Ich habe Schmerzen, bin steif und kann mich - congress

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Ich habe Schmerzen, bin steif und kann mich kaum mehr bewegen
Antonio Bonfiglio und Adrian Forster
1. Differentialdiagnosen
1.1 Kristallarthropathien Gicht.
- Gicht.
- Kalziumpyrophosphat-Arthropathie (Pseudogicht, Chondrokalzinose).
- Hydroxyapatit-Rheumatismus (z. B. PHS calcarea).
1.2 Infektiöse und reaktive Arthritiden
- Infektarthritis:
- Bakteriell (Staphylokokken, Gonokokken, Borrelien, Tropheryma whipplei, Mykobakterien etc.).
- Viral (Parvovirus B19, Rubellavirus, HBV, HCV und HIV).
- Andere
- Infekt-assoziiert:
- Reaktive Arthritis.
- Rheumatisches Fieber.
1.3 Spondylarthritiden
- Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew).
- Psoriasisarthritis.
- Reaktive Arthritis (Morbus Reiter).
- Mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa assoziierte Spondylarthritis.
- Undifferenzierte Spondylarthritis.
1.4 Rheumatoide Arthritis
- Adulte rheumatoide Arthritis.
- Late Onset Rheumatoid Arthritis (LORA).
- Juvenile chronische Arthritis.
1.5 Konnektivitiden/Kollagenosen
- Systemischer Lupus erythematodes.
- Systemische Sklerose (Sklerodermie).
- Poly-/Dermatomyositis.
- Sjögren-Syndrom.
- Mischkollagenose.
- Undifferenzierte Kollagenose.
1.6 Vaskulitiden
- Grosse Arterien.
- Mittelgrosse und kleine Arterien.
- Kleine Gefässe (Arteriolen, Venolen, Kapillaren).
- ANCA-assoziiert.
- Immunkomplexvaskulitiden.
- Andere:
- Paraneoplastische Vaskulitis, bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, postinfektiös,
hypokomplementämische Vaskulitis, bei Kollagenosen und rheumatoider Arthritis.
1.7 Andere
- Polymyalgia rheumatica.
- Sarkoidose.
- Hämochromatose.
- RS3PE-Syndrom.
2.
-
Leitsymptome entzündlich-rheumatischer Erkrankungen
Ruhe-/Nachtschmerz
Gelenkschwellungen (Synovitiden).
Morgensteifigkeit (Besserung unter Bewegung).
Bewegungseinschränkungen.
-
Krankheitsspezifische Begleitsymptome: Haut, Augen, Darm und urogenital.
Bei Systemerkrankungen an mögliche Organbeteiligungen denken: Niere, Lunge, Herz und Gefässe.
3. Zusatzuntersuchungen: Grundprogramm bei Verdacht auf Entzündungen
3.1 Labor
BSR, CRP, Hb, Lc, Lc-Diff., Thc., Kreatinin, GPT, Alk. Phosphatase, Kalzium, CPK, Harnsäure, TSH,
Serothek, Urinstatus.
Immunologische Screeninguntersuchungen: ANA, (ANCA), Rheumafaktor, Anti-CCP.
3.2 Röntgen
Füsse und Hände bds., evtl. Thorax, evtl. befallene Gelenke.
3.3 Gelenkpunktion
Zellzahl, Kristalle (Sediment), Bakteriologie (Kultur).
Bei gesicherter rheumatischer Entzündung kardiovaskuläre Risiken (erhöhte kardiovaskuläre Morbidität
und Mortalität) und erhöhtes Osteoporoserisiko berücksichtigen.
4. Allgemeines zur Therapie
Wichtig sind die Information des Patienten und seiner Familie und die interdisziplinäre Behandlung durch
den Hausarzt, Rheumatologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten sowie Orthopäden. Die Indikation für
Basismedikamente sollte mit einem Rheumatologen besprochen werden.
4.1 Medikamentöse Therapie
- Früher Beginn, wenn Diagnose klar, da Spontanheilung selten (< 10%) und Gelenk- sowie Organdestruktion in den ersten zwei Krankheitsjahren am stärksten.
- Basismedikamente können Gelenk- und Organdestruktion verzögern, im Idealfall stoppen.
- Indikationsstellung durch Rheumatologen möglichst früh.
4.2 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
- NSAR wirken rein symptomatisch, kein Einfluss auf Krankheitsverlauf, Ausnahme Spondylarthritiden.
- Toxizität (GI-Blutung, Niere) auch bei Langzeitmedikation.
- Risikopatienten für GI-Komplikationen: Alter > 65 Jahre, Glukokortikoidbegleitmedikation, St. n. GIUlzera, hohe NSAR-Dosis oder NSAR-Kombination, kardiovaskuläre Erkrankung und Antikoagulation.
- Prophylaxe von GI-NW: COX-2 Hemmer (Celecoxib), Protonenpumpenhemmer, Misoprostol
4.3 Glukokortikoide
- Symptomatisch antiinflammatorisch. Zudem belegen neuere Daten eine Verminderung der
Gelenkdestruktion bei Prednisonäquivalent von 7.5mg täglich.
- Hohe Langzeittoxizität bei Prednisonäquivalent >7.5mg täglich (Osteoporose, Diabetes mellitus,
Katarakt, Glaukom, Infekt, Herz-Kreislauf, Morbus Cushing, Hautatrophie), allenfalls auch bei
niedrigeren Dosen.
- Indikation zur Schubkupierung und intraartikulär.
Wenn Langzeittherapie unumgänglich, unbedingt Osteoporoseprophylaxe erwägen.
4.4 Basismedikamente = Disease Modifying Antirheumatic Drugs = DMARDs
- Vermindern Gelenk-/Organdestruktion durch Immunmodulation/Immunsuppression.
- Früher Beginn sehr wichtig.
- Hauptproblem: Nebenwirkungen und Patientencompliance.
- Patienteninstruktion und regelmässige Kontrollen.
Vide:
Empfehlungen Basistherapie der Schweiz. Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) www.rheuma-schweiz.ch
4.5 Konventionelle (synthetische) Basismedikamente
- Methotrexat.
- Antimalarika (Plaquenil®, Resochin®).
- Sulfasalazin (Salazopyrin® EN).
- Leflunomid (Arava®).
- Mycophenolat (CellCept®).
- Gold (Tauredon®) i.m.
- Doxycyclin.
- Azathioprin (Imurek®).
- Cyclosporin (Sandimmun® Neoral).
- Cyclophosphamid (Endoxan®).
4.6 Biologika
- TNF-Hemmer: Etanercept (Enbrel®), Infliximab (Remicade®), Adalimumab (Humira®), Golimumab
(Simponi®) und Certolizumab (Cimzia®)
- IL-1-Rezeptorhemmer: Anakinra (Kineret®).
- Anti-IL-6: Tocilizumab (Actemra®).
- Anti-T-Zelltherapie: Abatacept (Orencia®).
- Anti-B-Zelltherapie: Rituximab (Mabthera®).
4.7 Cave Immunsuppression
- Bei Biologika gehäuft atypische Infekte. Schnelle Abklärung und Behandlung, evtl. Hospitalisation.
z. T. atypische Erreger: Mykobakterien, Pneumocystis, Histoplasma etc.
- Impfungen (Influenza, Pneumokokken, evtl. Hepatits B etc.) wenn möglich vor Beginn Therapie.
Lebendimpfstoffe kontraindiziert (z.B. Gelbfieber, Mumps, Masern, Röteln, Typhus).
Beachte Einschluss von Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis und Morbus Bechterew ins
SCQM-Register der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR).
5. Spezifische Krankheitsbilder
5.1 Rheumatoide Arthritis
Late Onset Rheumatoid Arthritis (LORA) bei spätem Beginn
Anamnestische Hinweise
- Symmetrische Polyarthritis kleiner Gelenke.
- Schleichender versus akuten Beginn.
- Morgensteifigkeit.
- Bei LORA häufig polymyalgische Beschwerden.
- Nackenschmerzen bei HWS-Befall.
- CTS beidseits verdächtig auf RA.
- Begleitsymptome: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber, Leistungsintoleranz, Inappetenz und Gewichtsabnahme bei systemischer (humoraler) Entzündungsaktivität.
Klinische Befunde
- Symmetrische Polyarthritis der kleinen und mittelgrossen Gelenke.
- MCP-, PIP- und MTP-Gelenke sowie Handgelenke (v.a. ulnarseitig).
- DIP-Gelenke ausser bei der juvenilen Arthritis selten betroffen.
- DD Fingerpolyarthrose: PIP- und DIP-, nur selten MCP-Gelenke.
- Tenosynovitiden.
- Weiche Synovitis ohne Rötung.
- Bursitis.
- Funktionstests (Faustschluss).
- Ulnardeviation, Schwanenhals- und Knopflochdeformität, Z-Daumen in Spätstadien.
- Trockene Schleimhäute.
Spezielles Labor:
Rheumafaktoren
- Im Verlauf bei 70-80% positiv.
- Hoher Titer ungünstiger prognostischer Faktor
- Tiefe Spezifität (um 60%).
Anti-CCP (cyklisches citrulliniertes Peptid)
- Im Verlauf bei 70% positiv.
- Ungünstiger prognostischer Marker.
- Hohe Spezifität (um 90-95%).
Röntgen:
- Bei V.a. RA Hände und Füsse beidseits (oft asymptomatische Erosionen).
- Betroffene Gelenke inkl. Gegenseite.
- HWS seitlich in Inklination bei V.a. atlanto-axiale Instabilität.
- MRI HWS bei V. a. zervikalen Befall.
- Sonografie sehr hilfreich:
- Synovitisnachweis (evtl. Powerdoppler).
- Tenosynovitis.
- Früherosionen.
Therapie:
- Analgetika: Bei Arthralgien und anderen begleitenden Schmerzzuständen.
- NSAR.
- Glukokortikoide:
- Peroral als Schubtherapie.
- Low dose (5 mg/d) als Erhaltungstherapie.
- Intraartikuläre Applikation.
- Basismedikamente (DMARDs).
5.2 Polymyalgia rheumatica
Anamnestische Hinweise
- Polymalgische Beschwerden im Nacken-Schultergürtel- und Beckengürtelbereich, häufig akuter
Beginn.
- Nachtschmerzen.
- Morgensteifigkeit.
- Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber, Leistungsintoleranz, Inappetenz und
- Gewichtsabnahme bei systemischer (humoraler) Entzündungsaktivität.
- Alter > 50 Jahre.
Polymyalgia rheumatica bei Patienten < 50 Jahre absolute Rarität: Andere Krankheit suchen.
- Temporale Kopfschmerzen bei konkomittierender Arteriitis temporalis.
Bei 15-20% der Polymyalgia rheumatica ist eine Riesenzellarteriitis assoziiert.
- Promptes Ansprechen auf niedrig dosierte Steroide (z. B. 20 mg pro Tag).
Klinische Befunde
- Klassifikation:
- Symptombeginn > 50 Jahre.
- Morgensteifigkeit > 30 Minuten und Schmerzen seit wenigstens 1 Monat in wenigstens zwei der
folgenden Regionen:
 Schulter und proximaler Oberarm bds.
 Beckengürtel.
 Nacken.
- Promptes Ansprechen auf Steroide.
- Wenig Befunde trotz starker Schmerzen, insbesondere keine Druckdolenz der Muskulatur.
- Fieber.
Laboruntersuchungen
BSR und CRP fast immer erhöht.
- Entzündungsanämie.
- CK nie erhöht bei Polymyalgia rheumatica.
Spezielles Labor:
Vaskulitisscreening (sekundäre Polymyalgie?): Rheumafaktor, Anti-CCP, ANA, ANCA.
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