21.01.2009 Personen-Schaden-Forum 2009 Die besondere Problematik des medizin. Kausalitä Kausalitätsgutachtens spezifische Fragen des Kausalitätsgutachtens: Medizinisches Kausalitä Kausalitätsgutachten Frage nach der natürlichen Kausalität eines Gesundheitsschadens Frage nach Kausalitätswahrscheinlichkeit Frage nach Relevanz von konkurrierenden Vorschäden oder ereignisfremden Folgeschäden (konkurrierende Kausalitäten) am vorliegenden Gesundheitsschaden Frage nach prozentualem ereignisbedingten Schadenanteil am gesamten Gesundheitsschaden Probleme aus Sicht des Gutachters Hans Rudolf Stöckli Neurologe FMH, Leiter Gutachterkurse SIM Æ oft schwierige Fragen Seite 2 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Die besondere Problematik des medizin. Kausalitä Kausalitätsgutachtens Die Fragen nach Kausalität und nach konkurrierenden Kausalitäten erfordern verlässliche Daten über den natürlichen medizinischen Verlauf von Krankheiten, Unfallfolgen degenerativen Veränderungen angeborenen Dispositionen Æ epidemiologische Daten sehr wichtig Æ medizinische Erfahrungswerte von grosser Bedeutung Personen-Schaden-Forum 2009 Referatsinhalt 1. Bestimmung der ereignisbedingten natürl. Kausalität 2. Die Beurteilung von konkurrierenden Kausalitäten 3. die Grenzen des medizinischen Gutachters kollektiver Erfahrungsschatz (Einfliessen von gesellschaftlich-kulturellen Elementen etc) persönliche Erfahrung des Experten (persönliche Einfärbung) Divergente Experten-/LehrmeinungenÆ Konsensuspapiere Seite 3 Stöckli Hans Rudolf Seite 4 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten A. Grundsätzliches A. Grundsätzliches B. Das Problem der Beweisgrad-Bestimmung B. Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 1. bei anlagebedingten Prädispositionen C. Die nat. Kausalität bei psychischer Symptomatik 2. bei vorbestehenden internistischen Krankheiten D. Die Wertigkeit der Neuropsychologie und des funktionellen MRI bei Kausalitätseinschätzung 3. bei vorbestehenden Nacken- oder Rückenschmerzen E. Problem der Aktenlage 5. bei psychischen Vorerkrankungen F. Die Zukunft der Beweisgradbestimmung 6. bei mehreren Unfallereignissen Seite 5 Stöckli Hans Rudolf 4. bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen Seite 6 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität A. Grundsätzliches Definition (Art. 6 Abs. 1 UVG) Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhanges sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Die natürliche Kausalität wird vom Arzt, die adäquate durch die Administration respektive die Justiz beurteilt. Seite 7 Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Stöckli Hans Rudolf 1. Frage: liegt überhaupt ein Gesundheitsschaden vor? 2. es ist nachvollziehbar und begründet darzulegen, ob einem schädigenden Ereignis, das in zeitlicher Korrelation zu einer gesundheitlichen Störung steht, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine ursächliche Bedeutung zukommt, oder ob es sich um eine nicht genügend zu begründende oder um eine rein zufällige, nicht kausale Korrelation handelt. bei rein somatischen, klinisch nachvollziehbaren Unfallfolgen lässt die Faktenlage meist keine Zweifel an der natürlichen Kausalität aufkommen. Seite 8 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität A. Grundsätzliches B. Das Problem der Beweisgrad-Bestimmung Für Gutachter schwieriger zu beurteilen sind Fälle Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität mit vorbestehenden Krankheiten mit vorbestehenden Unfallfolgen mit psychischen Begleitsymptomen mit vorbestehenden psychischen Beschwerden mit in zeitlicher Latenz zum Ereignis aufgetretenen psychischen Symptomen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 117 V 194) in Grenzfällen dennoch schwierig: Æ Entscheid nur in Kenntnis aller Daten und Fakten möglich Æalle medizin. Beweismittel pro und contra indizienhaft darlegen Æunter Berücksichtigung der gesamten medizinischen Faktenlage resp. Evidenz gesamte medizinische Faktenlage / Evidenz • ereigniskorrelierte Anamnese • frühere Anamnese, Fremdanamn. • Klinische Befunde • Bildgebung, Labor, anderes • Verhalten etc. • Kritische Überprüfung und Wertung von Stimmigkeiten und Diskrepanzen reifliches Abwägen aller Indizien pro u. contra Æ Wahrsch.grad Seite 9 Stöckli Hans Rudolf Seite 10 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Beweisgradbestimmung und evidenzbasierte Medizin Definition EBM (evidence based medicine) «Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizin. Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EBM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertisen mit der bestmöglichen externen Evidenz aus der systematischen Forschung» Straus S.E.,Scott Richardson et al.: Evidence-Based Medicine.Elsevier Churchill Livingstone, 3rd ed., 2005 Sackett L., Rosenberg WMC et al.: Evidence-based Medicine: British Medical Journal. 312, 1996, S. 71-72 Seite 11 EBM leitet er sich vom englischen "evidence" ab (= Beweis, Ergebnis). Bezieht sich auf Informationen aus wissenschaftlichen Studien und klinischen Erfahrungen, die einen Sachverhalt erhärten / widerlegen. Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Beweisgradbestimmung und evidenzbasierte Medizin Grad Evidenz-Grad Bestimmung Ia mehrere kontrollierte*, randomisierte** Studien, die Wirksamkeit belegen. Dies wurde in Metaanalysen (systematische Übersichtsarbeiten) festgehalten. Ib Es gibt mindestens eine randomisierte, kontrollierte Studie. II a Es gibt mindestens eine kontrollierte Studie (ohne Randomisierung). II b Es gibt mindestens eine experimentelle Studie. Evidenzbasierte Medizin = beweisgestützte Medizin III Es gibt nicht-experimentelle, beschreibende (= deskriptive) Studien, z. B. Vergleichsstudien ohne randomisierte Gruppenzuweisung IV Expertenmeinungen aufgrund klinischer Erfahrungswerte (Experten-Komitees) Kritiker: EBM steht der individuellen Behandlung des Einzelnen entgegen. Studiendesigns nicht praxisnah. I-IV Hoher Evidenzgrad = Ia ; niediger Evidenzgrad = IV Stöckli Hans Rudolf * ** Seite 12 kontrollierte Studie = Vergleich zweier Gruppen z.B. mit Medikament versus Placebo ohne Zufallszuteilung randomisierte Studie = teilnehmende Patienten werden völlig zufällig einer Behandlungen zugeteilt. Verblindung: weder Patient (noch Arzt) wissen z. B., ob der Proband Substanz a oder b erhalten hat. Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Beweisgradbestimmung und evidenzbasierte Medizin die EBM ist v. a. ein Instrument zur rationalen Beurteilung von therapeutischen Massnahmen Versicherungsmedizin hat schlechte Evidenzlage: extrem wenige Studien Grad II, mehr Grad III, meistens Grad IV (v. a. epidemiolog.Studien, Konsensuspapiere) Wissen basiert aber auch auf von der Fachwelt allgemein anerkannten Erfahrungswerten auf der persönlichen Erfahrung des Experten Seite 13 Stöckli Hans Rudolf Beweisgradbestimmung und evidenzbasierte Medizin EBM-Kriterien für Gutachter: natürliche und konkurrierenden Kausalitäten sind nach folgenden Stufenkriterien einzuschätzen: 1. Beizug von wissensch. Literatur mit hohem Evidenzgrad (I–II), soweit für den Fall notwendig und vorhanden. 2. Beizug von wissensch. Lit. mit niedrigem Evidenzgrad (III IV), soweit für den Fall notwendig und vorhanden (meist epidemiolog. Daten, Guidelines, offizielle Experten–Konsensuspapiere) 3. Expertenmeinungen (ohne Guideline- oder Konsensus-Wert) 4. eigener Erfahrungswert Seite 14 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität C. Natürl. Kausalität bei psychischer Symptomen C. Natürliche Kausalität bei psychischer Symptomen Abschätzung der Kausalitätswahrscheinlichkeit nach 4 Kriterien*: 1. objektiver Schweregrad des schädigenden Ereignisses 2. überindividueller Schweregrad des subjektiven Erlebens: Todesangst, Miterleben von Tod /Schädigung von Nahestehenden, Ohnmachtserleben, schwere eingreifende psychosoziale Auswirkungen 3. individuell biographisch bedingte Schweregrad des subjektiven Erlebens bei a. erhöhter unspezifischer Vulnerabilität in der Bewältigung auch von geringeren Lebensbelastungen/ Ereignissen b. bei erhöhter spezifischer Vulnerabilität in Bezug auf Ereignis (z.B.: durch vorangegangene Traumatisierung) 4. Mögliche sekundäre Motive: 1. bewusstseinsferne Motive (nicht willentlich steuerbar) 2. bewusste / bewusstseinsnahe Motive (Aggravation, Simulation) * Deutschen Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin (DGPM): AWMF-Leitlinien-Register Nr. 051/022, www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/index.html Seite 15 Stöckli Hans Rudolf Möglichkeiten bei psychischer Symptomatik: 1. rein ereignisbedingte psychische Symptomatik 2. vorbestehende psychische Erkrankung wird durch Ereignis verstärkt (u. a. depressive Störung, Persönlichkeitsstörung, dissoziative Störung) 3. vorbestehende schlummernde psychische Erkrankung wird durch das Unfallereignis symptomatisch (affektive, schizophrene Psychose) 4. ein Unfallereignis löst akute Belastungsreaktion, Anpassungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung aus 5. labile soziale Situation führt zu psychischen Symptomen (reaktive depressive Symptomatik bei finanziellen Sorgen, Zukunftsängsten) 6. bewusstseinsnahe oder -ferne Begehrenshaltungen führen zu Verdeutlichung, Aggravation oder gar zur Simulation [1] www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/index.html AWMF-Leitlinien-Register Nr. 051/022, Seite 16 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität D. Wertigkeit der Neuropsychologie in der Kausalitätsbestimmung 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität D. Wertigkeit des funktionellen MRI in der Kausalitätsbestimmung Spezifität der neuropsychologischen Befunde viel zu niedrig, um eine verlässliche ursächliche (ätiopathogenetische) Aussage zu machen 1/2 neuropsychologische Befunde müssen unter Berücksichtigung der gesamten medizinischen Evidenz beurteilt werden und mit diesen in widerspruchsfreiem Einklang stehen: Anamnese, initialer Gesundheitsschaden, nach Durchsicht aller relevanten Publikationen zum Schluss gelangt: Æ Methode hat notwendigen wissenschaftlichen Evidenzgrad noch nicht erreicht klinisch-neurologische Befunde, Verlauf, ev. psychiatrische Begleitsymptomatik etc. 2/3 Æ derzeit für Routinediagnostik bei HWS-Beschleunigungstraumen noch nicht eignet. EVG-Urteil vom 10.11.2004 (U 174/03), 9.8.2006 (U 273/06): EVG-Urteil vom Aussagen der Neuropsychologie zur Unfallkausalität sind «nur im Rahmen einer gesamthaften Beweiswürdigung bedeutsam, sofern sie überprüf- und nachvollziehbar, mithin überzeugend sind und sich in die anderen (interdisziplinären) Abklärungsergebnisse schlüssig einfügen». 1. 2 3 ARMIN SCHNYDER ET AL., Beschwerdebild nach kraniozervikalem Beschleunigungstrauma. Bericht der Kommission «Whiplash-associated Disorder» der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft. Schweizerische Ärztezeitung 2000;81;Nr.39: 2218–2220. HANS RUDOLF STÖCKLI ET AL., (Oltener Konsensusgruppe): Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen in der chronischen Phase nach kranozervikalem Beschleunigungstrauma (sog. Schleudertrauma) (ohne Commotio cerebri). Schweiz Med Forum 2005;5:1182–1187. SUVA-Integritätsentschädigungstabelle 8 2007/2008 internat. Expertengruppe1 unter Mitarbeit der Schweiz. Neurolog. Gesellschaft: BG 134 V 231 vom 26.5.2008 (8C_152/2007) « .. Beweiswert des mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT; fmri) erhobenen Befundes für die Beurteilung der Unfallkausalität von Beschwerden nach HWS-Schleudertraumen und äquivalenten Unfallmechanismen nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wird verneint ». 1. HANS CHR. DIENER, Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 4. aktualisierte und erweiterte Auflage 2008, Thieme Verlag, 1000 S., 30 Abb., geb.ISBN: 9783131324146 oder http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_076.pdf EVG-Urteil vom 10.11.2004 U 174/03: 9.8.2006 (U 273/06): Seite 17 Stöckli Hans Rudolf Seite 18 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität E. Die Problematik der Aktenlage E. Die Problematik der Aktenlage Prozentsatz vollständig vorhandene Akten* Experte ist auf eine vollständige Aktenlage angewiesen, andernfalls Gefahr einer Fehlbeurteilung zu Akten gehören: alle relevanten medizinischen Akten in Zusammenhang mit Ereignis alle klinischen Untersuchungsberichte objektiven Untersuchungsresultate: Röntgenbilder, MRI, Labor, etc frühere Gutachten inklusive IV-Gutachten technischen Unfallakten (Polizeiberichte, unfallanalytische und biomechanische Gutachten) frühere medizinische Akten (für Beurteilung unfallfremder Faktoren) ev. Schreiben der Parteien Frühzeitakten resp. Echtzeitakten sehr wichtig für Fragen nach der natürlichen Kausalität Fragen nach konkurrierenden Kausalitäten (unfallfremde Faktoren) Seite 19 Stöckli Hans Rudolf 100 * 15 ausgewertete Gutachten. Zeit zwischen Ereignis und Gutachtenauftrag 4.8 Jahre (Range 2.5 bis 8 Jahre) 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 unf all r el evant e med iz ini sche A kt en r el evant e f r üher e med iz ini sche A kt en Seite 20 R ö nt g enb i ld er t echnische U nf al lakt en Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 1. Bestimmung der natü natürlichen Kausalitä Kausalität Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten A.Grundsätzliches F. Die Zukunft der Beweisgradbestimmung die Beurteilung von ereignisfremden, vorbestehenden, oder nach dem Ereignis erworbenen Gesundheitsschäden, ereignisfremden, vorbestehenden degenerativen Veränderungen oder konstitutionellen Prädispositionen Die Abgrenzung des ereignisbedingten Schadens vom konkurr. Schaden erfordert eine genaue Kenntnis der Spontanverläufe der betreffenden konkurrierenden Gesundheitsstörungen degenerativen Veränderungen od. konstitutionellen Prädispositionen in nächsten Jahren Æ neue diagnostische Verfahren zu erwarten Æ z. B. zur Schmerzobjektivierung Subjektive Beschwerden Æ zumindest teilw. objektivierbar Æ Evidenzlage Versicherungsmedizinn Datenlagen zum Spontanverlauf von konkurrierenden Schä Schäden oft mangelhaft. Jon-Kar Zubieta, MD, PhD, 2005 Seite 21 Par t eischr eib en Stöckli Hans Rudolf Seite 22 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten B. Seite 23 Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 1. vorbestehenden Nacken- od. Rückenschmerzen 2. vorbestehenden degenerativen Veränderungen 3. psychische Vorerkrankungen 4. mehreren Unfallereignissen 5. vorbestehenden internistischen Krankheiten 6. anlagebedingten Prädispositionen bei Stöckli Hans Rudolf 1. bei anlagebedingten Prädispositionen gesundheitsbedingte Schadensanfälligkeit (Veranlagung) des menschlichen Organismus bzw. seine Neigung zu ungewöhnlichen Reaktionen auf Schädigungen. Anlagebedingte somatische wie psychische Prädispositionen können Grund für einen verzögerten Heilverlauf sein. Beispiel Hyperlaxitätssyndrom: angeborene Gelenks-Überbeweglichkeit: 10% der Bevölkerung Æ erhöhte Veranlagung zu Gelenk- und Rückenschmerzen. Æ kann aber auch lebenslänglich beschwerdefrei bleiben. Æ kann mit unfallbedingtem Heilverlauf interferieren. keine genügend verlässlichen epidemiolog. Daten über Spontanverläufe, die versicherungsmedizin. genutzt werden könnten. Seite 24 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 1. bei anlagebedingten Prädispositionen Weitere Beispiele: 2. bei vorbestehenden Krankheiten leichte psychische Störungen ohne (mit?) Krankheitswert: leicht erhöhte Neigung zu depressiven Verstimmungen (Dysthymie) leichte Persönlichkeitsstörung (Zwanghaftigkeit, Leistungsorientierung) Æ keine genügend verlässlichen epidemiologischen Daten über Spontanverläufe, die versicherungsmedizinisch genutzt werden könnten. 10 BGE 113 II 86… einfache, leichtere konstitutionelle Besonderheit (z.B. graziler Knochenbau od. Beleibtheit) ohne pathologisch-krankhaften Charakter genügen nicht, um einen relevanten unfallfremden Faktor zu postulieren Æ Beurteilung versicherungsrechtlich meist problemlos. Gilt auch für Fälle, in denen erst Schadenereignis zusammen mit Prädisposition zum Gesundheitsschaden führt. Bei konstitutionellen Prädispositionen von grenzwertigem od. leichtem Krankheitswert sind quantitative Abgrenzung zwischen prädispositions- und ereignisbedingtem Schaden aus medizinischer Sicht öfters schwierig… Seite 25 Stöckli Hans Rudolf Krankheiten interferieren nicht selten mit ereignisbedingtem Verlauf! Beispiel Diabetiker: bei vorbestehender schwerer Durchblutungsstörung mit «offenen Füssen» Æ unfallbedingt Fussverletzung Æ komplikationsreicher Verlauf Æ gestörte Wundheilung infolge diabetesbedingter Durchblutungsstörung Æ sekundärer Wundinfekt wegen diabetesbedingt erhöhter Infektneigung Æ infektbedingte Entgleisung des Diabetes etc. Æ Teufelskreis Unfall versus Krankheit Æ wo Anteil Krankheit, wo Anteil Unfall? wann Status quo sine erreicht? dafür keine genügend evidenzbasierte epidemiologische Daten Æ persönlicher Erfahrungswert wird entscheidende Rolle spielen. Seite 26 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten epidemiolog. Studie 2006 n= 6000 zufällig Befragte* Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 3. bei vorbest. lumbalen Rückenschmerzen 3. Epidemiologie lumbale Rückenschmerzen (RüSz) Alter Tägliche RückenSchmerzen monatlich mindestens einmal RückenSchmerzen keine Rückenschmerzen in letzen 12 Monaten 14- 19-Jährige 02 % 33 % 45 % 20 - 29-Jährige 03 % 42 % 33 % 30 - 39-Jährige 9% 36 % 32 % 40 - 49-Jährige 13 % 37 % 28 % 50 - 59-Jährige 23 % 38 % 24 % 60 + -Jährige 24 % 33 % 29 % •http://www.starker-ruecken.com/bandscheibenblog/rueckenschmerzen-repraesentative-langzeitstudie-der-bkk Seite 27 Stöckli Hans Rudolf 1-Jahresprävalenz (Erkrankung pro Jahr in Bevölkerung) 40 – 70 % AUF wegen RüSz innerhalb 1 Jahres Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Seite 28 Stöckli Hans Rudolf 1. 2. 3. 4. Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 3. Epidemiologie Nackenschmerzen 4. Bedeutung degenerativer Wirbelsäulenveränderungen 1-Jahresprävalenz (n=7648) 35 % 1 über 6 Monat (chronisch) Prävalenz chron. Nackenschmerzen Männer Frauen Lebensprävalenz für Nackenschmerzen Punktprävalenz (innert 1 Woche vor Tag x) 14 19 16 22 67 44 % % % % % % 1 27 33 % % davon bei Arbeit beeinträchtigte Männer davon bei Arbeit beeinträchtigte Frauen 2 (Norwegen) (Schweden) 2 2 3 (Kanada) 4 (England) degenerative Wirbelsäulen-Veränderungen = unfallfremde Faktoren sind meist normale Altersveränderungen sind extrem häufig korrelieren nur sehr beschränkt (nicht) mit Schmerzsyndromen BOVIM G./SCHRADER H./SAND T., Neck pain in the general population. Spine 1994;19:1307–1309. GUEZ M./ et al G., The prevalence of neck pain. A population-based study from northern Sweden. Acta Orthop Scand 2002; 73 (4): 455–459 455. CÔTÉ D. et al.:The Saskatchewan Health and Back Pain Survey. The prevalence of neck pain. Spine 1998; 23:1689–1698. WALKER-BONE et al.: The anatomical pattern and determinants of pain in the neck and upper limbs: an epidemiologic study. Pain 109 (2004) 45–51. Seite 29 Stöckli Hans Rudolf % (n= 3000) 3 [1] Nachemson A, Waddell G, et al.: Epidemiology of neck and low back pain. Ch. 8: Neck and Back Pain, The Scientific Evidence of Causes, Diagnosis, and Treatment, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia; 2000 [2] Jeanneret B, Frey D, et al.: Chronische Rückenschmerzen. Schweiz Med Wochenschr 128(18): 706–718; 1998 [3] Hilmann M, Wright A, Rajatnam G, et al: Prevalence of low back pain in the community-Implication for service provision in Bradford. UK J Epidemiol Commun Health 50 (3): 347352; 1996 Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten 6.4 1,2 Seite 30 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 4. Epidemiologie degenerative Veränderungen Wirbelsäule 4. Bedeutung degenerativer Wirbelsäulenveränderungen Häufigkeit von degenerativen Veränderungen der Lendenw irbeläule im MRI 1 bei 67 beschw erdefreien Menschen15 93% 100% 79% 80% 60% 40% 20% 56% 59% Degenerative Arthrosen 50% 36% 34% 21% 22% 20-30 Jahre 40-59 Jahre Diskushernie Diskusvorw ölbung Ähnliche Studienresultate von Halswirbelsäule In einem Kollektiv von 497 gesunden, beschwerdefreien Japanern1 degenerative HWS-Veränderungen 20-jährige Frauen 12 % 20-jährige Männer 17 % 60-+ Jährige Frauen 86 % 60-+ Jährige Männer 89 % 0% 1. 60-80 Jahre 1. Matsumoto M, et al.: MRI of cervical intervertebral discs in asymptomatic subjects. J Bone Joint Surg Br. 1998 ;80(1):19-24) Boden SD, Davis DO, et al.: J Bone Joint Surg Am. 1990;72:403-408 Seite 31 Stöckli Hans Rudolf Seite 32 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten epidemiologische Daten für Bewertung von konkurrierenden Kausalitäten sehr wichtig! ist kaum statthaft, z. B. bei Explorand, der seit Unfallereignis neu an chron. Nacken-Sz leidet, welche medizinisch plausibel sind, einen relevanten unfallfremden Faktor anzunehmen, wenn Nackenschmerzen zuvor nur selten und kurzfristig dies in weitgehender Übereinstimmung mit den epidemiologisch bekannten Nackenschmerz-Daten der gleichaltrigen Durchschnittsbevölkerung noch zu häufig bei geringen Vorbeschwerden hohe unfallfremde Fakt. ... unter Skotomisierung der epidemiologischen Daten Umgekehrt sind Beschwerden, die über epidemiolog. Schnitt liegen, als relevante konkurrierende Kausalitäten zu werten Die Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten erfordert sowohl Kenntnis der betreffenden epidemiol. Daten, aber auch genaue Kenntnisse der Voranamnese vor dem zu beurteilenden Ereignis Seite 33 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Wichtige Bemerkung zu Kreuz- und Nackenschmerzen Spontanverlauf der sporadischen (krankheitsbedingten) Rückenschmerzen meist günstig auch Verlauf von unfallbed. Rückenschmerzen meist günstig allermeiste der ereignisgeschädigten Patienten erreichen früher oder später Status quo ante oder quo sine. Æ auf Grund der epidemiolog. Daten mit hoher Häufigkeit von spontanen Rückenschmerzen muss die Latte für die Annahme von unfallbedingt anhaltenden chronischen Rückenschmerzen (lumbal oder zervikal) relativ hoch angesetzt werden! Seite 34 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten 5. bei vorbestehenden psychischen Erkrankungen 6. bei mehreren Unfallereignissen häufiger Grund für einen verzögerten Heilverlauf nach Unfallereignis Zunehmend Gutachten mit Auftrag Kausalität mehrerer Ereignisse zu beurteilen und gegeneinander abzugrenzen • psychiatrische Vorerkrankungen aus dem depressiven Formenkreis • vorbestehende Persönlichkeitsstörungen • oft ähnliche oder sogar weitgehend identische Ereignisse (HWS!) Ægemeinsame interdisziplinäre Beurteilung durch Somatiker und Psychiater ist in diesen Fällen unerlässlich • Vielfach liegen Vorunfälle, welche neben dem Hauptereignis zu bewerten sind, Jahre zurück ÆAbgrenzung zwischen direkten und indirekten Ereignisfolgen (unfallbedingte Verschlechterung der psychiatrischen Erkrankung) und dem Spontanverlauf der unfallfremden psychiatrischen Erkrankung ist oft recht schwierig. • Vorunfälle sind oft schlecht dokumentiert Seite 35 Stöckli Hans Rudolf Seite 36 Stöckli Hans Rudolf Personen-Schaden-Forum 2009 2. Die konkurrierenden Kausalitä Kausalitäten Personen-Schaden-Forum 2009 3. Die Grenzen des med. Gutachters Beurteilung der konkurrierenden Kausalitäten Zunahme von Gutachten 6. bei mehreren Unfallereignissen mit schwierigen Fragen zur Kausalität, v. a. mit schwierigen Fragen zur Abgrenzung der ereignisbedingten Kausalität von konkurr. Kausalitäten • sogenannte Brückensymptome von grosser Relevanz (persistierende ereignisspezifische Restsymptome in Korrelation zum Einzelereignis). mit Fragen zur Teil-AUF der einzelnen schwer abgrenzbaren Kausalitäten mit schwierigen Detailfragen bei meist ungenügender Aktenlage • Brückensymptome sind erfahrungsgemäss oft schlecht oder nicht dokumentiert Æ Nachfragen bei früher oder aktuell behandelnden Instanzen über gesundheitlichen Verlauf zwischen den Einzelereignissen von ausschlaggebender Bedeutung. • Dabei ist jedes Unfallereignis einzeln und in Korrelation zu den Vorereignissen zu beurteilen, was insbesondere bei weitgehend identischen Ereignissen mit weitgehend übereinstimmenden Gesundheitsstörungen oft nicht oder nur annähernd möglich ist. Seite 37 Stöckli Hans Rudolf Seite 38 Personen-Schaden-Forum 2009 4. Probleme Kausalitä Kausalitätsgutachten Zusammenfassung Probleme aus Sicht der Gutachter Abgrenzung Kausalität versus konkurrierende Kausalitäten KausalitätsBestimmung Methode Dr. Darts ungenügende epidemiol. Daten oft ungenügende Aktenlage Gutachten-Qualität oft ungenügend Wünsche aus Sicht der Gutachter wenigere, aber klare Fragen Fragen, die beantwortbar sind vollständige Aktenlage Seite 39 Stöckli Hans Rudolf ungenügende aktenmässige Datenlage wo Fakten fehlen ungenügende medizinische Evidenz ist Sache der Justiz Mutmassungen ist nie Sache des Gutachters Stöckli Hans Rudolf