Die parodontale Therapie furkationsbefallener Molaren

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Marie Christin Ohlmeier, Giovanni E. Salvi, Benjamin Ehmke,
Oliver Laugisch
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Die parodontale Therapie
furkationsbefallener Molaren
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Indizes
Parodontitis, Furkation, Wurzelamputation, Hemisektion, Tunnelierung, Regeneration
Zusammenfassung
Bei mehrwurzeligen Zähnen wird mit zunehmendem parodontalem Attachmentverlust
der interradikuläre Bereich zugänglich, so dass ein Furkationsbefall vorliegt. Die Therapie
dieser Zähne stellt den Behandler vor eine große Herausforderung, da der Bereich bei
der initialen und auch der unterstützenden Therapie schlecht erreichbar ist. Ferner lässt
er sich im Rahmen der häuslichen Mundhygiene vom Patienten meist nur insuffizient
reinigen. Die Folgen sind eine Akkumulation parodontalpathogener Bakterien im
Furkationsbereich und anschließend ein progredienter Attachmentverlust. Um die
Prognose dieser Zähne dennoch zu verbessern, ist eine adäquate Therapie besonders
wichtig. Neben einem chirurgischen Debridement sind je nach Indikation zudem
resektive oder regenerative chirurgische Maßnahmen indiziert. In dem Beitrag werden
die verschiedenen Möglichkeiten zur Behandlung furkationsbefallener Molaren und
deren Indikationen unter Berücksichtigung der jeweiligen Evidenz erläutert.
Poliklinik für Parodontologie
Universitätsklinikum Münster
Giovanni E. Salvi
Prof. Dr. med. dent.
Klinik für Parodontologie
Zahnmedizinische Kliniken der
Universität Bern, Schweiz
Benjamin Ehmke
Prof. Dr. med. dent.
Poliklinik für Parodontologie
Universitätsklinikum Münster
Einleitung
Oliver Laugisch
Dr. med. dent.
Mehrwurzelige Zähne wie die Ober- und Unterkiefermolaren, aber auch die Oberkieferprämolaren bilden bei
zunehmendem Attachmentverlust für den Behandler eine zusätzliche Herausforderung, da der interradikuläre
Bereich dieser Zähne zugänglich wird und eine Nische
im Sinne eines Furkationsbefalls vorliegt. Der Furkations­
bereich hat eine sehr komplexe Anatomie. Je nach
Verteilung und Anzahl der Wurzeln weisen die Zähne
mehrere Furkationseingänge auf. Diese sind in der Re­
gel bei den Oberkiefermolaren bukkal, mesiopalatinal
und distopalatinal sowie bei den Unterkiefermolaren
bukkal und lingual lokalisiert. Die ersten oberen Prämolaren haben zwei sehr grazile Wurzeln, deren Eingänge mesial und distal liegen.
Aufgrund dieser Anatomie ist der Bereich sehr
schwer zugänglich, so dass eine adäquate parodontale
Therapie der betroffenen Zähne sich schwieriger gestal­
tet als die Behandlung einwurzeliger Zähne und auch
mehr Komplikationen mit sich bringt. Bei der konserQuintessenz 2013;64(11):1347–1356
Marie Christin Ohlmeier
Dr. med. dent.
Poliklinik für Parodontologie
Universitätsklinikum Münster
und
Klinik für Parodontologie
Zahnmedizinische Kliniken der
Universität Bern, Schweiz
und
Klinik für Implantologie und
prothetische Zahnmedizin
ACTA, Amsterdam, Niederlande
Korrespondenzadresse:
Dr. Oliver Laugisch
Poliklinik für Parodontologie
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Campus 1
48149 Münster
E-Mail: [email protected]
1347
vativen Parodontaltherapie ist das vollständige Debridement des Bereiches erschwert bis unmöglich. Ebenso kann der Patient in der häuslichen Mundhygiene
diese Nische nicht vollständig erreichen und nur insuffizient reinigen. Dies führt zur Akkumulation eines
bakteriellen Biofilms und oftmals zu einem progredienten parodontalen Attachmentverlust. Daraus resultiert
eine verringerte Langzeitprognose furkationsbeteiligter
Zähne gegenüber anderen mehrwurzeligen Zähnen ohne Furkationsbefall oder einwurzeligen Zähnen11,16,19.
Diagnostik
Zur Diagnostik des Furkationsbefalls eignet sich insbesondere die klinische Untersuchung mittels Furkationssonde. Mit ihr wird der interradikuläre Attachmentverlust jeder Furkation bzw. jedes Furkationseingangs
sondiert und beurteilt. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Indizes eingeführt, von denen insbesondere
die Klassifikation nach Hamp et al.9 aus dem Jahr 1975
häufig Anwendung findet. Entsprechend der sondierbaren Millimeter wird hierbei in drei Schweregrade
unterteilt (Abb. 1a bis c):
• Grad I: Furkation bis 3 mm sondierbar;
• Grad II: Furkation mehr als 3 mm sondierbar, aber
nicht durchgängig;
• Grad III: Furkation durchgängig.
Eine andere Klassifikation in vier Schweregrade hat
Glickman8 beschrieben. Hier wird neben der klinischen
auch die radiologische Diagnostik berücksichtigt:
• Grad I: Es ist ein beginnender Knochenverlust mit
Ausbildung von Taschensondierungstiefen vorhanden, wobei radiologische Veränderungen nicht erkennbar sind.
• Grad II: Es besteht ein fortgeschrittener Knochenverlust, jedoch ist noch ein Teil des interradikulären
Knochens vorhanden. Dieser Grad kann eine oder
mehrere Furkationen des Zahnes betreffen, die untereinander nicht kommunizieren. Radiologisch ist
der Furkationsbefall unter Umständen sichtbar.
• Grad III: Der Knochen erreicht den Furkationsboden
nicht. Klinisch ist die Furkation möglicherweise auf1348
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grund von Weichgewebe oder Interferenzen an
Knochenrändern nicht durchgängig. Bei Addition
der bukkalen und der lingualen Dimension der Furkation wird der Schluss gezogen, dass es sich um
eine durchgängige Furkation handelt.
• Grad IV: Es liegt kein interdentaler Knochen vor, und
das Weichgewebe hat sich nach apikal verschoben,
so dass der Furkationseingang klinisch sichtbar
und für eine Sonde vollständig durchgängig ist.
Weitere Klassifikationen wurden von Easley und Drennan3 sowie von Tarnow und Fletcher21 beschrieben.
Eine eindeutige Beurteilung des Furkationsbefalls ist oft
erst intra operationem nach direkter Darstellung des
Defektes möglich, da sonst häufig Weichgewebe die
sichere klinische Identifizierung der Furkationsbereiche
verfälschen.
Die radiologische Diagnostik ist ebenfalls zur Beurteilung eines Furkationsbefalls heranzuziehen. Hier sollte
der Knochenverlauf approximal und im Bereich des
Wurzelkomplexes befundet werden. Es ist jedoch zu
berücksichtigen, dass ein klinisch diagnostizierter Furkationsbefall aufgrund von Überlagerungen im Röntgen­
bild möglicherweise nicht nachgewiesen werden kann
und deshalb ergänzende Röntgenbilder aus einem
anderen Winkel anzufertigen sind. Wegen der höheren
Aussagekraft und Genauigkeit sollte aber die klinische
Untersuchung der radiologischen vorgezogen und
Letztere nur ergänzend durchgeführt werden.
Neben zweidimensionalen Röntgenbildern kann auch
eine dreidimensionale radiologische Diagnostik zur
Beurteilung des Furkationsbefalls Anwendung finden.
Außer der Computertomographie gibt es noch die Mög­
lichkeit, eine dentale digitale Volumentomographie an­
zufertigen. Deren Ergebnis entspricht meist dem der
klinischen Furkationsdiagnostik während eines operativen Eingriffs und lässt somit eine sehr genaue Dia­
gnostik zu24. Aufgrund der hohen Kosten und der entstehenden Strahlenbelastung sowie der unbedeutenden
therapeutischen Konsequenz ist jedoch die dreidimensionale radiologische Bildgebung zur alleinigen Dia­
gnostik der Furkation nicht indiziert.
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Grad I
Grad II
horizontaler
Attachmentlevel
5 mm
a
horizontaler
Attachmentlevel
2,5 mm
Tangente
Grad III
Nabers-Sonde
Nabers-Sonde
Nabers-Sonde
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durchgängige
Furkation
Tangente
b
Tangente
c
Abb. 1a bis c Furkationsbeteiligung der Grade I bis III; schematischer horizontaler Schnitt durch die Furkationsregion eines
Oberkiefermolaren (aus: Eickholz und Hausmann4)
Tab. 1 Therapiemöglichkeiten in Abhängigkeit
vom Furkationsbefall
Furkationsgrad I
Furkationsgrad II
Furkationsgrad III
• Debridement
• Debridement
• Debridement
• Odontoplastik
• Wurzelamputation/-resektion
• Wurzelamputation/-resektion
• Hemisektion, Bi-/Trifurkation
• Hemisektion, Bi-/Trifurkation
• Prämolarisierung
• Prämolarisierung
• Tunnelierung
• Tunnelierung
• GTR
• Extraktion
• Extraktion
Möglichkeiten der Therapie
Die Therapie furkationsbeteiligter Zähne richtet sich
nach dem Schweregrad des Befalls (Tab. 1). Ziel ist es,
die schwer zugänglichen Bereiche zu reinigen und die
Akkumulation von parodontalpathogenen Bakterien
zu reduzieren. Ferner wird angestrebt, mit der Behand­
lung den Furkationsbereich sowohl für das Debridement bei der unterstützenden Parodontitistherapie als
auch für die tägliche Pflege durch den Patienten zugänglicher zu gestalten. So sollen eine Progression der
Parodontitis und ein zunehmender Attachmentverlust
im Furkationsbereich verhindert werden. Die Therapie
furkationsbefallener Molaren ist aufgrund der meist
sehr komplexen Anatomie aufwendig und umfangreich.
Zudem handelt es sich hierbei um techniksensitive
Eingriffe, die auch eine große Herausforderung für
den erfahrenen Behandler darstellen.
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Therapeutisch kann zwischen nicht chirurgischen
und chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten unterteilt werden.
Nicht chirurgisches Debridement
Das nicht chirurgische Debridement im Furkationsbereich hat eine Reduktion der bakteriellen Belastung zur
Folge und minimiert so die Entzündungsreaktion im
Bereich der Gingiva. Auf diese Weise kommt es zu einer
Heilung der Gingiva durch Bildung eines Saumepithels.
Das gründliche Debridement sollte regelmäßig zur Re­
duktion parodontalpathogener Keime erfolgen und ist
ferner Grundlage aller übrigen Therapiemöglichkeiten.
Sofern neben der nicht chirurgischen Therapie ergänzende chirurgische Behandlungen notwendig werden,
entscheidet das Ausmaß des Furkationsbefalls darüber,
welche therapeutischen Maßnahmen indiziert sind.
1349
Hier wird zwischen resektiven und regenerativen Behandlungsmöglichkeiten unterschieden.
In einer systematischen Übersichtsarbeit zur parodontalen Therapie furkationsbefallener Zähne konnte
gezeigt werden, dass sich durch die Anwendung verschiedener therapeutischer Ansätze gute Ergebnisse mit
Langzeitüberlebensraten der Zähne von bis zu 100 %
erzielen lassen. Die häufigsten Komplikationen waren
jedoch Karies in der Furkation und Wurzelfrakturen12.
Odontoplastik
Bei der Odontoplastik wird der Furkationsbereich des
Zahnes modelliert, um interradikuläre Defekte zu eliminieren und die Reinigung in diesem Bereich zu ermöglichen. Sie kann bei einem Furkationsgrad I, aber
auch unterstützend zu anderen Maßnahmen bei den
Furkationsgraden II und III zum Einsatz kommen.
Wurzelamputation
Die Wurzelamputation ist ein resektives chirurgisches
Therapieverfahren und lässt sich bei einem fortgeschrittenen Furkationsgrad II oder einer durchgängigen
Furkation Grad III anwenden. Bei der Wurzelamputation
werden eine oder mehrere Wurzeln unter Belassung des
zugehörigen Kronenanteils des Zahnes entfernt. Ziel
ist es, den Grad des Furkationsbefalls zu minimieren
oder diesen zu eliminieren.
Vor einer Wurzelamputation müssen die Wurzelstammlänge, die Länge und Form der Wurzeln sowie
das verbleibende parodontale Attachment einzelner
Wurzeln nach dem chirurgischen Eingriff bedacht werden. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind die
allgemeine Anatomie der Zähne, die Divergenz der
Wurzeln, der Ausschluss einer Fusion der Wurzeln sowie eine suffiziente Wurzelkanalfüllung. Nach der Wurzelamputation müssen ein bakteriendichter Verschluss
an der Amputationsstelle und eine ausreichende Zugänglichkeit des Furkationsbereiches zur späteren Reinigung sichergestellt sein.
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Anatomie der Wurzel
Die Wurzelstammlänge umfasst den noch ungeteilten
Wurzelbereich und ist definiert als die Distanz zwischen
der Schmelz-Zement-Grenze und dem Furkationseingang zwischen zwei Wurzeln. Die Wurzelstammlänge
variiert von Zahn zu Zahn. Je kürzer die Wurzelstammlänge eines Zahnes ist, desto weniger Attachmentverlust
muss auftreten, bis eine Furkationsbeteiligung vorliegt.
Allerdings lässt sich ein furkationsbeteiligter mehrwurzeliger Zahn mit einer kurzen Wurzelstammlänge
einfacher therapieren, da der Furkationsbereich in der
Nachsorge besser zu erreichen ist. Eine kurze Wurzelstammlänge bildet eine gute Voraussetzung, um eine
Wurzelamputation durchzuführen. Hier kann davon
ausgegangen werden, dass nach dem chirurgischen
Eingriff die verbleibenden Wurzeln eine ausreichende
parodontale Stabilität aufweisen. Im Fall einer langen
Wurzelstammlänge ist bei einem Furkationsgrad II
oder III der Attachmentverlust bereits so weit vorangeschritten, dass nach einer Wurzelamputation die verbleibenden Wurzeln nicht mehr in der Lage sind, eine
hinlängliche Stabilität für den Zahn zu gewährleisten.
Kurze und kleine Wurzeln haben nach einer Amputation oft eine erhöhte Mobilität. Daher müssen die
Länge und die Form der Wurzeln vor der Amputation
beurteilt werden, damit ein ausreichendes parodontales Attachment einzelner Wurzeln nach dem chirurgischen Eingriff sichergestellt ist. Die Divergenz der
Wurzeln sollte groß genug sein und mindestens 30°
betragen. Im Fall einer zu geringen Divergenz ergeben
sich technische Schwierigkeiten bei der Durchführung
der Amputation. Eine Fusion der Wurzeln muss vor
dem Eingriff ausgeschlossen werden. Nach der Amputation ist für eine ausreichende Zugänglichkeit zur
Reinigung und zur täglichen Zahnpflege zu sorgen.
Anatomie des Zahnes
Bei der Entscheidung, welche Wurzel extrahiert wird,
muss immer die Anatomie des betreffenden Zahnes
berücksichtig werden.
Bei Oberkiefermolaren stellt die distobukkale Wurzel
die kleinste der drei Wurzeln dar und hat einen relativ
langen Wurzelstamm. Da das parodontale Attachment
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Abb. 2a bis e Fallbeispiel 1: Resektives Therapieverfahren einer Wurzelamputation bei Indikation einer missglückten
Wurzelkanalbehandlung der distobukkalen Wurzel an Zahn 16
Abb. 2a Intraoperative Schnittführung
Abb. 2b Intraoperativer Zustand nach
Wurzelamputation
Abb. 2c Nahtverschluss
Abb. 2d Wundheilung nach 1 Woche
Abb. 2e Zustand 1 Jahr post operatio-
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deshalb bei einem Furkationsbefall verhältnismäßig
gering ist, wird diese Wurzel häufig amputiert. Die
mesio­bukkale Wurzel weist hingegen aufgrund ihres
uhrglasförmigen Querschnitts und ihrer breiten bukko­
palatinalen Ausdehnung eine große Wurzeloberfläche
auf, so dass das parodontale Attachment sehr ausgeprägt ist. Außerdem nimmt die mesiobukkale Wurzel
eine strategisch günstige Position im Zahnbogen ein.
Sie liegt zentral im Alveolarknochen und ist in Fortführung der Prämolaren ausgerichtet. Dadurch hat sie eine
ideale Lage, um auch als einzelne Einheit zu fungieren.
Bei Oberkieferprämolaren mit einem fortgeschrittenen Furkationsgrad II oder III lässt sich in der Regel
keine Wurzelamputation durchführen, da die Furkation
meist zu weit apikal liegt. Der Verbleib einer Wurzel ist
daher prognostisch so ungünstig, dass im Fall eines
Furkationsgrades II oder III bei einem Oberkieferprämolaren gewöhnlich eine Extraktion des Zahnes notwendig wird.
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Bei Unterkiefermolaren hat die mesiale Wurzel einen
uhrglasförmigen Querschnitt, der häufig in der häuslichen Zahnpflege und auch bei der Restauration Schwie­
rigkeiten bereitet. Zudem enthält die mesiale Wurzel
meist zwei schmale Kanäle, die sich nahe der Oberfläche
befinden und somit eine Wurzelpräparation erschweren.
Die distale Wurzel hat dagegen einen ovalen Querschnitt und normalerweise einen weiten Kanal, der eine komplikationslose Wurzelkanalbehandlung erlaubt.
Weiterhin ist durch die Existenz nur eines einzelnen
Wurzelkanals eine große Menge an Dentin vorhanden,
die vor einer Wurzelfraktur schützt und eine prothetische Versorgung mit einem Stift möglich macht. Aus
diesen Gründen erfolgt im Unterkiefer letztlich eher
eine Amputation oder Resektion der mesialen Wurzel.
Die Entscheidung, welche Wurzel extrahiert wird,
richtet sich in jedem Fall aber nach dem Ausmaß und
der Lokalisation des Attachmentverlustes sowie des
Furkationsbefalls und weniger nach der anatomisch
günstigen Lage und Form einer Wurzel.
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Abb. 3a bis f Fallbeispiel 2: Resektives Therapieverfahren einer Wurzelamputation bei Indikation einer fortgeschrittenen
Parodontitis mit einem Furkationsgrad III der distobukkalen Wurzel an Zahn 26
Abb. 3a Präoperative Diagnostik
mittels Furkationssonde
Abb. 3b Intraoperative Schnittführung
Abb. 3c Darstellung des parodontalen
Defektes der distobukkalen Wurzel
Abb. 3d Intraoperativer Zustand nach
Wurzelamputation
Abb. 3e Nahtverschluss
Abb. 3f Zustand 1 Jahr post opera­
Wurzelkanalbehandlung
Eine suffiziente Wurzelkanalfüllung ist für den Erfolg
einer Wurzelamputation unabdingbar. Sie sollte idealerweise vor dem chirurgischen Eingriff abgeschlossen
sein. Beim Abfüllen der Wurzelkanäle sollte der Kanal
der für die Amputation vorgesehenen Wurzel ausgeschachtet und abschließend mit Komposit gefüllt werden. So wird intra operationem ein bakteriendichter
Verschluss an der Amputationsstelle sichergestellt. Es
kann allerdings vorkommen, dass erst während des
Eingriffs der Furkationsbefall eindeutig diagnostiziert
und kurzfristig eine Amputation durchgeführt wird. In
diesen Fällen muss intra operationem eine Trepanation
des Zahnes erfolgen und die Amputationsstelle mit
einer bakteriendichten Füllung verschlossen werden.
Die Wurzelkanalbehandlung sollte dann innerhalb von
2 Wochen abgeschlossen sein20.
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Im Anschluss an die Wurzelamputation ist es wichtig, den Zahn an der Amputationsstelle zu glätten, um
nach dem operativen Eingriff die häusliche Zahnpflege
möglich zu machen und keine Plaqueretentionsstelle
zu schaffen. Darüber hinaus müssen an der Extraktions­
stelle die Knochenkanten geglättet werden. Eine Präpa­
ration des Zahnes kann ggf. bereits intra operationem
erfolgen.
Die Abbildungen 2a bis e und 3a bis f zeigen das resektive Behandlungsverfahren der Wurzelamputation
anhand zweier Beispiele furkationsbefallener Oberkiefermolaren. Nach abgeschlossener Wurzelkanalbehandlung wurde in beiden Fällen in einem chirurgischen
Eingriff die distobukkale Wurzel amputiert.
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Wurzelresektion: Hemisektion bzw.
Bi- oder Trisektion
Neben einer Wurzelamputation kann bei einem mehrwurzeligen Zahn mit einem Furkationsbefall Grad II
oder III auch eine Wurzelresektion durchgeführt werden.
Im Gegensatz zur Wurzelamputation wird hierbei nicht
nur die Wurzel, sondern auch der zugehörige Kronenanteil des Zahnes entfernt. An den Unterkiefermolaren
erfolgt dann eine Hemisektion und an den Oberkiefermolaren eine Bi- oder Trisektion.
Carnevale et al.2 konnten in einer Longitudinalstudie
über 10 Jahre feststellen, dass wurzelresezierte Zähne
eine Überlebensrate von 93 % hatten. Ähnliche Ergebnisse hat Fugazzotto7 in einer Studie zum Vergleich der
Überlebensrate von wurzelamputierten Zähnen mit
Implantaten aufgezeigt. Bei wurzelamputierten Zähnen
betrug die Überlebensrate 96,8 %, während die Implantate eine Erfolgsrate von 97 % aufwiesen. Bühler1
hingegen berichtete über Verlustraten von 32 % bei
wurzelresezierten Zähnen nach 10 Jahren. Der Miss­
erfolg resezierter Zähne basiert vorwiegend auf endodontischen oder anderen Komplikationen und seltener
auf parodontalen Problemen1,2.
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oder III an Unterkiefermolaren durchgeführt werden.
Auch bei diesem Eingriff sind ein ausreichender Separationswinkel und eine hinlängliche Divergenz der Wurzeln
notwendig. Das Ziel der Tunnelierung besteht darin, den
Zugang zum Furkationsbereich zu ermöglichen. Der
Patient muss diesen Bereich selbstständig bei der häus­
lichen Zahnpflege erreichen können. Intra operatio­nem
sollte der Furkationsbereich durch eine Odonto­plastik
und ggf. durch Entfernen interradikulären Knochens
reinigbar gestaltet werden. Im Anschluss wird der Muko­
periostlappen in apikaler Position reponiert. Im Gegen­
satz zu einer Wurzelamputation oder -resektion ist bei
der Tunnelierung oft keine endodontische Behandlung
des Zahnes notwendig. Das Risiko besteht allerdings
darin, dass der Zahn post operationem hypersensibel
wird oder sich bei insuffizienter Plaquekontrolle und
Kariesprophylaxe eine Wurzelkaries im Furkationsbereich
ausbildet, die nicht oder nur sehr schwer therapiert
werden kann5,6,9,10,15,22.
Regenerative Therapie
Im Unterkiefer besteht weiterhin die Möglichkeit der
Prämolarisierung eines furkationsbefallenen Molaren.
Hierbei werden die beiden Wurzeln des Zahnes getrennt, aber beide Anteile belassen. Diese Therapie kann
bei einem Furkationsgrad II oder III, einer lokalisierten
Karies im Furkationsbereich oder einer Perforation des
Furkationsbodens notwendig sein. Während nach einer
Wurzelamputation oftmals keine neue prothetische
Versorgung notwendig ist, lässt sich diese nach einer
Wurzelresektion so gut wie nie umgehen.
Neben der resektiven Therapie besteht bei furkationsbefallenen Molaren auch die Möglichkeit der regenera­
tiven Therapie17,18. Ziel ist hierbei nicht eine Reparation
des Gewebes, wie sie nach resektiven chirurgischen
Eingriffen eintritt, sondern die Regeneration des Zahnhalteapparates und somit eine Wiederherstellung bzw.
Neubildung des Wurzelzements, des parodontalen Liga­
ments und des Alveolarknochens.
Da regenerative Behandlungseingriffe sehr technik­
sensitiv sind, können sie nur bei ausgewählten Defekten durchgeführt werden. Indiziert ist die regenerative
Therapie furkationsbefallener Molaren bei einem Furkationsgrad II an Unter- und Oberkiefermolaren. Zur
regenerativen Therapie bei einem Furkationsgrad III
sind nur sehr wenige Studiendaten vorhanden13.
Tunnelierung
Gesteuerte Geweberegeneration
Bei der Tunnelierung eines Zahnes handelt es sich um
einen resektiven chirurgischen Eingriff. Die Tunne­lie­rung
kann im Fall eines ausgeprägten Furkationsgrades II
Bei der gesteuerten Geweberegeneration (Guided Tissue
Regeneration, GTR) wird unter Schonung sowie maximalem Erhalt der Gingiva ein Mukoperiostlappen prä-
Prämolarisierung
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pariert und der Defekt dargestellt. Danach erfolgt eine
gründliche Degranulation und Reinigung des Defektes,
um den Zellen des parodontalen Ligaments die Möglichkeit zu geben, die Wurzeloberfläche des Zahnes erneut zu besiedeln. Lediglich diese Zellen haben die
Fähigkeit zur Neubildung des Zahnhalteapparates. Anschließend wird eine Membran über dem Defekt platziert und ein primärer Nahtverschluss durchgeführt.
Die Membran hat die Aufgabe einer Platzhalterfunktion. Sie soll die Migration der gingivalen Epithelzellen
in den Defekt verhindern und die Wiederbesiedlung der
Wurzeloberfläche mit Zellen des parodontalen Ligaments
ermöglichen23,25. Eine resorbierbare Membran hat gegenüber einer nicht resorbierbaren den Vorteil, dass
kein Zweiteingriff zur Entfernung notwendig wird. Bei
einem Vergleich zwischen resorbierbaren und nicht
resorbierbaren Membranen ließ sich kein signifikanter
Unterschied in Bezug auf Attachmentgewinn, Taschensondierungstiefenreduktion oder Ausbildung einer Rezession feststellen17,23. Die Vorhersagbarkeit einer GRT
bei Furkationsdefekten ist allerdings sehr gering. Dies
liegt an der komplexen Anatomie im Furkationsbereich,
welche ein Debridement und eine Degranulation des
Defektes meist nur insuffizient möglich macht. Post
operationem kann es außerdem zu einer Membranexposition kommen, die den Erfolg der GTR einschränkt.
Sofern sich das Debridement vollständig durchführen
lässt und die Möglichkeit einer guten Membranplatzierung sowie eines primären Wundverschlusses besteht,
kann die Vorhersagbarkeit einer GTR im Bereich eines
Furkationsdefektes verbessert werden. Die Erfolgsrate
steigt, wenn der approximale Alveolarknochen bis nahe
an die Schmelz-Zement-Grenze heranreicht. Dieser so­
genannte Schlüssellochdefekt erlaubt eine suffiziente
Retention der Membran und des koronal verschobenen
Lappens. Entscheidend ist weiterhin das postoperative
Management mit einer kontrollierten Entfernung der
Plaque. Die vollständige Plaqueentfernung gestaltet
sich insbesondere lingual und appro­ximal schwierig,
was neben der insuffizienten Möglichkeit zur Degranulation während des chirurgischen Eingriffs wegen einer
unzureichenden Übersicht ein Grund dafür ist, dass
Furkationen im Oberkiefer approximal und im Unter-
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kiefer lingual meist schlechter regenerativ zu therapieren sind.
Ein ausschlaggebendes Erfolgskriterium bei der
regenerativen Therapie ist neben einer strengen Defekt­
auswahl ebenso die konsequente Patientenselektion, da
bei Rauchern sehr viel schlechtere Therapieergebnisse
als bei Nichtrauchern erzielt werden.
Knochentransplantate und
Knochenersatzmaterialien
Unterstützend können bei der GTR Knochentrans­
plantate oder Knochenersatzmaterialien in den Defekt
appliziert werden. Sie haben je nach Material osseokonduktive, osseoinduktive oder osseogenetische Eigen­
schaften und bewirken eine Stützung der Membran,
so dass diese nicht über dem Defekt kollabiert. Der
Goldstandard ist hierbei das autologe Knochentransplantat.
Schmelz-Matrix-Proteine
Zunehmend Bedeutung haben weiterhin SchmelzMatrix-Proteine bekommen14. Ihr Prinzip beruht auf
dem Effekt, den sie bereits während der Zahnentwicklung ausüben: Nach Kontakt mit den Schmelz-MatrixProteinen differenzieren sich körpereigene Zellen und
können in der Folge eine Neubildung des Zahnhalteapparates induzieren.
Es besteht ferner die Möglichkeit, bei der regenerativen Therapie Knochentransplantate und Knochenersatzmaterialien ohne den Einsatz von Membranen anzuwenden. Meist wird dies bei der Verwendung von
Schmelz-Matrix-Proteinen durchgeführt.
Die Studienlage zur regenerativen Therapie von
Furkationsdefekten ist sehr limitiert und beschränkt sich
neben wenigen randomisierte kontrollierten Studien
meist auf deskriptive Studien oder Fallserien. Viele
histologische Ergebnisse wurden anhand von Tierstudien ermittelt, so dass ein Vergleich mit der humanen
Wundheilung nur schwer möglich ist.
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Extraktion
Die Extraktion eines Zahnes sollte stets die letzte Therapieoption sein, die erst durchgeführt wird, wenn andere Behandlungsversuche erfolglos waren und der
Attachmentverlust so weit vorangeschritten ist, dass
ein Zahnerhalt nicht mehr möglich ist.
Fazit für die Praxis
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass furkations­
­befallene Zähne einer intensiven Therapie bedürfen,
da die Schwierigkeit der Nachsorge und suffizienten
Behandlung in der schweren Zugänglichkeit der Furkationsbereiche liegt. Ziel der Therapie ist daher die Reduk­
tion parodontalpathogener Keime und die Etablierung
einer Oberflächenanatomie, die eine effiziente Reinigung
ermöglicht und eine Plaque- und Bakterienakkumulation
unterbindet. Dadurch soll ein progredienter Attachment­
verlust verhindert werden. Neben der nicht chirurgischen
Therapie sind oftmals ergänzende resektive oder regene­
rative chirurgische Maßnahmen notwendig, deren Indikation sich insbesondere nach dem Furkationsbefall
des Zahnes richtet. Resektiv können außer der Odonto­
plastik und der Wurzelamputation oder -resektion auch
eine Prämolarisierung oder eine Tunnelierung durchgeführt werden. Da nach einer Tunnelierung das Risiko
der Ausbildung einer Wurzelkaries erhöht ist, sollte auf
se nz
eine suffiziente Plaquekontrolle und eine ausreichende
Fluoridierung geachtet werden. Das Ziel der Regeneration
des Zahnhalteapparates kann mit oder ohne eine Mem­
bran erreicht werden. Bei regenerativen chirurgischen
Eingriffen lassen sich zusätzlich autologe Knochentrans­
plantate oder Knochenersatzmaterialien verwenden.
Patientenfälle
Die Komplexität der Diagnostik und Therapie furkations­
befallener Molaren kann anhand der beiden bereits
weiter oben gezeigten Behandlungsfälle verdeutlicht
werden. In den Abbildungen 1a bis e ist eine resektive
Therapie im Sinne einer Amputation der Wurzel an
dem Oberkiefermolaren 16 dargestellt. Hier wurde die
Indikation wegen einer missglückten Wurzelkanalfüllung der distobukkalen Wurzel gestellt. Die Abbildungen 2a bis f zeigen eine Amputation der distobukkalen
Wurzel des Zahnes 26 aufgrund einer fortgeschrittenen
Parodontitis. Der Zahn wies pathologische Taschensondierungstiefen im Bereich der distobukkalen Wurzel auf,
an der sich zudem ein Furkationsgrad III nachweisen
ließ. Ziel der Therapie war in beiden Fällen neben der
Elimination mikrobieller Beläge von exponierten Wurzel­
bereichen insbesondere die Etablierung einer Ober­
flächen­anato­mie, welche die Möglichkeit zur Plaque­
kontrolle bietet.
Literatur
1. Bühler H. Evaluation of root-resected teeth.
Results after 10 years. J Periodontol 1988;
59:805-810.
2. Carnevale G, Pontoriero R, di Febo G.
Long-term effects of root-resective therapy
in furcation-involved molars. A 10-year
longitudinal study. J Clin Periodontol 1998;
25:209-214.
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