Neuropsychotherapie

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Die Perspektive der
„Neuropsychotherapie“
verdeutlicht am Beispiel der Angst- und
Angststörungen
Implikationen für die
Psychotherapeutische Praxis
Referentin: Dipl. Psych. Yvonne Egenolf
„Neuropsychotherapie“- soll jetzt alles
anders werden???
Brückenschlag zwischen Neurowissenschaften
und klinischer Psychologie
Möglicher Nutzen:
- Erweiterung unseres Verständnisses der Entstehungsbedingungen psychischer Störungen
- Optimierung diagnostischer Verfahren
- besseres Verständnis über die Wirkweise von
Interventionen
- Verbesserung der Wirksamkeit der Interventionen
AFKV 30.11.2007
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Psychotherapie oder Psychopharmaka?
Psychotherapie
Psychische Prozesse
und Veränderungen
(z.B. Beziehungsverhalten)
Funktionelle und strukturelle
Veränderungen des Gehirns
Psychopharmakotherapie
AFKV 30.11.2007
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Neuroneogenese im Hippocampus
Unterstützende Befunde aus Tierstudien:
Neubildung von Neuronen im Hippocampus nach Behandlung
mit Antidepressiva und Lithium (Chen et al. 2000; Malberg et al. 2000)
Verstärkte Neogenese
auch nachdem Tiere
einer reichhaltigen,
positiven Umgebung
ausgesetzt waren
(Gould et al. 2000).
AFKV 30.11.2007
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Über welche neurobiologischen Prozesse bewirkt
Psychotherapie funktionelle und strukturelle
Veränderungen im Gehirn?
Neuronale Plastizität
AFKV 30.11.2007
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Donald Hebb, 1949
AFKV 30.11.2007
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Glutamat führt zu rascher Erregung von
Neuronen über AMPA-Rezeptoren:
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
Mg2+
AMPAreceptor
membrane
inside
-70 mV
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Bindung von Glutamat an den AMPARezeptor läßt Na+-Ionen in das Neuron
strömen.
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
Mg2+
membrane
inside
-67 mV
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Folge: Lokale Depolarisation
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
Mg2+
membrane
inside
-62 mV
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NMDA- Kanal ist durch Mg2+-Ion blockiert
solange das Zellinnere noch mit wenigstens
30 – 40 mV negativ geladen ist
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
NMDA
receptor
Mg2+
membrane
inside
-50 mV
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Mg2+-Ion wird mit zunehmender
Depolarisierung aus dem Ionenkanal
gespült
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
glu
Mg2+
gly
glu
outside
membrane
inside
-30 mV
AFKV 30.11.2007
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Der NMDA-Rezeptor erlaubt den Einstrom von
Na+- und von Ca2+-Ionen.
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
membrane
inside
-10 mV
AFKV 30.11.2007
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Der Ionenkanal des NMDA-Rezeptors
ist für Ca2+-Ionen besonders gut
durchlässig.
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
membrane
inside
0 mV
AFKV 30.11.2007
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Ca2+-Ione fungieren im Zellinneren als second
messenger und aktivieren spezifische Enzyme
Ca2+
Mg2+
Na+
Mg2+
Mg2+
Mg2+
glu
gly
glu
outside
membrane
inside
0 mV
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die einzelnen Schritte......
Erhöhter Ca2+-Einstrom aktiviert
Second Messenger - Kaskade
Anstieg von cAMP
(Cyklisches Adenosinmonophosphat)
Aktivierung der cAMP-abhängigen
Proteinkinase A (PKA)
PKA phosphoriliert CREB
(cAMP- response - binding Protein)
Funktionelle und
strukturelle Veränderungen
=> Wachstum neuer Synapsen
LeDoux, 1998
CREB aktivierte Transkriptionsfaktoren
(z.B. BDNF)
Transkriptionsfaktoren aktivieren
Gentranskription im Zellkern
=> Proteinbiosynthese
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Synaptische Plastizität
Neuromodulatoren
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Dopamin - ein Booster für Lernen und
den Erwerb von neuem Verhaltens
Das Dopaminerge System...
>
>
>
wird aktiviert wenn starke motivationale Ziele aktiviert sind,
insbesondere wenn etwas überraschend Positives eintritt
aktiviert bei motivationalem Anreiz und Belohnung
auch Belohnungssystem genannt
Nucleus accumbens
Frontalcortex
Hippocampus, Präfrontaler Kortex (PFC) und
limbisches System haben besonders viele
dopaminerge Neurone.
Hier wird die neuronale Plastizität und damit
auch die Gedächtnisbildung besonders gut
verstärkt.
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Mesolimbisches
und
mesocorticales
System
Hippocampus
Ventrales
tegmentales Areal
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Wie bzw. wodurch lassen sich neuronale
Aktivierungs- und Verschaltungsmuster
besonders gut verändern?
Grundbedürfnisse
Bedürfnis nach
Orientierung
und Kontrolle
Lustgewinn/
Unlustvermeidung
Bindungsbedürfnis
Selbstwerterhöhung
Motivationale Ziele/ Schemata
Aktivierung emotionaler
Zentren (Belohnungszentrum)
+
Bahnung neuen Erlebens
und Verhaltens
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durch Erfahrungen, die für
die motivationalen Ziele der
Person relevant sind und so
Inkongruenz reduzieren
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Konsistenztheoretisches Modell des
psychischen Geschehens
Systemebene
Rückmeldung über
Inkonsistenz
Bedürfnis nach
Orientierung
und Kontrolle
Streben nach Konsistenz
Grundbedürfnisse
Lustgewinn/
Unlustvermeidung
Bindungsbedürfnis
Selbstwerterhöhung
Rückmeldung über
Bedürfnisbefriedigung
Motivationale Ziele/ Schemata
Annäherungsziele
Vermeidungsziele
Bottom-up Aktivierung
motivationaler Schemata
Inkongruenzsignale
Erleben und Verhalten
Hohe Inkongruenz
modifiziert nach Grawe, 2005
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Inkonsistenz
Inkonsistenz
Annäherungsziele
Konflikt
Wenn sich Annäherungs- und
Vermeidungstendenzen behindern
kommt zu Inkongruenz und zu
Inkonsistenzspannung.
Inkongruenz
Vermeidungsziele
AFKV 30.11.2007
20
Wie kann eine Reduktion der Symptome
und eine Verbesserung des
Wohlbefindens erreicht werden?
AFKV 30.11.2007
21
Ein Blick auf die Angst aus
Perspektive der Neuropsychotherapie
>
Ob ein Reiz Angst auslöst oder nicht hängt nicht von rationalen
Überlegungen sondern von den Vorerfahrungen der jeweiligen Person ab.
>
Diese emotionalen Vorerfahrungen sind
in der Amygdala gespeichert und nicht
direkt durch rationale Überlegungen
veränderbar.
>
Amygdala = „Furchtzentrum“
— erhält direkte sensorische Eingänge und scannt sie auf Gefahr
–
AFKV 30.11.2007
ermöglicht schnelles Reagieren
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Unterschiedlich schneller und
unterschiedlich vorverarbeiteter Input der
Amygdala
Schneller Pfad
Langsamer Pfad
AFKV 30.11.2007
23
Amygdala: ÜberblickDie
über
Afferenzen und Efferenzen
Amgadala
Der bedeutsame Unterschied...
>
ein Reiz kann lebensbedrohlich
oder harmlos sein - abhängig vom
Kontext
>
Verarbeitung kontextueller
Informationen im Hippocampus
PFC
— Verortung in Zeit und Raum
— Bildung expliziter Gedächtnisinhalte
>
>
bei Entwarnung wird Amygdala
gehemmt
hemmende Einflüsse auch durch
Präfrontalcortex (PFC)
Amygdala
Hippocampus
AFKV 30.11.2007
25
Droht tatsächlich Gefahr.....
>
bleibt Entwarnung aus => Vermeidungsverhalten oder
Kampfverhalten
Vermeidung
AFKV 30.11.2007
Kampf
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Das Gefühl der Angst...
tritt ein wenn mindestens folgende
Bedingungen erfüllt sind:
>Aktivierung der Amygdala
>Aktivierung von
Erregungssystemen
>Beteiligung des Cortex
(insbesondere PFC und
Orbitofrantalcortex)
>Je häufiger und intensiver das
Gefühl der
Angst erlebt wird desto
besser wird es
gebahnt.
Folgen:
AFKV 30.11.2007–
leichtere Auslösbarkeit (z.B.
PTSD)
27
Wird die Angst wirklich gelöscht?
>
>
>
Löschung
Löschung
Löschung
≠
≠
=
Vergessen
Ausradieren
Hemmung
— Nicht die „impliziten Erinnerungen“ der Amygdala werden gelöscht,
sondern die Weiterleitung der Erregung der Amygdala zu anderen
Arealen wird durch den PFC (vorderes Cingulum und orbitaler PFC)
und den Hippocampus aktiv gehemmt.
Löschung = Bahnung eines hemmenden
neuronalen Erregungsmusters
AFKV 30.11.2007
28
Hemmung der Angst durch Training?
>
Angst lässt sich nicht durch
Einsicht oder rationale
Überlegungen steuern.
>
Angst reduziert sich durch:
— korrektive Erfahrungen
— durch vielfache
Konfrontation mit
angstauslösenden Stimuli
ohne Kontrollbemühungen
und ohne Eintreten der
Befürchtungen.
AFKV 30.11.2007
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Fazit und Implikationen für die
Psychotherapie
>
Therapeutische Gespräche in den gewohnten Bahnen des Patienten
führen nicht zu langfristigen Veränderungen neuronaler Prozesse
>
Analyse von Problemen ist nur insoweit produktiv wie sie der Vorbereitung
verändernder Interventionen dient (also diagnostisch)
>
Veränderungen werden möglich bei gleichzeitiger Bearbeitung von
Problemen und Aktivierung von Annäherungszielen
>
Das annähernde Verhalten muss systematisch, anhaltend und wiederholt
aktiviert werden, wenn das neu zu etablierende neuronale
Erregungsmuster später leicht aktivierbar sein soll
AFKV 30.11.2007
30
Fazit und Implikationen für die
Psychotherapie
>
Positive (korrektive) Erfahrungen bzgl. der motivationalen Ziele des
Patienten stärken und stabilisieren die gebahnten Aktivierungsmuster.
>
Das verfolgte Ziel muss eine positive Bedeutung für ein wichtiges
motivationales Ziel des Patienten haben, damit die neuronale Bahnung
durch Neuromodulatoren (z.B. Dopamin) verstärkt wird.
>
Das motivationale Ziel muss möglichst stark aktiviert sein, wenn das neue
Verhalten auftritt. Es ist die Aktivierung des positiven Ziels, von der die
Verstärkung ausgeht sowie die Feststellung der Annäherung an das Ziel
durch den Patienten, durch die dopaminerge Neurone aktiviert werden.
>
Dauerhafte Bahnung neuer Verhaltensweisen erfordert lang anhaltende
Aufrechterhaltung der Verhaltensweisen, die neu gebahnt werden sollen.
AFKV 30.11.2007
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Joseph LeDoux (2002). „Synaptic self: How
our brains become who we are“
„You are your synapses. They are
who you are.“
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Zugehörige Unterlagen
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