Kolorektales Karzinom, Medikamentöse Therapie

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Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Kolorektales Karzinom:
medikamentöse Therapie
Zusammenfassung
Momentan stehen 9 unterschiedliche Substanzen zur medikamentösen Therapie des
kolorektalen Karzinoms zur Verfügung und werden in den Stadien II–IV eingesetzt. Eine
klare Evidenz und Konsens bestehen bei der neoadjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms ≥ T3 oder nodal-positiv sowie bei der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms im Stadium III. Bei bestehender Organmetastasierung werden die Patienten in
4 Gruppen eingeteilt. Die Behandlung wird je nach dem, ob eine kurative Operation
möglich ist und abhängig von Begleitfaktoren, individuell festgelegt. Auch bestehen
unterschiedliche Konzepte zum sequenziellen Einsatz der zur Verfügung stehenden
Chemotherapeutika und Biologicals in der palliativen Situation. Als einziger prädiktiver
Marker steht derzeit die RAS-Mutation (KRAS-Exons 2–4 und NRAS-Exons 2–4) zur
Verfügung. In den letzten Jahren wurden zunehmend kontinuierliche Therapieregime
mit Konzepten wie „maintenance“ bzw. „stop and go“ einzelner Substanzen oder
„treatment beyond progression“ mit einer antiangiogenen Substanz anstelle starrer
Therapielinien eingesetzt.
Prof. Dr. J. Harder
Onkologisches Zentrum
II. Medizinische Klinik
Hegau-Bodensee-Klinikum Singen
Virchowstr. 10
78224 Singen
Prof. Dr. M. Geißler*
Onkologisches Zentrum
Klinik für Allgemeine Innere Medizin,
Onkologie/Hämatologie,
Gastroenterologie und Infektiologie
Klinikum Esslingen
Hirschlandstr. 97
73730 Esslingen
*Korrespondierender Autor
Zertifiziert
mit
1
Punkt
Schlüsselwörter
Kolonkarzinom | Rektumkarzinom | Chemotherapie
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Titelbild: Kolonkarzinom endoskopisch (li. oben), CT-Thorax mit Lungenmetastasen (li. unten), CT-Abdomen
mit Lebermetastasen (re. unten)
1
Kolorektales Karzinom: medikamentöse Therapie
Einleitung
Jährlich werden in Deutschland ca. 500.000 Vorsorgekoloskopien zur Prävention des
kolorektalen Karzinoms (KRK) durchgeführt. Berechnungen gehen davon aus, dass durch
diese Maßnahme bis 2010 15.000 Karzinome verhindert worden sind. In Deutschland
werden aktuell trotzdem noch 73.000 Neuerkrankungen eines kolorektalen Karzinoms
jährlich diagnostiziert. Darmkrebs liegt damit bei beiden Geschlechtern an zweiter Stelle in der Häufigkeit aller Krebserkrankungen. Die Inzidenz ist in Deutschland seit 1980
kontinuierlich gestiegen, bis 2006 bei Männern um 34% und bei Frauen um 26%. Dem
stehen 35.000 Todesfälle gegenüber. Im UICC-Stadium II werden 15.000 Patienten, im
UICC-Stadium III 20.000 Patienten diagnostiziert. Im UICC-Stadium IV befinden sich 33.000
Patienten, davon 18.000 synchron bzw. 15.000 metachron metastasiert. Die Verteilung der
Stadien bei Erstdiagnose ist in Abbildung 1 dargestellt.
Stadium I: 15%
Die alleinige Operation oder endoskopische Resektion
(Low‐risk‐Situation) ist ausreichend.
Stadium IV: 20–25%
Operation bei Beschwerden oder wenn auch die Metastasen vollständig entfernt werden können. Bei grenzwertig resektablen
Metastasen Konversionschemotherapie. Palliative medikamentöse Therapie verlängert das Überleben und verbessert die Lebensqualität. P Das KRK ist die zweithäufigste
Tumorerkrankung bei Männern und
Frauen.
Abb. 1
Stadium II: 20–30%
Kolon: In der Regel ist die Operation ausreichend. Bei bestimmten Risiko‐
situationen zusätzlich Nachbehand‐
lung mit Chemotherapie (adjuvant).
Rektum: ≥ T3 neoadjuvante
Radiochemotherapie.
Stadium III: 30–40%
Beim Rektumkarzinom neoadjuvante
Radiochemotherapie und adjuvante
Chemotherapie. Adjuvante Chemotherapie beim Kolonkarzinom.
UICC‐Stadium: Union internationale contre le cancer
UICC-Stadium bei Erstdiagnose und das entsprechende Therapieprinzip
Die Therapie des kolorektalen Karzinoms erfolgt streng stadienadaptiert und berücksichtigt darüber hinaus klinische Risikofaktoren, den Allgemeinzustand des Patienten und
molekulare Marker. Eine systemische, medikamentöse Therapie ist nur in den Stadien
UICC II, III und IV indiziert. Die Therapie von Patienten mit metastasiertem kolorektalem
Karzinom hat sich in den letzten 20 Jahren erheblich verändert (Abb. 2). Früher galt die
Therapie im Stadium IV ausschließlich als palliativ. Inzwischen ist deutlich geworden, dass
bei bis zu 25% der Patienten mit resektablen Lebermetastasen ein kuratives Potenzial
besteht.
2
Abb. 2
Gesamtüberleben (%)
100
1990–1991
1992–1994
1995–1997
1998–2000
2001–2003
2004–2006
80
60
40
20
0
12
12
24
36
48
60
30 Monate
Entwicklung der Überlebensraten des metastasierten kolorektalen Karzinoms in den letzten
20 Jahren (nach Kopetz et al. JCO 2009)
Im Folgenden wird unter Berücksichtigung der nationalen (DGVS) und europäischen
(ESMO) Leitlinien die systemische Therapie der einzelnen Stadien zusammengefasst und
diskutiert.
Welche Substanzen stehen zur Verfügung?
In Deutschland sind derzeit 10 Substanzen zur medikamentösen Therapie des KRK zugelassen (Abb. 3). 4 klassische Chemotherapeutika: 2 Fluoropyrimidine (5-Fluorouracil [5-FU]
und Capecitabin), Irinotecan und Oxaliplatin sowie 5 gezielt wirksame Antikörper oder
„small molecules“ (Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab, Aflibercept, Regorafenib).
Bevacizumab, Cetuximab und Panitumumab sind monoklonale Antikörper gegen VEGF
bzw. EGFR. Cetuximab und Panitumumab als EGFR-Antikörper wirken nicht bei Patienten
mit einer KRAS-Mutation im Exon 2 (ca. 40%), daher ist die Zulassung auf einen Einsatz
bei Patienten mit einem KRAS-Wildtyp (Exon 2) beschränkt. Neue Daten weisen darauf
hin, dass auch Mutationen in NRAS- und weiteren KRAS-Exons als negativ-prädiktiv für
EGFR-Antikörper zu werten sind (s. u.). Als weitere antiangiogene Substanz steht das seit
März 2013 zugelassene Fusionsprotein (VEGF 1+2 und IgG1-Fc-Fragment) Aflibercept zur
Verfügung und der inzwischen in der EU zugelassene oral verfügbare Multikinaseinhibitor Regorafenib. Die antiangiogenetisch wirksamen Substanzen und die Multikinaseinhibitoren werden auch als „Biologicals“, „targeted therapies“ oder „zielgerichtete Substanzen“ bezeichnet.
3
Abb. 3
Panitumumab
Bevacizumab
Kombination von 5‐FU mit Folinsäure
5‐FU
1950
1960
1970
1980
Aflibercept
Capecitabin
Oxaliplatin
1990 2000
2010 2012 Irinotecan Cetuximab
Regorafenib
Verfügbarkeit der Chemotherapeutika (dunkelrot) und Biologicals (hellrot) zur Therapie des
kolorektalen Karzinoms. Regorafenib erhielt die EU-Zulassung am 28.6.2013.
Fazit
1. Neben klassischen Zytostatika werden beim KRK auch monoklonale Antikörper (mAb),
ein gezielt antiangiogenetisch wirksames Fusionsprotein sowie Multikinaseinhibitoren
eingesetzt. Während für Bevacizumab und Aflibercept noch keine prädiktiven Marker
existieren, sollten Cetuximab und Panitumumab nur nach Ausschluss existierender
RAS-Mutationen eingesetzt werden (KRAS- und NRAS-Exons 2–4).
UICC-Stadium I: Kolonkarzinom und Rektumkarzinom
Systemtherapien sind hier nicht indiziert. Die Therapie erfolgt hier abhängig von der
Karzinominvasion durch endoskopische Lokalverfahren (Low-risk-Situation) oder chirurgische Resektion (High-risk-Situation).
UICC-Stadium II: Kolonkarzinom
Die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium II wird kontrovers diskutiert.
Während in einer Metaanalyse der ACCENT-Gruppe von 18 Studien mit knapp 21.000
Patienten (davon 33% im Stadium II) kein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden
konnte, zeigte sich in der größten prospektiven, randomisierten Multizenterstudie
(QUASAR) mit 3229 Patienten im Stadium II ein signifikanter Überlebensvorteil durch eine
5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie von 3,6% gegenüber der Beobachtungsgruppe.
Die Hinzunahme von Oxaliplatin (FOLFOX4) ergab im Stadium II keinen Vorteil gegenüber
einer alleinigen 5-FU-basierten Chemotherapie (MOSAIC-Studie). Die Autoren empfehlen
im Stadium II ohne Risikofaktoren (s. u.) im Allgemeinen keine adjuvante Chemotherapie.
Im Einzelfall kann unter Berücksichtigung des Patientenwunsches, des Allgemeinzustands
und des Alters des Patienten eine individuelle Indikation zur adjuvanten Chemotherapie
gegeben werden. In einem solchen Fall sollte eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) immunhistochemisch ausgeschlossen werden, da diese Patienten eine exzellente Prognose haben und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren. Ähnliches gilt für das Vorliegen einer medullären oder muzinösen
Histologie des Kolonkarzinoms. Auch diese speziellen Tumordifferenzierungen sind mit
einer exzellenten Prognose assoziiert. Eine adjuvante Chemotherapie im UICC-Stadium II
ist daher in der Regel nicht indiziert.
Liegen im UICC-Stadium II klinische Risikofaktoren (Tab. 1) vor, sollte im interdisziplinären
Tumorboard unter Berücksichtigung von Alter, Karnofsky-Index, Komorbidität oder Patientenwunsch eher die Indikation zu einer adjuvanten Chemotherapie gestellt werden.
4
Risikofaktoren beim Kolonkarzinom im UICC-Stadium II
Tab. 1
• pT4-Stadium
• <12resezierteLymphknoten
• SchlechteDifferenzierung(G3/4)
• Lymphgefäßinvasion(L+oderL1)
• PerineuraleInvasion
• Obstruktion,Perforation,Notfalloperation
Wenn eine Therapieindikation gestellt wird, dann sollte mit 5-FU/Leucovorin therapiert
werden. In Analogie zum UICC-Stadium III könnte auch Capecitabin eingesetzt werden,
es liegen für das UICC-Stadium II mit Risikofaktoren aber keine klinischen Studien mit
Capecitabin vor. Bei fitten Patienten kann im Einzelfall auch eine Therapie mit FOLFOX
empfohlen werden. Der Vorteil im 3-Jahres-krankheitsfreien Überleben (disease-free
survival, DFS) in der MOSAIC-Studie für FOLFOX gegenüber 5-FU/Leucovorin betrug 7,7%
für Stadium-II-Hochrisikopatienten, was in etwa dem Vorteil im UICC-Stadium III entspricht
(7,5%), war aber statistisch nicht signifikant. In der NSABP-C05-C08-Auswertung der Stadium-II-Hochrisikopatienten ergab sich numerisch ein Überlebensvorteil von 3% durch
eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie gegenüber 5-FU/Leucovorin (90% vs. 87%).
Fazit
1. UICC-Stadium II ohne Risikofaktoren: keine adjuvante Chemotherapie. Individuell im
Einzelfall bei mikrosatellitenstabilen (MSS) Tumoren möglich. Dann Chemotherapie
mit 5-FU/Leucovorin (Ardalan- oder DeGramont-Protokolle).
2. Im UICC-Stadium II mit Risikofaktoren sollte insbesondere bei pT4-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie empfohlen werden. Unter Berücksichtigung klinischer Risikofaktoren kann hier eine Therapie mit 5-FU/Leucovorin oder FOLFOX (idealerweise mFOLFOX6)
durchgeführt werden.
UICC-Stadium II: Rektumkarzinom
Siehe UICC-Stadium III.
TNM-Tumorformel
T0
Keine Infiltration
T1
Infiltration der Submukosa (Low-risk-Situation bei R0, L0 und G1 oder G2)
T2
Infiltration der Tunica muscularis
T3
Infiltration der Subserosa
T4
Infiltration von Nachbarorganen oder des Bauchfells
N0
Keine Metastasen in den Lymphknoten
N1
Metastasen in 1–3 perikolischen (perirektalen) Lymphknoten
N2
Metastasen in > 3 perikolischen (perirektalen) Lymphknoten
N3
Metastasen entlang eines benannten Gefäßstamms und/oder apikale
Lymphknotenmetastasen
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen (Lymphknoten, Leber, Peritoneum, Lunge, Skelett, Gehirn)
Tab. 2
5
UICC-Stadien
Stadium Ia
Tumorinfiltration bis zur Tela submucosa (Dukes A)
Stadium Ib
Tumorinfiltration bis zur Tunica muscularis propria (Dukes A)
Stadium II
T3 oder T4 ohne Lymphknotenmetastasierung (Dukes B)
Stadium III
Lymphknotenmetastasierung (Dukes C)
Stadium IV
Fernmetastasen (Dukes D)
Tab. 3
UICC-Stadium III: Kolonkarzinom
Der Nutzen einer 5-FU-basierten adjuvanten Chemotherapie im Stadium III ist durch
zahlreiche prospektive, randomisierte Studien sowie durch Metaanalysen belegt und
damit unstrittig. Fluoropyrimidine können hierbei sowohl infusional als auch oral gegeben werden. Die XACT-Studie konnte die Gleichwertigkeit von Capecitabin und 5-FU
zeigen.
P Patienten mit einem Kolonkarzinom
im UICC-Stadium III oder im Stadium II
mit Risikofaktoren profitieren von einer
adjuvanten (postoperativen)
Chemotherapie.
Grundsätzlich sollte die adjuvante Chemotherapie im Stadium III aber als Fluoropyrimidinbasierte Kombinationstherapie mit Oxaliplatin bei allen geeigneten Patienten durchgeführt werden. FOLFOX führt gegenüber 5-FU zu einem nochmaligen Überlebensvorteil
von signifikanten 4,2% (MOSAIC-Studie). Eine XELOX-Therapie zeigte gegenüber 5-FU/
Leucovorin zwar ein signifikant verbessertes DFS um 4,4% nach 5 Jahren, das Gesamtüberleben (overall survival, OS) war aber nicht signifikant verbessert (77,6% vs. 74,2%,
Hazard-Ratio [HR] = 0,87, 95% Konfidenzintervall [CI]: 0,72–1,05, p = 0,1486). Dies könnte
aber auch an einem zu kurzen Beobachtungszeitraum liegen, auch unter Berücksichtigung
der effektiven systemischen und chirurgischen Folgetherapien im Falle eines Rezidivs.
Auch bei der MOSAIC-Studie war das 5-Jahres-Überleben noch nicht signifikant positiv,
nach 6 Jahren stellte es sich dann aber als signifikant heraus.
Ein Effektivitätsunterschied zwischen FOLFOX und XELOX scheint bei Hochrisikopatienten im Stadium III zu bestehen. Während sich in der MOSAIC-Studie bei pN2-Patienten
der Nutzen von FOLFOX4 im Vergleich zu 5-FU gegenüber pN1-Patienten sogar verbesserte (Vorteil für FOLFOX 12% bei pN2 vs. 7% bei pN1), zeigte sich in der Subgruppenanalyse der XELOXA-Studie mit XELOX nur bei pN1-Patienten, nicht aber bei pN2-Patienten
ein signifikanter Vorteil im DFS. Die Autoren empfehlen daher pN2- und pN3-Patienten
präferenziell mit FOLFOX zu behandeln.
Nach Studienlage können zur adjuvanten Chemotherapie im UICC-Stadium III folgende
Kombinationsprotokolle eingesetzt werden: FOLFOX4, mFOLFOX6, FLOX, XELOX.
Das in Europa nicht eingesetzte FLOX-Protokoll sollte aufgrund der hohen Knochenmarks­
toxizität nicht verwendet werden. Bei den FOLFOX-Protokollen empfehlen die Autoren
mFOLFOX6 gegenüber FOLFOX4 aufgrund der geringeren hämatologischen Toxizität
(10% weniger Neutropenien III–IV°) und der Patientenfreundlichkeit (1 Patientenbesuch
im Zyklus weniger aufgrund der 48-Stunden-Pumpe).
Eine MSI-Analyse ist im UICC-Stadium III nicht notwendig.
Die Therapie sollte so früh wie möglich (zwischen der 3. und 12. Woche) nach der R0Resektion des Kolonkarzinoms erfolgen. Sollte aufgrund der kumulativen Neurotoxizität
Oxaliplatin im Verlauf der adjuvanten Chemotherapie abgesetzt werden müssen, sollte
die adjuvante Chemotherapie mit Fluoropyrimidinen bis zu einer Gesamtdauer von
6 Monaten komplettiert werden.
6
Fazit
1. Im UICC-Stadium III sollte eine adjuvante Chemotherapie so früh wie möglich nach
R0-Resektion des Kolonkarzinoms begonnen werden. Jeder Monat ohne adjuvante
Therapie erhöht das 5-Jahres-Sterblichkeitsrisiko relativ um ca. 14% (HR = 1,14)!
2. Die Dauer der adjuvanten Chemotherapie sollte 6 Monate betragen.
3. Indiziert ist eine Kombinationstherapie mit Fluoropyrimidinen und Oxaliplatin (mFOLFOX6
oder XELOX).
4. Bei einem pN2- und pN3-Stadium sollte präferenziell FOLFOX verwendet werden.
5. Bei über 70-jährigen Patienten sollten Kombinationschemotherapien kritisch diskutiert
werden, eine Indikation besteht hier nur bei fitten Patienten. Alternativ kann eine
Monotherapie mit Capecitabin oder infusionalen Fluoropyrimidinen erfolgen.
6. Eine Indikation für den Einsatz von Irinotecan, Cetuximab oder Bevacizumab in der
adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms besteht nicht.
UICC-Stadium III: Rektumkarzinom
Die Systemtherapie des Rektumkarzinoms ist hier für die UICC-Stadien II und III zusammengefasst.
In den UICC-Stadien II und III (cT3/4 cN0 oder alle cN+) stellt eine neoadjuvante kombinierte Radiochemotherapie mit 5-FU oder Capecitabin gefolgt von einer totalen mesorektalen Exzision des Tumors den aktuellen multimodalen Therapiestandard dar. Der
Ersatz von 5-FU durch Capecitabin zeigt hier tendenziell bessere Raten für ein rezidivfreies Überleben (relapse-free survival, RFS) und das Gesamtüberleben. Aktuell sollte auch
allen Patienten mit komplettierter neoadjuvanter Radiochemotherapie und R0-Resektion
des Rektumkarzinoms eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU oder besser Capecitabin
angeboten werden. Die Dauer der adjuvanten Chemotherapie beträgt mit Bolus-5-FU
4 Zyklen, bei Verwendung von Capecitabin 5 Zyklen.
P Die neoadjuvante
Radiochemotherapie zählt derzeit als
Standard zur Therapie des
Rektumkarzinoms ≥ cT3 oder cN+.
Die Gespräche mit den Patienten über den Nutzen einer adjuvanten Therapie sind meist
nicht einfach, da die prozentualen Angaben einer Risikoreduktion vielen Betroffenen
wenig sagen. Hilfreich kann hier das Programm „adjuvantonline“ (www.adjuvantonline.com)
sein. Das Kalkulationsprogramm erlaubt eine Abschätzung des Benefits einer adjuvanten
Therapie unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Patienten (Alter, Komorbidität) und der durch den Tumor vorgegebenen Faktoren wie Stadium und Differenzierungsgrad.
Fazit
1. Rektumkarzinome des unteren und mittleren Drittels in den Stadien UICC II und III
werden in Deutschland in der Regel mit einer neoadjuvanten Radiochemotherapie
aus 5-FU oder Capecitabin behandelt. Nach R0-Resektion des Rektumkarzinoms erfolgt
dann eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU-Bolus oder Capecitabin.
2. Dieses perioperative Konzept führt gegenüber der alleinigen adjuvanten Radiochemotherapie zu einer signifikanten Senkung der Lokalrezidivrate und zu einer Zunahme
von sphinktererhaltenden Operationen, nicht aber zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens.
3. Auf die Bedeutung eines adäquaten Stagings mittels MRT und Endosonografie sowie
die Beurteilung des CRM-Status bzw. der Infiltration von T3-Tumoren in das Mesorektum
als bedeutende prognostische Faktoren wird explizit hingewiesen.
7
UICC-Stadium IV: Kolon- und Rektumkarzinom
Das Überleben im UICC-Stadium IV von Kolon- und Rektumkarzinomen hat sich in den
letzten 20 Jahren signifikant verbessert. Lag das mediane Überleben vor 20 Jahren noch
bei 12 Monaten, liegt es heute bei 30 Monaten (s. Abb. 2). In den Phase-III-Studien mit
unterschiedlichen Chemotherapiekombinationen bei metastasierten Patienten konnte
das mediane Überleben mehr als verdoppelt werden. Verantwortlich hierfür sind einerseits
kurative chirurgische Resektionen von Metastasen, andererseits die Entwicklung neuer
Zytostatika bzw. zielgerichteter Medikamente. Das Stadium IV stellt keine homogene
Gruppe dar und wird nach den aktuellen Leitlinien anhand von klinischen Faktoren bzw.
dem Grad der Tumorausbreitung in 4 verschiedene Gruppen eingeteilt (Tab. 5). Darüber
hinaus spielen molekulare prädiktive Faktoren für die Auswahl des Therapiekonzepts und
der Zytostatika eine Rolle.
Als problematisch ist die Gruppe 3 anzusehen, weil hier sowohl fitte Patienten mit geringer Tumorlast als auch multimorbide Patienten mit hoher Tumorlast inkludiert sind.
Erstere könnten nach den aktuellen Daten durchaus eher von einer intensiven Induktions­
chemotherapie als von einer sequenziellen Therapie profitieren, letztere benötigen
biologisch eine aktive Therapie, die klinisch aber nicht durchführbar ist. Die Gruppe 3
muss zukünftig eine weitere Stratifizierung und Unterteilung erfahren, um Patienten
einer optimalen Therapie zuführen zu können.
Parameter zur Stratifizierung der Patienten im UICC-Stadium IV
Tab. 4
• Resektabilität von Lungen- und/oder Lebermetastasen
• Allgemeinzustand, Karnofsky-Index
• Komorbidität
• Tumorsymptomatik
• Wachstumsdynamik der Metastasen
• Primarius in situ
Kategorien verschiedener Behandlungsszenarien
(europäische ESMO-Leitlinien)
Tab. 5
Gruppe 0 Leber- oder Lungenmetastasen, R0-resektabel, ggf. perioperative
Chemotherapie
Gruppe 1 Leber- oder Lungenmetastasen, nicht primär R0-resektabel, Indikation
für eine intensive Chemotherapie im Sinne einer Induktions- oder
Konversionschemotherapie
Gruppe 2 (Mäßig) intensive Chemotherapie in primär palliativer Intention mit
jedoch raschem Tumorprogress oder tumorbedingten Symptomen
Gruppe 3 Nicht-intensive, sequenzielle Therapie in palliativer Intention;
„best supportive care“ (BSC)
Zusätzlich zu diesen klinischen Eingruppierungen sollte vor einer Therapieentscheidung
zu einer Systemtherapie immer der RAS-Status (bisher KRAS-Exon 2 Codons 12 und 13, ab
sofort auch KRAS- und NRAS-Exons 2, 3 und 4) aus dem Primärtumor oder einer Lebermetastase vorliegen. Anhand des vorliegenden RAS-Status und der klinischen Gruppen
werden dann interdisziplinär im Tumorboard die Behandlungsziele und -optionen ausgerichtet.
Gruppe 0
Synchron oder metachron auftretende Leber- und/oder Lungenmetastasen sollten mit
dem Ziel einer R0-Resektion chirurgisch behandelt werden. Hiermit lassen sich 5-JahresÜberlebensraten zwischen 25 und 40% erreichen. Der Nutzen einer perioperativen
8
Chemotherapie mit jeweils 4 Zyklen FOLFOX prä- und postoperativ bleibt umstritten.
Zwar zeigte sich in der entsprechenden EORTC-Studie ein signifikanter Vorteil im krankheitsfreien Überleben, nicht aber im Gesamtüberleben. Zu berücksichtigen ist hierbei,
dass die Studie für das OS underpowert war. Die Empfehlung der Deutschen Leitlinie,
dass eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen in begründeten Ausnahmefällen erwogen werden kann, bleibt somit weiterhin bestehen.
Die New-EPOC-Studie mit Randomisierung einer perioperativen Chemotherapie (FOLFOX,
FOLFIRI) gegenüber einer Chemotherapie plus Cetuximab bei KRAS-Wildtyp-Patienten
zeigte keinen Vorteil für die antikörperbasierte Chemotherapie. Allerdings weist diese
britische Studie erhebliche qualitative Mängel auf, die eine Interpretation erschweren.
Bei tumorbiologischen Risikofaktoren (LDH, AP, Leukozytose, Thrombozytose, hohes CEA)
kann im Einzelfall eine Empfehlung für eine neoadjuvante FOLFOX-Therapie ausgesprochen werden.
Im Falle eines zweiten oder dritten systemischen Rezidivs mit wiederum primär resektablen Leber-/Lungenmetastasen ist dagegen eine neoadjuvante Systemtherapie als tumorbiologisch sinnvoll anzusehen, da das Zweit-/Drittrezidiv eindeutig eine bestehende
Systemerkrankung widerspiegelt. Randomisierte Studien existieren aber auch für diese
Situation nicht.
Die Rolle einer postoperativen alleinigen adjuvanten Chemotherapie ist ebenfalls unklar.
Obwohl sowohl die NCCN- als auch die ESMO-Leitlinien eine adjuvante Chemotherapie
mit 5-FU und Oxaliplatin empfehlen, existieren hier nach R0-Resektion von Leber- und/
oder Lungenmetastasen belastbare Daten eigentlich nur für eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU-Bolus-Protokollen (Metaanalyse von 2 randomisierten Studien) und marginalen Effekten. Randomisierte Phase-III-Studien für eine adjuvante FOLFOX- oder XELOXTherapie existieren nicht!
Die Autoren empfehlen am ehesten die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie
mit FOLFOX nach R0-Resektion von synchronen Lebermetastasen und des Primarius im
Stadium pN+ in Analogie zum UICC-Stadium III. Belastbare Daten liegen hierzu jedoch
nicht vor.
Fazit
1. Vom Chirurgen als R0-resektabel eingeschätzte Leber- und/oder Lungenmetastasen
sollten primär chirurgisch reseziert werden. Eine neoadjuvante Chemotherapie mit
FOLFOX kann im Einzelfall als individuelle Entscheidung im interdisziplinären Tumorboard beschlossen werden.
2. Eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU/Leucovorin kann nach R0-Resektion von Lebermetastasen empfohlen werden. Nach R0-Resektion von Lungenmetastasen besteht
keine Indikation zu einer adjuvanten Chemotherapie (tumorbiologisch wahrscheinlich
sinnvoll, aber keine ausreichende Datenlage).
3. Im Einzelfall kann eine adjuvante Chemotherapie mit FOLFOX gemäß Beschluss des
interdisziplinären Tumorboards indiziert sein, z. B. hohes Risiko für Rezidiv (Fong-Score
≥ 3) oder synchrone Lebermetastasen bei pN+ Primarius (Autorenempfehlung).
4. Eine Indikation für zielgerichtete Substanzen wie Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab,
Regorafenib oder Aflibercept bei R0-resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen
besteht nicht.
Gruppe 1
Zeigen sich Leber- und/oder Lungenmetastasen, die vom Chirurgen im interdisziplinären
Tumorboard als primär nicht sicher R0-resektabel, aber nach Ansprechen auf eine Systemtherapie als potenziell R0-resektabel angesehen werden, besteht eine Indikation für
eine sogenannte Konversionschemotherapie in kurativer Intention. Diese Konversionschemotherapie sollte mit den aktivsten zur Verfügung stehenden Kombinationschemo9
therapie-Protokollen durchgeführt werden. Primär sind hier nicht PFS oder OS das Ziel,
sondern ein metrisches Ansprechen nach RECIST. Die Ansprechraten der aktuell eingesetzten Chemotherapieprotokolle aus Phase-III-Studien sind in Tabelle 6 zusammengefasst.
Ansprechraten nach RECIST von Chemotherapieprotokollen
in Phase-III-Studien
Protokoll
5-FU
Leucovorin/5-FU/Irinotecan
FOLFIRI
FOLFOX4
XELOX/FOLFOX
XELOX/FOLFOX + Bevacizumab
FOLFOX + Cetuximab
FOLFIRI + Cetuximab
FOLFOX + Panitumumab
FOLFOXIRI
FOLFOXIRI + Bevacizumab
FOLFOXIRI + Panitumumab
Tab. 6
Ansprechrate
22%
41%
39%
45%
38%
38%
57%
57%
58%
60%
65%
89%
Hieraus ergibt sich, dass durch die Hinzunahme von Bevacizumab zu einer Kombinationschemotherapie keine (oder kaum eine) Verbesserung des Ansprechens erreicht
werden kann. Bei RAS-Wildtyp-Patienten steigt die Ansprechrate mit Cetuximab oder
Panitumumab um ca. 15–20% an. Auch das FOLFOXIRI-Protokoll nach Falcone et al. zeigt
Ansprechraten von ca. 60% und ist unter Berücksichtigung der Toxizität insbesondere für
KRAS-mutierte Patienten, bei denen kein EGFR-Antikörper eingesetzt werden darf, indiziert.
In der 2013 auf dem ASCO Annual Meeting vorgestellten TRIBE-Phase-III-Studie wurde
FOLFIRI + Bevacizumab mit FOLFOXIRI + Bevacizumab verglichen. Diese Studie ist vom
Design her problematisch, da bereits durch die Studie von Falcone et al. 2007 gezeigt
werden konnte, dass FOLFOXIRI dem FOLFIRI-Protokoll signifikant überlegen ist. Die logische Randomisation hätte demnach FOLFOXIRI versus FOLFOXIRI + Bevacizumab
lauten müssen. Darüber hinaus führte FOLFOXIRI + Bevacizumab gegenüber FOLFIRI +
Bevacizumab nicht zu gesteigerten R0-Resektionsraten. Weitere Steigerungen der Ansprechraten lassen sich durch FOLFOXIRI + Panitumumab oder FOLFOXIRI + Cetuximab
bei RAS-Wildtyp-Patienten bewirken. Hierzu liegen bisher aber teils nur präliminäre Daten
aus Phase-I- und Phase-II-Studien vor. Die Kombination von FOLFOXIRI mit Cetuximab
oder Panitumumab ist darüber hinaus mit einer substanziellen Toxizität assoziiert und
sollte daher nur im Einzelfall selektionierten Patienten mit entsprechenden Dosismodifikationen nach Tumorboardbeschluss als individuelle Entscheidung angeboten werden.
Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, ist ein engmaschiges Staging alle 4–6 Wochen
mit anschließender Evaluation der Befunde durch Radiologen, Chirurgen und Onkologen
notwendig. Hierbei gilt es, auch unter Berücksichtigung der Therapietoxizität den optimalen Operationszeitpunkt zu evaluieren. Eine engmaschige Kommunikation zwischen
Onkologen und Chirurgen sollte auch bezüglich unter Chemotherapie ansteigender
Transaminasen (CASH) und einer Milzvergrößerung (gemessen mittels Volumetrie im CT/
Sonografie) als Hinweis für ein sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS) erfolgen (s. u.).
Der Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie nach Konversionschemotherapie und
R0-Resektion der Metastasen ist aktuell unklar. Eine Watch-and-Wait-Strategie ist ebenso
möglich wie eine adjuvante Chemotherapie mit dem Konversionschemotherapie-Protokoll oder einem, je nach Toxizitätsprofil deeskalierten Chemotherapie-Protokoll für eine
gesamte perioperative Dauer von 6 Monaten. Daten aus prospektiven randomisierten
Studien liegen hierzu aber nicht vor.
10
Fazit
1. In der Gruppe 1 mit potenziell resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen sollten
als Konversionschemotherapie die aktivsten zur Verfügung stehenden Chemotherapieprotokolle angewendet werden, primäres Zielkriterium ist hierbei die Ansprechrate.
2. Bei RAS-Wildtyp-Patienten wird eine Kombinationschemotherapie mit Cetuximab oder
Panitumumab empfohlen. Die Autoren empfehlen als Chemotherapie-Backbone
präferenziell das FOLFIRI-Protokoll aufgrund von potenziellen negativen Interaktionen
von Oxaliplatin mit dem EGF-Rezeptor. Bei erhöhtem Bilirubin sollte FOLFOX eingesetzt
werden.
3. Bei RAS-mutierten Patienten sollte mit einer Chemotherapie nach dem FOLFOXIRIProtokoll therapiert werden. Sollte dies aus Toxizitätsgründen nicht möglich sein,
empfiehlt sich eine FOLFOX-/FOLFIRI-Chemotherapie mit Bevacizumab.
4. Im Einzelfall kann z. B. bei sehr großen zentralen Metastasen eine weitere Steigerung
der Ansprechrate bei RAS-Wildtyp-Patienten durch die Kombination von FOLFOXIRI
mit einem EGFR-Antikörper (Cave: Toxizität, Dosisreduktion von Irinotecan obligat)
erreicht werden.
5. Ein engmaschiges Staging alle 4–6 Wochen mit interdisziplinärer Diskussion der Befunde ist obligat, um den optimalen OP-Zeitpunkt ermitteln zu können. Zusätzlich
Evaluation der Transaminasen und Durchführung einer Milzvolumetrie alle 4 Wochen
zur Evaluation der Ausbildung einer Chemotherapie-assoziierten Steatohepatitis (CASH)
oder eines sinusoidalen Obstruktionssyndroms (SOS).
Gruppe 2
Patienten in dieser Gruppe sind dadurch charakterisiert, dass wegen der Metastasenlokalisationen chirurgisch keine Chance mehr auf eine R0-Resektion besteht, auch nicht
nach einer Konversionschemotherapie. Zusätzlich besteht eine hohe Tumorlast, entweder mit Tumorsymptomen oder einer hohen Tumordynamik bzw. dem Risiko eines Tumorprogresses (LDH, AP, Leukozyten, Thrombozyten, CEA). Somit ist auch bei Patienten
dieser Gruppe eine hochwirksame Chemotherapie indiziert. Da hier aber eine palliative
Situation besteht, sollte die Auswahl der Chemotherapie mehr als in Gruppe 1 anhand
von Komorbiditäten, Allgemeinzustand und Patientenwünschen getroffen werden. Eine
Eskalationsstrategie, von einer Mono- oder Doubletten-Therapie ausgehend, birgt das
Risiko einer Unwirksamkeit und oft ist es dann für eine erfolgreiche Zweitlinientherapie
zu spät. Das Therapieziel bei dieser Patientengruppe ist nicht die maximale Tumorschrumpfung, sondern eine möglichst rasche Tumorschrumpfung bis zur Symptomfreiheit bzw.
zur Normalisierung von tumorbiologischen Markern wie LDH, AP, Leukozytenzahl,
Bilirubin etc. Daher ist ein Step-down-Konzept nach dem Motto „hit hard, early and short“,
gefolgt von einer Deeskalationsphase anzustreben. Nach erfolgter Krankheitskontrolle
durch die intensivierte Chemotherapie stehen dann die langfristige Tumor- und Krankheitskontrolle, die Symptomverbesserung und die Lebensqualität unter Berücksichtigung
von PFS und OS im Vordergrund. Die oben bereits erwähnte TRIBE-Studie unterstützt
dieses Konzept einer auch in der Palliativsituation möglichst intensiven initialen Therapie.
In der Tat führt die initiale Verwendung aller verfügbaren Substanzen nicht zu einem
Nachteil für die Patienten und man muss keine Sorge haben, nach einem Progress keine
wirksamen Substanzen mehr einsetzen zu können. Im Gegenteil, das OS lag in dieser
Studie deutlich über 25 Monaten. Diese Studie unterstützt demnach das Konzept analog
zu den Studien mit EGFR-Antikörpern, dass eine möglichst tiefe initale Remission das
Primärziel in der Erstlinie sein sollte, um einen maximalen Benefit beim OS erzielen zu
können. Bei der Auswahl der Chemotherapieprotokolle gelten die gleichen Empfehlungen wie bei Gruppe 1. Allerdings sollte bei Triplett-Therapien nach erfolgter initialer Tumorregression oder Symptomkontrolle dann rechtzeitig eine Deeskalation auf eine
weniger toxische Erhaltungstherapie vorgenommen werden. So kann nach einer
FOLFOXIRI-Induktion, z. B. nach 2–6 Zyklen, je nach Ansprechen und klinischem Verlauf
auf FOLFIRI oder FOLFOX deeskaliert werden, ggf. dann ergänzt durch Bevacizumab. Bei
RAS-Wildtyp-Patienten und einer Induktionstherapie mit FOLFOX/FOLFOXIRI und einem
11
EGFR-Antikörper kann die Deeskalation darin bestehen, Irinotecan oder Oxaliplatin zu
pausieren und die Erhaltungstherapie mit 5-FU und einem EGFR-Antikörper fortzuführen.
Alternativ kann insbesondere bei ausgeprägter therapierefraktärer Hauttoxizität der
EGFR-Antikörper pausiert und eine FOLFOX-/FOLFIRI-Erhaltung durchgeführt werden.
Bei Bevacizumab-haltigen Tripletts kann eine Deeskalation auf 5-FU/Capecitabin + Bevacizumab erfolgen.
Ein tumorbiologisch vielversprechendes und interessantes Sequenzkonzept bei RASWildtyp-Patienten wäre z. B. die Induktion mit FOLFIRI + EGFR-Antikörper bis zur gewünschten Krankheits-/Symptomkontrolle, gefolgt von einer antiangiogenetisch ausgerichteten Switch Maintenance nach Absetzen des EGFR-Antikörpers mit FOLFIRI +
Bevacizumab oder 5-FU/Capecitabin + Bevacizumab. Bei einem erneuten Progress
könnte dann wieder der EGFR-Antikörper eingesetzt werden. Die Daten der am ASCO
Annual Meeting 2013 vorgestellten FIRE-3-Studie weisen in diese Richtung. Die randomisierte Phase-III-Studie untersuchte die Therapie mit FOLFIRI + Bevacizumab oder FOLFIRI +
Cetuximab bei Patienten mit KRAS-Wildtyp in der Erstlinie (n = 558). Bei gleichem PFS
zeigte sich ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben (25,0 vs. 28,7 Monate, HR = 0,77)
bei den Patienten, die die Kombination mit dem EGFR-Antikörper Cetuximab zuerst
bekamen. Der primäre Endpunkt Ansprechen war in beiden Armen jedoch nicht signifikant unterschiedlich.
P FOLFOX, XELOX oder FOLFIRI in
Verbindung mit einem Biological sind
die am häufigsten eingesetzten
Erstlinienprotokolle.
Fazit
1. Patienten mit hoher Tumorlast, aggressiver Tumorbiologie oder Tumorsymptomen
ohne Chance auf eine kurative Resektion sollten mit einer maximal aktiven und durchführbaren Polychemotherapie behandelt werden. Die Empfehlungen sind analog zur
Gruppe 2 zu sehen.
2. Ein Step-down-Konzept mit initialem „hit hard, early and short“, gefolgt von einer Deeskalation der Chemotherapie nach Erreichen des primären Therapieziels (Ansprechen,
Tumorkontrolle, Symptomfreiheit) ist anzustreben.
Gruppe 3
Patienten dieser Gruppe leiden nicht unter tumorbezogenen Symptomen und es liegt
keine Tumorbiologie mit einem hohen Risiko für einen raschen Progress vor. Oft existieren Komorbiditäten, die eine eigentlich indizierte Vorgehensweise analog Gruppe 1 oder
Gruppe 2 verbieten. Das primäre Therapieziel ist somit nicht eine Tumorschrumpfung,
sondern möglichst lange eine Tumorprogression zu verhindern und die Lebensqualität
zu erhalten. Die Auswahl der Zytostatika erfolgt daher primär anhand des Nebenwirkungsprofils und des Patientenwunsches. Alter allein stellt keine Kontraindikation für eine
Chemotherapie dar. In mehreren Phase-III-Studien konnte gezeigt werden, dass eine
sequenzielle Therapie mit der Hintereinanderreihung von Einzelsubstanzen ein ähnliches
Gesamtüberleben erreicht wie eine initiale Doubletten-Therapie mit z. B. FOLFOX oder
FOLFIRI.
P Um ein möglichst langes
progressionsfreies oder
Gesamtüberleben zu erreichen, sollte
der Patient sequenziell alle zur
Verfügung stehenden
Chemotherapeutika erhalten.
Bei fehlenden Kontraindikationen ist insbesondere die Kombination von 5-FU/Capecitabin
mit Bevacizumab eine gut verträgliche Therapieoption für diese Patienten, mit einer signifikanten Verlängerung des PFS und OS. Obwohl Bevacizumab in der Kombination mit
FOLFOX oder XELOX aufgrund eines signifikanten PFS-Vorteils zugelassen ist, konnte in
dieser Studie kein Überlebensvorteil einer FOLFOX/XELOX + Bevacizumab-Therapie
gegenüber FOLFOX/XELOX gesehen werden. Für die Praxis auch durchaus relevant sind
die XELOX- und FOLFOX-Subgruppen beim PFS: XELOX + Bevacizumab verbesserte das
PFS von 7,4 auf 9,3 Monate gegenüber XELOX allein, während der PFS-Gewinn mit FOLFOX
als Backbone nur 0,8 Monate betrug. Insgesamt ist die Definition dieser Gruppe als problematisch anzusehen, da hier sowohl Patienten in gutem Allgemeinzustand und wenig
bedrohlicher Metastasierung als auch Patienten mit reduziertem ECOG und bedrohlicher
Tumorlast inkludiert sind. Unter Berücksichtigung der aktuellen Daten, dass eine möglichst
tiefe Remission Primärziel in der Erstlinientherapie sein sollte, dürfte es im Einzelfall auch
sinnvoll sein, Patienten mit WHO-0–1-Status intensiv analog zur Gruppe 2 anzubehandeln
und dann rasch zu deeskalieren, auch wenn die Metastasierung nicht bedrohlich ist.
12
Fazit
1. Bei Patienten der Gruppe 3 spielen Lebensqualität, Progressionsfreiheit und Komorbiditäten eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Chemotherapie.
2. Sequenzielle Chemotherapiestrategien sollten bei Patienten mit reduziertem WHOStatus angewendet werden.
3. Bei fitten Patienten können analog zur Gruppe 2 auch intensive Therapieprotokolle mit
nachfolgender rascher Deeskalation eingesetzt werden, um eine initiale tiefe Remission zu erreichen, die sich potenziell in ein verlängertes OS umsetzen kann.
Zweit- und Drittlinientherapien, Erhaltungstherapie, Therapiepause
Für Patienten der Gruppen 2 und 3 in der Palliativsituation ist die kontinuierliche Gabe
der Systemtherapie der Standard. Im Einzelfall ist eine rechtzeitige Deeskalation einer
Kombinationschemotherapie einer Toxizität verursachenden Therapie einer kompletten
Pause vorzuziehen. Eine Deeskalation auf 5-FU oder Capecitabin nach 6–8 Zyklen FOLFOX
ist von der onkologischen Gesamtsituation abhängig und analog der OPTIMOX-I-Studie
ein durchaus sinnvolles Vorgehen. In der OPTIMOX-II-Studie wurde eine Erhaltungstherapie gegen eine geplante Therapiepause untersucht, wobei sich eine kürzere Dauer des
PFS bei den Patienten mit Therapiepause zeigte, das OS war jedoch nicht unterschiedlich.
Aktuelle Daten vom ASCO Annual Meeting 2013 zeigen, dass auch eine Erhaltungstherapie mit 5-FU und Bevacizumab nach initialer Bevacizumab-haltiger FOLFOX-/FOLFIRITherapie ein sinnvolles Konzept ist. Eine alleinige Bevacizumab-Erhaltung ist dagegen
nur marginal wirksam. Für 5-FU und Irinotecan liegen belastbare Daten der GISCADGruppe vor, bei der eine kontinuierliche oder eine intermittierende Therapie mit jeweils
2 Monaten Therapie und anschließenden 2 Monaten Therapiepause untersucht wurden.
Ein Unterschied im PFS oder OS wurde nicht nachgewiesen. Grundsätzlich sind Therapiepausen, z. B. urlaubsbedingt, von 2–3 Wochen problemlos möglich. Für längere komplette Therapiepausen sollten Patienten ohne entsprechende Risikofaktoren sorgfältig
ausgesucht werden.
Für eine Therapie mit den Angiogeneseinhibitoren Bevacizumab, Aflibercept oder Regorafenib gibt es bislang leider keine prädiktiven Biomarker. Bei Patienten, bei denen in der
Erstliniensituation eine Indikation für eine Chemotherapie mit Bevacizumab gestellt
wurde, kann nach Progress Bevacizumab mit einem neuen Chemotherapiepartner fortgeführt werden („treatment beyond progression“). In der sogenannten TML-Studie, die
eigentlich als Zweitlinientherapiestudie angesehen werden kann, konnte mit diesem
Konzept ein Überlebensvorteil von 6 Wochen erreicht werden. Auch Aflibercept ist in
Kombination mit FOLFIRI als Zweitlinientherapie nach einer Bevacizumab-haltigen Erstlinientherapie wirksam. Insgesamt wurde das OS durch Aflibercept gegenüber FOLFIRI
von 12,1 auf 13,5 Monate signifikant verlängert, folgerichtig erhielt Aflibercept am
1. Februar 2013 von der EMEA eine entsprechende Zulassung. Bei Patienten mit einem
RAS-Wildtyp, die in der Erstlinie keinen EGFR-Antikörper erhalten haben, lässt sich durch
eine Zweit- oder Drittlinientherapie mit Cetuximab oder Panitumumab als Monotherapie
oder bei Cetuximab in Kombination mit Irinotecan eine relevante Verlängerung des
Gesamtüberlebens und des PFS erreichen. Insbesondere die Kombination von FOLFIRI
+ Panitumumab zeigt in der Zweitlinie unabhängig von einer Bevacizumab-Vorbehandlung sehr hohe Ansprechraten (36%!) und ein langes Gesamtüberleben (16,1 Monate) und
eignet sich daher besonders als Rescue-Therapie nach Versagen einer Erstlinientherapie
ohne EGFR-Antikörper (Tab. 7).
13
Tab. 7
Ansprechraten, PFS und OS in der Zweitliniensituation
RR (%)
FOLFIRI
FOLFOX
FOLFOX + Bevacizumab
(hoch dosiert)
FOLFIRI + Panitumumab
FOLFIRI + Panitumumab
nach Bevacizumab
Bevacizumab „beyond progression“
+ Chemotherapie
FOLFIRI + Aflibercept
FOLFIRI + Aflibercept
nach Bevacizumab
Irinotecan + Cetuximab
10
9,2
PFS
(Monate)
3,7
4,8
OS
(Monate)
11,7
10,8
21,8
7,2
12,9
36
6,7
14,5
33
5,8
16,1
5,4
5,7
11,2
19,8
6,9
13,5
8,4
3,9
11,7
16
4
10,7
Zweitlinienoptionen, falls in der Erstlinie kein EGFR-Antikörper, sondern eine Bevacizumabhaltige Chemotherapie verwendet wurde (z. B. bei Vorliegen einer RAS-Mutation):
Abb. 4
1st
2nd
Chemotherapie +/Bevacizumab
FOLFIRI +
Panitumumab
(KRAS wt)
Chemotherapie +
Bevacizumab
Chemotherapie +
Aflibercept
Strategie
„treatment beyond progression“
Strategie zur Anit-VEGF-Therapie „treatment beyond progression“
Patienten mit einem Progress unter anti-EGFR-haltiger Erstlinientherapie können in der
Dritt- oder Viertliniensituation erneut von einem Anti-EGFR-Therapieversuch profitieren
(Abb. 5).
Abb. 5
Konzept einer Anti-EGFR-Reexposition (nach Santini et al. Ann Oncol. 2012)
14
Als zusätzliche Letztlinienoption erfolgte kürzlich die Zulassung für Regorafenib. Durch
Regorafenib lässt sich gegenüber BSC das Gesamtüberleben um 1,4 Monate von 5 auf
6,4 Monate verlängern. Bei den KRAS-mutierten Patienten ist die Effektivität zwar vorhanden, aber deutlich geringer als bei KRAS-Wildtyp-Patienten (HR = 0,87 vs. 0,65).
Abb. 6 und 7
FOLFOXIRI
(+ Bevacizumab?) 1st
Chemotherapie +
Anti‐EGFR mAb
1st
2nd
Chemotherapie + Anti‐VEGF
2nd
Chemo‐Deeskalation
(z. B. FOLFIRI) + Bevacizumab
3rd
Regorafenib
3rd
Chemo‐Deeskalation
(z. B. FOLFOX) + Anti‐VEGF
4th
4th
Regorafenib
Anti‐EGFR mAb
Strategie für RAS-Wildtyp-Patienten
Strategie für RAS-mutierte Patienten
Fazit
1. In der Palliativsituation sollten dem Patienten möglichst alle verfügbaren Medikamente in den entsprechenden Therapielinien angeboten werden. Eine möglichst intensive
Erstlinientherapie mit rascher Deeskalation ist aber für die meisten Patienten anzustreben.
2. Kürzere Therapiepausen sind auch nicht-toxizitätsbedingt möglich, für längere strukturierte Therapiepausen über 2 Monate hinaus sollten Patienten sorgfältig selektioniert
werden. Deeskalationsstrategien sind sinnvoll (z. B. 5-FU-Monotherapie, 5-FU + Bevacizumab, alleinige EGFR-Antikörper bei RAS-Wildtyp-Patienten).
3. Ein antiangiogenetischer Therapieansatz „beyond progression“ mit Bevacizumab oder
Aflibercept in der Zweitlinie ist möglich, einen Einfluss auf die Selektion der Erstlinientherapie in den entsprechenden klinischen Gruppen hat dieses Konzept aber nicht.
4. Cetuximab und Panitumumab sind wirksame Zweit- und Drittlinientherapien bei RASWildtyp-Patienten ohne Anti-EGFR-Therapie in der Erstlinie. Patienten mit einem Progress
unter anti-EGFR-haltiger Erstlinientherapie können in der Dritt- oder Viertliniensituation erneut von einem Anti-EGFR-Therapieversuch profitieren.
5. Regorafenib ist eine wirksame Letztlinienoption bei metastasiertem kolorektalem
Karzinom, insbesondere bei KRAS-Wildtyp-Patienten. Die Toxizität gilt es zu berücksichtigen.
15
Was bei der Therapie mit Panitumumab beachtet werden sollte:
In der geplanten retrospektiven Analyse der multizentrischen Phase-III-Studie PRIME, die
Panitumumab + FOLFOX versus FOLFOX untersucht hat, wurde die Wirksamkeit von
Panitumumab + FOLFOX in Abhängigkeit von weiteren NRAS- und KRAS-Mutationen auf
OS und PFS untersucht. Zusätzlich zu den bekannten Mutationen im KRAS-Exon 2 (Codons
12 und 13) zeigte sich, dass weitere Mutationen in den KRAS-Exons 3 und 4 sowie den
NRAS-Exons 2–4 mit einem deutlich verkürzten medianen Überleben von 15,6 Monaten
mit Panitumumab + FOLFOX versus 19,2 Monaten mit FOLFOX allein assoziiert waren.
Somit scheinen KRAS- und NRAS-Mutationen in den Exons 2, 3 und 4 ein negativer prädiktiver Marker für eine Therapie mit FOLFOX und Panitumumab zu sein. Es wird daher
empfohlen, vor einer solchen Therapie entsprechende Mutationen zu bestimmen und
auszuschließen (Abb. 8). Eine Rücksprache mit den entsprechenden molekularen Pathologien ist anzustreben.
Abb. 8
KRAS
EXON 1
Bisher untersucht
NRAS
EXON 1
EXON 2
EXON
EXON 3
EXON
3
59 61
4%
12 13
N/A
EXON 2
EXON
EXON 3
EXON
3
12 13
5%
59 61
6%
EXON 4
4
117
117146
7%
EXON 4
4
117146
0%
Häufigkeit und Ausschluss folgender KRAS- und NRAS-Mutationen vor dem Einsatz von AntiEGFR-Antikörpern („All-RAS-Wildtyp“), N/A = not applicable
Hepatotoxizität der medikamentösen Therapie
Patienten, die eine zytotoxische Chemotherapie bekommen, müssen sorgfältig bezüglich
einer möglichen Hepatotoxizität überwacht werden. Die zytotoxischen Substanzen
können eine direkte Hepatotoxizität ausüben oder eine vorbestehende Lebererkrankung
verschlechtern. Generell werden 3 unterschiedliche Mechanismen der Hepatotoxizität
unterschieden, je nach primär geschädigter Zellpopulation. Eine Schädigung der
Cholangiozyten tritt im Zusammenhang mit einer Chemotherapie eher selten auf. Häufiger findet sich eine Schädigung der Sinusendothelien, das sogenannte sinusoidale
Obstruktionssyndrom (SOS), früher auch „veno-occlusive disease“ (VOD) genannt. Hierbei
kommt es zu einem nicht-thrombotischen Verschluss der kleinen intrahepatischen Venen
durch Einlagerung von subendothelialem Fibrin. Die sinusoidale Minderperfusion (im
weiteren Krankheitsverlauf auch verstärkt durch embolische Verschlüsse) kann zu schwerer periportaler Nekrose und Fibrose führen. Diese Gefäßveränderungen, die bei einer
starken Ausprägung auch als „blue liver“ bezeichnet werden, finden sich verstärkt nach
einer Oxaliplatin-haltigen Chemotherapie (in 10–40% der Fälle wahrscheinlich abhängig
von der Zahl der applizierten Zyklen) und führen zu einer erhöhten Morbidität. Erste
Daten deuten darauf hin, dass Bevacizumab einen protektiven Effekt auf die sinusoidale
Schädigung hat. Hinweise auf eine signifikante Hepatotoxizität einer Anti-EGFR-Therapie
gibt es derzeit nicht. Unter 5-FU- und Oxaliplatin-haltiger Therapie tritt neben einem SOS
auch eine Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH) auf. Verstärkt findet sich
diese hepatozelluläre Schädigung jedoch bei der Therapie mit 5-FU und Irinotecan. Für
die CASH ist eine erhöhte Morbidität und Mortalität beschrieben. Da der Grad der Leberschädigung mit der Anzahl der Zyklen korreliert, sollte die präoperative Chemotherapie
bei geplanter Leberresektion auf 3 begrenzt werden. Eine Reaktivierung einer chronischen
Virushepatitis unter Chemotherapie wurde für HBsAg-positive Patienten beschrieben.
Eine Prophylaxe mit Lamivudin wird laut der AASLD-Leitlinie bei HBsAg-positiven Patienten für die Dauer einer Chemotherapie und 6 Monate darüber hinaus empfohlen. Im
Gegensatz zu einer Hepatitis B tritt eine Hepatitis-C-Virusreaktivierung seltener auf.
P Eine Chemotherapie-assoziierte
Toxizität tritt hauptsächlich als
Steatohepatitis und sinusoidale
Obstruktion auf.
16
Glossar
Additive Therapie: Therapie nach durchgeführter R1-Resektion (wird immer wieder
auch als adjuvant bezeichnet)
Adjuvante Therapie: Therapie nach einer Operation
CRM-Status: circumferential resection margin (Resektionsausmaß der mesorektalen
Faszie beim Rektumkarzinom)
Definitive Therapie (z. B. definitive Radiochemotherapie): konservative Therapie
mit der Absicht der Kuration (wird beim kolorektalen Karzinom derzeit nicht durchgeführt)
DFS: disease-free survival (krankheitsfreies Überleben)
Fong-Score: Dieser Prognosescore enthält 5 Faktoren (nodal-positiver Primärtumor,
krankheitsfreies Intervall ≤ 12 Monate bei metachronen Metastasen, Anzahl der Metastasen > 1, Metastasengröße > 5 cm, CEA > 200 ng/ml) und zeigt ein signifikant schlechteres
5-Jahres-Überleben beim Vorliegen von ≥ 3 Risikofaktoren (ca. 50% vs. ca. 15%).
Induktionschemotherapie: intensivierte Chemotherapie, z. B. vor einer neoadjuvanten
Radiochemotherapie oder einer palliativen Erhaltungstherapie
Konversionschemotherapie: Chemotherapie, die nach initial fraglich kurativem oder
palliativem Konzept ein kuratives Konzept ermöglicht
Neoadjuvante Therapie: Therapie vor einer Operation
OS: overall survival (Gesamtüberleben)
Palliative Therapie: Therapie, bei der eine Heilung definitiv nicht möglich und eine
möglichst lange progressionsfreie Zeit bei guter Lebensqualität das Ziel ist
PFS: progression-free survival (progressionsfreies Überleben)
RFS: relapse-free survival (rezidivfreies Überleben)
Supportive Therapie: unterstützende Therapie (Symptomkontrolle, Pflege, psychologische Betreuung etc.) ohne oder mit einer Chemotherapie
Literatur:
E-Mail: [email protected]
17
Fragen zur medikamentösen Therapie
bei kolorektalem Karzinom
Frage 1:
Welche Aussage für das kolorektale Karzinom (KRK) ist richtig?
EE
EE
EE
EE
EE
Das KRK ist selten
Frauen sind viel häufiger davon betroffen als Männer
Das KRK ist bei Erstdiagnose in den meisten Fällen noch heilbar
Ein Screening durch Koloskopie ist durch die geringe Akzeptanz sinnlos
Das KRK kann immer durch eine Chemotherapie geheilt werden
Frage 2:
Welche antiproliferative Substanz wird beim KRK nicht empfohlen?
EE
EE
EE
EE
EE
Gemcitabin
Capecitabin
Aflibercept
Panitumumab
Oxaliplatin
Frage 3:
Wann wird eine medikamentöse, antiproliferative Therapie beim
KRK nicht empfohlen?
EE
EE
EE
EE
EE
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Adjuvant im Stadium III
Neoadjuvant beim nodal-positiven Rektumkarzinom
Adjuvant im Stadium II bei Patienten mit MSI-H-positiven Tumoren
Bei multiplen Lebermetastasen und erhöhter LDH
Bei Patienten über 75 Jahren
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage
www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg
können Sie sich anmelden und die Fragen
beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
Frage 4:
Welche Aussage trifft zu?
EE
EE
EE
EE
EE
Eine Konversionschemotherapie führt immer zu einer Operation
Die adjuvante Chemotherapie im Stadium III sollte Bevacizumab beinhalten
Cetuximab ist ein VEGF-Antikörper
Der KRAS-Status ist prädiktiv
Der BRAF-Status ist prädiktiv
Frage 5:
Welche der unten genannten Kombinationstherapien wird nicht
empfohlen?
EE
EE
EE
EE
EE
5-FU/Folinsäure + Oxaliplatin + Bevacizumab
5-FU/Folinsäure + Irinotecan + Bevacizumab
Capecitabin + Oxaliplatin + Cetuximab
Irinotecan + Panitumumab
5-FU/Folinsäure + Irinotecan + Aflibercept
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
18
Frage 6:
Welche Aussage zur medikamentösen, antiproliferativen Therapie
beim KRK ist falsch?
EE Das KRK sollte adjuvant auch bei älteren Patienten mit einer Kombinations­
chemotherapie behandelt werden
EE Die Kombinationstherapie 5-FU/Folinsäure + Irinotecan hat eine Ansprechrate von
40–50%
EE Cetuximab sollte nur bei KRAS-Wildtyp gegeben werden
EE Panitumumab sollte nur bei KRAS-Wildtyp gegeben werden
EE Irinotecan ist in der ersten und zweiten Linie in Kombination mit 5-FU zugelassen
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 7:
Welche Aussage ist richtig? Die Hepatotoxizität unter Chemotherapie
EE
EE
EE
EE
EE
tritt häufig unter der Therapie mit Cetuximab auf
kann sich als sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS) manifestieren
ist unabhängig von der Anzahl der applizierten Chemotherapiezyklen
manifestiert sich am häufigsten als cholestatische Hepatitis
hat keine Auswirkung auf die Morbidität
Frage 8:
Welche Aussage zur adjuvanten Chemotherapie beim KRK trifft
nicht zu? Die adjuvante Chemotherapie
EE
EE
EE
EE
EE
sollte wenn möglich ein Biological enthalten
senkt das Rezidivrisiko signifikant
sollte 5-FU oder Capecitabin enthalten
sollte für 6 Monate durchgeführt werden
sollte auch noch im Falle einer Verzögerung bis 12 Wochen postoperativ
durchgeführt werden
Frage 9:
Welche Aussage trifft zu?
EE Zur Früherkennung des KRK gibt es keine effektive Vorsorgeuntersuchung
EE Bei einer synchronen Lebermetastasierung sollte der Primärtumor wenn möglich
operiert werden
EE Bei der neoadjuvanten Radiochemotherapie des Rektumkarzinoms bringt die
Addition von Oxaliplatin zu 5-FU einen signifikanten Überlebensvorteil
EE Die neoadjuvante Radiochemotherapie beim Rektumkarzinom wird auch bei
T2-Tumoren, nodal-negativ (cT2cN0cM0), empfohlen
EE Patienten mit einem Rektumkarzinom ≥ cT3 sollten eine neoadjuvante Radio­
chemotherapie erhalten
Frage 10:
Welche Aussage ist richtig? Beim KRK
EE bestehen bei der Auswahl der medikamentösen Therapie nur 4 Möglichkeiten
EE ist die Auswahl des antiproliferativen Medikaments unabhängig von den Begleit­
erkrankungen des Patienten
EE besteht bei mehr als 3 Lebermetastasen oder 1 Lebermetastase > 5 cm eine
Irresektabilität
EE sollte vor Beginn einer antiproliferativen Therapie das Therapieziel definiert werden
EE ist ein hoher CEA-Wert ein guter prädiktiver Marker für das Therapieansprechen
19
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