Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Dritter Kurstag Angiospermae Eudicotyledoneae Core tricolpates Rosidae Eurosidae II Rosaceae: Rosengewächse Fabaceae: Schmetterlingsblütler Malvaceae: Malvengewächse Geraniaceae: Storchschnabelgewächse Violaceae: Veilchengewächse Euphorbiaceae: Wolfsmilchgewächse III.1. Rosaceae (Rosengewächse) Morphologie: Die Rosaceae haben ein großes Spektrum an Wuchsformen und umfassen sowohl ein- und zweijährige Kräuter als auch Stauden, Sträucher und Bäume. Die Blätter sind ungeteilt oder geteilt (handförmig: Brombeere, Erdbeere) oder fiederschnittig bis mehrfach gefiedert und meist wechselständig an runden, oft gerieften Sproßachsen. An der Basis der Blattstiele sitzen meistens Nebenblätter, die aber gelegentlich hinfällig sind (also nur an ganz jungen Blättern zu sehen: Prunus). Die Rosaceae besitzen keinen Milchsaft. Die Blüten treten oft in Rispen oder Trauben auf, gelegentlich auch einzeln oder in unübersichtlichen „Büscheln“ (reduzierte Trauben). Die Blüten der Rosaceae sind meist 5-zählig (selten 4-zählig) mit einem freien Kelch und stets freien Kronblättern, gelegentlich findet sich auch ein vielzähliges Perianth. Die Krone ist radiärsymmetrisch, aber bei zahlreichen windbestäubten Arten redu- Abb. 3.1: Blütendiagramm – Rubus. Abb. 3.2: Blütendiagramm – Malus. ziert oder fehlend (Sanguisorba – Wiesenknopf). Es finden sich stets zahlreiche Staubblätter an langen Filamenten. Spiralige Insertion der Staubbblätter ist allenfalls ansatzweise ausgeprägt, dagegen sind die oft zahlreichen Fruchtblätter meist noch deutlich auf einem kegeligen Blütenboden spiralig angeordnet. Kelch, Krone und Androeceum sind oft auf einem Achsenbecher vereint, der über die Fruchblätter emporgehoben ist. Oft verwächst dieser Blütenbecher, so daß die eigentlich freien Fruchtblätter in die Blüte eingesenkt sind, die Blüte also epigyn ist. Es gibt verschiedentlich eine Reduktion der Anzahl der Fruchtblätter auf 5 (Malus, Pyrus, Cydonia) oder 1 (Prunus). Darüber hinaus können die einzelnen Fruchtblätter ein- oder mehrsamig sein. Die Früchte der Rosaceae sind Sammelbalgfrüchte (Spiraea), Sammelnußfrüchte (Fragaria), Sammelsteinfrüchte (Rubus) oder Beeren (hier oft auch als „Pomen“ oder Apfelfrucht bezeichnet – Malus, Pyrus, Cydonia, Mespilus, Chaenomeles etc.). Phytochemie: Die Rosaceae zeichnen sich sehr häufig durch das Vorhandensein von Gerbstoffen aus (weitverbreitet im Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Abb. 3.3: Malus domestica BORKH. Abb. 3.4: Pyrus spec. – Kulturform. Pflanzenreich), sind aber sonst nicht durch besondere Inhaltsstoffe gekennzeichnet. Oft enthalten zumindest die Kerne Blausäureverbindungen (Bittermandelaroma!), auch in den Samen von Aprikose (Prunus armeniaca L. – Amaretto!), Pfirsich [Prunus persica (L.) BATSCH] und anderen Rosaceae. Verbreitung: Die Rosaceae haben ihre größte Artenvielfalt in den gemäßigten und subarktischen Zonen, sehr viele krautige Abb. 3.5: Fragaria vesca L. – die Walderdbeere. Abb. 3.6: Geum urbanum L. – die Gemeine Nelkenwurz, ein häufiges Unkraut in Dörfern und Städten. Abb. 3.7: Rosa canina L., die Hundsrose, ist die mit A b s t a n d häufigste heimische Wi l d r osenart. Abb. 3.8: Rubus vulgaris L., die Gattung Rubus weist keine normale geschlechtliche Vermehrung auf (Agamospermie) und hat in Mitteleuropa zahlreiche morphologisch sehr unterschiedliche Klone entwickelt. Von Spezialisten (und nur von diesen) werden etwa 140 "Arten" in Mitteleuropa anerkannt. Arten kommen in den Gebirgen vor. In tropischen Regionen sind die Rosaceae meist auf Hochgebirge beschränkt (viele Arten in den Anden: Hesperomeles, Polylepis, einige in Afrika: Hagenia), wobei sie häufig die am höchsten vorkommenden Bäume stellen (obere Waldgrenze, bis 4.500 m in den Anden) – hier treten vor allem windbestäubte Arten auf. Es gibt zahlreiche wichtige europäische Gattungen, so beispielsweise Potentilla (Fingerkraut), Fragaria (Erdbeere), Sorbus (Vogelbeere, Mehlbeere), Crataegus (Weißdorn), Filipendula (Mädesüß). Verwandtschaft: Die Rosaceae sind eine natürliche Familie, die sich klar umreißen läßt. Sie sind nahe verwandt mit den Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Abb. 3.9: Potentilla erecta (L.) – Räuschel, das Aufrechte Fingerkraut. Bei Potentilla finden sich häufig 4-zählige Blüten, die sonst selten sind bei den Rosaceae. Ulmaceae (Ulmengewächse), Rhamnaceae (Kreuzdorngewächse) und Urticaceae (Nesselgewächse). Nutzpflanzen: Die Rosaceae sind eine der wichtigsten Nutzpflanzenfamilien und umfassen vor allen Dingen Obstpflanzen. Die meisten Stammformen der Obstgewächse kommen aus dem Kaukasus (beispielsweise Apfel, Birne), Vorderasien (Pfirsich als „malus persicus“ der Römer), oder Ostasien (Aprikose, Wollmispel): Die bekanntesten, aber bei weitem nicht die einzigen eßbaren Früchte sind: Malus (Apfel), Pyrus (Birne), Mespi lus (Mispel), Sorbus (Speierling, Vogelbeere), Amelanchier (Felsenbirne), Aronia (Aronie, Farbstoffe), Cydonia (Quitte), Eriobo trya (Japanische oder Woll-Mispel), Rubus (Himbeere, Brombeere), Fragaria (Erdbeere), Chaenomeles (Zier- oder Scheinquitte), Prunus (Kirsche, Sauerkirsche, Pflaume, Zwetschge, Mirabelle, Capuli, Afrikanische Kirsche, Pfirsich, Nektarine, Schlehe, Schwarzdorn). Hierzu gehört auch die Mandel [Prunus dul cis (MILL.) W EB.], bei der der Steinkern geknackt und der Same gegessen wird; das Fruchtfleisch ist trocken und fällt frühzeitig ab. Vom Apfel waren bereits zu römischer Zeit hunderte von Sorten in Kultur. Der Schwarzdorn (Prunus spinosa L.) wurde früher in großem Umfang zur Wein- und Branntweinbereitung genutzt. Abb. 3.10: Prunus padus L., zusammen mit der Schlehe (Prunus spinosa) die häufigste heimische Wildkirsche – sie ist in Feldgehölzen, vor allem aber in Auwäldern ausgesprochen weit verbreitet. Die Früchte sind nicht genießbar. Einige dieser Nutzpflanzen werden heute kaum noch angebaut (Sorbus domestica L. – Speierling zur Vergärung von Apfelwein, Mespilus germanica L. war eine im Mittelalter beliebte DessertFrucht mit guter Lagerfähigkeit). Darüber hinaus ist die Gattung Rosa (zumeist komplexe Hybriden europäischer und asiatischer Arten) eine der weltweit wichtigsten Zier- und Schnittblumen. Ihre Früchte werden als Hagebutten („Hiffen“) zu Tee („Roter Tee“, „Früchtetee“, in Verbindung mit Hibiskus-Blüten) und zu Marmelade (Hiffenmark) verarbeitet. Bemerkung: In den Rosaceae werden heute nur drei Unterfamilien formell anerkannt. • mit Steinfrüchten – die Prunoideae (nur die Gattung Prunus) • mit Sammelstein- oder Sammelnußfrüchten – die Rosoideae (Fragaria, Geum, Rubus, Rosa) • mit Pomen – die Maloideae (Malus, Pyrus, Cydonia, Crataegus, Sorbus etc.). Darüberhinaus gibt es noch verschiedene balgfrüchtige und einsamige Gattungen, die als ursprüngliche Gattungen angesehen werden und nicht monophlyetisch sind (Spiraea, Filipendula – die alte Unterfamilie „Spiraeoideae"). Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 III.2. Fabaceae: Schmetterlingsblütler, Hülsenfrüchtler Morphologie: Die Fabaceae sind eine sehr große Pflanzenfamilie mit etwa 630 Gattungen und über 18.000 Arten. Sie haben dementsprechend ein riesiges Spektrum an Lebensformen entwickelt. In Mitteleuropa sind sie meist Kräuter, seltener Sträucher oder Halbsträucher, je eine eingeschleppte respektive angebaute Art ist ein Baum (Robinia – die Robinie oder Scheinakazie) bzw. eine Liane (Wisteria). Die Blätter sind meist gefiedert oder gefingert und wechselständig an runden Sprossen, an der Basis des Blattstieles finden sich stets Nebenblätter. Die Fabaceae besitzen keinen Milchsaft. Die Blütenstände sind meist Trauben mit kleinen Hochblättern, gelegentlich sind sie zu Köpfchen zusammengezogen (beispielsweise Trifolium – Klee). Abb. 3.11: Blütendiagramm Fabaceae. Die Blüten der Fabaceae sind zygomorph und stets 5-zählig, mit einem verwachsenen Kelch und 5 Kronblättern, von denen 2 miteinander verwachsen sind. Die Krone hat meist „genagelte“ Kronblätter. Das oberste Kronblatt ist größer als die anderen 4 und wird als Fahne bezeichnet. Seitlich finden sich zwei nach vorne gerichtete, freie Kronblätter, die sogenannten Flügel. Die zwei unteren Kronblätter sind teilweise miteinander verwachsen Abb. 3.12: Ononis spinosa L. – der Dornige Hauhechel, ein dorniger Kleinstrauch (links: B l ü t e n s t a n d , unten: Einzelblüte). und schließen die Staubblätter und den Fruchtknoten ein. Sie werden als Schiffchen bezeichnet. Es finden sich 10 Staubblätter, von denen eines (das oberste) frei ist, während die anderen 9 mit den Filamenten verwachsen sind (Filamentröhre, oben offen). Die Fabaceae haben nur ein Fruchtblatt, das meist mehrsamig ist. Die Früchte der Fabaceae sind Hülsen, die an der Bauch- und an der Rückennaht aufspringen und die Samen ausschleudern, selten sind die Früchte einsamig (Nußfrüchte). Die Fabaceae sind oft weichhaarig, manchmal auch kahl und blau bereift. Die Pflanzen haben häufig (vor allen Dingen, wenn gequetscht) einen typischen Geruch nach grünen Erbsen. Phytochemie: Die Fabaceae zeichnen sich durch zahlreiche Inhaltsstoffe aus, von denen wenige in der ganzen Familie ver- Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Abb. 3.13: Noch geschlossene Hülsen der Robinie (Robinia pseudacacia L.). Abb. 3.14: Melilotus officinalis (L.) PALL. – der Echte Steinklee mit einsamigen Hülsen. Abb. 3.15: Acacia xanthophloea ECKL. aus Südafrika, ein Vertreter der wichtigen tropischen Baumgattung Akazie aus der Unterfamilie der Mimosoideae. breitet sind. Typisch ist das Auftreten stickstoffreicher Verbindungen, so ist Eiweiß der dominante Speicherstoff in den Samen (neben Öl), weiterhin treten stickstoffreiche Alkaloide (beispielsweise Spartein) und aberrante Aminosäuren auf. Aufgrund vieler dieser Vebindungen sind die meisten Wildarten der Fabaceae für den Menschen giftig. Verbreitung: Die Fabaceae haben ihre größte Artenvielfalt in der subtropischen und tropischen Zone, sind aber mit vielen Arten auch in der gemäßigten Zone vertreten. Sie stellen zahlreiche wichtige Waldbäume der Tropen (Akazie, Prosopis), insbesondere in saisonal trockenen Gebieten. In Mitteleuropa kommen etwa 70 Gattungen mit insgesamt ungefähr 160 Arten vor. Die Fabaceae sind meist an basenreichen, aber stickstoffarmen Standorten in voller Sonne zu finden, aber einige Arten wachsen auch als Frühlingsgeophyten [beispielsweise Lathyrus vernus Abb. 3.16: Erythrina edulis TRIANA ex M.MICHAELI, ein eßbare Samen liefernder Baum aus der Gattung Korallenstrauch, von der die meisten Vertreter hochgiftig sind (Aufnahme aus den Anden Nordperus). (L.) BERNH. – Frühlingsplatterbse]. Sogenannte Ginster (diverse Arten von Sarothamnus, Genista, Cytisus) können auf trockenen Böden bestandsbildend auftreten. Arten des Klees (Trifolium), Schneckenklees (Medicago), der Wicke (Vicia) und der Platterbse (Lathyrus) sind wichtige Wiesenpflanzen. Verwandtschaft: Die Fabaceae werden heute zusammen mit den Polygalaceae (Kreuzblümchengewächse) in die Ordnung der Fabales gestellt. Sie sind eine natürliche Familie, die klassisch in drei Unterfamilien unterteilt wird. In Mitteleuropa kommen nur die Faboideae (= Papilionoiedeae) vor. Die anderen Unterfamilien sind vorwiegend tropisch (die Mimosoideae beispielsweise mit der Gattung Acazia – Akazie und die Caesalpinioideae beispielsweise mit der Gattung Cassia). Nutzpflanzen: Die Fabaceae sind eine der wichtigsten Nutzpflanzenfamilien: Sie umfassen die sogenannten Hülsenfrüchte: Erbse (Pisum sativum L.), Kichererbse (Cicer arietinum L.), Bohne (diverse Arten von Vigna, Phaseolus, Canavalia, Lablab), Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Die Sojabohne aus Asien und die Erdnuß (Arachis hypogaea L.) aus Südamerika sind darüberhinaus ausgesprochen wichtige Ölpflanzen (Samenöl). Als Futterpflanzen werden in Europa die Schmetterlingsblütler Klee (vor allem Trifolium pratense L.), Luzerne (Medicago sativa L.), Hopfenklee (Medicago lupulina L.) und Saubohne (Vicia faba L.) angebaut. Abb. 3.17: Cassia didymobo trya L. aus Südafrika, ein Als wichtige Färbepflanze diente früher der Indigo (Indigofera Vertreter der Gattung Cassia arrecta HOCHST. ex A.R ICH.) aus Vorderasien. aus der tropischen Unterfamilie Daneben liefern tropische Fabaceae Gerbstoffe, Brennholz, der Caesalpinioideae. Bauholz und sind die wichtigste Nahrungsgrundlage vieler Sojabohne [Glycine max (L.) MERR.], Linse (Lens), Saubohne Großsäuger in Afrika (Akazien für Giraffe, Elefant etc.). (Vicia faba L.). Daneben werden lokal in allen tropischen und Außerdem werden Fabaceae zur Begrünung von Brachflächen subtropischen Ländern auch andere Arten und Gattungen als eingesetzt, in Europa vor allen Dingen die Robinie (Robinia Hülsenfrüchte gezogen, so etwa der Korallenstrauch (Erythrina) pseudoacacia L.). in Südamerika, sowie zahlreiche Arten von Vicia, Tetragono Abb. 3.18: Sarothamnus scoparius lobus und Lathyrus im östlichen Mittelmeerraum. (L.) W I M M ., der Besenginster, ein häufiger Strauch trockener KiefernSowohl in Europa, als auch in Südamerika sind Lupinenarten in w älder. Kultur genommen worden, die der menschlichen Ernährung dienen. Sie werden zum Entfernen der giftigen Bitterstoffe Abb. 3.19: Vicia cracca L., die Vogel(Alkaloide) teilweise tagelang gewässert. Wichtig sind „Chocho“ wicke mit einseitswendigen Trauben. (Lupinus mutabilis SWEET) in den Hochanden sowie Lupinus albus L. im Mittelmeerraum. Lupinus polyphyllus LINDL. wird bei uns zur Wildfütterung angepflanzt. Arten der Gattungen Melilotus (Steinklee) und Trigonella (Bockshornklee, fenugreek) werden teilweise wegen ihres starken Geruches als Gewürze eingesetzt, darüber hinaus ist Melilotus eine wichtige Bienenweide (guter Nektarlieferant). Das Süßholz (Glycyrrhiza glabra L.) liefert mit seinen Wurzeln den Ausgangsstoff für Lakritze und ist im östlichen Mittelmeergebiet heimisch. Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Wichtige Zierpflanzen finden sich in den Gattungen Lathyrus ("Wicke"), Wisteria (Glyzine), Robinia (Robinie, Falsche Akazie), Colutea (Blasenstrauch), Laburnum (Goldregen), Genista (Ginster), Lupinus (Lupine). Viele Fabaceen sind außerordentlich giftig, so die Paternostererbse (Abrus), einige Arten des Korallenstrauches (Erythrina) und der Goldregen (Laburnum). Besonderheiten: Die Fabaceae haben meistens sogenannte Wurzelknöllchen. Dies sind Wucherungen des Wurzelgewebes, in denen symbiotische Bakterien (meistens Rhizobium) leben. Diese sind in der Lage, Luftstickstoff in organische Form zu überführen und so für die Pflanze nutzbar zu machen. Die Pflanze stellt im Gegenzug Assimilate für diesen energetisch ausgesprochen aufwendigen Vorgang zur Verfügung. Die Fähigkeit, mit Hilfe eines Symbionten Stickstoff zu fixieren, ist ausschlaggebend für den Erfolg der Fabaceae, gerade auf stickstoffarmen Böden. Sie spielt auch eine wichtige Rolle für die Bedeutung der Fabaceae als Nutzpflanzen: Durch die freie Verfügbarkeit von Stickstoff können sie sich den Luxus leisten, große Mengen an (stickstoffhaltigen) Eiweißen zu synthetisieren, sie liefern also proteinreiche Nahrungs- und Futterpflanzen (Hülsenfrüchte!, beispielsweise Klee und Luzerne). Allerdings nutzen sie den ihnen zur Verfügung stehenden Stickstoff auch, um giftige Alkaloide und Aminosäuren aufzubauen. III.3. Malvaceae: Malvengewächse Morphologie: Die Malvaceae sind eine große Pflanzenfamilie mit etwa 200 Gattungen und über 2300 Arten. Sie sind weitgehend tropisch und subtropisch verbreitet und haben nur relativ wenige, allesamt krautige Vertreter in Mitteleuropa. Die Blätter sind meist handförmig geteilt oder gelappt, seltener ungeteilt und eiförmig. Sie sitzen stets wechselständig an runden Sprossen: An der Basis des Blattstieles finden sich stets Nebenblätter. Die Abb. 3.20: Malva alcea L. – die Rosenmalve, eine häufige Unkrautsippe aus trockenen, nährstoffreichen Böden. Beachte die zu einem zentralen Säulchen verwachsenen Filamente und Griffel. Abb. 3.22: Hibiscus moscheutos L. Staubblätter und Fruchtknoten sind hier vom Rezeptakulum emporgehoben (Androgynophor). Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 Abb. 3.23: Malva neglecta WALLR. – die Gänsemalve, schön zu sehen ist die Untergliederung des Fruchtknotens in einsamige Teilfrüchte (Schizokarp). Malvaceae besitzen keinen Milchsaft, haben aber oft Schleimgänge. Die Blütenstände sind meist Trauben mit großen Hochblättern, gelegentlich sind sie zu Köpfchen zusammengezogen (nicht in Mitteleuropa). Die Blüten der Malvaceae sind radiärsymmetrisch und stets 5-zählig, mit einem an der Basis verwachsenen Kelch und – bei heimischen Vertretern – einem aus drei Hochblättern gebildeten Außenkelch. Die 5 Kronblätter sind gänzlich frei, an der Spitze oft ausgerandet und meistens weiß oder rötlich gefärbt. Es finden sich zahlreiche Staubblätter, deren Filamente zu einer sogenannten Columella (Säulchen) verwachsen sind. Die heimischen Malvaceae haben zahlreiche Fruchtblätter, die jeweils einen Samen ausbilden und insgesamt eine flache Scheibe ausbilden. Die zahlreichen Griffel ragen aus der Columella oben heraus. Die Früchte der Malvaceae sind Kapseln oder Schizokarpe, zerfallen also in einsamige Teilfrüchte. Die Malvaceae sind häufig von sogenannten Sternhaaren bedeckt. Phytochemie: Die Malvaceae sind meist geruchlos und haben häufig Schleime in ihren Wurzeln und Sprossen. Die Samen sind ölreich. Verbreitung: Die Malvaceae sind in den Tropen und Suptropen sehr artenreich und umfassen zahlreiche Baumarten, von denen einige in den Trockengebieten die dominanten Baumarten stel- len (Affenbrotbaum, Baobab – Adansonia). In Mitteleuropa kommen 4 Gattungen mit insgesamt etwa 12 Arten wild vor. Die Malvaceae sind meist an basen- und stickstoffreichen Standorten in voller Sonne zu finden. Verwandtschaft: Die Malvaceae werden heute sehr weit gefaßt und schließen auch die ehemals als Familie geführten Lindengewächse (Tiliaceae), Kapokgewächse (Bombacaceae) und Kakaogewächse (Sterculiaceae) ein. Nutzpflanzen: Die Malvaceae enthalten relativ wenige, aber wichtige Nutzpflanzen, so die Baumwolle (Gossypium spec.), deren Samenwolle zu Textilien verarbeitet wird. Daneben sind Colanuß (Cola aus dem tropischen Afrika) und Kakao (Theo broma aus dem tropischen Süd- und Mittelamerika), die früher in die Sterculiaceaee gestellt wurden, von großer Bedeutung. Eine weitere wichtige Nutzpflanze ist der Hibiskus (Hibiscus sab dariffa L.) aus Ostafrika, deren fleischige, rot gefärbte Blütenkelche als „Hibiskustee“ vertrieben werden. Abb. 3.24: Tilia europaea L. Beachte das typische, andersartig gestaltete Hochblatt des Blütenstandes Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 III.4. Geraniaceae: Storchschnabelgewächse Morphologie: Die Geraniaceae sind in der heimischen Flora krautige, wechselständig beblätterte Pflanzen. Die Blattstiele tragen an der Basis oft trockene, bräunliche Nebenblätter. Die Blüte ist radiär, pentamer, hat ein doppeltes Perianth mit grünen, zugespitzten Kelchblättern und lebhaft gefärbten, an der Spitze oft ausgerandeten oder eingeschnittenen Kronblättern. Es sind stets 5 + 5 Staubblätter vorhanden, die obdiplostemon stehen. Die 5 oberständigen Fruchtblätter sind zu einem langen Kegel verwachsen, an dessen Basis jedes Fruchtblatt je einen Abb. 3.25: Blüte von Geranium carolinanum L. Abb. 3.26: Junge Früchte von Geranium maculatum mit dem typischen „Storchenschnabel“. Samen ausbildet. Die Schnabelform der Frucht führte zu dem deutschen Namen der Familie. Die meisten Geraniaceae sind von Drüsenhaaren bedeckt und haben einen oft unangenehmen Geruch (Stinkender Storchschnabel – Geranium robertianum L.) Verbreitung: Die Geraniaceae sind in der heimischen Flora nur mit zwei Gattungen vertreten: Erodium (Reiherschnabel, 2 Arten mit gefiederten Blättern), und Geranium (Storchschnabel, 18 Arten, gefingerte oder kreisrunde Blätter). Die Familie ist nahezu weltweit verbreitet mit Schwerpunkt in der warmgemäßigten Zone. Nutzpflanzen: Zu den Geraniaceae gehört auch die Zierpflanze "Geranie"; es handelt sich dabei nicht um Vertreter der Gattung Geranium, sondern um die südafrikanische Gattung Pelar gonium. Die Gattung Pelargonium ist auch die einzige wichtige Nutzpflanze und wird in großem Maßstab zur Gewinnung eines Rosenöl-Ersatzes angebaut. Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 III.5. Violaceae: Veilchengewächse III.6. Euphorbiaceae: Wolfsmilchgewächse Morphologie: Die Veilchengewächse sind krautige, meist mehrjährige Pflanzen mit bei uns meist herzförmigen, wechselständigen Blättern und ausgeprägten, zerschlitzten Nebenblättern. Die Blüten sind zygomorph, pentamer und haben ein doppeltes Perianth mit grünen Kelch- und leuchtend gefärbten Kronblättern (typische „Veilchenblüten“). Das unterste Kronblatt ist an der Basis tief ausgesackt und bildet einen Nektarsporn. Es sind 5 Staubblätter vorhanden und drei oberständige, verwachsene Fruchtblätter. Die Frucht ist eine Kapsel. Die Samen sind glänzend schwarz und haben meist weiße, ölhaltige Anhängsel, sogenannte Elaiosome, die der Ausbreitung durch Ameisen dienen. Verbreitung: Die Violaceae sind in der heimischen Flora nur mit der namengebenden Gattung Viola vertreten (etwa 22 Arten). Sie ist in der gesamten gemäßigten Zone als auch in den Hochgebirgen der Tropen (vor allem in den Anden) sehr artenreich. Die meisten tropischen Gattungen der Violaceae sind große Bäume und Sträucher ohne die typischen Veilchenblüten und haben keine offensichtliche Ähnlichkeit mit Viola. Nutzpflanzen: Die Violaceae sind mit einigen Arten beliebte Zierpflanzen (Stiefmütterchen – Viola wittrockiana GAMS.) und dienten früher auch der Parfümgewinnung (Viola odora ta L.). Morphologie: Die Wolfsmilchgewächse sind bei uns stets krautig, wechselständig beblättert mit ungeteilten, oft graugrünen Blättern ohne Nebenblätter und normalerweise milchsaftführend. Die Blüten der heimischen Wolfsmilchgewächse sind sehr stark reduziert und eingeschlechtig. Sie bestehen bei Euphorbia (der größten Gattung mit 2000 Arten in aller Welt) nur noch aus dem Fruchtknoten (weibliche Blüten) oder einzelnen Staubblättern (männliche Blüten). Eine Blütenhülle ist nicht mehr ausgebildet, Abb. 3.27: Blüte von Viola sororia WILLD. Abb. 3.27: Blütenstand von Euphor - Abb. 3.28: Blütenstand von Euphor bia gymnonota URB. bia pulcherrima WILLD. ex KLOTZSCH. Skript Botanische Bestimmungsübungen, Freie Universität Berlin — M. Weigend, O. Mohr, M. Gottschling, K. Weigend, Version SS2002, Teil 3 an ihre Stelle sind Hochblätter getreten, die sowohl die Schaufunktion als auch die Nektar-Absonderung übernehmen. Die reduzierten Einzelblüten treten zu Pseudanthien zusammen, die von Hochblättern umgeben sind und auf den ersten Blick wie „Blüten“ wirken. In Wirklichkeit handelt es sich um ganze Blütenstände, die hier als Cyathien bezeichnet werden. Der Fruchtknoten ist stets aus drei einsamigen Fruchtblättern gebildet und zerfällt bei der Fruchtreife in einsamige Teilfrüchte (Schizokarp). Verbreitung: Die Euphorbiaceae sind in Mitteleuropa nur mit den Gattungen Euphorbia (22 Arten) und Mercurialis (3 Arten) vertreten. Ihre Haupverbreitung liegt in den Tropen, wo sie mit fast 7000 Arten in etwa 300 Gattungen eine der wichtigsten und morphologisch vielgestaltigsten Familien überhaupt sind. Besonders bekannt sind die „kakteenähnlichen“, stammsukkulenten Euphorbien Afrikas. Nutzpflanzen: Die meisten Euphorbiaceae sind giftig, trotzdem werden einige als Zierpflanzen gezogen (Weihnachtsstern – Poinsettia) oder zu industriellen Zwecken genutzt (Ricinus com munis L. aus Afrika – Ricinusöl, ein wichtiges technisches Öl, Preßrückstände werden nach Entgiftung als Viehfutter verwendet).