Heimatgeschichte der Region Chiemgau-Inn-Salzach

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Meinrad Schroll
VON DEN RÖMERN ZUM KÖNIGREICH BAYERN
Heimatgeschichte
der Region Chiemgau-Inn-Salzach
Seit 200 Jahren werden historische Strukturen verändert
Vor 200 Jahren hat sich im Betrachtungsraum der "Region aktiv" eine über Jahrhunderte
währende Ordnung geändert. Betroffen waren auf kirchlicher Seite die Zuordnung der
Altpfarreien zum Bistum Salzburg und in der weltlichen Verwaltung die Auflösung der alten
Pfleggerichte, die Bildung neuer Landgerichtsbezirke, die Einführung der Schulpflicht, die
Formierung der Steuerdistrikte und das Gemeindeedikt, für die Bauern die Möglichkeit der
Grundobereigentumsablösung und vieles mehr.
Es ist dies der Beginn des modernen Staats Bayern, der am 1. Januar 1806 Königreich wurde.
Verwaltung und Rechtssprechung waren zunächst von 1802 bis 1862 noch in den
Landgerichten vereinigt, die Finanzen verwaltete man seit 1804 in den Rentämtern,
1862 wurden für die Verwaltung die Bezirksämter und für die Rechtspflege die Landgerichte
gebildet,
1879 benannte man die Landgerichtsbezirke in Amtsgerichte um, mehrere Amtsgerichte
wurden einem übergeordneten Landgericht zugeordnet,
1938 taufte man die Bezirksämter in Landkreise um
und 1972 wurden im Zuge der Gebietsreform einige Altlandkreise aufgelöst und teilweise auf
mehrere benachbarte Landkreise aufgeteilt.
Auf gemeindlicher Ebene wurde 1802 die Schulpflicht eingeführt, 1808 die Steuerdistrikte
und 1818 die Landgemeinden gebildet.
Im Juni 1803 erhielten die Bauern und Hausbesitzer mit der Verordnung zur Grundobereigentumsablösung erstmals die Möglichkeit, ihr Anwesen gegen einen auf den Hauswert
berechneten Betrag von der Grundherrschaft abzulösen. Die aus der mittelalterlichen
Grundherrschaft stammenden Stiften und Gilten, Naturaldienste und Scharwerk sowie der
Zehent wurden fixiert. Im Juni 1848 wurden Zehent und Naturaldienste per Gesetz
aufgehoben.
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1868 verschaffte die Gewerbefreiheit bessere Möglichkeiten.
Die Kirchenorganisation hatte sich ebenfalls verändert. Die Pfarreien der Landgerichtsbezirke
Altötting und Burghausen gelangten letztendlich 1822 zum Bistum Passau und die Pfarreien
von Berchtesgaden bis nach Buchbach befinden sich seit 1817 beim Erzbistum München und
Freising. Die Bistumszugehörigkeit hat sich seitdem nicht mehr geändert, nur die Dekanate
wurden z.B. im Erzbistum München und Freising 1925 und zuletzt 1972 jeweils neu
organisiert.
Lange haben sich aber die gemeinsamen Beziehungen der Pfarreien zur Bischofsstadt
Salzburg bei der Bevölkerung im Gebiet von Region aktiv erhalten.
Verbindend waren Wallfahrten vieler Pfarreien z.B. alljährlich nach Salzburg.
Seit 1806 wurden aus großen Altpfarreien kleinere Pfarrgebiete abgeteilt; damit veränderte
man die Zuständigkeiten der Pfarrei. Der Familienforscher ist heute auch mit den Altpfarreien
konfrontiert, wenn er seine Ahnen in den vor 1805 geschriebenen Pfarrmatrikeln
zusammensuchen muß.
Lange Zeit war den Menschen bewußt, daß ihr Gerichtssitz sich einst ganz wo anders befand
als es seit 1802 der Fall war. Ein Hofgeschichtsforscher muß sich heute noch an den
historischen Strukturen der Pfleggerichtssitze orientieren, damit er die Geschichte seines
Heimatortes aus den Urkunden, Steuer- und Scharwerkbüchern, Urbare und Akten erforschen
kann.
Verbindend waren für die Bevölkerung auch die Besuche der nahe liegenden Märkte;
Wochen- und Jahrmärkte in den Märkten und Städten. Oft ging man dafür weite Wege.
Die bestimmende Klammer bildete die Zugehörigkeit der Region zwischen Inn und Salzach
zum Erzbischof in Salzburg.
Das Erzbistum Salzburg
Unsere Heimat zwischen Inn und Salzach gehörte noch vor rund 200 Jahren zum Erzbistum
Salzburg. Vor über 1250 Jahren ist dieses Bistum gegründet worden.
Im 8. Jahrhundert sind die ersten Klöster in Salzburg und auf den beiden größeren
Chiemseeinseln entstanden, und viele Orte und Kirchen zwischen Salzburg und Rotttal
werden in den ältesten Salzburger Güterverzeichnissen, der Notitia Arnonis um 790 und der
Breves Notitiae von 798 zum erstenmal genannt.
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Die Christianisierung auf altbayerischem Boden begann vielleicht schon gegen Ende des 2.
Jahrhunderts durch römische Legionäre, Kaufleute und Beamte. Konkret läßt sich das
Christentum in den römischen Provinzen Rätien und Norikum um 304 durch die Geschichte
des Märtyrers Florian bei Enns in Oberösterreich und der hl. Afra in Augsburg während der
Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian feststellen.
Durch die Mailänder Vereinbarungen im Jahr 313 zwischen dem römischen Kaiser
Konstantin und dessen Mitregenten Licininus wurde das Christentum toleriert. Im Jahr 392
erklärte es Kaiser Theodosius sogar zur Staatsreligion. Möglicherweise ging dies mit einer
raschen Ausbreitung des Christentums einher.
Über einen Einfluß des Christentums während der späten römischen Kaiserzeit, also im 4. und
5. Jahrhundert, kann für unsere Heimat, die zum römischen Verwaltungsbezirk Juvavum also Salzburg - zählte, nichts konkretes ausgesagt werden. Es fehlen bisher schriftliche und
archäologische Zeugnisse dafür.
Im 5. Jahrhundert haben im Salzachtal um das Zentrum Juvavum, also um Salzburg, Christen
gelebt. Man erfährt davon durch die Lebensbeschreibung des hl. Severin. Es darf
angenommen werden, daß ihr Wirken auch in den keltisch-römischen Ortschaften entlang der
römischen Straßen z.B. von Salzburg nach Augsburg und von Augsburg nach Wels bekannt
wurde und vielleicht schon Gebetsräume entstanden sind, die einem frühchristlichen Patron
geweiht waren.
Alte Kirchenpatrozinien wie St. Georg, St. Laurentius und St. Maria dürften auf die Tradition
spätrömischer Christen hinweisen.
Genauso wenig wie man über das religiöse Leben im Chiemgau während des 5. Jahrhunderts
weiß, genauso wenig ist vom Wirken der ersten Glaubensboten bekannt, die um 630 auf der
Insel Herrenchiemsee gelebt haben. Der bayerische Geschichtsschreiber Aventin berichtete
im 16. Jahrhundert, daß der hl. Eustasius, Abt des bedeutenden kolumbanischen Klosters
Luxeuil, anläßlich seiner Missionsreise durch Bayern um 620/30 den Herzog Tassilo I. zur
Gründung eines Klosters im Chiemsee bewogen haben soll.
Erst als gegen Ende des 7. Jahrhunderts der hl. Rupert nach Salzburg gelangte und der
bayerische Herzog Theodo die ehemalige römische Stadt Juvavum dem Bischof Rupert als
Zentrum seines Missionsraumes überließ, ward ein festes Fundament für den Aufbau des
Christentums in unserer Heimat gelegt. Die Arbeit Ruperts und dessen Nachfolger stützte sich
bis Ende des 10. Jahrhunderts auf das Kloster St. Peter in Salzburg. Eine Pfarrorganisation,
wie wir sie heute kennen, hatte es damals noch nicht gegeben.
Unter Herzog Odilo und Papst Gregor III. organisierte Bonifatius im Jahre 739 die bayerische
Kirchenprovinz mit den Zentren Salzburg, Regensburg, Passau und Freising. Das Land
zwischen Inn, Rott und Salzach gehörte fortan bis 1817 zum Bistum Salzburg.
Das angrenzende untere Inntal einschließlich der Altpfarrei Haiming und dem südlichen
Innviertel hatte seitdem zum Bistum Passau gezählt, nördlich des oberen Rotttales grenzte von
Egglkofen bis Eggenfelden das Bistum Regensburg an und westlich der Linie BuchbachGars-Inn-Rattenberg dehnte sich das Freisinger Bistumsgebiet aus.
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Am 20. April 798 empfing Bischof Arno von Salzburg aus der Hand des Papstes Leo III. die
Würde des Erzbischofs. Salzburg war damit zum Erzbistum über alle altbayerischen
Bischofssitze erhoben worden.
Von 739 bis 987 war das Kloster St. Peter als Domkloster Sitz des Salzburger Bischofs. Im
Jahr 987 löste man das Stift St. Peter aus dem Bistum heraus; ein selbständiger Abt leitet
seitdem das Benediktinerkloster. Das Domkapitel und der Erzbischof erhielten eine eigene
Residenz.
Die damaligen Klöster hatten dem Benediktinerorden angehört. Die Klöster Nonnberg zu
Salzburg und Frauenchiemsee waren Nonnenklöster, die Klöster St. Peter, Herrenchiemsee
und Seeon Männerklöster. Ihr Wirken wird sich am Grundsatz "ora et labora", bete und
arbeite, besonders nach den monastischen Regeln orientiert haben. Landkultivierung, Schulund Bildungswesen und wissenschaftliche Tätigkeit waren in diesen Klöstern von großer
Bedeutung.
Bildung der Pfarrsprengel
sowie das Inkorporations- und Präsentationsrecht
Eine ganzflächige Pfarrorganisation dürfte es im Bistum Salzburg bis zum 12. Jahrhundert
wohl kaum gegeben haben. Erst nachdem 1106 Erzbischof Konrad I. sein Amt in Salzburg
angetreten hatte, wurde eine Neuordnung der Diözese eingeleitet. Die sogenannten
Altpfarreien sind damals entstanden; sie hatten in ihrer Struktur bis 1805 Bestand und waren
oft sehr großflächig.
Die neue Pfarrorganisation ließ sich nicht in einem Jahr durchführen. Sie zog sich wohl ein
halbes Jahrhundert hin, denn es mußten die ausführenden Organe geschaffen werden, die ihre
Grundlagen in einer Reformbewegung erhielten.
Während des ausklingenden 11. Jahrhunderts hatte beim weltlichen Klerus in den
Domkapiteln und Pfarreien eine Bewegung eingesetzt, die das Eigentum des Einzelnen
ablehnte und sich für ein gemeinsames Leben entschied. Diese Regularkanoniker nahmen
eine Stellung zwischen dem weltlichen Klerus und den Benediktinermönchen ein, da sie die
kanonischen Pflichten des Priesterstandes mit der klösterlichen Lebensform des Mönchtums
vereinigten. Unter Papst Urban II. entstand so um 1090 der Orden der Augustiner-Chorherren,
dessen Grundregeln die Lehre des Kirchenlehrers Augustinus wurden.
Erzbischof Konrad I. förderte mit den Gründungen der Augustiner-Chorherrenstifte u.a. in
Berchtesgaden, St. Zeno bei Reichenhall, Höglwörth, Baumburg, Herrenchiemsee, Gars und
Au am Inn zwischen 1105 und 1135 diese Reformbewegung. Durch die Übertragung von
Pfarrrechten an die Augustiner-Chorherrenstifte wurden diese zu einem Organ der
Seelsorgereform Erzbischof Konrads. Ihre seit dem 12. Jahrhundert inkorporierten Pfarreien
betreuten die Chorherren bis zur Säkularisation im März 1803.
Die Augustinerchorherren von Berchtesgaden (gegründet 1102) waren für die Seelsorge in
den Bergtälern zwischen Schellenberg (erst um 1480 eigene Pfarrei) und Ramsau (erst 1812
Pfarrei) zuständig, die Augustinerchorherren von St. Zeno (gegründet 1136) für die Menschen
im Reichenhaller Talbecken von Großgmain bis Karlstein, für Inzell (seit 1177), St. Martin
bei Lofer, Kirchdorf in Tirol und Petting (seit 1335).
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Die Chorherren von Höglwörth besaßen die Seelsorge in den Pfarreien Anger und Piding.
Die Chorherren des Klosters Herrenchiemsee wirkten als Seelsorger in Breitbrunn, Prien
(Pfarrgebiet von Sachrang bis Rimsting), Eggstätt (von Gollenshausen bis Endorf), Riedering,
Prutting, Hart bei Chieming und Kirchbichl in Tirol.
Die Baumburger Chorherren versorgten die Pfarreien Altenmarkt, St. Georgen (von
Traunwalchen bis Lindach), Truchtlaching (von Ising bis Kienberg) und Chieming sowie in
Niederösterreich Sitzendorf und Sieghartskirchen.
Die Chorherren von Gars waren in den Pfarreien Gars, Wang, Soyen und Stefanskirchen
einschließlich Ranoldsberg tätig.
Die Seelsorge der Chorherren von Au umfaßte die Pfarreien Au, Reichertsheim mit
Oberornau, Mittergars, Pürten, Fraham mit Aschau, Ampfing, Heldenstein und
Unterholzhausen.
Während zahlreiche Pfarreien von den Augustiner-Chorherrenstiften betreut wurden,
unterstanden andere Altpfarreien wie Tittmoning (seit 1633 Kollegiatstift), Fridolfing, Kay,
Laufen (seit 1621 Kollegiatstift), Feichten, Palling, Waging, Otting, Teisendorf,
Salzburghofen mit Saaldorf und Surheim, Ainring, Grassau, Erl in Tirol mit Nußdorf am Inn,
Haslach mit Traunstein und Erlstätt, Schnaitsee mit Babensham, Peterskirchen mit Trostberg
und Tacherting, Engelsberg mit Garching, Lafering, Ensdorf, Grünthal, Höslwang mit Halfing
und Amerang, Rattenkirchen, Obertaufkirchen, Buchbach, Oberbergkirchen, Lohkirchen,
Mettenheim, Schönberg, Pleiskirchen, Niedertaufkirchen, Reischach, Niederdietfurt,
Hirschhorn, Stammham mit Marktl, Reut und Eiberg und die Pfarrei Zeilarn stets direkt dem
Besetzungsrecht des Salzburger Erzbischofs.
Die Altpfarreien waren sehr großflächig: so zählten zur Pfarrei Grassau die Filialsprengeln
Übersee und Schleching, zur Pfarrei Haslach gehörten die Filialen Traunstein, Erlstätt und
Nußdorf, die Pfarrei Tittmoning reichte von Asten bis Kirchheim, die Pfarrei Feichten
umfaßte Kirchweidach, Heiligkreuz und Tyrlaching.
In Grabenstätt besaß der Dompropst von Salzburg das Besetzungsrecht, und in der bis Bergen
und Ruhpolding reichenden Pfarrei Vachendorf hatte seit 1198 das Domkapitel von Salzburg
das Besetzungsrecht ausgeübt.
In den Pfarreien Rohrdorf einschließlich Törwang, Alt- und Neubeuern besaß das Domkapitel
Regensburg und in Vogtareuth die Äbte von St. Emmeram zu Regensburg jeweils das
Besetzungsrecht.
Die Altpfarrei Obing wurde 1195 durch Erzbischof Adalbert III. mit den damals bestehenden
Kirchen von Ischl bis Albertaich dem um 994 gegründeten Benediktinerkloster Seeon
inkorporiert. Damit besaß der jeweilige Abt von Seeon das Besetzungsrecht im Bereich seines
Klosters. Die kleine Pfarrei Lauterbach bei Heldenstein gehörte ebenfalls dem Abt von Seeon.
Die Benediktiner des schon auf freisingischen Bereich befindlichen Klosters Attel betreuten
die Altpfarrei Eiselfing einschließlich Griesstätt.
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Dem Bendiktinerinnenkloster Frauenchiemsee war die Pfarrei Evenhausen mit Schonstätt
inkorporiert.
Den Benediktinern zu St. Veit bei Neumarkt a.d. Rott waren die Kirchen Elsenbach, Feichten,
Neumarkt und Hörbering anvertraut.
Dem 1146 gegründeten Zisterzienserkloster Raitenhaslach oblag die Seelsorge in der Pfarrei
Marienberg, Halsbach und Niederbergkirchen.
Dem Stift Altötting gehörten die Pfarreien Altötting mit der Stadt Neuötting, Perach, Alzgern,
Hirschhorn, Rogglfing, Burgkirchen am Wald mit Tüßling und Waldötting (= Kastl mit
Unterneukirchen).
Zum Kollegiatstift Mühldorf (seit 1610) zählten die Stadt Mühldorf, Altmühldorf, Erharting
und Oberflossing.
Der Deutschordenskommende Gangkofen gehörte die Pfarrei Zimmern.
Für die Altpfarrei Burghausen besassen die bayerischen Herzöge das Präsentationsrecht.
Auf die Pfarreien Gern a.d. Rott und Winhöring (hier erst seit 1560) hatten die jeweiligen
Hofmarksherren das Besetzungsrecht.
Die Pfarreien des Erzbistums Salzburg besuchten im Mittelalter um Pfingsten jedes Jahr die
Gräber der Heiligen Rupert und Virgil im Salzburger Dom, des hl. Vitalis in der Stiftskirche
St. Peter und das der hl. Erentrudis in der Stiftskirche Nonnberg. Viele weit entlegene
Pfarreien durften schon während des 14. Jahrhunderts ihren Kreuzgang nach Salzburg gegen
einen Besuch der Stiftskirche am Sitz ihres Archidiakons auf der Herreninsel bzw. nach
Baumburg bzw. nach Gars tauschen. Von den Kreuzvölkern nach Salzburg werden 1514 in
Nonnberg nurmehr die Chiemgauer Pfarreien Chieming, Grabenstätt, Haslach und
Vachendorf genannt.
Ein wichtiger Schritt während der Organisation der Seelsorge im Erzbistum Salzburg war die
Einteilung des Gebiets in Archidiakonate.
Die Archidiakonate
Die Stellung der Dompröpste von Salzburg und der Pröpste von Herrenchiemsee, Baumburg
und Gars wurde um 1140 noch um eine wichtige Funktion aufgewertet: der Dompropst und
die Pröpste der drei genannten Augustiner-Chorherrenstifte wurden vom Salzburger
Erzbischof zu Archidiakone ernannt. Erzbischof Konrad I. von Salzburg unterteilte um 1140
den westlichen Teil der Erzdiözese in die drei Archidiakonate Gars, Baumburg und
Herrenchiemsee, die jeweils unter einem Archidiakon (Erzdiakon, Erzpriester) gleichsam als
einem exponierten Generalvikar des Erzbischofs standen. Entsprechend der den AugustinerChorherren zugedachten seelsorglichen Aufgabe wurden die Pröpste der drei Stifte dieses
Ordens zu Archidiakonen. Als Archidiakon des salzburgischen Territoriums beidseits der
Salzach u.a. mit dem heutigen Rupertiwinkel fungierte der Dompropst in Salzburg.
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Jeder Propst wurde nach seiner Wahl und der oberhirtlichen Bestätigung automatisch auch
Archidiakon für seinen Sprengel. Ursprünglich waren sie nur Begleiter bei der
erzbischöflichen Visitations- und Firmungsreise, übernahmen aber bald selbständig diese
Funktionen. Die Pröpste sollten über die Seelsorgetätigkeit und Disziplin des Seelsorgeklerus
in ihrem Archidiakonat wachen und Verstöße strafen und dem Klerus den Geist der Regel des
hl. Augustinus nahe bringen. Genauso gehörte die Beobachtung des Kirchenvolks dazu. Dafür
hatte der Archidiakon vom Erzbischof außerordentliche Vollmachten. Zu den Befugnissen der
Pröpste als Archidiakone gehörten auch die Prüfung und Aufnahme von Hilfsgeistlichen und
Kirchenangestellten (z.B. Lehrer), sowie das Recht zur Abhaltung von Synoden und
kanonischen Visitationen.
Dem Archidiakonat Salzburg unterstanden die Pfarreien Salzburghofen, Ainring, Laufen,
Teisendorf, Tittmoning, Kay, Fridolfing, Palling, Petting, Otting, Waging und Feichten.
Reichenhall gehörte nicht dazu.
Erst 1812 wurden die Archidiakonate vom Generalvikariat Freising aufgehoben.
Bistum Chiemsee
Die Organisation der Seelsorge erfuhr im Chiemgau im Jahre 1216 eine Erweiterung mit der
Gründung des Bistums Chiemsee mit Sitz Herrenchiemsee. Erzbischof Eberhard II. von
Salzburg bildete damals aus einem größeren Teil des Archidiakonats Herrenchiemsee ein
kleines Suffraganbistum (Suffragan = ein dem Erzbischof unterstellter Diözesanbischof), das
zu Salzburg stets in enger Abhängigkeit verblieb.
Der Status und die Besitzungen des Chorherrenstifts durften dabei nicht eingeschränkt
werden, der Propst wurde Dompropst, die Chorherren wirkten als Domkapitel und die
Stiftskirche wurde zur Kathedrale erhoben. Die Erzbischöfe ernannten stets ihren
Chiemseebischof selbst; Wahl, Ordination und Weihe standen also allein dem Metropoliten
zu. Reichs- und kirchenrechtlich waren die Bischöfe stets von ihrem Erzbischof abhängig und
leisteten beim Amtsantritt den Treueeid.
Zum Bistum Chiemsee hatten seit 1216 im Chiemgau nur die herrenchiemseeischen
Klosterpfarreien Herrenchiemsee, Prien und Eggstätt, sowie die Pfarreien Grassau und
Söllhuben gehört, also nur ein Teil des zum Archidiakonat Chiemsee zählenden Gebiets.
1217 legte Erzbischof Eberhard II. dem Bischof von Chiemsee die Verpflichtung auf, im
Bedarfsfall nach Salzburg zu kommen, um dort die Ölweihe vorzunehmen oder wichtige
liturgische Aufgaben des Erzbischofes gemäß erzbischöflicher Anordnung zu erfüllen.
Dadurch wurden die Bischöfe Kraft auferlegter Verpflichtungen zu Weihbischöfe und
Stellvertreter des Metropoliten.
Anfangs residierten die Chiemseebischöfe abwechselnd auf Herrenwörth, Bischofshofen oder
Fischhorn bei Zell am See. Seit dem Bau des Chiemseehofes im Kaiviertel während der Jahre
1301/05 residierte der Bischof vom Chiemsee als Weihbischof beinahe ständig in Salzburg.
Die Stiftskirche zu Herrenchiemsee war zwar durch Erzbischof Eberhard II. zur Kathedrale
bestimmt worden, jedoch besaßen die Chiemseebischöfe darin nur einen Bischofsthron. Sie
hatten nach ihrer Ernennung durch den Erzbischof in feierlicher Form „Besitz“ von der
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Stiftskirche auf der Herreninsel zu nehmen, jedoch blieb die Stiftskirche Eigentum des
Chorherrenstifts. Die Rechte des Propstes waren seit der Gründung der Diözese nicht
eingeschränkt.
Seit 1231 gehörte der Chiemseebischof dem Hofrat des Salzburger Erzbischofs an. Seit dem
15. Jahrhundert bildeten die Stände, also die Prälaten, die Ritter, die Städte und Märkte des
Hochstifts Salzburg im sogenannten Landtag den Landstand bzw. die Landschaft. Den ersten
Platz auf der Prälatenbank nahm dort der Bischof von Chiemsee ein. Sie besaßen ein eigenes
Wappen. Den Fürstentitel führten die Chiemseebischöfe seit 1457.
Vielerorts haben sich Marmorsteine mit dem Wappen des Chiemseebistums erhalten, z.B. ein
schönes Exemplar vom Jahr 1545 im Pfarrheim zu Grabenstätt.
Im 15. Jahrhundert wurden stets die Salzburger Kanzler zu Bischöfen von Chiemsee ernannt,
so daß eine enge Verbindung des Salzburger Kanzleramtes mit dem Bistum gegeben war.
Namentlich waren dies die Bischöfe Sylvester Pflieger, Bernhard von Kraiburg, Georg
Altdorfer und Christoph Mendel von Steinfels.
Wenige Jahre nach der Säkularisation sollte im Jahr 1808 auch das Bistum Chiemsee
aufgelöst werden; dieser Schritt wurde aber erst 1817 endgültig vollzogen.
Das Bistum Freising
Seit der Bistumsorganisation war der Inn von Tirol bis Gars die Bistumsgrenze zwischen
Salzburg und Freising. Das Besetzungsrecht auf die Altpfarreien war folgendermassen
verteilt:
die Pfarrei Flintsbach mit Oberaudorf gehörte seit 1312 dem Domkapitel Freising,
die Pfarreien Kiefersfelden, Großholzhausen, Hochstätt und Albaching unterstanden direkt
dem Bischof von Freising,
die Pfarrei Pfaffenhofen einschließlich Rosenheim der Äbtissin zu Frauenchiemsee,
die Pfarrei Pang seit 1495 dem Kollegiatstift Unserer Lieben Frau in München,
die Pfarrei Rott gehörte dem dortigen Abt des Benediktinerklosters,
die Pfarreien Attel mit der Stadt Wasserburg, Pfaffing und Edling waren dem Kloster Attel
inkorporiert,
die Pfarrei Kirchdorf mit Haag, Maitenbeth und Lengmoos war dem Domkapitel von
Regensburg inkorporiert,
die Pfarrei Rieden den Grafen von Haag, später den bayerischen Kurfürsten,
und die Pfarrei Rechtmehring unterstand im 18. Jahrhundert dem Kollegiatstift St. Wolfgang.
Alte Grenze zwischen Bayern und Salzburg
Das Land zwischen Inn und Salzach war zwischen 1275 und 1810 auf die Länder Herzogtum
Bayern und Hochstift Salzburg verteilt. Bayern wurde 1623 Kurfürstentum und 1806
Königreich, Salzburg war noch von 1803 bis 1805 Kurfürstentum des Großherzogs Ferdinand
von Toskana, dann von 1806 bis 1809 Teil des Habsburgerreiches Österreich und von 1810
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bis 1815 an das Königreich Bayern angeschlossen. Erst 1816 wurden Saalach und Salzach
endgültig Grenzflüsse zwischen Österreich und Bayern.
Chiemgau und Rupertiwinkel waren über fünf Jahrhunderte durch eine Landesgrenze
voneinander geschieden.
Die bayerischen Herzöge waren seit dem ausklingenden 12. Jahrhundert bestrebt, die
Herrschaftsrechte der verschiedenen Grafschaften und Vogteien in Altbayern an sich zu
binden und damit eine zentrale Landesherrschaft auszubauen. Das galt auch für das Gebiet
zwischen Inn und Salzach.
Die Salzburger Erzbischöfe versuchten ebenfalls die Vogtei- und Grafschaftsrechte und somit
die Gerichtsbarkeit über ihre seit dem 8. Jahrhundert im Gebiet zwischen Isen und Salzburg
erworbenen Güter zu behalten und ihrerseits ein weltliches Territorium zu schaffen, das im
Nordwesten bis in die Flußtäler von Isen und Rott reichen sollte.
Um 1210 hatte Erzbischof Eberhard II. (Erzb. 1200-1246) nach dem Aussterben der Vögte
von Megling auf dem heutigen Stampflberg bei Au am Inn deren rund 90 Jahre lang
ausgeübte Vogtei über die Klöster Au und Gars eingezogen und während der folgenden
Jahrzehnte von eigenen Amtsleuten verwalten lassen.
1218 starb der letzte Graf von Peilstein. Dessen Erbe zu Reichenhall und im Gasteiner Tal
beanspruchten Salzburg und Bayern gleichermassen. Besonders im Salinenort Reichenhall
mußte der Erzbischof den bayerischen Herzögen viele Rechte überlassen. Die Burg auf dem
Grutten sollte nach dem Streit von 1218 zerstört werden, dürfte aber dieses Schicksal nicht
erlebt haben. Sie wurde später bayerischer Pfleggerichtssitz.
Als 1229 mit dem Grafen Bernhard von Lebenau der letzte seines Geschlechts und zugleich
der Hauptvogt der Güter des Salzburger Domkapitels und des Klosters Seeon starb, zog
Erzbischof Eberhard II. diese Vogteirechte ein. Zur Grafschaft hatte auch das spätere
großflächige Pfleggericht Tittmoning gehört, dessen Pfleger auf der durch Erzbischof
Eberhard II. um 1234 gegründeten Burg wohnte.
Nach dem Tod des Grafen Siboto von Neuenburg-Falkenstein-Hartmannsberg fiel die Vogtei
über das Kloster Herrenchiemsee an das Erzstift. Erzbischof Eberhard II. sah sich alsbald
gezwungen, den bayerischen Herzog Otto II. mit dieser Vogtei im Februar 1245 zu belehnen.
Dadurch befand sich der südwestliche Chiemgau im Machtbereich des Herzogs.
Nach einem Streit mit dem Grafen Konrad von Wasserburg annektierte Herzog Ludwig 1248
dessen Grafschaft um Wasserburg. Die oberhalb der Altstadt stehende Burg wurde später Sitz
eines bayerischen Pflegers.
Am 27. Juli 1254 vereinbarten die bayerischen Herzöge Ludwig II. und Heinrich XIII. sowie
Erzbischof Philipp von Salzburg (1247-1257) im Dorf Erharting nahe der Burg Dornberg, daß
den beiden Wittelsbacher die Vogteien über die Klöster Seeon und Frauenchiemsee und
dessen Besitzungen sowie die Salzburger Lehen der Grafen von Wasserburg, von Falkenstein
und von Kraiburg-Ortenburg erhalten sollten. Das Gebiet der Lebenauer Grafen wurde damals
endgültig dem Erzbistum zugesprochen.
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Nach dem Vertrag von 1254 zwischen Bayern und Salzburg durfte Salzburg seinen Besitz am
Inn behalten, mußte hier aber die Landeshoheit der Herzoge von Bayern anerkennen. Auch
die Herrschaftsansprüche über den Chiemgau mußte Salzburg damals aufgeben.
1259 erwarb Herzog Heinrich XIII. die Grafschaftsrechte der Grafen von KraiburgOrtenburg, die vom Inntal bis in die Chiemgauer Berge gereicht hatten. So gelangten die
Burgen Kraiburg, Trostberg und Marquartstein und die Vogtei über das Kloster Baumburg in
den Besitz der Wittelsbacher. Aus diesen drei Herrschaften sind später die Pfleggerichte
Kraiburg, Trostberg und Marquartstein gebildet worden.
Die Streitigkeiten zwischen den Wittelsbacher Herzögen und den Salzburger Erzbischöfen
führten trotz des Vertrags von 1254 zu Kriegshandlungen. Besonders die Salzburger
Besitzungen an Isen und Inn waren davon betroffen. 1266 nahm der bayerische Herzog
Heinrich XIII. die Märkte Buchbach und Gars, die Burgen Dornberg bei Erharting und
Megling bei Au am Inn, sowie die Dörfer Ampfing, Aschau und Pürten in Besitz.
Erneut trafen sich die Landesfürsten Erzbischof Friedrich II. (1270-1284) von Salzburg und
Herzog Heinrich XIII. von Landshut zu Erharting und vereinbarten am 20. Juli 1275 einen
umfangreichen Vertrag, mit dem u.a. die spätere Landesgrenze zwischen dem Chiemgau und
dem Rupertiwinkel, also zwischen Bayern und Salzburg festgelegt wurde.
Der Vergleich von Erharting enthält u.a. folgende Bestimmungen:
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Herzog Heinrich gab die ihm von den Erzbischöfen Philipp und Ulrich verpfändeten
Güter im Isengau, speziell den Markt Buchbach mit allem Markt- und Handelsrecht
zurück.
Der Herzog versprach im Isengau und im Bereich des Eigelwaldes (Eslerwald), die Rechte
der Salzburger Kirche zu wahren und alle dem Grafengericht zuständigen
Angelegenheiten zu richten.
Der Erzbischof belehnte den Herzog mit den Lehen, die dessen Vorfahren von der
Salzburger Kirche getragen haben, und fügte als Lehen die Vogtei des Klosters Nonnberg,
die Vogtei über den umfangreichen Güterbestand des Salzburger Domkapitels im
Chiemgau mit der Vogtei und dem Gericht zu Miesenbach, in Zell, Froschau, Wagenau,
Vogelwald und dem Gerichtsgebiet, das der bayerische Pfalzgraf Rapoto von Kraiburg
oder die Grafen von Plain einst von der Salzburger Kirche besassen, hinzu.
Die Grenzen des Gerichtsbezirks wurden folgendermassen festgesetzt: von "Perenpuhel"
in direkter Linie bis zum Berg "Swerzenperch" einerseits, andererseits eine Linie bis zum
Schachenwald oberhalb des Berges Surberg, von da zum nächsten Haus bei Lauter, das
"Cholpuhel" genannt wird, und zwar so, daß "Cholpuhel" dem Herzog verbleibt, Lauter
aber salzburgisch ist, mit Ausnahme des bisher bei Lauter erhobenen Zolls, den der
Herzog von Siboto von Tettelham und den Brüdern Liebhard und Heinrich von Bergham
gekauft und vom Erzbischof als Lehen erhalten hatte. Dieser Zoll soll zukünftig bei
Traunstein erhoben werden. Von "Cholpuhel" erstreckt sich die Grenze nach Weibhausen
und Halling ("Haldinge"), Orte, die dem Erzbischof verbleiben. Von Halling geht die
Grenze zum Höllenbach ("Holnpach", Schlucht direkt südlich von Otting) und bei Anning
zur Traun. In den Bergen geht die Grenze von Bernbüchel bei Neukirchen, das Salzburg
gehören soll, über den Staufenberg zur Staufenbrücke hinunter.
Der Herzog versprach, die Rechte des Erzstifts zu Reichenhall nicht mehr einzuschränken.
Außerdem verzichtete er auf die lehensherrlichen Ansprüche an den Burgen Plain und
Raschenberg.
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Über die Errichtung der Salzniederlage entweder zu Tittmoning oder zu Burghausen
sowie über die Erhebung des Zolles in Aufham oder Teisendorf sollte bis Michaeli des
folgenden Jahres entschieden werden.
Die Salzniederlage entstand im bayerischen Burghausen und der Zoll wurde nach Teisendorf
gelegt. Kurz nach dem Vertrag von 1275 entstand das bayerische Pfleggericht Traunstein.
1285 klagte Erzbischof Rudolf über die schon 1266 an Isen und Inn der Salzburger Kirche
zugefügten Schäden und verhängte über Herzog Heinrich XIII. den Kirchenbann. In Rudolfs
Schreiben werden u.a. die Orte Dornberg, Megling und Gars, der Isengau und der Eiglwald,
Reichenhall und Tittmoning sowie die von den bayerischen Truppen zerstörte Alzbrücke zu
Garching, die zum Handelsweg von Salzburg nach Mühldorf gehörte, aufgelistet. Salzburg
wurde also immer noch hart von der herzoglichen Seite bedroht.
Zuletzt einigten sich die Herzöge und die Erzbischöfe, daß die Hochgerichtsbarkeit über alle
Salzburger Besitzungen an Isen und Inn bei Malefizverbrechen wie Totschlag, Raub,
Notzucht, Brandstiftung usw. von den herzoglich-bayerischen Pfleggerichten in Neumarkt an
der Rott, Kraiburg, Mörmoosen und Kling ausgeübt werden. Die niedere Gerichtsbarkeit mit
dem Polizei- und Notariatswesen, Steuerrecht, Scharwerk und Musterung durfte dagegen vom
Salzburger Vogtgericht in Mühldorf, das die Herzöge anerkannten, vertreten werden.
Erst mit Erlangung der Hochgerichtsbarkeit in der Stadt Mühldorf im Jahr 1442 war diese
Stadt auch Teil des Hochstifts Salzburg geworden. Es war Salzburg aber nicht gelungen,
Mühldorf mit dem umliegenden umfangreichen Salzburger Besitz an Isen und Inn zu einem
geschlossenen Territorium zu vereinigen. Der Burgfrieden der salzburgischen Stadt wurde
entsprechend mit "Marchsäulen", später mit Grenzsäulen markiert.
Grenzsteine wurden auch entlang des Grenzverlaufs von der Salzach zur Alz und von der
Traun bis zum Hochstaufen aufgestellt. Sehenswert ist der Grenzstein von 1721 nahe der
Salzach bei Plattenberg mit den Wappen der Länder Bayern und Salzburg.
Die Alz war als Landesgrenze für das Herzogtum Bayern äußerst ungünstig, vor allem durch
die extreme Randlage des Gerichtssitzes auf der Burg Trostberg.
Am 11. November 1442 erwarb Herzog Heinrich XVI. von Landshut den Gebietsstreifen
rechts der Alz und der Traun zwischen Purkering und Stein. Damit war die Grenze etwas
ostwärts gerückt worden und verlief nun von Purkering bis "zum jähen Ende" gegenüber von
Altenmarkt auf "äußerster Höhe" entlang des Alztales.
Im Vertrag von Frankfurt am 12. September 1810 wurden Salzburg und Berchtesgaden an
Bayern angegliedert. Seitdem ist der Rupertiwinkel bayerisch. Durch den Vertrag von
München am 14. April 1816 wurde die Salzach endgültig Landesgrenze zwischen Bayern und
Österreich.
Die alten Pfleggerichte
Die Politik der Wittelsbacher hatte während des 13. Jahrhunderts die Ausbildung der
Landesherrschaft zum Ziel.
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Sie stützte sich auf vier Kriterien:
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auf den Erwerb von Besitzrechten, z.B. aus den 1260 gekauften Besitzungen der Grafen
von Kraiburg in den späteren Gerichtsbezirken Kraiburg und Mörmoosen,
auf Vogteirechte, die das niedere Gericht, Scharwerk, Steuer und Musterung beinhalten
konnten und im Inntal um Mühldorf bis 1802 nicht einem herzoglichen Pfleggericht
sondern stets dem salzburgischen Pfleggericht Mühldorf unterstanden hatten,
auf Forstrechte,
und die Grafschaftsrechte, die als ehemalige Königslehen mittlerweile seit dem 12.
Jahrhundert von den bayerischen Herzögen vergeben und eingezogen werden konnten und
mit der hohen Gerichtsbarkeit den Herzögen gehörte.
Der Vogt war eine weltliche Person, die eine geistliche Institution wie Bischof, Domkapitel,
Kloster oder Kirche in weltlichen Angelegenheiten vertrat. Dazu gehörten besonders
Gerichtsverhandlungen und die Verwaltung von Gütern der Geistlichkeit. Mit Vogteien
wurden neben Grafen auch Edelfreie betraut, wie es bei Megling (Stampflberg) bzw. bei den
Fraunbergern zu Haag erkennbar ist. Hatten Bischöfe oder Klöster ihre Vogtei als Lehen
ausgegeben, dann besaß die belehnte Familie dieses Amt über mehrere Generationen. Die
Belehnung endete mit dem Tod des letzten Mannes eines Geschlechts. Die bevogteten Bauern
hatten jeden Herbst ihrem Vogt Naturalien, zumeist Getreide, Lämmer und Hühner, zu
überbringen. Die mit der Vogtei verbundene Gerichtsherrschaft wurde im Verlauf des 13. und
14. Jahrhunderts für Bischöfe und weltliche Landesherren ein Instrument zur Ausbildung
ihrer Landeshoheit.
Bayerische Pfleggerichtssitze in unserer Region waren Burghausen, Neuötting, Wald a. d.
Alz, Leonberg - später Marktl, Neumarkt an der Rott, Kraiburg, Mörmoosen, Trostberg,
Kling, Wasserburg, Rosenheim, Aibling, Auerburg, Hohenaschau, Marquartstein, Traunstein
und Reichenhall.
Haag war bis 1567 eine Reichsgrafschaft, ehe diese ein bayerisches Pfleggericht wurde.
Salzburgische Pfleggerichtssitze befanden sich in Plain und Staufeneck - beide seit 1594
vereinigt -, Raschenberg - seit 1678 in Teisendorf ausgeübt, Halmberg und Tettelham - beide
seit 1530 zunächst in Tettelham, später in Waging vereinigt, unverändert Tittmoning und auf
beiden Seiten der Salzach die Gerichte Oberlebenau (Abtdorf), Unterlebenau (Eching),
Haunsberg sowie Anthering seit 1603/1608 in Laufen.
Die pfleggerichtliche Verwaltung umfaßte die Ämter des Pflegers, des Landrichters, des
Kastners, des Zollners, des Ungelders, des Gerichtsprokuratoren, des Gerichtsschreibers und
der Schergen.
Der landesfürstliche Getreidespeicher, der Kasten, wurde vom Kastner verwaltet. Er
kümmerte sich Jahr um Jahr um die Abgaben der Urbarbauern und die Reichnisse der einer
Vogtei angehörenden Bauern. Neben den jährlich einzudienenden Naturalien, also Getreide
und Tiere, verzeichneten die Kastner auch die Geldreichnisse der Grund- und
Vogteiuntertanen sowie die allgemeinen Steuern aller im Gerichtsbezirk lebenden
steuerpflichtigen Personen. Der Kastner war also ein landesherrlicher Finanzbeamter.
Der Pfleger übte als Beamter die Aufsicht über den Pfleggerichtsbezirk und die Burg aus. Er
war Inhaber der Hochgerichtsbarkeit und verwaltete die Einnahmen aus Steuern, Mauten und
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Zölle in seinem Pfleggericht. Ihm unterstanden der Landrichter, der Kastner, die Mautner,
Zöllner und Schergen. Die Abfaßung der Urkunden des Pfleggerichts führten juristisch
gebildete Gerichtsschreiber durch. Die meisten Pfleger entstammten edelfreien Familien.
Der Landrichter nahm im Auftrag des Pflegers die gerichtlichen Aufgaben und die
Rechtssprechung wahr. Unter den Namen der Landrichter findet man hauptsächlich Vertreter
des niederen Adels.
An jedem Pfleggerichtssitz wurden alle todeswürdigen Verbrechen wie Mord, Raub und
Notzucht gerichtet. Das galt auch für die Untertanen aus den Hofmarken, die sonst mit ihrer
niederen Gerichtsbarkeit den Hofmarksherren unterstanden. Der Richter war befugt, den
Galgen aufrichten und Todesurteile vollstrecken zu lassen. Er führte die Untersuchung des
Verbrechens, den Prozeß und die Exekution durch.
Die Fürstpropstei Berchtesgaden
Die Geschichte Berchtesgadens nahm im Vergleich zu den benachbarten Ländern seit dem 12.
Jahrhundert einen besonderen Verlauf.
Irmgard, die Gemahlin des Grafen Gebhard II. von Sulzbach, hatte ihren Sohn Berengar I.
von Sulzbach verpflichtet, ein Regularkanonikerstift zu gründen, was im Jahr 1102 geschehen
sein dürfte. Einen kaiserlichen Schutzbrief bekam das Stift Berchtesgaden 1156 durch Kaiser
Friedrich Barbarossa.
Das Kaiserdiplom von Kaiser Heinrich VI. vom Jahr 1194 mit der Bestätigung des
Grundbesitzes, der Forstrechte, des Bergregal und des Halsgerichts bildete das Fundament für
die spätere Einheit der Fürstpropstei.
Den Blutbann, also die Hoch- und Halsgerichtsbarkeit, verlieh dem Stift erst 100 Jahre später
im Jahre 1294 der deutsche König Adolf von Nassau. Die Pröpste waren um diese Zeit aber
noch keine Reichsfürsten!
Als 1386 König Wenzel dem Propst die Regalien verlieh, wurde in der Urkunde das Stift
Berchtesgaden als Reichspropstei bezeichnet. Die Pröpste gehörten aber immer noch nicht der
Reichsstandschaft an. Erst 1491 wird die Reichspropstei Berchtesgaden als Teil der
Reichsstandschaft aufgezählt: seitdem waren die Pröpste Reichsfürsten. Im Jahre 1559 dürften
sie von der Prälatenbank auf die Fürstenbank wechseln, was ihnen den Titel Reichsfürst
einbrachte.
Im Spätmittelalter hatten die Pröpste auch das Recht auf den bischöflichen Stuhl, die Mitra
und die Sandalen bekommen. 1455 konnte der Propst mit päpstlicher Hilfe die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofes von Salzburg abschütteln und auch auf dem geistlichen Gebiet
mehr Unabhängigkeit erlangen.
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