JUSTUS-LIEBIG UNIVERSITÄT GIESSEN Fachbereich _______ Veterinärmedizin 3. Gießener Wintersymposium der Klinik für Kleintiere (Innere Medizin und Chirurgie) in Zusammenarbeit mit der DGK-DVG Samstag, 25. November 2006 „Nierenerkrankungen beim Kleintier“ I Referatesammlung des 3. Giessener Wintersymposiums der Klinik für Kleintiere (Innere Medizin und Chirurgie) in Zusammenarbeit mit der DGK –DVG „Nierenerkrankungen beim Kleintier“ Verantwortliche: Prof. Dr. Martin Kramer (Organisator) Prof. Dr. Reto Neiger (Organisator) Dr. Gerd Daube (Bayer Health Care Organisation) Silke Schmitz (Referatesammlung) Dr. Franziska Conrad (Royal Canin®) II III Inhalt PU/PD – die Wasserhomöostase in einfachen Worten 1 Dr. C. Stengel, Prof. R. Neiger Klinische und labordiagnostische Evaluation der Nierenfunktion 3 Dr. N. Bauer, Prof. A. Moritz Akute Niereninsuffizienz – erkennen und behandeln 8 Prof. A. Moritz Fallvorstellung 10 Dr. B. Glanemann Bluthochdruck beim Kleintier – neue Erkenntnisse 11 PD Dr. M. Schneider, Dr. I. Schneider Nutzen der bildgebenden Verfahren in der Nierendiagnostik 16 Dr. D. Seyrek-Intas et al. Fallvorstellung 23 TÄ C. Simon Chronische Niereninsuffizienz –Management 24 Dr. T. Francey Bioptieren, -ektomieren, -otomieren – die chirurgische Sicht der Niere 32 Dr. C. Thiel et al. Arzneimittel und Niereninsuffizienz 38 Prof. E. Petzinger, Dr. D. Zahner Fallvorstellung 45 Einfluss von diätetischem Protein und Phosphor auf die Nieren 46 Dr. F. Conrad Dialyse und Transplantation – was ist machbar und was indiziert? Dr. T. Francey IV ? Autoren Dr. Natali Bauer Klinik für Kleintiere (Innere Medizin) Frankfurter Str. 126 35392 Giessen Dr. Andreas Moritz Klinik für Kleintiere (Innere Medizin) Frankfurter Str. 126 35392 Giessen Dr. Franziska Conrad Royal Canin ® Prof. Dr. Ernst Petzinger Dr. Daniel Zahner Institut für Pharmakologie und Toxikologie Frankfurter Str. 107 35392 Giessen Köln Dr. Thierry Francey Innere Medizin Kleintiere Departement für Klinische Veterinärmedizin Vetsuisse Fakultät Universität Bern Länggassstrasse 128 Postfach 8466 3001 Bern, Schweiz Dr. Deniz Seyrek-Intas Klinik für Kleintiere (Chirurgie) Frankfurter Str. 108 35392 Giessen Prof. Dr. Martin Kramer Klinik für Kleintiere (Chirurgie) Frankfurter Str. 108 35392 Giessen Dr. Matthias Schneider Klinik für Kleintiere (Innere Medizin) Frankfurter Str. 126 35392 Giessen Dr. Christiane Stengel Tierklinik für Kleintiere Dres. Kessler, Kosfeld, TassaniPrell, Bessmann, Rupp Im Langgewann 9 65719 Hofheim am Taunus Dr. Cetina Thiel Klinik für Kleintiere (Chirurgie) Frankfurter Str. 108 35392 Giessen V PU/PD – die Wasserhomöostase in einfachen Worten Christiane Stengel, Reto Neiger Es ist allgemein bekannt, dass das Leitsymptom Polyurie/Polydipsie (PU/PD) eine ganze Reihe verschiedenster Ursachen haben kann. Um die Pathophysiologie und entsprechend die therapeutischen Möglichkeiten zu verstehen, ist es unumgänglich, die Wasserhomöostase zu verstehen. Eine Polydipsie liegt vor, wenn der Hund oder die Katze mehr als 100 ml/kg/Tag trinkt; Polyurie ist definiert als ein Harnvolumen von mehr als 50 ml/kg/Tag. Es kann aber auch sein, dass sowohl Trinkals auch Harnmenge im Normbereich, für dieses Individuum aber abnormal sind. In der Regel besteht zuerst eine Polyurie, da Wasser nicht genügend rückresorbiert wird und infolge dessen nimmt das Tier vermehrt Flüssigkeit auf, damit es zu keiner Dehydratation kommt. Seltener kann auch eine primäre Polydipsie vorhanden sein, und das Tier setzt dann automatisch das überschüssige Wasser als Harn ab. Durst wird vor allem durch osmotische Faktoren reguliert. Eine durch vermehrten Wasserverlust entstandene Hyperosmolarität der extrazellulären Flüssigkeit führt zur Dehydratation und Stimulation der Osmorezeptoren; diese sind für das Durstgefühl verantwortlich. Nichtosmolare Faktoren wie verminderter Blutdruck, erhöhte Körpertemperatur, Schmerz oder einige Medikamente können ebenfalls Durst auslösen. Durst wird verhindert durch die Ausdehnung der extrazellulären Flüssigkeit, erhöhten Blutdruck, Völlegefühl des Magens und trinken selber. Bei einer primären Polydipsie kommt es zum abnormal erhöhten Wasseraufnahme (z.B. psychogen, Neoplasie), d.h. mehr, als der Körper benötigt. Dieses überschüssige 6 Wasser muss wieder ausgeschieden werden und das Tier setzt, bei intakter Nierenfunktion, vermehrt Harn ab. Die Niere ist das Hauptregulationsorgan für den Wasserhaushalt. Geringe Mengen Wasser gehen mit Kot (bei Durchfall übermäßig viel) und Atmung und sehr wenig auch anderweitig (Schweiß, Tränen, Sexualsekrete) verloren. Im Glomerulum wird der Primärharn ausgeschieden – dieser hat dieselbe Osmolalität wie Plasma (ca. 300 mOsm; entspricht isosthenurischem Harn mit einem spezifischen Gewicht von 1.008 – 1.012). Das Tubulussystem kann nun diesen Primärharn verdünnen oder konzentrieren, wobei fast immer eine Konzentration stattfindet. Das proximale Tubulussystem ist verantwortlich für die Rückresorption einiger Elektrolyte (Na, Cl) und anderer Substanzen, die im Primärharn mit filtriert werden (Glucose, Aminosäuren). Passiv wird hier bis zu 75% des sezenierten Wassers mit rückresorbiert. Erkrankungen dieses Tubulusabschnitts führen zu verminderter Wasserabsorption (FanconiSyndrom, primäre Glukosurie), dies ist aber selten der Fall. Im absteigenden Ast der Henle’schen Schleife (HS) ist Wasser zum Interstitium hin frei permeabel; Elektrolyte werden hier kaum rückresorbiert. Es kommt somit zu einer Equilibrierung zwischen Osmolalität im Tubuluslumen und im Interstitium. Ganz anders ist es nun im aufsteigenden Bereich der HS. Dieser Teil ist für Wasser undurchlässig und es werden Na und Cl aktiv rückresorbiert. Je länger die Schleife ist, umso mehr sinkt die Osmolarität im Harn und im Gegenzug entsteht ein Konzentrationsgradient im Interstitium mit 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier massiver Hyperosmolarität im Bereich des Nierenbeckens. Am Übergang von der HS ins distale Tubuluslumen findet sich dann ein hypoosmolarer Harn mit einem spezifischen Gewicht von <1.003. Diuretika wir Furosemid (Schleifendiuretikum) haben ihren Effekt in diesem Bereich der Niere. Zusätzlich zu den Elektrolyten (Na, Cl) hat auch Harnstoff eine gewisse Bedeutung zum Aufbau des Konzentrationsgefälles im Interstitium. Der Harn fließt nun weiter durch die Sammelröhrchen. Hier kann freies Wasser nicht durch Diffusion ins Interstitium gelangen, sondern dazu müssen sich spezielle Wasserkanälchen öffnen. Dies geschieht, wenn Antidiuretisches Hormon (ADH) an die entsprechenden Rezeptoren koppelt. Eine erneute Konzentration von Harn kann somit nur geschehen, wenn folgende Parameter funktionieren: a) Konzentrationsgefälle im Interstitium; b) das Vorhandensein von ADH ; c) Rezeptoren vorhanden und funktionsfähig; d) genügend (>66%) funktionsfähige Nephrone; e) keine osmolar-aktiven Substanzen im Harn (z.B. Glucose, Mannitol) vorhanden. Für eine PU/PD kommen aufgrund der erwähnten pathophysiologischen Gegebenheiten verschiedenste Ursachen in Frage. Ein Mangel an ADH wird als Diabetes insipidus zentralis bezeichnet, ist aber bei Tieren sehr selten. Falls zwar ADH vorhanden ist, aber mit dem Rezeptorsystem nicht korrekt interagiert, wird von einem Diabetes insipidus renalis gesprochen. Eine angeborene Variante (Rezeptorenmangel) kommt sehr selten vor, bei der Mehrzahl der betroffenen Tiere handelt es sich um eine erworbene Problematik. Mögliche Ursachen sind u.a. ein Hyperadrenokortizismus, eine Hyperkalzämie oder eine Pyometra. Wenn auch nicht sehr häufig, muss auch an einen Hypoadrenokortizismus gedacht werden. Eine PU/PD-Problematik muss immer systematisch angegangen werden. Die Besitzer des betroffenen Tieres sollten zu Hause die Trinkmenge messen. Nebst einer sehr genauen Anamnese (akut, chronisch, andere Probleme wie Erbrechen, Gewichtsverlust, etc.) und einer klinischen Untersuchung (Lymphknoten, rektale Palpation, Abdomenpalpation z.B. wegen einer Hepatomegalie, Pyometra oder abnormalen Nierenbefunden) muss früh eine komplette Harnuntersuchung erfolgen. Dem spezifischen Gewicht muss viel Bedeutung zugemessen werden. Ein hyposthenurischer Harn (< 1.008) spricht für einen Diabetes insipidus, meist handelt es sich um eine erworbene renale Form. Eine Niereninsuffizienz kann bei einer Hyposthenurie ausgeschlossen werden. Auch ein Tier mit einem Diabetes mellitus wird in der Regel ein Harnspezifisches Gewicht um die 1.020 aufweisen, da Glucose im Harn ist. Ein isosthenurischer Harn kann bei einer Niereninsuffizienz vorliegen, aber auch alle anderen Ursachen sind möglich. Ein spezifisches Gewicht > 1.030 beim Hund oder >1.035 bei der Katze spricht gegen eine PU/PD und eine andere Problematik (Pollakisurie, Dysurie, Nykturie, Inkontinenz) muss in Erwägung gezogen werden. Die weiteren Befunde der Urinuntersuchung (Glukose, Ketone, Sediment, bakteriologische Untersuchung), zusammen mit einer Blutuntersuchung (Hämatologie, Blutchemie) sind die Grundvoraussetzung, um eine Diagnose zu erhalten oder weitere diagnostische Schritte einzuleiten. Ein Durstversuch ist nur angezeigt, um einen Diabetes insipidus zentralis von einem Diabetes insipidus renalis sowie von einer primären Polydipsie zu unterscheiden und darf nicht bei einer Azotämie erfolgen. 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 7 Klinische und labordiagnostische Evaluation der Nierenfunktion Natali Bauer, Andreas Moritz Die Untersuchung der Nierenfunktion gehört zu den Standardverfahren in der Kleintierpraxis. Sie sollte bei Patienten erfolgen, die mit möglichen klinischen Symptomen einer Niereninsuffizienz (Polydipsie, Polyurie, Oligurie oder Anurie, Vomitus, Inappetenz, Apathie, Gewichtsverlust sowie nicht regenerativer Anämie) vorgestellt werden. Weiterhin ist eine Untersuchung der Nierenfunktion bei älteren Patienten und bei Patienten mit einer Prädisposition für Nieren-erkrankungen (z.B. Berner Sennenhund) vor jeder Anästhesie indiziert. Die klinische Untersuchung kann wertvolle Hinweise zur Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Niereninsuffizienz geben. So deuten Anzeichen einer chronischen Erkrankung wie Abmagerung, struppiges Haarkleid und das Vorhandensein einer Anämie auf eine chronische Niereninsuffizienz hin, wogegen Patienten mit einer akuten Niereninsuffizienz in der Regel von gutem Ernährungszustand und nicht anämisch sind. Die Nieren sind bei der Katze gut palpabel. Eine Renomegalie findet sich insbesondere bei Neoplasien, FIP oder Nierenzysten (z.B. Polycystic Kidney Disease bei Perserkatzen). Kleine Nieren sind Anzeichen einer Schrumpfniere. Da die klinischen Symptome einer Niereninsuffizienz unspezifisch sind, ist eine labordiagnostische Evaluation der Nierenfunktion essentiell zur Diagnosestellung. Diese beeinhaltet eine Urinuntersuchung, eine hämatologische- und blutchemische Untersuchung sowie Nierenfunktionstests. 8 Urinuntersuchung Die Evaluation des Urins umfasst die physikalische Untersuchung (Makroskopisch, Bestimmung des spezifischen Gewichtes), chemische Untersuchungen mittels Teststreifen sowie eine mikroskopische Untersuchung des Sedimentes und ggf. eine bakteriologische Untersuchung mit Resistenztest. Für die Interpretation der Ergebnisse ist die Entnahmeart des Urins von Bedeutung. Spontanurin kann aus der Urethra oder dem Genitaltrakt kontaminiert sind. Bei der Gewinnung mittels Katheter ist eine Kontamination aus den unteren harnableitenden Wegen möglich, wogegen Zystozenteseurin häufig wenige Erythrozyten infolge der Punktion enthält, ansonsten aber nicht kontaminiert ist. Aus diesem Grund ist Zystozenteseurin für die Auswertung einer bakteriologischen Untersuchung essentiell. Physikalische Untersuchung des Urins Bei der makroskopischen Urinuntersuchung erfolgt eine Beurteilung der Farbe und des Trübungsgrades des Urins. Bei Hund und Katze ist ein gelber bis bernsteinfarbener, klarer Urin physiologisch. Ein hellgelber Urin kann auf eine verminderte Konzentration des Urins hindeuten. Roter Urin entsteht infolge einer Hämaturie, Hämoglobinurie oder Myoglobinurie. Eine Unterscheidung zwischen Hämaturie oder Hämoglobinurie kann durch Zentrifugation oder Sedimentation des Urins erfolgen: Erythrozyten setzen sich ab, während Hämoglobin auch nach dem Zentrifugieren im Urin gelöst bleibt. Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes wird mittels Refraktometer (Abb. 1) oder einer Urinsenkspindel durchgeführt. 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier Abb. 1 Refraktometer Der Vorteil der Refraktometermethode liegt darin, dass nur ein Tropfen Urin benötigt wird. Dieser wird auf die Messplatte des Refraktometers pipettiert, mit dem klappbaren Deckglas abgedeckt und gegen eine Lichtquelle abgelesen (Abb. 2). Abb. 2: Skala des Refraktometers. Das Ablesen des spezifischen Gewichtes erfolgt am Übergang des hellen in den blauen Bereich Es ist zu beachten, dass auf einigen Urinteststreifen ebenfalls ein Wert für das spezifische Gewicht angeben wird, der jedoch nicht verwendet werden sollte, da er mit der Refraktometermethode nur unzureichend übereinstimmt. Das spezifische Gewicht zeigt die Konzentration löslicher Substanzen im Urin an und ergibt somit einen Hinweis auf die Fähigkeit des Nierentubulussystems zur Konzentration des Urins. Das spezifische Gewicht wird jedoch erheblich durch die Wasseraufnahme und -abgabe des Körpers beeinflusst, so dass hier weite Angaben zum physiologischen Bereich existieren (Hund 1001 bis 1065; Katze 1001 bis 1080)1. Bei einem dehydrierten Patienten ist dagegen ein hochkonzentrierter Urin zu erwarten. Bei Hunden sollte das spezifische Gewicht mehr als 1030 und bei Katzen mehr als 1035 betragen1. Bei der Interpretation des spezifischen Gewichtes ist immer zu beachten, dass dieses auch falsch hoch sein kann z.B. infolge hochgradiger Glukosurie oder Proteinurie. In Tabelle 1 sind mögliche Ursachen für eine Veränderung des spezifischen Gewichtes bei dehydrierten Patienten angegeben: Tab. 1: Richtlinien für die Interpretation des spezifischen Gewichtes im Urin beim dehydrierten Hund Spez. Gew. > 1030 Bezeichnung Normosthen -urie 10141030 Normosthen -urie 10071013 Isosthenurie < 1007 Hyposthenurie Interpretation (nach Stockham 2002)1 Physiologische Funktion der Nieren zur Wasserrückresorption Hinweise auf verminderte Konzentrationsfähigkeit der Nieren - Niereninsuffizienz - Glukosurie - Hyponaträmie/Hypo chlorämie - Hypoadrenokortizis mus spricht für verminderte Konzentrationsfähigkeit der Nieren - Niereninsuffizienz insbesondere bei gleichzeitiger Azotämie Verminderte Konzentrationsfähigkeit der Nieren, aber nicht infolge Niereninsuffizienz, da die Nieren die Fähigkeit haben, das Ultrafiltrat zu verdünnen - Zentraler oder renaler Diabetes insipidus (inklusive blockierender Substanzen am V2Rezeptor der Sammelrohre wie Glukokortikoide, Hyperkalzämie oder Bakterientoxine) 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 9 Chemische Untersuchung des Urins: Die Bestimmung von chemischen Parametern (Glukose, Ketonkörper, Bilirubin, Protein, Hämoglobin/ Erythrozyten, pH-Wert) ist sinnvoll, um Differentialdiagnosen einer möglichen Polydipsie/ Polyurie wie Diabetes mellitus, Leberinsuffizienz oder Entzündungsprozesse des Urogenitaltraktes zu erkennen. Eine Proteinurie deutet bei niedrigem spezifischen Gewicht des Urins und fehlenden Entzündungsanzeichen im Urinsediment auf renalen Proteinverlust hin und sollte mittels Urin-Protein/ Kreatinin-Quotient bestätigt und quantifiziert werden. Die auf den Teststreifen ebenfalls vorhandenen Testfelder für Leukozyten, Nitrit, spezifisches Gewicht und Urobilirubin sind in der Kleintiermedizin nicht auswertbar bzw. relevant: Die Teststreifenreaktion für Leukozyten ist im Vergleich zu der tatsächlichen Anwesenheit von Leukozyten im Urinsediment häufig falsch positiv oder falsch negativ und sollte daher nicht ausgewertet werden. Ähnliches gilt für den Nachweis von Nitrit als Hinweis auf die Anwesenheit von bestimmten gramnegativen Nitrat-reduzierenden Bakterien. Der Nachweis von Urobilirubin im Urin hat beim Kleintier wenig klinische Relevanz1. Urinsediment Da Zellen, Kristalle oder Zylinder im Urin instabil sind, sollte das Sediment innerhalb weniger Stunden nach der Entnahme des Urins angefertigt werden. Für die Herstellung des Sedimentes sollte möglichst immer die gleiche Urinmenge (5 oder 10 ml.) verwendet werden, damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Die Zentrifugation erfolgt 5 Minuten bei 2000g.2 Anschließend wird der Überstand dekantiert, das Sediment aufgeschüttelt, 1 Tropfen auf einen Objektträger gebracht und mit einem Deckglas abgedeckt. Die mikroskopische Untersuchung erfolgt bei 400facher Vergrößerung, wobei das Sediment auf die Anwesenheit von Leukozyten, Erythrozyten, Epithelzellen, Kristallen, Zylindern oder Bakterien 10 untersucht wird. Pyurie und Hämaturie kann bei Entzündungen und Blutungen im Uro(genital)trakt nachgewiesen werden. Plattenepithelzellen stellen eine Kontamination aus den unteren harnableitenden Wegen oder dem Genitaltrakt dar. Wenige Übergangsepithelzellen und ganz vereinzelte Nierenepithelzellen sind physiologisch. Ein vermehrtes Auftreten von Nierenepithelzellen deutet auf akute Nephritiden hin2. Die Zahl der Übergangsepithelzellen ist bei Pyelitiden oder Zystitiden erhöht2. Zeigen die Übergangsepithelzellen vermehrte Anzeichen der Malignität, muss eine Dysplasie infolge entzündlicher Prozesse oder ein Übergangsepithelkarzinom in Betracht gezogen werden, wobei die Abgrenzung beider Differentialdiagnosen unter Umständen schwierig sein kann2. Beim Vorhandensein einer akuten Niereninsuffizienz sollte der Urin hinsichtlich des Auftretens von Kalziumoxalat- Monohydrat- Kristallen untersucht werden, da diese insbesondere bei Ethylenglykolvergiftung nachweisbar sind. Ganz vereinzelte hyaline Zylinder sind physiologisch, wogegen sie in größerer Menge Anzeichen einer renalen Proteinurie infolge einer glomerulären oder tubulären Nephritis sind. Epithel- oder Leukozytenzylinder können bei Nephritiden oder Pyelonephritiden auftreten. Bakterien sind im Zystozenteseurin pathologisch und deuten auf eine bakterielle Entzündung hin. Blutuntersuchung Eine ca. 75%ige Reduktion der Nierenfunktion geht mit einer Retention von Harnstoff und Kreatinin einher. Eine Erhöhung des Harnstoffes wird bei fehlenden klinischen Anzeichen des Nierenversagens (z.B. Vomitus, Diarrhoe) als Azotämie bezeichnet und im Falle klinischer Symptome als Urämie. Eine Azotämie kann prärenal, renal oder postrenal bedingt sein. Die Untersuchung des spezifischen Gewichtes des Urins kann Hinweise auf das Vorhandensein einer prärenalen oder renalen Ätiologie ergeben: 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier So ist bei prärenalen Ursachen der Niereninsuffizienz ein hohes spezifisches Gewicht des Urins zu erwarten (Hund: > 1030; Katze > 1035)1, wogegen die renale Azotämie in der Regel mit einer Isosthenurie einhergeht. Bei der Interpretation der Harnstoffkonzentration im Blutplasma ist zu berücksichtigen, dass diese im Gegensatz zur Kreatininkonzentration vom Proteingehalt der Nahrung abhängig ist. Eine singuläre Erhöhung der Harnstoffplasmakonzentration bei physiologischer Kreatininkonzentration ist daher ein Anzeichen eines hohen Proteingehaltes der Nahrung z.B. infolge einer gastrointestinalen Blutung. Umgekehrt kann eine singuläre Kreatininerhöhung analysebedingt sein: So interferieren bei der Messmethode nach Jaffe´ unter Umständen nicht-KreatininChromogene mit der photometrischen Messung und führen zu einem falsch hohen Ergebnis1. Bei fortgeschrittenen Niereninsuffizienzen kommt es neben einer Retention von Harnstoff und Kreatinin auch zu Störungen der Elektrolytregulation. Eine Verminderung der glomerulären Filtrationsrate führt zu einer Reduktion der Phosphatausscheidung und somit zu einer Hyperphosphatämie. Eine Hyperkaliämie deutet auf eine Oligurie oder Anurie bei einer akuten Niereninsuffizienz oder dem Endstadium einer chronischen Niereninsuffizienz hin. Dieser Zustand ist lebensgefährlich und sollte zu sofortigen therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen („Nierenstarten“ unter Überwachung der Urinmenge) Anlass geben. In vielen Fällen tritt bei der Niereninsuffizienz auch eine metabolische Azidose auf. Erythropoetinmangel infolge chronischer Niereninsuffizienz. Nierenfunktionstests Nierenfunktionstests sind technisch aufwendig und somit in der Praxis schwer durchführbar. Die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) dient insbesondere dem Erkennen einer Niereninsuffizienz im kompensierten Stadium vor dem Auftreten einer Retention. Die GFR wird mittels Messung der Ausscheidung einer Substanz (z.B. Kreatinin oder Inulin) bestimmt, die glomerulär filtriert und nicht (oder nur minimal) tubulär rückresorbiert wird. Die Referenzwerte für Hund und Katze sind in Abbildung 3 dargestellt. Abb. 3: Übersicht von Nierenfunktionsuntersuchungen Eine Abschätzung der Störung der tubulären Elektrolytausscheidung bzw. Rückresorption kann mittels fraktionierter Elektrolytausscheidung durch gleichzeitige Bestimmung der Elektrolyte im Plasmaund Urin erfolgen (siehe Abbildung 3). Neben der blutchemischen Untersuchung ist auch eine Bestimmung des Hämatokritwertes indiziert. So ist das Vorhandensein einer nicht-regenerativen Anämie ein Hinweis auf einen 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 11 Referenzen: 1. Stockham SL, Scott MA. Urinary system. In: Stockham SL, Scott MA, ed. Fundamentals of veterinary clinical pathology. Iowa: Iowa state press; 2002:279336. 12 2. Kraft W, Dürr UM. Harnapparat. In: Kraft W, Dürr UM, ed. Klinische Labordiagnostik in der Tiermedizin. Stuttgart: Schattauer; 2006:186-219. 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier Akute Niereninsuffizienz –erkennen und behandeln Andreas Moritz Die Niereninsuffizienz ist als häufige Erkrankung von Hund und Katze durch einen teilweisen oder vollständigen Ausfall einer, mehrerer oder aller Nierenfunktionen gekennzeichnet, wobei die Exkretion von harnpflichtigen Stoffwechselendprodukten, Wasser, Elektrolyten und körperfremden Stoffen, die Regulation des Wasser-, Elektrolytund Säurebasenhaushaltes und die Inkretion von Renin, Erythropoetin sowie 1,25-Dihydrocholecalciferol betroffen sein können. Dabei sind akute und chronische Verlaufsformen zu unterscheiden. Die akute Niereninsuffizienz ist durch einen partiellen oder vollständigen Verlust der exkretorischen Nierenfunktion als Folge einer meist reversiblen Nierenschädigung mit Einschränkung der glomerulären Filtration (GFR = glomeruläre Filtrationsrate) gekennzeichnet. Ihre Ursachen können (Hypoperfusion durch prärenal Hypovolämie und Hypotonie), renal (infektiöse, entzündliche, ischämische, toxische Nephropathien) und postrenal (Urinabflußstörungen) bedingt sein. Der klinische Verlauf wird in folgende 4 Stadien eingeteilt: - - → zirkulatorisch- ischämische Schädigung Nephritiden, Vergiftungen, Glomerulo-, interstitielle/ Pyelonephritis → Nierenparenchymschäden Urolithiasis (mit Ureteren-/ Urethraobstruktion), Harnblasenparese, periurethrale Blutungen/ Ödeme → Urinabflußstörung mit Erhöhung des intrarenalen Druckes → Drosselung der GFR. 2. Stadium der Oligurie/Anurie (Gegenregulation) Hypoperfusion, Nierenparenchymschäden oder intrarenale Druckerhöhung verursachen durch Aktivierung des Renin-Angiotensinsystems eine reaktive Vasokonstriktion mit Reduzierung der glomerulären Filtration (GFR) und der tubulären Rückresorption/ Sekretion (Konzentrierungsleistung) sowie Azotämie (Retention harnpflichtiger Substanzen im Blut ohne wesentliche klinische Symptome) bis hin zur Urämie (Ausfall aller Nierenfunktionen mit schwerer klinischer Symptomatik). 3. Stadium der kompensatorischen Polyurie Wiedereinsetzen der Diurese bei gestörter tubulärer Konzentrierungsleistung mit starken Elektrolytverlusten und Azotämie. 1. Stadium der Nierenschädigung Die Symptome der Primärerkrankungen herrschen vor. Dadurch besteht die Gefahr des Übersehens der initialen Oligurie/ Anurie. 4. Stadium der Rekonvaleszenz Langsame Restitution der morphologischen und funktionellen Schäden mit abnehmender Azotämie und zunehmender Konzentrierungsleistung bei polyurischer Kompensation. Primäre Erkrankungen sind z.B.: - Gastroenteritiden, Blutungen, Schock → Hypovolämie u. Hypoperfusion - Herzinsuffizienzen → Hypotonie u. Hypoperfusion, wenn arterieller Blutdruck < 80 mm Hg fällt Die klinischen Symptome der akuten Niereninsuffizienz sind Apathie, Inappetenz/ Anorexie, Vomitus, Foetor ex ore, Schleimhautschäden, Oligo-/ Anurie oder Polyurie, Exsikkose/ Dehydratation und evtl. Nierenpalpationschmerz bis hin zu den Urämiesymptomen Vomitus/ Diarrhoe, 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 13 Ödeme/ Aszites sowie hämorrhagische Diathesen, Hämolyse und Anämie. Labordiagnostisch sind Erhöhungen der Blutplasmakonzentrationen von Harnstoff und Kreatinin (Retentionsparameter), Verschiebungen der Elektrolytkonzentrationen im Blutplasma (z.B. Hyperkaliund -phosphatämie, Hyponatriämie) mit metabolischer Azidose und Veränderungen der Quotienten der Nierenfunktion nachzuweisen. Die Urinuntersuchung ergibt u.a. eine Iso-/ Hyposthenurie, Protein- und Glukosurie sowie Blut- und Nierenepithelzellen im Sediment. Die Therapie muss neben der Beseitigung der Ursachen aus einer Flüssigkeitssubstitution (an die jeweilige BlutplasmaElektrolytkonzentration und den Azidosegrad des Patienten angepasste Elektrolyt-, Bikarbonatund evtl. 5%ige Kohlenhydratinfusionen). Die Rehydratation erfolgt über 4 bis 6 Stunden. Die zu verabreichende Menge an Flüssigkeit errechnet sich aus dem geschätzten Verlust (Dehydratationsgrad) + dem Erhaltungsbedarf + mögliche zusätzliche Verluste durch Erbrechen oder Durchfall. Für die Rehydratation werden isotonische, kristalloide Lösungen wie 0.9% NaCl oder Ringer-Laktat verwendet. In der 14 Erhaltungsphase werden Flüssigkeiten mit weniger Natrium eingesetzt (Bsp: 0.45% NaCl in 2.5% Glukose), um eine Hypernatriämie zu vermeiden. Die Urinproduktion unter Infusionstherapie sollte > 2-5 ml/kg/h betragen, unter Therapie wird eine Urinmenge unter 1 ml/kg/h als absolute Oligurie bezeichnet. Eine Oligurie oder Anurie muss durch Überwachung der Urinproduktion (Dauerkatheter mit geschlossenem Harnauffangsystem, regelmässiges Katheterisieren, Gewichtskontrolle, Blasenpalpation) frühzeitig erkannt werden. Nach einer initialen Flüssigkeitstherapie können als Diuretika hypertone Glukose, Furosemid, Dopamin und Mannitol verwendet werden. Je nach Symptomen des Patienten sind zur symptomatischen Therapie weitere Medikamente indiziert: - bei urämischer Gastritis H2-Blocker (z.B. Ranitidin), bei Erbrechen Antiemetika (Bsp.: Metoclopramid) und bei gastrointestinalen Ulzera Sucralfat. Die Prognose der akuten Niereninsuffizienz ist bei rechtzeitig einsetzender adäquater Therapie in Abhängigkeit vom Grad der Nierenschädigung noch als relativ günstig einzustufen. 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier Fallvorstellung Barbara Glanemann Notizen: 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 15 Bluthochdruck beim Kleintier Matthias Schneider, Ingo Schneider 1. Einleitung Der arterielle Blutdruck spielt eine wichtige Rolle im Rahmen von kardiovaskulären Erkrankungen, aber auch vielen anderen Erkrankungen wie Niereninsuffizienz oder endokrinen Störungen. Eine Erniedrigung des arteriellen Blutdruckes (bes. diastolischer und mittlerer Blutdruck) führt zu Minderperfusion und damit oftmals zum Funktionsausfall verschiedener Organe (bes. Niere, Herz, Gehirn). Eine Erhöhung des Blutdruckes (bes. systolischer Blutdruck) kann Organschäden (Niere, Auge, Herz) induzieren. Der arterielle Blutdruck ist abhängig vom der Vorlast (Druck im venösen Gefäßsystem), der Herzfunktion und von der Nachlast (arterieller Gefäßwiderstand). 2. Zentraler Venendruck Der Zentrale Venendruck (ZVD) wird beeinflusst durch das venöse Blutvolumen, die Kapazität des venösen Gefäßsystems und die Rechtsherzleistung. Mit Hilfe eines Zentralen Venenkatheters und einer Wassermeßlatte kann der Zentrale Venendruck leicht bestimmt werden. Physiologisch beträgt er etwa 3-6 cm H2O. Unter 2 cm H2O ist mit einer verminderten Füllung des Herzens und damit einer Reduktion der Herzleistung und des Blutdruckes (bes. diastolisch und mittlerer) zu rechnen. Über 10 cm H2O besteht die Gefahr der Entstehung von Ödemen oder Körperhöhlenergüssen. Eine Erniedrigung des ZVD findet sich vor allem bei einem Volumenverlust z.B. bei einer Blutung, onkotischen Ödemen, bei einer Polyurie ohne ausreichende Polydypsie oder Durchfall/ Erbrechen. Eine Erhöhung des ZVD ist meist verursacht durch eine Abflussstörung 16 (Venenobstruktion, Rechtsherzinsuffizienz, pulmonaler Hochdruck) oder eine Volumenbelastung (Infusionsüberschuss, Oligurie/ Anurie). Die Indikation zur Messung des Zentralen Venendruckes ergibt sich somit zu diagnostischen Zwecken bei der Abklärung von Ödemen oder Körperhöhlenergüssen (bes. Aszites) und zur Therapieüberwachung bei der Rehydratation oder Infusionsbehandlung von Niereninsuffizienzpatienten. 3. Arterieller Blutdruck Der Blutdruck ist der Druck (Kraft/ Fläche) in den Arterien, er ist abhängig von der Herzleistung (Herzminutenvolumen = HMV) und dem arteriellen Widerstand. Die Herzaktion verursacht eine Schwankung des Blutdruckes zwischen dem systolischen arteriellen Blutdruck (SAD) und dem diastolischen arteriellen Blutdruck (DAD). Der mittlere arterielle Blutdruck (MAD) ist der Mittelwert des Druckes über einen Herzzyklus, er ist der wichtigste Parameter für die Organdurchblutung. Er berechnet sich aus dem Quotienten des Flächenintegrals unter der Druckkurve geteilt durch die Zeit. In peripheren Gefäßen wird der MAD oftmals mit folgender Formel annähernd berechnet: MAD = DAD + k (SAD – DAD). Die Konstante k wird meist mit 0,33 angegeben, kann jedoch von Tier zu Tier stark schwanken (0,25-0,5) daher ist die Berechnung des MAD ungenau. Der Blutdruck wird i.d.R. in der Einheit mm Hg angegeben. 3. Giessener Wintersymposium – Nierenerkrankungen beim Kleintier 4. Blutdruckmeßmethoden Grundsätzlich werden zwei Meßmethoden: direkte Blutdruck-messung mit arteriellen Kathetern und indirekte Blutdruckmessung mit Manschetten. Direkte (invasive) Blutdruckmessung Zur direkten Blutdruckmessung werden i.d.R. flüssigkeitsgefüllte Katheter mit externem Druckaufnehmer eingesetzt. Die Katheter werden chirurgisch oder via Punktion in einer peripheren Arterie platziert (gut geeignet ist hier die Arteria dorsalis pedis). Die Vorteile der direkten Blutdruckmessung sind v.a. die hohe Messgenauigkeit und die gute Reproduzierbarkeit. Nachteilig sind das diffizile Katheterisieren einer peripheren Arterie und die damit verbundene Invasivität. Weitere Schwachpunkte sind der dadurch ausgelöste Stress bei den Tieren sowie möglichen Komplikationen (Thrombosen, Nachblutungen, Infektionen, Luftembolien). Für die routinemäßige Blutdruckmessung unter Praxisbedingungen ist diese Methode daher nicht geeignet. Sie bleibt speziellen Fällen wie schwere Operationen, Intensivpatienten und die Überprüfung von indirekt messenden Geräten. Indirekte (nichtinvasive) Blutdruckmessung Alle gängigen Methoden zur indirekten Blutdruckmessung beruhen auf dem Prinzip von RIVA-ROCCI. Mit einer Manschette wird von außen Druck auf die Arterie ausgeübt, bis der Blutfluss zum Stillstand kommt. Beim langsamen Ablassen des Manschettendruckes wird das Widereinsetzen des Blutstromes mit verschiedenen Methoden (Doppler, Oszillometrie, Photosensor) wahrgenommen. Die Manschette sollte ca. 4060% des Umfangs der Messstelle (Carpus, Schwanz, bzw. Tarsus) haben und auf Höhe des Herzen platziert werden. Befindet sich die Manschette nicht auf Herzhöhe, dann muss eine Höhenkorrektur durchgeführt werden: liegt die Manschette tiefer als das Herz, sind 0,7 mm Hg pro Zentimeter Distanz zu subtrahieren. Doppler Die Geräte sind unkompliziert in der Handhabung und die Blutdruckmessung ist sehr einfach und schnell durchgeführt. Ein besonderer Vorteil der Blutdruckmessung mittels Doppler-Ultraschalls liegt in der tierartlichen Unabhängigkeit, die Methode kann sowohl beim Hund als auch bei der Katze eingesetzt werden. Bewegungsartefakte spielen bei dieser Methode kaum eine Rolle. Die Ausstattung ist relativ preisgünstig (ca. 1000 Euro). Allerdings ist nur der systolische arterielle Druck ausreichend genau messbar. Die fehlende automatische Messung führt zu untersucherabhängigen Unterschieden der Werte. Oszillometrie Bei dieser Methode werden die Druckschwankungen in der Manschette registriert und daraus alle drei Blutdruckwerte ermittelt. Die Geräte sind einfach in der Handhabung, da die Messungen von den Geräten nach dem Start automatisch durchgeführt werden. Bei Hunden unter ca. 7,0 kg und bei Katzen ist die Messung problematisch. Zudem ist die Methode anfällig gegen Bewegungsartefakte. Gut messende Geräte haben derzeit einen Preis von ca. 20002500 Euro. 5. Indikationen zur Blutdruckmessung im Rahmen von Nierenerkrankungen Zahlreiche Erkrankungen und Maßnahmen können eine arterielle Hypotension und damit eine Störung der Nierenfunktion verursachen: I. Herz- oder Perikarderkrankungen Herzbeuteltamponade, extreme konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie, dilatative Kardiomyopathie, hochgradige Mitral-klappeninsuffizienz, schwere Sub17 aortenstenose oder Aorteninsuffizienz, dynamische Einengung des linksventrikulären Ausflusstraktes, Arrhythmien, (z.B. Vorhofflimmern, paroxysmale ventrikuläre Tachykardien, Sick Sinus Syndrom, Sinus- oder AV-Block). Nierenarterienerkrankungen Nierenarterienstenosen, Thrombembolien, Niereninfarkte II. Endokrine Hypertonie II. Verminderte Vorlast des Herzens Pneumothorax, Stau des venösen Rückflusses bei Magendilatationen, schwerer Herzwurm-befall, Thrombosen, komprimierenden Tumoren. Akromegalie, Diabetes mellitus, Hyperadrenokortizismus, Hyperaldosteronismus, Hyperöstrogenismus, Hyper- und Hypothyreose, Phäochromozytom, primärer Hyperparathyreoidismus, Renin sezernierende Tumoren, Trächtigkeit. III. Vasodilatation Endotoxine, Anaphylaxine. III. Herz und Gefäßerkrankungen als Ursache einer Hypertonie IV. Schwere Flüssigkeitsverluste Blutungen nach außen oder in Körperhöhlen, starker Vomitus/ Diarrhoe, starke Diuresen, verminderte Flüssigkeitsaufnahme. Aortenisthmusstenose, Arteriovenöse Shunts, Klappen- und Septumdefekte, Hypertrophe Kardiomyopathie (Katze) V. andere Ursachen Hypoadrenokortizismus oder Iatrogen: Narkose, Vasodilatatoren. Der arterielle Gefässtonus unterliegt sowohl lokaler als auch systemischer neuro-endokriner Regulation. Im Rahmen von Nierenerkrankungen kommt es oftmals durch Aktivierung des ReninAngiotensin- Aldosteron- Systems zu einer arteriellen Hypertension. Diese Hypertension schädigt nicht nur andere Organe sondern kann auch zum Fortschreiten der Nierenerkrankung führen. Neben der renalen Hypertension gibt es zahlreiche weitere Ursachen für einen arteriellen Bluthochdruck: I. Renale Hypertonie Nierenparenchymerkrankungen Glomerulonephritis, Pyelonephritis, Interstitielle Nephritis, Nierenamyloidose, Glomerulosklerose, Polyzystische Nieren, obstruktive Nephropathie, renale Dysplasie. 18 IV. Neurogene Hypertonie Trauma, Neoplasie, Infektion V. Andere Ursachen Adipositas Indikation zur Blutdruckmessung sind somit ersten die oben beschriebenen Erkrankungen, die mit einer Hypo- oder Hypertension einhergehen können und zweitens Erkrankungen, die durch eine Hypertension ausgelöst werden können. Mögliche Organveränderungen und Erkrankungen infolge Hypertonie Veränderungen infolge Hypertonie Augen dilatierte, gewundene Retina- Gefäße, RetinaBlutungen, -Ödeme, -Exsudationen und – Ablösungen, Kontraktionen der Retina Gefäße, Papillenödem, Blutungen in die vordere Augenkammer und in den Glaskörper Nieren Glomeruläre Hyperfiltrationen, Nekrosen, fokale und segmentale Proliferationen, Sklerosen der Glomerula, glomeruläre und interstitiellen Fibrosen, Ischämien, nicht-exsudative Interstitielle Nephritiden, Nephrosklerosen ZNS Hirnödeme, Blutungen, Infarkte, Gefäßspasmen Herz-Kreislauf Linksherzhypertrophie, koronare Arteriosklerose und Minderdurchblutung, myokardiale Ischämie mit subendokardialer Fibrose, Arteriosklerose peripherer Gefäße mit Erhöhung des totalen peripheren Widerstands und eine dadurch erhöhte Nachlast Folge Uveitis anterior, Glaukom, Korneal Ulzera, verminderte Pupillenreaktion, Blindheit Nephrotisches Syndrom, Niereninsuffizienz Anfälle, Synkopen, Hinterhandparesen , Ataxien, Orientierungslosig keit, Amaurosis, Kreisbewegungen, Demenz, Koma Epistaxis, selten Herzinsuffizienz, aber bestehende Herzerkrankungen können sich verschlimmern. 6. Grenzwerte In der Literatur gibt es viele, verschiedene Angaben über Blutdruckgrenzwerte bei Hund und Katze, die z. T. durch verschiedene Meßmethoden bedingt sind. Zwei verschiedene Methoden messen nur selten exakt gleiche Werte. Ferner können unterschiedliche oszillometrische Blutdruckmeßgeräte differierende Werte messen. Da bei hohen systolischen Druckwerten die Blutdruckmessung mittels Doppler höhere Werte als die Oszillometrie ergibt, differieren v.a. hierbei die Grenzwerte. Die Grenzen zur Hypertonie liegen beim Hund bei 200 mm Hg (Doppler) bzw. 180 mm Hg (Oszillometrie). Neuere Angaben sehen sogar 170 mm Hg als obere Grenze an. 120-130 mm Hg und 100-110 mm Hg sind die entsprechenden Grenzen beim mittleren und diastolischen Blutdruck. Ein systolischer Druck zwischen 80 und 100 mm Hg ist als mäßige Hypotonie anzusehen. Bei einem systolischen Druck unter 80 mm Hg oder einem mittleren Druck unter 60 mm Hg liegt eine deutliche Hypotonie vor. Bei der Katze liegt die Grenze zur Hypertonie bei 170-180 mm Hg. (Doppler). Die Grenzen zur Hypotonie sind die gleichen wie beim Hund. 7. Therapie des Blutdruckes Bei der Therapie der Hypotension muss die Grunderkrankung angegangen werden. Bei der Hypertension muss entschieden werden ob eine sehr rasche Blutdrucksenkung (z.B. bei Retinablutungen) benötigt wird, dazu hat sich der vaskulär wirksame CaAntagonist Amlodipin durchgesetzt. Bei chronischer Hypertension ohne NotfallIndikation ist dagegen zunächst eine möglichst kausale Therapie (z.B. ACEHemmer bei Nierenoder Herzinsuffizienz) anzuraten, je nach Schwere der Hypertension muss diese Therapie durch die Gabe eines CaAntagonisten ergänzt werden. 19 8. Zusammenfassung Der arterielle Blutdruck spielt eine wichtige Rolle im Rahmen von Nieren-erkrankungen. Durch die Messung des zentralen Venendruckes können Volumen-mangel und Volumenüberschuss kontrol-liert werden. Hypotensive als auch hypertensive Kreislaufzustände habe negative Auswirkung auf verschieden Organe und besonders auf die Niere. Nierenerkrankungen selbst sind eine der wichtigsten Ursachen für die arterielle Hypertension. Moderne Blutdruckmessgeräte ermöglichen die Hypertension zu erkennen und eine Therapie einzuleiten. 20 Quelle: Schneider I. Vergleich der indirekten arteriellen Blutdruckmessung mittels zweier oszillometrisch messender Blutdruckmonitore mit der direkten Blutdruckmessung beim Hund. Dissertation, Justus-Liebig-Universität, 1999. Schneider I, Neu H, Schneider M. Blutdruckmessung bei Hund und Katze. Prakt. Tierarzt 1999, XXIX: 4-10 Nutzen der bildgebenden Verfahren in der Nierendiagnostik Denise Seyrek-Intas, Sandra Klein, Martin Gerwing, Ursula Michele, Christine Peppler, Cetina Thiel, Martin Kramer Die bildgebenden Verfahren sollen ergänzende Information über Morphologie, Physiologie (Funktion) und Pathologie der Nieren bei Kleintieren geben. Die am häufigsten angewandte und verfügbare Technik ist nach wie vor die Radiologie, auch wenn die anderen Techniken wie Ultraschall (US), Szintigraphie, Computer Tomographie (CT) und Magnet Resonanz Tomographie (MRT) immer mehr in den Vordergrund treten. Abgesehen vom schweren Abdominaltrauma, das primär mittels CT untersucht werden muss, beginnt jede Nieren- und Harnwegsuntersuchung mit einer Ultraschalluntersuchung. Die Entscheidung, ob ein normaler oder ein pathologischer Befund der Bildgebung vorliegt, ist fast immer mittels US zu treffen. Erst in Kenntnis des sonographischen Befundes wird der Ablauf der weiteren Bildgebungsdiagnostik festgelegt. Radiologie der Nieren Das Aussehen und die Lokalisation der Nieren bei Hunden ändern sich je nach Alter, Position und allgemeiner Körperkondition des Tieres. Die normale linke Niere ist ventral der Wirbelsäule auf Höhe von T12 bis L1 und die rechte Niere auf Höhe von L1 bis L3 lokalisiert, wobei sie im Röntgenbild manchmal von anderen Abdominalorganen überlagert werden. Mit zunehmendem Alter und Menge des Fettgewebes werden die Nieren mobiler und erscheinen mehr ventral und kaudal im Abdomen. Atemabhängig können die Nieren sich um fast eine Wirbellänge bewegen. Auf der latero-lateralen Röntgenaufnahme bildet sich die rechte Niere dorsal und kranial der linken Niere ab, oft überlagert vom Magen- und Milzschatten. Der kraniale Pol der rechten Nieren ist selten sichtbar, da der kaudale Leberlappen ihn in der Fossa renalis überlagert. Eine normale Hundeniere ist etwa 2,5 - 3,5-mal so groß wie die Länge des zweiten Lendenwirbels und misst bei einem mittelgroßen Hund von 12 - 20 kg Körpermasse 6 - 9 cm in der Länge, 4 - 5 cm in der Weite und 3 - 5 cm in der Dicke. Bei der Katze liegen beide Nieren auf Höhe des ersten bis vierten Lendenwirbels. Die normale Länge einer Katzenniere beträgt etwa 2 - 3-mal die Länge des zweiten Lendenwirbels und ist ca. 3,8 - 4,4 cm lang, 2,7 - 3,1 cm breit und 2,0 - 3,5 cm dick. Katzennieren erscheinen mit zunehmendem Alter kleiner, und kastrierte Katzen haben kleinere Nieren als nicht kastrierte Tiere. Pathologische Befunde der Niere umfassen Veränderungen der Größe, Form, Position, Dichte und Symmetrie. Da die linke Niere des Hundes sehr mobil ist und nicht immer im rechten Winkel zum Röntgenstrahl getroffen wird, kann sie manchmal verkürzt erscheinen. Veränderungen der Größe und Form können bilateral oder unilateral, die Größe kleiner oder größer als normal, und die Form regelmäßig oder unregelmäßig sein, wofür viele verschiedene Differentialdiagnosen in Frage kommen (zum Beispiel FIP, Pyelonephritis, chronische interstitielle Nephritis, verschiedene primäre oder sekundäre Tumoren, Lymphosarkom, Zysten, Abs-zesse, Infarkte, Dysplasien, Hypoplasien oder kompensatorische Hyperplasien). Bei normaler Nierengröße kann jedoch niemals eine Nierenerkrankung ausgeschlossen werden. Veränderungen der Dichte der Niere können durch Mineralisation des Parenchyms in Folge von primärer Nephrokalzinose, Metaplasien oder 21 dystrophischen Kalzifikationen von Neoplasien, Infarkten oder Abszessen vorkommen. Bei der Nephrokalzinose werden Kalziumsalze gewöhnlich in den Pseudopapillae des Nierenmarks oder am kortikomedullären Übergang abgelagert, die sich als strahlenförmige, röntgendichte Linien abzeichnen, während dystrophische Mineralisationen im Nierenparenchym keine Rückschlüsse auf anatomische Strukturen ermöglichen. Außerdem können vaskuläre Mineralisationen vorkommen. Steine im Nierenbecken lassen sich gegebenenfalls schwer von parenchymalen Mineralisationen unterscheiden, wobei sie während einer Ausscheidungsurographie oder Nierensonographie einen Füllungsdefekt und Flüssigkeit um den Stein herum aufweisen. Überlagerungen von röntgendichtem Material im Magen-Darmtrakt dürfen nicht mit Nierensteinen verwechselt werden. Veränderungen der Position der Nieren sind eher ungewöhnlich. Es muss trotzdem berücksichtigt werden, dass beide Nieren der Katze und die linke Niere des Hundes sehr mobil sein können. Wenn die rechte Niere nach kaudal verlagert ist, könnte dies als Folge einer Vergrößerung des kaudalen Leberlappens vorkommen. Zubildungen der Nebennieren verlagern die Nieren nach kaudal, Zubildungen der Ovarien nach kranial. Auch retroperitoneale Zubildungen können eine Verlagerung der Nieren hervorrufen. Ebenfalls können Verlagerungen einer oder beider Nieren aufgrund von kongenitalen Anomalien (meist Lage der Niere direkt kranial der Harnblase) oder Traumen auftreten. Bei kongenitalen Ektopien der Niere liegt diese meist im kaudalen Abdomen direkt kranial der Harnblase. Die Ausscheidungsurographie, eine Sequenzkontrastdarstellung der Nieren und Strukturen der unteren Harnwege, ist eine Methode zur Verdeutlichung des Nierenparenchyms und Beurteilung ihrer Funktion. Für diese Untersuchung sollte der Patient 24 Stunden nüchtern bei unein22 geschränkter Wasserversorgung bleiben. Ein Einlauf 2 Stunden vor der Studie zur vollkommenen Entleerung des Enddarmes ist empfehlenswert, um Überlagerungen zu vermeiden. Nach einer leeren Übersichtsaufnahme des Abdomens wird möglichst ein wasserlösliches nicht-ionisches Kontrastmittel (zum Beispiel Iopamidol oder Iohexol) mit einer Jodkonzentration von 300-400 mg / ml gewählt. Insgesamt werden 600-800 mg Jod / kg Körpermasse für eine schnelle Bolusinjektion mit oder ohne Bauchpresse intravenös verabreicht. Röntgenbilder sollten 5-20 Sekunden (Nephrogramm - vaskuläre Phase) und 5, 20 und 40 Minuten (Pyelogramm Ausscheidungsphase) nach der Injektion im ventro- dorsalen und seitlichen Strahlengang angefertigt werden. Eine Ausscheidungsurographie wird auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz durchgeführt, sofern eine Indikation besteht und eine gute Hydrierung des Tieres gesichert ist. Die Auswertung der Ausscheidungsurographie in Bezug auf die Morphologie der Nieren kann mit Hilfe der Kriterien für die Beurteilung der Übersichtsaufnahmen, wie oben beschrieben, einfach durchgeführt werden. Mit der Auswertung des Nephrogramms können renale Abnormitäten qualitativ beurteilt werden. Renale Perfusionsanomalien, glomeruläre Dysfunktionen, intra- oder extrarenale Obstruktionen, tubuläre Nekrosen bzw. renale oder systemische Reaktionen auf intravenöse Kontrastmittelgabe können die Röntgendichte in der Nephrogramm- Phase verändern. Die Standardisierung der Kontrastmitteldosierung sowie der Röntgenintervalle muss gewährleistet werden, um auswertbare, standardisierte, funktionelle Informationen zu erhalten. Der Zeitpunkt der maximalen Kontrastmittelanreicherung und die Variationen in Dichte vor und nach der maximalen Kontrastanreicherung tragen mit zur Differenzierung der verscheidenen Krankheitsprozesse bei. Sonographie der Nieren Für die Sonographie der Nieren werden 5 MHz-Schallköpfe, bei kleinen Tieren und Katzen 7,5 bis 10 MHz- Schallköpfe verwendet. Für die Untersuchung muss der Bauchraum bis knapp über den Rippenbogen geschoren und mit Kontaktgel eingerieben werden. Beim Hund befinden sich die Nieren teilweise im rippengestützten Bauchraum, die rechte zu ca. 2/3, die linke zu ca. 1/3. Katzennieren befinden sich vollständig im extrathorakalen Bauchraum und sind daher sehr gut der Ultraschalluntersuchung zugänglich. Das Organ wird im Allgemeinen longitudinal, transversal und sagittal angeschallt. Sonographisch werden neben der Größe, Form und Lage die folgenden Anteile differenziert: Cortex, Medulla, Recessus collaterales, Hilus, Pelvis. Insbesondere bei Rassekatzen wird häufig ein unterschiedlich reflexreicher Saum zwischen Rinde und Mark gesehen, der zusätzlich von einem reflexarmen Saum umgeben sein kann und im AngloAmerikanischen als „medullary-rim-sign“ bezeichnet wird. Das ist bei diesen Tieren häufig ein Zufallsbefund. Nierenzysten stellen sich als reflexlose, seltener reflexarme rundliche Gebilde dar, die in der Regel im Rindenbereich liegen. Sie können über die Nierenoberfläche hinausragen. Durch ihre distale Schallverstärkung sind sie von sehr reflexarmen Tumorknoten (z. B. bei Leukose) zu differenzieren. Tumoren der Niere können diese diffus inhomogen bis hin zu einem komplexen Echomuster erscheinen lassen oder lokal durch einzelne Rundherde mit unterschiedlicher Echogenität dominieren. Eine Tumorspezifität ist aus dem Echomuster nicht abzuleiten. Große, diffus infiltrierende Tumoren können gut diagnostiziert werden, solange der Übergang unverändertes Parenchym in die Neubildung erkennbar ist. Endstadien lassen die sonographischen Charakteristika einer Niere vollständig vermissen. Bei Katzen kann das Lymphosarkom ein charakteristisches Aussehen aufweisen. Um eine relativ „normal“ aussehende Niere verläuft ein reflexarmer oder fast reflexloser Saum, der gerade angedeutet oder bis zu mehreren Zentimetern dick sein kann und einem Flüssigkeitssaum gleicht. Die Breite des umgebenden Tumors kann an den verschiedenen Stellen unterschiedlich sein. Bei genauem Hinsehen erscheint die Gesamtechogenität der Niere erhöht. Manche Nieren zeigen physiologische Diameter, andere sind unterschiedlich stark vergrößert und höckrig. Eine Hydronephrose bzw. ein gestauter Ureter sind am einfachsten im Transversalschnitt durch den Hilus erkennbar. Während der physiologische Ureter nur angedeutet ohne deutliches Lumen erscheint, vergrößert sich sein Diameter bei geringer Kompression oder Obstruktion rasch. Bei erwachsenen Hunden spreizt sich das Nierenbecken erst nach mehreren Tagen auf, bei Junghunden und besonders bei Welpen bereits in 1-2 Tagen. Nierenbeckendilatationen werden auf dem Längsschnitt erst später annähernd so deutlich erkennbar wie auf dem Transversalschnitt. Der Endzustand der progressiv verlaufenden Rinden- und Markatrophie ist die Sackniere, die als Relikte der Rezessus collaterales eine unvollständige Radspeichenstruktur aufweist. Der gestaute Ureter zeigt eine langsame ablaufende Peristaltik. Nierensteine sind, in Längs- und Querschnitten, sehr reflexreiche Strukturen mit deutlichem Schallschatten. Schrumpfnieren zeigen, neben der Verkleinerung und einer eventuel vorhandenen höckrigen Oberfläche, einen Verlust der deutlichen Differenzierbarkeit zwischen Rinde und Mark. Dabei nimmt die Echogenität insbesondere der Markpyramiden zu. Im Endstadium kann nur noch eine reflexärmere Außenzone (Mark und Rinde) von einer reflexreicheren schmalen Innenzone (Becken) unterschieden werden. Niereninfarkte dominieren als echoreiche keilartige Veränderungen im Kortex, 23 wobei die Spitze zum Nierenzentrum weist, und stellen in der Regel einen Zufallsbefund ohne klinische Bedeutung dar. Nierenabszesse als zystische Aberration mit echoarmem Inhalt gehen im Allgemeinen mit einer Veränderung des umgebenden Parenchyms einher und können damit, abgesehen von der klinischen Symptomatik, von Nierenzysten differenziert werden. Befinden sich Gasblasen im Lumen, ist die Diagnose eindeutig. Weiterhin ist auch die ultraschallgeführte Nierenbiopsie zu erwähnen, die aber aufgrund ihrer Invasivität und anderer alternativer diagnostischer Möglichkeiten etwas an Bedeutung verloren hat. Doppler - Sonographie Die Doppler - Sonographie untersucht die Blutflußcharakteristika sowohl in der systolischen als auch diastolischen Phase des Kreislaufes. Diese Technik wird auch zur Beurteilung renaler parenchymaler Erkrankungen, einschließlich renaler Transplantate angewandt. Renale Szintigraphie Viele verschiedene renale Erkrankungen wie Nephrolithiasis, Hydronephrose, polyzystische renale Degeneration, renale Aplasie / Hypoplasie, Obstruktion der Ureteren oder ein renales Trauma können mit der Szintigraphie mit einem akzeptablen Aufwand für Hund und Katze durchgeführt werden. Bei der statischen Nierenszintigraphie kann durch Speicherung des Radionuklids im funktionstüchtigen Nierenparenchym die Nierenmorphologie beurteilt werden. Aufgrund der sehr langsamen Ausscheidung ist diese Untersuchung auch bei nur noch geringer Restfunktion geeignet. Die Nierenperfusionsszintigraphie ist eine nichtinvasive Methode zur Messung sowohl der globalen als auch der seitengetrennten glomerulären oder tubulären 24 Funktion und bietet damit eine wertvolle Ergänzung zur mehr morphologisch orientierten Radiographie und Sonographie. Die seitengetrennte Clearancebestimmung ist von besonderem Interesse vor operativen Eingriffen an der Niere. Die Frühphase beginnt nach 15-30 Sekunden mit der Durchblutungsphase und seitengleichen Aktivitätsanflutung. In der darauffolgenden Parenchymphase (1. - 3. Min.) kommt es zu einer homogene Aktivitätsverteilung, hier ist eine morphologische Beurteilung der Nieren möglich. Nach 4-6 Minuten erfolgt eine zunehmende Konzentration im Nierenbeckenkelchsystem. Die Exkretions- oder Entleerungsphase zeichnet sich durch die Aktivitätsabnahme nach 30 Minuten aus. Die Untersuchung des Patienten erfolgt in Allgemeinanästhesie in Rückenlage, die Aufnahmen von dorsal mit einer zeitlichen Auflösung im Sekundenbereich über einen Zeitraum von ca. 30 Minuten durchgeführt. Wird während der Szintigraphie eine Stauung festgestellt, kann zur forcierten Diurese Furosemid gegeben werden und die Untersuchung für weitere 10-20 Minuten fortgeführt. Hierdurch ist eine Differenzierung zwischen verzögertem Abfluß bei erweitertem Nierenbecken und organisch fixierter Ostruktion möglich. Die Beurteilung erfolgt visuell und durch quantitativ über Darstellung der Impulsraten über die Zeit. Die bildliche Darstellung zeigt anhand der direkten Szintigramme (Abb. 1) sowie anhand der Aktivitätskurven über die Zeit (Abb. 2) die Anreicherung der Aktivität zu einem frühen Zeitpunkt in der linken Niere, nach ca. 5 Minuten zeigt sich eine annähernd gleiche Verteilung links : rechts, danach scheidet nur die linke Niere aus, bei weiterer Anreicherung der rechten Niere. Abb. 1: Szintigramme der Nieren aus dorsaler Sicht Abb. 2: Menge der radioaktiven Counts im Bereich der in Abb. 1. gezeigten Nieren über die Zeit Zystadenokarzinomen und damit zur Selektion von Zuchttieren von Bedeutung. CT Abbildungen korrelieren sehr gut mit makroskopischen Befunden und Kontraststudien lassen tumoröse von nichttumorösen Regionen unterscheiden. Bei Nierenzysten zeigten sich die Ausscheidungsurographie und Sonographie in Bezug auf die morphologische Diagnose genauso effektiv wie die CT Untersuchung, aber bei komplizierten Läsionen ist das CT bei der Beurteilung der drei-dimensionalen Involvierung von Strukturen diesen beiden Techniken eindeutig überlegen. Seit der Entwicklung von Computertomographen mit sehr kurzer Scanzeit, können frühe Dichteunterschiede während der KontrastBolusinjektion eindeutig demonstriert und quantifiziert werden. Mit Hilfe „funktioneller Bilder“ ist man in Lage, akute renale Perfusionsstörungen festzustellen. Bei Verdacht einer renalen Venenthrombose lassen Befunde wie die direkte Darstellung des Thrombus in der Nierenvene, eine Umfangsvermehrung der Niere, der vergrößerte Venendurchmesser, perirenale Kollateralgefäße und eine unilaterale verlängerte kortikomedulläre Vereinigungszeit (junction time) die Diagnose bestätigen. Magnet Resonanz Tomographie (MRT) Aufgrund des hohen finanziellen und technischen Aufwandes und den Strahlenschutzmaßnahmen bleibt diese Technik jedoch mehr auf größere Kliniken beschränkt. Computertomographie (CT) Abdominale computertomographische Untersuchungen bieten exzellente anatomische Einblicke in die Nieren. Zysten und solide Tumoren können einfach unterschieden werden. Die CT-Untersuchung ist auch bei der Frühdiagnose von renalen Studien über die klinische Anwendung vom MRT für die Nierendiagnostik bei Kleintier gibt es nur wenige und diese beschränken sich größtenteils auf experimentelle Studien der Humanmedizin an Hunden. Mit Hilfe von magnetresonanztomographischen Flußparametern können hochgradige Stenosen der Nierengefäße (> 50%) erkannt und auch die Differenzierung von Stenosen und nicht-stenotischen Gefäßen mit einer hohen Sensivität und Spezifität gemacht werden. Somit stellt die kardial-gesteuerte MR Flußkurven Analyse eine nicht-invasive Methode zur Beurteilung der hämodynamischen 25 Signifikanz von renalen arteriellen Stenosen dar und erlaubt eine funktionelle Einschätzung in Relation zu den morphologischen Charakteristika der Stenosen. Eine vollständige renale Ischämie führt zu einer schwachen kortikomedullären Differenzierung beim Kontrastmittelverstärkten (Gd-DTPA) turbo FLASH MRT. Die Signalintensität von Nieren mit signifikanten postischämischen Veränderungen zeigt im Zeitverlauf einen weniger steilen Anstieg der Signalintensität in der Nierenrinde und einen steilen Anstieg der Signalintensität im Nierenmark im Vergleich zu normalen Nieren. Das dynamische MRT zeigt somit die renale Morphologie und reflektiert auch den funktionellen Status der Nierengefäße. Andere Studien untersuchten das Potential des MRT zur Diagnose von akuten Abstoßungsreaktionen von renalen Transplantaten und die Unterscheidung dieser Befunde von der akuten tubulären Nekrose. Als die nützlichsten Kriterien stellten sich hierbei die Nierengröße, der kortiko-medulläre Kontrast und die T1 Relaxationszeit der Nierenrinde heraus. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für die die bildgebende Nierendiagnostk neben der Standardradiologie und der Sonographie auch weiterführende bilgebende Techniken wie Ausscheidungsurographie, Szintigraphie, CT und MRT zur Verfügung stehen, um neben der Morphologie auch die Funktion der Nieren beim Kleintier zu überprüfen. Weiterführende Literatur 1. Burk RL, Feeney DA (2003): Small Animal Radiology and Ultrasonography, A diagnostic Atlas and Text, 3rd Ed., W.B. Saunders comp., St. Louis. 2. Choi J, Lee H, Chang D, Lee K, Eom K, Lee Y, Choi M, Yoon J. 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J Vet Med Sci. 56 (4): 813-6. 27 Fallvorstellung Christine Simon Notizen: 28 Chronische Niereninsuffizienz – Management Thierry Francey Bei der chronischen Nierenerkrankung (CNE) handelt es sich grundsätzlich um das späte Stadium irgendeiner Nierenerkrankung, die selber nur noch selten zu erkennen ist: kongenitale Anomalie, Missbildung, Ischämie, Infektion, Toxikose, Degeneration, Obstruktion oder Neoplasie. Obwohl die Diagnosestellung in einem frühen Stadium auf die Identifizierung von diesem Grundprozess gerichtet wird, ist sie später aber eher auf eine genaue Charakterisierung der Erkrankung orientiert, inkl. ihr Stadium und ihre Komplikationen. Eine frühe Erkennung der CNE durch regelmässiges Screening ist besonders wichtig, weil sie lange symptomlos bleiben kann. Sie zeigt aber die Tendenz, mit der Zeit progressiv schlimmer zu werden wegen seiner intrinsischen natürlichen Progression. Wenn eine ätiologische Behandlung nicht mehr möglich ist werden die therapeutischen Bemühungen auf das Langzeitmanagement gerichtet: symptomatische Beeinflussung der urämischen Symptome und Verlangsamung der Progression. A. Urämie und Niereninsuffizienz Das urämische Syndrom ist die klinische Manifestation der kumulativen metabolischen Störungen, die durch Nierenversagen verursacht werden. Es wurde lange als ein rein toxisches Geschehen interpretiert, wobei die erkrankten Nieren nicht mehr genügend Clearance und Ausscheidungsfunktion haben, um die harnpflichtigen Solute zu eliminieren. Damit kommt es zur Retention von einem breiten Spektrum von so genannten urämischen Toxinen. Die klinischen Manifestationen der Urämie ähneln tatsächlich in vielen Aspekten einer endogenen Vergiftung: Apathie, Anorexie, gastrointestinale Störungen, neurologische Erscheinungen. Aber trotz intensiver Forschung konnten mit exogener Zufuhr von identifizierten kleinmolekularen Soluten nur wenige urämische Erscheinungen experimentell reproduziert werden. Heute kennen wir ein breites Spektrum von Molekülen, die bei Urämie in stark erhöhter Konzentration vorkommen, die sogenannten urämischen Toxine (Tabelle 1). Sie umfassen die meisten Moleküle unterhalb der glomerulären Filtrationsgrenze, und auch diejenigen die durch tubuläre Sekretion und Nierenstoffwechsel eliminiert werden. Weiter werden in urämischen Patienten Proteine und Lipide progressiv und irreversibel (posttranslationell, nichtenzymatisch) durch Glykosylierung, Karbamylierung und Oxydation modifiziert. Solche modifizierte Proteine verlieren z.T. ihre Funktion und es kann zu weiteren metabolischen Störungen führen. Die urämischen Toxine werden grob als kleinmolekulare (< 500 Da, z.B. Harnstoff, Kreatinin, Kalium), mittelmolekulare (500 – 15’000 Da, z.B. PTH) und grossmolekulare (>15'000 Da, z.B. karbamyliertes Hämoglobin) Soluten unterteilt. Wenige von diesen Molekülen (z.B. Kalium, Wasser) haben eine klare toxische Rolle, andere (z.B. Harnstoff) dienen aber lediglich als Marker für weiteren unbekannten, mitakkumulierten Soluten. 29 Tabelle 1: Urämische Toxine Harnstoff Serum Proteasen Kreatinin Pyrimidinderivate Ammoniak Guanidinderivate Harnsäure Aromatiche Amine Phosphate Aliphatische Amine Phenole Hippuratester Indole Hormone Gastrin) Polyamine β2-Mikroglobulin Spurenelemente Mittelmoleküle (PTH, Viele urämische Zeichen resultieren schlussendlich von metabolischen Störungen, die aber nicht mehr als rein toxisch betrachtet werden können. Fast alle endokrinen und enzymatischen Systeme des Körpers werden durch die Urämie gestört und ihre globale Dysfunktion erklärt am ehesten die klinische Manifestation der Urämie. Ungenügende Synthese von Erythropoetin mit resultierender Anämie, erniedrigte 1αHydroxylierung von Vitamin D mit Störung des Kalziumstoffwechels und Insulinresistenz mit entsprechender Hyperglykämie sind Beispiele von solchen endokrinen- metabolischen Störungen. Weiter haben Ernährungs- und Hydratationsimbalanzen auch schwerwiegende klinische Folgen. Neuere Untersuchungen haben sogar eine bedeutende Rolle für die Entzündung in der Pathophysiologie der Urämie gezeigt. 30 Damit sollte das urämische Syndrom jetzt „neu“ als ein toxischmetabolisch- endokrin- entzündliches Syndrom mit entsprechenden vielfältigen systemischen Manifestationen betrachtet werden (Tabelle 2). Diese globale Betrachtungsweise ist dementsprechend für eine korrekte (globale) Behandlung der Urämie wichtig. B. Stadium und Grad der CNE Tiere mit CNE zeigen ein breites Spektrum von klinischen Erscheinungen und haben damit auch sehr unterschiedliche therapeutische Bedürfnisse. Deshalb ist es wichtig, die Nomenklatur von einer solchen Erkrankung zu standardisieren. Idealerweise wären die verschiedenen Stadien aufgrund einer genau gemessenen GFR definiert. Leider wird eine solche Messung nicht routinemässig durchgeführt und die Stadien werden aufgrund der Serum - Kreatinin Konzentration definiert (Tabelle 3). Die zwei wichtigsten prognostischen Parameter für die Progression der CNE sind das Vorhandensein von Proteinurie und Hypertension und diese werden entsprechend für die Definition von Substadien berücksichtigt. Tabelle 2: Klinische Manifestationen des urämischen Syndroms Neurologisch Zentral Apathie, Schläfrigkeit, Stupor, Koma Verlust der sozialen Interaktion Epilepsieanfälle Desorientierung Peripher Muskelschwäche Neuropathie Gastrointestinal Anorexie Nausea, Erbrechen Stomatitis, Gingivitis, Foetor ex ore Gastritis, Enteritis, Colitis Gastroduodenale Ulcera Pankreatitis Respiratorisch Lungenoedem Urämische Pneumonitis Kardiovaskulär Arterielle Hypertension Arrhythmien Myokarditis Orthopädisch Renale Osteodystrophie Metastatische Verkalkungen Wachstumsverzögerung Hämatologisch / Immunologisch Anämie Thrombozytopathie Abnormale Leukozytenfunktion (Immunodefizienz) Wasser, Elektrolyten, Säure-Basen Hypokaliämie, Hyperkaliämie Metabolische Azidose Endokrinologisch Hyperparathyreoidismus Erythropoietinmangel Hypergastrinämie Kohlenhydratintoleranz (Insulinresistanz) Infertilität, Libidoverlust Dermatologisch Dystrophische Verkalkungen Ophthalmologisch Hypertensive Retinopathie 31 Tabelle 3: IRIS Staging System für Hunde und Katzen mit chronischer Nierenerkrankung (International Renal Interest Society, 2004) Hauptstadien I nicht azotämisch Hund Katze < 125 Kreatinin (μmol/l) < 140 (mit chronischer Nierenerkrankung) II III IV leichtgradige renale Azotämie mittelgradige renale Azotämie hochgradige renale Azotämie Substadien (Proteinurie) NP nicht proteinurisch GP grenzwertig proteinurisch P proteinurisch Substadien (Hypertension) NH nicht hypertensiv GH grenzwertig hypertensiv 125-180 181-440 > 440 140-250 251-440 >440 UPC < 0.2 0.2-0.5 > 0.5 < 0.2 0.2-0.4 > 0.4 SBD < 150 150-179 (mmHg) (keine extrarenale Evidenz von HT) Hk hypertensiv mit Komplikationen > 150 (mit extrarenaler Evidenz von HT) Hnk hypertensiv ohne Komplikationen > 180 (ohne extrarenale Evidenz von HT) HNB Hypertension nicht bestimmt BD nicht gemessen Abk.: UPC, Protein : Kreatinin Verhältnis im Harn; SBD, systolischer Blutdruck; HT, Hypertension Beispiel: Katze mit chronischer, stabiler, renaler Azotämie, Kreatinin 220 μmol/l, UPC 1.5, arterieller Blutdruck 158/95 (122) mmHg ohne hypertensive Manifestation (Augen, Neuro, kardiologisch). Interpretation: CNE Stadium II-P-GH, d.h. milde renale Azotämie mit Proteinurie und grenzwertiger Hypertension. 32 C. Klinische Folgen einer CNE spezifische Problemliste Das Herstellen einer spezifischen Problemliste für Patienten mit CNE ist für das Langzeit Management dieser Tiere sehr wichtig. Dabei sollten alle potentielle Folgen und Komplikationen der CNE spezifisch evaluiert werden. Eine Standard Checkliste (Tabelle 4) kann dieses Vorgehen vereinfachen. Tabelle 4. Problemliste von Tieren mit chronischer Nierenerkrankung Azotämie, urämische Symptomatik Gastrointestinale Störungen Anorexie, Katabolismus Malnutrition Hydratation Arterielle Hypertension Anämie Hyperphosphatämie, 2° renaler Hyperparathyreoidismus Metabolische Azidose Elektrolyten Imbalanzen (u.a. Hypokaliämie) Proteinurie Harnwegsinfektionen Natürliche Progression der CNE Weitere (Koagulopathie, neuromuskuläre Störungen, Schmerz) Medikamente (Dosierung, Interaktionen) D. Diagnostisches Vorgehen Um Tiere mit CNE korrekt zu evaluieren, muss ein Minimum an diagnostischen Tests durchgeführt werden. Diese minimale diagnostische Anforderung ist sicher dem einzelnen Tier anzupassen. Mit einer gründlichen Anamnese sollte u.a. versucht werden, die eigentliche Sicht des Besitzers über die Krankheit und die Lebensqualität des Tieres zu beurteilen. Bei der klinischen Untersuchung werden u.a. den Ernährungszustand und die Hydratation genauer bestimmt. Der Blutdruck sollte bei diesen Tieren auch routinemässig gemessen werden. Routine Laboruntersuchungen wie Hämatologie, Blutchemie, Harnuntersuchung werden i.d.R. mit einem Protein : Kreatinin Verhältnis des Harns sowie eine Harnkultur ergänzt. Bei spezifischen Fragestellungen werden weitere Teste eingesetzt wie Blutgasanalyse, Messung der PTH Konzentration, usw. Bildgebende Verfahren (Abdomenröntgen und ultraschall) haben v.a. bei der initialen Diagnose eine bedeutende Rolle für die genauere Charakterisierung der Krankheit. E. Behandlung Tiere in CNE Stadien I und II sollten noch weitgehend asymptomatisch sein und brauchen deshalb keine Therapie der Urämie. Die therapeutischen Massnahmen sollten bei diesen Tieren v.a. auf die Verlangsamung der Progression gerichtet werden. Im Stadium III werden die Tiere zunehmend symptomatisch. Sie sollten aber mit medikamenteller Therapie weitgehend kontrollierbar sein. Im Stadium IV wird die Kontrolle zunehmend schwieriger und die Grenze der Behandlung liegt oft in einer Kombination von Machbarkeit (wie weit wollen die Besitzer gehen? was sind sie bereit dafür zu machen?) und der Toleranz des Tieres für die Urämie. Diese Toleranz ist sehr individuell und kann kaum geschätzt werden. Grundsätzlich tolerieren junge Tiere mit kongenitaler Nierenerkrankungen die Urämie deutlich besser als ältere Tiere. Eine langsame Progression wird auch besser ertragen als eine schnelle Verschlechterung der CNE. Grundsätzlich gibt es viele Therapie Optionen (Tabelle 5) für Hunde und Katzen mit CNE und die Besitzer sind oft sehr gut informiert (Internet...). Für gewisse Besitzer hört eine tolerierbare Therapie mit der Verabreichung von einer Tablette pro Tag auf, andere sind bereit bis zur Nierentransplantation zu gehen. Es ist wichtig zu realisieren, dass die Besitzer selber diese Entscheidung nehmen müssen. 33 Wir können sie nur mit objektiven Informationen über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten beraten. Die meisten Problem, die wir in dieser Hinsicht bekommen, kommen von einer ungenügenden Besitzerinformation: „sie haben mir nie gesagt, dass man auch Flüssigkeitsinjektionen machen kann...“ Proteinreduktion, Phosphorreduktion, Natriumreduktion und Alkalinisierung sind wichtige Eigenschaften von solchen Diäten. Die diätetische Therapie sollte aber nicht auf die Preskription einer Diät reduziert werden. Genauso wichtig sind die Hilfe bei der Umstellung, die Kontrolle der Verabreichung und das Monitoring der eigentlichen Resultate dieser Therapie. Tabelle 5. Hauptschritte der Therapie von CNE bei Kleintieren und empfohlener Beginn: Gastrointestinalstörungen und Anorexie sind häufige und wiederkehrende Probleme in der Behandlung von Tieren mit CNE. Ihre Therapie erfolgt symptomatisch und v.a. durch Verbesserung der verschiedenen metabolischen Entgleisungen (Anämie, metabolische Azidose, Hyperphosphatämie...). Medikamentennebenwirkungen sollten dabei auch berücksichtigt werden. • • • • • • • Diät Stadium I – II Beeinflussung der Progression Stadium I – II Pharmazeutische Beeinflussung der metabolischen Entgleisungen Stadium II - III Subkutane Flüssigkeit Stadium III - IV Ernährungssonde Stadium III - IV EPO Therapie für die Anämie Stadium IV Nierentransplantation spätes Stadium IV Diätetische Massnahmen haben zwei Hauptziele: eine langsamere Progression und eine bessere Toleranz der Niereninsuffizienz. Bei der frühen Erkrankung wurde jetzt gezeigt, dass bei Umstellung auf eine so genannte Nierendiät die Lebenserwartung von Hunden mit CNE deutlich verlängert wird. Die eigentliche diätetische Manipulation (Proteingehalt, Phosphorreduktion, Natriumreduktion...), die diese Verlangsamung der Progression verursacht, ist noch nicht bekannt. Es ist auch nicht klar ab welchem Stadium der CNE eine “Nierendiät” empfohlen werden sollte, wahrscheinlich ab Stadium II, ev. sogar ab Stadium I. In fortgeschrittenen Stadien (III-IV) mit Einsetzen der urämischen Symptomatik bekommt die diätetische Therapie ein ganz anderes Ziel mit der Reduktion der urämischen Manifestation. 34 Subklinische Dehydrierung kommt bei der Katze mit CNE häufig vor. Sie kann sich sehr unspezifisch als Anorexie und Apathie äussern; häufig sind diese Katzen wegen Wasserkonservierung im GI Trakt obstipiert. Diätwechsel auf Feuchtfutter und in späteren Stadien der Einsatz von subkutanen Infusionen durch die Besitzer (zu Hause) kann den klinischen Zustand stark verbessern. Als Alternative können Oesophagostomie Ernährungssonden eingesetzt werden und für Wasser, Futter und Medikamentenverabreichung gebraucht werden. Bei arterieller Hypertension wird die Therapie wie folgt gestaltet. Wenn SBP > 180 mmHg: Kalziumantagonist (Amlodipin): Hund: 0.2-1 mg/kg q24h PO Katze: 0.625 – 1.25 mg/Katze q24h PO Wenn SBP 140 - 180 mmHg: ACE Hemmer (Benazepril, Enalapril) Wenn Amlodipin gebraucht wird, sollte immer versucht werden, Amlodipin mit einem ACE Hemmer zu kombinieren (Renoprotektion). Für die Therapie der Anämie stehen grundsätzlich nur 2 Optionen zur Verfügung: Transfusionen oder Erythropoetininjektionen (EPO). Transfusionen können nur für kurze Zeit angewendet werden und die transfundierten Erythrozyten überleben nicht sehr lange in urämischen Tieren, was fast wöchentliche Transfusionen erfordert. Erythropoietin ist sehr effizient für die Korrektur der Anämie der CNE aber es gibt keine Tierpräparate zur Verfügung. D.h. es muss rekombinantes humanes EPO eingesetzt werden, mit Risiko von Antikörperbildung in 30% der behandelten Tiere (fremdes Protein). Bei einer solchen Reaktion fällt das Hämatokrit katastrophal ab und diese Tiere sind auf Transfusionen angewiesen (die gebildeten Antikörper kreuzreagieren mit dem wenigen restlichen EPO, dass noch vom kranken Tier produziert wird). Dosierung: rhu-EPO (z.B. Epogen®) 100 U/kg 3x/Woche SQ. Diese Dosis muss aufgrund von seriellen Hkt-Messungen angepasst werden. Alternative: Aranesp®: modifiziertes rhuEPO mit längerer Halbwertszeit; es wird nur 1x pro Woche injiziert; kleinere Antigenmenge! Bei EPO Therapie muss auf genügender Eisenzufuhr geachtet werden. Eisen sollte als Eisen Dextran (10 mg/kg IM alle 3-4 Wochen) injiziert werden. Kontrolle der Hyperphosphatämie und des renalen Hyperparathyreoidismus wird im Prinzip über diätetische Phosphatrestriktion, Verabreichung von intestinalen P-Bindern, und z.T. von Kalzitriol (aktives Vit. D – vermindert PTH Produktion) erreicht. Metabolische Azidose wird i.d.R. mit oraler Zugabe von Natrium Bikarbonat kontrolliert. Als Alternative, v.a. bei Hypokaliämie, kann Kalium Zitrat eingesetzt werden. Sehr wichtig bei der Behandlung der CNE ist eine vernünftige Prioritisierung der Therapie. Nur wenige Besitzer sind bereit von einem Tag auf dem anderen mehrere Medikamente ihren Tieren zu verabreichen. Das Risiko ist dabei sehr gross, dass die Compliance leidet und dass die Tiere schlussendlich gar keine Medikamente bekommen. F. Progression Die natürliche Progression von CNE kann nicht immer vermieden werden. Maladaptive Kompensationsmechanismen für den existierenden Funktionsverlust sind dafür verantwortlich, dass die restliche Funktion progressiv verloren geht. Wahrscheinlich ist der Hauptmechanismus dafür einer glomeruläre Hypertrophie mit resultierender Hyperfiltration und glomerulärer Hypertension. Dieser erhöhte intraglomeruläre Druck wird u.a. durch Konstriktion der efferenten Arteriole (Angiotensin), durch Dilatation der afferenten Arteriole (Prostaglandine), durch systemische Hypertension und durch Verlust der renalen Autoregulation erreicht. Er kann als sinnvolle akute Kompensation betrachtet werden (erhöhte GFR der einzelnen Nephronen) aber auf Kosten von chronischen irreversiblen Schäden (progressive Fibrosierung und Glomerulosklerose). Deshalb wird versucht mit diätetischen und medikamentellen Massnahmen, die glomeruläre Hämodynamik wieder zu normalisieren und diese Kompensationsmechanismen zu dämpfen. Massnahmen zur Verlangsamung der Progression von CNE: Diät: Nierendiät, n-3 essentielle Fettsäuren ACE Hemmer: Enalapril, Benazepril Kalzitriol (beim Hund) Beim Einsatz von ACE Hemmern muss v.a. auf die seltene Möglichkeit einer akuten Dekompensation geachtet werden. Die renale Kompensation wird gehemmt, der intraglomeruläre Druck sinkt und die GFR kann sinken. Ein progressiver Beginn der Therapie (zuerst ½ Dosis für eine Woche) und regelmässige Kontrollen der Azotämie (schon 3 und 7 Tagen nach 35 Therapiebeginn; ein Anstieg von max. 2030% der Kreatininkonzentration wird dabei auf kurzer Zeit toleriert) sind besonders wichtig bei Tieren mit vorbestehender Azotämie. Im Stadium IV ist der Gewinn dieser Therapie wahrscheinlich nicht mehr so klar, dafür das Risiko einer akuten Dekompensation grösser. Wenn überhaupt noch gebraucht bei diesen Tieren, muss die Therapieüberwachung sehr eng gestellt werden. Kalzitriol wird eingesetzt, um der renale Hyperparathyreoidismus zu hemmen (negativer Feedback auf PTH Produktion). Eine sinnvolle und vorsichtige Therapie braucht aber entsprechende Nachkontrollen von P, Ca und PTH. Die einzelnen Schritte dieser Therapie sind die folgenden: Normalisierung von Plasma Phosphat vor Therapiebeginn Initiale Dosis Kalzitriol: 2.5 – 3.5 ng/kg/Tag PO Dosisanpassungen aufgrund von seriellen P, Ca und PTH. G. Prognose Die Prognose ist bei Tieren mit CNE sehr variabel. Gewisse Tiere tolerieren die 36 Urämie sehr gut und bleiben erstaunlich asymptomatisch und andere leiden schon bei leicht- bis mittelgradig erhöhten Nierenwerten. Katzen zeigen oft eine langsamere Progression und eine bessere Toleranz für Urämie als Hunde. Z.B. haben Katzen (CNE Stadien II und III) in einer Studie 1-3 Jahre überlebt. In einer anderen Studie haben Hunde (CNE Stadium III) 6-12 Monate überlebt. Sowohl für die Prognose wir für die Therapie müssen Tiere mit CNE individuell betrachtet werden. Jede Tier/Besitzer/Krankheit Kombination ist anders und muss entsprechend individuell beurteilt und behandelt werden. Literatur: 1. Polzin DA. Chronische Nierenerkrankung. In: Ettinger SJ and Feldman EC (Eds) Textbook on Veterinary Internal Medicine. Elsevier Saunders, St Louis, 6th edition 2004; p. xx. 2. IRIS Website http://www.iriskidney.com/index.shtml Nephrotomie, Nephrektomie und Biopsieentnahme – die Niere aus chirurgischer Sicht Cetina Thiel, Martin Kramer 1) Chirurgische Prinzipien im Bereich des Harntraktes 2) Erkrankungen der Niere (Chirurgie) Der vorsichtige Umgang mit dem Gewebe führt zur Reduzierung der Ödembildung und intraoperativer Gewebeschädigung („gentle tissue handling“). Es muss feines, qualitativ hochwertiges Instrumentarium verwendet werden. Inzisionen werden mittels Skalpell durchgeführt, da dies nur zu einem minimalen Gewebetrauma führt. Das Elektroskalpell ermöglicht die gleichzeitige Blutstillung durch Koagulierung kleiner Blutgefäße. Die Fixierung der Niere während des operativen Eingriffes erfolgt schonend mit Zeigefinger und Daumen des Assistenten. Grobe Fassinstrumente mit starken Backen werden nicht eingesetzt¹. Im Falle der Nephrotomie wird der temporäre Gefäßverschluss durch digitalen Druck erreicht, hier dürfen keine Klemmen verwendet werden, da sie die Gefäßwand irreparabel schädigen können. Das verwendete Fadenmaterial sollte mindestens so kräftig sein wie das zu nähende Gewebe. Nichtresorbierbares Fadenmaterial wird im Bereich des Harntraktes grundsätzlich nicht verwendet, da es als Nidus zur Konkrementbildung dient. Verwendete Fadenstärken im Bereich des Harntraktes liegen zwischen 4-0 und 6-0. Es kann polyfiles und monofiles Nahtmaterial verwendet werden. Zu bedenken ist, dass der Kontakt mit Urin zu einer schnelleren Abnahme der Reißfestigkeit und Abbau des verwendeten Fadens führen kann. Monofiles Nahtmaterial setzt weniger Schäden im Gewebe, ist stabiler und zeigt weniger bakterielle Adhäsion und ist daher auch bei infiziertem Urin einsetzbar (polyfiles Nahtmaterial ist hier kontraindiziert). a) Trauma Die meisten Verletzungen der Niere bei Hund und Katze sind das Resultat von Autounfällen. Eine Lazeration des Nierengewebes oder der renalen Blutgefäßversorgung führt zur Bildung eines perirenalen Hämatoms². Kommt es zur Ruptur der abdominalen Muskulatur, so kann die Niere subkutan verlagert sein und ihre Funktion trotzdem weiter erfüllen³. Die Verletzung des Nierenparenchyms kann unterschiedliche Ausmaße annehmen. Leichte subkapsuläre Blutungen mit temporärer Hämaturie bis hin zur massiven Schädigung des Nierengewebes mit anschließenden starken Blutungen, Schock und Tod des Patienten können die Folge eines stumpfen Traumas sein. Bleibt das Peritoneum intakt, so kann das sich ausbreitende Hämatom zu einer Schwellung in der Flanke und lokalem Schmerz führen (retroperitoneale Blutung). Reißt das Peritoneum ein, kommt es zu Blutungen in die Abdominalhöhle (Hämascos)4. Eine pararenale Ansammlung von Urin entsteht, wenn neben der Verletzung des renalen Parenchyms die harnableitenden Wege betroffen sind (pararenale Pseudozyste, Urinom). Die Diagnose eines Nierentraumas basiert auf anamnestischen, klinischen, labordiagnostischen und bildgebenden (zunächst Röntgen und Ultraschall, evtl. Ausscheidungsurographie) Befunden sowie Ergebnissen einer eventuellen Probelaparotomie. Die therapeutischen Ziele hinsichtlich der Behandlung renaler Traumata sind die Kontrolle von Blutungen, die Exzision 37 devitalisierten Gewebes oder die Reparatur verletzter Strukturen. Bei schweren, einseitigen Nierentraumen ist eine Nephrektomie in den meisten Fällen die beste Lösung. Große Sorgfalt und Vorsicht ist notwendig, um intra- und postoperative Blutungen zu vermeiden. Beschränkt sich die Verletzung der Niere nur auf einen Pol, so könnte eine partielle Nephrektomie durchgeführt werden. In komplizierten Fällen ist eine unterstützende Therapie vor einem operativen Eingriff notwendig (z.B. Plasmaexpander, Blut). Durch die geschützte Lage der Nieren im retroperitonealen Raum sind Nierenverletzungen relativ selten. Die durch den retroperitonealen Druck selbst limitierende Blutung kann häufig konservativ behandelt werden. b) Idiopathische Hämaturie Eine Hämaturie kann die Folge eines renalen Traumas, Infektionen, Konkremente, Neoplasie oder Koagulopathie sein, sie tritt jedoch auch ohne ursächlichen Grund auf und wird dann als idiopathische Hämaturie bezeichnet. In der Literatur sind nur wenige Fälle idiopathischer Hämaturie beschrieben 5,6,7. In einigen dieser Fälle zeigte sich die Blutung als lebensbedrohlich. Die Blutung kann aber auch zur Bildung eines Hämatompfropfs in den ableitenden Harnwegen und damit zur Obstruktion bis hin zur Hydronephrose führen. In der Humanmedizin ist die Diagnostik der Wahl die Ureteroskopie8, ein Verfahren, dass beim Kleintier schwierig ist und nur bei großen Hunden durchgeführt werden kann. Die Quelle der Blutung (linke/ rechte Niere) kann am Besten mittels Zystoskopie ermittelt werden. Nicht alle Hunde mit idiopathischer Hämaturie benötigen einen chirurgischen Eingriff. Der Entschluss zur unilateralen Nephrektomie stellt sich nach rezidivierenden, mittelgradigen bis schweren Blutungen, die selbst auf Bluttransfusionen keine Besserung zeigen, 38 vorausgesetzt die kontralaterale Niere ist voll funktionsfähig. In den beschriebenen Fällen kommt es nach unilateraler Nephrektomie bei unilateraler Hämaturie in der Regel zur Heilung der Patienten9. Jennings et al. (1992) beschreiben jedoch den Fall eines Hundes, der nach idiopathischer Hämaturie und unilateraler Nephrektomie nach 3 Monaten ein Rezidiv mit Einblutungen in das Nierenbecken und Ureter der kontralateralen Niere zeigte und verstarb7. c) Nephrolithiasis Renale Konkremente, die für den Patienten klinisch relevant sind, treten bei Hund und Katze deutlich weniger häufig auf als Blasensteine. Nur ca. 4% aller Harnsteine beim Hund finden sich in der Niere¹º. Bei der Katze ist in den letzten Jahren ein Ansteigen der Häufigkeit von Nieren oder Uretersteinen zu verzeichnen, eventuell als Folge veränderter Fütterungs- und Behandlungsmodalitäten (Diäten zur Reduktion von Struvitsteinen)¹¹. Häufig sind Kalziumoxalatsteine, die sich oft nicht sehr erfolgreich diätetisch/konservativ behandeln lassen. Nierensteine bestehen beim Hund zu ca. 40 % aus Oxalat, ca. 33 % sind Struvitsteine¹². Klinisch sind Nierensteine oft unauffällig und Zufallsbefunde. Jedoch können sie auch zu Depression, Anorexie, Hämaturie und Flankenschmerz führen. Große, eventuell bilateral gelegene Steine können die Nierenfunktion beeinträchtigen und bis zum Nierenversagen mit Urämie und Hydronephrose führen. In den Ureter abgeschwemmte Kalkuli können zur partiellen oder kompletten Obstruktion des Ureters mit anschließendem Rückstau in die Niere (Hydronephrose, Sackniere) führen. Ihre Behandlung ist abhängig von der Zusammensetzung und den klinischen Auswirkungen. Nicht alle Nephrolithen benötigen eine chirurgische Intervention. Im Falle von Obstruktionen oder rezidivierenden Infektionen ist die chirurgische Entfernung angezeigt. Manche Struvitsteine können medikamentell aufgelöst werden. Die Dringlichkeit einer Operation wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Entfernung von Nierensteinen aus Nieren mit verminderter Funktion kann das weitere Verschlechtern der Funktionsfähigkeit verhindern. Manche Autoren raten erst im Fall einer Obstruktion zur Operation. Andere sehen jedes Konkrement als potentiell obstruierendes Material an und erwägen eine sofortige Operation. Sind beide Nieren betroffen so kann es zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen. Auf der anderen Seite sind viele Nierensteine Zufallsbefunde, die jahrelang nicht zu klinischen Problemen führen. Die chirurgische Entfernung solcher Konkremente erfolgt in der Regel nach Nephrotomie oder Ureterotomie. Alternativ ist die so genannte Lithotripsie (Schockwellentherapie) beschrieben13,14. d) Hydronephrose Hierbei handelt es sich um eine progressive Dilatation des Nierenbeckens und begleitender Atrophie des renalen Parenchyms. Die häufigste Ursache sind ureterale Obstruktionen mit nachfolgendem Rückstau in die Niere. Liegt die Erkrankung beiderseits vor, stirbt der Patient in der Regel bevor es zu größeren Druckatrophien des Parenchyms kommt. Ist die Obstruktion unilateral, so kann die Atrophie des Nierenparenchyms solche Ausmaße annehmen, dass nur noch eine uringefüllte Hülle übrig bleibt (Sackniere). Wird die Obstruktion innerhalb einer Woche beseitigt, ist der Schaden nicht selten reversibel. Es wird eine Wiederkehr der Nierenfunktion bis zu 25 % nach totaler, 4-wöchiger Obstruktion des Ureters beschrieben. Jedoch kann es auch zum kompletten Verlust der Nierenfunktion der betroffenen Seite kommen15. Ursachen für den Rückstau können kongenitale Erkrankungen sein (z.B. ektopischer Ureter), Neoplasien, Konkremente, Abszesse, Traumata oder iatrogen bedingte Verletzungen in Frage kommen. Klinisch zeigt sich eine einseitige Hydronephrose oft zunächst als abdominale Zubildung. Die Diagnose wird radiologisch bzw. mittels Ultraschall gestellt. Die Funktionsfähigkeit der betroffenen Niere wird mittels Ausscheidungsurographie eruiert. Die chirurgische Therapie beinhaltet die Entfernung der auslösenden Ursache, im Fall einer funktionslosen Niere bzw. Sackniere die unilaterale Nephrektomie. e) Renale Neoplasien Eine weite Bandbreite von unterschiedlichen renalen Tumoren wird beschrieben. Benigne Tumoren werden bei Hund und Katze seltener beobachtet als maligne und treten vor allem bei älteren Patienten auf. Der häufigste benigne Tumor ist das renale Adenom. Andere gutartige Neoplasien sind Hämangiome, Papillome, Lipome oder Fibrome16,17. Bei den malignen Tumoren ist das tubuläre Nierenzellkarzinom die häufigste primäre Neoplasie beim Hund. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu und ist bei männlichen Tieren höher. Auch bilateral tritt dieser Tumor auf. Andere maligne Tumoren der Niere sind Zystadenokarzinome (DSH !), Übergangepithelkarzinome und Plattenepithelkarzinome (seltener als in der Blase), Nephroblastome (jüngere Tiere), Fibrosarkome, Hämangiosarkome, Osteosarkome oder Metastasen anderer maligner Tumoren18, 19. Der häufigste Tumor der Niere bei der Katze ist das maligne Lymphom mit ca. 30 % bilateralem Vorkommen²º. Die Therapie solcher renalen Neoplasien basiert auf einem Tumorstaging (Thoraxröntgen, Ultraschall Abdomen, Biopsie Lymphknoten/ Organe) und einer explorativen Laparotomie. Werden keine Hinweise auf Metastasierung gefunden und zeigt die kontralaterale Niere normale Funktion, dann ist die Nephrektomie inklusive Ureter angezeigt. Die Prognose ist abhängig vom Tumortyp und dessen biologischem Verhalten sowie dem Vorhandensein von Metastasen. Da jedoch die frühe Diagnose oft die Ausnahme bleibt und Metastasen in vielen Fällen bereits vorliegen, ist die Prognose häufig schlecht. Mittlere Überlebenszeiten bei Karzinomen werden mit 7-11 Monaten angegeben²¹. 39 3) Operationen an der Nephrotomie/partielle Nephrektomie/Nephrektomie Niere: Die Nephrotomie wird durchgeführt, um z.B. Steine aus dem Nierenbecken zu entfernen. Sie wird selten durchgeführt. Die V. und A. renalis werden digital vorübergehend komprimiert. Bei der so genannten bisektionellen Nephrotomie wird eine longitudinale, sagittale Inzision durch die konvexe Oberfläche der Niere angelegt. Die Länge der Inzision wird nur so weit angelegt, dass die Steine entfernt werden können. Die Inzision mit dem Skalpell ist am schonendsten für das Gewebe. Vorhandene Steine werden entfernt. Nach Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung wird die Nephrotomiestelle durch Aneinanderpressen der beiden Nierenhälften verschlossen. In der Regel kommt so die Blutung nach ca. 5 min. zum Stillstand und das Koagel „klebt“ die beiden Nierenhälften zusammen. Die Kapsel und das oberflächliche Parenchym werden im Anschluss mit resorbierbarem Nahtmaterial (3,0; 4,0) einfach fortlaufend verschlossen. Intra- und postoperativ werden intravenöse Infusionen verabreicht, um die Diurese zu gewährleisten. Im Anschluss an die Nephrotomie kann es einige Tage zu Hämaturie kommen. Der Effekt einer Nephrotomie auf die Nierenfunktion wurde an klinisch gesunden Katze getestet. Es kommt zu einer moderaten Erniedrigung der Nierenfunktion der operierten Seite ohne Beeinträchtigung der totalen Glomerulären Filtrationsrate²². Eine Studie von Stone et al. (2002) bezeichnet die bisektionelle Nephrotomie als Methode der Wahl beim Hund und fand keine Beeinträchtigung der Glomerulären Filtrationsrate²³. Indikationen für eine Nephrektomie beim Kleintier sind u.a. Konkremente, Zubildungen, chronische Pyelonephritiden, schwere Hydronephrosen oder renale Hypoplasie mit ektopischem Ureter. Bei 40 der Nephrektomie wird die entsprechende Niere samt zugehörigem Ureter entfernt. Die Funktion der kontralateralen Niere muss vor einer Operation abgeklärt sein. In der Literatur wird eine normale Nierenfunktion der verbliebenen Niere nach unilateraler Nephrektomie bei 16 Katzen nach 2-5 Jahren beschrieben24. Die zu entfernende Niere wird nach Zugang zum Abdomen in der Linea alba aus ihrer sublumbalen Lage (Fett, Peritoneum) herausgelöst. Die arterielle Zufuhr wird doppelt ligiert, sowie die V. renalis per Ligatur verschlossen. Anschließend wird der Ureter nach kaudal hin frei präpariert und in der Nähe der Blaseneinmündung doppelt ligiert und abgesetzt. Intra- und postoperative Komplikationen sind in der Regel nicht schwerwiegend 25. Die partielle Nephrektomie wird selten durchgeführt. Die häufigsten Indikationen sind traumatische Verletzungen. Nach digitaler Kompression der A. und V. renalis wird die Kapsel über dem zu entfernenden Nierenparenchym abgezogen und das geschädigte Gewebe entfernt. Das Nierenbecken und die Divertikula werden einfach fortlaufend verschlossen. Nach Lösen der Gefäßokklusion werden blutende, parenchymatöse Gefäße ligiert. In seltenen Fällen kann die Kapsel wieder über der Resektionsstelle verschlossen werden. Ist dies nicht möglich, so kann Omentum oder die Serosa einer Dünndarmschlinge (serosal patching) aufgenäht werden. 4) Biopsie Es werden verschiedene Formen der Biopsieentnahme in der Veterinärmedizin beschrieben. Man unterscheidet die so genannten perkutanen Biopsien (ultraschall-gezielt oder mittels Palpation bei der Katze) sowie die so genannte „Keyhole Technik“26. Hierbei wird über eine kleine Inzision die Niere in ihrer retroperitonealen Lage identifiziert und die Biopsienadel nach digitaler Immobilisation der Niere auf eine der Nierenpole zugeführt. Diese Keyhole-Technik wir heutzutage nur noch sehr selten durchgeführt. Der Ultraschall verbessert die Sicherheit perkutan gewonnener Proben. Auch laparoskopisch entnommene oder intraoperativ gewonnene Proben sind möglich. Absolute Kontraindikationen für eine Nadelbiopsie sind Koagulopathien, Unerfahrenheit des Tierarztes und unzureichendes Equipment27. In der Literatur werden Komplikationsraten bei Nierenbiopsien von 13,4 % der Hunde und 18,5 % der Katzen beschrieben28. Die häufigste Komplikation sind schwerere Blutungen. Auch die mehrfache Entnahme von ultraschallgezielten Biopsien scheint jedoch keine nachteilige Auswirkung auf die Nierenfunktion zu haben29. Im qualitativen Vergleich zwischen ultraschallgezielten und laparoskopisch entnommenen Nierenproben zeigten sich 14-Gauge Nadeln den 18-Gauge Nadeln überlegen, sowie eine qualitative Überlegenheit der laparoskopisch entnommenen Proben³º. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Literaturverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. 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Arzneimittel und Niereninsuffizienz Ernst Petzinger, Daniel Zahner Der Hund und insbesondere die Katze zeigen mit ansteigendem Alter zunehmende Einschränkungen der Nierenfunktion, die sich u.U. zu einer klinisch manifesten Niereninsuffizienz entwickeln. weisen 31% der Nach Müller1 geriatrischen Katzen im Alter von mehr als 8 Jahren (n=3254) einen deutlichen Anstieg des Harnstoffs sowie 20% einen deutlichen Anstieg des Kreatinins auf. Die Wertzunahmen lagen bei mehr als der Hälfte (60-70%) dieser Gruppe zwischen 10% und 100% über Normalwert, jedoch bei 7% bis 10% bei weit über 100%. Auch wenn extrarenale Ursachen ebenfalls zu einer Veränderung des Harnstoff- bzw. Kreatininspiegels führen können, so ist es allgemein anerkannt, dass geriatrische Tiere sehr häufig „Nierenpatienten“ sind. Da die Niere Ausscheidungsorgan zahlreicher Arzneimittel (AMs) ist, andererseits aber Arzneistoffe auch eine besondere Nierentoxizität aufweisen können, muss der Tierarzt (1) zur Erzielung therapeutisch notwendiger Blutspiegel eine Dosisanpassung vornehmen, was in der Regel eine Dosisreduktion bedeutet und (2) die Anwendung von potentiell nierentoxischen AMs unterlassen. In diesem Referat werden Dosisberechnungen infolge Einschränkungen der renalen Elimination vorgestellt sowie Arzneistoffe genannt, deren Anwendung bei vorgeschädigter Niere zu unterlassen ist. Einleitung Arzneimittel werden vom Organismus auf verschiedenen Wegen eliminiert. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen der renalen und der sog. extrarenalen Elimination. Während die renale Elimination der Niere zugeordnet und in vivo aus dem Urin bestimmbar ist, fasst die extrarenale Elimination alle Eliminationsprozesse außerhalb der Niere zusammen; sie wird rechnerisch durch Subtraktion der renalen Elimination von der Gesamtelimination bestimmt. Für den größten Teil der AMs wird die extrarenale Elimination im Wesentlichen durch die hepatische Elimination über die Galle repräsentiert. Hinzu kommen aber auch die AMAusscheidungen über den Schweiß, die Lunge (vor allem von volatilen Anästhetika) sowie die transmucosale Sekretion in den Darmtrakt. Da sich bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz, auch wenn sie nicht klinisch manifest ist, die Clearance von AMs mit renaler Ausscheidung verringert, bzw. sich ihre Halbwertszeit damit verlängert, muss zur Vermeidung einer Kumulation eine Dosis- bzw. Dosisintervallanpassung vorgenommen werden. Dies gilt insbesondere für AMs mit einer geringen therapeutischen Breite wie z.B. für Herzglykoside oder Zytostatika. Beim Menschen kommen die Dosisanpassungen nach Dettli2 und Kunin3 zur Anwendung, die hier auf den Hund übertragen werden sollen. Um eine Dosisanpassung berechnen zu können, muss zunächst die Veränderung in der Eliminationskinetik, die sog. individuelle Eliminationsfraktion (Q), bestimmt werden. 43 Dies ist möglich mit Hilfe Berechnung und Dosisanpassung a) der extrarenalen Eliminations-fraktion des eingesetzten Pharmakons (Q0). Es wird bei dieser Methode angenommen, dass bei Niereninsuffizienz nur der renale Anteil der Elimination verändert ist, während der extrarenale Anteil unverändert bleibt. Auch wenn diese Annahme nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen unter einer Niereninsuffizienz entspricht, da es bei reduzierter renaler Ausscheidung zu kompensatorischer Erhöhung der extrarenalen Elimination kommen kann, kann approximativ Q0 zur Berechnung eingesetzt werden Im Folgenden sollen die Punkte a) und b) genauer erläutert werden: b) der Kreatinin-Clearance (ClKrea). Sie ist ein Maß für die funktionelle Filtrierfähigkeit der Niere, entspricht in hoher Annäherung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und repräsentiert hier die renale Eliminationsfraktion der AM-Ausscheidung. Da sich die renale Clearance eines AMs sehr oft näherungsweise linear zur Kreatinin Clearance verhält (Abb. 1), kann letztere für die Dosisanpassung herangezogen werden. Die Annahme, dass die renale Clearance der AMs der Kreatinin- Clearance folgt, lässt unberücksichtigt, dass etliche AMs wie Schleifendiuretika, ß-Lactamantibiotika oder Aminoglykoside zusätzlich bzw. überwiegend durch tubuläre Sekretion und nicht über das Glomerulum in den Harn abgegeben werden und somit keine exakte lineare Abhängigkeit von der KreatininClearance aufweisen. Jedoch ist die Genauigkeit für die hier vorgestellte Anwendung ausreichend. 44 zu a) Die Gesamtelimination eines Pharmakons ist die Summe aus extrarenaler ( Q0 ) und renaler Eli-mination ( Q - Q0 ). Diese Gesamt-ausscheidung wird als 1 gesetzt, demnach liegt die extrarenale Ausscheidungsfraktion (Q0) zwischen 0 und 1, je nachdem wie hoch der Anteil des AMs ist, der nicht über die Niere ausgeschieden wird. Für AMs, die zum wesentlichen Teil über die Niere ausgeschieden werden, liegt Q0 nahe 0. Findet die Ausscheidung kaum über die Niere statt, so ist Q0 nahe 1. Dieser Q0-Wert stellt für jedes AM und für jede Tierart eine eigene Größe dar. So hat z.B. Gentamicin für den Menschen einen Q0 von 0,02, da es zu 98% renal ausgeschieden wird. Diazepam oder Metamizol werden vom Menschen nicht (im messbaren Bereich) renal ausgeschieden, so dass ihr Q0 als 1 gesetzt wird. Für Digoxin wird beim Menschen ein Q0Wert von 0,3 angegeben, für den Hund lässt sich aus der Literatur4 ein Q0-Wert von 0,55 bestimmen. Diese Beispiele veran-schaulichen, dass sich die Dosisanpassung nicht pauschal über alle AMs festlegen lässt, sondern AM (über Q0) und Patient (über CLKrea) berücksichtigt werden müssen. Problematisch ist es, wenn Q0Daten aus der Humanmedizin ohne Hinterfragung für Tiere übernommen werden. Für die Humanmedizin existieren ausführliche Tabellen über die Q0-Werte zahlreicher AMs. Einige Q0-Werte für den Hund von ausgewählten AMs sind in Tab. 1 aufgeführt. Q = Q0 + (1 − Q0 ) × zu b) Die tatsächliche ClKrea wird im klinischen Alltag selten bestimmt, da diese Bestimmung sehr aufwendig (24hSammelurin) und für die StandardDiagnostik von geringem Wert ist. Für den Menschen wurden von Wright5, Jellife6 und Cockroft und Gault7 Formeln zur Abschätzung der ClKrea entwickelt, von denen sich letztere in der klinischen Anwendung durchsetzte. Nach Cockroft Gault wird die ClKrea nach folgender Formel berechnet: ClKrea[ml/min] = ClKrea ClKrea _ physio log isch Die physiologische ClKrea des Hundes beträgt 3,7 ± 0,8 ml/min/kg10. Bei diesem Verfahren muss aber bedacht werden, dass der Serum-Kreatininwert sich erst dann erhöht, wenn die GFR mehr als 50% unter der Norm liegt. Davor liegt ein sog. Kreatinin-blinder Bereich, der dem Tierarzt mit den ihm zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden verborgen bleibt. 140 − Alter[ Jahren] × (1 − (0,15 × Geschlecht )) 0,814 × Plasma − Kreatinin[ μmol / l ] wobei für das männliche Geschlecht 0 und für das weibliche 1 eingesetzt wird. Diese Formel lässt sich nicht auf die Patienten in der Veterinärmedizin übertragen, da sich Alter und Gewicht bei veterinärmedizinischen Patienten in anderen Größenordnungen bewegen. Zur Abschätzung der ClKrea mussten in der veterinärmedizinischen Praxis daher alternative Schätzmethoden entwickelt werden. Hund wurden zwei leicht voneinander abweichende Formeln ermittelt, durch die sich die renale ClKrea aus der Plasma-Kreatininkonzentration bestimmen lässt8,9: ClKrea[mL / min/ kg ] = 227 × 1 Plasma − Kreatinin[ μmol / L] bzw.: ClKrea[mL / min/ kg ] = 246 × 1 − 0,1 Plasma − Kreatinin[ μmol / L] Für die nierengesunden Patienten gilt: Q = Q0 + (1 − Q0 ) = 1 Zur Berechnung der individuellen Eliminationsfraktion von Patienten mit Niereninsuffizienz wird der Anteil der renalen Elimination entsprechend der Abnahme seiner verringerten KreatininClearance reduziert: Abb.1: Gegenüberstellung von KreatininClearance und renaler DigoxinClearance nierengesunder und azotämischer Hunde. ren.: renal, azot.: azotämisch (Nach 4). Mit der so berechneten individuellen Eliminationsfraktion Q kann nun die Dosisanpassung vorgenommen werden. Hierbei können zwei Prinzipien angewendet werden. Prinzip 1: Anpassung der Einzeldosis Die individuelle Dosis (D) berechnet sich aufgrund der DN für einen nierengesunden Patienten, welche die individuelle Eliminationsfraktion (Q) berücksichtigt. Bei Anwendung dieser Methode erhält der niereninsuffiziente Patient die gleiche Ladungsdosis wie ein gesunder Patient, um die wirksamen Plasmaspiegel zu erreichen. 45 Erst die Folgedosen werden nach der folgenden Formel reduziert: D = DN × Q Prinzip 2: Anpassung des Dosisintervalls Die Akkumulation des AMs kann auch durch Anpassung des Dosisintervalls (τ) an die verlängerte Halbwertszeit (infolge geringerer Nierenausscheidung) verhindert werden. Der Patient erhält die gleiche Dosis wie der nierengesunde Patient, jedoch in einem verlängerten Dosisintervall. τN τ= Q Wobei τN das Dosisintervall für nierengesunde Patienten ist. Die Dosisanpassung nach Dettli2 ist in erster Linie geeignet, Nebenwirkungen durch die veränderte renale Elimination zu verhindern; sie eignet sich aber weniger gut zur Dosisanpassung von Therapeutika, deren klinische Wirkung nicht alleine von konstanten Plasmaspiegeln über einen Zeitraum abhängt sondern von ausreichenden Spitzenspiegeln. Dies gilt besonders für die antimikrobielle Therapie. Insbesondere für Aminoglykosidantibiotika ist bekannt, dass der therapeutische Erfolg vom Erreichen dieser Spitzenspiegel abhängig ist. Bei der Methode nach Kunin3, die als Halbierungsregel bezeichnet wurde, wird die Dosisanpassung nach der veränderten Halbwertszeit des AM vorgenommen. Auch nach Kunin erhält der Patient die gleiche Ladungsdosis wie der nierengesunde Patient aber nach Ablauf der individuellen Halbwertszeit des AMs wird nur die halbe Ladungsdosis verabreicht. Nephrotoxische AMs: Im Folgenden sollen einige AMs aufgeführt werden, deren Anwendung bei niereninsuffizienten Patienten vermieden werden sollte, bzw. für die, falls ihre Anwendung unvermeidbar ist, auf jeden Fall eine Dosisanpassung vorgenommen werden muss. 46 Tab. 1.: Ausgewählte AM und deren Q0Werte für den Hund Wirkstoff Clomipramin Digoxin Estriol Firocoxib Maropitant Medetomidin Tepoxalin Q0 0,8 0,55 1,0 1,0 0,99 0,18 0,99 Quelle EMEA Gierke4 EMEA EMEA EMEA EMEA EMEA 1. Aminoglykosid- Antibiotika Für Aminoglykoside (AGs) ist neben ihrer oto- auch eine nephrotoxische Wirkung bekannt. Das Aminoglykosid Gentamycin verursachte bei Hunden nach Applikation über mehrere Tage Nierenschäden, die sogar zum Tod der behandelten Hunde geführt, bzw. eine Euthanasie notwendig gemacht hatte. Bei den Todesfällen handelt es sich fast ausschließlich um ältere Tiere (≥ 6 Jahre)11. Die selektive Zelltoxizität der AGs für Niere und Innenohr beruht auf ihrer Anreicherung in den betroffenen Geweben durch die relativ hohe Potentaldifferenz der Zellen (Haarzellen des Innenohrs); in der Niere auf einer aktiven transzellulären Sekretion mit hoher Anreicherung in den proximalen Tubuli. Die toxischen Wirkungen korrelieren vor allem mit der Behandlungsdauer und weniger mit der Dosis. Aus diesem Grund ist man bei der Anwendung von Aminoglykosiden davon abgekommen, mehrere kleine Dosen über den Tag zu verteilen; stattdessen ist es sinnvoller, die volle Tagesmenge in einer Dosis zu verabreichen. Da die Aufnahme in die Tubuluszellen ein sättigbarer Vorgang ist, Aminoglykoside aber eine konzentrationsabhängige Bakterizidie aufweisen, erreicht man mit dieser Form der Dosierung eine bessere therapeutische Wirkung bei akzeptabler höherer Patientensicherheit. Darüber hinaus sind die überlebenden Bakterienzellen mehrere Stunden nach der Exposition in ihrem Wachstum gehemmt und zeigen in diesem Zeitraum durch fehlende Proteinbiosynthese eine sog. transitorische Resistenz gegen Aminoglykoside, was eine Applikation in kurzen Intervallen unsinnig macht. Bei den oben erwähnten Todesfällen und Euthanasien nach Gentamicinapplikation handelte es sich überwiegend um ältere Tiere, von denen anzunehmen war, dass ein renales Ausscheidungsdefizit vorlag. Hier wäre eine Dosisreduktion zusätzlich zu Intervallverlängerung angebracht gewesen. 2. Amphotericin B Dieses Antimykotikum wirkt fungistatisch und in höherer Konzentration fungizid. Obwohl es nicht in der Veterinärmedizin zugelassen ist, wird es in Form von Salben oder Cremes topisch gegen zahlreiche Pilzspezies eingesetzt, zumal die Resistenzsituation generell noch keine Probleme bereitet. Es ist ein sehr wirksames Mittel gegen sog. Systemmykosen wie Kryptokokkose, Blastomykose und Histoplasmose und wird auch bei Lymphangitis epizootica eingesetzt. Da es fast wasserunlöslich ist, wird es als injektionsfähiger löslicher Komplex mit einer Gallensäure (NaDeoxycholat) verabreicht. Seine systemische Applikation erfolgt intravenös mehrmals täglich über mehrere Tage. Sie besitzt das größte Potential an toxischen Nebenwirkungen. Diese basieren auf der Einlagerung des Amphotericin B in Zellmembranen, wo es sich an Membransterine anlagert (Ergosterin bei Pilzen, Cholesterin bei Tieren). Dieser Wirkmechanismus verursacht Schäden im gesamten Organismus, die sich schon bei therapeutischen Dosen in Erbrechen und Fieber äußern. Im Vordergrund stehen aber die nephrotoxischen Nebenwirkungen. Beim Hund treten Nierenschäden ab 2 mg/kg KGW auf, wobei die fungistatische Einzeldosis bereits 1 mg/kg beträgt. Um die toxischen Wirkungen zu reduzieren sollte zusätzlich physiologische Kochsalzlösung infundiert werden. 3. Methoxyfluran Das Inhalationsnarkotikum Methoxyfluran verursachte beim Menschen schwere Beeinträchtigungen der Nierenfunktion, die sich initial in einer Polyurie äußern. Als Verursacher wurden Metabolite des Methoxyflurans, nämlich Oxalsäure, aber vor allem Fluoratome, erkannt. Obwohl auch beim Hund vergleichsweise viele Fluoride aus Methoxyfluran abgespalten werden, werden renale Toxizitäten beim Hund weitaus weniger berichtet. Möglicherweise ist die Hundeniere toleranter gegenüber Fluor. Andererseits spielt aber auch die Dauer der Narkose eine Rolle. Auch beim Hund sollten lang anhaltende Anästhesien mit Methoxyfluran vermieden werden. 4. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) Die Autoregulation der GFR durch den glomerulären feedback und das ReninAngiotensin-Aldosteron–System wird u.a. durch Prostaglandine vermittelt. Bei lang andauernder Therapie mit Nichtsteroidalen Antiphlogistika wird die Reninfreisetzung und infolge die Bildung von Angiotensin II herabgesetzt. Vor allem die Wirkung auf den glomerulären feedback führen zu einer Herabsetzung der Nierendurchblutung. Dadurch können NSAIDs ebenfalls die diuretische Wirkung von Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) hemmen. Die verminderte Nierendurchblutung führt zu einer schlechteren Versorgung der Nephrozyten mit Sauerstoff und Energie was bei Langzeittherapie Nierenschäden zur Folge haben kann. Bekannt ist das klinische Bild der sog Phenacetin-Niere, eine chronische interstitielle Nephritis auch mit Papillennekrose, die beim Menschen nach unkontrolliertem Abusus von Paracetamol auftritt. Es ist belanglos, ob es sich um unselektive Cyclooxygenase (COX)-1-Hemmer oder selektive COX-2Hemmer handelt. Auch für die in Bezug auf gastrointestinale Nebenwirkungen besser verträglichen COX 2-spezifischen Coxibe wurden Nierenschäden berichtet. Generell sollte bei bestehender Niereninsuffizienz eine Langzeitapplikation von NSAIDs vermieden werden. 47 5. Zytostatika wie Cisplatin, Doxorubicin und Methotrexat sowie Cyclosporin Zytostatika haben per se ein allgemeines und hohes zelltoxisches Potential. Dies betrifft vor allem kovalent koppelnde Basenalkylantien wie Cisplatin, Chlorambucil und ähnliche aber auch die S-Phasenspezifischen Hemmstoffe wie Methotrexat. Insbesondere nach lang anhaltender Therapie muss mit Nieren- bzw. Leberschäden gerechnet werden. Das Immunsuppressivum Cyclosporin hat signifikant nierentoxische Wirkungen, die in der Humanmedizin aber nur auftreten, wenn es als Therapeutikum nach Transplantationen quasi lebenslang gegeben wird. Die bisher in der Veterinärmedizin zugelassenen topischen Darreichungsformen für das Auge lassen nicht erwarten, dass Nierenschäden auftreten. Ein neuerdings für den Hund zugelassenes Cyclosporin A-Präparat als systemische p.o.-Formulierung für die Langzeittherapie, sollte bei niereninsuffizienten Patienten mit Vorsicht und nur unter Kontrolle der Nierenfunktion angewendet werden. 6. Indirekte nierentoxische Arzneimittelwirkungen Hierbei handelt es sich um immunvermittelte Arzneimittelnebenwirkungen, die in praxi nicht immer klar von den direkt toxischen Wirkungen abzugrenzen sind. Diesen allergischen Erkrankungen ist immer ein mehrfacher AM-Kontakt vorausgegangen, der zur Bildung von Antikörpern und dadurch bei erneuter Anwendung zur Bildung von Immunkomplexen, auch unter Beteiligung von Komplement, führen kann. Diese Komplexe lagern sich in den Glomeruli ab und rufen eine Glomerulo-, eine interstitielle Nephritis oder auch ein nephrotisches Syndrom hervor. Beispiele sind insbesondere Penicilline, DPenicillamin (ein Komplexbildner) sowie organische Quecksilber und Goldverbindungen. Die Ursache der harntreibenden Wirkung der heute obsoleten 48 Quecksilberdiuretika war eine direkte organselektive Nierentoxizität. Eine Typ III-Immunkomplexreaktion bzw. eine zellulär vermittelte Typ IV-Reaktion an der Niere kann wiederum durch Penicilline, Cephalosporine, Allopurinol, Sulfonamide und peripher wirkende Analgetika hervorgerufen werden. Literatur: 1 Müller E: Klinisch-chemische Parameter bei der Katze. Kleintierpraxis 2006; 51(2): 100103. 2 Dettli L: Drug dosage in renal Clin Pharmacokinet disease. 1976;1(2):126-34. 3 Kunin CM: A guide to use of antibiotics in patients with renal disease. A table of recommended doses and factors overning serum levels. Ann Intern Med 1967; 67: 151-158. 4 Gierke KD, Perrier D, Mayersohn M, Marcus FI: Digoxin disposition kinetics in dogs before and during azotemia. J Pharmacol Exp Ther1977; 205(2): 459-464. 6 Jelliffe RW: Creatinine clearance: bedside estimate. Ann Intern Med 1973; 79: 604–605. 5 Wright JG, Boddy AV, Highley M: Estimation of glomerular filtration rate in cancer patients. 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Thierry Francey Wenn die Grenzen der konventionellen Therapie des akuten und des chronischen Nierenversagens erreicht werden, gibt es meistens keine Alternative zur Euthanasie. Die klinische Entwicklung von Nierenersatzverfahren beim Hund und bei der Katze hat für diese Patienten aber neue Türen geöffnet. Beim akuten anurischen Nierenversagen hat man mit konservativer Therapie kaum mehr als 4-5 Tage, um die Harnproduktion wieder in Gang zu setzen, und um eine minimale Ausscheidungsfunktion zu erreichen. Diese Zeit ist aber ungenügend, um die gewaltige Reparaturfähigkeit der Nieren überhaupt auszunützen. Diese Regenerationsprozesse dauern Wochen bis Monate und wir müssen oft viel mehr Zeit überbrücken können. Das chronische Nierenversagen ist meistens progressiv, so dass trotz optimaler diätetischer und medikamentöser Behandlung die Nierenfunktion allmählich verschwindet. Die Patienten müssen mehr und mehr Medikamente einnehmen und ihre Lebensqualität nimmt trotzdem ab. Die Beziehung Heimtier – Besitzer leidet ganz stark daran und die Tiere werden oft relativ früh euthanasiert. Die Nierenfunktion kann grundsätzlich künstlich mittels Dialyse oder duch Transplantation einer homologen Niere ersetzt werden. Die Dialyse ist eine intermittierende pulsatile Behandlung, die das Blut reinigt und exzessive Flüssigkteitsansammlung vom Körper eliminiert. Nach einer Behandlung kommen aber die Schadenstoffe innerhalb 4-5 Tagen wieder zu ihrem ursprünglichen Spiegel. Die Behandlung muss damit regelmässig wiederholt werden. Bei der Tranplantation funktionniert die neue Niere grundsätzlich genau gleich wie eine normale Niere. Der Kampf wird diesmal aber gegen Abstossung durch das Immunsystem gerichtet und die Tiere 52 müssen lebenslang immunosuppressive Medikamente einnehmen und einem strikten Überwachungsprotokoll folgen. A - Dialyse In ihrer klinischen Anwendung ist die Dialyse eine Methode, mit der die Zusammensetzung des Blutes durch Interaktion mit einer künstlichen Lösung (der Dialysat) verändert wird. Das Bauchfell dient als natürliche Membran bei der Peritonealdialyse und künstliche Membranen werden bei der Hämodialyse eingesetzt, um das Blut mit dem Dialysat in engem Kontakt zu bringen. Die physikalischen Prozesse der Diffusion und der Konvektion werden dabei genützt. Bei der Diffusion wandern Moleküle von der Lösung mit höherer Konzentration zur Lösung mit niedrigerer Konzentration entlang ihres Konzentrationsgradienten. Die Menge der übertragenen Moleküle hängt vom Konzentrationsgradienten, von der Diffusionsfähigkeit der Moleküle, von der Durchlässigkeit der trennenden Membran, und von der Kontaktzeit ab. Wenn dazu der hydrostatische Druck auf der einen Seite der Membran höher ist, wird Flüssigkeit durch die Membran gezwängt. Dieser Prinzip wird Konvektion oder Ultrafiltration genannt. Peritonealdialyse und Hämodialyse basieren auf diesen gleichen Grundprinzipien, auch wenn die Membran, die Durchführung und die mechanischen Aspekte ganz untershiedlich sind. Dabei können unerwünschte Substanzen vom Blut entfernt werden: Harnstoff, Kreatinin, Phosphat, z.T. Kalium und viele weitere kleinmolekulare und mittelgrossmolekulare Substanzen (Leptin, Parathormon, β2-Mikroglobulin...). Weitere Moleküle sind beim urämischen Patienten in zu kleiner Konzentration und werden aufgrund des gleichen Prinzips der Diffusion aufgenommen. Das ist z.B. der Fall für Bikarbonat. Viele weitere Substanzen sind aber für das Leben notwendig und dürfen nicht entfernt werden: der Verlust von erwünschten kleinen Molekülen (Natrium, Chlorid, Kalium, Glukose, Kalzium,...) wird durch entsprechend gleicher Konzentration im Dialysat verhindert und der Verlust von Makromolekülen (Proteine, Hormone) und Zellen wird durch die Wahl einer Membran mit adequater Porengrösse verhindert. Damit kann man durch Wahl der richtigen Dialysatzusammensetzung und Dialysemembran die Blutzusammensetzung normalisieren. 1. Hämodialyse Bei der Hämodialyse wird Patientenblut über einen extrakorporalen Kreislauf der künstlichen Niere zugeführt. Die künstliche Niere ermöglicht einen grossflächigen indirekten Kontakt mit dem Dialysat, so dass die obenerwähnten Diffusionsprozesse stattfinden können. Indikationen der Hämodialyse (a) akutes Nierenversagen Akutes Nierenversagen ist sicher die Hauptindikation für Hämodialyse in der Kleintiermedizin. Idealerweise wird die dialytische Therapie sofort eingeleitet, wenn trotz adäquater initialer Behandlung die Patienten anurisch oder oligurisch bleiben, oder wenn die metabolischen und klinischen Symptome der Urämie nicht behandelbar sind. Sehr oft sind weitere Versuche dann kontraproduktiv und erhöhen die Morbidität. In der Tat, ein der grössten Probleme bei diesen Patienten ist hochgradige iatrogene Volumenüberladung mit Pleuralerguss, Lungenödem, und Herzversagen. Längerdauernde schwere Azotämie kann auch zur befürchteten urämischen Pneumonitis oder schweren gastroduodenalen Geschwüren mit Blutungen führen. Initial werden die Patienten für 3-4 Tagen täglich dialysiert, so dass der Harnstoffspiegel allmählich unter 30mMol/L abnimmt. Effizientere Dialyse, obwohl technisch einfacher, würde in dieser Anfangsphase zu grossen Abnahmen in der Osmolarität und damit zu transzellulären Wasserverschiebungen und resultierendem Gehirnödem führen. Später können aber effizientere Erhaltungsprotokolle alle 48 bis 72 Stunden angewendet werden. Die Erholung vom akuten Nierenversagen ist sehr unterschiedlich bei diesen Patienten, die zur konventionellen Therapie refraktär sind. Die Dialyse kann aber bei diesen Tieren eine gute klinische Stabilität bringen. Sie können typischerweise innerhalb weniger Tage aus der Intensivpflegestation kommen, und nach 1-2 Wochen ambulatorsich behandelt werden. (b) chronisches Nierenversagen Eine neuere Anwendung der Hämodialyse ist bei der chronischen Nierenerkrankung (CNE). Hämodialyse muss als Unterstützung der konventionellen medikamentösen und diätetischen Therapie betrachtet werden. Malnutrition, Anämie, Mineralimbalanzen, metabolische Azidose und Bluthochdruck müssen trotzdem behandelt werden. Auf der anderen Seite, mit verlängertem Überleben, werden weitere Aspekte der chronischen Urämie beim Kleintier erkannt: Hyperkaliämie, Flüssigkeitsretention, Osteodystrophie und refraktärer Bluthochdruck. Für diese Indikation ist es besonders wichtig, dass die Tierbesitzer reaslistische Erwartungen haben, da Tiere mit CNE i.d.R. dreimal pro Woche dialysiert werden müssen. (c) akute Vergiftungen Das Prinzip der Dialyse ist ideal geeignet, um kleinmolekulare, wasserlösliche und nicht-proteingebundene Toxine vom Körper zu entfernen. Hämodialyse ist indiziert für die Behandlung von akuten Vergiftungen mit Ethylenglykol (Frostschutzmittel), Methanol, Ethanol, Salizylate, Phenobarbital, Azetaminophen, Aminoglykoside und möglicherweise Metaldehyd. (d) Stabilisierung vor einer Operation Bei hochgradigen Nierenschäden ist oft die Nierentranplantation eine bessere und 53 "günstigere" Alternative zur chronischen Dialyse. Die Hämodialyse bietet aber in diesen Fälle überhaupt die Möglichkeit, diese Patienten bis zur Chirurgie stabil und in guter Kondition zu behalten oder zu bringen. Ein aktiver Transplantprogramm ist ohne assozierte Dialyse kaum denkbar. Als Ureterolithiasis bei der Katze ein zunehmendes Problem wird, werden bilaterale Ureterobstruktionen vermehrt anerkannt. Diese Patienten sind sehr oft in so kritischer Kondition, dass sie die lange erfordete Chirurgie ohne initiale dialytische Stabilisierung gar nie überleben könnten. Komplikationen der Hämodialyse Die häufigsten intradialytischen Komplikationen sind Hypotension, Erbrechen, Zittern, Anfälle und Gerinnung im extrakorporalen System. Die Häufigkeit solcher Komplikationen ist stark von der klinischen Kondition des Patienten abhängig und wiederspieglet auch die hohe technische Schwierigkeit vor allem bei kleinen Patienten. Interdialytische Probleme sind meistens mit dem Katheter verbunden: Sepsis, Gerinnung des Dialysekatheters, Thromboembolien, Gefässstenosen und inadequate Dialyse. Blutungen können wegen systemischer Heparinisierung des Patienten auftreten. 2. Peritonealdialyse Bei der Peritonealdialyse wird der Dialysat in die Bauchhöhle infundiert und nach einer bestimmten Verweildauer davon drainiert. Die Diffusionsprozesse erfolgen durch die feine, grossflächige Peritonealmembran. Diese Membran hat eigentlich bessere Clearanceeigenschaften als die künstlichen Hämodialysemembranen. Mittelgrossmolekulare urämische Toxine (MG 300 – 15'000kDa) können auch geklärt werden, was vor allem für Langzeittherapie ausschlaggebend sein kann. Die technische Durchführung der Peritonealdialyse ist sehr einfach aber extrem aufwendig. Wegen der internen Lokalisierung des Prozesses, ist das 54 Infektionsrisiko vor allem beim Kleintier sehr hoch. Dialyseprotokoll – Bei der manuellen Dialyse wird der körperwarme Dialysat in die Bauchhöhle mittels Gravität infundiert. Nach einer variablen Verweildauer wird der Dialysat drainiert und ein neuer Zyklus wird angefangen. Umso kürzer die Verweildauer, und damit grösser die Anzahl Zyklen pro Zeiteinheit, desto effizienter die Dialyse. Während den ersten 24 Stunden werden typischerweise 60 Minuten-Zyklen gebraucht: 10 Minuten für die Infusion, 30-40 Minuten Verweildauer und 10-20 Minuten Drainage. Hocheffiziente Behandlungen können mittels sehr kurzer Verweildauer (10-20 Min.) erzielt werden. Bei den ersten 10-12 Zyklen werden Volumen von maximal 1520ml/kg infundiert, um Dialysataustritt bei der Katheterinsertionsstelle zu vermeiden. Danach werden die Zyklen progressiv verlängert (3-6h) und das Volumen progressiv erhöht. Die meisten Hunde können bis 30-40 ml/kg ertragen. Intensives Monitoring ist sehr wichtig und sollte gut dokumentiert werden: Zykluszeiten, infundiertes Volumen, drainiertes Volumen, Aussehen des Dialysates, Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Temperatur, ev. Zentralvenendruck. Blutuntersuchungen sollten 1-2 Mal pro Tag durchgeführt werden, um die Behandlung anzupassen und eventuelle Komplikationen früh zu erkennen. Indikationen der Peritonealdialyse Da diese Art von Behandlung sehr zeitund arbeitsintensiv ist, ist diese Therapie meistens zu akutem Nierenversagen mit schnell reversiblen Ursachen, wie Infektionen (Leptospirose) oder Hypoperfusion (post-anästhetische Komplikation) reserviert. Die Anwendung für längere Zeitspannen, obwohl theoretisch möglich, wird kaum angeboten. Komplikationen der Peritonealdialyse Auch wenn der technische Aspekt der Peritonealdialyse ganz einfach ist, sind gravierende Komplikationen so häufig, dass diese Therapiemodalität kaum gebraucht wird. Katheterinfektionen und Peritonitis können fatale Folgen haben und sind sowieso sehr schwierig zu behandeln. Dazu sind Katheterprobleme wie Verstopfung oder ungenügende Drainage sehr häufig bei Behandlungen, die mehr als einen Tag dauern. Diese Tiere leiden entsprechend an starken residuellen urämischen Symptomen wegen mangelnder Effizienz der Therapie. B – Nierentransplantation Die Nierentransplantation ist (mindestens theoretisch) die optimale Nierenersatztherapie. Alle Funktionen der Niere werden dabei wiederhergestellt: die synthetischen, die regulatorischen und die Ausscheidungsfunktionen. So dass es aber nicht zur Abstossung kommt, müssen die Empfänger immunosupprimiert werden. Das heisst lebenslange tägliche Medikamentenverabreichung und strenge Überwachung. Damit ist die Transplantation nur eine Behandlungsmöglichkeit und keine Abheilung. Das Ziel ist eine gute Lebensqualität für einen Patienten, der sonst nicht überleben könnte. Das Transplantationsteam muss einige kritische Leute umfassen: einen Chirurg mit Erfahrung in mikrovaskulärer Chirurgie; einen Internist mit guten Kenntnissen in den medikalen Aspekten der Urämie und der Transplantationsimmunologie; einen Anästhesist mit Erfahrung in kritischen urämischen Patienten; einen Intensivist für den post-operativen Management; und einen guten Radiologe mit Erfahrung in Transplantabstossungen oder weiteren postoperativen Komplikationen. Dazu braucht es einen passenden Nierenspender! Grundsätzlich sollte eine Nierentransplantation nicht erst versucht werden, wenn alle andere Modalitäten erfolglos waren, und der Patient zu krank wird. Wenn das Tier noch in guter Kondition ist, sind die Erfolgschancen deutlich besser. Dazu gibt es auch strenge Kriterien für die Selektion der Empfänger: die Tiere sollten frei von anderen kardiovaskulären, endokrinen oder Infektionskrankheiten sein. Indikationen Indikationen sind dekompensiertes chronisches und irreversibles akutes Nierenversagen (z.B. akute toxische Nephrose). Typischerweise ist die Nierentransplantation dann indiziert, wenn die Patienten trotz optimaler Behandlung allmählich abmagern. Transplantation sollte nie eine Notfalltherapie sein; der Patient sollte wenn nötig bis zur Transplantation mit anderen Nierenersatzverfahren unterstüzt und stabilisiert werden. Es gibt grundsätzlich keine Altersgrenze, solange die übrigen Kriterien erfüllt sind. Dank einfachere Immunosuppression bei der Katze, haben sich die meisten Transplantationszentren bis jetzt auf diese Spezies konzentriert. Mit neueren Immunosuppressionsprotokollen ist aber jetzt Nierentransplantation auch für den Hund möglich. Wegen hohen Medikamentenpreisen und entsprechender Körpergrösse, sind die Kosten beim Hund aber oft prohibitiv. Patientenselektion Je nach Transplantationszentrum gelten andere Einschlusskriterien. Fast überall sind folgende Teste erforderlich: Hämatologie, Blutgruppenbestimmung, Chemie, Harnuntersuchung, Harnkultur, Protein-Kreatinin Verhältnis, Echokardiogram, Thoraxröntgen, Abdomen Ultraschall, T4, und Toxoplasma Serologie (IgG und IgM). Bei der Katze dazu noch retrovirales Screening, und beim Hund Dirofilaria Serologie. Je nach Ursprung des Patienten können noch weitere serologische Teste verlangt werden. Bei zweifelhafter Ätiologie des Nierenversagens werden z.T. Nierenbiopsien durchgeführt. 55 Ausgeschlossen werden Tiere mit signifikanter Herzerkrankung, aktiver Harnwegsinfektion, anderen Infektionen, Allergieen, Inflammatory Bowel Disease, Neoplasie, nicht kontrollierten endokrinen Erkrankungen (Hyper-, Hypothyreose, Diabetes mellitus, Cushing), schwerer Abmagerung, und Aggressivität. Der Spender In den meisten Programmen werden Katzenspender aus einer Katzenkolonie selektionniert. Diese Spender müssen nach der Nierenspende vom Patientenbesitzer adoptiert werden. Der Besitzer kann auch eine eigene gesunde junge Katze als Spender wählen. Beim Hund müssen in der Regel die Besitzer selber einen passenden Donor finden. Idealerweise werden verwandte Tiere gebraucht, aber als Minimum ein Hund der gleichen Rasse. Die Kompatibilität wird meistens auf Blutkompatibilität (Kreuztest) beschränkt. Gewebekompatibilitätsteste werden aber für den Hund empfohlen. Sogar mehrere Jahre nach Uninephrektomie wurden bei Spenderkatzen keine negative Effekte auf der Hämatopoiese und auf der Nierenfunktion gefunden. Immunosuppression (a) Katze: Cyclosporin (initial 4 mg/kg BID) / Prednisolon (2 mg/kg/Tag). Regelmässige Messungen von Cyclosporin Plasmaspiegeln sind notwendig. Ein Spiegel von 300-500 ng/ml wird erzielt während den ersten Monaten und 200-300 ng-ml für den Rest des Lebens. (b) Hund mit nicht verwandtem Spender: Leflunomid (4 mg/kg SID) / Cyclosporin (6-10 mg/kg BID). Wenn die Kosten dabei zu hoch sind, kann (c) verwendet werden. (c) Hund mit verwandtem Spender: Cyclosporin (10 mg/kg BID) / Azathioprin (4 mg/kg EOD) / Prednisolon (0.5 mg/kg BID) Komplikationen Postoperative Komplikationen umfassen Bluthochdruck, Anfälle, Blutungen, verzögerte Funktion, Avulsion des 56 implantierten Ureters, und Schwellung des Ureters mit temporärer Obstruktion. Nebenwirkungen der immunosuppressiven Medikamenten sind vor allem beim Hund von grosser Bedeutung: schwere gastrointestinale Störungen, Darminvagination, Pankreatitis, Hepatopathien, Knochenmarksuppression. Spätere Komplikationen im ersten Jahr sind meistens Abstossungsreaktionen und Infektionen. Nach dem ersten Jahr wurde eine höhere Inzidenz von Neoplasien (Lymphom, Plattenepithelkarzinom) und Diabetes mellitus beschrieben. Prognose Die Erfolgsrate bei der Katze beträgt 7580%. Von den Patienten, die vom Spital entlassen werden, überleben 50% das erste Jahr. Katzen, die das erste Jahr überleben, haben eine gute Prognose und können mehrere Jahre weiterleben. Die „älteste“ Katze des Tranplantationsprogrammes in UCDavis ist jetzt 9 Jahre post Transplantation immer noch in guter Kondition. Beim Hund ist die Prognose im Moment unbekannt aber wahrscheinlich ca. 40-50% für die ersten 6 Monate (die kritische Phase). Zusammenfassend bieten Nierenersatzverfahren neuere Optionen für Patienten, die sonst keine Alternative haben. Das Ziel dieser Behandlungsmöglichkeiten ist eine gute Lebensqualität trotz Endstadium Nierenerkrankrungen zu ermöglichen. Das kommt sicher mit einem enormen finanziellen und persönlichen Preis für den Besitzer. Aber die Nachfrage für intensivere und fortgeschrittene Therapien ist sicher da. Auf der anderen Seite haben die Anforderungen an der Behandlung von diesen Tieren mit fortgeschrittenen Nierenerkrankungen eindeutige Fortschritte und neuere Entwicklungen in der konservativen Behandlung der Urämie gebracht. In der Humanmedizin besteht auch ein enormer Druck für einfachere und billigere Optionen, da weltweit nur ca 15% der Leute mit Endstadium Nierenerkrankungen überhaupt Zugang zu diesen Nierenersatzverfahren haben. Einfachere Therapien werden wieder sehr intensiv geforscht. Hoffentlich werden unsere Kleintierpatienten auch davon profitieren. Literatur: 1. Cowgill LD: Application of peritoneal dialysis and hemodialysis in the management of renal failure. In: Osborne CA, Finco DR (Eds) Canine and feline nephrology and urology. Williams & Wilkins, Baltimore 1995; p. 573-596. 2. Langston CE, Cowgill LD, Spano JA: Applications and outcome of hemodialysis in cats: a review of 29 cases. J Vet Intern Med 1997; 11:348355. 3. Adin CA, Cowgill LD: Treatment and outcome of dogs with leptospirosis: 36 cases (1990-1998). J Am Vet Med Assoc 2000; 216:371-375. 4. Bernsteen L, Gregory CR, Kyles AE et al.: Renal transplantation in cats. Clin Tech Small Anim Pract 2000; 15:4045. 5. 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