AUS DER MEDIZINISCHEN UNIVERSITÄTSKLINIK DER ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG IM BREISGAU ABTEILUNG FÜR INNERE MEDIZIN III: KARDIOLOGIE UND ANGIOLOGIE ÄRZTLICHER DIREKTOR: PROF. DR. CH. BODE Einfluss von Proteinkinase A auf isometrische Kraftentwicklung und Calciumsensitivität. Eine Untersuchung am gehäuteten Herzmuskelpräparat des insuffizienten menschlichen Herzens. INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DES MEDIZINISCHEN DOKTORGRADS DER MEDIZINISCHEN FAKULTÄT DER ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG IM BREISGAU VORGELEGT 2004 VON ASTRID MOSER GEBOREN IN FREIBURG IM BREISGAU Dekan: Prof. Dr. J. Zentner 1. Gutachter: Prof. Dr. C. Holubarsch 2. Gutachter: Prof. Dr. A. Berg Jahr der Promotion: 2005 für Markus Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 1.1 Definition, Ätiologie und Klinik der Herzinsuffizienz 1 1.2 Epidemiologie der Herzinsuffizienz 2 1.3 Physiologische Regulationsmechanismen des Herz-KreislaufsSystems zur Anpassung der kardialen Pumpleistung 1.4 2. 2 Alteration der physiologischen Regulationsmechanismen bei der Herzinsuffizienz 4 1.5 Therapie der Herzinsuffizienz 6 1.6 Ziel dieser Arbeit 7 Material und Methoden 8 2.1 Das menschliche Myokard 8 2.2 Laborbedarf 9 2.3 Lösungen 10 2.4 Die Präparation der Herzmuskelfasern 12 2.5 Das Häutungsverfahren 13 2.6 Versuchsaufbau zur isometrischen Kraftmessung 14 2.7 Aktivierung von gehäuteten Fasern 17 2.7.1 Aktivierung mit Einzelansätzen 19 2.7.2 Aktivierungsreihen mittels Gradientenmixersystem 20 2.7.3 Phosphorylierung von Troponin I mittels der katalytischen Untereinheit der Proteinkinase A 2.8 Statistische Auswertung 22 23 Inhaltsverzeichnis 3. Ergebnisse 24 3.1 Allgemeine Erläuterungen 24 3.2 Isometrische Kraftentwicklung von Herzmuskelpräparaten mit einzelnen pCa-Stufen 24 3.2.1 Isometrische Kraftmessung an gehäuteten Herzmuskelfasern nach Phosphorylierung mit cAMP-abhängiger Proteinkinase A 26 3.2.2 Versuchsreihe ohne Phosphorylierung mittels Proteinkinase A 31 4. Diskussion 34 4.1 Methodenkritische Beurteilung der gehäuteten Fasern 34 4.2 Methodenkritische Beurteilung des Gradientenmixers 36 4.3 Grundlagen der Herzmuskelkontraktion 38 4.3.1 Der zelluläre Aufbau der Herzmuskelfaser 38 4.3.2 Die elektromechanische Kopplung 40 4.3.3 Der Querbrückenzyklus 41 Calcium-Sensitivität 41 4.4.1 Phosphorylierung von Troponin I 43 4.4.2 Bedeutung für die Therapie 48 4.4 5. Zusammenfassung 50 6. Literaturverzeichnis 51 7. Lebenslauf 62 8. Danksagung 63 1 1. Einleitung 1.1 Definition, Ätiologie und Klinik der Herzinsuffizienz Einleitung Die Herzinsuffizienz ist definiert als ein pathophysiologischer Zustand, bei dem eine beeinträchtigte Herzfunktion die Ursache für die Unfähigkeit des Herzens ist, die Gewebe mit genügend Blut und damit mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, um den Gewebestoffwechsel in Ruhe oder unter Belastung sicherzustellen. Klinisch liegt dann eine Herzinsuffizienz vor, wenn typische Symptome bestehen, denen ursächlich eine kardiale Funktionsstörung zugrunde liegt [WHO, 1995]. Die chronische Herzinsuffizienz ist der Folgezustand verschiedener Grunderkrankungen. Diese haben entweder eine direkte Wirkung auf das Myokard, wie z.B. dilatative Kardiomyopathie, Myokarditis oder koronare Herzerkrankung, oder haben eine extrakardiale Ursache und führen sekundär zu einer Störung der Pumpfunktion, wie z.B. arterielle Hypertonie, konstriktive Perikarditis oder Herzklappenvitien [Patterson et al, 1993]. In den westlichen Ländern stellt die koronare Herzerkrankung die häufigste Ursache für die Erkrankung dar (54-70%), die bei 35-52% dieser Patienten von einer arteriellen Hypertonie begleitet wird [McMurray et al., 2000]. Die Symptome der chronischen Linksherzinsuffizienz werden bestimmt durch das Rückwärtsversagen, welches zur Lungenstauung mit Dyspnoe bis hin zum manifesten Lungenödem führt, und durch das Vorwärtsversagen, das eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit bedingt. Bei primär erkranktem rechten Ventrikel mit Rückstauung in den großen Kreislauf stehen die Ausbildung peripherer Ödeme und einer Stauungsleber im Vordergrund. Gemeinsame Symptome der Links- und Rechtsherzinsuffizienz sind Nykturie, ausgelöst durch die nächtliche Rückresorption von Ödemen, eine sympathikotone Überaktivität und Pleuraergüsse. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich jedoch meist eine Globalinsuffizienz, bei der sowohl der linke als auch der rechte Ventrikel von der Erkrankung betroffen sind. 2 Einleitung Nach der New York Heart Association (NYHA) erfolgt die Klassifikation der Herzinsuffizienz entsprechend der körperlichen Leistungsfähigkeit der Patienten in die Stadien I-IV. 1.2 Epidemiologie der Herzinsuffizienz Die Herzinsuffizienz ist eine der am weitesten verbreiteten internistischen Erkrankungen. Im Jahre 1995 wurde die Anzahl der Patienten mit Herzinsuffizienz weltweit auf ca. 15 Millionen geschätzt [Eriksson, 1995]. In den westlichen Ländern treten pro Jahr 1-4/1000 Neuerkrankungen auf [Massie et al., 1996; McMurray et al., 2000]. Die Prävalenz und Inzidenz der Herzinsuffizienz sind alters- und geschlechtsabhängig. In der Framingham-Studie, der bisher größten Prospektivstudie auf dem Gebiet der Herzinsuffizienz, zeigt sich eine mit höherem Alter exponentiell ansteigende Prävalenz der Herzinsuffizienz [McKee et al., 1971]. Während im Alter zwischen 45 und 55 Jahren weniger als 1% der Bevölkerung an einer Herzinsuffizienz erkrankt sind, leiden zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr bereits 2-5% und in der Altersgruppe der über 80-Jährigen fast 10% an dieser Krankheit [Ho et al., 1993; Kannel et al., 1991]. Männer sind gegenüber gleichaltrigen Frauen etwa 1,5mal häufiger betroffen [z.B. Cowie et al., 1999]. 1.3 Physiologische Regulationsmechanismen des Herz-Kreislaufs-Systems zur Anpassung der kardialen Pumpleistung Der Organismus ist im Falle eines gesteigerten Sauerstoffbedarfs des Körpers, z.B. unter Druck- oder Volumenbelastung, in der Lage, die Pumpleistung des Herzens durch verschiedene Regulationsmechanismen an die veränderte Situation anzupassen. Herzfrequenz, Nachlast und Kontraktilität können adaptiert werden. Es existieren folgende Regulationsmechanismen: • Herzfrequenz: Durch eine sympathikusbedingte Zunahme der Herzfrequenz kann das Herzminutenvolumen gesteigert werden. 3 • Einleitung Bowditch-Effekt = Kraft-Frequenz-Beziehung: Bei einer Zunahme der Herzfrequenz ergibt sich aufgrund einer calciumabhängigen Kontraktilitätssteigerung der Myozyten eine positiv inotrope Reaktion. • Frank-Starling-Mechanismus = Kraft-Spannungs-Beziehung: Unter zunehmendem enddiastolischen Ventrikelvolumen und/ oder einer Druckbelastung, also einer erhöhten Vorlast, kann durch eine Erhöhung der Ventrikelspannung und der diastolischen Vordehnung des Herzmuskels ein erhöhtes Schlagvolumen gefördert werden. Dabei ist die Sensitivität der kontraktilen Proteine für Calcium erhöht. • Sympatho-adrenerge Aktivierung: Durch die Sympathikusaktivierung wird Noradrenalin freigesetzt, welches an β1-Rezeptoren der kardialen Myozytenmembran bindet. Über eine G-Protein-vermittelte Aktivierung der Adenylatzyklase und den Anstieg von PKA und cAMP kommt es zu einer Phosphorylierung verschiedener zellulärer Proteine. Aus dem calciumgetriggerten Calciumeinstrom ins Zytoplasma resultiert eine Kontraktilitätszunahme der Myozyten [Bristow et al., 1982]. • Aktivierung vasoaktiver Peptide: Die Nachlast kann durch einige vasoaktive Peptide wie z.B. Angiotensin II (A II), welches bei einer Aktivierung des ReninAngiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) vermehrt sezerniert wird, durch Vasokonstriktion gesteigert oder durch andere Peptide wie z.B. ANP und BNP über eine Vasodilatation gesenkt werden. Ein Mechanismus zur Beeinflussung der Vorlast besteht in der vermehrten Aktivierung oder Hemmung der renalen Natriumund Wasserausscheidung durch verschiedene Peptide (A II, ADH, ANP, BNP). • Herzhypertrophie: Infolge der chronisch erhöhten Arbeitsbelastung des Herzens entwickelt sich eine myokardiale Hypertrophie. • Umverteilung des Herzzeitvolumens: Zur Aufrechterhaltung der Perfusion von Herz und Gehirn werden Teile des Herzzeitvolumens von weniger lebensnotwendigen Organen wie Haut, Skelettmuskel und Nieren umverteilt. 4 1.4 Einleitung Alteration der physiologischen Regulationsmechanismen bei der Herzinsuffizienz Die meisten der im vorherigen Kapitel beschriebenen physiologischen Regulationsmechanismen zur Aufrechterhaltung des Herz-Kreislauf-Systems existieren auch beim insuffizienten Herzmuskel. Jedoch laufen einige Adaptationsprozesse überschießend oder abgeschwächt ab, so dass sich infolge dieser Anpassungsvorgänge häufig negative Auswirkungen auf das Herz ergeben. Der Frank-Starling-Mechanismus konnte auch am insuffizienten Myokard nachgewiesen werden [Holubarsch et al., 1996]. Ein insuffizientes Herz kann trotz der häufig stark verminderten Funktion noch ein normales oder annähernd normal großes Schlagvolumen auswerfen; durch die Vergrößerung des enddiastolischen Volumens wird somit die verminderte Wandspannung – bedingt durch die verkleinerte intrinsische Myokardinotropie – kompensiert. Eine anhaltende Volumenbelastung führt jedoch zur Ventrikeldilatation, die der Körper durch Zunahme des Myokardquerschnitts mittels Myozytenhypertrophie zu reduzieren versucht [Holtz, 1992]. Des Weiteren kommt bei anhaltender hämodynamischer Belastung eine zunehmende Fibrosierung, eine veränderte Faseranordnung und Ischämie hinzu, so dass der Frank-Starling-Mechanismus zur Kompensation der veränderten Situation nicht mehr ausreichend ist [Katz, 1992]. Die Zahl der Kapillaren nimmt nicht im selben Maße zu wie die Muskelmasse durch Hypertrophie. Es resultiert vor allem im subendothelialen Versorgungsgebiet eine kapilläre Minderperfusion. Zudem wird die arterielle Versorgung auch durch die erhöhte Wandspannung verschlechtert [Holtz, 1992; Katz, 1992]. Der Bowditch-Effekt existiert nur am gesunden Herzen. Am insuffizienten Myokard konnte die Kontraktilitätssteigerung bei Zunahme der Herzfrequenz (Kraft-FrequenzBeziehung) nicht reproduziert werden. Es können im Gegenteil eine verminderte Maximalspannung und eine Kraftreduktion bei ansteigender Herzfrequenz nachgewiesen werden [Davies et al., 1995; Hasenfuss et al., 1993; Mulieri et al., 1992]. 5 Einleitung Noradrenalin steigert die Myokardkontraktilität. Die neuroendokrine Aktivierung des Sympathikus kann bei der Herzinsuffizienz nachteilige Auswirkungen haben. Neben diastolischen Relaxationsstörungen des Ventrikels aufgrund zytosolischer Calciumüberladung wird der Sauerstoffbedarf durch die positiv inotropen und chronotropen Effekte der Stimulation des adrenergen Nervensystems gesteigert und die hämodynamische Belastung erhöht [Figueredo et al., 1994; Katz, 1992; Morgan, 1991]. Bei dauerhaft gesteigerter Aktivität erschöpfen sich die Katecholaminreserven. Außerdem gibt es in den Myozyten phänotypische Veränderungen. Bei chronischer Herzinsuffizienz nimmt die Dichte adrenerger Rezeptoren ab (= Down-Regulation der β-Rezeptoren) und es kommt zu einem Anstieg des Verhältnisses inhibitorischer zu aktivierender G-Proteine [Horn et al., 1988; Hasenfuss et al., 1994]. Diese Veränderungen bewirken eine verminderte Stimulation der Adenylatzyklase und infolgedessen eine geringere intrazelluläre Konzentration an zyklischem AMP mit reduziertem Ansprechverhalten auf Katecholamine [Bristow et al., 1982; Bristow et al., 1987; Feldman et al., 1987; Morgan, 1991]. Durch eine verminderte Wiederaufnahmekapazität des sarkoplasmatischen Retikulums für Calcium zeigt sich auch eine veränderte intrazelluläre Calciumhomöostase. Die Ursache hierfür liegt in einer vermehrten Expression des transmembranären Na+/Ca2+-Austauschers und in einer verminderten Expression der sarkoplasmatischen Ca2+-ATPase [Figueredo et al., 1994; Hasenfuss et al., 1994; Morgan, 1991]. Ein weiterer neurohumoraler Adaptationsmechanismus bei abnehmendem Herzzeitvolumen ist die Aktivierung des RAAS mit nachfolgend erhöhten Konzentrationen von A II und Aldosteron, welche zu einer Vasokonstriktion bzw. zu einer Salz- und Wasserretention führen. Die Flüssigkeitsretention ist für viele klinische Symptome der manifesten Herzinsuffizienz verantwortlich. Aus den Vorhöfen und den Ventrikeln werden durch Dehnung und Überlastung die kardialen Gewebehormone „atrial natriuretic factor“ ANP und „brain natriuretic factor“ BNP freigesetzt, welche diuretisch und vasodilatierend wirken. Sie antagonisieren damit die Wirkung des aktivierten RAAS. Die Konzentrationen von ANP und BNP steigen mit fortschreitender Herzinsuffizienz an, ihre Wirkung wird jedoch durch die anderen neurohumoralen Mechanismen, insbesondere durch die vasokonstriktorisch 6 Einleitung wirksamen Hormone Angiotensin und Noradrenalin, eingeschränkt [Francis et al., 1990; Liu et al., 1999; McMurray et al., 1992]. Die insgesamt überwiegende Vasokonstriktion führt zu einem erhöhten peripheren Widerstand und die Salz- und Wasserretention zu einem erhöhten zirkulierenden Blutvolumen. Diese Faktoren stellen für das Herz eine vermehrte Arbeitsbelastung dar, die konsekutiv zu einer Myokardhypertrophie führt [Francis et al., 1990; Liu et al., 1999; McMurray et al., 1992]. Darüber hinaus fördern A II und Endothelin die Endomyokardfibrosierung, die eine weitere Kontraktilitätsminderung bewirkt [Asano et al., 1997; Brilla et al., 1995]. 1.5 Therapie der Herzinsuffizienz Behandlungsindikationen der chronischen Herzinsuffizienz stellen klinische Symptome und eine kardiale Pumpfunktionsstörung mit einer Ejektionsfraktion ≤ 40% ohne Beschwerden des Patienten dar. Therapieziele sind die Senkung der Letalität, die Progressionshemmung der Erkrankung, die Besserung der Beschwerden, die Senkung der Hospitalisationsrate sowie die Verbesserung hämodynamischer Parameter. Es gibt medikamentöse und nicht-medikamentöse therapeutische Maßnahmen. Bei einer behebbaren Ursache der Herzinsuffizienz steht eine kausale Therapie (operativ, katheterinterventionell, medikamentös) im Vordergrund [Leitlinien zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz, 2001]. Die nicht-medikamentöse Therapie beinhaltet eine Gewichtsnormalisierung bei Übergewicht bzw. Verbesserung des Ernährungszustandes, eine begrenzte Kochsalzzufuhr und Limitierung der Flüssigkeitsaufnahme, die Reduktion koronarvaskulärer Risikofaktoren, die Begrenzung des Alkoholkonsums sowie regelmäßige körperliche Bewegung bei stabiler Herzinsuffizienz und Bettruhe bei Patienten mit akuter oder dekompensierter Herzinsuffizienz. Zur Pharmakotherapie der chronischen Herzinsuffizienz werden verschiedene Substanzklassen eingesetzt. Es werden vor allem ACE-Hemmer, AT1-Blocker, β-Blocker, Diuretika, Aldosteron-Antagonisten und Herzglykoside angewendet. Bei der Medika- 7 Einleitung mentenauswahl ist die Berücksichtigung vorliegender Begleiterkrankungen und sozialer Faktoren wichtig [Gattis, 2000]. Je nach klinischem Beschwerdegrad (Einteilung nach NYHA) kommt eine medikamentöse Stufentherapie zum Einsatz. Wenn ein Patient trotz maximaler Ausschöpfung der organerhaltenden Therapie eine deutlich eingeschränkte Lebenserwartung hat, kann eine Herztransplantation in Betracht gezogen werden. Die Indikation wird streng gestellt. Ein möglicher Nutzen der Transplantation gegenüber der Organerhaltung wird sorgfältig abgeschätzt. 1.6 Ziel dieser Arbeit Die meisten Regulationsmechanismen des Herz-Kreislauf-Systems existieren auch am insuffizienten Myokard. Am gesunden Herz kann die Kontraktilitätsstärke über eine β-adrenerge Stimulation bei Aktivierung des sympathischen Nervensystems reguliert werden. Proteinkinase A kann die Calciumsensitivität durch Phosphorylierung von Troponin I vermindern. Am insuffizienten Herz läuft die β-Rezeptor vermittelte Signaltransduktion verändert ab. Es ist nicht klar, ob die Calciumsensitivität durch den direkten Einfluss der Proteinkinase A auf dieselbe Weise wie am gesunden Herz verändert werden kann. An gehäuteten Muskelfaserpräparaten insuffizienter humaner Herzen soll im Laborexperiment untersucht werden, auf welche Weise eine Phosphorylierung des kontraktilen Apparates mittels cAMP-abhängiger Proteinkinase A die isometrische Kraftentwicklung sowie die konzentrationsabhängige Calciumsensitivität dieser Präparate beeinflusst. 8 2. Material und Methoden 2.1 Das menschliche Myokard Material und Methoden Im Rahmen der Experimente der vorliegenden Dissertation werden gehäutete Muskelfasern von menschlichen Herzen verwendet. Sie stammen ausschließlich aus dem linken Ventrikel. Das Myokard stammt von Patienten, die sich aufgrund einer hochgradigen Herzinsuffizienz (NYHA IV) einer allogenen Herztransplantation unterzogen haben. Somit können spezifische Fragestellungen für das insuffiziente menschliche Myokard beantwortet werden; auf Tierversuche kann verzichtet werden. Die Patienten haben jeweils vor der Operation ihr Einverständnis für die herzmuskelphysiologischen Experimente erklärt. Die Operationen wurden im Herzzentrum Bad Oeynhausen/Nordrhein-Westfalen sowie in den Universitätskliniken Freiburg und Göttingen durchgeführt. Die Herzen werden innerhalb kurzer Zeit (maximal 10 Minuten) nach der Explantation komplett in eine Carbogen-begaste (95 Vol.% Sauerstoff und 5 Vol.% Kohlendioxid) Salzlösung gelegt, welche Butanedionemonoxime (BDM) enthält. Dieses ist geeignet, Schädigungen subendokardialer Muskelschichten durch mechanische Manipulation, welche sowohl beim Transport wie auch bei der Präparation auftreten können, zu verhindern oder zu reduzieren [Gwathmey et al., 1991; Mulieri et al., 1989]. BDM kann konzentrationsabhängig die Muskelkontraktilität sowie die myofibrilläre ATPase hemmen [Khandoudi et al., 1993; McKillop et al., 1994; Perrault et al., 1992]. Bei der oben erwähnten Salzlösung handelt es sich um Tyrode, die als BDM-Tyrode bezeichnet wird, wenn sie 2g BDM enthält (Zusammensetzung s. 2.2). Dank der myokardprotektiven Eigenschaften eignet sich BDM-Tyrode bei Abkühlung auf 10°C als Transportmedium für das Myokard, das zur Gewährleistung dieser Temperatur in einer Kühlbox transportiert wird. Die Transportzeit zwischen Bad Oeynhausen bei Hannover, Göttingen und dem Labor in Freiburg beträgt 6 bis 8 Stunden; explantierte Herzen aus in Freiburg durchgeführten Operationen standen bereits circa 30 Minuten nach Explantation für die Präparation zur Verfügung. 9 2.2 Material und Methoden Laborbedarf Chemikalien (in alphabetischer Reihenfolge): 1. BDM (2,3- Butanedione- Monoxime), C4H7NO2, MG 101,1 g/mol, Firma Sigma, Reinheit ≥ 98% 2. Calciumchlorid-Dihydrat, CaCl2 ⋅ 2H2O, MG 147,02, Firma Merck, Reinheit 99,5% 3. Creatine Kinase (CK (creatine N-phosphotransferase)), from rabbit muscle ATP, Firma Boehringer Mannheim 4. Creatine phosphate, disodium salt, Firma Boehringer Mannheim 5. D(+)-Glucose, C6H12O6, MG 180,16, wasserfrei, Firma Merck 6. Dithioerythritol (erythro-2,3-dihydroxy-1,4-butanedithiol), C4H10O2S2, MG 154,3, Firma Sigma, Reinheit ≥ 99% 7. Dithiothreitol (threo-1,4-dimercapto-2,3-butanediol), C4H10O2S2, MG 154,3, Firma Sigma, Reinheit ≥ 95% 8. EGTA (Ethylene Glycol-bis(β-Aminoethylether)-N,N,N′,N′-Tetraacetic Acid), C14H24N2O10, MG 380,4 g/mol, Firma Sigma, Reinheit ≥ 97% 9. Glycerol (Glyzerin), C3H8O3, MG 92,09 g/mol, Firma Sigma, Reinheit 99,8% 10. Human-Insulin 100, Firma Hoechst, 1 ml = 100 I.E., Reinheit 100% 11. Imidazol (1,3-Diaza-2,4-cyclopentadine), C3H4N2, MG 68,08 g/mol, Firma Sigma, Reinheit ≥ 99% 12. Kaliumchlorid, KCl, MG 74,56 g/mol, Firma Merck, Reinheit 99,5% 13. Kaliumdihydrogenphosphat, KH2PO4, MG 56,11 g/mol, Firma Merck, Reinheit ≥99% 14. Magnesiumchlorid- Hexahydrat MgCl2 ⋅ 6H2O, MG 203,30, Firma Merck, Gehalt 99 – 102% 15. Magnesiumchlorid-Hexahydrat, MgCl2 ⋅ 6H2O, MG 203,30g/mol, Firma Merck, Gehalt 99 – 102% 16. Magnesiumsulfat-Heptahydrat, MgSO4 ⋅ 7H2O, MG 246,48g/mol, Firma Merck, Reinheit ≥99,5% 17. Na2ATP (Dinatrium-Adenosine- 5′-triphosphat), C10H14N5O13P13Na2 ⋅ 3H2O, MG 605,2 g/mol, Firma Boehringer Mannheim 10 Material und Methoden 18. Natriumazid, NaN3, MG 65,01 g/mol, Firma Sigma 19. Natriumhydrogenkarbonat, NaHCO3, MG 84,01 g/mol, Firma Riedel-de Haen, Reinheit ≥99,7% 20. Natriumchlorid, NaCl, MG 58,44 g/mol, Firma Fluka, Reinheit ≥99,5% 21. Phosphoenolpyruvat, C3H4O6PK, monopotassium salt, MG 206,1 g/mol, Firma Sigma, Reinheit ≥98% 22. Protein Kinase A, 3′,5′-Cyclic AMP Dependent, catalytic subunit from porcine heart, Firma Sigma, lympholized powder, 30-65 units/µg protein 23. Salzsäure, HCl, 1M, MG 36,46 g/mol, Firma J.T.Baker 24. Triton X- 100 (t-Octylphenoxypolyethoxyethanol), Firma Sigma An Laborbedarf kommen folgende Produkte zum Einsatz: Messzylinder: Firma Brand 25 ml - 250 ml Bechergläser: Firma Schott 10 ml – 1000 ml Messkolben: Firma Brand 50 ml – 1000 ml Automatikpipetten: Firma Ratiolab 0,5 µl - 50 µl, 5 µl – 50 µl, 50 µl – 200 µl, 200 µl – 1000 µl, 1 ml – 5 ml Kunststoffdöschen: Firma Packard Instruments 25 ml (Polypropylen) Firma Nalgene Cryogenic vials 1,8 ml Waage: Firma Scaltec, SBC 32 (bis 0,1 mg) pH-Meter: Firma Knick, Modell 766 Calimatic mit Messelektrode Knick SE 100 Magnetrührer: 2.3 Lösungen Glyzerinhäutungslösung 50,00 % 20,00 mM 10,00 mM 5,00 mM 5,00 mM 5,00 mM Glyzerin Imidazol NaN3 ATP MgCl2 EGTA Firma Heidolph, Modell MR 1000 11 2,00 mM Dithioerythritol (DTE) Der pH-Wert wird mit NaOH auf 7,0 eingestellt. 1 Vol% Triton-X-100 (zusätzlich für die 24 Stunden Häutung) Relaxationslösung I 20,00 mM 10,00 mM 10,00 mM 5,00 mM 5,00 mM 12,50 mM Imidazol-HCl ATP Creatinphosphat NaN3 EGTA MgCl2 pH 6.7, mit KOH abgleichen, Ionenstärke 120 mM Aktivierungslösung I wie Relaxationslösung I zusätzlich 5 mM CaCl2 pH 6.7,mit KOH abgleichen, Ionenstärke 120 mM Relaxationslösung II 20,00 mM 12,00 mM 0,03 mM 41,17 mM 5,00 mM 5,00 mM 13,07 mM 5,00 mM Imidazol MgCl2 CaCl2 KCl NaN3 Phosphoenolpyruvat (PEP) Na2ATP EGTA pH 6.7, mit KOH abgleichen, Ionenstärke 115 mM Aktivierungslösung II 20,00 mM 13,56 mM 5,00 mM 20,48 mM 5,00 mM 5,00 mM 13,33 mM 5,00 mM Imidazol MgCl2 CaCl2 KCl NaN3 Phosphpenolpyruvat (PEP) Na2ATP EGTA Material und Methoden 12 Material und Methoden pH 6.7, mit KOH abgleichen, Ionenstärke 115 BDM-Tyrode 144,00 mM 1,29 mM 1,25 mM 5,80 mM 126,00 mM 25,00 mM 0,96 mM 0,96 mM 11,20 mM 10,00 I.E./l 30,00 mM 2.4 Na+ H2PO4Ca2+ K+ ClHCO3Mg2+ SO42Glucose Insulin BDM Die Präparation der Herzmuskelfasern Zur Präparation der Herzmuskelfasern wird das Myokard zunächst in Carbogengesättigte BDM-Tyrode gelegt, anschließend werden nach Eröffnen des linken Ventrikels die Trabeculae carneae aufgesucht. Es fällt die mehr oder minder stark ausgeprägte fleckförmige oder diffuse Fibroelastose des Endokards auf. Entlang des Faserverlaufs der Trabekel wird ein Faserbündel, welches möglichst wenig fibrotische Veränderungen aufweist, unterminiert und vorsichtig das Endokard entfernt. Mit Hilfe des Präparationsmikroskops werden unter Vermeidung zu starker Dehnung durch vorsichtiges Zupfen in Carbogen-gesättigter BDM-Tyrode aus dem freiliegenden Myokard des Trabekels kleinere Streifen mit einer Länge von 4-5 mm und einem Durchmesser von 100-300 µm präpariert [Gordon et al., 1980; Herzig et al., 1989]. Beim Präparieren werden die Muskelfasern nicht mehr als 30% über die ursprüngliche Muskellänge gedehnt [Fabiato et al., 1973]. Materialien für die Präparation: Lupenmikroskop: Olympus VMT, Vergrößerung 10x Präparierschale: Höhe 3 cm, Durchmesser 15 cm Mikrochirurgische Scheren: Martin 35-840-08 Martin 35-831-09 13 Pinzetten: Material und Methoden Splitterpinzette Präparierpinzette Aesculap BD 335 Präzisionspinzette Inox Nr.5 Skalpellhalter: Aesculap Feather Nr.3 Klingen: Aesculap BB 542 / 42 2.5 Das Häutungsverfahren Das Häuten von Muskelfasern dient dazu, die membranösen Strukturen der Zelle aufzulösen, um so in das intrazelluläre Ionenmilieu eingreifen zu können. Speziell mit dieser Methode können Mechanismen untersucht werden, die mit der Interaktion der kontraktilen Proteine zu tun haben oder direkten Einfluss auf diese ausüben [Bsp. Rüegg und Morano 1989]. Zur Permeabilisierung bzw. Auflösung der Zellmembran können verschiedene Methoden mit unterschiedlicher Auswirkung eingesetzt werden. Für die vorliegende Arbeit wurde ein chemisches Häutungsverfahren gewählt. Die Fettsäuren der Zellmembran und anderer membranhaltiger Strukturen wie der Mitochondrien und des Sarkoplasmatischen Retikulums werden aufgelöst. Prozesse, die über diese Strukturen reguliert werden, können nicht ablaufen. Bedingt durch die höhere Permeabilität verlieren auch Proteine ihre Funktion und verlassen die Zelle. Die Membranstabilität, aber auch die Homöostase der Zelle und die Signaltransduktionswege werden durch den Häutungsvorgang beeinflusst. Als Lösungsmittel wird Triton X-100 in einer Konzentration von 1 Vol % der Glyzerinhäutungslösung (Zus. s. 2.2) verwendet. Diese Substanz, die von Solaro et al. [1971] für Experimente mit Hundeherzmuskelpräparaten gebraucht wurde, verhalf der Forschung mit gehäuteten Fasern zum Durchbruch. Außer durch die Zusammensetzung der Häutungslösung wird der Häutungsvorgang auch durch die Faserpräparation einschließlich der Entfernung des Endotheliums und der Einwirkungszeit bestimmt. Diese wird von 0,5 bis hin zu 24 Stunden beschrieben [Bsp. de Tombe and Stienen, 1995; Morano et al., 1985]. Die hier verwendeten Herzmuskelfasern wurden über einen Zeitraum von 24 Stunden in der Häu- 14 Material und Methoden tungslösung belassen, da Fasern des menschlichen insuffizienten Myokards erfahrungsgemäss aufgrund der Fibrose diese Zeit zur hinreichenden Häutung benötigen. Für die Experimente sollen die kontraktilen Proteine freiliegen. Eine hinreichend gehäutete Faser kann weder elektrisch stimuliert werden noch Adenosintriphosphat produzieren [Solaro et al., 1971]. Sie befindet sich folglich entweder in einem relaxiertem Zustand oder in einer Kalziumkontraktur. Die Lösung, die die Faser umspült, kann somit direkten Einfluss auf die kontraktilen Proteine nehmen. Intra– und Extrazellulärflüssigkeit entsprechen einander; ihre Zusammensetzung ist vom Experimentator frei wählbar (Zusammensetzung der definierten Relaxations– und Aktivierungslösungen s. 2.2). Die gehäuteten Faserpräparate werden bei –20°C für max. 4 Wochen in der sog. Aufbewahrungslösung gelagert. Bis auf das Lösungsmittel Triton X-100 hat die verwendete Aufbewahrungslösung exakt dieselbe Zusammensetzung wie die Glyzerinhäutungslösung. Die mögliche Lagerungszeit hängt von den Erfordernissen der Experimente ab; je sensitiver die experimentellen Bedingungen sind, desto kürzer sollte die Lagerungszeit sein. Für die Lagerung bis zu einem Monat wurden qualitativ gute Ergebnisse beschrieben, jedoch ist die sofortige Verwendung am besten [Blanchard et al., 1984; Leijendekker et al., 1992; Morano et al., 1988]. Der Vorteil der Lagerung besteht darin weitgehend unabhängig von der Transplantationsfrequenz arbeiten zu können. Neben der Lagerungszeit übt auch die Temperatur Einfluss auf die Qualität der gehäuteten Muskelfaser aus. Eine Lagerung bei –20°C ist ausreichend, bei einer Temperatur über 0°C ist mit einem Krafteinbruch von über 50% zu rechnen. 2.6 Versuchsaufbau zur isometrischen Kraftmessung Bei der isometrischen Kontraktion entwickelt der Muskel Kraft ohne sich zu verkürzen. Für die muskelisometrischen Experimente wird eine Messapparatur der Firma Scientific Instruments (Heidelberg) verwendet, die in der Übersicht in Abb.2.1 darge- 15 Material und Methoden stellt ist. Der Muskel wird hierfür so festgeklemmt, dass er sich bei Aktivierung zwar unter Kraftentwicklung anspannen, jedoch nicht verkürzen kann. Abb.2.1: Messapparatur zur isometrischen Kraftmessung (1, 2) Mikrometerschrauben, (3) Küvettenblockgetriebe, (4) Force Transducer, (5) Transducerzange, (6) Quarzküvette Eine gehäutete Herzmuskelfaser wird zwischen zwei Zangen fixiert, wobei die eine fest am Küvettenblock verankert ist, die andere als Kraftaufnehmerzange (force transducer, 4) fungiert und die Kontraktionskraft auf einen Kraftwandler überträgt. Somit kann die isometrische Kraftentwicklung gemessen werden. Ein Mikroskop kann zur genauen Einspannung der Faser in einer Vorrichtung über dem Küvettenblock befestigt werden. Durch Einstellen an den beiden Mikrometerschrauben (1) und (2) wird das Präparat so zwischen den beiden Zangen eingespannt, dass der Muskel weder gedehnt noch zusammengestaucht ist. Diese Muskellänge, bei der keine Kraft ausgeübt wird, wird als „slack length“ (SL) bezeichnet. Über eine Mikrometerschraube kann die Vorspannung ausgehend von der SL eingestellt werden; zur optimalen Kraftentwicklung werden die Herzmuskelfasern in dieser Arbeit um 20%, d.h. auf 120% SL, vorgedehnt. Die zentrale Einheit der Messapparatur wird in den Abbildungen 2.2a und b wiedergegeben. Material und Methoden 16 Abb.2.2: a: Aufsicht auf den b: Einspannen eines Küvettenblock Muskelstreifenpräparates (4) Force Transducer, (5) Transducerzange, (6) Quarzküvette, (7) Muskelfaser, (8) Küvettenblock, (9) Zufluß vom Gradientenmixer. Der gesamte Küvettenblock (8) wird mit Quarzküvette (6) von rechts nach links über den zwischen den beiden Zangen fixierten Muskel (7) geschoben. Durch eine Drehbewegung lässt sich der Küvettenblock (8) verschieben, so dass die Muskelfaser zunächst in einer Vertiefung des Küvettenblocks außerhalb des Küvettenglases fixiert werden kann. Anschließend wird das Küvettenglas (6) durch erneute Verschiebung des Küvettenblocks über den zwischen den beiden Zangen eingespannten Muskel geschoben, der auf diese Weise gespült werden kann. Über eine Pumpe und ein klinikübliches Schlauchsystem (Zufluss 9) gelangt die Lösung durch den Küvettenblock in die Küvette; im Anschluss wird sie wieder abgepumpt. In der Vertiefung im Küvettenblock kann die Herzmuskelfaser bei zurückgeschobener Quarzküvette beliebig lange mit einer Lösung inkubiert werden. Für diese Zeit wird das normalerweise konstante Abpumpen der Lösung gestoppt. Die vom Muskel ausgeführte isometrische Kraftentwicklung wird vom Kraftwandler über den Kraftverstärker zu einem Thermoschreiber und dem PC weitergeleitet. Material und Methoden 17 Technische Daten: Kraftaufnehmer (Force Transducer KG3), Kraftverstärker, Wandlerbox, Software (Typ Muat) der Firma Scientific Instruments (Heidelberg) 2.7 Thermoschreiber: Graphtec, Linearcorder WR 3310, 3 Kanäle Personalcomputer: PC Prozessor 486DX4, 100mhz, DOS 6.22 Aktivierung von gehäuteten Fasern Der Zusammensetzung der Aktivierungslösungen kommt eine wesentliche Rolle bei Experimenten an gehäuteten Faserpräparaten zu. Diese Lösungen sollen der intrazellulären Flüssigkeit entsprechen; dabei muss ein Kompromiss zwischen der als tatsächlich angenommenen Intrazellulärflüssigkeit und den für die Herstellung und das Experiment erforderlichen Zusätzen eingegangen werden. Zu diesen Zusätzen gehören z.B. hohe Konzentrationen an Chelatbildnern, Puffern, ATP- Regenerationssystemen und Enzymen [Kitada et al., 1987]. Zentraler Bestandteil jeder Lösung ist die Berechnung der freien Calciumionenkonzentration [Miller et al., 1984]. Hierfür hat Fabiato [1979] wichtige Grundlagen für Computersysteme beschrieben, mit denen ein komplexes Ionen-Puffer-System berechnet werden kann: Die freie sarkoplasmatische Ca2+-Konzentration liegt im Bereich von 0,1µM–0,1mM. Magnesium ist intrazellulär größtenteils an ATP gebunden. Für MgATP wird dabei von einem Wert von 3–5mM berichtet, die freie intrazelluläre Magnesiumkonzentration beträgt 0,1–3mM. Monovalente Kationen wie K+ und Na+ liegen insgesamt bei einer Konzentration von 170mM, monovalente Anionen wie Clbei circa 90 mM. Die Ionenstärke liegt vermutlich zwischen 0,15 und 0,25. Der pHWert bewegt sich dem des Intrazellulärraums entsprechend im Bereich von 6,9–7,15. Die Temperatur wird für Experimente mit gehäuteten Fasern auf 20°C festgelegt, da sich bei dieser Temperatur Schäden am Muskel gegenüber anderen Temperaturbereichen deutlich reduzieren lassen [Hibberd et al., 1982; Godt et al., 1982]. Zur Herstellung der Aktivierungslösungen dient ein Computerprogramm von Prof. Güth (Firma Scientific Instruments, Heidelberg). Dieses Programm errechnet Lösungen unter Vorgabe gleicher Parameter; es wird lediglich eine um circa 10 % nied- 18 Material und Methoden rigere totale Kaliumkonzentration verlangt, so dass die vorliegenden Kraft/Calciumkurven (s.u.) relativ zur laborchemisch quantifizierten Lösung nach rechts verschoben und die maximale calciuminduzierte Kraft leicht reduziert sein könnte [Brandt et al., 1982; Lee et al., 1992; Thames, 1974]. Die pH-Werte werden ohne Ausnahme um ± 0,01 genau geeicht. Wird der pH-Wert reduziert [Fabiato et al., 1978; Blanchard et al., 1984; Seow et al., 1993], nimmt die Ca2+-Sensitivität signifikant ab und es kommt zu einem Einbruch der Maximalkraft [Solaro et al., 1989]. Gleiches gilt für eine Reduktion der freien Magnesiumionen [Fabiato et al., 1975] oder die Erhöhung der Ionenstärke [Kentish, 1984; Brandt et al., 1982]. So bestimmen die gewählten Lösungen das Ausmaß der Ca2+-Sensitivität und die Aktivierbarkeit von gehäuteten Fasern. Die isometrische Kraftmessung an Muskelfasern erfolgt bei unterschliedlichen Calciumkonzentrationen. Die freie Ca2+-Konzentration der Lösungen, die in den Experimenten der vorliegenden Arbeit verwendet werden, variiert in einem Bereich von pCa 8 bis pCa 4. Der pCa-Wert ist als negativer dekadischer Logarithmus der Ca2+Konzentration definiert, d.h. z. B. ein pCa 4 entspricht einer Calciumkonzentration von 10-4mol/l. Die Variabilität der Ca2+-Konzentration in der als calciumfrei angenommenen Lösung mit dem pCa-Wert 8 bis hin zu sehr hohen, physiologisch nie erreichten Ca2+-Werten, in denen die Faser in Calciumkontraktur vorliegt, wird über das Verhältnis des Calciums zum spezifischen Ca2+-Chelator EGTA und EGTA- Gesamt ermöglicht. Bis zur vollständigen Aktivierung werden die Ca2+-Bindungsstellen der kontraktilen Proteine stufenweise besetzt [Allen et al., 1985; Solaro et al., 1974]. Durch die hohe EGTA-Konzentration der Aktivierungslösungen stellt sich im Muskel aus physikalisch-chemischen Gründen die freie Ca2+-Konzentration der anschließend den Muskel umspülenden Lösung nur langsam ein, so dass die Aktivierungszeiten relativ lang sind [Gross et al., 1992]. Darüber hinaus enthalten die Relaxations- und Aktivierungslösungen Natriumazid (NaN3), welches die beim Häutungsvorgang nicht vollständig entfernten Membranenzyme zerstört [Kentish et al., 1994]. Außerdem hemmt Natriumazid das Bakterienwachstum und damit den bakteriellen ATP-Abbau in den Lösungen. Eine Lösung mit dem pCa-Wert von 7,0 –9,0 bewirkt bei einem Muskel keine Kraftentwicklung [Kentish et al., 1986]. Die hier verwendeten Lösungen mit dem pCa- 19 Material und Methoden Wert von 8,0 werden als Relaxationslösungen bezeichnet, die gehäuteten Herzmuskelpräparate liegen in ihnen relaxiert vor. Zur maximalen Aktivierung bzw. Kraftentwicklung der Fasern werden sogenannte Aktivierungslösungen bis zur freien Ca2+Konzentration pCa 4,0 verwendet. 2.7.1 Aktivierung mit Einzelansätzen Relaxations- und Aktivierungslösung I (Zusammensetzung siehe 2.2) werden jeweils doppelt konzentriert angesetzt und portioniert bei –20 °C tiefgefroren aufbewahrt. Für eine Aktivierungsreihe kann die Ca2+-freie Relaxationslösung (pCa 8) mit der Ca2+haltigen Kontraktionslösung (pCa 4) auf beliebige Ca2+-Konzentrationen gemischt werden. Direkt vor der Inkubation der Versuchslösungen werden 380 U/ml Creatinkinase hinzugefügt, um zusammen mit Creatinphosphat dem möglicherweise bei der Aktivierung auftretenden ATP-Mangel im Kern der gehäuteten Faser durch Regeneration entgegenzuwirken [Ventura-Clapier et al., 1987]. Die endgültigen Lösungen werden mit Imidazol (20mM, pH 6,7) auf die einfache Endkonzentration verdünnt. Zu Beginn des Experiments liegt die Faser vollständig relaxiert in Ca2+-freier Lösung (pCa 8) vor. Sie wird schrittweise mit Lösungen, die zunehmend Ca2+ enthalten, aktiviert. Für jede Aktivierungslösung/Calciumkonzentration wird die jeweils zugehörige konstante Kraftentwicklung (steady state) abgewartet. Nach Maximalaktivierung erfolgt erneut eine Relaxierung der Faser. Experimente mit Aktivierungsreihen, welche mit Aktivierungslösungen verschiedener Calciumkonzentrationen durchgeführt werden, lassen sich in einem halblogarithmischen Koordinatensystem darstellen. Wird die Kraft auf die Maximalkraft bezogen, beschreibt dies die relative Kraft, welche in Zahlen von 0-1 oder als Prozentwerte von 0-100% ausgedrückt wird. Relative Kraft wird gegen den pCa-Wert aufgetragen. Die dabei entstehende Kurve weist eine sigmoide Form auf und wird Kraft-CalciumKurve genannt. 20 Material und Methoden 2.7.2 Aktivierungsreihen mittels Gradientenmixersystem Durch den Einsatz eines Gradientenmixersystem der Firma Scientific Instruments (Heidelberg) können komplette Aktivierungsreihen von pCa 8 bis hin zu einem pCa 4 durchgeführt werden. Für diese Versuchsreihen werden Relaxations- und Aktivierungslösung II (Zusammensetzung siehe 2.2) verwendet, die ebenfalls doppelt konzentriert angesetzt und mit Imidazol (20mM, pH 6,7) auf die einfache Endkonzentration verdünnt werden. Der Aufbau des Gradientenmixersystems wird in Abb.2.3 verdeutlicht. Abb.2.3: Schematischer Aufbau des Gradientenmixersystems (Erläuterungen siehe Text) Vor Beginn einer Aktivierungsreihe sind die untere Kammer, das Schlauchsystem, welches zum Küvettenblock und der das Muskelpräparat enthaltenden Küvette führt, sowie die Kapillare des Plexiglasstempels mit Relaxationslösung gefüllt. Diese Kapillare verbindet die Kammer mit dem darüber liegenden Vorratsgefäß, welches Aktivierungslösung enthält. Eine Rollenpumpe (Aufbau s. Abb.2.4) befördert durch Zusammenpressen des Schlauches bei Pumpenrotation die Versuchslösungen zum Muskelpräparat. 21 Abb.2.4: Material und Methoden Aufbau der Rollenpumpe zur Beförderung des Pumpvolumens Beim ersten Pumpschritt befördert die Rollenpumpe ein bestimmtes Volumen an Relaxationslösung in Richtung des Küvettenblocks. Gleichzeitig wird über die Kapillare ein äquivalentes Volumen an Aktivierungslösung in die Mischkammer des Gradientenmixersystems gesogen. Ein Magnetrührer vermischt die pCa 4-Lösung mit der pCa 8-Lösung, so dass sich der neue pCa-Wert rasch einstellt. Bei jedem neuen Pumpschritt wird exakt dieselbe Menge an Aktivierungslösung zugeführt, bis schließlich pCa 4-Lösung zum Muskel gelangt. Die Herzmuskelfaser, die zunächst vollständig relaxiert in Ca2+- freier Lösung vorliegt, wird mit Hilfe des Gradientenmixers somit bei jedem Pumpschritt kontinuierlich mit Lösung umspült, deren Ca2+-Konzentration stetig zunimmt. Nach der vollständigen Aktivierung mit der maximalen Kraftentwicklung und der Erreichung des steady states wird die Faser erneut mit pCa 8-Lösung relaxiert. Auch für diese Versuche können für die Beziehung zwischen freier Ca2+Konzentration und Kraftentwicklung Kraft-Calcium-Kurven erstellt werden, die eine sigmoide Form aufweisen. 22 Material und Methoden 2.7.3 Phosphorylierung von Troponin I mittels der katalytischen Untereinheit der Proteinkinase A Für diese Versuche kann das Prinzip der Gradientenmixermethode angewandt werden. Zunächst wird die Muskelfaser wie oben bereits beschrieben um 20% ihrer slack length (SL) vorgedehnt und im ersten Schritt rasch bis zum Erreichen der Maximalkraft aktiviert und unmittelbar wieder relaxiert. Anschliessend wird mittels des Gradientenmixersystems eine komplette Aktivierungsreihe durchgeführt. Nach Relaxierung wird die Glasküvette, die das Faserpräparat enthält, zurückgeschoben, so dass sich die Herzmuskelfaser nun zwischen den beiden Zangen fixiert in der Vertiefung im Küvettenblock befindet. Hier wird sie über einen Zeitraum von 45 Minuten in einer Lösung inkubiert, welche die katalytische Untereinheit der Proteinkinase A aus Schweineherzen enthält. Diese Lösung enthält doppelt konzentrierte Relaxationslösung; Teile des Imidazolpuffers, mit dem auf die einfache Konzentration verdünnt wird, werden durch 375 units in 20mM Dithiothreitol (DTT)-Lösung gelöster Proteinkinase A ersetzt. Die Anwesenheit von DTT bewirkt bei Experimenten, bei denen gehäutete Faserpräparate über einen längeren Zeitraum bei Raumtemperatur mit Proteinkinase A inkubiert werden, dass die Fähigkeit zur Produktion der maximalen Ca2+-aktivierten Kraft aufrechterhalten und Änderungen der Kraft- pCa- Charakteristika verhindert werden [Patterson et al., 2000]. Die meisten kontraktilen Eigenschaften der chemisch gehäuteten Fasern werden so auf einem Niveau aufrechterhalten, das mit demjenigen von frischen mechanisch gehäuteten Fasern vergleichbar ist. Andere Aktivierungscharakteristika bezüglich der Aktivierung werden durch die Anwesenheit von DTT nicht verändert. Im Anschluss an die 45minütige Inkubationszeit wird die Inkubationslösung abgesaugt und die Glasküvette erneut über den Muskel geschoben, der somit wieder mit Lösung umspült werden kann. Jetzt wird eine zweite komplette Aktivierungsreihe nach obigem Versuchsprotokoll bis zum Erreichen der Maximalkraft durchgeführt. 23 2.8 Material und Methoden Statistische Auswertung Die bei den Versuchen erhaltenen Kraft-Calcium-Kurven wurden mit einem Computerprogramm für nichtlineare Regressionen durch den folgenden Hill-Koeffizienten in Form von sigmoiden Kurven dargestellt: [ Ca 2+ ] HF F= [ Ca 2+ ] HF +[ Ca 2+ ] F 50 HF F= relative Kraft (0-1) bei entsprechender Calciumkonzentration [Ca2+]. [Ca2+]F50 gibt die Calciumkonzentration an, bei der exakt 50% der Maximalkraft erzielt werden. Dieser Wert ist ein Index für die Affinität, die das Calcium zum kontraktilen System hat. Der Hill-Koeffizient (HF) gibt die Steigung der sigmoiden Kurve an diesem Punkt an und ist ein Maß für die Kooperativität der Ca2+-Bindung an die einzelnen TroponinBindungsstellen des Muskels [Shiner et al., 1982; Shiner et al., 1984; Morano et al., 1991]. Die pCa 50-Werte sowie die Hill-Koeffizienten wurden mit der PC-Software GraphPad Version 2.0 des „Institute for Scientific Information“ berechnet. Kurvengraphiken und Tabellen wurden mit der Software Microsoft Excel erstellt. Alle Werte sind, wenn nicht anders angegeben, als Mittelwert ± Standardfehler (SEM) dargestellt. Zum Testen der Signifikanz kommt der Students t-Test für paarige Stichproben zum Einsatz. Signifikanz wird bei einem p-Wert < 0,05 angenommen. Die Auswertung der sigmoiden Kurven wird mit der PC-Software GraphPad Version 2.0 ausgeführt. Es konnte von einer Normalverteilung der pCa 50- und Hill-Werte ausgegangen werden, da keine gegenteiligen Hinweise vorlagen. 24 3. Ergebnisse 3.1 Allgemeine Erläuterungen Ergebnisse Im folgenden sollen die Ergebnisse dieser Arbeit dargestellt werden. Die Experimente wurden wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben teilweise mit der Gradientenmixermethode und zum Teil mittels Einzelansätzen von Lösungen mit verschiedenem Calciumgehalt durchgeführt. Um die jeweiligen Fehlerbalken in die sigmoiden Kraft-Calcium-Kurven zu integrieren und um diese übersichtlicher zu gestalten, wurden alle x/y Wertepaare in das Computerprogramm Graph Pad 2.0 eingegeben. In diesem Programm können einerseits in der Funktion für nicht lineare Regressionen die EC50 bzw. pCa50 Werte (pCa-Wert bei halbmaximaler Kraftentwicklung) sowie die entsprechenden Hill-Koeffizienten direkt berechnet werden. Der HillKoeffizient stellt den mathematischen Wert für die Steigung einer sigmoiden Kurve am EC50 Wert dar. Andererseits können die Kurvenkoordinaten mit diesem Programm direkt abgegriffen werden. Die einzelnen Kurvenpunkte sind gemittelte Werte der entsprechenden Versuchsreihe; dabei entsprechen die schwarzen Symbole in allen Abbildungen der Kontrollaktivierung; die weiß gefüllten Symbole stellen die unter veränderten Versuchsbedingungen entstandenen Kurven dar. In den Diagrammen der relativen Kraft (F[%]) wird jede Aktivierungsreihe entsprechend dem bei pCa 4 erreichten Maximum auf 100% bezogen. Die Fehlerbalken entsprechen dem standard error of the mean (SEM). Alle Muskelfaserpräparate wurden auf 120% slack length vorgedehnt. 3.2 Isometrische Kraftentwicklung von Herzmuskelpräparaten mit einzelnen pCa-Stufen Der Verlauf einer Aktivierungskurve der isometrischen Kraftentwicklung gehäuteter Herzmuskelfasern hängt von vielen verschiedenen Parametern ab, z.B. von der Zusammensetzung der Aktivierungslösung, zum anderen aber auch von methodischen 25 Ergebnisse Einstellungen wie Volumen und Länge des Schlauchsystems. Bei der Gradientenmixermethode stellen auch das Mischkammervolumen, die Zeittriggerung der Einzelpumpschritte und das Einzelpumpvolumen Variable dar. Somit soll zuerst die Reproduzierbarkeit der Messmethode sowie der entstehenden sigmoiden Kurven verifiziert werden. Dafür werden Muskelpräparate, nachdem sie zunächst maximal mit Ca2+ (pCa = 4.5) bei pH 6,7 aktiviert und anschließend wieder relaxiert wurden, stufenweise nacheinander mit Lösungen mit einem Calciumgehalt von pCa 6,5, pCa 6,0, pCa 5,5, pCa 5,0 und pCa 4,5 aktiviert. Die Originalregistrierung eines solchen Experiments (Abb. 3.1) zeigt die Abhängigkeit der Kraft von der vorgegebenen freien Ca2+-Konzentration bzw. vom pCa-Wert: Bei pCa 8 liegen die Fasern relaxiert und bei pCa 4,5 vollständig kontrahiert vor. Abb.3.1: Originalregistrierung der Kraftentwicklung einer gehäuteten Herzmuskelfaser Die relative Kraft kann in einem halblogarithmischen Koordinatensystem auf der YAchse gegen die Ca2+-Konzentration als pCa-Wert auf der X-Achse aufgetragen werden. Abb. 3.2 zeigt exemplarisch eine solche Kraft-Calcium-Kurve, welche eine Ergebnisse 26 sigmoide Form aufweist. Diese sigmoide Form zeigt ein kooperatives Verhalten zwischen der Calcium-Ionenkonzentration und der Kraftentwicklung. Anhand des Beispiels wird ersichtlich, dass im Bereich halbmaximaler Kraft durch kleine Änderungen der Ca2+- Konzentration große Kraftänderungen hervorgerufen werden. Nahezu die gesamte Kraftentwicklung findet im Bereich zwischen pCa 6 und pCa 5 statt. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8 Abb.3.2: 7,5 7 6,5 6 5,5 5 4,5 pCa-Kraft-Abhängigkeit eines gehäuteten Herzmuskelpräparates 3.2.1 Isometrische Kraftmessung an gehäuteten Herzmuskelfasern nach Phosphorylierung mit cAMP-abhängiger Proteinkinase A Diese Versuche werden mit dem Gradientenmixersystem durchgeführt, mit dessen Hilfe gehäutete Muskelpräparate stufenlos von pCa 8.0 bis zur für diese Versuche gewählten maximalen Calcium-Konzentration pCa 4,0 aktiviert werden können. Die Originalregistrierung in Abb. 3.3 zeigt das Versuchsprotokoll eines solchen Experiments zur Phosphorylierung des kardialen Troponin I gehäuteter Muskelfaserpräparate. 27 Abb.3.3: Ergebnisse Originalregistrierung des Versuchs zur Phosphorylierung einer gehäuteten Herzmuskelfaser mittels der katalytischen Untereinheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase A Nach einer Vorkontraktion liegt die Faser zu Beginn in pCa 8-Lösung vollständig relaxiert vor. Nach stufenloser Aktivierung mittels des Gradientenmixersystems werden Ca2+-Sensitivität und Maximalkraft bestimmt. Danach erfolgt eine 45minütige Inkubation mit der katalytischen Untereinheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase A (500 U/ml Relaxationslösung). Anschließend wird mit Hilfe des Gradientenmixers nochmals eine komplette Calcium-Aktivierungsreihe durchgeführt. Abb.3.4 zeigt die gemittelte Kraft-Calcium-Kurve dieser Versuchsreihe. In Tabelle 3.1 sind die erreichte Kraft in Prozent und die dazugehörigen pCa-Werte, die Mittelwerte in Prozent, die Standardfehler, die jeweiligen Hill-Koeffizienten und die pCa50-Werte aufgezeigt. In Abb.3.5 sind die acht Versuche jeweils einzeln als Kraft-Calcium-Kurven dargestellt. Die Veränderung der Maximalkraft bei der zweiten Aktivierung in Prozent bezogen auf die bei der ersten maximalen Kontraktion erreichten Kraft ist in Abb. 3.6a dargestellt, Abb.3.6b zeigt dies jeweils für die einzelnen Versuche. Ergebnisse 28 100 90 80 rel. Kraft 70 60 50 40 30 20 10 Reihe1 Reihe2 0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 pCa-Werte Abb.3.4: Veränderung der Ca2+-Sensitivität gehäuteter Herzmuskelfasern nach 45minütiger Inkubation mit PKA (n=8) Kontrolle PKA pCa Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Versuch 6 Versuch 7 Versuch 8 Mittelwert Standardfehler 8,00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0,00 0,00 6,43 1 59 0 65 0 61 1 41 2 80 0 21 1 55 0 66 1,19 0,83 6,23 4 74 1 50 2 22 4 17 9 13 1 11 5 29 2 18 3,79 2,65 5,97 22 28 9 82 14 19 8 31 41 76 8 92 49 61 14 08 21,12 15,93 5,87 39 67 21 13 30 58 28 53 66 42 19 72 82 95 30 19 39,90 22,76 5,78 62 94 39 26 52 78 68 75 85 62 36 84 96 80 56 76 62,47 20,96 5,62 92 26 77 54 87 42 94 55 100 00 71 28 99 21 94 18 89,56 10,27 5,26 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 99 00 100 00 100 00 99,88 0,35 4,00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100,00 0,00 Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Versuch 6 Versuch 7 Versuch 8 Mittelwert Standardfehler 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0 00 0,00 0,00 2 12 0 47 0 59 1 57 1 22 0 76 2 75 0 52 1,25 0,84 5 65 1 84 2 30 3 18 4 40 2 51 6 77 1 72 3,55 1,87 24 47 11 54 13 82 10 84 23 08 14 24 15 29 14 80 16,01 5,05 41 20 23 80 27 05 20 30 40 21 26 52 27 95 30 52 29,69 7,43 58 11 41 34 45 32 33 12 60 11 42 31 50 23 55 68 48,28 9,39 82 05 75 54 77 84 80 40 86 87 69 08 95 19 94 62 82,70 9,11 97 69 99 10 99 85 99 77 100 00 93 31 100 00 99 20 98,62 2,28 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100 00 100,00 0,00 Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Versuch 6 Versuch 7 Versuch 8 Mittelwert Standardfehler Tab. 3.1: pCa 50-Werte 1.Reihe 2.Reihe 5 84 5 82 5 74 5 74 5 79 5 76 5 73 5 66 5 94 5 83 5 72 5 72 5 99 5 91 5 81 5 83 5,82 5,78 0,10 0,08 Hill-Koeffizienten 1.Reihe 2.Reihe 4 46 3 21 4 65 4 06 4 81 3 99 9 29 5 59 4 43 3 84 4 03 2 87 5 03 2 14 5 63 4 52 5,29 3,78 1,68 1,06 Werte und Statistik der Versuchsreihe mit PKA Statistik student´s paired t-test n=8 pCa 50 p = 0 0595 Hill-Koeffizient p = 0 0074 Ergebnisse 29 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 8,0 4,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 4,0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 8,0 Abb.3.5: 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 8,0 Kraft-Calcium-Kurven nach Phosphorylierung mit katalytischer Untereinheit der Proteinkinase A einzeln dargestellt Ergebnisse rel. Kraft 30 100 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 81,56 1. Aktivierung 2. Aktivierung Abb. 3.6a: Änderung der Maximalkraft zwischen 1. und 2. Aktivierung 100 rel. Kraft 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Reihe1 100 100 100 100 100 100 100 100 Reihe2 69,70 75,00 87,20 70,00 73,30 100,00 95,30 82,00 Abb. 3.6b: Änderung der Maximalkraft für die Versuche einzeln dargestellt Folgende Beobachtungen wurden gemacht: In der gemittelten Kraft-Calcium-Kurve zeigt sich eine leichte Rechtsverschiebung. Die Ca2+-Sensitivität vermindert sich von pCa50 = 5,82 ± 0.04 auf pCa50 = 5,78 ± 0,03 um 0.04 pCa-Einheiten. Die bei der zweiten Kontraktion nach Phosphorylierung mittels der katalytischen Untereinheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase A erreichte Maximalkraft ist verändert. Sie nimmt signifikant (p= 0,0028) auf 81,56% ± 4,11 bezogen auf die bei der ersten Aktivierung erreichten maximalen Kraft ab. Der Hill- Ergebnisse 31 Koeffizient als Maß für die Kooperativität der Ca2+-Bindung an die einzelnen Troponin-Bindungsstellen des Muskels nimmt signifikant (p=0,0074) von 5,29 ± 0,60 auf 3,78 ± 0,37 ab. 3.2.2 Versuchsreihe ohne Phosphorylierung mittels Proteinkinase A Eine weitere Versuchsreihe wird nach demselben Versuchsprotokoll wie in 3.2.1 beschrieben (siehe Abb.3.3) durchgeführt. Jedoch wird hier die gehäutete Herzmuskelfaser nach der ersten Aktivierungsreihe und Erreichen der Maximalkraft über 45 Minuten in Relaxationslösung (ohne Phosphorylierung durch katalytische Untereinheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase A wie in der vorherigen Versuchsreihe) inkubiert. Anschließend wird die zweite isometrische Kraftentwicklung bis zum Erreichen der Maximalkraft beobachtet. Die dabei entstehende Kraft-Calcium-Beziehung sowie wiederum eine Tabelle mit gemessenen Werten, den errechneten Mittelwerten in Prozent, den Standardfehlern, den jeweiligen Hill-Koeffizienten und den pCa50Werten sind in Abb.3.7 und Tab.3.2 dargestellt. Die bei der zweiten Aktivierungsreihe veränderte Maximalkraft ist in Abb.3.8a sowie in Abb.3.8b für die einzelnen Versuche bildlich verdeutlicht. 100 90 80 rel. Kraft 70 60 50 40 30 20 Reihe1 10 Reihe2 0 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 pCa-Werte Abb.3.7: Kraft-Calcium-Beziehung gehäuteter Herzmuskelfasern nach 45minütiger Inkubation in Relaxationslösung (n=5) Ergebnisse 32 Kontrolle ohne PKA pCa Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Mittelwert Standardfehler 8,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 6,43 1,70 1,81 0,00 1,47 2,00 1,40 0,80 6,23 5,10 7,93 0,00 4,40 6,26 4,74 2,97 5,97 23,19 36,33 0,84 21,01 28,20 21,91 13,17 5,87 39,80 56,78 2,52 38,26 51,24 37,72 21,15 5,78 58,94 71,29 5,32 62,37 78,80 55,34 29,02 5,62 84,48 83,99 18,21 94,13 100,00 76,16 33,09 5,26 97,47 93,42 96,08 100,00 100,00 97,39 2,79 4,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 0,00 Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Mittelwert Standardfehler 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 2,00 2,40 0,09 2,19 1,87 1,71 0,93 6,28 4,80 0,36 5,63 5,61 4,54 2,39 31,22 31,79 2,80 26,44 29,45 24,34 12,22 52,70 47,50 5,70 45,01 50,28 40,24 19,52 73,36 60,36 10,40 66,45 71,41 56,40 26,20 95,42 76,89 27,93 89,86 96,29 77,28 28,65 99,41 91,32 95,78 100,00 100,00 97,30 3,78 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 0,00 Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 Versuch 4 Versuch 5 Mittelwert Standardfehler Tab. 3.2: 100 pCa 50-Werte 1.Reihe 2.Reihe 5,82 5,89 5,89 5,82 5,48 5,52 5,84 5,86 5,89 5,88 5,78 5,79 0,17 0,16 Hill-Koeffizienten 1.Reihe 2.Reihe 3,45 4,14 2,60 2,24 5,00 4,30 4,72 3,99 5,04 4,32 4,16 3,80 0,88 1,09 Statistik Student´s paired t-test n=5 pCa 50 p = 0,6968 Hill-Koeffizient p = 0,2525 Werte und Statistik der Versuchsreihe ohne PKA 100 95 90 rel. Kraft 85 79,86 80 75 70 65 60 55 50 Abb.3.8a: 1.Aktivierung 2.Aktivierung Änderung der Maximalkraft zwischen 1. und 2. Aktivierung Ergebnisse 33 100 rel. Kraft 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 Reihe1 100 100 100 100 100 Reihe2 56,50 88,20 97,70 80,00 76,90 Abb.3.8b: Änderung der Maximalkraft für die Versuche einzeln dargestellt Bei dieser Versuchsreihe ist keine signifikante Änderung der Ca2+-Sensitivität festzustellen; der pCa50 erhöht sich leicht von 5,78 ± 0.08 auf pCa50 = 5,79 ± 0.07 um 0.01 pCa-Einheiten (p=0,6968). Wird die Maximalkraft, die das gehäutete Faserpräparat vor und nach der 45minütigen Inkubationszeit in Relaxationslösung bei der jeweiligen Aktivierung erbracht hat, verglichen, so wird die signifikante Abnahme (p= 0,043) der absoluten Maximalkraft deutlich. Relativ hat die Kraft in der zweiten Aktivierung signifikant um 20,14% auf 79,86% ± 6,86 abgenommen. Der Hill-Koeffizient hat von 3,95 ± 0,51 in der ersten Aktivierung auf 3,75 ± 0,45 bei der zweiten Aktivierung abgenommen (p=0,2525). 34 4. Diskussion 4.1 Methodenkritische Beurteilung der gehäuteten Fasern Diskussion Muskelphysiologische Experimente können mit verschiedenen Methoden am intakten Herzmuskel oder an gehäuteten Faserpräparaten durchgeführt werden. Wenn die Beziehung von freier Kalziumkonzentration zu aktiv entwickelter Kraft eines Muskels Gegenstand einer Untersuchung ist, so wird die Methode der gehäuteten Fasern, die in den letzten drei Jahrzehnten weiterentwickelt wurde, als Goldstandard angesehen [Hellam et al., 1969; Godt et al., 1977; Lee et al., 1992]. Durch die mechanische oder chemische Entfernung der Membranen der Zelle wird ein direkter Zugang des kontraktilen Apparates der Muskelzelle und somit dessen Beeinflussung ermöglicht. Jedoch wird das intakte Myokardgewebe durch den Häutungsvorgang verändert, so dass neben Vorteilen auch methodische Einschränkungen bei der Ergebnisdiskussion der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden müssen. Während des Transports der bei den Transplantationen entnommenen Organen sowie bei der Präparation der Streifenpräparate aus dem Ventrikelmyokard befanden sich die Herzen in kardiopleger BDM-Lösung mit einer Temperatur <10°C. BDM kann zu einem veränderten Phosphorylierungsgrad der kontraktilen Proteine führen, da es als Phosphatase auf die Myofilamente wirkt [Hebisch et al., 1993; McKillop et al., 1994; Perrault et al., 1992]. Eine optimale Oxgenierung ist während des Transportes oft nicht möglich, so dass eine vorübergehende Hypoxie nicht auszuschließen ist. Der kontraktile Apparat in gehäuteten Herzmuskelpräparaten hat sich allerdings im Gegensatz zu Einzelzell- oder Zellverbundpräparaten als hypoxieresistent erwiesen. Gehäutete Faserpräparate können durch die fehlende Zellmembran in wässriger Lösung deutlich anschwellen [Andrews et al., 1991; Godt et.al., 1977]. Das dabei auftretende Auseinanderweichen des Myofilamentverbundes wird als „lattice spacing“ bezeichnet; ein dadurch bedingter Einfluss auf die Kraftentwicklung wird kontrovers diskutiert [April et al., 1973]. 35 Diskussion So beschrieben de Beer et al. 1988 eine Beeinflussung der Calciumsensitivität mittels einer durch die Filamentdistanz regulierten Calciumbindung am Troponin C. Die Vergrößerung der Gitterabstände bewirkt eine Abnahme der Calciumsensitivität. Beweisend ist die Wiederzunahme nach osmotischer Kompression angeschwollener Muskelpräparate mit Dextran [Godt et al., 1982]. Der Effekt des „lattice spacing“ ist beim Häutungsverfahren mit Triton X-100 geringer als bei anderen Häutungsverfahren ausgeprägt [z.B. April et al, 1973; de Beer et al., 1988]. Beim Häutungsvorgang können für den Muskel wichtige Bestandteile verloren gehen, es können beispielsweise natürliche Calciumsensitizer wie Taurin oder Carnosin ausgewaschen werden. Daraus resultiert eine verminderte Calciumsensitivität [Gao et al., 1994]. Die bei den Experimenten verwendeten Relaxations- und Aktivierungslösungen entsprechen dem tatsächlich vorliegenden intrazellulären Milieu möglicherweise nicht genau genug. In intakten Präparaten kann die Ionenstärke nicht bestimmt werden, so dass sie nur näherungsweise eingestellt werden kann. Außerdem müssen unphysiologische Zusätze wie z.B. NaN3 zur Versuchsoptimierung sowie veränderte Lösungskonstanten benutzt werden. Der myofibrilläre Apparat reagiert insbesondere im physiologischen Bereich zwischen pCa 7 und pCa 5 empfindlich in Bezug auf die Kraftentwicklung, so dass in diesem Bereich bereits kleine Änderungen der freien Calciumkonzentration Auswirkungen auf den Verlauf der Kraft/Calcium-Beziehung haben können [Bers et al., 1994; Hibberd et al., 1982]. Insbesondere Fehler und Ungenauigkeiten bei der Berechnung und Herstellung der Versuchslösungen müssen berücksichtigt werden. Schon geringe Verunreinigungen der Trockensubstanzen mit anderen Ionen können zu einer veränderten Sensitivität der Muskelfilamente führen; besonderen Einfluss üben die Magnesium- und Calciumkonzentrationen aus [Miller et al., 1985; Seow et al., 1993; Solaro et al., 1989]. Zusätzlich sollte auch der Präpariervorgang an den meist stark fibrosierten, terminal insuffizienten Herzen betrachtet werden. Die Kraftentwicklung verhält sich proportional zum Muskelfaserquerschnitt. Auf eine einheitliche Faserdicke von 100 bis maximal 300 µm muss daher geachtet werden, damit die Uniformität der Fasern in Ausrichtung und Länge gewährleistet werden kann. 36 Diskussion Ein möglichst geringer Durchmesser ist außerdem entscheidend für die ausreichende Diffusion von ATP und Regenerationsenzymen in den Muskel, die durch die Versuchslösungen bereitgestellt werden [Güth et al., 1986]. Unphysiologisch hohe Calciumkonzentrationen der Aktivierungslösungen besitzen einen muskelzerstörenden Effekt [McClellan et al., 1978; Hellam et al., 1969], der nach Erreichen des steady states einen raschen Krafteinbruch nach sich zieht. Sie können zur Aktivierung der natürlichen Muskelprotease Calpain führen, die Troponin zerstören kann [Gao et al., 1994]. Es ist somit zu erwägen, ob die maximale Aktivierung mit pCa 4,5 ausreichend gewesen wäre, um den Kraftverlust bei der 2. Aktivierung zu reduzieren. Häufig ist eine Kraftreduktion bei der zweiten Aktivierung zu beobachten, die auch gemäß der „sliding-filament“ Theorie als eine Dysorganisation des Muskelgefüges erklärt wird [Hellam et al., 1969]. 4.2 Methodenkritische Beurteilung des Gradientenmixers Die Experimente der vorliegenden Arbeit wurden mit dem in 2.7.2 bereits beschriebenen, speziell für Messungen an gehäuteten Muskelpräparaten entwickelten Gradientenmixer der Firma Scientific Instruments durchgeführt. Mithilfe dieser Methode kann die Dauer der Muskelkontraktion während einer vollständigen Aktivierung, also bis zum Erreichen der Maximalkraft, deutlich reduziert werden. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass der Gesamtablauf einer Muskelaktivierung, die durch zunehmende Calciumkonzentrationszunahme der Aktivierungslösung zustande kommt, beobachtet werden kann. So ergeben sich viele Einzelkoordinaten der sigmoiden Kraft-Calcium-Kurve. Der Kurvenverlauf der Kraft-Calcium-Kurve kann durch methodische Einstellungen wie Wahl des Pumpzeitintervalls und des Pumpvolumens beeinflusst werden. Bei den durchgeführten Versuchen mit der Gradientenmixermethode werden Mischvolumina von pCa 8- und pCa 4-Lösung über ein Berechnungssystem ermittelt. Vergleicht man nun die Muskelkraft, die eine gehäutete Faser im Bereich mittlerer Aktivierung einerseits mit definierten, einzeln angesetzten Aktivierungslösungen mit an- 37 Diskussion steigenden Calciumkonzentrationen, andererseits mit dem Gradientenmixer erbringt, so ergibt sich folgendes: Zwischen zwei Pumpschritten des Gradientenmixers können die Muskelfasern nicht immer die für die entsprechende Calciumkonzentration maximale Kraft, das steady state, erreichen. Beispielsweise kann mit einer definierten pCa 6-Lösung im Gegensatz zur erreichten Kraft bei einem über Mischvolumina errechneten pCa 6 bei einem 25 Sekundenschritt des Gradientenmixers ein signifikant höheres Kraftniveau erreicht werden. Dennoch hat sich das Gradientenmixersystem aus verschiedenen Gründen bewährt: Zum einen potenzieren sich bei Verwendung vieler verschiedener Aktivierungslösungen die möglichen Fehler bei der Herstellung der Lösungen. Zum anderen können bei dieser Methode winzige Luftblasen, die beim Wechsel der Versuchslösungen in das Schlauchsystem gelangen können, die Kraftmessung bei Erreichen des Muskels stören. Des Weiteren ist man gezwungen, sich bei der Aktivierung mittels einzelner Lösungen auf wenige Koordinatenpunkte der Kraft-Calcium-Kurve zu beschränken, wohingegen es die Gradientenmixermethode ermöglicht, „alle“ Punkte der Kurve zu messen. Mit der parallelen Computeraufzeichnung werden die Experimente sehr gut auswertbar. Auch die Zeitdauer einer kompletten Aktivierungsreihe kann durch die Tatsache, dass die Aktivierungslösungen weder gewechselt werden müssen, noch die jeweilige Passage des Schlauchsystems abgewartet werden muss, deutlich verkürzt werden. Somit kann auch die Kraftreduktion bei der zweiten Aktivierung reduziert werden. Die Frage nach Änderungen der Calciumkonzentration der den Muskel in der Küvette umspülenden Lösung – bedingt durch Diffusion während der Passage des Schlauchsystems – konnte durch Kontrollversuche mit Tintenlösungen beantwortet werden. Lediglich im Randbereich zweier Lösungsstufen, die bei einem Pumpvolumen von 25 µl und ca. 18 Pumpschritten vom Gradientenmixer zur Muskelküvette jeweils ungefähr 2 cm des Schlauchs einnahmen, trat eine geringe, jedoch vernachlässigbare Vermischung durch Diffusion auf. 38 Diskussion Die Einschränkungen der Gradientenmixermethode sowie der Methode der gehäuteten Fasern haben unter kritischer Beurteilung wenig Relevanz für die Versuchsreihen der vorliegenden Arbeit. Bei allen Versuchen werden Vorher- Nachher- Vergleiche angestellt; die Versuchsrahmenbedingungen bleiben bis auf den zu messenden Parameter völlig identisch. Somit können die jeweils durchgeführten zwei kompletten Aktivierungen ohne Einschränkungen miteinander verglichen werden, da sich eventuelle Verschiebungen der Kraft-Calcium-Kurve bedingt durch methodische Einstellungen in beiden Aktivierungen auf dieselbe Art und Weise niederschlügen. Die Ergebnisse von Untersuchungen an gehäuteten Faserpräparaten sind jedoch nur eingeschränkt auf intakte Muskelpräparate übertragbar [Gao et al., 1994]. Vorsicht ist auch geboten, wenn mögliche Rückschlüsse bezüglich der physiologischen Verhältnisse im Herzmuskel gezogen werden oder Aussagen über die Verwertbarkeit der Ergebnisse für die Therapie der Herzinsuffizienz gemacht werden sollen. 4.3 Grundlagen der Herzmuskelkontraktion Zum besseren Verständnis der zugrundeliegenden molekularen Vorgänge sollen die Grundlagen der Herzmuskelkontraktion erläutert werden. Es findet der gleiche molekulare Prozess wie in der Skelettmuskelzelle statt, nämlich das Zusammenspiel von Aktin und Myosin, die als Hauptbestandteil des Muskels kontraktil sind. Der kontraktile Mechanismus wird durch intrazelluläre Calciumionen aktiviert, so dass eine mechanische Leistung vollbracht werden kann. 4.3.1 Der zelluläre Aufbau der Herzmuskelfaser Die Herzmuskelfaser ist von einer als Sarkolemm bezeichneten Membran umgeben, die sich an unzähligen Stellen in das Faserinnere einstülpt. Das somit entstehende Röhrensystem steht senkrecht zur Faserachse und ist ein mit dem Extrazellulärraum kommunizierendes transversales Röhrensystem (T-System). Das Sarkoplasmatische Retikulum (SR) ist ein intrazelluläres Schlauchsystem, welches parallel zur Faserachse ausgerichtet ist. An seinen Enden steht es in engem 39 Diskussion Kontakt mit der Zellmembran des T-Systems. Im erschlafften Muskel speichert das SR Calcium, bei einer Muskelaktivierung setzt es Calcium frei und stellt damit die intrazelluläre Calciumionenkonzentration ein. Der myofibrilläre Apparat, ebenfalls longitudinal in Faserrichtung ausgelegt, besteht aus den kontraktilen Proteinen Aktin und Myosin sowie den Regulatorproteinen Tropomyosin und Troponin. Die lichtmikroskopische sichtbare Querstreifung der Herzmuskulatur entsteht durch die regelmäßige Anordnung der dünnen und dicken Filamente der Myofibrillen, Aktin und Myosin [Huxley und Hanson, 1954]. Die Myofibrillen werden durch Trennwände, die Z-Scheiben, in lange Fächer, die Sarkomere, unterteilt. Abb. 4.1 zeigt schematisch die Querstreifung. Abb. 4.1 Querstreifung der Herzmuskulatur Myosin ist eine ATPase, ein ATP-spaltendes Enzym. Jedes Myosinmolekül besteht aus zwei helikalen schweren Peptidketten, die am Ende zwei Myosinköpfchen bilden. Jedes Köpfchen hat eine Bindungsstelle für Aktin, ATP und für jeweils zwei leichte Ketten und kann bei der Kontraktion als Querbrücke ein Myosin- mit einem benachbarten Aktinfilament verbinden. Die Aktinmonomere polymerisieren zu fibrillären Aktinfäden, von denen jeweils zwei verschlungen sind und in deren Längsfurchen zwei Tropomyosinmolekülfäden verlaufen. Im Ruhezustand verhindern sie die Myosinbindung an Aktin. Troponin, das dem Tropomyosin in regelmäßigen Abständen angehftet ist, besteht aus den drei Untereinheiten TnC (= Calciumbindestelle), TnT (= Tro- 40 Diskussion pomyosinbindestelle) und TnI (= Inhibitorische Untereinheit, die einer Interaktion zwischen Aktin und Myosin entgegenwirkt). Abb.4.2 zeigt eine schematische Darstellung der molekularen Strukturen in den Myofibrillen und ihre Phosphorylierungsmöglichkeiten. Abb. 4.2 Schematische Darstellung der molekularen Struktur des dünnen und dicken Filaments und ihre Phosphorylierungsmöglichkeiten Eine Aktin-Myosin-Interaktion und somit ein Filamentgleiten kann erfolgen, wenn bei Calciumbindung an TnC eine Konfigurationsänderung des Troponins, v.a. des TnI, eine Verlagerung der Tropomyosinmoleküle ermöglicht. 4.3.2 Die elektromechanische Kopplung Die elektromechanische Kopplung beinhaltet die Prozesse, die von der Erregung der Muskelzellmembran zur Freisetzung von Calcium führen. Durch die Aktionspotentiale der innervierenden Motoneurone werden Muskelaktionspotentiale ausgelöst. Entlang Diskussion 41 der Membranen des T-Systems gelangt die Erregung in die Tiefe der Muskelfaser, springt auf das longitudinale System über und bewirkt schließlich die Freisetzung von Calciumionen aus dem SR. Die zyklische Querbrückentätigkeit und die Muskelkontraktion werden durch die Umwandlung des Aktionspotentials in mechanische Energie ermöglicht. 4.3.3 Der Querbrückenzyklus Jeder Myosinkopf oder -querfortsatz kann als Querbrücke im Kontraktionsprozess benachbarte Myosin- und Aktinfilamente verbinden. Durch eine konformationsbedingte Kippbewegung wird die anheftende Aktinkette mit Zugkraft in Richtung der Sarkomerenmitte „gerudert“. Das gegensinnige Gleiten der Aktinfilamente wird allein durch die spiegelbildliche Anordnung der Myosinmoleküle in den beiden Hälften des Sarkomers ermöglicht [Huxley und Niedergerke, 1954; Huxleyder Nach 1974]. „sliding-filament-Theorie“ wird eine Muskelverkürzung bzw. Kraftentwicklung dann möglich, wenn die kontraktilen Proteine Aktin und Myosin in einem Zyklus aus Anheftung und Abknickung übereinander gleiten, ohne sich selbst zu verkürzen. Nach erfolgter Konformationsänderung bindet ATP an den Myosinkopf und bewirkt die Trennung von Aktin und Myosin. Die Myosin-ATPase spaltet ATP in ADP und Phosphat. Der Myosinkopf heftet sich unter Freisetzung der Hydrolyseprodukte wiederum am Aktinfilament an und die krafterzeugende Kippbewegung wird ausgeführt. Anschließend kehrt der Myosinkopf in den ATP-bindenden Ausgangszustand zurück. Dieses zyklische Anheften und Loslösen der Myosin- und Aktinfilamente wird als Querbrückenzyklus bezeichnet. 4.4 Calcium-Sensitivität Form und Lage der sigmoiden Kraft-Calcium-Beziehung, die entsteht, wenn man die Kraft einer Herzmuskelkontraktion über dem pCa aufträgt, können durch zahlreiche Parameter beeinflusst werden. Die Kontraktilität eines Muskels ist einerseits von den kontraktilen Proteinen, andererseits aber auch von der intrazellulären Calciumkonzentration abhängig [Moss 1992]. Die pCa-Kraft-Beziehung drückt aus, wie Calcium 42 Diskussion die erbrachte Spannung beeinflusst. Wird die Calciumkonzentration erhöht, so wird die Kraft proportional erhöht, ohne die Calciumsensitivität des kontraktilen Systems zu beeinflussen. Die Calciumsensitivität des Herzmuskels wird durch viele verschiedene Mechanismen beeinflusst. Bei einer gegebenen Calciumkonzentration kann durch eine Erhöhung dieser Sensitivität mehr Kraft aufgebracht werden. Eine erhöhte Calciumsensitivität äußert sich in der Kraft-Calcium-Kurve als Linksverschiebung. Dies bedeutet, dass die sigmoide Beziehung zwischen log [Ca2+] und Spannung hin zu niedrigeren Calciumkonzentrationen verschoben wird. So kann zum Beispiel eine erhöhte Sarkomerlänge eine Zunahme der Calciumsensitivität bewirken [Hibberd et al., 1982; Allen et al., 1985; Kentish et al., 1986]. Denselben Effekt zeigen die Phosphorylierung der regulatory myosin light chain [Morano et al., 1985] sowie die Substanzen Carnosine [Harrison et al., 1986] und Caffeine [Wendt et al., 1983]. Außerdem existieren zahlreiche verschiedene kardiotonische Substanzen, die als Calciumsensitivierer bezeichnet werden können. Als Beispiele seien die Substanzen EMD-53998 [Beier et al., 1991] und CGP-48506 [Herold et al., 1995] genannt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Substanzen, die über verschiedene Mechanismen die Calciumsensitivität der kontraktilen Proteine vermindern, also die Beziehung zwischen log [Ca2+] und Spannung hin zu höheren Calciumkonzentrationen verschieben, was sich in einer Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve manifestiert. Eine Reduktion des pH-Wertes der Versuchslösungen führt zu einer signifikanten Reduktion der Calciumsensitivität [Fabiato et al., 1978; Blanchard et al., 1984; Seow et al., 1993]. Gleiches gilt für eine Reduktion der freien Magnesiumionen [Fabiato et al., 1975] oder die Erhöhung der Ionenstärke [Kentish 1984; Brandt et al., 1982]. Eine erhöhte Konzentration an anorganischem Phosphat führt ebenfalls zu einer Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve [Kentish 1985]. Dieser Effekt kann 43 Diskussion auch durch eine erhöhte Konzentration von Magnesium-ATP beobachtet werden [Best et al., 1977]. Der Einfluss der gewählten Lösungstemperatur wird hingegen kontrovers diskutiert. Godt und Lindley [1982] beschreiben eine Abnahme der Calciumsensitivität bei Temperaturanstieg, Harrison et al. [1989, 1990] berichten von dem exakt gegenteiligen Effekt. Schließlich spielt auch die gewählte Vordehnung der Muskelfasern gemäß des auch beim insuffizienten Herzmuskel intakten Frank-Starling-Mechanismus eine wichtige Rolle bezüglich des sigmoiden Kurvenverlaufs der Kraft-Calcium-Beziehung [Holubarsch et al., 1996]. Des weiteren kann durch die Phosphorylierung von Troponin I Einfluss auf die Calciumsensitivität des kontraktilen Apparates ausgeübt werden. Dieser Gegenstandsbereich bildet die Grundlage der vorliegenden Arbeit. 4.4.1 Phosphorylierung von Troponin I Troponin I stellt die inhibitorische Untereinheit des Troponinkomplexes dar. In Abwesenheit von Calcium wirkt es hemmend auf die Muskelkontraktion. Die Calciumsensitivität wird wahrscheinlich durch eine cAMP-abhängige Phosphorylierung moduliert [McClellan and Winegrade, 1978]. Betrachtet man nun die Phosphorylierung der kontraktilen Proteine und deren Auswirkungen auf die Calciumsensitivität und die Kontraktilität, so findet man in der Literatur zahlreiche verschiedene, zum Teil gegensätzliche Aussagen. Die Calciumsensitivität der kardialen Myofibrillen wird durch die Phosphorylierung von Troponin I reguliert, welche durch cAMP stimuliert und durch cGMP inhibiert wird [Mope et al., 1980]. Holroyde et al. [1979] vermuten eine Veränderung der Calciumbindenden Stellen von Troponin C durch die Phosphorylierung des myofibrillären Troponin I. Die Phosphorylierung von kardialem Troponin I führt zu einer Abnahme der Calcium-Affinität des Troponins [Holroyde et al., 1980]. Saeki et al. [1997] finden 44 Diskussion bei der Zugabe von cAMP-abhängiger Proteinkinase A zu eine erhöhte "tension cost", welche ein Maß des für eine bestimmte Krafterzeugung benötigten ATPs und damit für die Ökonomie des Herzmuskels darstellt. De Tombe und Stienen [1995] berichten, keine Veränderungen diesbezüglich feststellen zu können. Die Behandlung von Herzmuskelfasern mit cAMP führt zu einer Hemmung der AktinMyosin-Interaktion [Herzig et al., 1981]. cAMP kann durch die katalytische Untereinheit der cAMP-abhängigen Proteinkinase mit demselben Effekt ersetzt werden [Pfitzer et al 1981]. Dieser durch cAMP ausgelöste Effekt kann weder wie früher angenommen über das sarkoplasmatische Retikulum bewirkt werden, da das SR und die Zellmembran beim Häutungsvorgang zerstört wurden und die Calciumionenkonzentration durch Puffer konstant gehalten wird, noch über die Zellmembran, wie McClellan and Winegrade [1978] und Mope [1980] propagierten. Ray and England [1976] vermuteten, dass die Calciumsensitivität der kontraktilen Mechanismen über die Phosphorylierung von Troponin I gesteuert würde. Diese führt zu einem erniedrigten myofibrillär gebundenen Calcium. Die gemachten Beobachtungen lassen die Vermutung zu, dass die Veränderungen der Calciumsensitivität auf veränderte Bindungseigenschaften der myofibrillären Proteine (z.B. Troponin C) zurückzuführen sind, die durch den Grad der Phosphorylierung von Troponin I geregelt werden [Buss und Stull, 1977]. Es wird angenommen, dass die Phosphorylierung von Troponin I durch das Zusammenspiel von Proteinkinase und der Aktivität der Phosphatase geregelt wird. Herzig et al. [1981] sahen, dass die gefundene cAMP-abhängige Deaktivierung nicht durch die Abwesenheit von cAMP rückgängig gemacht werden konnte. Daraus lässt sich schließen, dass durch die Methode des Häutens das dephosphorylierende System inaktiviert oder extrahiert wurde. Die cAMP-abhängige Proteinkinase andererseits scheint fest mit den kontraktilen Strukturen verbunden zu sein. Die beschriebenen cAMP-abhängigen Regulationsmechanismen mögen auch in lebenden kardialen Muskelzellen vorkommen. Marban et al. [1980] zeigten unter Verwendung intrazellulärer calciumsensitiver Mikroelektroden, dass die bei isolierten Myozyten in Kaliumkontraktur auf β-adrenerge Stimulation nachfolgende cAMP ge- 45 Diskussion steuerte Relaxation von einem Absinken des freien Calciums begleitet ist. Dieser Effekt kann nun der bekannten Stimulation des Sarkoplasmatischen Retikulums durch die cAMP-abhängige Phosphorylierung zugeschrieben werden [Tada et al., 1974]. Jedoch zeigte sich nach einer Hemmung des Sarkoplasmatischen Retikulums unter β-adrenerger Stimulation dieselbe Hemmung der Kontraktilität, während die intrazelluläre Calciumkonzentration konstant blieb [Herzig et al., 1981]. Gemäss Marban et al [1980] muss diese Relaxation demnach einer cAMP-vermittelten Verminderung der Calciumsensitivität der kontraktilen Strukturen, wie von Ray und England [1976] vermutet und in der vorliegenden Arbeit postuliert, entsprechen. Um die physiologische Relevanz dieser Ergebnisse zu bewerten, ist es von großer Wichtigkeit, den Effekt, den die cAMP-abhängige Phosphorylierung auf die Kraftentwicklung der kontraktilen Proteine ausübt, zu beobachten und auszuwerten. Zur Klärung der wichtigen Frage, wie die Calciumsensitivität durch eine Phosphorylierung des Troponin I verändert wird, wurden die in Kap. 2.7.3 beschriebenen Experimente durchgeführt, bei denen Troponin I mittels der katalytischen Untereinheit der Proteinkinase A phosphoryliert werden konnte. Die gemittelte Kraft-Calcium-Kurve dieser Experimente (s. Abb. 3.4) zeigt eine nicht signifikante Verschiebung nach rechts und somit eine nicht signifikante Verringerung der Calciumsensitivität. Betrachtet man jedoch die Präparate, die für diese Darstellung verwendet wurden, im einzelnen, so ergibt sich folgendes: Von den acht Präparaten (s. Abb. 3.5) zeigen drei tatsächlich eine relevante Rechtsverschiebung, d.h. eine Abnahme der Calciumsensitivität. Zwei weitere Präparate zeigen eine minimale Verschiebung der Kurve nach rechts, während die letzen drei keinerlei Verschiebung bzw. eine fehlende Rechtsverschiebung zeigen. Für die Interpretation ist von großer Bedeutung, dass bei keinem der Präparate eine Linksverschiebung und damit eine Calciumsensitivierung beobachtet wurde. Inwiefern kann nun davon ausgegangen werden, dass die gefundene Rechtsverschiebung tatsächlich auf den Effekt der Phosphorylierung des Troponin I zurückzuführen und nicht durch andere Einflüsse zustande gekommen ist? Zunächst könnte sich um eine zufällige Erscheinung oder einen experimentellen Fehler handeln. Hiergegen kann eingewandt werden, dass einerseits mit den in Abb. 3.7 dargestellten 46 Diskussion Experimenten gezeigt werden kann, dass die unter denselben Versuchsbedingungen entstandenen Kraft-Calcium-Beziehungen der ohne Inkubationszeit mit Proteinkinase A durchgeführten Kontrollversuche exakt deckungsgleich sind. Andererseits wurde kein einziges Präparat gesehen, welches eine Linksverschiebung im Sinne einer Calciumsensitivierung gezeigt hat (siehe oben). Somit können sowohl der Zufall als auch der experimentelle Fehler weitestgehend außer Acht gelassen werden, zumal bei dieser Art von Experimenten durch das Erheben von Vorher-NachherVergleichen jeweils nur ein Parameter verändert wird, die übrigen Versuchsbedingungen jedoch gleich bleiben. Somit ist es hochwahrscheinlich, dass drei Präparate keinen Effekt zeigen, zwei einen minimalen Effekt, die übrigen drei jedoch eine tatsächliche Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Beziehung des kontraktilen Apparates zeigen, was ein grundlegendes biologisches Phänomen darstellt. Die Calcium-Sensitivität der kontraktilen Proteine wurde durch die Phosphorylierung mittels der katalytischen Untereinheit der Proteinkinase A vermindert. Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstmals für das menschliche Herz gezeigt werden. Eine mögliche Ursache für das verminderte Ansprechen der Präparate, die keinen Effekt gezeigt haben, ist eine reduzierte Phosphorylierung myofibrillärer Proteine myopathischer Herzen [McClellan und Winegrade, 1978; Saeki et al., 1997], vor allem des Troponin I [Wolff et al., 1996]. Auch eine Zunahme des TnT2-Anteils am Gesamt-Troponin T ist wahrscheinlich mit dafür verantwortlich. Um diese Ergebnisse zu untermauern, wäre die Überprüfung am gesunden Herzen von großer Wichtigkeit. Alle verwendeten Myokardproben stammen von terminal insuffizienten explantierten Herzen, so dass für gesunde Herzen im Rahmen der vorliegenden Arbeit Vermutungen, aber keine definitiven Aussagen getroffen werden können. Im Rahmen der erhobenen Daten ergibt sich die Hypothese, dass auch ein gesundes, nicht insuffizientes Herz phosphorylierbar ist und bei Phosphorylierung der kontraktilen Proteine eine Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve zeigt. Dieses Herz wäre also nicht wie bei den aufgeführten fünf Präparaten terminal insuffizienter Diskussion 47 Herzen mit fehlender oder minimaler Rechtsverschiebung durch die Krankheit selbst oder eine medikamentöse Therapie bereits „vorphosphoryliert“. Der positiv inotrope Effekt von Adrenalin hängt mit der erhöhten Phosphorylierung von Troponin I zusammen [England, 1975; Solaro et al., 1976, 1980], bei der durch die cAMP-abhängige Proteinkinase die inhibitorische Untereinheit des Herzmuskels phosphoryliert wird [z.B. Buss und Stull, 1977]. In der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz werden Katecholamine eingesetzt, um bei verminderter linksventrikulärer Pumpleistung die Symptomatik der Erkrankung durch den positiv inotropen Effekt zu lindern. Das Herzzeitvolumen und die Herzfrequenz nehmen zu, die Kontraktilität wird gesteigert und die Nachlast sinkt. Wie viele der betreffenden Patienten vor ihrer Herztransplantation, durch welche die Spende des Myokards ermöglicht wurde, katecholaminpflichtig waren und mit Dopaminagonisten zur Steigerung der Inotropie des Herzens behandelt wurden, lässt sich anhand der klinischen Datenblätter retrospektiv nicht evaluieren. Jedoch kann bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz Grad NYHA IV, die zur Herztransplantation geführt hat, auf jeden Fall von einer gesteigerten endogenen Katecholaminausschüttung ausgegangen werden. Bereits bei Patienten mit milder oder asymptomatischer Herzinsuffizienz ist die Sympathikusaktivität gesteigert [Francis et al., 1990]. Die Aktivität des sympathischen Nervensystems ist bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz gesteigert [Cohn et al., 1984]. Bereits in Ruhe ist im Vergleich zu Gesunden der Noradrenalinspiegel um das zwei- bis dreifache der Norm gesteigert [Thomas und Marks, 1978]. Diese Erhöhung resultiert aus einer gesteigerten neuronalen Katecholamin-Freisetzung sowie verminderter Wiederaufnahme von Noradrenalin in periphere Nervenendigungen [Esler et al., 1997]. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich eine Katecholaminrefraktärität, die Ausdruck einer Desensibilisierung der β-Adrenozeptoren und einer Abnahme der myokardialen β- Rezeptorendichte ist. Verschiedene Mechanismen führen zu einer Phosphorylierung der myokardialen βRezeptoren, beispielsweise vermittelt über die Aktivierung der Proteinkinase A. Langfristig führt die Phosphorylierung und Entkopplung des Rezeptors zu seiner Degrada- 48 Diskussion tion [Flesch et al., 1996]. Somit kann bei chronisch insuffizientem Myokard eine „Vorphosphorylierung“ vorliegen. Eine nicht vorhandene zusätzliche Phosphorylierbarkeit wird dadurch hinreichend erklärt. Berücksichtigt werden sollte auch, dass die Herzfrequenz durch eine cAMPabhängige Phosphorylierung nicht verringert, sondern gesteigert wird [Solaro et al., 1976, 1980]. In diesem Falle dominiert vermutlich der Adrenalin-induzierte, über cAMP zum Tragen kommende Effekt auf die Zellmembran, der ein Öffnen von Ca2+Kanälen [vgl. Drummond and Severson 1979] und einen erhöhten Calcium-Einstrom während des Aktionspotentials zur Folge hat, über den Effekt auf die CalciumSensitivität des kontraktilen Systems. Dieser Effekt hat einen Anstieg von intrazellulärem Calcium in einem solchen Ausmaß (z.B. 10-5) zur Folge, dass die cAMPinduzierte Phosphorylierung nicht länger inhibitorisch wirkt. Während der Relaxation zwischen zwei Herzschlägen fällt die intrazelluläre Calciumkonzentration jedoch erneut auf das kritische Niveau von 10-6 und darunter in einen Bereich, in dem die cAMP-induzierte Phosphorylierung inhibitorisch wirkt. Dieser Effekt mag ein Grund für die während β-adrenerger Stimulation beobachtete erhöhte Relaxationsrate sein. Ein anderer Grund für die erhöhte Relaxationsrate liegt vermutlich in der erhöhten Calcium-Wiederaufnahme durch das Sarkoplasmatische Retikulum, die auf die cAMP-induzierte Phosphorylierung der retikulären Membranen zurückzuführen ist, begründet. 4.4.2 Bedeutung für die Therapie Gesunde Herzmuskelzellen zeigen bei Phosphorylierung der kontraktilen Proteine eine Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve und somit eine Desensitivierung. Teleologisch gesehen kann man dieses biologische Phänomen der Herzmuskelzelle so betrachten, dass bei einem erhöhten Calciumeinstrom der kontraktile Apparat mit einer Desensitivierung auf die Calciumionen reagiert. Das bedeutet auch, dass der Muskel trotz einer erhöhten Calciumionenkonzentration besser und schneller relaxieren kann. 49 Diskussion Dieses Phänomen geht bei der chronischen Herzinsuffizienz offensichtlich verloren, wahrscheinlich bedingt durch eine übermäßige und dauerhafte Katecholaminstimulation. Dieser Verlust kann sicherlich in vivo durch eine geeignete medikamentöse Therapie abgeschwächt oder verhindert werden: durch die β-Rezeptoren-Blockade, die in der Therapie der Herzinsuffizienz zwischenzeitlich zu einem Meilenstein geworden ist. 50 5. Zusammenfassung Zusammenfassung Die Methode der gehäuteten Fasern ist für Untersuchungen an isolierten Herzmuskelpräparaten geeignet: Da unmittelbar Einfluss auf die kontraktilen Proteine genommen werden kann, lassen sich Aussagen über die direkte calciumabhängige Kraftentwicklung treffen. Die Phosphorylierung der kontraktilen Proteine gehäuteter Muskelpräparate insuffizienter Herzen mittels zyklischer AMP-abhängiger Proteinkinase A führt zu einer calciumkonzentrationsabhängigen Rechtsverschiebung der Kraft-Calcium-Kurve im Sinne einer Desensitivierung. Dabei nimmt bei wiederholter Aktivierung die erzielte Maximalkraft der Präparate signifikant ab. Das Ausmaß der Sensitivitätsabnahme hängt davon ab, in welchem Maße die Herzmuskelfasern bereits durch endogene oder exogen zugeführte Katecholamine „vorphosphoryliert“ waren. Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass auch der insuffiziente Herzmuskel in begrenztem Umfang in der Lage ist, bei einer erhöhten β-adrenergen Stimulation im Sinne einer Calciumdesensitivierung auf die erhöhte intrazelluläre Calciumkonzentration zu reagieren. 51 6. Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis ALLEN D. G., KENTISH J. C. (1985) The Cellular Basis of the Length-Tension Relation in Cardiac Muscle. J. Mol. Cell. 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März 1978 in Freiburg im Breisgau Schule 1984-1988 1988-1993 1993-1997 Grundschule in Bad Krozingen Faust-Gymnasium Staufen Markgräfler Gymnasium Müllheim, Abitur Studium 1997-2004 31.08.1999 29.08.2000 02.04.2003 28.04.2004 Studium der Humanmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ärztliche Vorprüfung 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung Famulaturen 03-04/2000 08/2001 09-10/2001 03-04/2002 Innere Medizin, Lorettokrankenhaus Freiburg Anästhesie und Intensivmedizin, Hôpital Lapeyronie, Montpellier, Frankreich Praxis für Kinderheilkunde und Kinder- und Jugendpsychiatrie, Freiburg Kardiologie, Herzzentrum Bad Krozingen Praktisches Jahr 04-06/2003 06-08/2003 08-11/2003 11/2003-02/2004 Chirurgie, Royal Devon and Exeter Healthcare NHS Trust, Exeter, England Chirurgie, St. Josefskrankenhaus Freiburg Pädiatrie, St. Josefskrankenhaus Freiburg Innere Medizin, St. Josefskrankenhaus Freiburg AiP seit 01.07.2004 Universitätsklinikum Freiburg Abteilung Medizin IV 63 8. Danksagung Danksagung Großer Dank gilt in erster Linie Herrn Prof. Dr. med. Christian Holubarsch für die Vergabe des Dissertationsthemas und die gute Zusammenarbeit während der gesamten Promotion. Herrn Prof. Dr. med. Aloys Berg danke ich sehr für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Bei Frau Dr. med. Catherine Dohet möchte ich mich für die Einarbeitung in die Skinned-Fibres-Methode bedanken. Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Familie, die mich immer in jeder nur denkbaren Weise unterstützt hat.