Pharmazeutische Chemie – Perampanel Perampanel (Fycompa ) Fycompa ist ein Antiepileptikum mit neuartigem Wirkmechanismus. Das Arzneimittel ist induziert als Zusatztherapie fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung. Der Arzneistoff Perampamel (Strukturformel s. Abbildung 1) ist der erste Vertreter aus der Arzneistoffklasse der selektiven, nichtkompetitiven Antagonisten an AMPA-Rezeptoren (Fachinformation Fycompa 2012). O N N N Perampanel Abbildung 1 AMPA-Rezeptoren spielen anscheinend bei einer Reihe von zentralnervösen Erkrankungen eine Rolle, so neben der Epilepsie beispielsweise bei der Depression oder beim Morbus Parkinson (Rogawski und Donevan 1999, Palucha und Pilc 2005, Johnson et al. 2009). Sie gehören neben NMDA- und Kainat-Rezeptoren zu den ligandenaktivierten, ionotropen Glutamat-Rezeptoren. AMPA-Rezeptoren übertragen große Teile der exzitatorischen Signale im ZNS. Die Bindung des physiologischen Agonisten LGlutaminsäure führt zu einer Öffnung des Ionenkanals, wodurch es zu einem Ionenstrom ein- und zweiwertiger Kationen kommt (Na+- und Ca2+-Einstrom, K+Ausstrom) (u.a. Swanson und Sakai 2009). Namensgebend für diese Rezeptoren ist der selektive, synthetische Agonist L-αAmino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure. AMPA ist ein Homologes der LAminosäure Ibotensäure, die psychoaktive Wirkungen besitzt und in verschiedenen Pilzen der Amanita-Familie vorkommt. H2N O OH H OH O NH2 N N O O S H2N Cl O L-AMPA Abbildung 2: O Piracetam O O S NH N H Cyclothiazid AMPA-Agonisten 1 CA 30.9.2012 Pharmazeutische Chemie – Perampanel Zu den sogenannten AMPA-Potentiatoren zählen auch das Pyrrolidinon Piracetam (ein zyklisches Derivat der γ-Aminobuttersäure), das als Nootropikum zur Verbesserung der Hirnleistung eingesetzt wird, und das Benzothiazid Cyclothiazid, das als Diuretikum und Antihypertensivum entwickelt worden ist (Gouliaev und Senning 1994, O’Neill et al. 2004) (Strukturformeln s. Abbildung 2). Die ersten AMPA-Antagonisten, die identifiziert wurden, gehören chemisch zu den Chinoxalinen (Abbildung 3). NBQX ist ein solches Derivat, das als kompetitiver Antagonist an der Glutamat-Bindungsstelle des AMPA-Rezeptors bindet (Yamaguchi et al. 1993, Rogawski 2006). Die Chinoxaline der ersten Generation sind allesamt sehr schlecht wasserlöslich, was insbesondere eine starke Nephrotoxizität dieser Substanzklasse mit sich brachte. Neuere Verbindungen wie z.B. Zonampanel (YM872) weisen deutlich verbesserte Lösungseigenschaften auf. Zonampanel wurde mit mäßigem Erfolg in ersten klinischen Prüfungen beim Schlaganfall untersucht (Shimizu-Sasamata et al. 1998, Takahashi et al. 1998, Takahashi et al. 2002). Zurzeit befindet sich kein kompetitiver Antagonist vom Chinoxalin-Typ als Antiepileptikum in der klinischen Entwicklung. O O H N NO2 H N NO2 O N N NH2 S O O N H O N O OH NBQX Abbildung 3: Zonampanel kompetitive AMPA-Antagonisten vom Chinoxalin-Typ Ein weiterer kompetitiver Antagonist mit guter Wasserlöslichkeit und guter zentraler Bioverfügbarkeit ist das von der chemischen Struktur her (ein Pyrollo[3,2h]isochinolindion) sehr unterschiedliche NS1209 (Nielsen et al. 1999). O OH HN O N N O OH O S N O NS1209 Abbildung 4: kompetitiver AMPA-Antagonist NS1209 2 CA 30.9.2012 Pharmazeutische Chemie – Perampanel NS1209 befindet sich noch in der klinischen Prüfung insbesondere hinsichtlich seiner Eignung zur Therapie des Status epilepticus (Langer et al. 2011). Einige Jahre nach den Chinoxalinen sind 2,3-Benzodiazepine als AMPAAntagonisten entwickelt worden (Rogawski 1993) (Abbildung 5). Diese Substanzklasse bindet nicht mehr an der Glutamat-Bindungsstelle am AMPARezeptor so wie die kompetitiven Antagonisten, sondern sie besitzen eine allosterische Bindungsstelle („GYKI-Bindungsstelle“) und fungieren als nichtkompetitive Antagonisten. Die Leitverbindung der nichtkompetitiven AMPAAntagonisten vom 2,3-Benzodiazepin-Typ ist GYKI 52466 (Donevan und Rogawski 1993, Zappala 2001. Die am weitesten in der Klinik fortgeschrittene Substanz innerhalb dieser Arzneistoffklasse ist Talampanel. Dieses 2,3-Benzodiazepin wurde in der Klinik bis hin zur Phase III zur Therapie der Epilepsie, der Amyotrophen Lateralsklerose und von malignen Gliomen hin entwickelt (Landmark und Johannessen 2008, Luszczki 2009, Pascuzzi et al. 2009, Iwamoto et al. 2009). Aber auch hier ist die Entwicklung eingestellt. O (R) N N O O N N H2N H2N GYKI 52466 Abbildung 5: H O O Talampanel nichtkompetitive AMPA-Antagonisten vom 2,3-Benzodiazepin-Typ Der neue Arzneistoff Perampanel ist das Resultat eines intensiven Entwicklungsprogramms von Esai (Bialer et al. 2010). Zentraler Baustein des Moleküls ist ein Pyridon, das mit drei aromatischen Ringen (Pyridin, Phenyl, Benzonitril) substituiert ist. Perampanel ist wie die 2,3-Benzodiazepine ein nichtkompetitiver Antagonist an AMPA-Rezeptoren. Die allosterische Bindungsstelle ist dieselbe wie bei den 2,3-Benzodiazepinen, da [3H]Perampanel von GKYI 52466 aus seiner Bindung verdrängt werden kann. Die Selektivität für AMPA-Rezeptoren ist sehr hoch, es ist nur eine äußerst kleine Affinität für Kainat-Rezeptoren und überhaupt keine Affinität für NMDA-Rezeptoren vorhanden. Da AMPA-Rezeptoren wie oben erwähnt bei vielen Erkrankungen eine Rolle zu spielen scheinen, sind für Perampanel auch noch andere Indikationsgebiete vorstellbar. So wurde Perampanel auch hinsichtlich seiner Wirkung als Antiparkinsonmittel untersucht (Gottwald und Aminoff 2008). Literatur: Bialer, M. et al. Epilepsy Res 2010, 92, 89 Donevan, S.D. und Rogawski, M.A. Neuron 1993, 10, 51 Fachinformation Fycompa 2012 Eisai Europe Limited 3 CA 30.9.2012 Pharmazeutische Chemie – Perampanel Gottwald, M.D. und Aminoff, M.J. Drugs Today 2008, 44, 531 Gouliaev, A.H. und Senning, A. Brain Res Brain Res Rev 1994, 19, 180 Iwamoto, F.M. et al. Cancer 2009, 116, 1776 Johnson, K.A. et al. CNS Neurol Disord Drug Targets 2009, 8, 475 Landmark, C.J. und Johannessen, S.I. Perspect Medicin Chem 2008, 2, 21 Langer, M. et al. Neuropharmacology 2011, 61, 1033 Luszczki, J.J. Pharmacol Rep 2009, 61, 197 Nielsen, E.Ø. et al. J Pharmacol Exp Ther 1999, 289, 1492 O’Neill, M.J. et al. Curr Drug Targets CNS Neurol Disord 2004, 3, 181 Palucha, A. und Pilc, A. Drug News Perspect 2005, 18, 262 Pascuzzi, R.M. et al. Amyotrophic Lateral Sclerosis 2009, 3, 266 Rogawski, M.A. Trends Pharmacol Sci 1993, 14, 325 Rogawski, M.A. und Donevan, S.D. Adv Neurol 1999, 79, 947 Rogawski, M.A. Epilepsy Res 2006, 69, 273 Shimizu-Sasamata, M. et al. Stroke 1998, 29, 2141 Swanson, G.T. und Sakai, R. Prog Mol Subcell Biol 2009, 46, 123 Takahashi, M. et al. J Pharmacol Exp Ther 1998, 284, 467 Takahashi, M. et al. CNS Drug Rev 2002, 8, 337 Yamaguchi, S. et al. Epilepsy Res 1993, 15, 179 Zappala, M. et al. Mini Rev Med Chem 2001, 1, 243 4 CA 30.9.2012