einseitig

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Analysis 2
Kurz-Skript
Jürgen Pöschel
SS 05
Inhaltsverzeichnis
12 Funktionenräume
12-A Problemstellung . . . . . . . . . . . . . .
12-B Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
12-C Stetigkeit und Differenzierbarkeit . . . . .
12-D Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . .
12-E Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . .
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5
5
8
11
12
14
13 Integration
13-A Das Riemannsche Integral . . . . . . . .
13-B Eigenschaften des Riemannschen Integrals
13-C Der Hauptsatz der Integralrechnung . . .
13-D Berechnung von Integralen . . . . . . . .
13-E Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . .
13-F Parameterabhängige Integrale . . . . . . .
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19
22
24
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32
14 Anwendungen der Integralrechnung
14-A Taylorentwicklung . . . . . . . . .
14-B Faltungen . . . . . . . . . . . . . .
14-C Differenzialgleichungen . . . . . . .
14-D Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
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35
36
40
44
15 Mehrdimensionale Differenzialrechnung
15-A Elemente der Linearen Algebra . . .
15-B Die totale Ableitung . . . . . . . . .
15-C Partielle Ableitungen . . . . . . . .
15-D Skalare Funktionen . . . . . . . . .
15-E Höhere partielle Ableitungen . . . .
15-F Die Taylorsche Formel . . . . . . .
15-G Lokale Extrema und Konvexität . .
15-H Invertierbare Abbildungen . . . . .
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49
54
57
60
62
64
67
74
15-I
15-J
Implizite Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
82
12
12-A
1F
Funktionenräume
Problemstellung
Die Funktionen
un W Œ0; 1 ! R;
un .t/ D t n
konvergieren punktweise gegen die Grenzfunktion
(
0; 0 6 t < 1;
uW Œ0; 1 ! R; u.t/ D
1; t D 1:
2F
Die Funktionen
vn W Œ 1; 1 ! R;
vn .t/ D
p
t 2 C 1=n2
konvergieren punktweise gegen
vW Œ 1; 1 ! R;
v.t/ D
p
t 2 D jtj:
Aber
8
ˆ
ˆ
< 1;
0
lim vn .t / D 0;
ˆ
ˆ
: 1;
16t <0
t D0
0 < t 6 1:
G
G
12-A
3F
Problemstellung
6
Die Funktionen
wn W R ! R;
wn .t/ D
t
1 C n2 t 2
konvergieren punktweise gegen die Nullfunktion. Es ist aber
wn0 .0/ D 1;
n > 1:
Also konvergiert wn0 .0/ nicht gegen die Ableitung der Grenzfunktion. G
Funktionenräume
Sind X und E zwei beliebige, nichtleere Mengen, so ist
˚
F .X; E/ ´ Abb.X; E/ ´ f W X ! E
die Menge aller Abbildungen von X nach E .
Ist E ein K-Vektorraum, so ist auch F .X; E/ ein K-Vektorraum.
Ist E ein Ring mit 1 , so ist auch F .X; E/ ein Ring mit 1.
Ist E aber ein Körper, so ist F .X; E/ kein Körper, wenn jXj > 1 !
Räume beschränkter Abbildungen
Sei E ein normierter Raum, mit Norm j j. Für eine Abbildung f W X ! E definiert man
kf kX;1 ´ sup jf .x/j:
x2X
Definition Eine Abbildung f W X ! E einer nichtleeren Menge X in einen normierten Raum E heißt beschränkt, falls
kf kX;1 < 1:
o
7
Problemstellung
12-A
12.1 Satz Die folgenden Aussagen über eine Abbildung f W X ! E sind äquivalent.
(i) f ist beschränkt
(ii) kf kX;1 < 1.
(iii) f .X / ist beschränkt in E .
(iv) Es gibt ein M > 0, so dass jf .x/j 6 M für alle x 2 X . o
Durch k k1 wird aber auf F .X; E/ im Allgemeinen keine Norm definiert.
Sei
˚
B.X; E/ ´ f 2 F .X; E/ W kf k1 < 1
der Raum der beschränkten Abbildungen von X nach E .
12.2 Satz B.X; E/ ist ein Untervektorraum von F .X; E/, auf dem k k1 eine
Norm definiert, die sogenannte Supremumsnorm. o
Räume stetiger Abbildungen
Sei X ein metrischer Raum, E weiterhin ein normierter Raum.
˚
C.X; E/ ´ f 2 F .X; E/ W f ist stetig
ist der Raum aller stetigen Abbildungen von X nach E .
Ferner ist
BC.X; E/ ´ B.X; E/ \ C.X; E/
der Raum aller beschränkten stetigen Abbildungen X ! E .
Im Allgemeinen ist
BC.X; E/ ( C.X; E/:
12-B
Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
8
Räume differenzierbarer Abbildungen
Ist I ein Intervall, E ein Banachraum, so ist
C r .I; E/;
r D 0; 1; 2; : : : ; 1
der Raum der r-mal auf I stetig differenzierbaren Abbildungen f W I ! E . Für
r D 0 ist insbesondere
C 0 .I; E/ D C.I; E/:
12-B
Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
Im Folgenden sei X eine nichtleere Menge, E ein normierter Raum mit Norm j j.
Wie immer genügt es aber, für E die Räume
R;
Rm
C;
vor Augen zu haben.
Eine Folge .fn / in F .X; E/ wird auch als E-wertige Funktionenfolge, oder auch
einfach als Funktionenfolge bezeichnet.
Definition Eine Folge .fn / in F .X; E/ konvergiert punktweise gegen eine Funktion f 2 F .X; E/, geschrieben
pw
fn ! f;
n ! 1;
falls f .x/ D limn!1 fn .x/ für jedes x 2 X . o
In Quantoren:
8 8
9
8 jfn .x/
">0 x2X N >0 n>N
f .x/j < ":
9
Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
12-B
Definition Eine Folge .fn / in F .X; E/ konvergiert gleichmäßig gegen eine Funktion f 2 F .X; E/, geschrieben
glm
!f
fn
oder fn !
! f;
n ! 1;
falls es zu jedem " > 0 ein N > 0 gibt, so dass
jfn .x/
f .x/j < ";
n>N
für alle x 2 X . o
In Quantoren:
8
9
8
8 jfn .x/
f .x/j < ":
">0 N >0 x2X n>N
Klar: fn
glm
!f
pw
) fn ! f .
Die Umkehrung gilt aber nicht.
12.3 Satz Die folgenden Aussagen über eine Funktionenfolge .fn / in F .X; E/
sind äquivalent.
(i) fn !
!f.
(ii) .fn
f/!0
(iii) kfn
f kX;1 ! 0
in B.X; E/ mit der Supremumsnorm.
in R . o
Cauchy-Kriterium
12.4 Satz Sei E ein Banachraum. Dann ist eine Funktionenfolge .fn / in F .X; E/
gleichmäßig konvergent genau dann, wenn zu jedem " > 0 ein N > 0 existiert mit
kfn
fm kX;1 < ";
n; m > N:
o
12.5 Korollar Ist E ein Banachraum, so ist B.X; E/ versehen mit der Supremumsnorm k kX;1 ebenfalls ein Banachraum. o
12-C
Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
10
Funktionenreihen
Ist .fn / eine Folge in F .X; E/, so bezeichnet man
X
fn
n
als Funktionenreihe in F .X; E/.
Definition Eine Funktionenreihe in F .X; E/ konvergiert punktweise / gleichmäßig, wenn die Folge ihrer Partialsummen punktweise / gleichmäßig in F .X; E/ konvergiert. o
P
P
Außerdem konvergiert n fn absolut, falls n jfn .x/j für jedes x 2 X konvergiert.
Es gelten folgende Zusammenhänge:
P
n fn konvergiert
gleichmäßig
absolut
gleichmäßig
:
:
:
)
)
;
P
n
fn konvergiert
punktweise
punktweise
absolut
P
12.6 Weierstraßsches Majorantenkriterium Sei E ein Banachraum, und n fn
P
eine Funktionenreihe in F .X; E/. Existiert eine konvergente reelle Reihe n Mn
mit
kfn kX;1 6 Mn ;
n > n0 ;
P
fn absolut und gleichmäßig konvergent. o
P
P
Die Reihe n Mn bildet also eine gleichmäßige Majorante für n fn auf ganz
so ist
n
X.
P
n
12.7 Satz Besitzt die komplexe Potenzreihe
n an z einen positiven Konvergenzradius R , so konvergiert sie absolut und gleichmäßig auf jeder abgeschlossen
Kreisscheibe Br .0/ mit 0 < r < R . o
11
Stetigkeit und Differenzierbarkeit
12-C
12-C
Stetigkeit und Differenzierbarkeit
Sei X ein metrischer Raum, und E weiterhin ein Banachraum.
12.8 Satz Konvergiert die Folge .fn / in F .X; E/ gleichmäßig gegen f , und
sind alle Funktionen fn stetig im Punkt a 2 X (stetig auf X), so ist auch f stetig
in a (stetig auf X). o
Definition Eine Folge .fn / in F .X; E/ heißt lokal gleichmäßig konvergent, geschrieben
loc
fn !
! f;
wenn es zu jedem Punkt a 2 X eine Umgebung U gibt, so dass die Folge der
eingeschränkten Funktionen .fn jU / gleichmäßig konvergiert. o
12.9 Satz Konvergiert eine Folge .fn / stetiger Funktionen in F .X; E/ lokal
gleichmäßig gegen f , so ist auch f stetig. o
Also kurz: Lokal gleichmäßige Grenzwerte stetiger Funktionen sind wieder stetig.
Die Umkehrung des letzten Satzes gilt nicht . . .
Dazu bedarf es zusätzlicher Annahmen.
12.10 Satz von Dini Sei X ein kompakter metrischer Raum. Ist .fn / eine Folge
in C.X /, die monoton und punktweise gegen eine Funktion f 2 C.X / konvergiert,
so ist die Konvergenz lokal gleichmäßig. o
Beschränkte und stetige Funktionen
Betrachte den Raum
BC.X; E/ D B.X; E/ \ C.X; E/
der beschränkten und stetigen E-wertigen Funktionen auf X . Supremumsnorm:
kf kX;1 D sup jf .x/j:
x2X
12-D
Potenzreihen
12
12.11 Satz Der Raum BC.X; E/ mit der Supremumsnorm ist ein Banachraum.
Ist darüberhinaus X kompakt, so ist sogar
BC.X; E/ D C.X; E/;
und die Supremumsnorm stimmt mit der Maximumsnorm überein. o
Differenzierbarkeit
Sei I ein Intervall.
12.12 Satz Sei .fn / eine Folge in C 1 .I; E/, so dass
pw
fn ! f;
loc
fn0 !
!
loc
in F .I; E/. Dann ist f 2 C 1 .I; E/ mit f 0 D . Außerdem gilt fn !
!f. o
Konvergieren also die Ableitungen fn0 lokal gleichmäßig, so ist die punktweise
Grenzfunktion f stetig differenzierbar, und es ist
.lim fn /0 D lim fn0 :
Zudem konvergieren die fn selbst ebenfalls lokal gleichmäßig.
Der entsprechende Satz für Reihen.
P
12.13 Satz Sei .fn / eine Folge in C 1 .I; E/. Konvergiert die Reihe n fn punktP
P
weise und die Reihe n fn0 lokal gleichmäßig auf I , so ist n fn stetig differenzierbar, und es gilt
X
d X
fn0 :
fn D
dx n
n
P
Außerdem konvergiert n fn sogar lokal gleichmäßig. o
12-D
Potenzreihen
Haben bereits erwähnt:
13
Potenzreihen
12-D
12.14 Satz Jede Potenzreihe ist im Innern ihres Konvergenzkreises lokal gleichmäßig konvergent und definiert somit dort eine stetige Funktion. o
Für die Differenzierbarkeit beschränkten wir uns auf das Konvergenzintervall
IR D . R; R/ D BR .0/ \ R:
P
n
12.15 Satz Jede Potenzreihe
definiert in ihrem Konvergenzintervall I
n an t
eine stetig differenzierbare Funktion, deren Ableitung gegeben ist durch
0 X
X
nan t n 1 ;
t 2 I:
an t n D
n>1
n>0
Diese Reihe hat denselben Konvergenzradius wie die ursprüngliche Reihe. o
Diesen Satz kann man wiederholt anwenden . . .
P
12.16 Satz Eine Potenzreihe n an t n definiert im Innern ihres Konvergenzintervalls eine beliebig oft differenzierbare Funktion f , und für ihre Koeffizienten gilt
an D
1 .n/
f .0/;
nŠ
n > 0:
o
Dies ist auch die Grundlage des Prinzips des Koeffizientenvergleichs.
12.17 Prinzip des Koeffizientenvergleichs
X
X
an t n D
bn t n
n>0
Gilt
n>0
auf einem offenen Intervall um 0 , so gilt
an D bn ;
n > 0:
o
Die Binomialreihe
Wir kennen die binomische Formel
!
n
X
n k
n
.1 C t / D
t ;
k
kD0
mit Binomialkoeffizienten
!
n
nŠ
n.n
D
D
k
k Š .n k/Š
1/ .n
kŠ
k C 1/
:
12-E
Anmerkungen
14
Verallgemeinerte Binomialkoeffizienten: Für ˛ 2 R
!
!
˛
˛
˛.˛ 1/ .˛ k C 1/
´ 1;
´
;
0
k
kŠ
k > 1:
Definiere damit die Binomialreihe
!
X ˛
˛ .t / D
tk:
k
k>0
12.18 Satz Für jedes ˛ 2 R konvergiert die Binomialreihe für jt j < 1, und es gilt
!
X ˛
˛
o
.1 C t / D
tk:
k
k>0
Der Satz von Abel
12.19 Satz Konvergiert die reelle oder komplexe Reihe
Reihe
X
an t n
f .t / D
P
n
an , so konvergiert die
n>0
auf Œ0; 1 gleichmäßig, und es gilt
X
an D f .1/ D lim f .t/:
n>0
12-E
t11
o
Anmerkungen
Sei X nichtleere Menge, E Banachraum.
12.20 Fakt 1 Die gleichmäßig Konvergenz in F .X; E/ ist metrisierbar. o
Das heißt, es gibt eine Metrik d auf F .X; E/, so dass
d.fn ; f / ! 0 , fn !
! f:
Definiere zum Beispiel
15
Anmerkungen
d.f; g/ D
12-E
kf gkX;1
;
1 C kf gkX;1
oder
d.f; g/ D min kf
gkX;1 ; 1 :
12.21 Fakt 2 Ist X höchstens abzählbar, so ist die punktweise Konvergenz in F .X; E/
metrisierbar. o
Das heißt, es gibt eine Metrik d auf F .X; E/, so dass
pw
d.fn ; f / ! 0 , fn ! f:
Für X D fx1 ; x2 ; : : :g abzählbar unendlich definiere zum Beispiel
X 1
jf .xn / g.xn /j
:
d.f; g/ D
n
2
1
C
jf .xn / g.xn /j
n>0
12.22 Fakt 3 Ist X überabzählbar, so ist die punktweise Konvergenz im Allgemeinen nicht metrisierbar. o
Konkret gilt zum Beispiel:
12.23 Satz Es gibt keine Metrik auf C.Œ0; 1/, so dass die Konvergenz in dieser
Metrik genau die punktweise Konvergenz ist. o
Für Details siehe Behrends 2, Seite 17–22.
12-E
Anmerkungen
16
13
Integration
Sei I D Œa; b ein kompaktes Intervall. Auf einer möglichst großen Klasse von
Funktionen
˙.I / F .I / D F .I; R/
(» ˙ « für »summierbar«) soll eine Abbildung J definiert werden,
J W ˙.I / ! R;
f 7! J.f /;
die f das »Integral von f über I « J.f / zuordnet.
Dieses Funktional sollte gewisse »natürliche« Eigenschaften habe.
1. Linearität:
J.˛f C ˇg/ D ˛J.f / C ˇJ.g/:
2. Normierung: Ist J I ein offenes, halboffenes oder abgeschlossenes Intervall der Länge jJ j , so gilt für dessen Indikatorfunktion J :
J.J / D jJ j:
Dabei ist
(
J W I ! R;
j .t/ D
1;
t 2 J;
0;
t … J:
3. Stetigkeit: Falls fn !
! f in ˙.I /, dann auch
J.fn / ! J.f /:
13
Integration
18
Mit den ersten zwei Forderungen ist das Integral bereits für eine gewisse Klasse
von Funktionen eindeutig fixiert.
Definition Eine Funktion f 2 F .I / heißt Treppenfunktion, wenn es eine endliche
Unterteilung
a D x0 < x1 < < xn D b
von I D Œa; b gibt, so dass
f j.xi
1 ;xi /
D const;
1 6 i 6 n:
Die Menge der Treppenfunktionen in F .I / wird mit T .I / bezeichnet. o
Jede Treppenfunktion ist eine Linearkombination von Indikatorfunktionen:
f 2 T .I / , f D
n
X
ai Ji
i D1
mit gewissen reellen Zahlen ai und Intervallen Ji I . Dann muss auch gelten:
J.f / D
n
X
ai J.Ji / D
i D1
n
X
ai jJi j:
iD1
Damit ist das Integral für Treppenfunktionen eindeutig festgelegt – oder fast eindeutig . . .
13.1 Lemma Für f 2 T .I / hängt der Wert von J.f / nicht von der Darstellung von f als Linearkombination von Indikatorfunktionen ab. o
Also setzen wir dann
Z
n
X
f .x/ dx ´
ai jJi j;
I
iD1
f D
n
X
ai Ji :
i D1
Definition Eine Funktion f 2 F .I / heißt Regelfunktion, wenn sie gleichmäßiger
Limes von Treppenfunktionen ist. Die Menge der Regelfunktionen wird mit R.I /
bezeichnet. o
Ist nun f 2 R.I /, und
fn !
! f;
fn 2 T .I /;
19
Das Riemannsche Integral
13-A
so ist notwendigerweise
Z
f .x/ dx ´ J.f / lim ´ J.fn /:
n!1
I
Auch dieser Wert hängt nicht von der Wahl der Folge .fn / ab. Dieses Integral heißt
das Cauchy-Integral von f .
Es gilt zum Beispiel
C.I / R.I / B.I /:
Alle stetigen Funktionen auf I sind also Cauchy-integrierbar.
13-A
Das Riemannsche Integral
Sei I D Œa; b ein kompaktes Intervall, E ein Banachraum, zum Beispiel R oder
Rm , und
f 2 B.I; E/:
Ziel ist es, das Integral
Z
f .t / dt 2 E
I
zu definieren . . .
Definition Eine Teilung des Intervalls I D Œa; b ist eine endliche Teilmenge T D
ft0 ; t1 ; : : : ; tn g I derart, dass
a D t0 < t1 < < tn D b:
Die n C 1 Teilungspunkte tn bestimmen n Teilungsintervalle
Ik ´ Œtk
1 ; tk ;
mit Längen k ´ jIk j D tk
1 6 k 6 n;
tk
1.
kT k ´ max f1 ; : : : n g
heißt Feinheit der Teilung T . o
Die Größe
13-A
Das Riemannsche Integral
20
Definition Ist T D ft0 ; : : : ; tn g eine Teilung von I , so heißt M D f1 ; : : : ; n g
eine Menge zugehöriger Messpunkte, falls
k 2 Ik ;
1 6 k 6 n;
und
RT .f / ´
n
X
n
X
f .k /k D
kD1
f .k /.tk
tk
1/
kD1
die zu T und M gehörende Riemannsche Zwischensumme von f . o
Mit den Bezeichnungen der Einleitung ist
RT .f / D J.fT /;
fT D
n
X
f .k /Ik ;
kD1
also das »natürliche Integral« der Treppenfunktion fT .
Definition Ist f 2 B.I; E/ und J I , so heißt
osc.f; J / D sup fjf .x/
f .y/j W x; y 2 J g
die Schwankung von f über J . o
Im Falle einer skalaren Funktion ist
osc.f; J / D sup f
J
inf f:
J
Definition Ist T eine Teilung von I , so heißt
ST .f / ´
n
X
osc.f; Ik /k
kD1
die zu T gehörende Schwankungssumme von f . o
21
Das Riemannsche Integral
13.2
13-A
Lemma A Sind T T 0 zwei Teilungen von I , so gilt
jRT .f /
RT 0 .f /j 6 ST .f /
ST 0 .f / 6 ST .f /:
o
13.3
Lemma B Für zwei beliebige Teilungen T1 und T2 von I gilt
ˇ
ˇ
ˇRT .f / RT .f /ˇ 6 ST .f / C ST .f /:
o
1
2
1
2
13.4
Lemma C Sind T und T 0 zwei beliebige Teilungen von I , und gilt
max 0l 6 min k ;
16l6n0
16k6n
so folgt
ST 0 .f / 6 3 ST .f /:
o
Definition Eine Funktion f 2 B.I; E/ heißt integrierbar, genauer Riemannintegrierbar, wenn es zu jedem " > 0 eine Teilung T von I gibt mit
ST .f / < ":
o
Gerechtfertigt wird diese Definition durch den folgenden Satz.
13.5 Satz und Definition Ist f 2 B.I; E/ integrierbar, so existiert genau ein
Element ˙ 2 E , so dass
(1)
jRT .f /
˙j 6 ST .f /
für jede Teilung T von I . Dieses Element ˙ heißt das (Riemannsche) Integral von
f über I , geschrieben
Z
f .t / dt:
o
I
13.6
Satz Ist f 2 B.I; E/ stetig, so ist f integrierbar. o
13-B
13.7
Eigenschaften des Riemannschen Integrals
Satz Ist f 2 B.I; E/ integrierbar, so gilt
Z
f .t / dt D lim RT .f /:
kT k!0
I
Das heißt, zu jedem " > 0 gibt es ein ı > 0 , so dass
ˇZ
ˇ
ˇ
ˇ
ˇ f .t / dt RT .f /ˇ < "
ˇ
ˇ
I
für jede Teilung T von I mit kT k < ı . o
13.8
Korollar Ist f 2 B.I; E/ integrierbar, so ist
Z
f .t / dt D lim RTn .f /
n!1
I
für jede beliebige Folge von Teilungen Tn mit kTn k ! 0 . o
13-B
13.9
Eigenschaften des Riemannschen Integrals
Satz Sind f; g 2 B.I; E/ integrierbar, und ˛; ˇ 2 K, so sind auch
˛f C ˇg;
jf j
integrierbar, und es gilt
Z
Z
Z
(2)
.˛f C ˇg/ dt D ˛ f dt C ˇ g dt;
I
I
ˇZ
ˇ Z I
ˇ
ˇ
ˇ f dt ˇ 6 jf j dt:
(3)
o
ˇ
ˇ
I
I
22
23
Eigenschaften des Riemannschen Integrals
13-B
13.10 Satz Sei I D Œa; b und a < c < b . Ist die Funktion f 2 B.I; E/ integrierbar über Œa; b, so auch über Œa; c und Œc; b, und umgekehrt. Es gilt dann
Z
Z
Z
f dt D
f dt C
f dt:
o
Œa;b
Œa;c
Œb;c
13.11 Satz Eine vektorwertige Funktion
f D .f1 ; : : : ; fm / 2 B.I; Rm /
ist integrierbar genau dann, wenn ihre Komponenten f1 ; : : : ; fm integrierbar sind.
Es gilt dann
Z
Z
o
f dt D
fk dt
:
I
I
16k6m
13.12 Satz Sind f; g 2 B.I; R/ integrierbar, und gilt f 6 g auf I , so gilt auch
Z
Z
o
f dt 6 g dt:
I
I
13.13 Satz Ist f 2 B.I; E/ integrierbar, so gilt
ˇ
ˇZ
ˇ
ˇ
ˇ f dt ˇ 6 kf k jI j:
o
I;1
ˇ
ˇ
I
13.14 Mittelwertsatz der Integralrechnung
ein 2 .a; b/ mit
Z
f dt D f ./.b a/:
o
Ist f W Œa; b ! R stetig, so gibt es
Œa;b
Definition Eine Menge A R heißt eine Nullmenge, genauer Jordan-Nullmenge,
wenn es zu jedem " > 0 endlich viele offene Intervalle J1 ; : : : ; Jr gibt mit
[
X
A
Jl ;
o
jJl j < ":
16l6r
16l6r
Notation Für Mengen A und B sei
A G B , A \ B ¤ ∅;
gelesen »A trifft B «. o
13-C
Der Hauptsatz der Integralrechnung
24
13.15 Lemma Sei I ein Intervall und A R eine beliebige Nullmenge. Dann
gibt es zu jedem " > 0 eine Teilung T von I mit
X
o
jIk j < ":
Ik GA
Redeweise Eine Eigenschaft gilt »fast überall« in einer Menge M , wenn sie höchstens auf einer Nullmenge in M nicht gilt. o
13.16 Satz Ist f 2 B.I /; E/ fast überall 0 , so ist f integrierbar, und
Z
o
f dt D 0:
I
Verlangt wird also, dass ft 2 I W f .t/ ¤ 0g eine Nullmenge ist.
13.17 Korollar Seien f; g 2 B.I; E/. Ist f integrierbar und f D g fast überall,
so ist auch g integrierbar, und es gilt
Z
Z
f dt D g dt:
o
I
I
13.18 Satz Ist f 2 B.I; E/ fast überall stetig, so ist f integrierbar. o
13-C
Der Hauptsatz der Integralrechnung
13.19 Satz Sei f 2 B.I; E/ integrierbar. Dann wird durch
Z
F0 .x/ D
f dt;
x 2 I D Œa; b
Œa;x
eine Funktion F0 W I ! E definiert, für die gilt:
(i) F0 ist Lipschitz-stetig mit L-Konstante kf kI;1 .
(ii) Ist f im Punkt x0 2 I stetig, so ist F0 in x0 differenzierbar, und es gilt
F00 .x0 / D f .x0 /:
(iii) Ist f stetig, so ist F0 stetig differenzierbar, und es gilt F00 D f . o
25
Der Hauptsatz der Integralrechnung
13-C
Definition Eine differenzierbare Funktion F W I ! E heißt Stammfunktion einer
Funktion f W I ! E , falls auf I
F 0 D f:
o
13.20 Beobachtung Verschiedene Stammfunktionen einer Funktionen f W I ! E
unterscheiden sich nur durch eine additive Konstante. o
13.21 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
stetig und F irgendeine Stammfunktion von f , so gilt
Z
f dt D F .b/ F .a/:
o
Ist f 2 B.Œa; b; E/
Œa;b
Notationen
F .b/
ˇb
ˇb
F .a/ D F .x/ ˇa D F ˇa :
Der Hauptsatz lautet damit
Z
ˇb
f dt D F .x/ ˇa :
Œa;b
Das unbestimmte Integral von f ist die Parallelschar aller Stammfunktionen F
von f :
Z
f dt D hF i ´ fF C c W c 2 E g:
Es ist die Äquivalenzklasse von F bezüglich der Äquivalenzrelation
F G , F
G D const :
Wir schreiben dafür kurz
Z
f dt D F C const :
Es gilt dann
Z
.˛f C ˇg/ dt D h˛F C ˇGi
Z
D ˛hF i C ˇhGi D ˛
Z
f dt C ˇ
g dt:
13-D
Berechnung von Integralen
26
Der Hauptsatz schreibt sich damit
Z
Z b
f dt D
f dt;
Œa;b
a
wobei links das Riemannsche Integral von f , und rechts die Auswertung einer beliebigen Stammfunktion von f zwischen a und b steht.
Vereinbarung:
Z a
f dt D
b
Z
f dt;
a < b:
a
b
Dann gilt immer
Z
Z b
f dt D
c
Z
f dt C
a
a
b
f dt;
c
wenn f auf I integrierbar ist.
13-D
Berechnung von Integralen
Zu lösen ist die Gleichung
F 0 D f;
wenn f gegeben ist.
a; b; c 2 I;
27
Berechnung von Integralen
Z
t ˛ dt D
Z
Z
1 ˛C1
t
;
˛C1
˛¤
1
dt D log jt j;
t
t ¤ 0:
1 t
e ;
¤ 0;
et dt D
13-D
1;
Z
cos t D sin t;
Z
sin t D
cos t
Z
dt
D arctan t;
1 C t2
Z
dt
D arcsin t;
p
2
Z 1 t
dt
1
1Ct
D log
;
1 t2
2
1 t
1 < t < 1;
1 < t < 1:
Partielle Integration
13.22 Satz Für f; g 2 C 1 .I / gilt
Z
f 0 .t /g.t/ dt D f .t/g.t/
Z
f .t/g 0 .t/ dt:
o
13.23 Korollar Sei F eine Stammfunktion von f 2 C 0 .I / und g 2 C 1 .I /.
Dann gilt
Z
Z
f .t /g.t / dt D F .t/g.t/
F .t/g 0 .t/ dt:
o
Substitution
13.24 Satz Sei f 2 C 0 .I; E/ und 2 C 1 .I ; R/ mit .I / I . Dann gilt
Z b
Z .b/
f ..u// 0 .u/ du D
f .t/dt
a
für beliebige a; b; 2 I . o
.a/
13-E
Berechnung von Integralen
28
13.25 Korollar Für die unbestimmten Integrale gilt unter denselben Voraussetzungen
ˇ
Z
Z
ˇ
0
f ..u// .u/ du D f .t/ dt ˇˇ
:
o
.u/
Bemerkung. Dieser Satz gilt auch für integrierbare Funktionen f 2 B.I; E/.
Die Stetigkeit von f ist nicht notwendig. (
Merkregel: Für die Variablentransformation
t D .u/
ist formal
dt
D 0 .u/;
du
oder
dt D 0 .u/ du:
Durch Einsetzen wird damit
ˇ
Z
Z
ˇ
ˇ
f .t / dt ˇ
D f ..u// 0 .u/ du:
.u/
Dies ist nur eine Merkregel, kein Beweis.
13.26 Satz Ist 2 C 1 .I; R/ nirgends 0 , so gilt
Z 0
.t /
dt D log j.t/j C const:
o
.t /
Partialbruchzerlegung
29
Uneigentliche Integrale
13-E
13-E
Uneigentliche Integrale
Definition Sei a < b 6 1, und die Funktion f W Œa; b/ ! E sei über jedes
kompakte Teilintervall von Œa; b/ integrierbar. Dann heißt
Z b
Z x
f .t / dt ´ lim
f .t/ dt;
x1b
a
a
wenn der Limes existiert, das uneigentliche Integral von f über Œa; b/, und man
sagt, das uneigentliche Integral existiert oder konvergiert. Existiert der Limes nicht,
so heißt das uneigentliche Integral divergent.
Analoges gilt für f W .a; b ! E mit
1 6 a < b. o
Gilt im Falle der Divergenz insbesondere
Z x
lim
f .t/ dt D ˙1;
x1b
a
so schreibt man auch
Z b
f .t / dt D ˙1;
a
und nennt das Integral eigentlich divergent.
Definition Sei 1 6 a < b 6 1, und die Funktion f W .a; b/ ! E sei über
jedem kompakten Teilintervall von .a; b/ integrierbar. Existieren für ein beliebiges
c 2 .a; b/ die beiden uneigentlichen Integrale
Z c
Z b
f .t / dt;
f .t/ dt;
a
c
so existiert oder konvergiert das uneigentliche Integral
Z b
Z c
Z b
f .t / dt ´
f .t/ dt C
f .t/ dt:
a
a
o
c
Man überlegt sich leicht, dass diese Definition nicht von der Wahl des Zwischenpunktes c 2 .a; b/ abhängt.
13-E
Uneigentliche Integrale
30
13.27 Satz Das uneigentliche Integral
Z 1
1
dt
t˛
1
konvergiert für ˛ > 1 und divergiert für ˛ 6 1 .
Das uneigentliche Integral
Z 1
1
dt
ˇ
0 t
konvergiert für ˇ < 1 und divergiert für ˇ > 1 . o
Bemerkung. Die Integrationsgrenze 1 kann natürlich durch jede andere positive
reelle Zahl ersetzt werden. (
13.28 Satz Sei a < b 6 1, und f W Œa; b/ ! E sei über jedem kompakten
Teilintervall von Œa; b/ integrierbar. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.
Rb
(i) Das uneigentliche Integral a f .t/ dt konvergiert.
Rx
(ii) Für die Funktion F .x/ D a f .t/ dt existiert limx1b F .x/.
(iii) Zu jedem " > 0 existiert ein c 2 Œa; b/, so dass für alle u; v 2 .c; b/
ˇZ v
ˇ
ˇ
ˇ
ˇ
o
f .t/ dt ˇˇ < ":
ˇ
u
13.29 Satz Sei a < b 6 1 und f W Œa; b/ ! E sowie gW Œa; b/ ! R . Gilt
t 2 .c; b/;
Rb
Rb
für ein c 2 Œa; b/ und konvergiert a g.t/ dt , so konvergiert auch a f .t / dt . o
jf .t /j 6 g.t/;
Tatsächlich konvergiert unter diesen Voraussetzungen sogar
Z b
jf .t /j dt:
a
Rb
f .t/ dt ist absolut konvergent.
Rb
Bemerkung. Das uneigentliche Integral a f .t/ dt ist absolut konvergent genau dann, wenn es eine Konstante M > 0 gibt, so dass
Man sagt, das uneigentliche Integral
a
31
Uneigentliche Integrale
13-F
x
Z
jf .t /j dt 6 M;
x 2 Œa; b/:
(
a
13.30 Satz Ist die Funktion f W Œa; 1/ ! E auf jedem kompakten Teilintervall
integrierbar, und gilt
jf .t /j 6
c
;
t˛
t > t0 ;
für ein ˛ > 1 und c > 0 , so ist das uneigentliche Integral
o
R1
a
f .t / dt konvergent.
Die Gammafunktion
Definition Die Gammafunktion W .0; 1/ ! R ist definiert durch
Z 1
o
.˛/ D
t ˛ 1 e t dt:
0
13.31 Satz Die Gammafunktion genügt der Funktionalgleichung
.˛ C 1/ D ˛ .˛/;
˛ > 0:
Insbesondere gilt für alle natürlichen Zahlen
.n C 1/ D nŠ ;
n > 0:
o
Konvergenzkriterium
13.32 Satz Ist die Funktion W Œ0; 1/ ! R positiv und monoton fallend, so konvergiert die Reihe
X
.n/
n>0
genau dann, wenn das uneigentliche Integral
Z 1
.t / dt
0
konvergiert. o
13-F
13-F
Parameterabhängige Integrale
32
Parameterabhängige Integrale
Betrachte Funktionen
f W I Œa; b ! E;
.; t/ 7! f .; t/;
wo das erste Argument, , die Rolle des Parameters in einem beliebigien Intervall
I spielt, und das zweite Argument, t , zunächst auf ein kompaktes Intervall Œa; b
beschränkt ist. Dann definieren wir – unter geeigneten Voraussetzungen – eine neue
Funktion
Z b
F W I ! E;
7! F ./ D
f .; t/ dt;
a
und nennen F ein Integral mit Parameter, oder ein parameterabhängiges Integral.
13.33 Satz Ist f W I Œa; b ! E stetig, so ist auch
Z b
F W I ! E;
F ./ D
f .; t/ dt
a
stetig. o
Partielle Ableitung nach :
@f
f . C h; t/
.; t / ´ lim
@
h
h!0
f .; t/
:
Andere Notation: f .; t/.
13.34 Satz Ist f W I Œa; b ! E partiell nach der ersten Variable differenzierbar, und sind f und f stetig auf I Œa; b, so ist auch die Funktion
Z b
F W I ! E;
F ./ D
f .; t/ dt
a
auf I stetig differenzierbar, und es gilt
Z b
0
F ./ D
f .; t/ dt:
o
a
Kurz: Ist f stetig, so darf man unter dem Integral differenzieren.
33
Parameterabhängige Integrale
13-F
Nun ein entsprechender Satz für uneigentliche Integrale.
13.35 Satz Sei a < b 6 1, die Funktion f W I Œa; b ! E sei stetig, und das
uneigentliche, parameterabhängige Integral
Z b
F W I ! E;
F ./ D
f .; t/ dt
a
existiere für jedes 2 I . Dann gilt:
(i) Existiert zu jedem 0 2 I eine Umgebung U I von 0 und eine uneigentlich über Œa; b/ integrierbare Funktion gW Œa; b/ ! R mit
jf .; t /j 6 g.t/;
.; t/ 2 U Œa; b/;
so ist F auf I stetig.
(ii) Besitzt f außerdem eine stetige partielle Ableitung f , und gilt für diese
eine entsprechende Abschätzung wie in (i) für f , so ist F stetig differenzierbar, und
es gilt
Z b
0
o
F ./ D
f .; t/ dt:
a
Wir verlangen in (ii) also, dass zu jedem 0 2 I eine Umgebung U I und
eine uneigentlich über Œa; b/ integrierbare Funktion hW Œa; b/ ! R existiert mit
jf .; t /j 6 h.t/;
.; t/ 2 U Œa; b/:
13-F
Parameterabhängige Integrale
34
14
Anwendungen der Integralrechnung
14-A
Taylorentwicklung
Sei I ein Intervall, E ein Banachraum. Wir betrachten noch einmal die Entwicklung
einer Funktion f W I ! E in sein Taylorpolynom.
14.1
Satz Ist f 2 C nC1 .I; E/, so gilt für beliebige x0 ; x 2 I
f .x/ D
n
X
f .k/ .x0 /
.x
kŠ
x0 /k C Rn .x/
kD0
mit
1
Rn .x/ D
nŠ
Z
x
u/n f .nC1/ .u/ du
.x
x0
nC1 Z 1
D
wobei h D x
h
nŠ
.1
t/n f .nC1/ .x0 C th/ dt;
0
x0 . o
Dies ist das Restglied der Taylorformel in Integraldarstellung.
Für reellwertige Funktionen erhalten wir daraus die Formeln von Cauchy und
Lagrange für das Restglied.
14.2
Korollar 1 (Restgliedformel von Cauchy)
Rn .x/ D
1 .nC1/
f
./.x
nŠ
mit einem zwischen x0 und x . o
/n .x
x0 /
Für f 2 C nC1 .I; R/ ist
14-B
Faltungen
36
14.3 Satz (Mittelwertsatz der Integralrechnung) Sei f W I ! R stetig und
gW I ! R nicht-negativ und integrierbar. Dann gibt es zu jedem Intervall Œa; b I ein 2 .a; b/ mit
Z b
Z b
f .t /g.t/ dt D f ./
g.t/ dt:
o
a
14.4
a
Korollar 2 (Restgliedformel von Lagrange)
Rn .x/ D
1 .nC1/
f
./.x
nŠ
x0 /nC1
mit einem zwischen x0 und x . o
14-B
Faltungen
Seien
m ; : : : ; m
nicht-negative reelle Zahlen, sogenannte Gewichte, mit
m
X
l D 1:
lD m
Einer doppelt-unendlichen Folge
x D .xk /k2Z D .: : : ; x
1 ; x0 ; x1 ; : : : /
wird eine neue doppelt-unendliche Folge
y D .yk /k2Z D .: : : ; y
1 ; y0 ; y1 ; : : : /
zugeordnet durch
yk D
m
X
lD m
xk l l ;
k 2 Z:
Für f 2 C nC1 .I; R/ ist
37
Faltungen
14-B
Übergang zu Integralen: Seien
f W R ! R;
W R ! R
stetig. Setze dann
Z
g.x/ D
f .x
t/.t/ dt;
x 2 R:
R
Definition Der Träger einer Funktion W X ! R , wobei X beliebiger metrischer
Raum, ist die Menge
supp ´ clos fx 2 X W .x/ ¤ 0g:
o
Dabei steht ›supp‹ für ›support‹. Der Träger einer Funktion ist also der Abschluss
der Menge, auf der die Funktion nicht verschindet.
Die Faltungsoperation
Definition Es seien f; g 2 C 0 .R/, und wenigstens eine der Funktionen habe kompakten Träger. Dann ist die Faltung oder Konvolution von f und g erklärt als die
Funktion
f gW R ! R
mit
Z
.f g/.x/ D
f .x
t/g.t/ dt;
x 2 R:
o
R
14.5
Lemma Unter der Voraussetzung der vorangehenden Definition gilt
f g D g f:
o
Notation:
Cor .R/ ´ ff 2 C r .R/ W supp f ist kompaktg:
Fixiere 2 Co0 .R/. Damit definieren wir den Faltungsoperator
T W f 7! T .f / D f :
14-B
14.6
Faltungen
38
Satz Sei 2 Co0 .R/ . Dann wird durch T f D f ein linearer Operator
T W C 0 .R/ ! C 0 .R/
mit folgenden Eigenschaften definiert:
(i) Ist f beschränkt, so ist auch T f beschränkt, und es gilt
Z
kT f kR;1 6 kf kR;1 j.t/j dt:
R
(ii) Ist f ein Polynom, so ist T f ein Polynom von höchstens demselben Grad.
(iii) Ist 2 Cor .R/, so ist T f 2 C r .R/, und es gilt
D r .T f / D TD r f;
0 6 r 6 n;
wobei D D d= dx . o
Ein allgemeiner Approximationssatz
Gegeben sei eine stetige Funktion
f W Œa; b ! R:
Wir wollen f durch glatte Funktionen beliebig genau approximieren.
›Glatt‹ bedeutet ›beliebig oft differenzierbar‹.
Definition Eine Folge .n /n von Funktionen in C 0 .R/ heißt eine Dirac-Folge,
wenn gilt:
(i) n > 0 für alle n,
R
(ii) R n .t / dt D 1 für alle n,
(iii) zu jedem " > 0 und ı > 0 existiert ein N , so dass
Z ı
n .t/ dt > 1 ";
n > N:
o
ı
14.7
Satz Sei .n /n eine Dirac-Folge. Dann gilt für jede Funktion f 2 Co0 .R/
f n !
! f;
n ! 1:
o
39
Faltungen
14-B
14.8 Satz Sei I D Œa; b ein kompaktes Intervall. Dann gibt es zu jeder stetigen
Funktion f W I ! R eine Folge .fn / glatter Funktionen auf I mit
kf
fn kI;1 ! 0:
o
Ein polynomialer Approximationssatz
14.9 Weierstraßscher Approximationssatz Sei I D Œa; b ein kompaktes Intervall. Dann gibt es zu jeder stetigen Funktion f W I ! R eine Folge .pn /n von
Polynomen mit
kf
pn kI;1 ! 0:
o
14.10 Korollar Sei I D Œa; b ein kompaktes Intervall. Dann liegen die Polynome
im Raum C 0 .I / mit der Supremumsnorm dicht. o
14-C
14-C
Differenzialgleichungen
40
Differenzialgleichungen
Lineare Differenzialgleichungen
Diese sind von der Form
y 0 D p.x/y C q.x/;
mit stetigen Funktionen p und q auf einem Intervall .a; b/. Die Gleichung heißt
homogen, falls q 0 , andernfalls inhomogen.
Man spricht von einem Anfangswertproblem (AWP), wenn die Lösung außerdem
noch
y.x0 / D y0
für ein x0 2 .a; b/ erfüllen soll.
Betrachte zuerst den homogenen Fall.
14.11 Satz Die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung y 0 D p.x/y ist
y.x/ D ceP .x/ ;
c 2 R;
wobei P irgendeine Stammfunktion von p ist. o
Bemerkung. Dies sind auch die einzigen Lösungen, wie man leicht zeigen kann. (
Betrachte nun den inhomogenen Fall.
14.12 Satz Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung
y 0 D p.x/y C q.x/
ist von der Form
y.x/ D yp .x/ C yh .x/;
wobei yp irgendeine partikuläre Lösung der inhomogenen DGl und yh die allgemeine Lösung der zugehörigen homogenen DGl bezeichnet. o
Es kommt also nur noch darauf, eine einzige Lösung der inhomogenen Gleichung
zu finden. Dies geschieht mit der Methode der Variation der Konstanten.
Ist y irgendeine nicht-triviale Lösung der homogenen Gleichung, so führt der
Ansatz
yp D c.x/y.x/
41
Differenzialgleichungen
14-C
zu der Gleichung
c0 D
q.x/
:
y.x/
Somit ist c eine Stammfunktion zu q=y . Speziell mit y D eP ergibt sich:
14.13 Satz Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung
y 0 D p.x/y C q.x/
ist
y.x/ D .c C d.x//eP .x/ ;
c 2 R;
wobei P irgendeine Stammfunktion von p und d irgendeine Stammfunktion von
qe P bezeichnet. o
Separierbare Differenzialgleichungen
Eine separierbare DGl hat die Form
(1)
y 0 D g.x/k.y/
mit stetigen Funktionen g und k , definiert für
.x; y/ 2 .a; b/ .c; d / R R:
14.14 Proposition S-1 Ist y0 eine Nullstelle von k , so ist
y.x/ y0 ;
x 2 .a; b/;
eine Lösung der DGl (1). Ist k Lipschitz, so ist diese Lösung auch die einzige. o
14.15 Proposition S-2 Seien gW .a; b/ ! R und hW .c; d / ! R stetig. Dann ist
jede Lösung von
(2)
h.y/y 0 D g.x/
in .a; b/ .c; d / eine implizite Lösung der Gleichung
(3)
˚.x; y/ ´ G.x/
H.y/ D c;
wobei G 0 D g und H 0 D h. Besitzt h keine Nullstelle, so gilt auch die Umkehrung:
Jede Lösung von (3) definiert auch eine Lösung von (2). o
14-C
Differenzialgleichungen
42
Homogene Differenzialgleichungen
Eine DGl
y 0 D f .x; y/
heißt homogen, falls
f .x; y/ D f .x; y/;
> 0;
für alle .x; y/ im Definitionsbereich von f .
14.16 Proposition H-1 Ist x 7! y.x/ Lösung einer homogenen DGl, so auch
x 7! y.x/
Q
D y.x=/
für jedes > 0 . o
14.17 Proposition H-2 Es ist x 7! y.x/ eine Lösung der homogenen DGl
y 0 D f .x; y/;
x > 0;
genau dann, wenn x 7! u.x/ D y.x/=x eine Lösung der separierbaren DGl
g.u/ u
;
x
mit g.u/ D f .1; u/ ist. o
u0 D
x > 0;
Bernoullische Differenzialgleichungen
Diese sind von der Form
y 0 D a.x/y C b.x/y ˛ ;
˛ ¤ 0; 1:
Betrachte positive Lösungen:
y > 0:
Der Ansatz
u.x/ D y.x/1
˛
füghrt dann zu der inhomogenen linearen DGl
u0 D .1
˛/a.x/u C .1
˛/b.x/;
43
die wir für u lösen können.
Differenzialgleichungen
14-C
14-D
14-D
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
44
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
Grundbegriffe
Physikalische Schreibweise für DGl:
xP D f .t; x/;
xP ´
d
x:
dt
Betrachte allgemeiner ein System von gekoppelten DGl:
xP 1 D f1 .t; x1 ; : : : ; xn /
::
:
xP n D fn .t; x1 ; : : : ; xn /:
In vektorieller Schreibweise
x D .x1 ; : : : ; xn /0 ;
f D .f1 ; : : : ; fn /0
wird dies zu einer DGl im Rn :
xP D f .t; x/:
Statt Rn schreiben wir wieder E für einen beliebigen Banachraum, und einfach
xP D f .t; x/
für die DGl, wobei nun x 2 E . Üblicherweise ist aber E D R oder E D Rn .
Definition Sei J ein offenes Intervall, D E eine offene Teilmenge, und
f W J D ! E;
.t; x/ 7! f .t; x/
stetig. Dann heißt
(4)
xP D f .t; x/
eine zeitabhängige gewöhnliche DGl erster Ordnung auf D . Zusammen mit einer
Bedingung
(5)
x.t0 / D x0
45
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
14-D
mit .t0 ; x0 / 2 J D bildet sie ein sogenanntes Anfangswertproblem (AWP). o
Ist f sogar unabhängig von t , also eigentlich
f W D ! E;
x 7! f .x/;
so nennt man xP D f .x/ eine autonome DGl.
Definition Eine differenzierbare Kurve
' W I ! D;
wobei I J ein Intervall, heißt Lösung der DGl (4), falls
'.t
P / D f .t; '.t//;
t 2 I:
Sie heißt Lösung des Anfangswertproblems (4) & (5), falls außerdem t0 2 I und
'.t0 / D x0 :
o
Integralform des Anfangswertproblems
14.18 Satz Eine stetige Kurve ' W I ! D mit t0 2 I ist genau dann Lösung des
AWP
xP D f .t; x/;
x.t0 / D x0 ;
wenn für alle t 2 I gilt:
Z t
'.t / D x0 C
f .s; '.s// ds:
t0
o
14-D
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
46
Der Banachsche Fixpunktsatz
14.19 Der Banachsche Fixpunktsatz Sei .X; d / ein vollständiger metrischer Raum,
und
T W X ! X;
x 7! T .x/
eine kontrahierende Abbildung. Das heißt, es existiert eine Konstante < 1 , so dass
x; y 2 X:
d.T .x/; T .y// 6 d.x; y/;
Dann besitzt T genau einen Fixpunkt 2 X , und für jedes x0 2 X konvergiert die
Folge
xn D T n .x0 /;
n > 0;
gegen . o
14.20 Zusatz Es gilt außerdem
d.xn ; / 6
n
1
;
n > 0;
wobei D d.T .x0 /; x0 /. o
Die Lipschitzbedingung
Definition Die Abbildung f W J D ! E heißt lokal Lipschitz in der zweiten
Variable, wenn es zu jedem Punkt .t0 ; x0 / 2 J D eine Umgebung U und eine
Konstante L gibt, so dass
jf .t; x1 /
f .t; x2 /j 6 Ljx1
für alle .t; x1 /; .t; x2 / 2 U . o
x2 j
47
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
14-D
Der EE-Satz
14.21 Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelöf
offenes Intervall, D E eine offene Teilmenge, und
Es sei J ein
f W J D !E
stetig und lokal Lipschitz in der zweiten Variable. Dann besitzt das AWP
xP D f .t; x/;
x.t0 / D x0 ;
mit beliebigem .t0 ; x0 / 2 J D für jedes hinreichend kleine Intervall I um t0
genau eine Lösung ' W I ! D . o
Beweisschritte
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass
t0 D 0;
x0 D 0:
In einer Umgebung U von .0; 0/ 2 J D gilt dann
jf .t; x/j 6 M;
jf .t; x1 /
f .t; x2 /j 6 Ljx1
x2 j:
Dann wähle ı > 0 so klein, dass ı < 1=L und
Iı Bı U;
mit
Iı D Œ ı; ı;
Bı D fx 2 E W jxj 6 M ıg:
Betrachte nun folgende Menge stetiger Kurven, wobei I D Iı :
˚
X ´ ' 2 C.I; E/ W k'kI;1 6 M ı BC.I; E/:
Behauptung 1
X mit der Supremumsnorm ist ein vollständiger metrischer Raum. o
Behauptung 2 Jede Lösung ' W I ! D des AWP
xP D f .t; x/;
x.0/ D 0;
ist ein Element von X . o
14-D
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz
48
Betrachte nun
Z
T W X ! X;
t
T .'/.t/ D
f .s; '.s// ds:
0
Behauptung 3
T bildet X tatsächlich in X ab. o
Behauptung 4
T ist kontrahierend auf X , falls ı < 1=L . o
Der Banachsche Fixpunktsatz ist somit auf T W X ! X anwendbar. Der eindeutige Fixpunkt von T in X ist dann die eindeutige Lösung unseres AWP.
DGl höherer Ordnung
Betrachte als Beispiel eine skalare DGl n-ter Ordnung,
x .n/ D F .t; x; x;
P : : : ; x .n
1/
/:
14.22 Satz Sei J ein offenes Intervall, D Rn eine offene Menge, und
F W J D ! R;
.t; u/ 7! F .t; u/
stetig und in dem zweiten Argument lokal Lipschitz. Dann besitzt das AWP
x .n/ D F .t; x; x;
P : : : ; x .n
1/
/;
.x; x;
P : : : ; x .n
1/
/.t0 / D u0
mit beliebigem .t0 ; u0 / 2 J D für jedes hinreichend kleine Intervall I um t0
genau eine Lösung ' W I ! R . o
15
Mehrdimensionale Differenzialrechnung
Betrachte Abbildungen
f W Rn ! R m :
Die Definition der Ableitung mit Hilfe des Grenzwerts von Differenzenquotieten ist
hier nicht sinnvoll möglich, falls n > 1 .
Differenzierbarkeit ist aber auch äquivalent zur Approximierbarkeit durch eine
lineare Funktion. Im Falle n D 1 :
f .t / D f .t0 / C a.t
t0 / C ".t/.t
t0 /
mit einer Funktion ", die im Punkt t0 stetig ist und dort verschwindet. Dann ist
a D f 0 .t0 /:
15-A
Elemente der Linearen Algebra
Der Raum Rn
Elemente des Rn werden von nun an Vektoren betrachtet:
0
1
x1
B
C
x D @ ::: A :
xn
Dies ist sehr unpraktisch und platzraubend. Daher schreiben wir
0
1
x1
B
C
x D @ ::: A D .x1 ; : : : ; xn /0 ;
xn
15-A
Elemente der Linearen Algebra
50
wobei 0 die Transposition bezeichnet, wie sie für Matrizen erklärt ist. Auf die Dauer
werden wir aber auch diesen Strich oft weglassen. . .
Metrik Die Standardmetrik des Rn ist nach wie vor die euklidische Metrik, induziert durch die euklidische Norm
s X
jxj D
jxi j2 :
16i 6n
Zur Erinnerung: Es gilt
1
jxj 6 max jxi j 6 jxj:
16i6n
n
Jede andere Norm auf dem Rn ist aber äquivalent zu dieser Norm, so dass es auf die
konkrete Norm nicht wesentlich ankommen wird.
Lineare Abbildungen
Eine lineare Abbildung
AW ˝ ! V
zwischen zwei Vektorräumen ˝ und V ist zunächst durch ihre Linearität charakterisiert:
A.x C y/ D Ax C Ay:
Erst wenn ˝ und V endlich-dimensional sind, und in diesen Räumen je eine Basis
u1 ; : : : ; un
und
v1 ; : : : ; vm
gewählt wird, kann A wie folgt durch eine m n -Matrix dargestellt und mit dieser
identifiziert werden. Es ist
Auj D
m
X
j D 1; : : : ; n;
aij vi ;
iD1
mit eindeutigen Koeffizienten aij . Diese fügt man zu einer m n-Matrix
0
1
a11 a1n
B
:: C
.A/ij D @ :::
: A
am1
zusammen. Ist nun
xD
n
X
j D1
xj uj ;
amn
51
Elemente der Linearen Algebra
15-A
so ist
Ax D
n
X
xj Auj D
j D1
D
n
X
xj
j D1
m X
n
X
i D1
m
X
aij vi
i D1
m
X
aij xj vi D
yi vi ;
j D1
i D1
yi D
n
X
aij xj :
j D1
Dies schreibt sich im Matrizenkalkül als
0
1 0
10
1
y1
a11 a1n
x1
B :: C B ::
:: C B :: C :
@ : AD@ :
: A@ : A
ym
am1 amn
xn
Ein sogenanntes lineares Funktional, also eine lineare Abbildung
LW ˝ ! R;
wird in diesem Fall durch eine 1 n -Matrix, also einen n-dimensionalen Zeilenvektor dargestellt:
.l1 ; : : : ; ln /;
lj D Luj :
Dann ist
y D Lx D
n
X
lj xj :
j D1
Skalarprodukt Ein Skalarprodukt auf einem linearen Raum ˝ ist zunächst einmal eine bilineare, symmetrische und positiv definite Form:
h ; iW ˝ ˝ ! R;
mit
(i) hx ; yi D hy ; xi
(ii) hx C y ; zi D hx ; zi C hy ; zi
(iii) hx ; xi > 0
(iv) hx ; xi D 0 ) x D 0.
Ist ˝ endlich-dimensional, und u1 ; : : : ; un eine Basis von ˝ , so wird h ; i durch
die Matrix
A D .aij /ij ;
aij D hui ; uj i
15-A
Elemente der Linearen Algebra
52
dargestellt: Für
xD
n
X
n
X
yD
xi u i ;
i D1
yj uj
j D1
wird
hx ; yi D
n
X
xi hui ; uj iyj
i;j D1
0
()
a11
B ::
D .x1 ; : : : ; xn / @ :
10
1
a1n
y1
:: C B :: C
: A@ : A
an1
ann
yn
D x 0 Ay:
Die 1 n Matrix x 0 wird also mit der n 1 -Matrix Ay multipliziert. Die Matrix A
ist hierbei symmetrisch:
A0 D A , aij D aj i
für 1 6 i; j 6 n:
Einheitsvektoren und Standardbasis Der Rn ist der »Standardraum« der Dimension n, und jeder n-dimensionale Vektorraum ist zu diesem isomorph. Die Standardbasis des Rn besteht aus den Einheitsvektoren
e1 D .1; 0; : : : ; 0/0 ;
e2 D .0; 1; : : : ; 0/0 ;
::
:
en D .0; 0; : : : ; 1/0 ;
und jeder Vektor hat die Darstellung
x D .x1 ; : : : ; xn /0 D
n
X
iD1
xi ei :
53
Elemente der Linearen Algebra
15-A
Das Standardskalarprodukt des Rn ist
x y ´ hx ; yi ´
n
X
xi yi :
i D1
Es ist also dadurch erklärt, dass
(
1;
hei ; ej i D ıij ´
0;
i Dj
i ¤j
;
seine Darstellungsmatrix
0
.hei ; ej i/ij
1
B ::
D@ :
0
:::
::
:
:::
1
0
:: C D E
n
:A
1
ist also die n -dimensionale Einheitsmatrix. Die Darstellung ( ) wird somit zu
x y D hx ; yi D x 0 y:
Wegen hei ; ej i ist die Standardbasis insbesondere auch eine Orthonormalbasis.
P
Die Koeffizienten eines Vektors x D niD1 xi ei erhält man daher als
xi D hei ; xi;
1 6 i 6 n:
Betrachte nun eine lineare Abbildung
AW Rn ! Rm :
Die Koeffizienten der Matrixdarstellung von A sind dann gegeben durch
Aej D
n
X
aij ei D .a1j ; : : : ; amj /0 ;
aij D hei ; Aej i:
i D1
Die j -te Spalte von A D .aij / besteht daher gerade aus den Koeffizienten des
Vektors Aej .
15-B
Die totale Ableitung
54
Betrachte schließlich noch einmal den wichtigen Fall eines linearen Funktionals,
LW Rn ! R:
Dieses wird dargestellt durch eine 1 n-Matrix .l1 ; : : : ; ln / mit Koeffizienten
lj D Lej ; 1 6 j 6 n;
P
und es ist für x D jnD1 xj ej
Lx D
n
X
xj Lej D
j D1
n
X
lj xj D hl ; xi D l 0 x;
j D1
also das Skalarprodukt von x mit dem Vektor l D .l1 ; : : : ; ln /0 .
Die Umkehrung gilt natürlich ebenfalls. Jeder Vektor l 2 Rn definiert durch
L D hl ; iW Rn ! R;
Lx D hl ; xi
ein lineares Funktional.
15-B
Die totale Ableitung
Sei nun ˝ Rn offen, und
f W ˝ ! Rm
eine Abbildung.
Definition Eine Abbildung f W ˝ ! Rm heißt (total) differenzierbar im Punkt
x 2 ˝ , wenn es eine lineare Abbildung
AW Rn ! Rm
gibt, so dass
(1)
1 ˇˇ
f .x C h/
h!0 jhj
lim
f .x/
ˇ
Ahˇ D 0:
Man nennt A die (totale) Ableitung von f in x , geschrieben
A D Df .x/:
o
55
Die totale Ableitung
15-B
Andere Bezeichnungen für Df :
@f
;
@x
fx :
Definition Sei ˝0 Rn eine Umgebung von 0 , und gW ˝0 ! Rm . Dann ist
g D o.h/;
gelesen » g ist klein Oh von h«, falls
lim
h!0
jg.h/j
D 0:
jhj
o
15.1 Satz Für eine Abbildung f W ˝ ! Rm sind die folgenden Aussagen äquivalent.
(i) f ist differenzierbar in x 2 ˝ , und es ist Df .x/ D A.
(ii) Es gibt eine lineare Abbildung AW Rn ! Rm , so dass
f .x C h/ D f .x/ C Ah C o.h/:
(iii) Es gibt eine lineare Abbildung AW Rn ! Rm und eine in 0 stetige und dort
verschwindende Funktion "W ˝0 ! Rm , ˝0 eine Umgebung von 0 , so dass
f .x C h/ D f .x/ C Ah C ".h/jhj:
15.2
o
Satz Ist f W ˝ ! Rm in x 2 ˝ differenzierbar, so gilt:
(i) Die Funktion f ist im Punkt x stetig.
(ii) Die Ableitung Df .x/ ist eindeutig bestimmt. o
Definition Eine Abbildung f W ˝ ! Rm heißt (total) differenzierbar auf ˝ ,
wenn f in jedem Punkt von ˝ differenzierbar ist. o
15-B
Die totale Ableitung
56
Eine Ableitung definiert in diesem Fall eine neue Abbildung
Df W ˝ ! L.Rn ; Rm /;
x 7! Df .x/;
die jedem Punkt x 2 ˝ die lineare Abbildung Df .x/W Rn ! Rm zuordnet.
15.3
Kettenregel Seien ˝ Rn und V Rm offen, und
f W ˝ ! Rn ;
gW V ! Rl ;
Abbildungen mit f .˝/ V . Ist f in x 2 ˝ und g in f .x/ 2 V differenzierbar,
so ist auch
h D g B f W ˝ ! Rl
in x differenzierbar, und es gilt
Dh.x/ D Dg.f .x// Df .x/:
o
Definition Eine Teilmenge M Rn heißt wegzusammenhängend, oder einfach
zusammenhängend, wenn es zu je zwei Punkten x; y 2 M eine differenzierbare
Kurve
' W Œ0; 1 ! M
mit '.0/ D x und '.1/ D y gibt. o
Definition Eine Teilmenge M Rn heißt ein Gebiet, falls sie offen und zusammenhängend ist. o
Gebiete werden wir üblicherweise mit G bezeichnen.
15.4
Satz Sei G Rn ein Gebiet, und f W G ! Rm differenzierbar. Ist dann
Df .x/ D 0
auf ganz G , so ist f konstant. o
Bemerkung. Alles, was in diesem Abschnitt über die totale Ableitung gesagt
wurde, gilt wörtlich auch für Abbildungen zwischen beliebigen Banachräumen. Ist
57
Partielle Ableitungen
15-C
also ˝ F eine offene Teilmenge eines Banachraumes F , und
fW ˝!E
eine Abbildung in einen anderen Banachraum E , so heißt f im Punkt x 2 ˝
differenzierbar, wenn es eine beschränkte lineare Abbildung
AW F ! E
gibt, so dass
f .x C h/ D f .x/ C Ah C o.h/:
Und so weiter. (
15-C
Partielle Ableitungen
Sei weiterhin ˝ Rn offen,
f W ˝ ! Rm :
Definition Eine Abbildung f W ˝ ! Rn heißt im Punkt x 2 ˝ partiell differenzierbar nach der j -ten Variable, falls die auf einem kleinen Intervall I um xj
definierte Funktion
Fj W I ! Rm ;
F .t/ D f .x1 ; : : : ; xj
1 ; t; xj C1 ; : : : ; xn /
an der Stelle t D xj differenzierbar ist. Die Ableitung
Dj f .x/ ´
d
Fj .xj /
dt
heißt die partielle Ableitung von f nach der j -ten Variable an der Stelle x . o
Andere Bezeichnungen für Dj f .x/ sind
fxj .x/;
@f
.x/;
@xj
f;j .x/:
Für eine vektorwertige Funktion erhalten wir die partiellen Ableitungen mit Hilfe
der partiellen Ableitungen der Komponenten:
15-C
Partielle Ableitungen
0
1
f1
B
C
f D @ ::: A ;
fn
58
0
1 0
1
Dj f1
f1;j
B
C B
C
Dj f D @ ::: A D @ ::: A :
Dj fm
fm;j
15.5 Satz und Definition Ist f W ˝ ! Rm in x 2 ˝ total differenzierbar, so
existieren sämtliche partielle Ableitungen von f in x , und bezüglich der Standardbasen gilt
0
1
D1 f1 .x/ : : : Dn f1 .x/
B
C
::
::
Df .x/ D @
A:
:
:
D1 fm .x/
:::
Dn fm .x/
Diese Matrix wird die Jacobimatrix von f genannt. o
Die Jacobimatrix besteht also aus den Spaltenvektoren D1 f .x/; : : : ; Dn f .x/.
15.6 Satz Existieren sämtliche partiellen Ableitungen von f W ˝ ! Rm und
sind diese stetig auf ˝ , so ist f auch total differenzierbar auf ˝ , und Df wird
durch die Jacobimatrix von f dargestellt. o
Definition Eine Abbildung f W ˝ ! Rm heißt von der Klasse C 1 , oder ist C 1 ,
wenn sämtliche partiellen Ableitungen D1 f; : : : ; Dn f auf ˝ existieren und dort
stetig sind. Die Klasse aller solchen Funktionen wird mit C 1 .˝; Rm / bezeichnet. o
Im Falle skalarer Funktionen schreiben wir kürzer
C 1 .˝/ D C 1 .˝; R/:
Definition Für x; y 2 Rn bezeichnet
Œx; y ´ ftx C .1
t/y W 0 6 t 6 1g
die Verbindungsstrecke zwischen x und y . o
59
Partielle Ableitungen
15.7
15-D
Hadamard Lemma Sei f 2 C 1 .˝; Rm / und Œx; x C h ˝ . Dann gilt
Z 1
f .x C h/ f .x/ D Lh;
LD
Df .x C t h/ dt:
o
0
15.8
Korollar 1 Sei f 2 C 1 .˝; Rm / und Œx; y ˝ . Dann gilt
jf .x/
f .y/j 6 max kDf ./k jx
2Œx;y
yj;
wobei k k die durch j j induzierte Matrizennorm bezeichnet. o
15.9
Korollar 2 Ist f 2 C 1 .˝; Rm / , so ist f lokal Lipschitz. o
Definition Sei f W ˝ ! Rm , x 2 ˝ und e 2 Rn ein Einheitsvektor. Dann heißt
ˇ
ˇ
d
@f
.x/ ´ f .x C te/ ˇˇ ;
De f .x/ ´
@e
dt
tD0
falls diese Ableitung existiert, die Richtungsableitung von f an der Stelle x in Richtung e . o
Es ist also
@f
1
.x/ D lim .f .x C te/
t !0 t
@e
f .x//:
Partielle Ableitungen sind somit spezielle Richtungsableitungen:
Dj f .x/ D
@f
@f
.x/ D
.x/:
@xj
@ej
Und ist f total differenzierbar in x , gilt außerdem
ˇ
ˇ
d
@f
.x/ D f .x C te/ ˇˇ
@e
dt
t D0
n
X
@f
D Df .x/ e D
.x/ej :
@xj
j D1
15-D
Skalare Funktionen
15-D
60
Skalare Funktionen
Sei nun speziell m D 1 , also
f W ˝ ! R:
Der Graph einer solchen Funktion bildet eine sogenannte Hyperfläche im RnC1 :
G.f / D f.x; f .x// W x 2 ˝ g Rn R:
Definition Ist f 2 C 1 .˝/, so heißt der Vektor
.grad f /.x/ D .D1 f .x/; : : : ; Dn f .x//0
der Gradient von f an der Stelle x . o
Der Gradient ist also ein Spaltenvektor, dessen Komponenten die ersten partiellen
Ableitungen von f sind.
Eine andere, unter Physikern und Ingenieuren sehr beliebte Bezeichnungsweise
für den Gradienen verwendent den Nabla-Operator
0
1
D1
0
B
C
r D @ ::: A D @x1 ; : : : ; @xn :
Dn
Die Komponenten von r sind also die partiellen Ableitungsoperatoren D1 ; : : : ; Dn ,
und rf steht für das ›Produkt‹ aus dem Vektor r mit dem Skalar f :
0
1
0
1
@x1
@ x1 f
B
C
B
C
rf D @ ::: A f D @ ::: A D grad f:
@xn
@xn f
Somit ist
Df h D rf h D hrf ; hi:
Dies kann man auch noch in folgender Form schreiben. Es ist
hr D
n
X
j D1
somit
hj @xj ;
61
Skalare Funktionen
n
X
.h r/f D
15-D
.hj @xj /f
j D1
n
X
D
@xjf hj D rf h D Df h:
j D1
15.10 Mittelwertsatz Ist f 2 C 1 .˝/ und Œx; x C h ˝ , so gilt
Z 1
f .x C h/ f .x/ D
hrf .x C th/ ; hi dt D hrf ./ ; hi
0
für ein 2 Œx; x C h. o
Die Richtung des stärksten Anstiegs
15.11 Satz Sei f 2 C 1 .˝/ und x 2 ˝ . Ist rf .x/ ¤ 0, so ist rf .x/ die
Richtung des stärksten Anstiegs von f im Punkt x , und rf .x/ die Richtung des
stärksten Abstiegs. o
Betrachte für f 2 C 1 .˝/ sein Gradientenfeld
rf W ˝ ! Rn ;
x 7! rf .x/:
Dies ist ein Vektorfeld auf ˝ , definiert also eine gewöhnliche DGl
xP D rf .x/;
x 2 ˝:
Dessen Lösungskurve zum Anfangswert x beschreibt genau den Weg des steilsten
Anstiegs der Funktion f vom Punkt x aus.
Definition Die Nullstellen des Gradientenfeldes rf einer Funktion f 2 C 1 .˝/
heißen kritische Punkte von f . o
Definition Eine Funktion f W ˝ ! R besitzt in x0 2 ˝ ein lokales Minimum
bzw lokales Maximum, wenn es eine Kugel Br .x0 / ˝ gibt, so dass
f .x0 / 6 f .x/
bzw
f .x0 / > f .x/
15-E
Höhere partielle Ableitungen
62
für alle x 2 Br .x0 / gilt. Der Punkt x0 selbst heißt der lokale Minimierer bzw
Maximierer von f . o
Minima und Maxima werden zusammen als Extrema bezeichnet.
15.12 Satz von Fermat Besitzt die Funktion f 2 C 1 .˝/ im Punkt x0 2 ˝ ein
lokales Extremum, so gilt
rf .x0 / D 0:
o
Die Umkehrung gilt natürlich nicht – sie gilt ja bereits im eindimensionalen Fall
nicht.
Definition Ist f 2 C 1 .˝/ und x0 2 ˝ , so heißt der Graph der Funktion
T W Rn ! R;
x 7! z D f .x0 / C hrf .x0 / ; x
x0 i
die Tangentialebene an den Graphen von f im Punkt .x0 ; f .x0 //. o
Mit anderen Worten: Es ist
rf .x0 / .x
x0 / C 1 .z
z0 / D 0;
z0 D f .x0 /:
Somit ist
.x0 / ´ . rf .x0 /; 1/ 2 Rn R
ein Normalenvektor an die Tangentialebene im Punkt .x0 ; f .x0 // .
15-E
Höhere partielle Ableitungen
Wir schreiben im Folgenden ˝ statt ˝ . – Betrachte weiter
f W ˝ ! Rm ;
x 7! f .x/ D f .x1 ; : : : ; xn /:
Definiere induktiv die r-te partielle Ableitung
Djr : : : Dj2 Dj1 f D
@r f
D fxj1 xj2 :::xjr
@xjr : : : @xj1
für r > 2 durch
Djr : : : Dj2 Dj1 f D Djr .Djr
1
: : : Dj1 f /:
63
Höhere partielle Ableitungen
15-E
15.13 Satz von Schwarz Sei f 2 C 1 .˝; Rm / , und seien x und y irgendzwei
Koordinaten auf ˝ . Existiert die zweite partielle Ableitung fxy auf ˝ , und ist sie
dort stetig, so existiert auch fyx , und es gilt
fxy D fyx :
o
Definition Sei ˝ Rn offen und r > 1. Besitzt f W ˝ ! Rm auf ˝ sämtliche
partiellen Ableitungen bis zur Ordnung r , und sind diese dort auch stetig, so heißt
f von der Klasse C r . Der Raum aller dieser Funktionen wird mit
C r .˝; Rm /
bezeichnet. o
Es ist leicht zu zeigen, dass C r .˝; Rm / ein linearer Raum ist. Im Fall m D 1
schreibt man wieder
C r .˝/ D C r .˝; R/:
Schließlich ist noch
C 1 .˝; Rm / D
\
C r .˝; Rm /
r>1
der Raum aller unendlich oft auf ˝ differenzierbaren Abbildungen. Solche Abbildungen nennt man auch glatt.
15.14 Satz Ist f 2 C r .˝; Rm / , so ist Djr : : : Dj2 Dj1 f unabhängig von der
Reihenfolge der partiellen Ableitungen. o
Ist
f W ˝ ! Rm
total differenzierbar, so ist
Df W ˝ ! L.Rn ; Rm /:
Ist diese Abbildung wiederum total differenzierbar, so wird
D 2f D D.Df /W ˝ ! L.Rn ; L.Rn ; Rm / D L.Rn Rn ; Rm /:
15-F
Die Taylorsche Formel
64
Und so weiter . . .
D rf W ˝ ! L.Rn Rn ; Rm /
ist eine r-lineare Abbildung mit Werten in Rm .
15-F
Die Taylorsche Formel
Es ist
hh ; ri D
n
X
hk Dk D
kD1
n
X
hk @xk
kD1
ein Differentialoperator, der wie folgt auf eine Funktion angewendet wird:
hh ; rif D
n
X
hk fxk :
kD1
Dies kann man auch iterieren:
hh ; rik f ´ hh ; ri hh ; rif:
15.15 Satz von Taylor Ist f 2 C rC1 .˝; Rm / und Œx; x C h ˝ , so gilt
f .x C h/ D
r
X
1
.hh ; rikf /.x/ C Rr;x .h/
kŠ
kD0
mit
Rr;x .h/ D
1
rŠ
Z
1
.1
t/r .hh ; rirC1f /.x C t h/ dt:
o
0
Für eine skalare Funktion kann auf das Restglied der verallgemeinerte Mittelwertsatz der Integralrechnung angewendet werden.
15.16 Zusatz Im Fall m D 1 gilt außerdem
Rr;x .h/ D
für ein 2 .0; 1/. o
1
.hh ; rirC1f /.x C h/
.r C 1/Š
65
Die Taylorsche Formel
15-F
Ein Multiindex ˛ ist ein Vektor mit ganzzahligen, nicht-negativen Komponenten:
˛ D .˛1 ; : : : ; ˛n / 2 Nn0 :
Für solche Indizes definiert man Potenzen wie folgt: Für x 2 Rn ist
x ˛ ´ x1˛1 : : : xn˛n :
Analog für Differentialoperatoren:
D ˛ ´ D1˛1 : : : Dn˛n ;
D ˛f ´ D1˛1 : : : Dn˛nf:
Ferner setzen wir noch
˛Š ´ ˛1 Š ˛n Š ;
j˛j ´ ˛1 C C ˛n :
j˛j heißt die Länge oder Ordnung von ˛ . Zum Beispiel ist dann
D ˛f D
@˛x11
@j˛j
f:
@˛xnn
15.17 Lemma In einem kommutativen Ring gilt
.1 C C n /k D
n
X
j1 jk
j1 ;:::;jk D1
D
X
j˛jDk
D
kŠ
˛1 ˛nn
˛1 Š ˛n Š 1
X kŠ
˛
˛Š
j˛jDk
für k > 1 mit D .1 ; : : : ; n / . o
15.18 Korollar Es ist
X 1
1
D ˛ h˛ :
hh ; rik D
kŠ
˛Š
j˛jDk
o
15-F
Die Taylorsche Formel
66
15.19 Satz von Taylor II Ist f 2 C rC1 .˝; Rm / und Œx; x C h ˝ , so gilt
f .x C h/ D
r
X
1 ˛
D f .x/h˛ C Rr;x .h/
˛Š
j˛jD0
mit
1
Z
Rr;x .h/ D .r C 1/
.1
0
t/r
X
j˛jDrC1
1 ˛
D f .x C t h/h˛ dt:
˛Š
Im Fall m D 1 gilt außerdem
X 1
D ˛f .x C h/h˛
Rr;x .h/ D
˛Š
j˛jDrC1
für ein 2 .0; 1/. o
15.20 Satz Für f 2 C 2 .˝/ und Œx; x C h ˝ gilt
f .x C h/ D f .x/ C
n
X
fxj .x/hj C
j D1
n
1 X
fxi xj .x C h/hi hj
2
i;j D1
für ein 2 .0; 1/. o
Definition Für f 2 C 2 .˝/ heißt
Hf .x/ ´ D 2f .x/ ´ .fxi xj .x//16i;j 6n
die Hesse-Matrix oder Hessische von f an der Stelle x . o
15.21 Korollar Für f 2 C 2 .˝/ und Œx; x C h ˝ gilt
1
f .x C h/ D f .x/ C hrf .x/ ; hi C hAh ; hi
2
mit A D Hf .x C h/ für ein 2 .0; 1/. o
67
Lokale Extrema und Konvexität
15-G
Definition Eine Funktion
Rn ! R;
x 7! x ˛
heißt Monom in n Variablen vom Grad j˛j . Eine Funktion
X
Rn ! R; x 7!
a˛ x ˛
j˛j6N
mit reellen Koeffizienten a˛ heißt Polynom in n Variablen, sein Grad ist
max fj˛j W a˛ ¤ 0g:
o
15.22 Satz Ist f 2 C rC1 .˝/ und
D ˛f D 0;
jaj D r C 1;
so ist f ein Polynom höchstens r-ten Grades. o
Taylorreihe
15.23 Satz Sei f 2 C 1 .˝; Rm /, und es gebe Konstanten r > 0 und M > 0 , so
dass
1
M
x 2 Br .x0 /;
jD ˛f .x/j 6 j˛j ;
˛Š
r
für alle Multiindizes ˛ . Dann ist die Taylorreihe
1 X
X
1 ˛
D f .x0 /.x
˛Š
x0 /˛
rD0 j˛jDr
auf jeder Kugel Bs .x0 / mit s < r absolut und gleichmäßig konvergent und stimmt
dort mit der Funktion f überein. o
15-G
Lokale Extrema und Konvexität
Weiterhin sei ˝ Rn offen, und
f W ˝ ! R:
15-G
Lokale Extrema und Konvexität
68
Definition Eine Funktion f W ˝ ! R besitzt in x0 2 ˝ ein lokales Minimum
bzw Maximum, wenn es eine Umgebung ˝ ˝ von x0 gibt, so dass
f .x/ > f .x0 / bzw f .x/ 6 f .x0 /;
x 2 ˝:
Das Minimum oder Maximum heißt strikt, wenn außerdem
f .x/ ¤ f .x0 /
für alle x 2 ˝ r fx0 g. Der Punkt x0 selbst heißt (strikter) lokaler Minimierer bzw
Maximierer von f . o
15.24 Satz Ist x0 2 ˝ eine lokale Extremstelle von f 2 C 1 .˝/, so ist
Df .x0 / D 0:
o
15.25 Korollar Ist x0 2 ˝ eine lokale Extremstelle von f 2 C 2 .˝/, so gilt für
alle hinreichend kleinen h 2 Rn die Identität
1
f .x0 C h/ D f .x0 / C hh ; A./hi
2
mit A. / D D 2f .x0 C h/ und einem geeigneten 2 .0; 1/. o
Darstellung in Integralform:
1
Z
f .x0 C h/ D f .x0 / C
.1
t/hh ; A.t/hi dt
0
mit A.t / D D 2f .x0 C th/.
Definite Matrizen
Sei S.n/ der Raum aller reellen, symmetrischen n n-Matrizen:
S.n/ Š Rn.nC1/=2 :
Definition Eine Matrix A 2 S.n/ heißt
(i) positiv definit, geschrieben A > 0 , falls
h ; Ai > 0;
2 Rn r f0g;
(ii) positiv semidefinit, geschrieben A > 0 , falls
h ; Ai > 0;
2 Rn ;
69
Lokale Extrema und Konvexität
(iii) negativ semidefinit, geschrieben A 6 0, falls
(iv) negativ definit, geschrieben A < 0 , falls
15-G
A > 0,
A > 0,
(v) indefinit in allen anderen Fällen. o
15.26 Proposition Für eine Matrix A 2 S.n/ sind äquivalen:
(i) A ist positiv definit.
(ii) Es gibt ein > 0 , so dass
h ; Ai > jj2 ;
(iii) Es gibt ein > 0 , so dass A
2 Rn :
E > 0. o
15.27 Proposition Sind 1 6 2 6 6 n die Eigenwerte von A 2 S.n/, so
gilt:
(i) A > 0 , 1 > 0,
(ii) A > 0 , 1 > 0 ,
(iii) A 6 0 , n 6 0 ,
(iv) A < 0 , n < 0,
(v) A ist indefinit , 1 n < 0. o
Definition Die Haupt-Unterdeterminanten einer Matrix A D .aij /16i;j 6n sind
die Determinanten der Matrizen
A.k/ D .aij /16i;j 6k ;
k D 1; : : : ; n:
o
15.28 Proposition Eine Matrix A 2 S.n/ ist positiv definit genau dann, wenn alle
ihre Haupt-Unterdeterminanten positiv sind. o
Für eine symmetrische 2 2 -Matrix gilt also
a b
> 0 , a > 0 ^ ad b 2 > 0:
b d
15-G
Lokale Extrema und Konvexität
70
15.29 Proposition Sei AW ˝ ! S.n/ stetig und A.x0 / > 0. Dann existiert eine
Umgebung ˝ ˝ von x0 , so dass
A.x/ > 0;
x 2 ˝:
o
Bemerkung. Aus dieser Proposition folgt, dass die Menge
fx 2 ˝ W A.x/ > 0g
offen ist. (
Lokale Extrema
15.30 Satz Sei f 2 C 2 .˝/. Ist x0 2 ˝ ein lokaler Minimierer von f , so gilt
D 2f .x0 / > 0:
o
15.31 Satz Sei f 2 C 2 .˝/. Ist x0 2 ˝ ein kritischer Punkt von f , und gilt
D 2f .x/ > 0
für x in einer Umgebung von x0 , so ist x0 ein lokaler Minimierer. Gilt sogar
D 2f .x0 / > 0;
so ist x0 ein strikter lokaler Minimierer. o
Definition Sei f 2 C 2 .˝/ mit ˝ R2 . Ein kritischer Punkt x0 2 ˝ von f
heißt Sattelpunkt, falls
det D 2f .x0 / < 0:
o
Definition Sei f 2 C 2 .˝/. Ein kritischer Punkt x0 2 ˝ von f heißt nichtdegeneriert, falls
det D 2f .x0 / ¤ 0;
andernfalls heißt er degeneriert. o
71
Lokale Extrema und Konvexität
15-G
15.32 Lemma von Morse Die Funktion f 2 C 3 .˝/ besitze in x0 2 ˝ einen
nichtdegenerierten kritischen Punkt. Dann existieren um x0 neue Koordinaten so,
dass
f ./ D f .x0 / C 12 C C k2
2
kC1
n2 :
Hierbei ist 0 6 k 6 n die Anzahl der positiven Eigenwerte von Hf .x0 /. o
Das Maximumprinzip für harmonische Funktionen
Zur Erinnerung: Eine C 2 -Funktion uW ˝ ! R heißt harmonisch, falls
u D
n
X
uxi xi D 0:
iD1
15.33 Maximumprinzip Sei ˝ ein beschränktes Gebiet und u 2 C 0 . x̋ /\C 2 .˝/
in ˝ harmonisch. Dann gilt:
(i) Die Funktion u nimmt ihr Maximum auf dem Rand an:
max u D max u:
x̋
@˝
(ii) Ebenso nimmt juj sein Maximum auf dem Rand an:
max juj D max juj:
x̋
@˝
(iii) Ist u auf dem Rand konstant, so auch auf ganz ˝ .
(iv) Nimmt u sein Maximum in einem Punkt in ˝ an, so ist u konstant. o
15.34 Korollar 1 Sei ˝ ein beschränktes Gebiet, und u 2 C 2 .˝/ sei auf ˝
harmonisch und nicht konstant. Dann besitzt u in ˝ weder einen Minimierer noch
einen Maximierer. o
15.35 Korollar 2 Sei ˝ ein beschränktes Gebiet, und W @˝ ! R stetig. Dann
gibt es zu der Randwertaufgabe
u D 0
uD
in ˝;
auf @˝
höchstens eine Lösung u 2 C 0 . x̋ / \ C 2 .˝/. o
15-G
Lokale Extrema und Konvexität
72
Kleine Schwingungen
15.36 Satz Ist A 2 S.n/ positiv definit, so bestehen alle Lösungen von
xR D
Ax
aus Überlagerungen von Schwingungen, deren Frequenzen gerade die Wurzeln der
Eigenwerte von A sind. o
Konvexität
Definition Eine Teilmenge K eines reellen Vektorraumes heißt konvex, wenn mit
x; y immer auch die Verbindungsstrecke
Œx; y ´ f.1
t/x C ty W 0 6 t 6 1g
zu K gehört. o
Definition Sind x1 ; : : : ; xm Elemente eines reellen Vektorraumes und 1 ; : : : ; m
nichtnegative reelle Zahlen mit 1 C C m D 1 , so heißt
x ´ 1 x1 C C m xm
eine Konvexkombination der Punkte x1 ; : : : ; xm > o
15.37 Satz Eine Teilmenge K eines reellen Vektorraumes ist konvex genau dann,
wenn jede Konvexkombination aus Punkten in K wieder in K liegt. o
Definition Eine auf einer konvexen Teilmenge K eines reellen Vektorraumes E
definierte Funktion f W K ! R heißt konvex, wenn
f ..1
t /x C ty/ 6 .1
t/f .x/ C tf .y/
für alle x; y 2 K und alle t 2 Œ0; 1. Sie heißt strikt konvex, wenn für x ¤ y und
t 2 .0; 1/ die strikte Ungleichung gilt. o
Definition Die Menge
Epi.f / ´ f.x; z/ 2 E R W x 2 K ^ z > f .x/g
heißt Epigraph der Funktion f W K ! R . o
73
Lokale Extrema und Konvexität
15-H
15.38 Satz Eine auf einer konvexen Menge K definierte Funktion f W K ! R ist
konvex genau dann, wenn ihr Epigraph konvex ist. o
Definition Eine auf einer konvexen Menge K definierte Funktion f W K ! R
heißt (strikt) konkav, wenn f W K ! R (strikt) konvex ist. o
15.39 Satz Sei ˝ Rn offen und konvex. Dann ist die Funktion f 2 C 1 .˝/
konvex genau dann, wenn
f .x C h/ > f .x/ C hrf .x/ ; hi;
x; x C h 2 ˝:
Sie ist strikt konvex genau dann, wenn für h ¤ 0 die strikte Ungleichung gilt. o
15.40 Satz Sei ˝ Rn offen und konvex, und f 2 C 2 .˝/. Dann gilt:
(i) f ist konvex genau dann, wenn Hf > 0 auf ˝ .
(ii) Ist Hf > 0 auf ˝ , so ist f strikt konvex. o
Bemerkung. Die Umkehrung der zweiten Aussage gilt nicht: Aus der strikten
Konvexität von f folgt nicht Hf > 0. (
15.41 Anwendung Eine skalare C 2 -Funktion f besitzt in einem Punkt x0 ein
lokales Extremum genau dann, wenn ihr Graph in x0 eine horizontale Stützebene
besitzt. o
15.42 Satz Ist f W ˝ ! R auf der offenen und konvexen Menge ˝ Rn konvex,
so ist f stetig und auf jeder kompakten Teilmenge von ˝ sogar Lipschitz. o
Bemerkung. Ist ˝ nicht offen, braucht f nicht stetig zu sein. Beispiel:
(
1; x D 0;
f W Œ0; 1/ ! R; f .x/ D
(
x; x > 0:
15-H
15-H
Invertierbare Abbildungen
74
Invertierbare Abbildungen
Weiterhin sei ˝ Rn offen. Frage: Wann ist
W ˝ ! Rm
invertierbar, also umkehrbar? Das heißt, wann können wir die Gleichung
u D .x/
nach x auflösen? In Koordinaten: Wann kann das System von m Gleichungen in n
Unbekannten,
u1 D 1 .x1 ; : : : ; xn /;
::
:
um D m .x1 ; : : : ; xn /;
nach x1 ; : : : ; xn aufgelöst werden?
Im Folgenden
m D n;
W ˝ ! Rn :
Definition Sei ˝ Rn offen und r > 0 . Eine Abbildung W ˝ ! Rn heißt ein
C r-Diffeomorphism, genauer C r-Diffeomorphismus von ˝ auf ˝ 0 , wenn gilt:
(i) ˝ 0 D .˝/ ist offen,
(ii) W ˝ ! ˝ 0 ist bijektiv,
(iii) sowohl W ˝ ! ˝ 0 als auch 1
W ˝ 0 ! ˝ sind C r .
Ein C 0 -Diffeomorphismus heißt Homöomorphismus. o
75
Invertierbare Abbildungen
15-H
Definition Sei 2 C 1 .˝; Rn /. Dann heißt
J .x/ ´ det D.x/
die Jacobimatrix von an der Stelle x . Ist J .x/ ¤ 0 , so heißt x regulärer Punkt
von . o
15.43 Satz Ist W ˝ ! Rn ein Diffeomorphismus, so ist jeder Punkt in ˝ ein
regulärer Punkt, also
J .x/ ¤ 0:
o
Definition Eine C 1 -Abbildung W ˝ ! Rn heißt lokaler Diffeomorphismus um
x0 2 ˝ , falls es in ˝ eine Umgebung ˝ von x0 gibt, so dass die Einschränkung
von auf ˝ ein Diffeomorphismus ist. o
Man sagt auch, ist lokal um x0 diffeomorph.
15.44 Satz von der inversen Abbildung (Kurzfassung)
ren Punkt ist eine C 1 -Abbildung diffeomorph. o
Lokal um einen regulä-
15.45 Satz von der inversen Abbildung (Langfassung)
x0 2 ˝ . Gilt
Sei 2 C 1 .˝; Rn / und
J .x0 / ¤ 0;
so existieren offene Umgebungen ˝ von x0 und ˝ 0 von .x0 / , so dass ein C 1 Diffeomorphismus von ˝ auf ˝ 0 ist. o
Man kann also sagen: Ist das linearisierte Problem lösbar, so ist das nichtlineare
Problem lokal lösbar.
Ein Spezialfall
Nehmen an:
x0 D 0;
Sei O D id
D.x0 / D E:
der »nichtlineare Anteil von «, also
O
D id C :
15-H
Invertierbare Abbildungen
76
Dann ist O ebenfalls stetig differenzierbar, mit
O
.0/
D 0;
O
D .0/
D 0:
Bezeichnung: Für W ˝ ! Rn ist
Lip˝ ´ sup
x¤y
j.x/
jx
.y/j
:
yj
ist Lipschitz genau dann, wenn Lip < 1. In diesem Fall ist Lip die kleinstmögliche Lipschitzkonstante von .
15.46 Proposition A Sei W B2r ! Rn eine Lipschitz-stetige Abbildung mit
.0/ D 0;
LipB2r .
id/ 6 1=4:
Dann existiert eine Lipschitz-stetige Abbildung
.0/ D 0;
so dass B
Schritt 1
LipBr .
W Br ! B2r mit
id/ 6 1=2;
D id. o
Setze
˚
X D v 2 C 0 .˝; Rn / W v.0/ D 0; LipBr v 6 1=2 :
Behauptung: X mit der Supremumsnorm j j1;˝ ist ein vollständiger metrischer
Raum.
Schritt 2
Definiere einen Operator T auf X durch
Tv D
O B .id C v/;
v 2 X:
Behauptung: Es ist T v 2 X , somit T W X ! X .
Schritt 3
Behauptung: T W X ! X ist eine Kontraktion.
Schritt 4 Ist O 2 X der eindeutige Fixpunkt von T , so leistet
Gewünschte.
15.47 Proposition B Ist W ˝ ! Rn Lipschitz mit
Lip˝ .
so ist injektiv. o
id/ < 1;
D id C O das
77
Invertierbare Abbildungen
15-H
15.48 Proposition C Ist W B2r ! Rn Lipschitz mit
.0/ D 0;
LipB2r .
id/ 6 1=4;
so ist ein Homöomorphismus einer Umgebung U von 0 auf Br , und es gilt
'
1
.0/ D 0;
1
LipBr .
id/ 6 1=2:
o
Bemerkung. Man kann leicht zeigen, dass
LipBr .
1
id/ 6
1
;
D LipB2r .
id/:
(
15.49 Proposition D Ist in Proposition C die Abbildung stetig differenzierbar,
so ist ein C 1-Diffeomorphismus von U auf Br . o
Der allgemeine Fall
15.50 Satz
(i) Ist ein C r-Diffeomorphismus von ˝ auf ˝ 0 , so ist 1 ein
r
C -Diffeomorphismus von ˝ 0 auf ˝ .
(ii) Sind und
C r-Diffeomorphismen von ˝ auf ˝ 0 und ˝ 0 auf ˝ 00 ,
respektive, so ist B ein C r-Diffeomorphismus von ˝ auf ˝ 00 . o
Koordinatentransformationen
Ein Diffeomorphismus kann aufgefasst werden als eine Koordinatentransformation.
Ist
W ˝ ! ˝ 0;
x 7! u D .x/
ein Diffeomorphismus von ˝ auf ˝ 0 , so führt auf ˝ 0 neue Koordinaten x durch
u D .x/ ein.
Sei R2C D Œ0; 1/ R , und
r
x
r cos 2
2
f W RC ! R ;
7!
D
:
y
r sin Polarkoodinaten
Jacobimatrix und -determinante:
cos r sin Df D
;
sin r cos Jf D r:
15-I
1F
Implizite Funktionen
78
Transformation des Laplaceoperators: Für
u.x; y/ D u.r cos ; r sin / ´ v.r; /
erhält man
1
1
uxx C uyy D vrr C vr C 2 v :
r
r
G
Mit R3C D Œ0; 1/ R2 definiere
0 1
0 1 0
1
r
x
r sin cos f W R3C ! R3 ; @ A 7! @ y A D @ r sin sin A :
z
r cos
Kugelkoordinaten
Jacobimatrix:
0
sin cos @
Df D sin sin cos
r cos cos r cos sin r sin
Jacobideterminante:
Jf D r 2 sin :
15-I
Implizite Funktionen
Betrachte
f .u; v/ D u2 C v 2 ;
und die Gleichung
f .u; v/ D c:
1
sin cos A
r sin
r sin
.u; v/ 2 R R;
0
79
Implizite Funktionen
15-I
Lokales Problem:
f .u; v/ D c0 ;
c0 D f .u0 ; v0 /
für .u; v/ nahe bei .u0 ; v0 /. Linearisierte Gleichung:
f .u; v/ D f .u0 ; v0 / C fu .u0 ; v0 /.u
u0 / C fv .u0 ; v0 /.v
v0 /;
wobei im allgemeinen Fall
fu D .@fi =@uk /;
fv D .@fi =@vl /
Jacobimatrizen darstellen. Die Gleichung f .u; v/ D f .u0 ; v0 / ist dann nach u
auflösbar, falls
fu .u0 ; v0 / regulär:
Dann ist
u
u0 D fu 1 .u0 ; v0 / fv .u0 ; v0 /.v
v0 /:
Sei ˝ Rn offen, sei n > m , und
f W ˝ ! Rm ;
x 7! f .x/:
Schreibe x als Paar von Koordinaten u und v :
x D .x1 ; : : : ; xn / D .u1 ; : : : ; um ; v1 ; : : : ; vn
m/
D .u; v/;
und f .x/ D f .u; v/. Fixiere x0 D .u0 ; v0 / 2 ˝ , und wähle eine Umgebung
U V ˝ Rm Rn
m
von .u0 ; v0 /. Betrachte dann
f W U V ! Rm ;
.u; v/ 7! f .u; v/:
15-I
Implizite Funktionen
80
15.51 Satz über implizite Funktionen Sei U V Rm Rn
m
offen,
f W U V ! Rm
stetig differenzierbar, und .u0 ; v0 / 2 U V . Ist
det fu .u0 ; v0 / ¤ 0;
so existieren eine Umgebung U0 V0 von .u0 ; v0 / und eine stetig differenzierbare
Abbildung
' W V0 ! U0 ;
u D '.v/;
so dass
f.u; v/ 2 U0 V0 W f .u; v/ D c0 g D f.'.v/; v/ W v 2 V0 g
für c0 D f .u0 ; v0 / . o
Im »Fenster« U0 V0 um .u0 ; v0 / ist somit die Niveaumenge
ff D c0 g;
also die Menge der Lösungen der Gleichung f .u; v/ D c0 mit .u; v/ 2 U0 V0 ,
gerade der Graph der Abbildung ' . Insbesondere ist '.v0 / D u0 .
15.52 Fortsetzung Für die Ableitung von ' gilt
'v .v/ D
fu 1 .w/ fv .w/;
w D .'.v/; v/:
Ist außerdem f von der Klasse C r , so ist auch ' von der Klasse C r . o
Die implizit definierte Funktion ' ist also genauso glatt wie die definierende
Funktion f .
81
Implizite Funktionen
15.53 Satz über implizite Funktionen II (IFS)
Sei U V Rm Rn
15-I
m
offen,
f W U V ! Rm
stetig differenzierbar, und .u0 ; v0 / 2 U V . Ist
det fu .u0 ; v0 / ¤ 0;
so existieren Umgebungen U0 V0 von .u0 ; v0 / und W0 von c0 D f .u0 ; v0 / sowie
eine stetig differenzierbare Abbildung
' W V0 W0 ! U0 ;
u D '.v; c/;
so dass für jedes c 2 W0 ,
f.u; v/ 2 U0 V0 W f .u; v/ D c g D f.'.v; c/; v/ W v 2 V0 g:
Ist f außerdem C r mit 1 6 r 6 1, so ist auch ' C r . o
Im »Fenster« U0 V0 ist also sogar für jedes c nahe c0 die Niveaumenge
ff D c g darstellbar als Graph einer C 1 -Abbildung.
Ein Spezialfall
Betrachte
f W R2
.x; y/ 7! f .x; y/:
R;
Diese Notation bedeutet, dass f auf einer offenen Teilmenge von R2 definiert ist.
Fixiere p0 D .x0 ; y0 / und
c0 D f .x0 ; y0 /:
Der IFS ist anwendbar, wenn
rf .x0 ; y0 / ¤ 0;
wenn also .x0 ; y0 / ein regulärer Punkt von f ist.
15.54 Satz Sei f W R2
R stetig differenzierbar. Ist x0 ein regulärer Punkt von
f , so ist lokal um x0 die Niveaumenge
ff D c g;
c nahe c0 D f .x0 /;
der Graph einer stetig differenzierbaren Funktion ' W R
R. o
15-J
Mannigfaltigkeiten
82
Reguläre Punkte
Wir betrachten jetzt wieder die allgemeine Situation. Sei
f W Rn
Rm ;
x 7! f .x/
stetig differenzierbar. Die Frage ist: In welchen Punkten x0 können wir den IFS
anwenden?
Definition Sei f W Rn
Rm stetig differenzierbar. Ein Punkt x im Definitionsbereich von f heißt regulärer Punkt von f , falls
rang Df .x/ D m:
Andernfalls heißt er singulärer oder kritischer Punkt von f . o
Notwendigerweise ist dann m 6 n.
15.55 Satz Sei f W Rn
Rm stetig differenzierbar. Ist x0 ein regulärer Punkt
von f , so ist lokal um x0 jede Niveaumenge ff D c g mit c nahe c0 D f .x0 /
darstellbar als Graph einer stetig differenzierbaren Funktion ' W Rn m
Rm . o
Dies enthält den vorangehenden Satz mit n D 2 und m D 1.
15-J
Mannigfaltigkeiten
Definition 1 Eine nichtleere Teilmenge M des Rs heißt n-dimensionale Mannigfaltigkeit, wenn es eine offene Menge ˝ Rs und eine Abbildung f 2 C 1 .˝; Rm /
mit
rang Df .x/ D m;
x 2 ˝;
gibt, so dass
M D fx 2 ˝ W f .x/ D 0g:
o
83
Mannigfaltigkeiten
15-J
Jeder Punkt in ˝ ist also ein regulärer Punkt von f , und M ist gerade die
Nullstellenmenge von f innerhalb ˝ .
Definition 2 Eine nichtleere Teilmenge M des Rs heißt n-dimensionale Mannigfaltigkeit, wenn es eine offene Menge ˝ Rs und eine Abbildung f 2 C 1 .˝; Rm /
mit
rang Df .x/ D m;
gibt, so dass M D f
1
x 2 M;
.0/. o
Zusatz Ist in Definition 1 oder 2 sogar f 2 C r .˝; Rm / mit 1 6 r 6 1, so heißt
M eine C r-Mannigfaltigkeit. o
Definition Sei f W Rs
Rm stetig differenzierbar. Ein Punkt c 2 Rm heißt regulärer Wert von f , wenn f 1 .c/ entweder leer ist oder nur aus regulären Punkten
besteht. Andernfalls heißt c ein singulärer oder kritischer Wert von f . o
Bemerkung. Eine Abbildung f W Rs
Rm mit s < m kann keine regulä1
ren Werte c mit f .c/ ¤ ∅ haben, da die Rangbedingung nicht erfüllt werden
kann. (
15.56 Satz Ist c ein regulärer Wert eine C 1-Abbildung f W RnCm
f 1 .c/ entweder leer oder eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. o
Rm , so ist
Tangentialraum
Sei im Folgenden M D f 1 .0/ eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit im Rs mit
s > n, definiert durch eine C 1-Abbildung f W Rs
Rm mit regulärem Wert 0.
I0 bezeichne ein beliebig kleines Intervall um 0 .
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Mannigfaltigkeiten
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Definition
(i) Ein Vektor v 2 Rs heißt Tangentialvektor an M im Punkt x 2
M , wenn es eine C 1 -Kurve c W I0 ! M gibt mit
c.0/ D x;
c.0/
P
D v:
(ii) Die Menge aller Tangentialvektoren an M im Punkt x 2 M heißt der
Tangentialraum von M im Punkt x und wird mit Tx M bezeichnet. o
15.57 Satz Der Tangentialraum einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit ist in jedem Punkt ein n-dimensionaler linearer Unterraum des Umgebungsraumes. o
Definition Das orthogonale Komplement Tx? M des Tangentialraums Tx M heißt
Normalraum von M in x . Seine Elemente heißen Normalvektoren an M in x . o
Es ist also Tx M ˚ Tx? M D Rs , und damit auch
dim Tx? M D s
n D codim M:
15.58 Satz Es ist
Tx? M D span frf1 .x/; : : : ; rfs
n .x/g:
o
In jedem Punkt stehen also die Gradientenvektoren der Komponenten der Funktion f senkrecht auf M D f 1 .0/ und spannen den Normalraum auf.
15.59 Satz Es ist
Tx M D fv 2 Rs W Df .x/ v D 0g;
der Kern der linearen Abbildung Df .x/W Rs ! Rs
n
. o
Definition Die n-dimensionale affine Ebene
Ex ´ x C Tx M D fx C v W v 2 Tx M g
heißt die Tangentialebene an M in x . Hat M die Kodimension 1 , so heißt Ex
insbesondere die Tangentialhyperebene an M in x . o
In letzterem Fall ist also f W Rs
Ex D f 2 Rs W hrf .x/ ; R und
xi D 0g:
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Mannigfaltigkeiten
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