinus rectus
oder Fulkrum von Sutherland. Die Kraft
der Falx cerebri samt Anheftung am Os
ethmoidale wirkt dabei zentrierend und
bestimmt eine Mitte im Gesicht mit einer
Wachstumstendenz nach unten (= viszeraler Deszensus). Septum nasi, Maxillae, Mandibulae und Mundhöhle setzen
diese Kraft aus dem Neurokranium in
eine Raumbildung um.
Die Dura mater des Auges ist das einzige
Element in der gesamten Dura ohne feste
Verbindungen. Die nach vorn gerichtete Kraft der Arteria ophtalmica und die
expansive Kraft des LCS müssen zwar von
einer Rückstellkraft der Dura gebremst
werden, aber das Auge behält seine Freiheit in der Augenhöhle.
Während der Bewegung von lateral nach
medial rotieren die Orbitae. Das führt zu
einer Reduktion des interorbitalen Anteils
des Gesichts. Dadurch kommt es zu einer
Reduktion der knöchernen Nase. Diese
nasale Reduktion ist auch eine Folge der
Rotation des Bulbus olfactorius. Zusammen führen diese Faktoren zu einer parallelen Augenachsenbildung als Vorausset-
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
Thesenpräsentation
der Akademie
für Osteopathie e.V.
30. September 2010
von 10.00–12.30 Uhr
und 14.00–16.00 Uhr
in Hamburg
Vergabe der Marke
AFODO®
Universitätsklinikum„Hamburg„
Eppendorf„(UKE)„Martinistr.„52,„
20246„Hamburg.„
Die„Teilnahme„ist„kostenlos.„
Anschließend„beginnt„der„
13.„Internationale
VOD-Kongress
Voraussichtlich werden folgende
Themen präsentiert:
„„ Therapie„von„Gebärmuttersenkung
„„ Komatöse„Patienten„mit„erhöhtem„
H„irndruck
„„ Sind„Faszien„kontraktionsfähig?
„„ Ligamentären„Verbindungen„der„
Harnblase
„„ Chronischen„Rückenschmerzen„und„
„Immunparameter
„„ Eingeschränkte„Schulterbeweglichkeit
„„ Inkontinenz„bei„Frauen„
„„ Psoriasis„vulgaris
„„ Schlafstörungen„bei„Kindern„
„„ Patientenanalyse„in„Osteopathie­
praxen
„„ Behandlung„eines„Uterusmyoms
„„ Übersichtsarbeit„über„Säuglings­
asymmetrie„
Genauere„ Informationen„ und„
den„ zeitlichen„ Ablauf„ erfahren„
Sie„ ab„ 20.9.10„ auf„ der„ Website„
www.osteopathie-akademie.de/
aktuelles.html
AFO
Römerschanzweg 5
82131 Gauting
Tel. 089-89 34 00 68
DO · Focus
N 4 Einflüsse
auf das Schä­
delwachstum:
nach unten und
vorne gerichtete
Kraft auf das
Wachstum des
Oberkieferkom­
plexes durch
Wachstum des
Nasenseptums.
19
N 6 Verände­
rungen des
Schädelbasiswinkels während
der Entwicklung
(nach Sperber:
Embryologie
des Kopfes).
zung für das sensorische und motorische
Sehen.
C. Der Knorpel des Septum nasi
Das Septum nasi ist eine embryologische
Fortsetzung der Falx cerebri. Während die
Lamina perpendicularis das Septum für
die bioenergetische Entwicklung der hinteren Nasenräume formt, bildet das Septum nasi die Scheidewand für die vorderen Nasenräume. Gleichzeitig wird über
dieses Septum die Kraft der reziproken
Spannungsmembranen auf das Gesicht
übertragen. Es ist, als ob das gesamte
Gesicht an der Falx cerebri angehängt ist.
Bei normaler Gesichtsspannung tendieren unsere Züge eher nach oben. Geht die
Spannung verloren, etwa bei Schock oder
Erstaunen, „entgleitet“ das Gesicht nach
unten, bis hin zu einem Herunterhängen
des Unterkiefers.
D. Die wachsende Zunge
Die Mundhöhle ist der Platz für unsere Zunge. Ihre Wachstumsrichtung zeigt
von hinten, unten nach oben, vorn. Dabei
ist die Zunge auch in ein laterales Wachstum eingebunden. Dass die Zunge nicht
die gesamte Mundhöhle einnimmt, ist
ihrer Beweglichkeit (= Muskelaspekt)
zu verdanken. Die Knochenleisten der
Maxilla und Mandibula wirken dabei als
Binde­gewebsschienen. Die umhüllenden
Wachstumsrichtungen der Pharyngealbögen für Maxilla und Mandibula orientieren sich dabei an 2 Kraftlinien: nach
vorn, oben in Kongruenz mit der Zunge
und nach hinten, oben mit den reziproken Spannungsmembranen. Das Wachstum wird durch den viszeralen Zug nach
unten gewährleistet. Damit gelingt es der
Maxilla und der Mandibula sich auf horizontaler Ebene plan auszurichten: eine
Voraussetzung für die normale Entwicklung der Zahnpositionen.
E. Kraftzentrum der SSB
N 7 Zentrifugales Wachstum der Schä­
delknochen mit Darstellung von sutu­
ralem und periostalem Knochenan- und
-abbau.
20
Die Übersetzung, Verteilung und Koordination der Wachstumskräfte auf das
Gesicht werden im großen Maße durch
den Ausdruck des unwillkürlichen
Mechanismus übertragen. Diese langsam durchdringende und sich ausbreitende Kraft des unwillkürlichen Mechanismus ist die Kraft der embryologischen
Entwicklung. Diese Kraft, von Sutherland
als Primärer Respiratorischer Mechanis-
mus (PRM) benannt, bündelt ihre gesamte Auswirkung auf ein Zentrum, die Synchondrose sphenobasilaris (SSB). Der
unwillkürliche Mechanismus („Bewegung“) dieser Synchondrose wird zum
Motor einer Vielzahl von Phänomenen
im Schädel:
 Er wird zu allen anderen Schädelknochen dirigiert.
 Er unterstützt die Bewegungen der
Spannungsmembranen.
 Er ermöglicht eine Fluktuation des LCS.
 Er gibt dem Gehirn eine Ausdrucksrichtung.
 Er ermöglicht eine Ausdehnung dieser Kraft im gesamten Körper, auch
über die unwillkürliche Bewegung des
Sakrums zwischen den Ossa ilia.
 Er
unterstützt
die Physiologie der Hämodynamik
im Kopf, die neurotrope Wirkung der
Hypophyse und den Druckaufbau im
venösen System des Kopfes.
Ohne dieses direkte und indirekte Wirken ist ein ausgeglichenes Wachstum des
Gesichtsschädels unmöglich.
F. Gleichgewicht zwischen
Muskel- und Knochen­
entwicklung
Wachstumsprozesse der Muskeln und
Knochen laufen aufeinander abgestimmt
ab. Es bestehen Feedback-Mechanismen
zwischen Muskeln und Knochen. Dieses
Gleichgewicht wird auch stark beeinflusst
durch die Signalwirkung der beteiligten
Nerven.
Das Wolff’sche Gesetz besagt, dass Form
und Struktur eines Knochens entwicklungsbedingte Anpassungen an seine
komplexen Funktionen sind. Die Morphologie des Knochens wird in Anpassung
an die sich verändernden mechanischen
Kräfte, die während des Wachstums und
der Entwicklung wirken, immer wieder
neu strukturiert. So werden z. B. durch
Reizung der Nervenfasern im Parodontium durch die Zähne Wachstumsreaktionen erzielt, die in Verbindung stehen mit
den Motoneuronen der Kaumuskulatur.
Hierdurch bleibt ein Umbau der Gesichtsknochen in der Umgebung der Zähne
(Maxilla, Mandibula, Os zygomaticum,
Os palatinum und Os vomer) durch die
Muskelweichteilmatrix ein ganzes Leben
lang bestehen.
Die Kaumuskulatur spielt in diesem
Gleichgewicht eine sowohl ordnende als
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
Anze
A
-
*A
M
auch störende Rolle. Als eine der größten Kräfte im Körper gibt es im Knochen
verschiedene Kaudruckpfeiler, die diese
Beißkräfte für das Gesicht ausbalancieren. Das Os zygomaticum dient als Vermittler und Kraftminderer zwischen
Os temporale und Maxilla. Das Os palatinum und das Os vomer übernehmen
eine ähnliche Rolle zwischen Sphenoid
und Maxilla.
Klinische Folgerungen
1. Das Viszerokranium ist in seinem Ausdruck ein Spiegelbild für das Funktionieren des gesamten Körpers.
2. Dysfunktionen aus allen Körperregionen finden ihren Ausdruck in den Funktionen des Gesichts.
3. Bioenergetische Vorgänge sind in
der Entwicklung als primär anzusehen.
Sekundär spielen die Bindegewebssepten
eine Rolle, an 3. Stelle sind die Knochen
aufzuführen. Beim Entstehen von Dysfunktionen lassen sich Wege beobachten,
die dieser Entwicklung folgen (von der
Bioenergie bis zu den Knochen) oder die
entgegengesetzte Richtung nehmen (von
der Knochendysfunktion über die Faszien
zu den Flüssigkeiten, um sich letztlich auf
das energetische System des Körpers auszuwirken). Dies entspricht auch der Vorstellung Sutherlands über die Entstehung
von Ligamentous articular Strains (LAS) zu
den Membranous articular Strains (MAS).
4. Gemäß dem Wolff’schen Gesetz bleiben die Knochenbildungskräfte das ganze
Leben lang erhalten. Biologische Vorgänge
sind immer abhängig von der Homöodynamik im Körper. Diese Homöodynamik
beinhaltet das Säure-Basen-Gleichgewicht (pH-Werte im Blut und Gewebe),
thermodynamische Vorgänge sowie die
Anpassung an die Schwerkraft durch alle
bindegewebigen Strukturen im Körper.
Damit sind alle Funktionen, die von der
Statik im Körper oder im Raum abhängig
sind, mit eingeschlossen.
5. Das Gesicht steht in direkter Abhängigkeit von SSB, Gehirn und reziproken
Spannungsmembranen. Eine Beurteilung
des Ausdrucks des Viszerokraniums ist
ohne vorherige Beurteilung und Behandlung der genannten Systeme nicht möglich.
Abbildungen:
Abb. 1 und 2 aus: Oschmann JL. Energiemedizin. München: Urban und Fischer; 2009
Abb. 4, 5, 6 und 7 aus: Liem T. Morphodynamik in der
Osteopathie. Stuttgart: Hippokrates; 2006

[1] Bergsmann O, Bergsmann R. Projektionssyndrome. Wien: Facultas; 1997
[2] Bohm HD. In: Lee P. Interface. Portland: Stillness
Press; 2005
[3] Enlow DH: Handbook of fascial growth. Philadelphia: W.B. Saunders; 1975
[4] Klessen H. (Kursskript). Engelport: 2008
[5] Meyer U, Meyer T, Jones DB. No mechanical role
for vinculin in strain transduction in primary
bovine osteclasts, Biochem Cell Biol, 1997; 75(1):
81–87
[6] Oschmann JL. Energiemedizin. München: Urban
und Fischer; 2009
[7] Sheldrake R. Das schöpferische Universum. München: Nymphenburger; 2008
[8] Sperber GH. Embryologie des Kopfes. Berlin:
Quintessenz; 1992
[9] Van den Berg F. Angewandte Physiologie 1: Das
Bindegewebe des Bewegungsapparates verstehen und beeinflussen: BD 1. Stuttgart: Thieme
Verlag; 1999
XX Online zu finden unter:
http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1254407
Anzeige DO_3-10_MOVEPOINT_210x91 mm_27.05.2010:Anzeige_DO_MOVEPOINT_210x91mm_17.03.2010
27.05.2010
14:02
Seite 1
Anzeige
Know-How und Qualität mit neuem Namen!
21
MP-Therapieliegen / Bänke
Wir produzieren ausschließlich in Deutschland / Baden-Württemberg!
MEDIZINTECHNIK
FAX-Antwort: +49 (0)7262-924969-9
Name
.................................................................................
Adresse
AKTIONS-Angebot - Netto = Brutto!
- wir übernehmen die MwSt.
*Auftragseingang bis 15.07.10
MOVEPOINT Medizintechnik GmbH
................................................................................
.................................................................................
Tel.
......................... e-mail ....................................................
Ich bitte um...
Rückruf
Angebot
Leasing-Angebot
Katalog
- Im Wiesental 32 - 75031 Eppingen - Tel: 0 72 62 / 92 49 69-0 - Fax: 0 72 62 / 92 49 69-9 - [email protected] - www.movepoint.de
DO · Deutsche Zeitschrift für Osteopathie, 3/2010; Hippokrates Verlag
Herunterladen