Unspezifischer Schmerz - ARCUS Kliniken Pforzheim

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orthopädie
Unspezifischer Schmerz
Diagnostik und Behandlung chronischer Ellenbogeninstabilitäten
Dr. med. Boris Hollinger, Oberarzt an der ARCUS Sportklinik, Pforzheim
Im Leistungssport kommt es immer wieder durch chronische Überlastungen, repetitive Mikrotraumata und nach Makrotraumata zu Instabilitäten des Bandapparates am Ellenbogen, die ­lange Zeit kompensiert werden aber häufig in chronischen Schmerzen des Ellenbogens enden. Nicht selten werden diese Schmerzen als ulnare oder radiale Epicondylitis gewertet und dementsprechend lange Zeit ohne Erfolg konservativ behandelt.
Prädestinierte Sportarten für solch chronische Ellenbogeninstabilitäten sind in
erster Linie Handball, Faustball, Turnen,
aber auch andere Wurfsportarten wie
z.B. Speerwerfen oder Schlagsportarten
wie z.B. Tennis können dazu führen.
Neben den immer wiederkehrenden
Überlastungen/Mikrotraumata in den
genannten Sportarten birgt vor allem
das Makrotrauma die Gefahr einer bleibenden chronischen Bandinstabilität
nach einer ungenügenden stabilen Heilung im Rahmen einer angeschlossenen
konservativen Therapie.
Wir beobachten immer wieder, dass
Patienten nach konservativ behandelten
Ellenbogenluxationen oder isolierten
Seitenbandverletzungen das Leitungssportniveau nicht mehr halten bzw. erreichen aufgrund bestehender chronischer Instabilitäten. Solch verborgene
Instabilitäten zu erkennen, ist in der
Praxis nicht einfach. Typischerweise
kommt der Sportler nicht zum Arzt und
berichtet über eine Instabilität sondern
über das unspezifische Symptom „Schmerz“.
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Untersuchungstechniken
Neben der Inspektion, bei der auf Achsabweichungen im Seitenvergleich geachtet werden muss bzw. der Hämatombildung nach einem Trauma, steht die
Stressprüfung der Seitenbandstabilität.
Hierzu führt der Untersucher einen
­Valgus- und Varusstress in Pro- und
Supination im Seitenvergleich durch.
Bei dieser Untersuchung kann jedoch
die häufig auftretende posterolaterale
Rotationsinstabilität nicht oder nur
­ungenügend erfasst werden. Ein spezieller Pivot-shift Test, beschrieben von
O’Driscoll (Abb. 1), kann hier hilfreich
sein. Das Problem ist jedoch, dass durch
die muskuläre Vorspannung beim
­wachen Patienten diese Untersuchung
kaum aussagekräftig bzw. verwertbar ist.
Erst in der Narkoseuntersuchung bzw.
unter arthroskopischer Kontrolle zeigt
dieser Provokationstest die wahre Instabilitätsausprägung.
Schwierig zu verstehen ist der dahinterstehende Mechanismus. Bei der ­post­­­­erolateralen Rotationsinstabilität dreht
die anatomische Einheit Radius und
Ulna aus der Artikulation zum ­distalen
Humerus aufgrund einer Instabilität des
radialen Kollateralbandkomplexes, der
sich aus den Bändern vom radialen Epicondylus zum lig. anulare und zur ulna
zusammensetzt. Diese ­Rotationsbewegung
wird auch sehr ­häufig als Unfallmechanismus für eine entstehende Luxation
verantwortlich gemacht (beschrieben
von O’Driscoll Abb. 2).
Bevor jedoch ein Patient in Narkose
versetzt wird, um eine Stabilitätstestung
durchzuführen, sollten natürlich die zur
Verfügung stehenden diagnostischen
Verfahren genutzt werden. Als sehr aussagekräftiges Verfahren steht uns hierbei
die Durchleuchtung unter einem
­C-Bogen zur Verfügung. Diese dynamische Untersuchung kann sehr sensibel das Aufklappen des Gelenkspaltes
unter Varus- und Valgusstress bildlich
darstellen und ist nicht alleine auf ­das
taktile Gespür des Untersuchers angewiesen (Abb.3).
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Foto: istockphoto / Nicholas Rjabow
Die MRT-Untersuchung ist ebenfalls
eine sehr sensible Technik zur Erhebung
der Verletzungsfolgen. Das Problem
dieser Untersuchung ist jedoch, dass sie
statisch ist und lediglich den Ort der
Verletzung/Pathologie zeigt. Welcher
Schweregrad der Instabilität sich hinter
der gewonnenen Bildgebung versteckt,
geht daraus nicht hervor. Als ScreeningUntersuchung ist die Kernspintomografie
hingegen sehr gut geeignet, da sie ­nicht
nur
die
Kapselbandverletzungen
­darstellt, sondern auch relevante
­Begleitpathologien wie freie Gelenkkörper, Knorpelschäden, arthrotische
Veränderungen und Subluxationsstellungen des Gelenkes. Die CT-Unter­
suchung hat ihren Stellenwert vor
allem bei knöchernen Begleitverletzungen, insbesondere dann, wenn
die native Röntgenuntersuchung
detaillierte Fragestellungen nur
unzureichend beantwortet.
Die diagnostische Arthroskopie ist die letzte Instanz,
Instabilitäten des Ellenbogens
qualitativ zu ­erfassen. Mit dieser Methode ­lassen sich geringste Formen von Instabilitäten
unter Sicht mit den Provokationstests darstellen. Insbesondere
bei komplexeren bzw. kombinierten
Instabilitäten kann ­mit diesem Verfahren die Hauptinstabilitätsrichtung
festgestellt werden ­(Abb. 4). Mit der gewonnenen Erkenntnis durch die Arthroskopie kann somit die notwendige Behandlung auf diesem zentralen Baustein
des Therapiekonzeptes nachvollziehbar
festgelegt werden.
Valgus
Axial compression
0
Reduced
1
PLRI
2
Perched
Supination
Supination
Axial
compression
Valgus
Subluxation
Abb. 1
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Abb. 2
3
Dislocated
Operative Behandlung
Angeschlossen an die Arthroskopie findet
dann je nach Befund, die Bandplastik
des insuffizienten Seitenbandapparates
statt. Die posterolaterale Instabilität,
verursacht durch eine Verletzung des
radialen Kollateralbandkompexes (RCL
– Radial Collateral Ligament und
­LUCL – Lateral Ulna Collateral Ligament), kann sehr effektiv durch eine
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orthopädie
Bandplastik ersetzt werden. Hierzu bieten sich verschiedene
Transplantate an. Wir bevorzugen einen Trizepsstreifen aus
dem ulnaren Drittel der Trizepssehne. Es kann aber auch ein
­Palmaris longus- oder ein Gracilissehnentransplantat verwendet
werden. Entscheidend für die optimale Stabilität und Funktion
des Ellenbogens ist die exakte isometrische Platzierung des
Transplantates am humeralen und ulnaren Fixationspunkt
(Abb. 5). Hierbei wird der Verlauf des LUCL-Bandes nachgeahmt. Als sehr stabile Fixationstechnik für das Transplantat
bietet sich die Verankerung mit Tenodeseschrauben (Fa.
­Arthrex) an (Abb. 6).
Die mediale Instabilität ist eine Folge der Innenbandver­
letzung. Das Innenband setzt sich aus zwei verstärkten Zügeln
in der medialen Gelenkkapsel zusammen. Das vordere Bündel
ist der Hauptstabilisator und übernimmt etwa 90 % der medialen
Stabilität. Die Anordnung des Innenbandkomplexes ist nicht
isometrisch. Somit ist eine Rekonstruktion über eine Bandplastik
stets ein biomechanischer Kompromiss, ähnlich wie bei der
vorderen Kreuzbandersatzplastik in der Einzelbündeltechnik.
Ziel der Stabilisierung ist die Rekonstruktion des vorderen
Bündels. In der Literatur sind viele Techniken beschrieben.
Aus dem amerikanischen Raum sind bereits umfangreiche
Publikationen dazu veröffentlicht worden. Die Amerikaner
haben traditionell viel Erfahrungen mit diesem Krankheitsbild aus dem Baseball-/ Footballbereich. Im angloamerikanischen wird die chronische Innenbandinstabilität „PitcherElbow“ – „Werfer-Ellenbogen“ genannt.
Wir bevorzugen eine Wiederherstellung des Innenbandkomplexes mit einem Gracilissehnentransplantat, da es für
unsere Technik die auseichende Länge und Stärke bietet. An
der Ulna wird das Transplantat im Bereich der anatomischen
Insertion über eine Knochenbrücke durch Bohrlöcher durchgezogen und vereint am humeralen Ursprung über eine Bohrung mit einer Tenodeseschraube fixiert. Diese Technik führt
zu einer sehr breiten Rekonstruktion des Innenbandes an der
Ulna und imitiert den physiologischen Verlauf. Die stabile
Fixierungstechnik erlaubt eine frühe funktionelle Nachbehandlung (Abb. 7). In seltenen Fällen muss eine chronische
Subluxationsstellung nach der Reposition und Stabilisierung
des Kollateralbandkomplexes mit einem Bewegungsfixateur
(Fa. Orthofix) gesichert werden (Abb. 8)
Nachbehandlung
Durch die sehr stabile Fixation der Sehnentransplantate und
die isometrische Platzierung dürfen die Patienten sofort den
Bewegungsumfang in Beugung und Streckung auftrainieren.
Die Umwendbewegungen des Unterarms werden nicht eingeschränkt. Protektiv verordnen wir den Patienten für sechs
Wochen eine Bewegungsorthese. Diese ist in den ersten vier
Wochen auf Flexion/Extension 90-10-0° eingestellt und wird
zu den selbstständigen Übungen und zur Krankengymnastik
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Abb. 3 Chronische ulnare Instabilität – Aufklappbarkeit unter
Durchleuchtung
Abb. 4 Arthroskopisch kontrollierte ulnare Aufklappbarkeit unter
Valgusstress bei 90° Flexion
Abb. 5 LUCL-Bandplastik mit
Trizepssehnentransplantat
Abb. 7 Ulnare Bandplastik mit
Gracilissehnentransplantat
Abb. 6 Fixation LUCL-Band­plastik mit Titan-Tenodese­schrauben der Fa. Arthrex
Abb. 8 Ellenbogen-Bewegungsfixateur der Fa. Orthofix
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der Nasenatmung
Boris Hollinger
> Facharzt für Orthopädie
und Unfallchirurgie,
Chirurgie, Sportmedizin
> Oberarzt an der ARCUS
Sportklinik in Pforzheim
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abgelegt. In der fünften und sechsten Woche wird die
Bewegungsorthese ohne Limitierung getragen. Kraftübungen
werden ab der siebten Woche und die sportartspezifische
Trainingstherapie ab der zwölften Woche begonnen. Die meisten
Patienten kehren nach vier Monaten wieder zum ursprünglichen Sport zurück. Eine relevante Entnahmemorbidität der
zur Verfügung stehenden Sehnentransplantate wird nicht
beobachtet. Im Falle einer zusätzlichen Versorgung mit einem
Bewegungsfixateur kann sich der Patient sofort frei bewegen.
Nach sechs Wochen wird der Fixateur ambulant entfernt.
Der behandelnde Arzt muss bei belastungsabhängigen
Beschwerden im Ellenbogen bei gefährdeten Sportlern bzw.
nach Unfällen immer auch an eine chronische Bandinstabilität
als Ursache denken. Die sekundäre Rekonstruktion von Ellenbogeninstabilitäten ist ein gewinnbringender Eingriff für die
Patienten mit einer niedrigen Morbidität der autologen Sehnentransplantatentnahme. Auch bei länger bestehenden Instabilitäten kann mit den genannten Stabilisierungsverfahren ein
belastbarer schmerzarmer Ellenbogen erreicht werden.
Fazit
Wir empfehlen aufgrund unserer Erfahrung bei chronischen
Bandinstabilitäten und chronischen Subluxationen die Wiederherstellung der Stabilität mit autologen Sehnentransplantaten.
Nur selten ist die zusätzliche Stabilisierung mit einem Bewegungsfixateur erforderlich. Die operative Behandlung und die
Indikationsstellung zur Bandplastik bei chronischen Ellenbogeninstabilitäten sind aufgrund der niedrigen Fallzahlen und der
Komplexität des Eingriffs in speziellen Zentren durchzuführen.
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