Kapitel K Molekülspektren 1. Rotationsspektrum

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Kapitel K
Molekülspektren
1. Rotationsspektrum
a) Energieniveaus zweiatomiger Moleküle
Wir betrachten zunächst den Anteil im Spektrum, der mit den kleinsten Energieänderungen
verbunden ist, das Rotationsspektrum. Dabei setzen wir voraus, daß sich bei einem Rotationsübergang der Vibrationszustand und der elektronische Zustand nicht ändern.
Von der quantenmechanischen Behandlung des Wasserstoffproblems her ist bekannt, daß der
Drehimpuls quantisiert ist:
L = J(J + 1) h/
Mit L = Θω (Θ ist das Trägheitsmoment)wird die Rotationsenergie
2
2
W rot = L = h/ J(J + 1)
2Θ 2Θ
W rot = BJ(J + 1)
2
B = h/
in Joule und
B = B = h/
in cm-1.
2Θ
hc 4πcΘ
Die Höhe der Energieniveaus nimmt also quadratisch mit J zu.
Mit der Auswahlregel
∆J = ±1
ergibt sich für das Spektrum (in Wellenzahlen)
mit
ν = 1/λ = B[J(J + 1 − (J − 1)J)] = 2BJ
Es besteht aus äquidistanten Linien im Abstand 2B. Aus dem Linienabstand läßt sich also B
und damit Θ bestimmen.
Abb. 84: Termschema und Spektrum von
reinen Rotationsübergängen
121
b) Intensitäten
α) Innerhalb einer Rotationsstruktur
Die Intensität ist wie bei Atomen gegeben durch
I = h/ ωN 1 A 12 I
bei Emission, d.h. im wesentlichen durch die Besetzungszahl des Ausgangsniveaus, (bei Absorptionsspektroskopie durch die Besetzung des unteren Niveaus) und die Übergangswahrscheinlichkeit. Die Übergangswahrscheinlichkeit kann man in erster Näherung innerhalb der
Rotationsstruktur als konstant ansehen. Die Besetzungszahlen hängen von den statistischen
Gewichten der Zustände gJ = 2J + 1 und ihrer Energie ab.
N 1 g j −E/kT
= e
∼ (2J + 1)e −BJ(J+1)/kT
N0 g0
Dies ergibt wie xe-x2 eine Kurve mit einem Maximum bei Jmax . Jmax hängt von der Temperatur
ab.
Abb. 85: Intensitätsverteilung in einer Rotationsbande
Aus der Bestimmung der Quantenzahl Jmax, bei der die Intensität ein Maximum besitzt, läßt
sich die Temperatur ermitteln.
β) Infrarotaktivität
Rotierende Moleküle können nach dem klassischen Bild nur strahlen, wenn mit der Bewegung eine Beschleunigung von Ladung verbunden ist, d.h. wenn sie ein permanentes Dipolmoment besitzen. Das gleiche gilt für Vibration. D.h. Moleküle ohne permanentes Dipolmoment zeigen kein Rotations- und Vibrationsspektrum. Man sagt, sie sind infrarot inaktiv.
Hierzu gehören alle zweiatomigen Moleküle aus gleichen Atomen (homonukleare Atome)
wie H2, N2, O2 und mehratomige lineare Moleküle mit Inversionszentrum wie CO2. Das Rotationsspektrum dieser Moleküle ist aber bei der Raman-Streuung oder im elektronischen Spektrum beobachtbar.
γ) Einfluß des Kernspins (IK)
Der Kernspin führt zu einer Hyperfeinstrukturaufspaltung, die mit genügend hoher Auflösung
beobachtet werden kann. Es gibt allerdings Einflüsse des Kernspins über statistische Effekte,
die auch mit geringer Auflösung leicht beobachtbar sind. Es handelt sich um einen der
122
Effekte, bei denen quantenmechanische Regeln zu makroskopischen Auswirkungen führen,
ähnlich wie das Fehlen des 1s Grundzustandes im Triplettsystem des Helium. Dies wird am
Wasserstoffmolekül H2 erörtert.
Der Kernspin der beiden Protonen im H2 kann parallel ausgerichtet sein, man spricht dann
von Orthowasserstoff oder o - H2, oder antiparallel beim Parawasserstoff p - H2. Die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen beiden Modifikationen ist gering (Auswahlregel ∆IK= 0).
Im thermischen Gleichgewicht hat man stets eine Mischung von o- und p-Modifikation. Das
Verhältnis wird durch die statistischen Gewichte bestimmt. Beim o - H2 ist IK = 1, bei p - H2
IK = 0, die statistischen Gewichte und damit die Konzentrationen verhalten sich wie 3 : 1.
Der Kernspin beeinflußt nun über seine Parität die Parität der Gesamtwellenfunktion und da
diese für Fermionen nach dem Pauliprinzip -1 sein muß, ist die Parität vom Produkt alle übrigen beteiligten Funktionen wie der elektronischen, der Vibration, der Rotation zusammen
vorherbestimmt.
Im elektronischen Grundzustand (s) ist die Parität der Elektronenfunktion gerade. Ebenso hat
der Grundzustand bezüglich Vibration eine gerade Parität, denn das System ist symmetrisch
gegenüber Austausch der beiden Kerne. Die Parität der Gesamtwellenfunktion ist also durch
Pges = Prot · PKern = - 1
bestimmt. Da - wie wir für das H-Atom gezeigt haben - die Rotationsniveaus eine Parität
P = (-1)J
besitzen, sind die einzigen möglichen Rotationsniveaus für
o - H2: J = 1,3,5,...
p - H2: J = 0,2,4,..
Abb. 86: Mögliche Übergänge beim Ortho- und Parawasserstoff
Mit der Auswahlregel ∆J = ±1, ;∆I K = 0 ist damit überhaupt kein Übergang erlaubt. H2 strahlt
aber sowieso nicht bei Rotation, da es infrarot inaktiv ist. Die Rotationsstruktur läßt sich aber
mit der Ramanstreuung oder im elektronischen Spektrum beobachten. Im Ramanspektrum
gilt die Auswahlregel ∆J = ±2 . Das Ramanspektrum besteht also aus einer Überlagerung der
Spektren des o-H2 und p-H2, wobei die Linien abwechseln und einen Intensitätsunterschied
von 3:1 entsprechend der Konzentrationen der beiden Modifikationen aufweisen.
Da o-H2 als tiefsten Zustand den metastabilen Zustand mit J = 1 hat, zerfällt o-H2 in p-H2. Die
Zerfallszeit ist allerdings in einem Gas von nicht zu hohem Druck von der Größenordnung
123
eines Jahres. Man kann den Zerfallsprozeß katalytisch beschleunigen und sich so p-H2 herstellen und lagern.
Deuterium hat IK = 1, ist damit ein Boson. Für ein D2-Molekül führt daher die obige Betrachtung zu dem umgekehrten Ergebnis, da gegenüber Vertauschung von Bosonen die Gesamtwellenfunktion gerade sein muß. Folgende Rotationszustände sind also erlaubt
p - D2:
o - D2:
J = 1, 3, 5
J = 0, 2, 4
In diesem Fall ist also die o-Modifikation stabil.
Ein ähnliches Ergebnis wie für H2 erhält man für 14N2, aber wegen unterschiedlicher statistischer Gewichte ist hier das Intensitätsverhältnis der Linien 1/2. Bei 14N 15N, also einem Stickstoffmolekül aus Isotopen mit unterschiedlicher Masse ist kein Intensitätswechsel in der Rotationsbande zu beobachten, da die Symmetrie des Atoms durch die unterschiedlichen Massen verlorengegangen ist. Bei 16O2 ist der Kernspin IK = 0. Daher kommen im Rotationspektrum nur Terme mit ungeradem J vor.
c) Rotations-Ramanspektrum
Infrarotspektroskopie wird im allgemeinen in Absorption betrieben (Abb. 87). Die Probe wird
entweder mit einer kontinuierlichen Lichtquelle bestrahlt und mit einem Monochromator analysiert, oder mit schmalbandiger, abstimmbarer Laserstrahlung beleuchtet und die Absorption
gemessen. Probleme gibt es außer mit empfindlichen Detektoren mit Streulicht, das im Infraroten besonders schwer zu unterdrücken ist. Monochromatoren werden daher häufig als Doppelmonochromatoren oder in Littrow-Aufstellung betrieben.
Bei der Ramanstreuung strahlt man mit sichtbarem Licht ein und beobachet das unter 90° ge-
Abb. 87: Anordnug für Infrarot- und
Ramanspektroskopie
streute Licht in der Umgebung der Rayleigh-Linie.
Wird dem eingestrahlten Licht Energie zur Anregung von Rotation entnommen, erniedrigt
sich die Frequenz der Streustrahlung. Man spricht von Stokes-Linien.
h/ ωs = h/ ωL − h/ ωrot
Gibt ein rotierendes Molekül Energie an das Streulicht ab, spricht man von Antistokeslinien.
h/ ωs = h/ ωL + h/ ωrot
124
Da die Abregung von einem höheren Niveau aus erfolgt, das nach Boltzmann schwächer besetzt ist, sind die Antistokeslinien weniger intensiv als die Stokeslinien.
Man erreicht mit dem Raman-Effekt eine Transformation des Rotationspektrums in den
Spektralbereich des Lasers, also z.B. in das Sichtbare.
Ein anderer Nutzen des Ramaneffektes ist die Möglichkeit, die veränderten Auswahlregeln
auszunutzen. Da die Ramanstreuung ein Zweiphotonenprozeß ist, gilt hier ∆J = ±2 . AußerAbb. 88: So etwa sieht ein Rotations-Ramanspektrum
aus
dem zeigen viele Moleküle, die infrarot inaktiv sind, ein Ramanspektrum, da hierfür kein permanentes Dipolmoment vorhanden sein muß, sondern sich nur die Polarisierbarkeit mit dem
Kernabstand ändern muß (s. Kap. L).
Im H2 sieht man also das Rotations-Ramanspektrum: 1. da H2 Raman aktiv ist und 2. da
∆J = ±2 jetzt erlaubte Übergänge darstellen. Das Spektrum ist eine Überlagerung des p - H2
Abb. 89: Rotations-Ramanspektrum des H2
und o - H2 Spektrums, d.h. die mit den geraden Quantenzahlen verbundenen Übergänge, die
zum p - H2 gehören sind um einen Faktor 1/3 weniger intensiv als die, die zu den geraden gehören. Insgesamt wechseln sich also Linien mit dem Intensitätsverhältnis 3/1 ab.
d) Der nichtstarre Rotator
Das Modell der starren Hantel ist nicht streng gültig. Wegen der Elastizität der Bindung erwartet man eine Erhöhung des Abstandes und damit des Trägheitsmomentes bei stärkerer Rotation. Rechnet man dies für gegebene Federkonstante k klassisch durch und ersetzt zum
Schluß L durch J(J + 1) h/ , so erhält man für die Rotationsenergien
W rot = BJ(J + 1) − D[J(J + 1)] 2
wobei D ~ 1/k ist. Diese Abnahme von ∆ν zwischen den einzelnen Linien einer Rotationsbande bei hohen J läßt sich tatsächlich beobachten und mit den Federkonsten, die genauer
ausdemVibrationsspektrum gemessen werden, korrelieren.
125
e) Isotopie-Effekt
Die verschiedenen Massen von Isotopen machen sich im Rotationsspektrum bemerkbar.
Nimmt man an, daß die Potentialkurve V(Rab) nicht von der Atommasse abhängt, so verhalten
sich die Trägheitsmomente wie die Massen und damit B umgekehrt wie die Massen. Dieser
Effekt ist besonders groß bei D2 und H2, wo BD = 1/2 BH.
f) Mehratomige Moleküle
Mehratomige Moleküle besitzen immer drei Hauptträgheitsachsen, die senkrecht aufeinander
stehen. Wir legen das Koordinatenkreuz so, daß x, y, z mit den drei Trägheitsachsen, zu denen die drei Hauptträgheitsmomenten Θx, Θy, Θz gehören, zusammenfallen. Die Gesamtenergie der Rotation läßt sich dann schreiben
L 2y
L 2x
L2
W=
+
+ z
2Θ x 2Θ y 2Θ z
Bei einem unsymmetrischen Kreisel - wie etwa H2O - sind alle Trägheitsmomente unterschiedlich. In diesem Fall sind Lx, Ly, Lz nicht gequantelt. Jedes Molekül muß individuell behandelt werden.
Wenn zwei der Hauptträgheitsmomente gleich sind, etwa Θx = Θy ≠ Θz , spricht man vom
symmetrischen Kreisel (Beispiel NH3). Dann hat man zwei Quantisierungsbedingungen
L = J(J + 1) h/
L z = Kh/
K = 0, ±1, ±2, ...,±J
K hat also eine ähnliche Funktion wie die magnetische Quantenzahl m im Atom, die Projektion von L bezieht sich allerdings nicht auf eine außen vorgegebene Richtung, etwa ein Feld,
sondern auf die Molekülachse. Die Energie schreibt sich dann
W rot = BJ(J + 1) + CK 2
 1

mit
B = h/ , C= h/
− 1
4πcΘ z
4πc  Θ y Θ x 
Bei einem prolaten Molekül, d.h. einem zigarrenförmigen, ist C > 0 und damit wächst die
Gesamtenergie mit steigendem K, während bei einem oblaten Molekül, also einem diskusförmigen etwa wie Benzol C < 0 und damit ∆W mit steigendem K abnimmt.
126
2. Schwingungsspektren
a) Potential eines zweitomigen Moleküls
Abb. 90: Potential eines zweiatomigen Moleküls in
Abhängigkeit vom Kernabstand
Abb. 90 zeigt den qualitativen Verlauf des Potentials in Abhängigkeit vom Abstand R der
beiden Atome, die das Molekül bilden. Für viele Zwecke ausreichend läßt sich die Form
durch ein Morsepotential annähern
V(R) = D e [1 − e −a(R−R e ) ]
2
Hierin ist De die Dissoziationsenergie vom Minimum der Potentialkurve aus gerechnet, Re ist
der Gleichgewichtsradius des Moleküls und a ist ein Maß für die Krümmung im Potentialminimum und damit für die Rückstellkraft. Bei Ionenbindung ist manchmal eine Näherung
durch eine Art Lennard-Jones Potential günstiger
2
V(R) = −e + 19
4πε 0 R R
Wie bei der Rotation ist die Vibration im Infrarotspektrum nur beobachtbar, wenn das Molekül ein permanentes elektrisches Dipolmoment besitzt. Homonukleare zweiatomige Moleküle
zeigen also kein Vibrations- (d.h. Rotations-Vibrations) Spektrum.
b) Harmonische Näherung
Im Potentialminimum kann V(R) entwickelt werden. Die einfachste nichttriviale Näherung
des Potentials ist ein parabelförmiges Potential, also das Potential eines linearen Oszillators:
V(R) = k (R − R e ) 2
2
Klassisch ergibt sich als Schwingungsfrequenz
k
ω20 = µ
wobei k die Rückstellkraft und µ die reduzierte Masse ist.
127
Abb. 91: Potential, Energieniveaus und Übergänge
beim harmonischen Osszillator
1
1
1
µ = m1 + m2
Quantenmechanisch erhält man äquidistante Energieniveaus
W vib = h/ ω0  v + 1 
2
die durch die Vibrationsquantenzahl v = 0, 1, 2, .... charakterisiert werden. In Wellenzahleneinheiten schreibt man üblicherweise
W vib = ϖ e  v + 1 
2
h/ ω0
= ν die Dimension einer Wellenzahl hat und nicht mit einer Kreisfrequenz
hc
verwechselt werden darf.
Das tiefste Niveau liegt nicht bei V(Re) = 0, sondern bei V 0 = 1 h/ ω0 . V0 ist die Nullpunkt2
senergie. Die Auswahlregel heißt ∆ v= ±1
, woraus folgt, daß nur eine einzige Frequenz
beobachtet wird: ω = ω0.
wobei ϖ e =
c) Der anharmonische Oszillator
Das Schrödingerproblem mit Morsepotential ist vollständig lösbar. In der Umgebung des Potentialminimums geht natürlich die Lösung in die des harmonischen Oszillators über, wobei
die Rückstellkraft
k = 2Dea2 ist.
Die Tatsache, daß das Potential nicht harmonisch ist, hat zwei Konsequenzen:
α) Die Energieniveaus sind nicht mehr äquidistant. Sie können approximiert werden durch
2
2
h/ ω0 
1  = h/ ω  v + 1  + x h/ ω  v + 1 
W vib = h/ ω0  v + 1  +
v
+
0
e
0


2
4D e 
2
2
2
xe hat die Größenordnung 0,01. Für genauere Vergleiche mit Messungen werden auch höhere
Potenzen von (v + 1/2) mitgenommen. Die Abstände zwischen den Niveaus nehmen also mit
wachsendem v ab.
128
β) Die Auswahlregeln lassen nun außer ∆v= ±1 auch ∆v= ±2 und ∆v= ±3 zu. Dabei
schwingt der Oszillator mit den Frequenzen ω = ω0 , ω = 2ω0 . also den Oberschwingungen
zur Grundfrequenz. Man spricht auch von Obertönen. Die Obertöne nehmen mit steigender
Ordnung an Intensität ab.
Die Anzahl der Vibrationsniveaus, vmax, die bis zur Dissoziationsgrenze in die Potentialmulde
passen, ist beim Morsepotential endlich.
2


h/ ω0   v max + 1  + x e  v max + 1   = D e
2
2 

für HCl mit ν0 = 2900 cm-1, xe = 0,017 ergibt sich z.B. vmax = 22.
Bild
Abb. 92: Die Dissoziationsenergie D0 und die Tiefe der
Potentialmulde De unterscheiden sich
Die Dissoziationsenergie D0 ist nicht durch den Abstand V(R → ∞) − V(R e ) = D e ;gegeben,
sondern durch den Abstand zur Nullpunktsenergie D0. Die Nullpunktsenergie
k
D e − D 0 = 1 h/ ω0 = h/ m
2
2
hängt von der Masse der beteiligten Atome ab. Nimmt man an, daß die Bindungskräfte und
damit die Potentialkurve nicht von der Masse der beteiligten Atome abhängt, so ergibt sich
aus den gemessenen Dissoziationsenergien die Nullpunktsenergie.
Z.B. sind die Grundschwingungen des Wasserstoffs (1H2) und Deuteriums (2D2)
ν 0H = 4115cm −1
ν 0D = 2990cm −1
Die Differenz der Nullpunktsenergien wird damit
1 (v − ν ) = 584cm −1
0D
0H
2
Dies muß der Differenz der Dissoziationsenergien entsprechen
(D e − D 0 ) D − (D e − D 0 ) H
Für den Fall gleicher Potentialkurven von H und D wird dies DeH - DeD . der gemessene Wert
für die Differenz der Dssotiationsenergien ist: ∆ν
ν = 621cm-1.
129
Das Bild ist also im großen und ganzen korrekt und der obige Vergleich kann als Nachweis
der Nullpunktsenergie angesehen werden.
Die Differenz der Ionisierungsenergie von Isotopen ist die Grundlage für Isotopentrennung
mit Laserstrahlung.
d) Rotation-Schwingungsspektrum
α) Ohne Kopplung
Genaugenommen sind Rotations- und Schwingungsenergie nicht unabhängig voneinander,
denn z.B. bei Anregung von Vibration vergrößert sich der mittlere Abstand der Atome und
damit das Trägheitsmoment. Wenn man von dieser Kopplung absieht, ergeben sich die Energieniveaus zu
W = Wvib + Wrot
2
W = h/ ω0  v + 1  + x e h/ ω0  v + 1  + BJ(J + 1)
2
2
Mit den Auswahlregeln ∆J = ±1 und ∆v= ±1, ; ± 2, ; ± 3, ...; resultiert das bekannte Vibrationsspektrum, das in der unmittelbaren Umgebung eine Rotationsstruktur aufweist. Die Bedingung ∆J = ±1 besagt, daß Vibrationsspektren alleine nicht vorkommen, sondern daß mit jeder Vibration auch eine Rotation angeregt wird.
Abb. 93: Übergänge im Rotations-Schwingungsspektrum
Abb. 93 zeigt einen Ausschnitt aus dem Termschema der Rotations-Vibrationsniveaus für 2
unterschiedliche Vibrationsquantenzahlen und drei Rotationsquantenzahlen. Den unteren
Term versieht man normalerweise mit zwei Strichen.
Den Zweig mit ∆J = -1, d.h. J' = J'' - 1 nennt man den P-Zweig, den mit ∆J = +1 , d.h.
J' = J'' + 1 den R-Zweig. Es gibt Ausnahmen, in denen der Q-Zweig mit ∆J = 0 ebenfalls erlaubt ist, dann weist das Spektrum an der Stelle des reinen Vibrationsüberganges eine Linie
auf. Sonst fehlt diese sogenannte Null-Linie.
Abb. 94: Rotations-Vibrationsstruktur
130
β) Kopplung Rotation-Vibration
Abb. 95: Die Abhängigkeit des mittleren Abstandes von
der Vibrationsquantenzahl
Wie in Abb. 95 zu erkennen, wächst mit höherer Vibrationsanregung der mittlere Abstand
der beiden Atome. Dies ist übrigens in Festkörpern der Grund für die Wärmeausdehnung. Für
die Rotation heißt dies, daß die Rotationskonstante B eine Funktion der Vibrationsquantenzahl ist, und zwar wird B monoton kleiner mit wachsendem B. Man kann für den einfachsten
Fall ansetzen
B v = B e − α v + 1 
2
wobei Be die Rotationskonstante ohne Vibration ist. Dies hat zur Folge, daß innerhalb des RZweiges die Abstände zwischen den Rotationslinien mit steigendem J ansteigen, innerhalb
des P-Zweiges abnehmen.
γ) Kopplung Rotation - elektronischer Übergang
Abb. 96: Einfluß der elektronischen
Anregung auf die Bindung
Bei zusätzlicher elektronischer Anregung erhält man eine angehobene Potentialkurve, die
aber im allgemeinen die Form ändert. Wenn die Anregung die Form und die Gleichgewichtsabstände nicht ändert, ist die Anregung bindungsneutral in den selteneren Fällen mit R' < R''
ist die Anregung bindungsfestigend, i.a. bindungslockernd (R´ > R"). Im Extremfall hat der
angeregte Zustand kein Potentialminimum, d.h. die Bindung wird durch die Anregung gelöst.
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, daß im elektronischen Grundzustand keine Bindung
131
vorliegt, durch eine Anregung aber ermöglicht wird. Solche Stoffe nennt man Excimere.
Edelgas-Halegonid-Excimere spielen als Lasermedium eine Rolle.
Wir gehen vom Fall aus, daß beide Potentialkurven ein Minimm besitzen, dieses sich aber
durch die Anregung verschiebt. Als Folge ändert sich der mittlere Abstand und damit die Rotationskonstante. Die Wellenzahlen ergeben sich aus
ν = ν0(v'v'') + B'J'(J+1) - B''J''(J''+1)
Da B' ≠ B'', hebt sich der quadratische Term nicht mehr wie im reinen Rotationsspektrum heraus. Man erhält bei konstantem ∆J, das die Zweige charakterisiert, für ν(J) Parabelbögen. Außer ∆J = ±1 ist hier auch der Q-Zweig ∆J = 0 häufig erlaubt und der O- und S-Zweig
(∆J = ±2). ν(J) ist das sogenannte Fortrat-Diagramm (Abb.97 ), das es gestattet, eine gewisse
Übersicht in ein Bandenspektrum zu bringen.
Abb. 97: Das Fortrat
- Diagrammm
Aus der Richtung der Abschattierung läßt sich erkennen, ob die Anregung die Bindung fördert oder lockert. Bei B' = B'' hat die Rotationsstruktur das gleiche Aussehen wie im
Rotations-Schwingungsspektrum.
e) Mehratomige Moleküle
Normalschwingungen
Bei einer Normalschwingung schwingen alle Atome mit konstanter Amplitude, Frequenz und
gegenseitiger Phasendifferenz. Bekannt sind die Normalschwingungen zweier gekoppelter
Pendel. Hier gibt es genau 2 Normalschwingungen: Bei der einen schwingen beide Pendel in
gleicher Richtung, bei der anderen gegeneinander. Auch die Eigenschwingungen von Saiten
kann man als Normalschwingungen auffassen. Wie bei Saiten haben auch in allen anderen
schwingenden Systemen die Normalschwingungen die Eigenschaft, daß sich alle möglichen
Schwingungsformen aus Linearkombinationen der Eigenschwingungen zusammensetzen lassen. (Bei Saiten wird dies durch den Satz von Fourier begründet).
Ein Molekül, das aus n Atomen besteht, hat 3n Freiheitsgrade. Zieht man hiervon die 3 Freiheitsgrade der Translation und die 3 der Rotation ab, bleiben im allgemeinen 3n - 6 Freiheitsgrade für Schwingungen übrig. Bei einem linearen Atom entfällt der Freiheitsgrad der Rotation um diese Achse. Ein Molekül hat also im allgemeinen 3n - 6 Normalschwingungen, ein lineares Atom 3n - 5.
132
Beispiel:
Bei zweiatomigen Molekülen ist die Anzahl der Normalschwingungen 6 - 5 = 1.
Wasser ist nicht linear, n = 3 also gibt es 3 Moden. CO2 ist ein lineares Molekül aus 3 Atomen und hat daher 4 Normalschwingungen (s.Abb. 99) Die beiden Biegeschwingungen sind
dabei entartet.
Abb. 98: Die Normalschwingungen
vom Wassermolekül
Abb. 99: Die Normalschwingungen bei
CO2
Die Symmetrie der Normalschwingungen läßt sich auf die Symmetrie der irreduziblen Darstellungen der Gruppe, denen das Molekül angehört, zurückführen.
Als Beispiel wird das H2O-Molekül betrachtet. Es gehört, wie wir aus Kapitel K wissen, der
Punktgruppe C2v an. Die Charaktertafel mit dem linearen Teil der Basis ist in Tabelle XIII
wiedergegeben.
Tabelle
XIII:
Charaktertafel
der
Punktgruppe C2v
Unterziehen wir die in Abb. 98 angegebenen Normalschwingungen den verschiedenen Symmetrieoperationen der Gruppe, sehen wir, daß ν1 und ν2 wie A1 transformieren, ν3 wie B1.
Man kann diese Symmetrien auch systematisch ermitteln, ohne daß die Form der Normalschwingungen bekannt ist.
Dazu zeichnet man an jedes Atom ein Koordinatenkreuz und überlegt sich, wie der Vektor
133
bei den verschiedenen Symmetrieoperationen transformiert (s. Abb. 79 und 80). Man schreibt
die zugehörigen 9 x 9 Matrizen hin und bestimmt deren Spur. Man erhält damit die Charaktere der reduziblen Darstellung. Bei H2O ergibt sich:
Die Dimension ist gleich der Anzahl der Freiheitsgrade 9. Durch Ausprobieren mit der Charaktertafel der Gruppe findet man, daß sich diese Darstellung zusammensetzt aus den
irreduziblen
Γtot = 3a1 + a2 + 3b1 + 2b2
Hiervon zieht man noch die irreduziblen Darstellungen ab, die die Translationen (x, y, z) und
Rotationen (Rx, Ry, Rz) als Basis haben.
Γvib = Γrot - Γtrans - Γrot
= (3a1+a2+3b1+2b2) - (a1+b1+b2) - (a2+b1+b2)
= 2a1 + b1
Es gibt also zwei Normalschwingungen mit der Symmetrie a1 und eine mit der Symmetrie b1.
134
3. Elektronisches Spektrum
a) Terme zweiatomiger Moleküle mit einem Valenzelektron
Die elektronischen Zustände von Molekülen werden an den einfachsten Objekten erörtert:
den zweiatomigen Molekülen, wobei zunächst davon ausgegangen wird, daß das Molekül weder vibriere noch rotiere. Die Zustände sind dann ähnlich wie die im Atom im starken Feld,
da die Molekülachse eine Vorzugsrichtung darstellt. Die Molekülachse wird als z-Richtung
gewählt. Zur Beschreibung des Zustandes dienen folgende Quantenzahlen:
n: die Hauptquantenzahl bezeichnet die Elektronenschale wie früher
l: der Bahnmdrehimpuls des Elektrons ist keine gute Quantenzahl mehr, da der Drehimpuls um die Molekülachse präzediert. l = 0, 1, ..., n-1
lz: statt l ist die Projektion von l auf die Molekülachse eine geeignete Quantenzahl
lz = mlh, ml = l, l - 1, ..., l
ml hat also die Funktion der magnetischen Quantenzahl. Im Unterschied zum Atom im Magnetfeld haben Zustände mit ±ml die gleiche Energie, da die Energie ohne Aufhebung der
Entartung, etwa durch eine Störung, unabhängig von der Umlaufrichtung des Elektrons um
die Molekülachse ist. Man führt daher eine neue Quantenzahl ein:
λ = |ml|
mit folgender Zuordnung
Die Termsymbole entsprechen den lateinischen Buchstaben, S, P, D, F,... Dabei sind
σ-Zustände bezüglich ml einzeln, können aber wegen der zwei möglichen Spineinstellungen
des Elektrons ms = ±1 mit zwei Elektronen besetzt werden. Alle anderen Zustände mit λ ≠ 0
sind doppelt wegen ml = ±λ und können daher mit 4 Elektronen besetzt werden.
Die Quantenzahlen zur Beschreibung des Zustandes in einem Molekül sind also (n, (l), λ, ms).
Um die Herkunft der Terme aus denen der Einzelatome anzugeben, werden diese durch
Nachstellung der Bezeichnungen für die Einzelatome gekennzeichnet, z.B.
σ1s A ;oder;σ2p B
Man kann auch die Termbezeichnung des vereinigten Atoms vorstellen.
Durch den Index g oder u wird angegeben, ob es sich um gerade oder ungerade Zustände bezüglich Inversion handelt, wobei wir wie früher durch geeignete Kombination gleicher Einzelatomzustände gerade oder ungerade Zustände bilden können:
135
σ g 1s = N(σ1s A + σ1s B )
σ u 1s = N(σ1s A − σ1s B )
N ist die Normierungkonstante. Nicht bindende Zustände werden mit einem Stern versehen.
Abb.100 zeigt die beiden tiefsten Zustände mit den niedrigsten Energien beim H2-Molekül.
Rechts und links sind die Einzelatomzustände (AO = Atomare Orbitale) gezeichnet, dazwischen die des durch die Vereinigung entstandenen Moleküls.
Abb. 100: Die tiefsten elektronischen
Zustände
von
zweiatomigen
Molekülen
Die Zustände werden wie beim Atom von kleinsten Energien anfangend unter Beachtung des
Pauliverbots besetzt. Beim H2 ist also der bindende Zustand vollständig mit 2 Elektronen besetzt. Beim He2 ist auch der nichtbindende Zustand 1σu* mit zwei Elektronen besetzt. Die Anzahl der Elektronen in bindenden Zuständen minus der in nichtbindenden geteilt durch 2,
nennt man auch die Bindungsordnung; in H2 ist sie 1, in He2 0. An ihr kann man die Stärke
der Bindung erkennen. H2 ist stabil, He2 instabil. Durch Anregung kann beim He2 ein Elektron aus einem nicht bindenden Niveau in ein bindendes übergehen. Dies ist der Grund für
Excimerbildung.
Abb. 101: Die Besetzung der tiefsten Niveaus bei
Stickstoff und Sauerstoff
Abb. 101 zeigt die 18 tiefsten Niveaus der leichten homonuklearen Moleküle und ihre Auffüllung bei N2 und O2. Die drei Elektronenpaare in den stabilen 2p Niveaus bei N2 entsprechen
der Dreifachbindung. Beim O2 kommen zwei Elektronen im nichtbindenden πg* 2p Orbital
hinzu, die die Bindung der Elektronen im σg2p - Orbital kompensieren, so daß eine Zweifachbindung übrigbleibt.
136
Die Lage der einzelnen Niveaus in einer Schale kann von Atom zu Atom variieren. Einen
Überblick verschafft das Korrelationsdiagramm Abb. 102
Abb. 102: Korrelationsdiagramm
Hier sind links die Niveaus des vereinigten Atoms, rechts die der Einzelatome aufgeführt. Zustände gleicher Symmetrie rechts und links sind so verbunden, daß sich Linien, die von Zuständen gleicher Symmetrie ausgehen, nicht kreuzen. Die Lage unterschiedlicher Moleküle in
diesem Diagramm ist angegeben. Anhand der Lage der Verbindungslinien läßt sich die relative Lage der Terme ermitteln.
b) Die Kopplung mehrerer Elektronen im zweiatomigen Molekül
Bei mehreren Elektronen muß man beachten, wie die verschiedenen Drehimpulse zum Gesamtdrehimpuls des Systems koppeln. Entsprechend der LS und jj-Kopplung im Atom gibt es
verschiedene extreme Kopplungsfälle. Nach Hund unterscheidet man zwischen 4 Kopplungsfällen, von denen wir zwei angeben. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in dem Einfluß der Molekülachse.
Im Hundschen Kopplungsfall A sind s und l an die Molekülachse gekoppelt.
Die Projektionen der Drehimpulse auf die Achse addieren sich algebraisch zur Projektion des
Gesamtdrehimpulses
L z = ±Λh/
Λ = Σ (±λ i )
Die Zuordnung zwischen der Termbezeichnung und dem Wert von Λ ist dabei wie im Atom,
nur daß statt lateinischer Buchstaben griechische verwendet werden:
Die Spins der einzelnen Elektronen addieren sich zum Gesamtspin S. S addiert sich mit Λ ,
dem Vektor der Länge Λ, der in z-Richtung zeigt, vektoriell, so daß die Projektionen von S
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auf die Achse, Σ, ganzzahlige Differenzen haben. Σ und Λ addieren sich algebraisch zur zKomponente des gesamten Elektronendrehimpulses Ω.
Ω=Σ+Λ
Die Verhältnisse sind ähnlich wie beim Paschen-Back-Effekt.
Der Gesamtdrehimpuls des ganzen Moleküls J ergibt sich dann aus einer vektoriellen Addition des Impulses der Kernrotation (Hantelimpuls) N und der Elektronen
J=N+Ω
Die Multiplizität der Feinstruktur ist wie bei Atomen durch 2S+1 gegeben.
Abb. 103: Addition der Drehimpulse beim Hundschen
Kopplungsfall A
Abb. 104: Vektorgerüst für die Addition von S und Λ im
Hundschen Kopplungsfall A
Übergänge gehorchen den Auswahlregeln
∆Λ = 0, ±1
∆S = 0
d.h. Interkombinationslinien sind i.a. wie bei Atomen verboten. Bei schwereren Atomen kommen sie vor. Beispiele sind die atmosphärische Sauerstoffbande, die durch einen Übergang
3
Σ→1Σ des O2 entsteht und die Cameron Bande von CO mit dem Übergang 3Π - 1Σ:
Beispiel:
Für drei Valenzelektronen sind die Quantenzahlen
n=2
n=3
n=3
l =1
l =0
l =0
Damit ergeben sich für Λ die beiden Möglichkeiten
Λ = λ1 ± λ2 = 2
(∆) oder 0 (Σ)
λ=1
λ=0
λ=1
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Die Komponente des Spins auf die Molekülachse kann für drei Elektronen 1/2 und 3/2 betragen. Mit den beiden möglichen Vorzeichen ergeben sich also insgesamt 4 mögliche Terme
der Spinaufspaltung. Die Multiplizität ist also wie beim Atom durch 2S + 1 gegeben. Für
Λ = 2 ergeben sich also die vier möglichen Terme
4
∆ 7/2 , 4 ∆ 5/2 , 4 ∆ 3/2 , 4 ∆ 1/2
Beim Hundschen Kopplungsfall B ist S schwach an die Achse gekoppelt.
Hier addieren sich zunächst N und Λ vektoriell zu einem Vektor K, der dann mit dem SpinAbb. 105: Hundscher Kopplungsfall B
vektor den Gesamtdrehimpuls J ergibt.
c) Intensitäten
Die Intensitäten im Vibrationsspektrum werden durch das Franck-Condon-Prinzip geregelt.
Dies stützt sich auf die Born-Oppenheimer Näherung, die für die Darstellung der elektronischen Übergänge zwischen zwei Potentialkurven wie in Abb. 106 besagt, daß die Übergänge
in diesem Bild immer auf senkrechten Geraden erfolgen. Um herauszufinden, zwischen welchen Schwingungsquantenzahlen v die intensivsten Übergänge stattfinden, wählt man nach
Franck-Condon solche Werte für R, bei denen im oberen und im unteren Niveau die größte
Besetzung vorliegt.
Maßgeblich für die Intensität ist also der Grad der Überlappung der Wellenfunktionen im
Abb. 106: Zur Veranschaulichung des FranckCondon Prinzips
oberen und unteren Zustand bei gleichem R.
∫ ψ(R)ψ”(R)dr
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Im Beispiel von Abb. 106a wird angenommen, daß das Molekül anfangs im Grundzustand
vorliegt. Da hier ψ2 in der Mitte ein Maximum besitzt, während in den angeregten Niveaus
dem klassischen Bilde entsprechend am Rand die größte Aufenthaltswahrscheinlichkeit vorliegt, werden die intensivesten Übergänge von v'' = 0 nach v' = 5 oder die benachbarten
Quantenzahlen zu beobachten sein, während im Falle der Bindungsneutralität (Abb. 106b) die
Übergänge hauptsächlich zwischen Niveaus mit gleichem v stattfinden.
Um sich einen Überblick über die Lage der beiden Potentialkurven zu verschaffen, ist das sogenannte Kantenschema nützlich. Hier zeichnet man in ein Diagramm v'/v'' die Lage der hellsten Linien ein. Im Falle der Bindungsneutralität (Re' = Re'') erhält man eine Gerade, im Falle
Re' ≠ Re'' eine Parabel. (Abb. 107)
Abb.107: Kantenschema
d) Photodissoziation
Das Franck-Condon Prinzip macht auch verständlich, warum direkte Dissoziation aus dem
Grundzustand durch einen optischen Prozeß nicht möglich ist. Da die höheren Niveaus in der
Mitte praktisch keine Aufenthaltswahrscheinlichkeit besitzen, ist ein Übergang entlang einer
vertikalen Linie beliebig unwahrscheinlich. Ein Übergang mit Änderung des Atomabstandes
ist aber verboten. Die Dissoziation erfolgt also über Stöße oder optisch über Anregung eines
Zwischenzustandes (Abb. 108). Durch Ermittlung der Konvergenzgrenze im oberen Niveau
und der Anregungsenergie aus der Ausstrahlung der Zerfallsprodukte läßt sich die Dissoziationsenergie bestimmen.
Abb. 108: Möglichkeit der Photodissoziotion
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4. Ramanspektrum
a) Die klassische Beschreibung des Schwingungs-Ramaneffektes
Abb. 109: Der Raman Effekt wird im Streulicht
beobachtet
Bei der Ramanstreuung werden die Moleküle in einer Probe der Strahlung einer Welle
ausgesetzt
E0 = E cosω0t
Dadurch wird im Molekül ein Dipolmoment p induziert
p = αE = αE cos ω0 t
Wenn nun die Polarisierbarkeit α vom Atomabstand im Molekül abhängt, und das Molekül
mit der Frequenz ωv vibriert, ergibt sich für das Dipolmoment mit R = R e + R cos ωv t;
p(t) =  α(R e ) + dα R cos ωv t  cos ω0 t


dR
Nach dem Additionstheorem des Kosinus kann man die Schwingung von p(t) und damit das
gestreute Licht auffassen als die Überlagerung zweier Wellen mit
ωs = ω0 + ωv
(Antistokesstrahlung)
ωs = ω0 − ωv
(Stokesstrahlung)
b) Ramanaktivität
Moleküle sind also ramanaktiv, wenn die Polarisierbarkeit vom Abstand der Atome abhängt.
dα ≠ 0
dR
Zu diesen Molekülen gehören alle zweiatomigen homonuklearen Moleküle und lineare mit
Inversionszentrum. Letztere zeigen eine gewisse Komplementarität bezüglich Infrarot und
Ramanaktivität.
So ist z.B. in CO2 die symmetrische Streckschwingung infrarot inaktiv, da mit dem symmetrischen Molekül kein Dipolmoment verbunden ist, aber Raman aktiv, da sich die Polarisierbarkeit mit dem Abstand der O-Atome vom C-Atom ändert. Andererseits ist die asymmetrische
Streckschwingung des CO2 infrarot aktiv, da mit der asymmetrischen Verschiebung der Atome die Erzeugung eines Dipolmomentes verbunden ist. Die Änderung der Polarisierbarkeit
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kompensiert sich aber gerade in den beiden Hälften des Moleküls, da an einer Seite eine Stauchung stattfindet, wenn die andere gestreckt wird.
b) Quantenmechanische Beschreibung
Nach der quantenmechanischen Beschreibung wird bei dem Stokesanteil des gestreuten Lichtes dem einfallenden Licht ein Quant zur Anregung einer Vibration entnommen, bei dem Antistokesanteil ein bei der Abregung einer Schwingung frei gewordenes Lichtquant der einfallenden Strahlung zugefügt.
Abb. 110: Übergänge bei Stokes- und Antistokes
Strahlung
c) Kohärente Ramanstreuung
Bei der Überlagerung zweier Wellen tritt neben der Mischung im Frequenzraum eine Mischung im Wellenzahlraum auf. Wenn die Eingangswellen den Verlauf sin(ω1t - k1r) und
sin(ω2t - k2r) haben, enthält das Ausgangssignal Wellen mit
ks = k1 + k2
ks = k1- k2
Im Quantenbild ist die Summierung von ω und k der Energie und Impulssatz
h/ ωs = h/ ω1 + h/ ω2
h/ k s = h/ k 1 + h/ k 2
Bei der kohärenten Ramanstreuung strahlt man zwei Wellen so ein, daß die Differenzfrequenz mit einer Molekülschwingung zusammenfällt. Da außer dieser Frequenzanpassung eine
Wellenzahlanpassung stattfinden muß, wird die Streustrahlung in einen kleinen Raumwinkel
um den Wellenvektor ks gestrahlt, der die Dreiecksbeziehung der k erfüllt. Der Vorteil ist eine beträchtliche Intensitätserhöhung im Streulicht verglichen zur inkohärenten Ramannstreuung, da dort das Licht in alle Richtungen gestreut wird.
Ein anderer Vorteil kann durch die bei Zweiphotonenprozessen geänderten Auswahlregeln
entstehen.
Die verschiedenen Techniken der kohärenten Ramanspektroskopie benutzen verschiedene
Arten der Frequenzmischung.
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CARS (Kohärente-Antistokes-Raman-Spektroskopie)
ωm
= Molekülfrequenz
ωm
= ω1 - ω2
ωs
= ω1 + ωm = 2ω1 - ω2
k2
= 2k1 - k2
Abb. 111: CARS-Aufbau
Abb. 112: Übergänge bei CARS
CSRS: Kohärente Stokes-Raman Spektroskopie
Abb. 113: Übergänge bei CSRS
TRIKE: Raman induzierter Kerreffekt nutzt Polarisationeigenschaften aus.
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