M E D I Z I N KURZBERICHT Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik Thomas Fetsch Ventrikuläre Spätpotentiale ZUSAMMENFASSUNG Ventrikuläre Spätpotentiale repräsentieren fragmentierte elektrische Aktivität in Myokardregionen mit inhomogener Gewebsverteilung, besonders in Grenzbereichen eines zurückliegenden Infarktes. Dieses „arrhythmogene Substrat“ kann lebensbedrohliche ventrikuläre Tachyarrhythmien hervorrufen. Für die nichtinvasive Registrierung sind spezielle Techniken und Analyseverfahren nötig, um die niederamplitudigen elektrischen Signale von der Körperoberfläche aufzunehmen. In der klinischen Routine sind drei Parameter zur Detektion von Spätpotentialen allgemein akzeptiert: die Dauer des signalgemittelten und gefilterten QRS-Komplexes (QRSd), die Dauer des terminalen niederamplitudigen Signals (LAS40) und die mittlere Sig- nalamplitude der terminalen 40 msec des QRS-Komplexes (RMS40). Ventrikuläre Spätpotentiale sind vorhanden, wenn mindestens zwei der drei Parameter pathologische Werte zeigen. Patienten ohne Spätpotentialnachweis haben unabhängig von anderen Befunden ein geringes Risiko, lebensbedrohliche Tachyarrhythmien zu entwickeln. Beim Nachweis von ventrikulären Spätpotentialen ist eine Risikostratifizierung nur zusammen mit anderen klinischen Parametern möglich. Schlüsselwörter: ventrikuläres Spätpotential, Signalmittlungs-EKG, EKG, ventrikuläre Arrhythmie, Risikostratifizierung Ventricular Late Potentials Ventricular late potentials represent fragmented electrical activation patterns in areas of inhomogenious myocardial tissue, especially in the borderline zones of a remote myocardial infarction. This „arrhythmogenic substrate“ may lead to life threatening ventricular tachyarrhythmias. Noninvasive recording and analysis require specific techniques to obtain these low amplitude signals. Three parameters of the time domain analysis are commonly accepted: the duration of the filtered and signal averaged high resolution QRS complex (QRSd), the duration of the terminal low ampli- tude signal (LAS40) and the average amplitude of the terminal 40 msec of the filtered QRS (RMS40). Ventricular late potentials are present if at least two of the three standard parameters show abnormal values. Patients with no ventricular late potentials have a low risk for ventricular arrhythmias regardless of additional findings. In case of the presence of ventricular late potentials, these findings are valid for individual risk stratification in combination with other relevant clinical parameters only. Key words: ventricular late potential, signal averaged ECG, ECG, ventricular arrhythmia, risk stratification B eginnend einige Tage nach dem akuten Gefäßverschluß, bildet sich in der chronischen Phase eines Myokardinfarktes eine Myokardnarbe in dem Areal aus, das von dem okkludierten Koronargefäß versorgt wird. Die Narbenregion ist zumeist kleiner als das ursprüngliche Infarktareal, da über Kollateralen von benachbarten, nicht verschlossenen Koronargefäßen eine Mindestdurchblutung in den Randbezirken des eigentlich betroffenen Versorgungsgebietes sichergestellt wird. In Abhängigkeit vom Schädigungsgrad der Myokardareale, vor allem in den Randbezirken des Infarktgebietes, ändern sich auch deren elektrische Eigenschaften: eine verzögerte Leitung in longitudinaler und transversaler Richtung ist die Folge der ischämischen Schädigung, eine ausgeprägte Narbenregion zeigt sich dagegen elektrisch weitgehend inaktiv. SUMMARY Die Randzonen eines Myokardinfarktes sind charakterisiert durch ein Nebeneinander von geschädigtem, aber noch vitalen Myokard und irreversibel funktionsuntüchtigem, fibrotischen Gewebe. Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche elektrische Eigenschaften der einzelnen Myokardareale in der Infarktrandzone: elektrisch inaktives Narbengewebe, nur leichtgradig minderdurchblutetes Myokard mit nahezu normaler elektrischer Charakteristik und unterschiedlich stark geschädigte Gewebsareale mit höhergradigen Änderungen der elektrischen Eigenschaften. Diese Mischung aus sehr unterschiedlich leitfähigen Geweben bewirkt eine Fragmentation der im Herzmuskel während jeder neuen HerzMedizinische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Günter Breithardt) der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster aktion ablaufenden elektrischen Erregungsausbreitung. Die sich in gesunden Myokardarealen homogen ausbreitende Erregungsfront trifft auf Areale verzögerter Leitung und auf nichtleitendes Gewebe. Es kommt zu einer asynchronen elektrischen Aktivierung der einzelnen überlebenden Muskelareale im Randbereich des Infarktbezirkes. Diese Strukturen bilden die Basis von pathologischen Erregungskreisen, die unter bestimmten Bedingungen zu sich selbstunterhaltenden, kreisenden Erregungen (Reentry) und damit zu ventrikulären Tachykardien und in der Folge zu Kammerflimmern führen können. Das Vorhandensein eines derartigen „arrhythmogenen Substrates“ prädisponiert also zur Entwicklung lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien. Im Tiermodell (1, 6, 11), wie später auch am Menschen (9, 10), ließen sich im regulären Sinusrhythmus lokal Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 39, 1. Oktober 1999 (55) A-2443 M E D I Z I N KURZBERICHT am Ort des arrhythmogenen Substrates charakteristische elektrophysiologische Phänomene nachweisen. Die Dauer der lokalen myokardialen Aktivierung ist in solchen Arealen im Vergleich zu normalem Myokard signifikant verlängert. Darüber hinaus ist die Morphologie der elektrischen Signale verändert – die bipolaren Elektrogramme sind von geringerer Amplitude und stark fraktioniert. Zusätzlich lassen sich nach dem Ende der eigentlichen lokalen Aktivierung niederamplitudige, stark gesplittete Potentiale Grafik 1 Schematische Darstellung der Ableitungspunkte des orthogonalen, bipolaren Ableitungssystems nach Frank; X – IV. Intercostalraum in der mittleren Axillarlinie rechts und links; Pluspol links; Y – oberer Rand des Manubrium sterni und Spina iliaca anterior superior links; Pluspol links unten; Z – IV. Intercostalraum, vorne parasternal links und IV. Intercostalraum, hinten paravertebral links; Pluspol vorne. Zusätzlich wird eine Referenzableitung zur Erdung des gesamten Ableitungssystems über der Spina iliaca anterior superior rechts geklebt. nachweisen – sogenannte „ventrikuläre Spätpotentiale“. Diese wurden von mehreren Autoren als direkter Nachweis der Zonen verzögerter elektrischer Leitung in Reentry-Kreisen gewertet und gelten als Indikatoren für das Vorliegen eines arrhythmogenen Substrates (9). Definition ventrikulärer Spätpotentiale Ventrikuläre Spätpotentiale sind definiert als niederamplitudige, fraktionierte Potentiale am Ende des QRSKomplexes (QRS, Kammererregung im EKG), die sich sowohl vom QRS- Komplex als auch vom umgeGrafik 2 benden Rauschpegel abgrenR-Zacke als Triggerpunkt zen lassen. In den Grafiken 3 und 4 ist unten jeweils ein QRS-Komplex des hochaufMuster-QRS gelösten, signalgemittelten und gefilterten EKG zu se100 – 300 hen, dessen terminaler Teil QRS-Komplexe Spätpotentiale aufweist. Nach dem Ende der Maximalamplitude läuft das Signal nicht zur Nullinie aus, sondern weist fraktionierte Nachschwankungen niedriger Amplitude auf, die zirka 40 msec lang anSignalgemittelter QRS-Komplex halten. Es ist in der Grafik zu er- Prinzip der Signalmittelung kennen, daß diese Potentiale Amplituden von etwa 5 bis 10 µV auf- das Grundrauschen. Der mittlere weisen, der normale QRS-Komplex Rauschpegel im Oberflächen-EKG dagegen Amplituden von mehreren liegt bei optimalen RegistrierbedinmV zeigt, also um mehr als das 100- gungen im Bereich von 1 bis 20 µV. fache größer ist. Damit wurden bereits Bei einer mittleren Amplitude ventrimehrere Probleme der Registrierung kulärer Spätpotentiale von weniger und Analyse ventrikulärer Spätpoten- als 10 bis 40 µV ist das zu analysierentiale deutlich. de Signal folglich häufig kaum vom Diese Signale sind Umgebungsrauschen zu unterscheic von kleiner Amplitude, den oder das Signal wird von diesem c in der normalen EKG-Regi- sogar vollständig überdeckt. Eine verstrierung nicht darstellbar, läßliche Detektion dieser Signalstrukc nicht eindeutig vom QRS-Kom- turen oder deren quantitative Analyse plex abgrenzbar, ist unter diesen Voraussetzungen unc charakterisiert durch höhere möglich. Frequenzen als der QRS-Komplex. Eine grundlegende Verbesserung Die kleine Amplitude ventrikulä- des Signal-Rausch-Verhältnisses ist die rer Spätpotentiale kann durch einen Voraussetzung, die eine Analyse von hohen Verstärkungsgrad der verwen- Spätpotentialen erst möglich macht. deten EKG-Geräte ausgeglichen wer- Die EKG-Abteilung, die Signalverarden. Allerdings wird dadurch das ge- beitung und die abschließende Analysamte EKG-Signal verstärkt, also se müssen diese spezifischen Problemauch der normale QRS-Komplex und stellungen berücksichtigen. ! Tabelle Spätpotentialparameter des Zeitbereichs (12) Abkürzung Definition Grenzwert bei Grenzwert bei 25–250 Hz 40–250 Hz QRSd Dauer des hochaufgelösten, signalgemittelten QRSKomplexes der Vektorableitung [msec] > 120 ms RMS40 mittlere Amplitude (root < 25 µV mean square) der terminalen 40 msec des QRS-Komplexes [µV] < 20 µV LAS40 Dauer des terminalen, niederamplitudigen Signales (< 40 µV) [msec] > 38 ms A-2444 (56) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 39, 1. Oktober 1999 > 38 ms > 114 ms M E D I Z I N KURZBERICHT Elektrodenkonfiguration Aus tierexperimentellen Untersuchungen und endokardialen Ableitungen ist bekannt, daß ventrikuläre Spätpotentiale regional im Bereich des arrhythmogenen Substrates zu finden sind, also mit unterschiedlicher räumlicher Verteilung auftreten. Um niederamplitudige Signale von allen Regionen des Herzens erfassen zu können, muß ein räumlich ausgewogenes Ableitungssystem mit gutem SignalRausch-Verhältnis benutzt werden. Die herkömmlichen Extremitätenableitungen nach Eindhoven und Goldberger stellen zwar eine gute räumliche elektrische Abbildung der unterschiedlichen Herzareale dar, jedoch ist das Signal-Rausch-Verhältnis bei diesen „herzfernen“ Ableitungen für die Analyse von niederamplitudigen Signalen ungeeignet. Dagegen weisen die Brustwandableitungen nach Wilson zwar ein günstiges Signal-Rausch-Verhältnis auf, jedoch ist die räumliche Erfassung des ganzen Herzens mit diesen unipolaren Ableitungen nicht gewährleistet. Für die umfassende räumliche Detektion ventrikulärer Spätpotentiale bei suffizientem Signal-Rausch-Verhältnis hat sich ein dreikanaliges, bipolares, orthogonales Ableitungssystem nach Frank mit den Ableitungen X, Y und Z als Standard entwickelt (Grafik 1). Als Elektroden werden handelsübliche Silber/Silberchlorid-Klebeelektroden verwendet. Die digitalen Signale der drei Einzelableitungen werden rechnerisch zu einer Ableitung zusammengefaßt und dann analysiert. Die Berechnung numerischer Parameter der Spätpotentialanalyse basiert also auf nur einer Kombinationsableitung. teressierenden Signals übertreffen. Die Methode der synchronisierten Signalmittelung kann das Signal-RauschVerhältnis entscheidend verbessern und somit die Voraussetzung zur Analyse ventrikulärer Spätpotentiale schaffen. Der Signalmittelungsprozeß beruht auf einer Aufsummierung und Mittelung aufeinanderfolgender QRSKomplexe mit einer exakten Ausrichtung an einem Triggerpunkt, meist der R-Zacke (Grafik 2). Es resultiert ein einzelner, signalgemittelter QRS-Kom- plex, der die Charakteristika der Einzelsignale in hohem Maße repräsentiert (linearer Korrelationskoeffizient > 0,98). Der Signalmittelungsprozeß wird entweder bis zu einer definierten Anzahl aufsummierter QRS-Komplexe fortgeführt oder manuell terminiert. Am Ende werden die resultierenden QRS-Komplexe der drei Ableitungen X, Y und Z abgespeichert. Diese umfassen je nach Aufnahmegerät 500 bis 1 000 msec mit Teilen der P-Welle, dem QRS-Komplex, der ST-Strecke und der T-Welle (Grafiken 3 und 4). ! Grafik 3 QRS-Dauer (msec) QRSd 105 msec RMS40 45 µV 40 µV RMS40 (µV) 40 msec QRS-Dauer (msec) QRSd 122 msec RMS40 9 µV 40 µV Signalmittelung Die Analyse ventrikulärer Spätpotentiale aus dem konventionellen Ruhe-EKG scheitert an dem ungünstigen Signal-Rausch-Verhältnis. Sofern Signal und Rauschen verschiedene Frequenzbereiche umfassen, ist eine Trennung beider Komponenten unter Verwendung von Filtern leicht möglich. In vielen Fällen überlappen sich jedoch das Rauschen und die Bandbreite des Signals. Darüber hinaus kann die Amplitude des Rauschens auch die des in- RMS40 (µV) 40 msec Graphische Darstellung der RMS40. Vektorableitung des signalgemittelten EKG mit 25–250 Hz gefiltert. Oben: unauffälliger QRS-Komplex ohne Spätpotentiale. Unten: Spätpotentiale am Ende des QRS-Komplexes mit verlängerter QRS-Dauer und niedrigem RMS40-Wert. Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 39, 1. Oktober 1999 (57) A-2445 M E D I Z I N KURZBERICHT Analyseverfahren Zur Unterdrückung von Rauscheinflüssen, die außerhalb des interessierenden Frequenzbereiches liegen, erfolgt vor der Analyse des hochverstärkten, signalgemittelten EKG eine Bandpaßfilterung, meist mit 25 bis 250 Hz oder 40 bis 250 Hz. Die Wahl des Analyseverfahrens hängt von den interessierenden Charakteristika des Signals ab. Die Analysemethoden im Zeitbereich berechnen das Amplitudenverhalten in Abhängigkeit von der Zeit. Diese stellen die klassischen Verfahren der Spätpotentialanalyse dar und beruhen auf der Beschreibung empirischer Definitionskriterien, die durch visuelle Vergleiche pathologischer und unauffälliger hochaufgelöster EKG-Registrierungen entstanden sind. Vorhandene Spätpotentiale werden den normalen QRS-Komplex verbreitern und den terminalen Anteil niederamplitudig aufsplitten. Daher stellt die Verlängerung der QRS-Dauer (QRSd [msec]) das Hauptkriterium pathologischer Befunde im hochaufgelösten EKG dar. Die Vermessung der QRS-Dauer ist nur nach exakter Definition von QRS-Anfang und -Ende möglich. Untersucherabhängige Einflüsse werden durch eine computergestützte, automatische Detektion der QRS-Grenzen ausgeschlossen. Bei unauffälliger Morphologie des terminalen QRS-Komplexes wird ein steiler Amplitudenabfall auf Rauschpegelniveau innerhalb weniger Millisekunden das exakte Ende von QRS charakterisieren (Grafik 3 und 4 oben). Bei vorhandenen ventrikulären Spätpotentialen wird dagegen das Ende von QRS niederamplitudig und fraktioniert sein (Grafik 3 und 4 unten). Der terminale Teil des QRS-Komplexes wird zur besseren Detektion von Spätpotentialen daher durch zwei weitere numerische Parameter charakterisiert: die mittlere Amplitude der terminalen 40 msec (RMS40 [µV]) und die Dauer des terminalen, niederamplitudigen Signals (< 40 µV, LAS 40 [msec]). In Grafik 3 ist graphisch die Berechnung der RMS40 und in Grafik 4 die der LAS 40 an zwei signalgemittelten, hochaufgelösten EKG exemplarisch dargestellt. Durch Kombination der drei einzelnen Parameter wird das Vorhandensein ventrikulärer Spätpotentiale definiert: zwei der drei Parameter müssen pathologische Werte aufweisen. Anhand mehrerer großer, prospektiver Studien mit Postinfarkt-Patienten wurden pathologische Grenzwerte für alle Spätpotentialparameter definiert, die eine Diskriminierung von Hochrisikopatienten mit optimierter prädiktiver Genauigkeit erlauben (5). In der Tabelle sind die pathologischen Grenzwerte der einzelnen Parameter bei 25 und 40 Hz Filterfrequenz dargestellt. Da diese Grenzwerte hauptsächlich an großen Kollektiven von Postinfarkt-Patienten definiert wurden, sind die dabei berechneten prädiktiven Werte auch nur für diese Patientengruppe validiert. Eine Übertragung auf Patienten mit anderen kardialen Grunderkrankungen ist nur eingeschränkt möglich. Die Analyse ventrikulärer Spätpotentiale im Zeitbereich ist bis heute die allgemein genutzte Standardmethode. Sie bietet die Vorteile der schnellen und einfachen Berechnung von drei Spätpotentialparametern und der visuellen Kontrollmöglichkeit. Jedoch limitieren wesentliche Nachteile die Anwendbar- Grafik 4 QRS-Dauer (msec) QRSd 105 msec LAS40 20 msec 40 µV LAS40 msec QRS-Dauer (msec) QRSd 122 msec LAS40 53 msec 40 µV LAS40 msec Graphische Darstellung der LAS40. Vektorableitung des signalgemittelten EKG mit 25–250 Hz gefiltert. Oben: unauffälliger QRS-Komplex ohne Spätpotentiale. Unten: Spätpotentiale am Ende des QRS-Komplexes mit verlängerter QRS- und LAS40-Dauer. A-2446 (58) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 39, 1. Oktober 1999 M E D I Z I N KURZBERICHT keit und die diagnostische Aussagekraft durch Abhängigkeit vom Grundrauschen, keine Verwendbarkeit bei Patienten mit Schenkelblockbildern und die Detektion von pathologischen Signalen nur am Ende von QRS. Alternative Analyseverfahren im Frequenzbereich werden in dieser Übersicht nicht dargestellt, da sie in der klinischen Routine keine Bedeutung haben. Ventrikuläre Spätpotentiale als Marker der Arrhythmiegefährdung Eine Vielzahl retrospektiver und prospektiver Studien haben vor allem bei Patienten nach überlebtem Herzinfarkt die direkte Korrelation von abnormer, verspäteter ventrikulärer Aktivität und dem Auftreten von lebensbedrohlichen ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern dargestellt (2, 3, 4, 12). Dabei zeigte sich übereinstimmend eine besonders hohe Inzidenz von abnormen Befunden im signalgemittelten EKG bei Patienten mit dokumentierten anhaltenden ventrikulären Tachykardien (60 bis 90 Prozent) und bei solchen mit zurückliegendem Kammerflimmern (etwa 50 Prozent), dagegen ein vergleichsweise geringes Vorkommen von Spätpotentialen bei Postinfarkt-Patienten ohne bedrohliche Arrhythmien (7 bis 15 Prozent). In den signalgemittelten EKG von Patienten ohne kardiale Erkrankungen konnten sogar nur in 0 bis 7 Prozent ventrikuläre Spätpotentiale nachgewiesen werden. Die Resultate mehrerer prospektiver Studien zeigten, daß 15 bis 30 Prozent der PostinfarktPatienten mit abnormen Befunden im signalgemittelten EKG im Verlauf von einem Jahr lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien entwickeln, dagegen aber nur 0,8 bis 4,5 Prozent der Patienten ohne Spätpotentialnachweis. Die Sensitivität dieses nichtinvasiven EKG-Diagnostikums zur Vorhersage bedrohlicher Arrhythmien nach Herzinfarkt zeigte je nach Studienpopulation eine große Streubreite von 55 bis 95 Prozent. Dagegen bewiesen alle Studien eine sehr hohe Spezifität (85 bis 99 Prozent). Für die klinische Diagnostik erlaubt ein negativer Befund im signalgemittelten EKG mit großer Verläßlichkeit den geringen Gefährdungsgrad eines solchen Patienten vorherzusagen, unbeeinflußt von anderen potentiellen Risikoparametern (beispielsweise gehäufte ventrikuläre Extrasystolen im Langzeit-EKG). Bei einem pathologischen Befund im signalgemittelten EKG ist die prognostische Aussagekraft jedoch begrenzt, da bei Betrachtung lediglich der Spätpotentiale die Wahrscheinlichkeit eines lebensbedrohlichen Rhythmusereignisses bei 15 bis 30 Prozent liegt. Dagegen läßt sich durch Berücksichtigung weiterer klinischer Parameter (multivariate AnalyIn der Serie „Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik“ sind bisher erschienen: (1) Editorial „Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik“, Löllgen H, Lüderitz B: Dt Ärztebl 1999; 96: A-1486–1487 [Heft 22] (2) Hust H, Heck K F, Keim MW: „Kipptisch-Test zur Diagnostik vasovagaler Synkopen“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1488–1492 [Heft 22] (3) Hohnloser SH: „Untersuchung der Barorezeptorenfunktion“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1716–1719 [Heft 25] (4) Lewalter T, Jung W, Lickfett L, et al.: „QT-Dispersion“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1835–1838 [Heft 27] (5) Löllgen, H.: „Herzfrequenzvariabilität“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-2029–2032 [Heft 31-32] (6) Löllgen, H.: „Chronotrope Inkompetenz“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-2089–2092 [Heft 33] (7) Zehender, M.: „T-Wellen-Alternans“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-2227–2232 [Heft 36] sen) der prädiktive Wert der Spätpotentialanalyse steigern (7, 8). Dabei spielt die Bestimmung der linksventrikulären Auswurffraktion eine entscheidende Rolle. Die Analyse der Herzfrequenzvariabilität über 24 Stunden und die Messung der Baroreflexsensitivität können durch Informationen über die autonome Regulation des Herzens zusätzliche Hinweise auf eine potentielle Arrhythmiegefährdung des individuellen Patienten geben. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1999; 96: A-2443–2447 [Heft 39] Literatur 1. Berbari EJ, Scherlag BJ, Hope RR, Lazzara R: Recording from the body surface of arrhythmogenic ventricular activity during ST-segment. Am J Cardiol 1978; 41: 697–702. 2. Breithardt G, Becker R, Seipel L, Abendroth RR, Ostermeyer J: Non-invasive detection of late potentials in man – a new marker for ventricular tachycardia. Eur Heart J 1981; 2: 1–11. 3. Breithardt G, Borggrefe M, Karbenn U, Abendroth RR, Yeh HL, Seipel L: Prevalence of late potentials in patients with and without ventricular tachycardia: correlation with angiographic findings. Am J Cardiol 1982; 49: 1932–1937. 4. Breithardt G, Schwarzmaier J, Borggrefe M, Haerten K, Seipel L: Prognostic significance of ventricular late potentials after acute myocardial infarction. Eur Heart 1983; J4: 487–495. 5. 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Thomas Fetsch Westfälische Wilhelms-Universität Klinik für Kardiologie und Angiologie Albert-Schweitzer-Straße 33 48149 Münster Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 39, 1. Oktober 1999 (59) A-2447