Erfolg durch Eigeninitiative: Warum soziales Geschick - AOW-Bonn

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Aus: Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2015
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Fit für den Erfolg
Erfolg durch Eigeninitiative: Warum soziales
Geschick notwendig ist
Eigeninitiative ist eine wichtige und oft geforderte
Verhaltensweise von Mitarbeitern. Allerdings wird
sie von Vorgesetzten nicht immer positiv bewertet.
Studien zeigen, dass es dabei vor allem auf das soziale Geschick des Mitarbeiters ankommt.
Eigeninitiative ist eine Verhaltensanforderung, die nach
einer Erhebung des Staufenbiel Instituts zu „Job Trends
Deutschland 2014“ von 87 Prozent der Arbeitgeber an Bewerberinnen und Bewerber gestellt wird. Damit steht sie
auf dem zweiten Platz der Hitliste, direkt hinter dem Klassiker Kommunikationsfähigkeit. Dabei verstehen wir im Anschluss an den Artikel von Michael Frese und Doris Fay im
Jahresband „Research in Organizational Behavior“ unter
Eigeninitiative ein proaktives Verhaltenssyndrom, das alle
Aktivitäten umfasst, die eine positive Veränderung in der
Umgebung des Arbeitsplatzes bewirken. Bisher wurde
davon ausgegangen, dass Eigeninitiative, wenn nötig, im
Regelfall gezeigt werden kann und zu positiven Ergebnissen für die handelnde Person und ihre Organisation führt.
Proaktiv handelnde Beschäftigte werden von anderen als
„Macher“ gesehen, die nicht nur von den unmittelbaren
äußeren Umständen beeinflusst werden, sondern auch
im Sinne übergeordneter Ziele vorausschauend agieren.
Frese und Fay stellten 2001 fest, dass sich besonders für
die Tätigkeit von Selbstständigen und Unternehmern
zeigt, dass Eigeninitiative zu positiven wirtschaftlichen
Ergebnissen führt. Bei Arbeitnehmern ist die Befundlage
differenzierter. Grundsätzlich nimmt man zwar auch hier
einen positiven Zusammenhang mit der Arbeitsleistung
an, jedoch zeigen Studien, zum Beispiel die von Adam
Grant, Sharon Parker und Catherine Collins, auch negative Effekte proaktiven Verhaltens. Denn manchmal wird
Eigeninitiative durch Kollegen und Vorgesetzte skeptisch
bewertet, und proaktiv handelnde Menschen gelten als
Störenfriede, die einfach alles, nur um der Veränderung
willen, ändern möchten.
Aber woher wissen Arbeitnehmer, ob proaktives Verhalten in bestimmten Momenten wirklich erwünscht ist?
Und wie beeinflussen sie, dass es positiv von anderen aufgenommen wird? Hängt dies möglicherweise vom sozialen Geschick der handelnden Person ab? Wir haben uns
in drei Studien mit diesen Fragen beschäftigt und untersucht, wie sich das soziale Geschick von Arbeitnehmern
auf das Vorkommen ihrer Eigeninitiative und auf deren
Beurteilung durch Vorgesetzte auswirkt.
Bedeutung von sozialem Geschick
Dr. phil. Andreas Wihler,
Diplom-Psychologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Psychologie der Universität Bonn,
[email protected]
Prof. Dr. phil. habil. Gerhard Blickle,
Diplom-Psychologe, Leiter der Abteilung für Arbeits-, Organisations- und
Wirtschaftspsychologie am Institut
für Psychologie der Universität Bonn,
[email protected]
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Soziales Geschick umfasst ein Set verschiedener Fertigkeiten, die sich unter dem Namen „politische Fertigkeiten“ zusammenfassen lassen. Sie ermöglichen es einer
Person, Situationen und Interaktionen adäquat einzuschätzen, um eigene oder organisationale Ziele zu erreichen. Zu diesem Set gehören unter anderem sozialer
Scharfsinn und die interpersonale Einflusskompetenz.
Personen mit ausgeprägtem sozialem Scharfsinn können
Informationen schnell und effektiv filtern. Dadurch sind
sie in der Lage, angemessen auf die jeweilige Situation
zu reagieren oder sich entsprechend anzupassen. Interpersonale Einflusskompetenz hingegen bezieht sich auf
situationsangemessenes Einflusshandeln. Dadurch sind
Personen fähig, günstige Gelegenheiten durch sorgfältig
ausgewählte Verhaltensweisen effektiv zu nutzen. In den
Studien wurde davon ausgegangen, dass vor allem diese
beiden Komponenten sozialen Geschicks am Arbeitsplatz
den Beschäftigten helfen, Gelegenheiten zum eigeninitiativen Handeln zu erkennen und erfolgreich zu nutzen.
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Syndrom
eigeninitiativen
Arbeitsverhaltens
Beurteilung der
beruflichen
Leistung
Prozessmodell von Eigeninitiative am Arbeitsplatz
Studienbefunde
Um das Modell zu testen, wurden drei
Studien durchgeführt. In der ersten Studie wurde die gemeinsame Wirkung von
sozialem Scharfsinn und dem Klima für
Eigeninitiative auf die tatsächlich gezeigte
Eigeninitiative untersucht. In der zweiten
Studie wurde der Effekt der gezeigten
Eigeninitiative in Kombination mit der
interpersonalen Einflusskompetenz auf
die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten analysiert. In der dritten Studie
wurde das Design von Studie eins und
zwei kombiniert, um zu prüfen, ob die
Ergebnisse stabil bleiben oder nur Zufallsbefunde darstellen.
An der ersten Studie nahmen 146 berufstätige Personen aus unterschiedlichen
Bereichen mit ihren jeweiligen Vorgesetzten teil. Die verschiedenen Firmentypen wurden mittels vorgegebener Kategorien durch die Teilnehmer eingeordnet
(zum Beispiel sozialer Bereich, Finanzen,
Aus- und Weiterbildung). Sie wurden erfasst, weil Eigeninitiative in verschiedenen Berufen in unterschiedlichem Maße
wichtig sein kann und sich die Studienergebnisse dadurch leichter verallgemeinern lassen. Bei den Mitarbeitern wurden
der soziale Scharfsinn und die von ihnen
gezeigte Eigeninitiative mittels Fragebogen erfasst, während Mitarbeiter und
ihre Vorgesetzten das Klima für Eigeninitiative in ihrer Organisation anhand eines
weiteren Fragebogens einschätzten. Die
Auswertung der Daten ergab, dass es
eine bedeutsame Wechselwirkung (Interaktion) zwischen dem Klima für Eigeninitiative in der Organisation und dem
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sozialen Scharfsinn des Mitarbeiters gab
(siehe Grafik unten). Nur wenn die Person
über ausgeprägten sozialen Scharfsinn
verfügte, führte ein förderliches Klima für
Eigeninitiative auch dazu, dass sie sie in
höherem Maße zeigte. Verfügte die Person jedoch nur über geringen sozialen
Scharfsinn, führte auch ein ausgeprägtes
Klima zu keinem Zuwachs in der gezeigten Eigeninitiative.
Für die Teilnahme an der zweiten Studie
konnten 143 Berufstätige und ihre Vorgesetzten gewonnen werden. Auch hier
wurde wieder Wert auf eine Erhebung in
ganz unterschiedlichen Organisationen
gelegt. In einer Online-Umfrage beantworteten die Mitarbeiter diesmal einen
Fragebogen zu ihrer interpersonalen Einflusskompetenz und der von ihnen gezeigten Eigeninitiative. Die Vorgesetzten
gaben eine Einschätzung der Leistung
ihres Mitarbeiters ab. Die Auswertung ergab eine bedeutsame Wechselwirkung
zwischen gezeigter Eigeninitiative und
Interaktion von Klima für Eigeninitiative und
sozialem Scharfsinn
sozialer Scharfsinn hoch
sozialer Scharfsinn niedrig
hoch
niedrig
Klima für Eigeninitiative
niedrig
hoch
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Wihler, Blickle
Seine volle Wirkung entfaltet sozialer
Scharfsinn erst im Zusammenspiel mit der
interpersonalen Einflusskompetenz. Sie
hilft dabei, Handlungen und Ziele zu formulieren, passende Verhaltensweisen an
der richtigen Stelle einzusetzen und sie zu
Ergebnissen zu führen, die von den wichtigen Personen am Arbeitsplatz positiv
beurteilt werden. Die interpersonale Einflusskompetenz unterstützt die effektive
Nutzung von Gelegenheiten, Eigeninitiative zu zeigen, und sollte zu positiven Bewertungen durch Vorgesetzte führen. Sie
sollten die Mitarbeiter dann als kompetent,
selbstbewusst und als „Macher“ sinnvoller
Veränderungen, aber nicht als manipulativ
und als Störenfriede wahrnehmen; zudem
hilft interpersonale Einflusskompetenz dabei, Eigeninitiative so zu präsentieren, dass
sie als sinnvoll und zielführend wahrgenommen wird. Zusammen, so unser theoretisches Modell, bilden sozialer Scharfsinn
und interpersonale Einflusskompetenz
eine erfolgreiche Kombination sozialer
Kompetenzen (siehe Grafik oben).
Klima für Eigenintiative
in der
Arbeitsumgebung
Interpersonale
Einflusskompetenz
Eigeninitiative
Um eigeninitiativ handeln zu können,
müssen Arbeitnehmer in der Lage sein,
Hinweise aus der Umgebung angemessen wahrzunehmen und entsprechend zu
handeln. Solche Hinweise werden auch
durch ein mehr oder minder stark ausgeprägtes Klima für Eigeninitiative gegeben.
Dazu gehört eine Arbeitsumgebung, die
proaktives Handeln fördert, unterstützt
und belohnt. Wenn Arbeitnehmer erkennen, dass Eigeninitiative wirklich erwünscht ist, können sie diese auch verstärkt zeigen. Wer Eigeninitiative zeigt,
wo sie unerwünscht ist, läuft ins Leere.
Der individuelle soziale Scharfsinn beeinflusst daher, ob das Klima für Eigeninitiative zutreffend wahrgenommen und in
eigeninitiatives Verhalten umgesetzt wird.
Personen mit ausgeprägtem sozialem
Scharfsinn zeigen mehr Eigeninitiative bei
einem begünstigenden Klima als Personen mit geringem sozialem Scharfsinn.
Sozialer
Scharfsinn
Wihler & Blickle
Gelegenheiten für Eigeninitiative
und deren Nutzung
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interpersonale Einflusskompetenz hoch
interpersonale Einflusskompetenz niedrig
niedrig
Eigeninitiative
niedrig
hoch
Interaktion von Eigeninitiative und interpersonaler Einflusskompetenz
interpersonaler Einflusskompetenz. Nur
wenn die Einflusskompetenz ausgeprägt
war, führte die gezeigte Eigeninitiative zu
besseren Leistungsbeurteilungen. Es gab
jedoch keine Verbesserung der Leistungsbeurteilung, wenn der Arbeitnehmer nur
über eine geringe interpersonale Einflusskompetenz verfügte, aber im Verhältnis
dazu viel Eigeninitiative zeigte. Auch dieses Ergebnis bestätigte die Erwartungen
des Forschungsmodells.
Facetten des sozialen Geschicks
Das Ziel der dritten durchgeführten Studie mit 219 Beschäftigten war die Replikation der in den vorherigen Studien
gefundenen Ergebnisse sowie die kombinierte Betrachtung der beiden Effekte an
der gleichen Person. Dabei wurden für die
Einschätzung des Klimas für Eigeninitiative zusätzlich Vorgesetzten- und Kollegeneinschätzungen eingeholt. Wie bei
den anderen Studien machten die Mitarbeiter Angaben zu der von ihnen gezeigten Eigeninitiative, und es wurden ihr sozialer Scharfsinn sowie ihre interpersonale
Einflusskompetenz erfasst. Erneut gaben
die Vorgesetzten eine Leistungseinschätzung bezüglich des betreffenden Mitarbeiters ab.
Die Auswertung bestätigte auch diesmal
die theoretischen Erwartungen. Wieder
fanden sich die in den beiden ersten Stu-
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Wihler & Blickle
Beurteilung der
beruflichen Leistung
hoch
dien gefundenen Interaktionseffekte in
vergleichbarer Form. Zusätzlich zur Überprüfung der beiden bisherigen Hypothesen wurde der zwischen dem Klima für
Eigeninitiative und der beruflichen Leistung vermittelnde Effekt von Eigeninitiative untersucht. Dabei wurden auch die
beiden Facetten des sozialen Geschicks
als Moderatoren berücksichtigt. Diese
Analyse ergab, dass ein gutes Klima für
Eigeninitiative nur dann zu einer positiven Leistungsbeurteilung führte, wenn
die Personen hohe Eigeninitiative zeigten
und gleichzeitig über einen ausgeprägten
sozialen Scharfsinn und eine ausgeprägte
interpersonale Einflusskompetenz verfügten. Sobald jedoch eine oder beide Fertigkeiten gering ausgeprägt waren, gab
es keinen positiven Effekt auf die Beurteilung der berufliche Leistung durch den
Vorgesetzten.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass eigeninitiatives Handeln zwar wichtig ist, ohne soziales Geschick aber nicht zu einer guten
Fremdbewertung führt. Zudem können
Mitarbeiter durch den Einsatz ihrer sozialen Fertigkeiten ihre Eigeninitiative in
positiver Weise modulieren, um so bessere Leistungsbeurteilungen von ihrem
Vorgesetzten zu erhalten. Nur wenn eine
Person über sozialen Scharfsinn verfügt,
ist sie in der Lage, die Arbeitssituation
akkurat zu beurteilen. Und nur wenn sie
eine gute interpersonale Einflusskompetenz besitzt, wird das gewählte Verhalten
in effektives Handeln umgesetzt und
führt zur positiven Beurteilung durch
Vorgesetzte. Angemessenes eigeninitiatives Handeln der Mitarbeiter macht Organisationen stark. Daher kann ihnen nur
daran gelegen sein, das soziale Geschick
ihrer Mitarbeiter durch Trainingsmaßnahmen oder Mentoring-Unterstützung zu
verbessern und zu fördern. Auch Rückmeldungen seitens des Vorgesetzten
können dazu genutzt werden, angemessene Verhaltensweisen zu verstärken. Zudem liegt es in den Möglichkeiten und
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im Aufgabenbereich des Vorgesetzten,
ein Klima zu schaffen, in dem engagierte
Mitarbeiter leicht erkennen können, dass
ihre Eigeninitiative erwünscht ist. Viele
Unternehmen wünschen sich aus gutem
Grund Mitarbeiter mit Eigeninitiative.
Aber allein geht sie ins Leere. Es kommt
auf das soziale Geschick der Person an,
damit sie erkennt, wo und wann Eigeninitiative wirklich erwünscht ist und wie sie
diese Anforderung auch in erfolgreiches
Verhalten umsetzen kann.
Weiterführende Literatur
Blickle, G. & Solga, M. (2014). Einflusskompetenz, Konflikte, Mikropolitik. In H.
Schuler & U. Kanning (Hrsg.), Lehrbuch der
Personalpsychologie (3. Aufl., S. 983–1026).
Göttingen: Hogrefe.
Ferris, G. R., Blickle, G., Schneider, P. B.,
Kramer, J., Zettler, I., Solga, J., Noethen,
D. & Meurs, J. A. (2008). Political skill construct and criterion-related validation: A
two-study investigation. Journal of Managerial Psychology, 23, 744–771.
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P. L., Brouer, R. L., Douglas, C. & Lux, S.
(2007). Political skill in organizations. Journal of Management, 33, 290–320.
Frese, M. & Fay, D. (2001). Personal initiative: An active performance concept for
work in the 21st century. Research in Organizational Behavior, 23, 133–187.
Grant, A. M., Parker, S. K. & Collins, C.
(2009). Getting credit for proactive behavior: Supervisor reactions depend on
what you value and how you feel. Personnel Psychology, 62, 31–55.
Staufenbiel Institut (Hrsg.). (2014). Jobtrends Deutschland 2014. Köln: Herausgeber. Verfügbar unter: http://www.
staufenbiel.de/fileadmin/fm-dam/PDF/
Publikationen_SS14/JobTrends_2014.pdf
[6.2.2015].
Wihler, A., Blickle, G., Ellen, B. P., Hochwarter, W. A. & Ferris, G. R. (in press).
Personal initiative and job performance
evaluations: The role of political skill in opportunity recognition and capitalization.
Journal of Management.
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