Kompomere im Milchgebiß

Werbung
Schwerpunkt
Kompomere im Milchgebiß
Indikation, Verarbeitung, Vergleich zu anderen Füllungsmaterialien
Trotz eines allgemeinen Kariesrückgangs
bei Kindern sind in Bayern noch immer
etwa 30 % der Milchzahnkaries bei den
Sechsjährigen unversorgt. Bundesweit
wird diese Zahl sogar auf über 50 % geschätzt. Dies ist umso erstaunlicher, da
die Frühbehandlung aller kariösen Läsionen an Milchzähnen eine große Bedeutung für die Mundgesundheit hat. Der
vorliegende Beitrag widmet sich daher
einer mittlerweile bewährten Möglichkeit
der Milchzahnversorgung.
D
ie Indikation für Kompomere (besser:
polyalkensäuremodifizierte Komposite) beinhaltet seit ihrer Markteinführung 1994 auch Front- und Seitenzahnfüllungen an Milchzähnen. Kompomere werden
in der Regel mit simplifizierten Adhäsiven verwendet. Die Dentinhaftung dieser Systeme
reicht offensichtlich aus, um auf eine makroretentive Retention verzichten zu können.
Klarer Trend zu Zweischritt-Systemen
Zu den sogenannten All-in-one-Adhäsiven
(z.B. Prompt L-Pop, Xeno III, iBond) liegen
nur spärliche Informationen in der Literatur
vor, die im Grundtenor eher ungünstig ausfallen. Es gibt zwar Hinweise, daß gerade
diese hydrophilen Adhäsivgemische mit
Kompomeren besser funktionieren als mit
Kompositen, aber klinische Daten fehlen
weitestgehend. Basierend auf den Daten der
neueren Literatur zeichnet sich bei den
Systemen ohne Phosphorsäureätzung ebenso
wie in der bleibenden Dentition ein klarer
Trend zugunsten von Zweischritt-Systemen
(z.B. Clearfil SE Bond, AdheSE) ab.
Unbedingt auf trockene Verhältnisse achten!
Die Anwendung von Kofferdam ist zwar keine
unabdingbare Voraussetzung für den klinischen Erfolg, während der Applikationsdauer von Adhäsiv und Füllungsmaterial muß
jedoch auf trockene Verhältnisse geachtet
werden (Abb. 1 – 7). Die klinische Bedeutung
Fotos: Krämer
Adhäsivsysteme unter der Lupe
Situation im Milchgebiß anders als bei
bleibender Dentition
Betrachtet man die Adhäsion diverser
Schmelz-/Dentinhaftvermittler an Schmelz
und Dentin der Milchzähne, wird schnell
deutlich, daß ein 1:1-Transfer von der bleibenden Dentition auf das Milchgebiß nicht
zulässig ist. Jeglicher Säureangriff bewirkt
beim Milchzahndentin eine tiefere Demineralisierung als in der bleibenden Dentition.
Vergleicht man Mehrflaschenadhäsive (z.B.
Syntac) und Einflaschenadhäsive (z.B. Prime
&Bond NT), so zeigen sich in der Mehrzahl
der dazu durchgeführten Studien keine Vorteile für die aufwendigeren Adhäsive, und
auch die klinischen Daten sind positiv.
Abb. 1: In diesem Fall mußte der Zahn 55 distal aufgrund einer approximalen kariösen Läsion versorgt werden.
26
Abb. 2: Die Bißflügelröntgenaufnahme zeigte, daß die
Aufhellung bereits das Dentin erreicht hatte.
Abb. 3: Nach der Kariesexkavation konnte mit Hilfe des
Sektionssystems der Fa. 3M Espe (Seefeld), die minimalinvasiv präparierte Kavität gegenüber der Mundhöhle
gut isoliert werden.
BZB/Januar-Februar/04/BLZK&KZVB
Schwerpunkt
Abb. 4: Nach Einbringen eines Adhäsives der 6. Generation wurde das Kompomer schichtweise in die Kavität
eingebracht und jeweils 40 Sekunden polymerisiert.
Abb. 5: Die dritte Schicht schließt die Füllung der
Kavität ab.
Abb. 6: Nach dem Abnehmen der Matrize kann die Okklusion überprüft werden.
dieser Voraussetzung wird anhand von hohen
Kompomere immer
Sekundärkariesraten bei unkooperativen Kinmit einem Adhäsiv
dern deutlich.
einsetzen!
Mittlerweile liegen zahlreiche klinische ErEin
wichtiger
fahrungen mit diesen Materialien vor. So
Aspekt für den
konnte in einer prospektiven klinischen Studie
Erfolg von Kommit dem Kompomer Dyract (Fa. Dentsply Depomeren
im
Trey, Konstanz) in Klasse-I- und Klasse-IIMilchgebiß
Milchzahnkavitäten belegt werden, daß auch
scheint
jedoch
bei adhäsiver Verankerung ein für die erste
die korrekte AnAbb. 7: Die abschließende Röntgenkontrolle zeigt die
Dentition langfristiger Erfolg möglich ist
wendung eines Ausdehnung der Füllung bis in den Bereich der Schmelz(Abb. 8). Die im Vergleich zu den GIZ - Adhäsivs zu sein. zementgrenze.
verbesserten mechanischen Eigenschaften
So warnte Qvist
schlagen sich in einer verminderten Frakturdavor, Kompomere ohne Adhäsiv einzusethäufigkeit nieder. Auch die Abrasion scheint
zen. Die klinische Erfolgsrate von Dyract ohnach drei Jahren im Milchgebiß noch kein
ne Haftvermittler war signifikant reduziert.
Grund für eine Erneuerungsbedürftigkeit zu
Entsprechend gering fiel die Überlebensrate
sein (Abb. 9, Seite 28).
auch bei einer in dänischen Jugendzahnkliniken durchgeführten Studie aus. Als HauptVerzicht auf Unterfüllung,
grund für die hohe Verlustrate von Dyract
spezifische Schmelzvorbehandlung
nach zwei Jahren (22 %) wurden RetentionsFarbliche Veränderungen sind nur oberverluste genannt, die mit einer unklaren
flächlich. Im Milchgebiß scheint auch die
Handhabung des Bondings oder dem VerVorbehandlung des Schmelzes mit dem Einzicht auf Kofferdam begründet wurden. Allerflaschenhaftvermittler für den klinischen
dings liegen heute klinische Studien vor, die bei
Erfolg auszureichen. Der Verzicht auf eine
der restaurativen Versorgung von Patienten mit
Unterfüllung zugunsten des Dentinadhäsivs
erhöhtem Kariesrisiko Kompomere als erfolgverursachte im Untersuchungszeitraum keine
reiche Variante
Hypersensitivitäten oder Beschwerden, die
empfehlen. Ob
zur Füllungswiederholung zwangen.
künftig die Anwendung
von
Vergleich zwischen Kompomer und Komposit
„All-in-one“-AdIm Split-mouth-Vergleich zwischen einem
häsiven (auch als
Kompomer (Compoglass, Fa. Ivoclar Vivadent,
Adhäsive der soSchaan, Liechtenstein) und einem Komposit
genannten 6. Ge(TPH-Spectrum, Dentsply-DeTrey, Konstanz)
neration bezeichkonnte klinisch kein Unterschied beobachtet
net) eine verwerden. Beim Vergleich mit einem konventioeinfachte Appli- Abb. 8: Auch nach einer Liegedauer von drei Jahren zeigt
sich am Zahn 54 distal ein akzeptabeler Randschluß der
nellen GIZ wurde für Dyract eine signifikant
kation von Kom- Kompomerfüllung. Bis auf geringe Oberflächenverändehöhere mittlere Überlebenszeit ermittelt.
pomeren in der rungen (Farbe und Form) ist die Füllung intakt geblieben.
BZB/Januar-Februar/04/BLZK&KZVB
27
Schwerpunkt
ersten Dentition
ermöglicht, müssen weitere klinische Untersuchungen zeigen.
Glitzerfüllungen:
Noch fehlen
klinische
Abb. 9: Kurz vor der natürlichen Exfoliation des Zahnes
Studien74 ist die marginale Integrität der Kompomerfüllung zufriedenstellend. Aufgrund der Abrasion ist die Schmelz- ergebnisse
schicht im Bereich der Kompomerfüllung vollständig ver- Seit über zwei
lorengegangen. Neben kleineren Oberflächenimperfek- Jahren werden
tionen waren jedoch kaum Veränderungen festzustellen.
eingefärbte
Kompomere für
die Versorgung
von Milchzähnen angeboten.
Den
bunten
„Glitzerfüllungen“ wurde im
Gegensatz
zu
den konventionellen KompoAbb. 10: „Glitzerfüllung“ (hier Twinky Star, Fa. Voco) nach
meren
ein gerinetwa zweijähriger Liegedauer. Bedeutende Veränderungen
im Randbereich (Spalt) oder an der Füllungsoberfläche ger Anteil an
(Abrasion) lassen sich für dieses relativ hochgefüllte KomGlimmerpartikel
pomer nicht erkennen.
(Silikate aus Tonerde oder Kali) beigemischt, die die typische
farbliche Charakterisierung ausmachen. Der
Füllstoffgehalt ist mit dem der klassischen
Kompomere vergleichbar. Erfahrungen zu den
„Glitzerfüllungen“ sind bis zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorhanden. Es sind nur wenige Daten (vornehmlich firmeneigene) verfügbar. Insofern muß sich die Haltbarkeit dieser Materialgruppe noch klinisch bestätigen (Abb. 10).
Bei wenig kooperativen Kindern Füllungen
aus GIZ vorziehen
Im Frontzahnbereich ist wegen der relativ einfachen Handhabung und der guten Haftung,
eine Verbesserung im Vergleich zu den Glasionomerzementen zu erwarten. Interessant ist
in diesem Zusammenhang die Frontzahnversorgung bei Kindern, die für die sensible SÄT
nicht ausreichend kooperativ sind, die natürliche Exfoliation der Zähne aber noch einige Jahre benötigt (z. B. bei der Versorgung der sogenannten „Fläschchenkaries“).
Aufgrund der positiven klinischen Ergebnisse
gelten Kompomere heute als optimale Amal-
28
gamalternative im Milchgebiß. Immer ist
jedoch ein Mindestmaß an Compliance notwendig, um die Minuten dauernde Adhäsivtechnik kontaminationsfrei anwenden zu
können. Wenn dies nicht gegeben ist, ist eine
Füllung aus GIZ vorzuziehen, um zumindest
Zeit zu überbrücken.
Wann nimmt man was? Eine Bewertung
von Füllungsmaterialien im Milchgebiß
Der in Folge der gesetzlichen Vorgaben erheblich reduzierte Gebrauch von Amalgam
in der Kinderzahnheilkunde schien anfangs
aufgrund der fehlenden Alternativen nicht
kompensierbar zu sein. Alle Füllungsmaterialien für das Milchgebiß haben ihre Vorteile,
aber auch Schwächen. Insgesamt lassen sie
sich gut bewerten und ihre Indikation zusammenfassen:
• Glasionomerzemente sind aufgrund ihrer
einfachen Handhabung und der hohen Fluoridabgabe gut für Klasse-I-Kavitäten bei unkooperativen Kindern geeignet. Die geringe
Biegefestigkeit macht einen langfristigen Erfolg in Klasse-II-Kavitäten unmöglich. Weiterentwicklungen der klassischen GIZ (z.B. hochvisköse Glasionomerzemente) wirken sich nur
bezüglich des Handlings positiv aus, nicht
jedoch für die Frakturresistenz.
• Die Kompomere haben definitiv das Potential einer Amalgamalternative im Milchgebiß. Langzeitergebnisse sind auch in okklusal
belasteten Klasse-II-Kavitäten erfreulich. Die
Compliance des Kindes sollte aber zumindest
für die Dauer der Applikation von Adhäsiv
und Füllungsmaterial ausreichend sein.
• Der Aufwand für die Anwendung von Kompositen ist unter den vorgestellten Materialien
am größten. Korrekt eingesetzt sind Komposite ebenso erfolgreich wie Kompomere. Somit sind Aufwand und Erfolg bei einer solchen Versorgung individuell abzuwägen.
• Schließlich darf keinesfalls vergessen werden, daß nach endodontischen Behandlungen und bei zu großflächigen Läsionen die
konfektionierte Milchzahnkrone eine probate Alternative zur plastischen Versorgung darstellt.
Priv.-Doz. Dr. Norbert Krämer, Priv.-Doz. Dr. Roland Frankenberger,
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der
Universität Erlangen
Literatur bei den Verfassern
Dieser Beitrag ist ein modifizierter Auszug eines Artikels im
Hessischen Zahnärzte Magazin 05/2003, S. 20 –31.
BZB/Januar-Februar/04/BLZK&KZVB
Herunterladen