Grundgleichungen der Dynamik eines nicht

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N.BORGHINI
Hydrodynamik
Theoretische Physik IV
III.3.3 Nicht-ideales Fluid: Navier–Stokes-Gleichung
In einem bewegten realen Fluid gibt es Reibungskräfte, die zum Transport von Impuls zwischen
benachbarten Fluidschichten beitragen, wenn diese Schichten unterschiedliche Geschwindigkeiten
haben. Dementsprechend ist die Impulsstromdichte nicht mehr durch Gl. (III.23b) oder Gl. (III.25)
gegeben, sondern enthält zusätzliche Terme. Somit soll die Euler-Gleichung ersetzt werden.
III.3.3
a Impulsstromdichte eines Newtonschen Fluids
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Die Impulsstromdichte (III.23b) des idealen Fluids — mit einem Term proportional zu δij und
einem anderen proportional zu vi (t, ~r) vj (t, ~r) — stellt die allgemeinste mögliche Form eines symmetrischen isotropen Tensors zweiter Stufe dar, der mit der Strömungsgeschwindigkeit konstruiert
werden kann. Erlaubt man noch Terme, die von den räumlichen Ableitungen des Geschwindigkeitsfeldes abhängen, so kann die Impulsstromdichte der folgenden Form sein (der Kurze halber sind die
t und ~r Variablen nicht geschrieben)
∂v
∂vj
∂vi
2 ~
∂v
j
i
0
~ ·~v − ζ
πij = P δij + ρvi vj − η
+
− δij ∇ ·~v − ζδij ∇
−
∂xj
∂xi 3
∂xi ∂xj
2 !
∂vi
∂ 2 vi
,
+O
+ ··· ,
(III.26)
∂xj ∂xk ∂xj
wobei η, ζ und ζ 0 Eigenschaften des Fluids sind. Dabei stellt der ζ 0 -Term einen antisymmetrischen
Beitrag zu πij dar, der verschwindet, wenn kein äußeres Volumendrehmoment auf das Fluid wirkt,
entsprechend der Erhaltung des Drehimpulses.
Gemäß der Diskussion in Abschn. I.1 beruht die Beschreibung eines Fluids als ein kontinuierliches
Medium im lokalen thermodynamischen Gleichgewicht auf der Annahme, dass die für das Medium
charakteristische makroskopischen Größen nur langsam im Raum variieren. Dementsprechend sollen
Gradienten klein sein: der dritte und der vierte Term in Gl. (III.26) sollen einerseits viel kleiner
als die zwei ersten, andererseits viel größer als die Terme mit zwei oder mehr Ableitungen sein.
Vernachlässigt man die Letzteren, so erhält man die „dissipative Fluiddynamik erster Ordnung“, die
definitionsgemäß die Strömung von Newtonschen Fluiden beschreibt, mit der Impulsstromdichte
πij (t, ~r) = P (t, ~r) δij + ρ(t, ~r)vi (t, ~r)vj (t, ~r)
∂vi (t, ~r) ∂vj (t, ~r) 2 ~
~ ·~v(t, ~r),
− η(t, ~r)
+
− δij ∇ ·~v(t, ~r) − ζ(t, ~r)δij ∇
∂xj
∂xi
3
(III.27a)
oder, in tensorieller Schreibweise
~
1
~
~
~
~
~
~ ·~v(t, ~r) ~
~1,
~π(t, ~r) = P (t, ~r)~1 + ρ(t, ~r)~v(t, ~r) ⊗~v(t, ~r) − 2η(t, ~r) D(t, ~r) − ∇ ·~v(t, ~r) ~1 − ζ(t, ~r) ∇
3
(III.27b)
~~
mit D(t, ~r) dem Verzerrungstensor [Gl. (II.5)].
Dabei treten zwei neue Transportkoeffizienten auf:
• die (dynamische) Scherviskosität η, multipliziert mit einem spurlosen symmetrischen Tensor;
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
21
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• die Dehnviskosität (auch Volumenviskosität oder zweite Viskosität genannt) ζ, multipliziert
mit einem Tensor proportional zur Identität.
Die zugehörigen Terme in der zweiten Zeile von Gl. (III.27a) stellen einen diffusiven Transport vom
Impuls dar.
Bemerkungen:
∗ Im Fall eines Newtonschen Fluids sind die Viskositätskoeffizienten η und ζ unabhängig von der
Strömungsgeschwindigkeit; dennoch hängen sie von der Temperatur und dem Druck ab, so dass sie
nicht unbedingt konstant im strömenden Fluid sind.
~ ·~v(t, ~r) = 0, verschwindet der letzte Beitrag zur Impuls∗ In einer inkompressiblen Strömung, ∇
stromdichte (III.27). Somit spielt die Dehnviskosität ζ nur für kompressible Strömungen eine Rolle,
wie deren Bezeichnung suggeriert.5
∗ Der Ausdruck (III.27) der Impulsstromdichte setzt implizit die Isotropie des Fluids voraus, da
die Koeffizienten η, ζ unabhängig von den Richtungen i, j sind.
III.3.3
b Oberflächenkräfte in einem Newtonschen Fluid
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Die Impulsstromdichte (III.27b) für ein nicht-ideales Newtonsches Fluid liefert den Spannungstensor [vgl. (III.25)]
~~σ(t, ~r) = ρ(t, ~r)~v(t, ~r) ⊗~v(t, ~r) − ~~π(t, ~r)
~
1
~
~
~ ·~v(t, ~r) ~1 + ζ(t, ~r) ∇
~ ·~v(t, ~r) ~~1, (III.28a)
= −P (t, ~r)~1 + 2η(t, ~r) ~D(t, ~r) − ∇
3
oder komponentenweise
2
∂vi (t, ~r) ∂vj (t, ~r)
~
+
σij (t, ~r) = − P (t, ~r) + ζ(t, ~r) − η(t, ~r) ∇ ·~v(t, ~r) δij + η(t, ~r)
. (III.28b)
3
∂xj
∂xi
Dementsprechend lautet die mechanische Spannung auf ein ruhendes infinitesimal kleines Flächenelement, das senkrecht auf den Einheitsvektor ~en (~r) in einem Punkt ~r liegt
3 X
2
~ ·~v(t, ~r) δij
~σ(t, ~r) · ~en (~r) =
~τs (t, ~r) = ~
− P (t, ~r) + ζ(t, ~r) − η(t, ~r) ∇
3
i,j=1
∂vi (t, ~r) ∂vj (t, ~r)
+ η(t, ~r)
+
nj (~r)~ei , (III.29)
∂xj
∂xi
mit nj (~r) ≡ ~en (~r) · ~ej der Komponente von ~en (~r) in Richtung j. Dabei erkennt man zwei Teile:
P
• der Term proportional zu
δij nj~ei = ~en ist die Normalspannung auf das Flächenelement,
~ ·~v besteht: in der
die aus dem üblichen Druckterm −P ~en und einem Term proportional zu ∇
kompressiblen Strömung eines viskosen Fluids ist die Normalspannung also nicht durch −P ~en
gegeben, sondern enthält einen zusätzlichen Term, der für ein ruhendes Fluid verschwindet.
Deshalb wird P oft hydrostatischer Druck genannt.
• der Restterm ist die Tangentialspannung, die proportional zur Scherviskosität η ist. Daher liefert die Messung der Tangentialkraft auf ein Oberflächenelement den Wert der Scherviskosität,
s. Abschnitt V.1.2.
Der Spannungstensor (III.28a) lautet noch ~~σ(t, ~r) = −P (t, ~r)~~1 + ~~τ(t, ~r), wobei
2
~
~
~
~ ·~v(t, ~r)~~1
~τ(t, ~r) ≡ 2η(t, ~r) D(t, ~r) + ζ(t, ~r) − η(t, ~r) ∇
(III.30)
3
als viskoser Spannungstensor bezeichnet wird.
5
Infolgedessen ist die Dehnviskosität oft schwierig zu messen, und daher für viele Substanzen nicht gut bekannt [7].
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
22
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Ähnlich wie in Abschn. III.3.2 a können jetzt die äußeren Oberflächenkräfte auf ein durch die
Oberfläche S abgegrenztes Fluidelement berechnet werden. Somit liefert der Stokes’sche Integralsatz
Z
Z
I
I
I
2
3
2
2
~
~
~ · ~~τ (t, ~r) d3 V
~τs (t, ~r) d S = − P (t, ~r)~en (~r) d S + ~τ(t, ~r) · ~en (~r) d S = − ∇P (t, ~r) d V + ∇
V
V
S
ZS
Z S
3
3
~ P (t, ~r) d V + f~Viskosität (t, ~r) d V ,
=− ∇
(III.31a)
V
V
mit der lokalen Reibungskraft
3
X
∂v
(t,
~
r
)
∂
∂v
(t,
~
r
)
2
j
i
~ ζ(t, ~r) − η(t, ~r) ∇
~ ·~v(t, ~r) .
f~Viskosität (t, ~r) =
η(t, ~r)
+
~ej + ∇
∂xi
∂xj
∂xi
3
i,j=1
(III.31b)
III.3.3
c Navier–Stokes-Gleichung
:::::::::::::::::::::::::::::::::
Kombiniert man die oben hergeleitete viskose Kraft (III.31b) kann mit Gl. (III.10), (III.13) und
(III.14), so gibt der Impulssatz für ein Volumen V von Fluid eine Identität zwischen Summen von
Volumenintegralen. Da diese Gleichung für beliebiges V gelten soll, gilt die entsprechende Identität
der Integranden
∂~v(t, ~r) ~ ~v(t, ~r) = −∇
~ P (t, ~r) + f~Viskosität (t, ~r) + f~V (t, ~r)
+ ~v(t, ~r) · ∇
ρ(t, ~r)
(III.32a)
∂t
oder Komponentenweise
∂ P (t, ~r)
∂
2
∂vi (t, ~r) ~
~
+ ~v(t, ~r) · ∇ vi (t, ~r) = −
+
ζ(t, ~r) − η(t, ~r) ∇ ·~v(t, ~r)
ρ(t, ~r)
∂t
∂xi
∂xi
3
3
X ∂
∂vi (t, ~r) ∂vj (t, ~r)
+
η(t, ~r)
+
+ f~V (t, ~r) i
∂xj
∂xj
∂xi
j=1
(III.32b)
für i = 1, 2, 3.
Sind die (impliziten) Zeit- und Ortsabhängigkeit der Viskositätskoeffizienten venachlässigbar, so
können η und ζ aus den Ableitungen herausgezogen werden. Damit ergibt sich die (kompressible)
Navier–Stokes-Gleichung
η
∂~v(t, ~r) ~ ~v(t, ~r) = −∇
~ P (t, ~r) + η4~v(t, ~r) + ζ +
~ ∇
~ ·~v(t, ~r) + f~V (t, ~r).
ρ(t, ~r)
+ ~v(t, ~r) · ∇
∇
∂t
3
(III.33)
Es handelt sich dabei um eine nicht-lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, während
die Euler-Gleichung (III.18) erster Ordnung ist.
Im Fall einer inkompressiblen Strömung vereinfacht sich Gl. (III.33) zur inkompressiblen Navier–
Stokes-Gleichung
∂~v(t, ~r) ~ ~v(t, ~r) = − 1 ∇
~ P (t, ~r) + ν4~v(t, ~r),
+ ~v(t, ~r) · ∇
(III.34)
∂t
ρ
mit ν ≡ η/ρ der kinematischen Scherviskosität.6
Bemerkung: Nimmt man als Anfangspunkt einen Spannungstensor mit Termen zweiter Ordnung in
den Raumableitungen, entsprechend dem Term der zweiten Zeile in der Impulsstromdichte (III.26),
anstatt des Spannungstensors (III.28), so erhält man statt der Navier–Stokes-Gleichung eine partielle Differentialgleichung höherer Ordnung, die Burnett-Gleichung [8]. Der Gültigkeitsbereich jener
Während die Dimension der dynamischen Viskosität ML−1 T−1 ist — entsprechend im SI-Einheitensystem dem
Poiseuille (Pa·s) —, ist die Dimension der kinematischen Viskosität L2 T−1 , die also nur von Ort und Zeit abhängt,
woraus die Bezeichnung folgt.
6
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
23
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„dissipativen Fluiddynamik zweiter Ordnung“ ist zwar theoretisch größer, da sie prinzipiell stärkere
Gradienten berücksichtigen kann, doch die numerische Implementierung kann ziemlich involviert
sein, so dass eine rein makroskopische Beschreibung nicht unbedingt den besten Ansatz darstellt.
III.3.3
d Randbedingungen
:::::::::::::::::::::::::::
An der Grenzoberfläche zwischen einem viskosen Fluid und einem anderen Körper — sei es
ein Hindernis in der Strömung, eine Wand des Behälters, in dem das Fluid strömt, oder gar ein
anderes viskoses Fluid, das mit dem ersten nicht mischbar ist — muss die Relativgeschwindigkeit
des Fluids bezüglich des Körpers verschwinden. Dies gilt sowohl für die Normal- als auch für die
Tangentialkomponente der Relativgeschwindigkeit, nicht nur für die Normalkomponente wie im Fall
eines idealen Fluids.
III.4 Energieerhaltung und Entropiebilanz
Als fünfte Gleichung, um ein geschlossenes System von Gleichungen für die gekoppelten Entwicklungen von ρ(t, ~r), ~v(t, ~r) und P (t, ~r) zu erhalten, gibt es in der nicht-relativistischen Fluiddynamik
verschiedene Möglichkeiten.
Eine erste mögliche Gleichung ist eine Beziehung zwischen Druck und Massen- bzw. Teilchendichte im Fluid, d.h. eine sogennante „adiabatische Zustandsgleichung“, die zusammen mit der „thermischen“ Zustandsgleichung P = f (e, ρ) eine zweite Relation zwischen den thermodynamischen
Größen bildet, wobei e die inneren Energiedichte bezeichnet.
Beispielsweise gilt für die adiabatischen Zustandsänderungen eines idealen Gases neben der thermischen Zustandsgleichung PV = N kB T auch die Beziehung PV γ = Konstante, mit γ dem Verhältnis
der Wärmekapazitäten bei konstantem Druck (CP ) und konstantem Volumen (CV ) des Gases.
Eine zweite Möglichkeit ist, die aus der Energieerhaltung resultierende Gleichung zu benutzen.
Dabei setzt die Energiebilanz die Zeitableitung der Gesamtenergie — bestehend aus innerer und
kinetischer Energie — in einem Volumen mit minus dem Energiefluss durch die Oberfläche, die das
Volumen abgrenzt, gleich.
III.4.1 Energiebilanz in idealen Fluiden
In idealen Fluiden trägt nur konvektiver Energietransport zum Energiefluss bei, d.h. der Transport einer bewegten Fluidmasse durch die Oberfläche. Dies führt zu7
∂ 1
1
2
2
~
ρ(t, ~r)~v(t, ~r) + e(t, ~r) + ∇ ·
ρ(t, ~r)~v(t, ~r) + e(t, ~r) + P (t, ~r) ~v(t, ~r) = 0,
(III.35)
∂t 2
2
mit e der inneren Energiedichte; e + P im zweiten Term ist die Enthalpiedichte w.
Bemerkung: Diese lokale Form der Energieerhaltung ist deutlich der allgemeinen Form (III.9),
wobei die thermische Bewegung zur Energiestromdichte, nicht aber zur Energiedichte, durch den
Druck beiträgt, ähnlich wie bei der Impulsbilanz.
Man kann zeigen — dies wird in Abschn. ?? über relativistische Fluiddynamik sowie als besonderer Fall in Abschn. III.4.3 bewiesen —, dass in einem idealen, nicht-dissipativen Fluid, die lokale
Energiebilanz (III.35) zur lokalen Erhaltung der Entropie führt, die sich als
∂s(t, ~r) ~ + ∇ · s(t, ~r)~v(t, ~r) = 0,
(III.36)
∂t
ausdrücken lässt, mit s(t, ~r) der Entropiedichte und s(t, ~r)~v(t, ~r) der Entropiestromdichte. In diesem
Fall ist die Strömung isentropisch. Als letzte Gleichung zur Beschreibung der Strömung eines idealen
Fluids ist diese Gleichung manchmal günstiger zu verwenden, als die Energiebilanz (III.35).
7
Diese Gleichung wird später in Abschn. ?? über den nichtrelativistischen Limes von relativistischer Fluiddynamik
hergeleitet.
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
24
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III.4.2 Energiebilanz in Newtonschen Fluiden
In einem realen Fluid kann Energie nicht nur konvektiv transportiert werden, sondern es gibt
weitere Transportarten:
• Die Viskosität des Fluids, die zum Impulstransport beiträgt, führt auch zu einem diffusiven
Transport von Energie zwischen
P Fluidschichten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Dies
wird durch einen Beitrag − j τij vj zum Strom in Richtung i der Energiedichte berücksichtigt,
mit τij dem viskosen Spannungstensor (III.30).
• In realen Fluiden wird auch Energie aus Bereichen mit höherer Temperatur nach denen mit
niedrigerer Temperatur transportiert, entsprechend Wärmeleitung. Die Letztere lässt sich
~ (t, ~r) (laut der lokalen Formulierung
durch einen Wärmestromvektor ~Q (t, ~r) = −κ(t, ~r) ∇T
8
vom Fourier-Gesetz ) beschreiben, der zur Energiestromdichte beiträgt, mit κ der Wärmeleitfähigkeit des Fluids.
Unter Berücksichtigung dieser weiteren Beiträge lautet die lokale Formulierung der Energieerhaltung
in einem Newtonschen Fluid in Abwesenheit äußerer Volumenkräfte
∂ 1
2
ρ(t, ~r)~v(t, ~r) + e(t, ~r)
∂t 2
1
~ ·
ρ(t, ~r)~v(t, ~r)2 + e(t, ~r) + P (t, ~r) ~v(t, ~r)
+∇
2
(III.37)
~v(t, ~r)2
~
~
− η(t, ~r) ~v(t, ~r) · ∇ ~v(t, ~r) + ∇
2
2η(t, ~r) ~
~
− ζ(t, ~r) −
∇ · ~v(t, ~r) ~v(t, ~r) − κ(t, ~r) ∇T (t, ~r) = 0.
3
Sind die drei Transportkoeffizienten η, ζ und κ Null, so vereinfacht sich diese Energiebilanz zu
Gl. (III.35)
III.4.3 Entropiebilanz in Newtonschen Fluiden
In einem realen Fluid mit nicht-verschwindenden Viskosität und Wärmeleitfähigkeit kann man
erwarten, dass die Umwandlung mechanischer Energie in Wärme zu einer Zunahme der Entropie
führt, vorausgesetzt, dass das Fluid ein geschlossenes System bildet.
Sei ein durch die Oberfläche S abgegrenztes Volumen V von strömendem Fluid mit den Randbedingungen ~v(t, ~r) ·~en (~r) = 0 und ~Q (t, ~r) ·~en (~r) = 0 in jedem Punkt ~r der Oberfläche, wobei ~en (~r)
den Normaleinheitsvektor zu S in ~r bezeichnet. Diese Randbedingungen bedeuten, dass keine Materie bzw. keine Wärme durch die Oberfläche S strömt, d.h. das System innerhalb S ist geschlossen
und isoliert.
Der Kürze halber werden die Variablen t, ~r in der folgenden Herleitung nicht geschrieben.
∂ 1 2
1
2
~ ·
In den zwei ersten Zeilen der Gl. (III.37) können die Termen
ρ~v + ∇
ρ~v ~v durch
∂t 2
2
3
3
X
i 2 X
∂~v 1 ∂ρ 2 1 h~
∂vi
~
~
~v + ∇ · ρ~v ~v +
ρ~v ·
+
ρvi ~v · ∇ vi =
ρvi
+ ~v · ∇ vi
(III.38a)
∂t 2 ∂t
2
∂t
i=1
i=1
ersetzt werden, wobei die Kontinuitätsgleichung (III.7) benutzt wurde.
Die thermodynamische Beziehung U = T S − PV + µN gibt einerseits e + P = T s + µn , woraus
~ · (e + P )~v = T ∇
~ · s~v + µ∇
~ · n~v +~v · s∇T
~ + n ∇µ
~
∇
~ · s~v + µ∇
~ · n~v +~v · ∇
~P
= T∇
(III.38b)
8
Vgl. z.B. Kapitel 4.12 in [9] oder Kapitel 1.2.1 in [4].
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
25
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Hydrodynamik
Theoretische Physik IV
folgt, wobei in der zweiten Zeile die Gibbs–Duhem-Relation dP = s dT + n dµ benutzt wurde, und
führt andererseits zu
de = T ds + µ dn .
Die letztere Gleichung folgt aus
U
1
U
de = d
= dU − 2 dV
V
V
V
T
P
S
P
µ
TS
µN
N
=
dS − dV + dN − 2 dV + dV − 2 dV = T d
+ µd
,
V
V
V
V
V
V
V
V
wobei die Relation dU = T dS − P dV + µ dN benutzt wurde.
Mithilfe der Kontinuitätsgleichung für die Teilchenzahl ergibt sich dann
∂e
∂s
∂n
∂s
~ · n~v .
=T
+µ
=T
− µ∇
∂t
∂t
∂t
∂t
(III.38c)
Unter Nutzung der Gl. (III.38a)–(III.38c) lässt sich die Energiebilanz (III.37) umschreiben als
3
X
∂s
∂vi
~
~ · s~v +~v · ∇
~P =
+ ~v · ∇ vi + T
+ T∇
ρvi
∂t
∂t
i=1
X
3
3
X
∂vj
2 ~
∂
∂vi
∂ ~
~ · κ∇T
~
+
− δij ∇ ·~v vi +
ζ ∇ ·~v vi + ∇
. (III.38d)
η
∂xj
∂xj
∂xi 3
∂xi
i,j=1
i=1
Die Multiplikation der Komponente i der Gleichung (III.32b) mit vi gibt
3
X
∂vj
∂vi
∂P
∂
∂vi
2 ~
∂
~
~ · ~v .
ρvi
+ ~v · ∇ vi + vi
=
vi
η
+
− δij ∇ · ~v
+ vi
ζ∇
∂t
∂xi
∂xj
∂xj
∂xi 3
∂xi
j=1
Zieht man diese Gleichung summiert über i = 1, 2, 3 von Gl. (III.38d) ab, so ergibt sich
3
X
∂vj ∂vi
∂vj
∂s
2 ~
~
~ ·~v 2 + ∇
~ · κ∇T
~
T
+ T ∇ · s~v = η
+
− δij ∇ · ~v + ζ ∇
.
∂t
∂xi ∂xj
∂xi 3
(III.39)
i,j=1
Im rechten Glied dieser Gleichung kann man zunächst die Identität
2
3 3 X
∂vj
∂vj
∂vj
∂vi
1 X ∂vi
2 ~
2 ~
+
− δij ∇ · ~v =
+
− δij ∇ · ~v
2
∂xj
∂xi 3
∂xj
∂xi 3
∂xi
i,j=1
(III.40a)
i,j=1
∂vj
∂vi
einsetzen, da in dem Ausmultiplizieren des Quadrats die symmetrischen Terme
und
den
∂xj
∂xi
9
gleichen Beitrag geben, während der Term in δij null gibt.
Dann gilt
~ κ ~ 2
κ∇T
~
~
~
+
∇T .
∇ · κ∇T = T ∇ ·
T
T
(III.40b)
Schließlich führen die Gl. (III.40) und die Energiebilanz (III.39) zu
~ 2
3 ~ 2
X
2
∇T
∂v
ζ
∂s ~
κ
∇T
η
∂v
2
j
i
~ ·
~ ·~v +
~ ·~v + κ
+ ∇ · s~v − ∇
=
+
− δij ∇
∇
. (III.41)
∂t
T
2T
∂xj ∂xi 3
T
T2
i,j=1
Diese Gleichung kann über das Volumen V integriert werden:
• berechnet man die Integrale der Divergenzen auf der linken Seite mit dem Satz von Stokes, so
verschwinden sie wegen der Randbedingungen an der Oberfläche S;
9
Letzteres folgt aus der „Spurlosigkeit“ des Terms in Klammern.
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
26
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Hydrodynamik
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dS
• der Restterm auf der linken Seite ist die Zeitableitung
der Entropie des geschlossenen
dt
Systems;
• wenn die Transportkoeffizienten η, ζ, κ positiv sind, dann sind die drei Terme auf der rechten
Seite ebenfalls positiv.
Somit findet man
dS
≥ 0, in Übereinstimmung mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
dt
Bemerkungen:
∗ Man kann die obige Herleitung als einen Beweis betrachten, dass die Transportkoeffizienten
unbedingt positiv sein müssen, damit der zweite Hauptsatz gilt.
∗ Wenn die drei Transportkoeffizienten η, ζ, κ null sind, entsprechend dem Fall eines nichtdissipativen Fluids, vereinfacht sich Gl. (III.41) auf die Entropiebilanz (III.36).
III. Grundgleichungen der nicht-relativistischen Hydrodynamik
27
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