Schwingungs-Spektroskopie Dieter Baurecht (mit Unterlagen von Werner Mikenda) Institut für Biophysikalische Chemie Universität Wien 2009 Dr. Dieter Baurecht, Inst. f. Biophysikalische Chemie, Althanstraße 14, A-1090 Wien www.bpc.univie.ac.at, [email protected] Inhalt1 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2 2.3 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 ELEKTROMAGNETISCHE STRAHLUNG Spektralbereiche elektromagnetischer Strahlung Energie der elektromagnetischen Strahlung MOLEKÜLSCHWINGUNGEN Vibrations-Energieniveaus im 2-atomigen Molekül Vibrationsmoden mehratomiger Moleküle IR aktive Schwingungen ROTATIONSSCHWINGUNGEN Rotationsenergie Termschema des rotierenden Oszillators RAMAN AKTIVE SCHWINGUNGEN Teilchenmodell Klassische Theorie der Raman Streuung 1 1 1 2 2 5 8 10 10 11 12 12 13 5 VERGLEICH VON IR- UND RAMANSPEKTREN 15 6 ABSORPTION VON LICHT, LAMBERT-BEER GESETZ 17 7 FTIR-SPEKTROMETER 19 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 Vorteile der FTIR-Spektroskopie gegenüber der dispersiven IR-Spektroskopie. FTIR-Prinzip Auflösung Spektrale Bandbreite (Wellenzahlbereich) Phasenkorrektur Datenumfang Positionieren des beweglichen Interferometerspiegels 19 19 22 23 25 26 27 8 RAMAN-SPEKTROMETER 28 9 ZEITAUFGELÖSTE FTIR SPEKTROSKOPIE 29 9.1 9.2 10 Rapid-Scan Technik Step-Scan Technik 29 32 WEITERE MESSMETHODEN (UNTERLAGEN VON W. MIKENDA) 34 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 Überblick Transmission External Reflection Diffuse Reflection Internal Reflection Emission Photoacoustic Spectroscopy 34 36 37 38 39 40 41 11 LITERATUR 42 Schwingungs-Spektroskopie Elektromagnetische Strahlung 1 1 Elektromagnetische Strahlung 1.1 Spektralbereiche elektromagnetischer Strahlung Moleküle, Atome, Elementarteilchen, etc. besitzen verschiedene Energieformen: z.B. Rotation, Schwingungen, Spinn etc. Die Unterteilung der elektromagnetischen Strahlung in verschiedene spektroskopische Bereiche beruht im wesentlichen auf der Art der Wechselwirkung der jeweiligen Strahlungsenergie (Wellenlänge, Frequenz, Wellenzahl) mit möglichen Energieübergängen der unterschiedlicher Energieformen. Abb. 1: Spektralbereiche und ihre Wechselwirkung mit Materie (aus 1). Radiowellenbereich (nmr, esr): Beruht auf Spin-Umkehr von Kernbausteinen (Neutronen, Protonen) oder Elektronen. Mikrowellenbereich (Rotations-Spektroskopie): Änderung der Rotationsenergie von Molekülen. Infrarotbereich (Vibrationsspektroskopie): Änderung der Schwingungsenergie von Molekülen. Sichtbarer und Ultraviolett (UV) Bereich (UV-Vis Spektroskopie): Übergänge von Valenzelektronen in Molekülen. Röntgen-Bereich (X-Ray): Übergänge in den inneren Schalen von Atomen oder Molekülen. -Strahlung: Umordnung von Kernbausteinen. 1.2 Energie der elektromagnetischen Strahlung Max Planck: Die Energie eines Lichtquants hängt nur von der Frequenz der elektromagnetischen Strahlung ab: E h h c (1) hc~ mit dem Planck’schen Wirkungsquantum h, der Lichtgeschwindigkeit c und der in der ~ 1 / [cm-1]. Infrarotspektroskopie üblichen Wellenzahl Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 2 2 Molekülschwingungen 2.1 Vibrations-Energieniveaus im 2-atomigen Molekül Klassisches Modell: Kräftegleichgewicht durch abstoßende Kräfte gleich geladener Teilchen (Atomkerne, Elektronenwolken) und anziehende Kräfte des Kerns eines Atoms mit der Elektronenwolke des anderen Atoms. Dadurch bleiben die Atome in einem mittleren Abstand, in dem die beiden Kräfte ausgeglichen sind. d.h. die Energie des Systems (Moleküls) ist ein Minimum. 2.1.1 Modell des klassischen harmonischen Oszillators Als einfachstes Modell für ein 2-atomiges Molekül kann die Kraft zwischen den Atomen wie eine Federkraft mit Hilfe des Hook’sches Gesetz beschrieben werden: (2) FFeder k r req k req ... Gleichgewichtsabstand (Abb. 2) r req ... Auslenkung aus der Ruhelage k ... Kraftkonstante (Federkonstante) FFeder ... Rückstellkraft der Feder Negatives Vorzeichen: wird eine Masse in Richtung r bewegt so wirkt die Federkraft in Richtung -r. Betrachtet man die Energie, die man in das System stecken muss um die Feder auszulenken, benötigt man eine Kraft, die in Richtung von r wirken muss. (3) F k r req k Die dafür benötigte Energie ergibt sich zu: E F r dr 2 k k r req 2 2 2 (4) Dies ist die Energie die benötigt wird, um den Abstand der Atome von req auf r zu ändern (Abb. 2). Abb. 2. Parabolischer Verlauf der Energie als Funktion der Änderung des Abstandes zwischen den zwei Atomen (das erste Atom A befindet sich in dieser Darstellung immer im Punkt r=0, aus 4). Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 3 Wird eine Masse (Atom) dieses Systems ausgelenkt und losgelassen, so wird das System eine Schwingung um den Gleichgewichtsabstand req durchführen. In der Mechanik wird gezeigt, dass die Bewegung von zwei Teilchen mit den Massen m1 und m2 und dem Abstand req um einen gemeinsamen Schwerpunkt erfolgt. Die Bewegung der beiden Teilchen kann auf die Bewegung eines einzelnen fiktiven Teilchens reduziert werden. Die Masse dieses Teilchens bezeichnet man als reduzierte Masse m1 m2 m1 m2 (5) Die Bewegungsgleichung dieses Systems erhält man, indem ein Kräftegleichgewicht zwischen der durch die Feder ausgeübten Kraft und der entgegen wirkenden Trägheitskraft ansetzt. FFeder a k (6) d 2 dt 2 und erhält damit folgende Differentialgleichung (7) d 2 k 2 2 dt mit der Lösung 0 sin t mit (8) k Die Frequenz ( 8 ) mit der das System schwingt hängt also nur von der reduzierten Masse und damit von beiden Massen m1 , m2 , und von der Kraftkonstanten k ab. 2.1.2 Der quantenmechanische harmonischen Oszillators Beim klassischen harmonischen Oszillator hängt die Energie von der Auslenkung 0 ab und ist somit kontinuierlich veränderbar. Die Lösung der Schrödingergleichung führt zu den quantenmechanisch möglichen Zuständen der untersuchten Systeme. Für den harmonischen Oszillator ergeben sich dabei folgende mögliche Energiezustände 1 E k k h f osz mit k 0,1,2... 2 (9) Aus der Wechselwirkung mit dem elektromagnetischen Feld ergeben sich für ein 2atomiges Molekül mit einem sich ändernden Dipolmoment nur folgende erlaubte Übergänge (Auswahlregel) k 1 ( 10 ) Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 4 Die Energiedifferenz eines Übergangs ist damit beim harmonischen Oszillator für alle Übergänge gleich (Abb. 3) 1 1 E E i E i 1 k i h f osz k i 1 h f osz k i k i 1 h f osz 2 2 E h f osz Vergleicht man die benötigte Energiedifferenz für einen ( 11 ) mit der Energie einer einfallenden elektromagnetischen Welle E h f osz h ( 11 ) Übergang ( 12 ) so erkennt man, dass die Schwingungsfrequenz des Moleküls f osz mit der Frequenz der elektromagnetischen Strahlung übereinstimmen muss, damit ein Übergang und damit die Absorption des Lichtquants möglich wird. Dies ist auch klassisch interpretierter. Das schwingende Molekül kann Strahlung nur dann absorbieren, wenn es mit einer kohärenten Schwingung (gleiche Frequenz) in Wechselwirkung tritt. Abb. 3. Erlaubte Energieniveaus und Übergänge eines zweiatomigen Moleküls unter Annahme einer einfachen harmonischen Bewegung (aus 4). Zum Schluss sei noch einmal darauf hingewiesen, dass ein 2-atomiges Molekül nur dann elektromagnetische Strahlung absorbieren kann, wenn es aus unterschiedlichen Atomen aufgebaut ist, da sonst kein sich änderndes Dipolmoment vorhanden ist (Die Auswahlregel für dieses System würde keine Übergänge ermöglichen). 2.1.3 Der quantenmechanische anharmonische Oszillator Der anharmonische Oszillator beschreibt ein realeres Energiepotential das durch die empirisch ermittelte Morsefunktion ( 13 ) gegeben ist (Abb. 4). E Deq. 1 e ( 13 ) a ( req . r ) 2 Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 5 Abb. 4 Erlaubte Schwingungsenergiezustände und exemplarische Übergänge eines 2atomigen Moleküls unter Annahme des Energiepotentials eines anharmonischen Oszillators (aus 4). Durch Lösung der Schrödingergleichung ergeben sich folgende Energieniveaus: 2 1 1 Ek k h f e - k h f e x e 2 2 3... mit k 0,1,2... ( 14 ) Im Gegensatz zum harmonischen Oszillator sind aufgrund der Auswahlregeln hier auch Übergänge zwischen weiter entfernten Energieniveaus möglich (Übergänge höherer Ordnung). k 1,2,3,... ( 15 ) 2.2 Vibrationsmoden mehratomiger Moleküle 2.2.1 Schwingungsfreiheitsgrade, Normalschwingungen Ein Molekül mit N Atomen besitzt 3N Bewegungsfreiheitsgrade. Translationen aller Atome in den 3 Raumrichtungen und Rotationen um die drei Koordinatenachsen ändern jedoch weder die Abstände der Atome noch die Winkel zwischen den Atomen. Es bleiben also 3N-6 Schwingungsfreiheitsgrade. Bei linearen Molekülen sind nur zwei Rotationsfreiheitsgrade abzuziehen, da eine Rotation um die Molekülachse die Lage der Atome nicht ändert. Lineare Moleküle besitzen also 3N5 Schwingungsfreiheitsgrade. Diese 3N-6 (3N-5) Schwingungen heißen Normaloder Grundschwingungen, bei denen sich alle Atome des Moleküls mit gleicher Frequenz und gleicher Phase bewegen. Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 6 2.2.2 Gruppenschwingungen und Gerüstschwingungen Bei großen Molekülen können niemals alle Normalschwingungen zugeordnet werden. Viele Funktionelle Gruppen besitzen jedoch charakteristische Schwingungen die weitgehend unabhängig vom Rest des Moleküls sind. Diese Schwingungen werden Gruppenschwingungen (Abb. 5, Abb. 6) genannt. Die Vielzahl der restlichen Normalschwingungen bilden hingegen oft ein charakteristisches Muster (Fingerprint) für das Molekülgerüst und werden daher Gerüstschwingungen (Abb. 6) genannt. Abb. 5 Bezeichnungen für verschiedene Arten von Gruppenschwingungen (aus 2). Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 7 Abb. 6: Absorptionsbereiche des IR-Spektrums. Gruppenschwingungen und Gerüstschwingung von Aceton (aus 2). 2.2.3 Beispiel: Normalschwingungen der Amidbindung Zur theoretischen Berechnung der Normalschwingungen der Amidgruppe wird ein vereinfachtes Modell der Amidbindung verwendet (3). Dabei werden neben den zentralen Atomen der Amidbindung O, C, N und H die vorne und hinten angrenzenden Strukturen nur mehr als zwei einzelne Teilchen betrachtet (Abb. 7). Abb. 7: Modell der Amidbindung bei der die angrenzenden Strukturen nur mehr als einzelne Masseteilchen C1 und C4 betrachtet werden (aus 3). Die Normalkoordinatenanalyse der 6 Teilchen ergibt 3*6-6=12 Normalschwingungen (Abb. 8). Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 8 Abb. 8: Normalschwingungen der modellhaften Amidbindung aus Abb. 7. (a) NH strech; (b) amide I; (c) amide II; (d) amid III; (e) amide IV; (f) amide V; (g) amide VI; (h) :amide VII; (i) 1070; (j) 909; (k) 498; (l) 274 (aus 3).Grundlagen der FTIR-Spektroskopie 2.3 IR aktive Schwingungen Damit eine Molekülschwingung Infrarotlicht absorbieren kann, muss diese ein sich änderndes Dipolmoment besitzen. Klassisch gesehen muss die Schwingung ein elektromagnetisches Feld erzeugen, welches mit dem elektromagnetischen Feld der einfallenden Welle in Wechselwirkung treten kann. Das Dipolmoment ist definiert als: ( 16 ) q l mit der Ladung q und dem Abstand zwischen den Ladungen l . Die Änderung des Dipolmomentes mit der Zeit ist damit ( 17 ) d Mi dt Schwingungs-Spektroskopie Molekülschwingungen 9 Ist für eine bestimmte Schwingung M i 0 , so kann diese Schwingung keine Infrarotstrahlung absorbieren. Dipolmomentsänderungen durch Vibrationen: Durch die Bewegung der einzelnen Atome kommt es zu Änderungen des Abstandes l zwischen den Atomen. Besitzen die Atome zusätzlich partielle Ladungen so verursachen diese Bewegungen Änderungen des Dipolmomentes. 2.3.1 Beispiel CO2 Schwingungstypen Symmetrische Streckschwingung (symmetric stretching vibration) Abb. 9 Symmetrische Streckschwingung von CO2. Dipolmoment des gesamten Moleküls während der gesamten Bewegung gleich 0 (aus 4). Asymmetrische Streckschwingung (asymmetric stretching vibration) Abb. 10 Asymmetrische Streckschwingung von CO2. Durch die asymmetrische Bewegung kommt es zu einer Änderung des Dipolmomentes (aus 4). Biegeschwingung (bending vibration) Abb. 11 Biegeschwingung von CO2. Durch die Änderung der Bindungswinkel kommt es zu einer Änderung des Dipolmomentes (aus 4). Schwingungs-Spektroskopie Rotationsschwingungen 10 3 Rotationsschwingungen 3.1 Rotationsenergie Vor allem in gasförmigen Zustand, weisen Moleküle neben ihrer Schwingungsenergie auch Rotationsenergie auf (im flüssigen Zustand sind Rotationen stark behindert, im kristallisierten Zustand völlig eingefroren). Im klassischen Modell ergibt sich die Rotationsenergie zu ( 18 ) I 2 Er 2 Für ein zweiatomiges Molekül ergibt sich für das Trägheitsmoment I I m1 r12 m 2 r22 m1 m 2 2 r r 2 m1 m 2 ( 19 ) Wird die Energie des rotierenden Systems wieder quantenmechanisch betrachtet ergibt die Lösung der entsprechenden Schrödinger-Gleichung die diskreten Energieeigenwerte Er h2 8 2 I J J 1 J 0,1,2... ( 20 ) Die Rotationsquantenzahl J kann somit 0 oder positive ganzzahlige Werte annehmen. Ein Molekül im Rotationsgrundzustand J=0 weist somit im Gegensatz zum Schwingungszustand keine Rotationsenergie auf. Rotationsenergien sind umso kleiner, je größer das Trägheitsmoment I ist. Abb. 12: Termschema des rotierenden Oszillators (schematisch, in einer maßstäblichen Darstellung sind die Abstände der Rotationsterme relativ zu den Abständen der Schwingungsniveaus kleiner, aus 5). Schwingungs-Spektroskopie Rotationsschwingungen 11 3.2 Termschema des rotierenden Oszillators Selbstverständlich führen die Moleküle Rotations- und Schwingungsbewegungen gleichzeitig aus. Damit setzt sich die Molekülenergie aus den Energieanteilen des anharmonischen Oszillators und des starren Rotators zusammen (Abb. 12). Als Auswahlregeln für den Übergang der Rotationsquantenzahl gilt J 1 ( 21 ) In Ausnahmefällen (z.B. paramagnetische Moleküle auch J 0,1 ( 22 ) Damit ergibt sich für ein Rotationsschwingungsspektrum beim Übergang eines Schwingungsniveaus eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Übergänge der Rotationsniveaus und daher auch eine Vielzahl an Banden im Spektrum (sofern diese messtechnisch aufgelöst werden, Abb. 13). Abb. 13: Mögliche Energieübergänge beim rotierenden Oszillator. Übergang vom Schwingungs-Grundzustand in das erste angeregte Schwingungsniveau bei gleichzeitig auftretenden Rotationsniveaus. Es sind nur Übergänge mit Änderung der Rotationsquantenzahl J = +1 (R-Zweig) oder –1 (Q-Zweig) erlaubt. Schwingungs-Spektroskopie Raman aktive Schwingungen 12 4 Raman aktive Schwingungen Wenn Licht Materie durchdringt kommt es neben den bereits besprochenen Wechselwirkungen (Absorptionen) auch zu reinen Streueffekten. Wird das Licht vollkommen elastisch gestreut, hat das gestreute Licht die selbe Energie wie vor der Streuung, allerdings eine andere Richtung (Rayleigh Streuung). Wird eine Probe mit monochromatischem Licht durchstrahlt misst man in allen Raumrichtungen das gestreute Licht mit gleicher Wellenlänge. Zusätzlich findet man aber in der Streustrahlung auch Licht mit diskreten Frequenzen knapp über und knapp unter der Frequenz des ursprünglichen einfallenden Lichts. Der Effekt wurde 1923 von Adolf Smekal vorhergesagt – deswegen auch ab und zu als Smekal-Raman-Effekt bezeichnet - und 1928 durch Raman und Krishnan (an Flüssigkeiten) sowie unabhängig davon durch Grigory Landsberg und Leonid Mandelstam (an Kristallen) nachgewiesen. Raman erhielt dafür 1930 den Nobelpreis für Physik. Der Anteil des frequenzverschobenen Lichtes ist jedoch um einen Faktor 103 bis 104 geringer als der des elastisch gestreuten Lichtes, welches als Rayleigh-Streuung bezeichnet wird. 4.1 Teilchenmodell Wird Licht als Teilchen (Photon) betrachtet, so ist die Energie eines Photons h. Die Photonen können nun Stöße mit den Molekülen eingehen. Ist der Stoß vollkommen elastisch, werden die Teilchen in Ihrer Energie ungeändert abgelenkt. Kommt es jedoch zu einer inelastischen Kollision kann Energie zwischen dem Teilchen und dem Photon ausgetauscht werden. Das Molekül kann dabei Energie in der Höhe E vom Photon aufnehmen oder auch an das Photon abgeben. E muss dabei wiederum dem Unterschied in den Energieniveaus vibratorischer (oder rotatorischer) Energiezustände des Moleküls entsprechen. Wenn das Molekül Energie vom Photon aufnimmt so wird das gestreute Licht nur mehr die Energie h-E, bzw. die Frequenz -E/h aufweisen. Umgekehrt wird die Frequenz des gestreuten Photons bei Energieaufnahme um E/h erhöht. Die gestreute Strahlung mit um E/h niedrigerer Frequenz wird als Stokes Strahlung bezeichnet, die Strahlung mit höherer Energie als Anti-Stokes Strahlung (Abb. 14). Die Intensität der Stokes Strahlung ist generell intensiver jedoch noch immer klein gegenüber der Intensität der Raleigh Streuung. Schwingungs-Spektroskopie Raman aktive Schwingungen 13 Abb. 14: Prinzipielle Darstellung eines Raman-Spektrums. Man erkennt, dass die Raman-Linien unterhalb und oberhalb der Rayleigh-Linie symmetrisch angeordnet sind. Die jeweiligen Wellenzahlverschiebungen entsprechen den Schwingungsfrequenzen des Moleküls. Die Verschiebung zu niedrigeren Wellenzahlen (niedrigere Frequenz und niedrigere Energie) nennt man Stokes-Verschiebung und die dazugehörigen Banden bezeichnet man als Stokes-Linien. Dementsprechend bezeichnet man die Verschiebung zu höheren Wellenzahlen (höhere Frequenz und höhere Energie) als Anti-StokesVerschiebung und die Banden als Anti-Stokes-Linien. Die Wellenzahl der Rayleigh-Linie entspricht in Wirklichkeit der Wellenzahl der anregenden Strahlung. Um die RamanSpektren einfacher mit IR-Spektren vergleichen zu können, setzt man den Wert der Rayleigh-Linie auf Null. Der Betrag der Raman-Verschiebungen ist aber für alle Anregungswellenlängen gleich. Desweiteren misst man in der Raman-Spektroskopie häufig nur die Stokes-Linien, da sie intensiver als die Anti-Stokes-Linien sind. Deshalb wird das negative Vorzeichen oft weggelassen (von: http://www.chemgapedia.de). 4.2 Klassische Theorie der Raman Streuung Die klassische Beschreibung der Raman Streuung beruht auf dem Begriff der Polarisierbarkeit von Molekülen. Wenn ein Molekül einem elektrischen Feld ausgesetzt wird kommt es zu Änderungen in der Ladungsverteilung im Molekül und einem damit verbundenem induzierten Dipolmoment. Die Größe des induzierten Dipols i hängt von der Größe des äußeren elektrischen Feldes E und der Fähigkeit des Moleküls den Dipol zu induzieren (Polarisierbarkeit ) ab. i E ( 23 ) Wird das Molekül dem Feld einer elektromagnetischen Welle E E0 sin 2t ( 24 ) ausgesetzt wird der induzierte Dipol ebenfalls mit dieser Frequenz oszillieren i E E0 sin 2t ( 25 ) Wird die Polarisierbarkeit jedoch auch durch Änderungen der Molekülgeometrie, z.B. durch Vibrationen des Moleküls beeinflusst, so ist nicht mehr konstant sondern wird durch die Molekülschwingung moduliert, 0 M sin 2 M t ( 26 ) und der induzierte Dipols i wird zu i 0 E0 sin 2t M E0 sin 2 M t sin 2t Mit Hilfe der trigonometrischen Relation Schwingungs-Spektroskopie ( 27 ) Raman aktive Schwingungen sin sin 14 1 cos( ) cos( ) 2 ( 28 ) wird ( 27 ) zu i 0 E0 sin 2t M E0 cos2 vM t cos2 vM t 1 2 ( 29 ) Damit hat der oszillierende Dipol Frequenzkomponenten mit und vM . Die Frequenzkomponenten mit den Frequenzen der Stokes und Anti-Stokes Linien, vM treten nach ( 29 ) nur auf, wenn M 0 ist. Eine Molekülschwingung ist daher nur dann Raman-aktiv, wenn die Molekülschwingung die Polarisierbarkeit des Moleküls moduliert. Wenn ein Molekül eine geringe oder keine Symmetrie aufweist sind im allgemeinen alle Schwingungsmoden Raman-aktiv. Bei Molekülen mit höherem Symmetriegrad ist es im allgemeinen nicht ohne nähere Untersuchungen möglich, eine Aussage zu treffen ob einzelne Schwingungsmoden die Polarisierbarkeit des Moleküls modulieren und damit Raman-aktiv sind. Eine allgemein gültige Regel (mutual exclusion) ist jedoch, dass bei Molekülen mit Symmetriezentrum Infrarot-aktive Schwingungen Raman-inaktiv und IR-inaktive Schwingungen Raman-aktiv sind. Als Beispiel dafür ist in Abb. 15 die Änderung der Polarisierbarkeit und des Dipolmoments bei der symmetrischen und asymmetrischen Streckschwingung des CO2-Moleküls gezeigt (siehe auch Abb. 9-Abb. 11). Im Prinzip liefert die Ramanstreuung dieselbe Information wie die Infrarotabsorption, nämlich die Frequenzen der Molekülschwingungen. Beide Effekte beruhen jedoch auf ganz unterschiedlichen physikalischen Prozessen. Infrarotabsorption geschieht dann, wenn die Molekülschwingung eine Änderung des permanenten Dipolmoments verursacht, während Ramanstreuung auftritt, wenn die Molekülschwingung die Polarisierbarkeit moduliert. Zusätzlich existieren für Ramanstreuung und Infrarotabsorption unterschiedliche Auswahlregeln, die von den Symmetrieeigenschaften des Moleküls abhängen. Abb. 15: Änderung der Polarisierbarkeit und des Dipolmoments bei der symmetrischen und asymmetrischen Streckschwingung des CO2-Moleküls (aus 2). Schwingungs-Spektroskopie Vergleich von IR- und Ramanspektren 15 5 Vergleich von IR- und Ramanspektren Die Raman-Spektroskopie eignet sich daher besonders zur Charakterisierung unpolarer oder wenig polarer Bindungen, wie z. B. CC, C=C, N=N, C-C, O-O, S-S sowie von Ringen. Die Gerüstschwingungen von (C-C)-Bindungen in Ringen sind im Raman-Spektrum meist wesentlich stärker als im IR-Spektrum. Dadurch lassen sich die Strukturen von Molekülgerüsten zuordnen. Umgekehrt sind die starken und charakteristischen IR-Banden polarer Gruppen wie C=O und O-H im Raman-Spektrum nur schwach vertreten. Dies ermöglicht, auch Wasser als Lösungsmittel zu verwenden. In der IR-Spektroskopie ist Wasser wegen seiner starken Eigenabsorption ein schlecht geeignetes Lösungsmittel. Dagegen können von wässrigen Lösungen ohne weiteres Raman-Spektren aufgenommen werden, da in Glasküvetten gearbeitet wird und Wasser ein linienarmes, wenig intensives Raman-Spektrum besitzt. Ein Vergleich zwischen den Banden des Raman- und IR-Spektrums von Dichlorethylen ist in Abb. 16 und in Tab. 1 dargestellt. Abb. 16: IR-Transmissionsspektrum und Laser-Raman-Spektrum von Dichlorethylen. Die Bandenzuordnung ist in Tab. 1 angegeben (aus 2). Schwingungs-Spektroskopie Vergleich von IR- und Ramanspektren Tab. 1: Zuordnung der IR- und Ramanbanden von Dichlorethylen (Abb. 16, aus 2). Schwingungs-Spektroskopie 16 Absorption von Licht, Lambert-Beer Gesetz 17 6 Absorption von Licht, Lambert-Beer Gesetz Die möglichen Energiezustände eines Systems (z.B. eines Moleküls) sind nicht kontinuierlich veränderbar sondern nur in diskreten Schritten (quantisiert). Der Übergang zwischen zwei Energieniveaus E1, E2 kann nur stattfinden, wenn das System Energie mit dem Betrag E E1 E2 h aufnehmen (absorbieren) oder abgeben (emittieren) kann. Alle, in Materie vorkommenden Energiezustände können, durch quantenmechanische Auswahlregeln beschränkt, in andere Energiezustände übergehen. Die, für den Übergang in ein höheres Energieniveau notwendige Energie kann bei spektroskopischen Untersuchungen von der einfallenden Strahlung absorbiert (aufgenommen) werden. Dadurch vermindert sich die Intensität der einfallenden Strahlung im entsprechenden Frequenzbereich (Energiebereich). Die Intensität I oder Strahlungsflussdichte ist proportional zum Quadrat des elektrischen Feldes der Lichtwelle: I E 2 . Bezeichnet man die frequenzabhängige Strahlungsintensität vor der Probe (Referenz, Background) mit I0() und die frequenzabhängige Strahlungsintensität nach der Probe mit I() so ergibt sich für die Durchlässigkeit (Transmission) T der Probe folgendes Verhältnis: T ( ) I ( ) I 0 ( ) ( 30 ) Die Transmission in Abhängigkeit der Frequenz aufgetragen ergibt das Transmissionsspektrum. Wenn eine Probe bei einer bestimmten Frequenz 1 keine Strahlung absorbiert, ist die Intensität I(1) gleich I0(1). Die Transmission wird damit T(1)=1 (100%). Entsprechend ergibt sich für eine Frequenz 2, bei der die gesamte Strahlung absorbiert wird ein I(2)=0, und damit eine Transmission T(2)=0. Bereits 1760 fand Lambert, dass die Abnahme der Strahlungsintensität bei ihrem Weg durch die Materie proportional zur jeweiligen Intensität erfolgt: dI I dx ( 31 ) Durch Integration erhält man für eine Probe der Dicke d: I dI dx I 0 d I I 0 ln ( 32 ) I d I0 Beer erkannte 1852 den Einfluss der Konzentration c auf die Strahlungsschwächung: ln ( 33 ) I c d I0 wobei ' den Napier'schen Absorptionskoeffizient (natürlicher log) angibt. Durch Übergang zum dekadischen Logarithmus bekommt man das LambertBeer'sche Gesetz: T I e c d 10 c d I0 bzw. frequenzabhängig T Schwingungs-Spektroskopie I 10 c d I 0 ( 34 ) Absorption von Licht, Lambert-Beer Gesetz mit loge und dem dekadischen Absorptionskoeffizienten (Stoffkonstante). 18 Der Exponent ist die zur Konzentration und Schichtdicke proportionale Absorbanz A( ) A( ) ( ) c d ( 35 ) mit dem molarern Extinktionskoeffizient () (dekadisch), der Konzentration c in mol/l und der Schichtdicke d der Probe in cm. Dieser von Bouguer, Lambert und Beer beschriebene Zusammenhang gilt für verdünnte Lösungen (bei höheren Konzentrationen kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den Molekülen, die eine Änderung von bewirken können). Damit lässt sich das Absorptionsspektrum (A als Funktion von ) darstellen. Die Darstellung in Form der Transmission wird häufig verwendet, um Spektren qualitativ zu beschreiben (wo treten Absorptionen auf, chemische Analyse). Der Vorteil der Darstellung als Absorbanz folgt aus dem linearen Zusammenhang zwischen Absorbanz und Probenkonzentration (Probendicke). Deshalb werden bei quantitativen Fragestellungen im allgemeinen Absorptionsspektren angegeben. Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 19 7 FTIR-Spektrometer 7.1 Vorteile der Spektroskopie. FTIR-Spektroskopie gegenüber der dispersiven IR- Die FTIR-Spektroskopie zeichnet sich durch die wesentlich kürzeren Messzeiten verglichen mit herkömmlicher dispersiver Spektroskopie und ein damit verbundenes höheres Signal-Rausch-Verhältnis aus. Sie hat daher praktisch in allen Bereichen Vorteile gegenüber dispersiven Verfahren. 7.1.1 Durchsatz- oder Jacquinot-Vorteil Durch Wegfall des bei der dispersiven Spektroskopie nötigen Spaltes, welcher die Auflösung bestimmt, erreicht eine größere Lichtmenge den Detektor. Es können kreisrunde Blenden verwendet werden, die anders als bei der dispersiven Spektroskopie das Licht auch streuen können, solange nicht die nächste Beugungsordnung zum Interferometer gelangt. Es lässt sich so die Lichtausbeute um den Faktor 200 verbessern und damit wiederum das Signal-Rausch-Verhältnis. 7.1.2 Multiplex- oder Fellgett-Vorteil Durch die Verwendung eines Interferometers statt eines Gitters wird das Spektrum nicht kontinuierlich in Abhängigkeit von der Wellenlänge gemessen, sondern gleichsam alle Wellenlängen gleichzeitig als Momentaufnahme über den gesamten definierten Spektralbereich (Frequenzbereich). Dadurch erhöht sich das SignalRausch-Verhältnis um \sqrt[2]{N} (bei N Spektralelementen). 7.1.3 Connes-Vorteil Durch die Verwendung eines HeNe-Lasers als Referenz ergibt sich eine wesentlich höhere Genauigkeit der Frequenz- oder Wellenlängen-Achse im IR-Spektrum als bei der dispersiven Spektroskopie. Eine Frequenzgenauigkeit von 0,001 cm−1 ist erreichbar. 7.2 FTIR-Prinzip (nach 6) 7.2.1 Interferometer Der prinzipielle Aufbau eines FTIR-Spektrometers ist in Abb. 17 dargestellt. An der Stelle =0 ist der feste und der bewegliche Spiegel gleich weit vom Beamsplitter entfernt (zero retardation). Bei einer polychromatischen Lichtquelle entspricht dieser Punkt dem Interferogrammpeak da nur an dieser Stelle alle Wellenzahlen positiv interferieren. Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 20 Abb. 17: Blockdiagramm eines FTIR Spektrometers. Die Abbildung zeigt auch das Interferogramm einer monochromatischen Lichtquelle (z.B. Laser) und das daraus, durch die Fourier-Transformation erhaltene Spektrum. ...optischer Wegunterschied zwischen festen und beweglichen Spiegel (path difference, retardation, aus Perkins 19867). 7.2.2 Interferogramm 7.2.2.1 Monochromatische Lichtquelle Theoretische Intensität bei idealem Beamsplitter (nach Lit. 6): th I mono I ~ I ~ 1 cos 2~ 1 cos 2 2 2 ( 36 ) Die gemessene Intensität I hängt nicht nur von der Quelle I ~ sondern auch von den Eigenschaften des Beamsplitters, der Spiegel, des Detektors, und der elektronischen Filter ab. Diese können jedoch in einen geräteabhängigen Faktor H ~ zusammengefasst werden. H ~ I ~ 1 cos 2~ B~ 1 cos 2~ I 2 DC AC ~ ~ ~ B B cos 2~ I mono I mono korr mono ( 37 ) mit dem konstanten Term B~ (DC-Komponente) und dem ortsabhängigen Term: AC B~ cos 2~ I mono ( 38 ) Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 21 7.2.2.2 Polychromatische Lichtquelle Integration von ( 38 ) über alle Wellenzahlen: I AC B cos 2 d ~ ~ ~ ( 39 ) 0 ( 39 ) kann mathematisch als Fourierreihe mit reinen Kosinustermen und den Fourierkoeffizienten B~ (=Spektrum) angesehen werden. Die Fourierkoeffizienten B~ berechnen sich damit zu: B~ ~ I cos 2 d AC ( 40 ) da I AC im Idealfall eine gerade (symmetrische) Funktion um =0 ist wird ( 40 ) zu: B~ 2 I AC cos 2~ d ( 41 ) 0 Abb. 18: Beispiele von Spektren (links) und den zugehörigen Interferogrammen (rechts). A Monochromatische Quelle. B Zwei monochromatische Quellen. C LORENTZ-Verteilung. D Breitbandiges Spektrum einer polychromatischen Quelle (aus Herres und Gronholz 19848). Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 22 7.3 Auflösung Bei Messung des Interferogramms ( 39 ) für alle Wellenzahlen (0 bis ) geht die theoretische Auflösung ~ 0 . Aus ( 40 ) ist jedoch ersichtlich, dass dazu das Interferogramm von - bis aufgezeichnet werden müsste. Da das Interferogramm jedoch nur in einem endlichen Bereich gemessen wird, verringert sich auch die Auflösung. Mathematisch bedeutet das Messen eines endlichen Interferogramms der Multiplikation des Interferogramms mit einer Rechteckfunktion (Boxcar-function): D 1 für - < < + D 0 für < - und für > ( 42 ) Damit wird ( 40 ) zu B Box ~ I AC cos 2~ d ( 43 ) AC ~ I D cos 2 d Die Fouriertransformierte des Produkts zweier Funktionen entspricht mathematisch einer Faltung der Fouriertransformierten der einzelnen Funktionen. Die KosinusFouriertransformierte der Rechteckfunktion ( 42 ) ergibt (Abb. 19a): ( 44 ) sin 2~ f ~ 2 2 sinc2~ ~ 2 und die Faltung mit dem Spektrum B~mono einer monochromatischen Quelle der Frequenz ~mono (Abb. 19b) B~ 2 B~mono sinc2 ~mono ~ ( 45 ) Abb. 19: a Die Funktion 2 sinc2~ ( 44 ) als Ergebnis der Fourier-Transformation der Boxcar-Funktion D . b Ergebnis der Faltung ( 45 ) von (a) mit einer scharfen Spektrallinie bei ~1 ~mono (aus 6). Die Nullstellen der Funktion ( 45 ) treten bei: Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 23 2 ~mono ~Null n 2~ ~ n mono n mono Null 2 n ~Null ~mono 2 ~ ( 46 ) Null mit n=1,2,3 ~ 1 cm 1 von ~mono 2 entfernt. Spektrallinien die um das zweifache dieses Betrags getrennt sind werden daher vollkommen aufgelöst. Die Auflösung ist damit: auf (Abb. 19). Die benachbarten Nullstellen sind somit um jeweils ~ 1 cm 1 ( 47 ) 7.4 Spektrale Bandbreite (Wellenzahlbereich) Der Bereich der Wellenzahlen, die das Spektrum enthalten soll, ist direkt mit der Digitalisierung des Interferogramms verbunden. 7.4.1 Abtast- (Sampling-) Theorem Das Abtasttheorem stammt aus der Informationstheorie, und gibt an mit welcher Frequenz eine analoge Funktion abgetastet (digitalisiert) werden muss, um die Information dieser Funktion vollständig zu erhalten. Das heißt, dass aus den diskreten (digitalisierten) Werten die Funktion ohne Verlust von Information wiederhergestellt werden kann (da bei der Digitalisierung nicht entschieden werden kann ob ein spezieller Wert Signal oder Rauschen darstellt, muss auch das Rauschen als Information betrachtet und daher auch aus den gemessenen diskreten Werten vollständig wiederhergestellt werden können). Dieser Wunsch ist nur durch eine zusätzliche Vorgabe erreichbar: Die Bandbreite (der gesamte Frequenzbereich) der zu digitalisierenden Funktion muss bekannt sein. Dies wird im allgemeinen dadurch erreicht, dass die Funktion vor dem Digitalisieren gefiltert wird, so dass die Bandbreite der gefilterten Funktion bekannt ist. Die Filtergrenzen werden dabei so gewählt, dass sämtliche informationsrelevanten Frequenzen der Funktion im gefilterten Signal vorhanden bleiben. Bildet der Filter einen sogenannten Tiefpass (es können nur tiefe Frequenzen den Filter passieren) ist die Bandbreite der Funktion nur durch eine Höchstfrequenz f max definiert. Für diesen Fall besagt das Abtasttheorem, dass die Abtastrate mindestens 2 f max sein muss (dies entspricht der Forderung, dass das Abtastintervall kleiner als die halbe Wellenlänge der höchsten in der Funktion vorkommenden Frequenz ist Abb. 20). Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 24 Abb. 20: Die hochfrequente Funktion wird korrekt abgetastet, wenn das Abtastintervall kleiner als die halbe Wellenlänge ist (A). Würde nur jeder zweite Abtastpunkt zur Digitalisierung verwendet werden so wäre die Rekonstruktion der Funktion nicht mehr eindeutig, da auch die niederfrequentere Funktion (B) durch die Abtastwerte gelegt werden kann (aus 6). Wird die Funktion in Abb. 20 korrekt abgetastet so wird eine Frequenzanalyse ein Spektrum mit einem Peak bei der korrekten Frequenz ergeben. Im Falle der zu niedrigen Abtastrate in Abb. 20 würde auch eine Frequenzanalyse die dargestellte niederfrequente Funktion ergeben. Die für eine bestimmte Abtastrate zu hohen (in der Funktion vorkommenden) Frequenzen treten in der Analyse (beim Wiederherstellen) der Funktion im Bereich niedrigerer Frequenzen wieder auf (Faltung oder aliasing, Abb. 21). Wird eine Funktion mit einem Bandpassfilter gefiltert so bleiben in der gefilterten Funktion nur mehr Frequenzen im Bereich f min f f max übrig. Wird dies bei der Frequenzanalyse (oder beim Wiederherstellen) der Funktion berücksichtigt so kann die Abtastrate auch kleiner als 2 f max sein. Im Beispiel der Abb. 21 würde eine Frequenzanalyse das Frequenzband M richtig wiedergeben, falls vorausgesetzt wird, dass in der Funktion nur Frequenzen zwischen F und 2F vorkommen können. Das Frequenzband L würde jedoch auch wieder gefaltet im Spektrum auftreten wenn es nicht durch den entsprechenden Bandpassfilter vor dem Digitalisieren entfernt wird. Es ist allgemein gültig, dass die für eine bestimmte Abtastrate zu hohen oder zu niedrigen Frequenzen in der Analyse (beim Wiederherstellen) der Funktion im Bereich anderer Frequenzen auftreten (Abb. 21). Abb. 21: Faltung (aliasing) von in einer Funktion vorkommenden Frequenzen in andere Frquenzbereiche. Die Abtastrate beträgt 2F. Die Frequenzbänder L und M liegen somit außerhalb des Frequenzbereichs F der korrekt wiederhergestellt werden könnte. Sind die Frequenzbänder trotzdem während der Digitalisierung im Signal enthalten so würden sie in einer Frequenzanalyse in den dargestellten Bereich zwischen 0 und F gefaltet werden, d.h. das Spektrum würde nicht vorhandene Intensitäten bei M- und L-folded anzeigen (aus 6). Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 25 Das Abtasttheorem in der allgemeinen Form lautet somit: f s 2 f max f min ( 48 ) f s ...Abtastfrequenz f max(min)...maximale (minimale) in der Funktion vorkommende Frequenz 7.4.2 Digitalisieren der Interferogrammfunktion und spektrale Bandbreite Der AC-Anteil der Interferogrammfunktion ist in Gleichung ( 39 ) definiert. I AC B~ cos 2~ d~ ( 49 ) 0 Die Integrationsgrenze für den Bereich der Wellenzahlen läuft von 0 bis . Aufgrund der Eigenschaften der Strahlungsquelle, der optischen Komponenten und der elektrischen Eigenschaften von Detektor und Verstärkern besitzen die Koeffizienten B~ nur in einem endlichen Bereich Werte ungleich 0. Das Digitalisieren der Interferogrammfunktion muss so erfolgen, dass alle Frequenzen ~ , für die B~ 0 ist richtig erfasst werden. Betrachtet man die in Abb. 17 dargestellte Interferogrammfunktion einer monochromatischen Strahlungsquelle so erkennt man, 1 dass das Abtastintervall ~ sein muss, um die Interferogrammfunktion 2 2 ohne Informationsverlust zu digitalisieren (optischer Wegunterschieds ). Damit werden natürlich auch alle Frequenzen mit kleineren Wellenzahlen (größerem ) richtig digitalisiert und es ergibt sich die Bedingung für die Abtastung einer Bandbreite von 0 ~ ~max : ( 50 ) 1 ~ 2 max Wird die Bandbreite durch optisch oder elektrisch Filter auch nach unten begrenzt ~min ~ ~max wird das minimale Abtastintervall mit ( 48 ) zu ( 51 ) 1 ~ 2( max ~min ) 7.5 Phasenkorrektur Bis jetzt wurde angenommen, dass Gleichungen ( 39 ) und ( 41 ) eine genaue Beschreibung des Interferogramms liefern. In der Praxis müssen jedoch Korrekturen zum Phasenwinkel 2 hinzugefügt werden, um das gemessene Interferogramm darzustellen. Die Korrekturen werden durch optische und elektronische Effekte sowie durch das „sampling“ (Digitalisieren) notwendig. Der Phasenfehler ist im allgemeinen abhängig von der Wellenzahl und kann mit folgendem Ansatz berücksichtigt werden. Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer I AC 26 B cos2 d ~ ~ ~ ( 52 ) 0 Da cos cos cos sin sin ist, entspricht der Addition des Phasenfehlers eine Addition von Sinuskomponenten zum ursprünglich aus reinen Kosinuskomponenten zusammengesetzten Interferogramm. Dies bewirkt, dass das Interferogramm unsymmetrisch wird. Die Gründe für die Asymmetrie werden verursacht von: Optischen Eigenschaften: Im Beamsplitter ist der Weg für unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich lang, wodurch es keine Stellung des beweglichen Spiegels gibt, bei der wirklich alle Wellenzahlen positiv interferieren. Sampling Fehler: Da das Interferogramm nur an endlichen diskreten Punkten digitalisiert wird, fällt der „zero retardation“ Punkt (Symmetriepunkt des Interferogramms an dem der bewegliche und der feste Spiegel im Prinzip gleich weit vom Beamsplitter entfernt sind) im allgemeinen nicht mit einem Abtastpunkt zusammen. Dadurch ergibt sich ein von der Wellenzahl unabhängiger Phasenfehler. Elektronische Filter: Die zur Entfernung von hochfrequentem Rauschen notwendigen analogen Filter bewirken auch bei den durchgelassenen Frequenzen wellenzahlabhängige Phasenverschiebungen. Um diesen Phasenfehler zu korrigieren wird die Phasenkorrektur durchgeführt. Dazu werden für ein doppelseitiges Interferogramm (symmetrisch um den zero-retardation Punkt) die Sinus- und die Kosinus-Komponenten und daraus das Phasenspektrum berechnet. Bei der gängigsten Phasenkorrektur nach MERTZ wird danach das einseitige nur aus Kosinus-Komponenten berechnete Spektrum für jede Wellenzahl mit dem Kosinus des dazugehörigen Phasenfehlers multipliziert. Da das Phasenspektrum einen sehr kontinuierlichen Verlauf besitzt (z.B. elektronische Filtereigenschaften) genügt zur Berechnung eine geringe Auflösung (i.a. Ph~ 128 cm 1 ). Der Anteil des vor dem zero-retardation Punkt zu messenden Interferogramms Ph muss daher nur gering sein ( 47 ). Ph 1 Ph~ cm ( 53 ) 7.6 Datenumfang Die Gesamtzahl der benötigten Datenpunkte um ein Interferogramm ohne Informationsverlust zu digitalisieren hängt nun von der Auflösung ( 47 ), der spektralen Bandbreite ( 51 ) und der Anzahl der Datenpunkte die für die Berechnung der Phasenkorrektur benötigt werden (Phasenauflösung) ab. Schwingungs-Spektroskopie FTIR-Spektrometer 27 N gesamte optisch Weglänge (Auflösung) optische Weglänge zwischen zwei Abtastpunkten N 1 1 Ph 2~max ~min ~ ~ Ph ( 54 ) ...notwendige optische Weglänge für Auflösung ~ Ph ...notw. optische Weglänge für Phasenkorr. mit Auflösung ~Ph ~ ...maximale (minimale) im Spektrum detektierbare Wellenzahl max(min) 7.7 Positionieren des beweglichen Interferometerspiegels Um den beweglichen Spiegel im Interferometer zu positionieren bzw. um dessen genaue Position zu messen, wird gleichzeitig mit der Infrarotstrahlung ein Laserstrahl durch das Interferometer geleitet. Dieser monochromatische Laserstrahl bewirkt ein Interferogramm, dessen AC-Komponente aus einer reinen Kosinusfunktion besteht ( 38 ). Die Nullstellen dieser Kosinusfunktion werden zur Bestimmung der Position des beweglichen Spiegels verwendet. Dazu durchfährt der bewegliche Spiegel beim Initialisieren des Spektrometers eine Lichtschranke um eine absolute 0-Position festzulegen. Danach werden die Nulldurchgänge des Laserinterferogramms fortlaufend gezählt (je nach Bewegungsrichtung addiert oder subtrahiert). Der optische Wegunterschied zwischen zwei Nulldurchgängen L, Null ergibt sich mit ( 38 ). 1 cos 2~L L, Null cos 2 L, Null 02 L , Null n mitn 0,1,2,3... 2 L L 1 L , Null n L L, Null L 2 2 2 ~ 15798 cm 1 ...Laserwellenzahl L ( 55 ) L 633nm... Laserwellenlänge Ohne zusätzliche Elektronik kann das Abtastintervall nur ganzzahlige Vielfache von L, Null annehmen. Ergibt sich für die notwendige spektrale Bandbreite {wanted low/high frequency limit} ( 51 ) ein bestimmtest Abtastintervall ~ ~ , so max wählt das Spektrometer das nächste kleinere Abtastintervall min n L , Null . Die tatsächliche spektrale Bandbreite {low/high folding limit} wird dann von diesem Wert bestimmt. Schwingungs-Spektroskopie Raman-Spektrometer 28 8 Raman-Spektrometer Zur Messung des Raman-Spektrums benötigt man monochromatisches Licht aus einer sehr intensiven Lichtquelle, dessen Wellenlänge zwischen dem UV- und IRGebiet liegen muss, da dort mit wenig Störabsorptionen zu rechnen ist. Allerdings können Fluoreszenz-Strahlungen aus Verunreinigungen der zu untersuchenden Probe das intensitätsschwache Raman-Streulicht vollkommen überdecken und die Aufnahme eines Raman-Spektrums unmöglich machen. Die Einführung des Lasers in den sechziger Jahren hat die benötigten Substanzmengen auf wenige Milligramm reduziert, die Registrierzeit von Stunden auf Minuten verkürzt und gleichzeitig das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert. Ursache ist die enorme Steigerung der Bestrahlungsdichte (ca. 10 Größenordnungen) gegenüber dem leistungsschwachen Quecksilber-Niederdruck-Brenner. Abb. 22: Schematischer Aufbau eines klassischen dispersiven Raman-Spektrometers. Das aus der Laser-Lichtquelle kommende monochromatische Licht tritt durch die Probe und wird vom Spiegel S1 reflektiert, um die Intensität zu verdoppeln. Das RamanStreulicht wird meist quer zur Durchstrahlungsrichtung beobachtet und mit einer Linse auf den Eintrittsspalt 1 fokussiert. Der Spiegel SZ verdoppelt die Intensität des Streulichtes. Am Gitter wird die Streustrahlung spektral zerlegt und nach Durchgang des Austrittsspaltes 2 auf den photoelektrischen Detektor fokussiert (aus 2). In Abb. 22 ist der Aufbau eines dispersiven Raman-Spektrometers schematisch angegeben. Ein großer Vorteil dispersiver Raman-Geräte besteht in der Vielzahl der einsetzbaren Laserquellen überwiegend im sichtbaren Spektralbereich. Fluoresziert z.B. eine Substanz, so kann schon der Wechsel der Erregerlinie zu einem auswertbaren Spektrum führen. Des Weiteren ergeben die Wellenlängen im sichtbaren Bereich höhere Raman-Intensitäten als die bei den FT-Raman-Geräten genutzte Anregung mit Wellenlängen im nahen Infrarotbereich. Aktuelle FT-Raman-Spektrometern benutzten den Neodym-YAG-Laser als Lichtquelle. Er emittiert bei 1064 nm, einer Energie, die für die Anregung der störenden Fluoreszenz nicht ausreicht. Erkauft wird dieser Vorteil mit einer erheblich geringeren Intensität des Raman-Streulichts, die den Einsatz der Fourier-TransformTechnik zur Detektion erfordert. Da deren Vorteile jedoch den Intensitätsverlust des Neodym-YAG-Lasers überkompensieren, dürften die FT-Geräte auch im RamanBereich die klassischen Spektrometer ablösen. Eine Alternative dazu sind Arraydetektoren, die im Raman-Spektrum zu detektierenden UV-Vis Bereich wesentlich günstiger sind als im IR-Bereich. Weitere verwendete Anregungswellenlängen sind 785 nm, 633 und 532 nm. Schwingungs-Spektroskopie Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie 29 9 Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie 9.1 Rapid-Scan Technik Die Rapid-Scan Technik ist die allgemein verwendete Technik um FTIR-Spektren aufzuzeichnen. Der bewegliche Spiegel des Interferometers wird dabei mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Einen Zyklus der Spiegelbewegung (Beschleunigen - konstante Vorwärtsbewegung - Abbremsen - Beschleunigen in der Rückwärtsrichtung - konstante Rückwärtsbewegung - Abbremsen) bezeichnet man als „Scan“. Die gesamte zurückzulegende Wegstrecke wird durch die Auflösung ( 47 ), die Abtastintervalle für das Digitalisieren durch die spektrale Bandbreite ( 51 ) bestimmt. Die Zeitauflösung wird durch die mechanischen und elektronischen Eigenschaften der verwendeten Messkette bestimmt. Sie liegt in der Größenordnung der Zeit, die für einen vollständigen Zyklus des beweglichen Spiegels notwendig ist. Die RapidScan Technik ist die einzige der folgenden Techniken die zeitaufgelöste Messungen ermöglicht, ohne dass das Experiment reproduzierbar (reversibel) wiederholt werden muss. 9.1.1 Beiträge zur Messzeit im Rapid-Scan Modus Da die Messzeit nur von der Geschwindigkeit und der zurückzulegenden Strecke des beweglichen Spiegels abhängt, ist die Messzeit i.a. unabhängig von der spektralen Bandbreite (solange die Spiegelgeschwindigkeit nicht durch die Abtastrate des ADC beschränkt wird, siehe auch 9.1.1.2). 9.1.1.1 Spiegelgeschwindigkeit Die maximale Spiegelgeschwindigkeit kann nicht nur durch die elektro-mechanischen Grenzen des Spiegelantriebs (wie z.B. im BRUKER-IFS25), sondern auch durch die Eigenschaften des Detektors (z.B. DTGS), der Verstärker und der Analog-Digital (A/D) Wandler beschränkt werden. Um dies zu verstehen, muss zuerst der Effekt der Spiegelbewegung auf das zeitlich veränderliche Detektorsignal betrachtet werden. Im einfachen Fall einer monochromatischen Strahlungsquelle verursacht der ortsabhängige kosinusförmige Verlauf der Interferogrammfunktion, bei der konstanten Bewegung des Spiegels, einen zeitlich kosinusförmigen Verlauf der Strahlungsintensität am Detektor. Die dabei entstehende „Modulationsfrequenz“ f~mod ergibt sich zu: f~mod 1 mod ~ T V V 2V~ S~ / 2 ( 56 ) cm f~mod Hz ,V ,~ cm 1 s mit V ... Spiegelgeschwindigkeit und S ...Weg den der Spiegel zurücklegen muß, 2 damit der optische Wegunterschied = beträgt Die Geschwindigkeit des beweglichen Spiegels wird mit ( 56 ) häufig als Modulationsfrequenz des Laserinterferogramms (~ 16000 cm 1 ) Schwingungs-Spektroskopie Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie 30 angegeben. Damit lassen sich für eine gegebene Spiegelgeschwindigkeit leicht die Modulationsfrequenzen für eine bestimmte Wellenzahl bestimmen. ( 57 ) ~ mod f~mod f Laser ~ Laser Bei polychromatischen Strahlungsquellen ist das Detektorsignal die Summe der Modulationssignale aller im Spektrum vorkommenden Wellenzahlen. Der Detektor sowie alle folgenden elektronischen Bauteile müssen nun in der Lage sein, die höchste (und die niedrigste) Modulationsfrequenz zu detektieren bzw. zu verarbeiten. Die Grenzwerte werden durch die Filtereigenschaften (Frequenzgänge) der Bauteile bestimmt. Als Kenndaten für die höchste messbare Frequenz sind im 1 1 allgemeinen die Zeitkonstante ( ) bzw. die obere Grenzfrequenz f0, bei 0 2f 0 der die Amplitude um 3dB gedämpft wird, angegeben. Tab. 2 Spiegelgeschwindigkeit und Modulationsfrequenz. Beispiele für DTGS und MCT Detektor Spiegelgeschwindigkeit optische Geschwindigkeit LaserModulations -Frequenz ModulationsFrequenz bei 4000 cm-1 geeignet für Detektor cm/s 0.316 2.53 cm/s 0.633 5.06 Hz 10 000 80 000 Hz 2 500 20 000 DTGS MCT spektrale Empf. Zeitkonst. Grenzfrequenz cm-1 s Hz -3 400-9000 10 1000 -6 750-7000 10 160000 9.1.1.2 Abtastrate des Analog-Digital Wandlers Mit zunehmender Spiegelgeschwindigkeit und damit mit zunehmender Modulationsfrequenz der einzelnen Wellenzahlen, muss der ADC (Analog/Digital Konverter) das Interferogrammsignal auch mit einer höheren Abtastrate (sampling rate) digitalisieren. Die Abtastrate für eine bestimmte Spiegelgeschwindigkeit ergibt sich aus dem Abtasttheorem ( 48 ), für die aus der spektralen Bandbreite des Signals resultierenden Modulationsfrequenzen ( 56 ). mod mod f min 2 2V ~max ~min f s 2 f max ( 58 ) f s ...Abtastrate mod ...maximale (minimale) Modulationsfrequenz f max(min) ~ ...maximale (minimale) im Spektrum enthaltene Wellenzahl max(min) Die derzeit (1998) standardmäßig verwendeten Analog/Digitalwandler besitzen Abtastraten in der Größenordnung von 200 kHz. Schnelle Interferometer (z.B. Bruker IFS66) erreichen jedoch maximale Spiegelgeschwindigkeiten von 10.1 [cm/s], denen Lasermodulationsfrequenzen von 320 kHz entsprechen. Um diese höchsten Spiegelgeschwindigkeiten zu nützen, würde dies bei einer gewünschten Bandbreite von 8000 cm-1 eine Abtastrate von 320 kHz und damit einen schnelleren ADC’s (und auch MCT incl. Verstärker) erfordern. Schwingungs-Spektroskopie Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie Beispiele: ~max ~min 4000cm1 mod V 2.53cm/s f Laser 80kHz f s 4 2.53 4000 40kHz 31 ~max ~min 8000cm1 mod V 10.1cm/s f Laser 320kHz f s 4 10.1 8000 320kHz 9.1.1.3 Rechen- und Datenmanipulationszeit Nach der Messung der Interferogramme benötigt der Rechner eine bestimmte Zeit zur Berechnung der FFT und um die Daten auf einem Speichermedium permanent zu speichern. Bei zeitkritischen Abläufen kann diese Zeit von Bedeutung sein. Um die Rechen- und Speicherzeit auf das Ende der Messung zu verlegen, können die Interferogramme zwischengespeichert und erst nach der Messung fouriertransformiert und permanent gespeichert werden. Dazu übernimmt bei den Bruker FTIR-Spektrometern ein eigener Prozessor mit eigenem Speicherplatz (AQP) die Steuerung über den Messablauf. Dadurch werden die Rechen- und Manipulationszeit während der Messung vernachlässigbar. Dieser Messmodus wird im Menü „Measurement“ im Punkt „Special measurements...“ als „Rapid Scan TRS ...“ gestartet. Die zeitlichen Abläufe können zuvor in einem Programm „Fast Scan TRS Methode“ festgelegt werden. 9.1.1.4 Spiegelumkehr und -rücklauf Während der Richtungsumkehr des Spiegels sowie während des Rücklaufs werden im allgemeinen keine Spektren gemessen. Diese Zeit trägt jedoch wesentlich zur gesamten Messzeit bei. 9.1.2 Verbesserung der Zeitauflösung im Rapid-Scan mode Um bei gegebener Spiegelgeschwindigkeit und spektraler Auflösung die zeitliche Auflösung zu verbessern, kann die Zeit, während der keine Daten aufgezeichnet werden, folgendermaßen verkürzt werden. Beide Messmodi können auch kombiniert verwendet werden verursachen jedoch u. U. beträchtliche Basislinienprobleme. 9.1.2.1 „Double-sided“ Messungen Die Interferogramme werden beidseitig um den Interferogrammpeak aufgenommen. Dabei muss der bewegliche Interferometerspiegel die, für eine bestimmte Auflösung notwendige retardation ( 47 ), vor und hinter dem Interferogrammpeak abtasten. Die aufgezeichneten Interferogrammanteile vor und nach dem Interferogrammpeak werden als zeitlich unterschiedliche Interferogramme behandelt. Der Bereich um den Interferogrammpeak wird für die Phasenkorrektur beider Spektren verwendet. Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Spektren sind nicht äquidistant (Spiegelrücklauf). Der Zeitgewinn kommt aus der doppelten Nutzung der Daten um den Interferogrammpeak und der Tatsache, dass pro Spiegelumkehr- und Rücklauf zwei Interferogramme ausgewertet werden. 9.1.2.2 „Forward-Backward“ Messungen Dabei wird auch beim Rücklauf des Spiegels ein Interferogramm gemessen. Wird gleichzeitig im double-sided mode gemessen, werden bei einem Scan insgesamt 4 Spektren ausgewertet. Schwingungs-Spektroskopie Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie 32 9.1.3 Experimentell ermittelte Messzeiten im Rapid-Scan mode Tab. 3 Mögliche Zeitauflösung (experimentell ermittelt) im Rapid-Scan TRS mode (BRUKER IFS-66). Die nach der Messung benötigte Auswertezeit zum Berechnen der FFT ist nicht berücksichtigt. Scanner velocity=2.53[cm/s], Laserfrequenz=80[kHz]. Durch die mechanisch mögliche Verdoppelung der Spiegelgeschwindigkeit kann die Zeitauflösung maximal um einen Faktor 0.5 reduziert werden. Rapid-Scan TRS Messmodus Spektren/ Scan 2cm-1 spektrale Auflösung 4cm-1 8cm-1 Single Sided, Fast Return 1 179 ms Single Sided, Forward-Backward 2 112 ms Double Sided, Fast Return 2 159 ms Double Sided, Forward-Backward 4 99 ms 117 ms 82 ms 33 ms 9.2 Step-Scan Technik 9.2.1 Step-Scan Prinzip Bei der Step-Scan Technik wird im Gegensatz zur Continuous-Scan Technik ein Spiegel des Interferogramms „stufenförmig“ bewegt (Abb. 23). Bei jeder Spiegelauslenkung (retardation), für die bei gegebener Auflösung und spektraler Bandbreite ein Interferogrammpunkt benötigt wird, bleibt der Spiegel stehen. Nach einer entsprechenden Wartezeit (abbremsen und stabilisieren der Spiegelposition) können das Experiment gestartet und die zeitaufgelösten Datenpunkte für diese Interferogrammposition erfasst werden. Nachdem an allen Interferogrammpositionen die zeitaufgelösten Datenpunkte erfasst worden sind, werden die zeitgleichen Messpunkte zu den zeitaufgelösten Interferogrammen zusammengefasst. Abb. 23. Schematische Darstellung der stufenförmigen Bewegung des beweglichen Spiegels. Nach Fortschreiten des Spiegels muss eine bestimmte Zeit (settling time) abgewartet werden. Danach kann das Experiment gestartet und die zeitaufgelösten Messpunkte für die entsprechende Interferogrammposition aufgezeichnet werden (aus Nakano et al 19939). Die Qualität dieses Messprinzip ist im wesentlichen von der genauen Positionierung und Stabilität des beweglichen Spiegels abhängig. Die Gerätehersteller BRUKER und BIO-RAD haben dafür unterschiedliche Lösungen. BRUKER führt die Spiegelbewegung wie in Abb. 23 dargestellt durch. Der bewegliche Spiegel führt also die stufenförmige Bewegung durch. BIO-RAD erhält die stufenförmige „retardation“ durch den relativen Wegunterschied zwischen beweglichen und „festen“ Spiegel. Dabei bewegt sich der bewegliche Spiegel mit Schwingungs-Spektroskopie Zeitaufgelöste FTIR Spektroskopie 33 langsamer Geschwindigkeit und der „feste“ Spiegel führt eine entgegengesetzte stufenförmig Bewegung durch (Abb. 24). Die Auslenkung des „festen“ Spiegels wird dabei durch Piezoelement gesteuert. Dies hat - laut BIO-RAD - den Vorteil, dass die stufenförmige Bewegung exakter durchgeführt werden kann, da die Positionierung eines sich langsam bewegenden Spiegels genauer erreicht werden kann, als die eines stehenden Spiegels. Der Nachteil - laut BRUKER - ist, dass die Amplitude für eine, für die Phasenmodulation (s.u.) notwendige überlagerte Sinusbewegung, durch die kleine maximale Auslenkung der Piezoelemente beschränkt ist. Abb. 24. Stufenförmige Änderung der optischen Weglänge (retardation) durch Kombination einer langsamen kontinuierlichen Spiegelbewegung des beweglichen Spiegels und einer sägezahnartigen Bewegung des „festen“ Spiegels (aus 10). 9.2.2 DC-gekoppelte Messungen Da die Modulationsfrequenz bei einem stehenden Spiegel für alle Wellenzahlen gleich Null ist ( 56), können Step-Scan Messungen ohne zusätzliche Modulationen nur DC-gekoppelt durchgeführt werden. Das heißt, dass sowohl der Detektor wie auch die Verstärker DC-gekoppelt sein müssen. Die DC-Kopplung von Detektor und Verstärker hat folgende Nachteile: DC-gekoppelte Messungen besitzen ein schlechteres Signal/Rausch Verhältnis. DC-gekoppelte Systeme sind anfällig für „drifts“ (langsame artifizielle Änderungen des Messsignals). Die minimale Zeitauflösung hängt bei dieser Technik nur von der Geschwindigkeit der A/D-Wandler ab (Abb. 23). 9.2.3 AC-gekoppelte Messungen Um die Nachteile der DC-Kopplung bei der Step-Scan Technik zu verhindern, kann das Messsignal an einer bestimmten Spiegelposition moduliert werden. Dabei muss die Intensität der IR-Strahlung variiert werden, um am Detektor ein AC-förmiges Signal zu erhalten. Nach dem Detektor muss das Signal wieder demoduliert werden, um den ursprünglichen DC-Wert zurückzubekommen. Als Modulationen stehen prinzipiell zwei Methoden zur Verfügung. Die Phasenmodulation (Änderung der Intensität durch eine periodische Spiegelbewegung) und die Amplitudenmodulation (Änderung der Intensität durch Unterbrechung der IR-Strahlung mittels eines Choppers) Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 10 Weitere Messmethoden (Unterlagen von W. Mikenda) 10.1 Überblick Schwingungs-Spektroskopie 34 Messmethoden (von Werner Mikenda) Schwingungs-Spektroskopie 35 Messmethoden (von Werner Mikenda) 36 10.2 Transmission transmission T = 100 I [%] Io absorbance A = lg Io =a bc = cs I Grenze für Messung A 3, bzw. T 99.9% (Geräte-abhängig) abhängig von: Schichtdicke Konzentration Brechungsindices Homogenität Korngröße Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 37 10.3 External Reflection regular reflection, specular reflection (Spiegel-ähnliche) Reflexion an (glatten) Oberflächen komplexer Brechungsindex n’ = n - ik reeller Brechungsindex Absorptionskoeffizient reflectance R= I n - 12 + k 2 = Io n + 12 + k 2 Kramers - Kronig Transformation R A abhängig von: Brechungsindex Absorptionseigenschaften Einfallwinkel Oberflächenbeschaffenheit Reflection-Absorption Spectroscopy (RAS) dünne Schicht auf reflektierender (Metall)Fläche wird zweimal durchlaufen n=0 n= Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 38 10.4 Diffuse Reflection D(iffuse)R(eflection)I(nfrared)F(ourier)T(ransform) Spectroscopy Reflexion an Pulvern, rauhen Oberflächen, opaquen Materialien,... Diffuse Reflexion = Absorption + Reflexion + Brechung + Streuung abhängig von: Brechungsindex Partikelgröße Konzentration Homogenität der Probe Kubelka-Munk Funktion f(R) = Absorptionskoeffizient (1 - R)2 k = = Streukoeffizient s 2R Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 39 10.5 Internal Reflection A(ttenuated)T(otal)R(eflection) Spectroscopy Grenzwinkel der Totalreflexion (bei Übergang von optisch dichterem, n1, in optisch dünneres Medium, n2): n2 sin g = n1 Strahlung trifft aus ATR Kristall auf Probe unter < g Strahlung dringt in die Probe ein ( /2) und wird partiell absorbiert theoretische Eindringtiefe: dp = 2 n1 sin - n212 abhängig von: Wellenlänge Brechungsindices Einfallwinkel Eindringtiefe Kristall-Probe-Kontakt Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 40 10.6 Emission Kirchhoff’sches Gesetz: (,T) = black body: bb E Io - I = (,T) = Io E bb = bb =1 direkte Messung der Strahlungsemission bei TProbe > TDetektor abhängig von: Temperatur (Stefan-Boltzmann Gesetz) s Schichtdicke ( 1) Korngröße Schwingungs-Spektroskopie Messmethoden (von Werner Mikenda) 10.7 Photoacoustic Spectroscopy Probe von inertem Gas umgeben (modulierte) IR-Strahlung Absorption Erwärmung Wärmeübertragung auf das Gas Druckschwankungen Detektion mittels Mikrophon OPD-Geschwindigkeit bestimmt Eindringtiefe Schwingungs-Spektroskopie 41 Literatur 42 11 Literatur 1 Banwell CN, Fundamentals of Molecular Spectroscopy, 2nd Ed., Mc Graw Hill,1972. Hesse M, Meier H und Zeeh B., Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, 5. Auflage, 1995. 3 Krimm S und Bandekar J, Vibrational Spectroscopy and Conformation of Peptides, Polypepdides, and Proteins. Advances in Protein Chemistry 38, 1986. 4 Banwell CN, Fundamentals of Molecular Spectroscopy, 2nd Ed., Mc Graw Hill,1972. 5 Günzler H, Gremlich H-U (2003) IR-Spektroskopie, WILEY-VCH, Weinheim. 6 Griffiths PR (1975) Chemical Infrared Fourier Transform Spectroscopy. John Wiley & Sons. Ney York 7 Perkins WD (1986) Fourier Transform-Infrared Spectroscopy. Part I. Instrumentation. J Chem Educ 63/1:A5-A10 8 Herres W und Gronholz J (1984) Understanding FT-IR Data Processing. Part 1. Instruments & Computers 1 oder Datenverarbeitung in der FT-IR-Spektroskopie. Teil 1. Comp Anw Lab 5, 352-356 9 Nakano T, Yokoyama T und Toriumi H (1993) One- and Two-Dimensional Infrared Time-Resolved Spectroscopy Using a Step-Scan FT-IR Spectrometer: Application to the Study of Liquid Crystal Reorientation Dynamics. Appl Spectrosc 47: 13541366 10 Crocombe RA und Compton SV (1991) The Design, Performance and Applications of a Dynamically-Aligned Step-Scan Interferometer. FTS/IR Notes 82. Bio-Rad, Digilab Division, Cambridge, MA 2 Schwingungs-Spektroskopie Aus: Günzler H, Gremlich H-U (2003) IR-Spektroskopie, WILEY-VCH, Weinheim.