Parodontale Erkrankungen – ein steter Kampf zwischen destruktiven Bakterien, dem Immunsystem und der Mundhygiene State-of-the-Art: Pathogenese und Therapie parodontaler Erkrankungen beim Hund Herbst 2012 Dr.med.dent. Dr.med.vet. Peter Fahrenkrug Zahnarzt, Tierarzt, Fachtierarzt für Zahnheilkunde – Kleintiere, Dipl. EVDC Gingivitis und Parodontitis sind bei Säugetieren die häufigsten Erkrankungen! Parodontale Erkrankungen kommen bei Säugetieren von allen Erkrankungen am häufigsten vor. Mehr als 80% aller adulten Individuen – Katzen, Hunde oder Menschen – sind davon betroffen. Nur bei ~10% der Hunde wird jedoch eine tägliche Mundhygiene durchgeführt. Die Mundhöhle vieler Hunde befindet sich somit in einem sehr schlechten Zustand. Die Tiere leiden unter einer permanenten schmerzhaften Infektion, die letztendlich durch Zahnverlust die Funktion des Gebisses beeinträchtigt und sogar zur Infektion von Organen führt. Zum Autor PATHOGENESE PARODONTALER ERKRANKUNGEN Dr. Dr. Peter Fahrenkrug schloss 1977 sein Veterinär­medi­ zinstudium an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ab und promovierte 1978 zum Dr. med. vet. Dem an­schließenden Zahnmedizinstudium an der Medi­ zinischen Fakultät der Universität Hamburg folgte die 1982 die Promotion zum Dr. med. dent. Schon während seiner Tätigkeit als Zahnarzt in den Jahren 1982 bis 1994 arbeitete er parallel auf dem Gebiet der Tier­zahn­heilkunde, sowohl praktisch-kurativ als auch durch wissen­ schaftliche Forschung bei allen Tieren. Dr. Dr. Fahrenkrug erwarb eine Fülle an fachspezifischen Weiter­bildungsgraden: Fellow of the Academy of Veterinary Dentistry (USA), Dipl. EVDC, Fachtierarzt für Zahnheilkunde – Kleintiere, Zusatz­bezeichnung Tierzahn­heilkunde, Zusatz­ bezeichnung Zahn­ heilkunde Pferd. Heutzutage wirkt er als Dozent für Tier­zahn­heilkunde mit Schwerpunkt an der Tier­ärztlichen Hoch­schule Hannover und ist auf diesem Gebiet beratend tätig. Bei Kongressen im In- und Ausland gestaltete Dr. Dr. Fahren­krug über 600 Seminare, Präsen­tationen und Vorträge. Aus seiner Feder stammen 68 Publikationen in deutschen und inter­ nationalen wissenschaftlichen Zeit­schriften und Büchern. Er vermittelt Tierärzten Wissen und bietet Unter­stützung hinsichtlich Praxis­organisation und Praxis­ manage­ ment. Weiterhin fungiert Dr. Dr. Fahrenkrug als aktives Mitglied in verschiedenen nationalen und inter­ nationalen tier­ ärztlichen Organisationen und gehört hier zahl­ reichen Aus­ schüssen und Vorständen an. Regelmäßig behandelt er Patienten in zwei Klein­tierkliniken und einer Pferde­klinik im Raum Hamburg. Unter dem Begriff Parodontalerkrankung wird eine Vielzahl entzündlicher Veränderungen zusammengefasst, die alle durch Plaque und die sich darin ansammelnden Bakterien verursacht werden. Aus dem ersten Anzeichen in Form einer Gingivitis kann sich eine Parodontitis entwickeln, wenn der entzündliche Prozess das parodontale Ligament und den Alveolarknochen erfasst. Am Ende der Parodontitis steht der Zahnverlust, der aus der fortschreitenden Zerstörung des Parodontiums resultiert. Zum Parodontium gehören der Wurzelzement, der Alveolarknochen, das parodontale Ligament, das epitheliale Attachment, der Gingivarand und der gingivale Sulkus. Primärursache: Ansammlung von Plaque Die Ansammlung eines Biofilms aus oralen Mikroorganismen und Glykoproteinen des Speichels (als Plaque bezeichnet) stellt die Primärursache für die Gingivitis wie auch die Parodontitis dar.1,2,3 Plaque - ein weiches, klebriges, weißes Material, das sich an die Pellikel (Zahnoberhäutchen, azelluläre Membran) anheftet, über­zieht die Zahnoberfläche. Es besteht überwiegend aus Bakterien, Glyko­ proteinen des Speichels, extrazellulären poly­ sacchari­ dähn­ lichen Glukanen und Fruktanen sowie abgeschilferten Epi­thel­zellen. Die Neben­produkte des Stoff­wechsels diffundieren in das Epithel des Zahnfleischsaums, verursachen eine Gingivitis und stimulieren eine Migration von Leukozyten in das Epithel. Bakterien befinden sich auf allen Strukturen in der Mundhöhle (Zunge, Zahnfleisch, orale Schleimhaut und Zähne), reichern sich 1| stärker am Zahnzement als Zahnstein am Zahnschmelz. Ihre meist dunkelbraune bis grüne Farbe resultiert aus den Pigmenten von Blutzellen. Sie entwickeln sich durch Mineralisierung in der Sulkusflüssigkeit, während Zahnstein Speichel enthält. Konkremente bestehen zu 80% aus anorganischem Material, Kalziumphosphat, Kalziumkarbonat und Magnesiumphosphat, eingebettet in ein Netz aus Hydroxylapatit. Die restlichen 20% an organischem Material umfassen Keratin, Mukopolysaccharide, Aminosäuren und Muzin. Abb. 1: Aufgrund des funtionierenden Immunsystems ein gesundes Peridontium, obwohl die Zähne nicht sauber und mit Debris und Plaque überzogen sind. jedoch auf bestimmten Oberflächen an, vor allem auf den Zähnen und am Zahnfleischrand. Spezielle Bakterien mit der Fähigkeit zur Adhäsion bilden die dentale Plaque. Zunächst besteht Plaque überwiegend aus aeroben grampositiven Bakterien. Durch ihren hohen Sauerstoffverbrauch vermindert sich das Redoxpotential. Dies begünstigt die Ansiedelung und das Wachstum anaerober Bakterien, vor allem an Stellen mit hohem Bakterienaufkommen: in den Parodontaltaschen und am Zahnfleischrand. Zahnstein. Verbleibt die Plaque auf den Zahnkronen, wird sie durch verschiedene Mineralien aus dem Speichel zu Zahnstein mineralisiert. Auf den weichen Zahnbelägen entsteht durch Mineralisierung der Plaque, Kalzifizierung abgestorbener Mikro­ organismen und die kontinuierliche weitere Ansammlung von Plaque mit nachfolgender Mineralisierung eine harte, braune Substanz – ein Teufelskreis. Die Mineralisierung geschieht durch die Präzipitation von Kalzium­phosphat und Kalziumkarbonat. Üblicherweise erfolgt sie supragingival und meist im Bereich der Ausführungsgänge von Speicheldrüsen, d. h. an den lingualen Flächen der Unterkieferschneidezähne sowie den bukkalen Flächen der vierten Prämolaren und der ersten Molaren im Oberkiefer. Zu beachten ist allerdings, dass die Menge an Zahnstein auf den Zähnen nicht unbedingt mit dem Grad der parodontalen Erkrankung korreliert. Oft liegt bei umfangreicher Zahnsteinansammlung nur eine minimale Gingivitis vor. Zahnstein selbst hat keine starke schädigende Wirkung. Auf ihm lagern sich aber kontinuierlich neue Schichten bakterienhaltiger Plaque ab, deren aggressive Toxine die Infektion auf das gesamte Parodontium übergreifen lassen. Gesunde Individuen verfügen über ein sehr potentes orales Immunsystem und die Mundhöhle zeigt oft über lange Zeit keine Anzeichen einer Entzündung. Auch wenn eine massive Ansammlung von Plaque und Zahnstein zu beobachten ist, liegt häufig eine gesunde oder nur leicht entzündete Gingiva vor. Kommt es aus irgendwelchen Gründen (z. B. durch andere Infektionserkrankungen) zu einer temporären Beeinträchtigung des Immunsystems, wird dieses Gleichgewicht in der Mundhöhle gestört und das Zahnfleisch weist dann die typischen Entzündungszeichen wie Schwellung und Hyperämie auf. Die Schwellung gefährdet den Selbstreinigungsmechanismus des parodontalen Ligaments, da sich Nahrungsbestandteile, Bakterien und Debris im (physiologischen) gingivalen Sulkus ansammeln und dort fest­stecken, wodurch eine (pathologische) Zahnfleischtasche entsteht. Einteilung parodontaler Erkrankungen Parodontale Erkrankungen werden unterteilt in einfache Gingivitis, chronische Parodontitis und andere Erkrankungen des Parodontiums. Die Gingivitis ist eine auf das Zahnfleisch beschränkte Entzündung, bei der kein Knochenabbau auftritt. Sie stellt das Anfangsstadium der parodontalen Erkrankungen dar und ist reversibel. Die Entzündung des Zahnfleischrands erstreckt sich noch nicht auf tiefere Anteile des Parodontiums, wenngleich ein Fortschreiten zu einer ulzerativen Gingivitis erfolgen kann. Zu den Symptomen zählen Schwellung, Blutung, eine eventuelle Lymphknotenbeteiligung, möglicherweise Fieber und allgemeine Krankheitszeichen. Untersuchungen zufolge besteht bei etwa 80% der Katzen und Hunde ein gewisser Grad einer Gingi­ vitis, was auf die Notwendigkeit einer Zahnpflege durch den Tierbesitzer hinweist. Sulkusflüssigkeit: gefährdet durch Zahnstein. Die Sulkusflüssigkeit, ein Serumexsudat, ist ein bedeutender Faktor der Immun­abwehr und des Selbstreinigungsmechanismus des Sulkus. Ihre Exkretion kann durch den Zahnstein mechanisch beein­ trächtigt werden. Konkremente entstehen, wenn die Exkretion der Sulkusflüssigkeit blockiert wird und Mineralien zur Bildung von subgingivalem Zahnstein führen. Konkremente sind wesentlich härter als Zahnstein, entwickeln sich langsamer und haften viel |2 Abb. 2: Gingivitis: auffallende Plaque, Schwellung und chronischer Rückgang der Gingiva. Durch eine adäquate Therapie lässt sich eine Gingivitis komplett ausheilen. Ohne Behandlung greift die Entzündung in den meisten Fällen auf andere anatomische Strukturen wie parodontales Ligament, Fasern, Zahnzement und Alveolarknochen über, die dann irreversibel zerstört werden. Das Endresultat ist die Lockerung betroffener Zähne und schließlich ihr Verlust. Der Ablauf dieser Infektion bedeutet für betroffene Patienten eine deutliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens und Schmerzen. Größere Bedeutung hat, wie oben erwähnt, die Tatsache, dass sich die Bakterien aus den parodontalen Taschen über den Blut­ kreislauf im ganzen Körper ausbreiten und in anderen Organen schwere Komplikationen hervorrufen können. Bei der chronischen hyperplastischen Gingivitis besteht eine Proliferation des Epithels, des Bindegewebes und der Blutgefäße. Der Zahnfleischrand ist gerötet und geschwollen. Die Graviditätsgingivitis oder nekrotisierende Gingivitis, eine destruktive entzündliche Veränderung des Zahnfleisches, ist durch nekrotische Läsionen im Bereich des Gingivarands gekenn­ zeichnet. Die entstehenden, in der Regel von gelblich-weißem oder gräulichem Debris bedeckten Ulzera sind schmerzhaft bei Berührung und bluten leicht. Die Erkrankung kann akut oder chronisch verlaufen und wird durch eine bakterielle Infektion, eine zuvor bestehende Gingivitis, Stress und andere Faktoren hervorgerufen. Bei parodontalen Abszessen handelt es sich um lokalisierte Eiteransammlungen innerhalb der gingivalen Begrenzung einer parodontalen Tasche. Den akut oder chronisch auftretenden Abszessen liegt in der Regel ein entzündlicher, infektiöser Prozess in der Parodontaltasche oder ein mechanisches Trauma zugrunde, das eine Infektion des gingivalen Sulkus nach sich zieht. Beim Tier ist es oft eine Schädigung im Rahmen von Prophylaxe­ maßnahmen, wenn gelockerter Zahnstein in der Tasche verbleibt. Nicht selten bilden auch Haare die Ursache, die bei der Fell­pflege vom Tier aufgenommen und durch den Kauvorgang tiefer in den Sulkus gepresst werden. Ohne Behandlung kann ein parodontaler Abszess zu einer schwerwiegenden parodontalen Erkrankung und einer Osteomyelitis führen. Parodontitis In vielen, aber nicht allen Fällen entwickelt sich eine Parodontitis, eine chronische Erkrankung, die durch Zahnfleischentzündung, die Bildung parodontaler Taschen, Blutung und Sekretion aus den Taschen, Zahnlockerung, Abbau des Alveolarknochens und letztendlich Zahnverlust charakterisiert ist. Die Parodontitis entsteht durch ein Übergreifen des entzündlichen Prozesses vom Zahnfleisch auf tiefere Strukturen des Parodontiums. Als Folge kommt es zu resorptiven Vorgängen am Alveolarknochen und Verlust der Verbindung zum Zahn, gefolgt von der Bildung echter parodontaler Taschen. In manchen Fällen einer Parodontitis schreitet der Prozess fort zu einem akuten parodontalen Abszess. Die meisten Formen einer Gingivitis und Parodontitis werden primär durch Bakterien verursacht, die den gingivalen Sulkus besiedeln und sich an die Zahnoberflächen anheften. Risiko einer Bakteriämie Da parodontale Erkrankungen die Schleimhautintegrität zerstören, kann es zusätzlich zu einer Verbreitung parodontaler Keime über den Blutkreislauf kommen. Sie lassen sich in Blutkulturen betrof- Abb. 3: Peridontitis: massiv geschwollende, blutige, nässende und zurückgehende Gingiva. fener Hunde und Menschen nachweisen.4 Die Abschwemmung von Bakterien kann bei Tieren mit schwerer Parodontalerkrankung während des Kauvorgangs erfolgen. Die chirurgische Behandlung (Debridement, Scaling, Polieren) und die Zahnextraktion führen zwangsläufig zu einer transienten Bakteriämie, deren Ausmaß vom Grad der Parodontalerkrankung abhängt.5 Diese häufigen bakteriellen Attacken und die entzündliche Reaktion des Wirts können unter bestimmten Umständen eine Septikämie, Abszesse in Organen, eine Endokarditis oder Glomerulonephritis (mit erhöhter Gefahr einer schwerwiegenden Erkrankung) hervorrufen.4,6 Die potentiellen Folgen einer Bakteriämie oder Septikämie hängen vom Gesundheitsstatus des Tieres ab (Alter, Begleiterkrankungen, Immunstatus). Nieves und Mitarbeiter zeigten, dass bei Hunden 60-90% der aus der Plaque isolierten Bakterienstämme nach einer routinemäßigen Zahnbehandlung auch im Blut nachweisbar sind. Bei allen untersuchten Hunden ließ sich innerhalb von 40 Minuten nach Beginn der Zahnbehandlung eine Bakteriämie feststellen, unabhängig vom Schweregrad der vorliegenden oralen Erkrankung.7 Niemiec zieht sogar die Schlussfolgerung, dass parodontale Erkrankungen gegebenenfalls lebensbedrohlich sind.8 Geriatrische Patienten – chronische bakterielle Organinfektion keine Seltenheit Parodontale Erkrankungen bestehen oft über lange Zeit, vor allem bei vielen geriatrischen Patienten, die eine chronische bakterielle Endokarditis, Nephritis, Hepatitis oder Pneumonie entwickelt haben. Je früher diese Tiere behandelt werden, desto besser. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein geriatrischer Patient aufgrund dieser Erkrankungen zu Tode kommt, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, ihn durch eine Narkose zu verlieren. Dramatische Veränderung der Mikroflora Die Entstehung parodontaler Erkrankungen beruht auf einer Veränderung der Flora von den vorherrschenden aeroben grampositiven Bakterien hin zu anaeroben gramnegativen Keimen.9 Bei Hunden mit gesundem Zahnfleisch beträgt der Anteil der Anaerobier an der kultivierbaren subgingivalen Flora nur 25%, während er bei Hunden mit Parodontitis bis zu 95% ausmacht. Bestimmte Bakterien sind für ihre parodontopathogene Bedeutung bei Hund und Mensch bekannt: schwarz pigmentierte Bacteroides (Porphyromonas gingivalis und andere Spezies sowie Prevotella spp.) und 3| Die Ansammlung von Plaque auf den Zahnflächen stellt die Primärursache der Gingivitis und Parodontitis dar. Entscheidend für die erfolgreiche Prophylaxe dieser parodontalen Erkrankungen ist daher die Bekämpfung von Plaque! Keine Plaque – keine GINGIVITIS/PARODONTITIS!! Abb. 4: Gesundes Zahnfleisch und saubere Zähne bei einem 12 Jahre alten Hund durch die Pflege der Besitzer. Spirochäten.10,11 Auch Fusobakterien, verschiedene grampositive Stäbchen, Kokken etc. gehören zu den regelmäßig isolierten Keimen.12,13,14,15 Vorbeugende Maßnahmen Eine professionelle Zahnreinigung unter Allgemeinanästhesie stellt bei den meisten Patienten den Beginn eines lebenslangen Programms dar, das auf die individuellen Probleme des Tieres zugeschnitten sein sollte. Ziel ist, die Plaquemenge auf ein Minimum zu reduzieren, nach Möglichkeit auf Null! Dazu eignet sich regelmäßiges Zähneputzen am besten, aber dies schaffen nicht alle Tierbesitzer und auch nicht alle Hunde tolerieren diese Maßnahme. Oral angewendete Medikamente können helfen, Plaque zu vermindern, und die richtige Nahrung mit nachgewiesenem Nutzen für die Zahngesundheit kann ebenfalls erheblich dazu beitragen, diesen Kreislauf zu unterbrechen. BEHANDLUNG PARODONTALER ERKRANKUNGEN Beim Hund muss die professionelle Therapie parodontaler Erkrankungen unter Allgemeinanästhesie erfolgen. Die Maßnahmen bei einer Parodontitis umfassen supra- und subgingivales Scaling, subgingivale Lavage, Kurettage und Wurzelglättung, Politur und chirurgische parodontale Eingriffe unterschiedlichen Ausmaßes (von der Zahnextraktion bis zur korrektiven Gingivoplastik, Odontoplastik oder Knochentransplantation). Gingivitis: An erster Stelle der Maßnahmen steht eine perfekte Prophylaxe. Handinstrumente (Scaler, Kuretten, Zahnsonden etc.) oder mechanische Instrumente (Schallscaler oder Ultraschallgerät) werden eingesetzt, um die Zähne vollständig von Plaque |4 und Zahnstein zu befreien. Besonders wichtig ist, Plaque und Zahnstein aus dem gingivalen Sulkus oder einer subgingivalen Tasche zu entfernen und bei jedem Zahn die Tiefe subgingivaler Taschen mit einer Parodontalsonde zu bestimmen. Die Tiefe sollte 1-3 mm nicht überschreiten. Wenngleich ein Zahnfleischrückgang in Betracht zu ziehen ist, weisen Taschen von 4 mm oder mehr in der Regel auf eine parodontale Erkrankung hin. Sie sollten auf dem Befundbogen vermerkt und entsprechend behandelt werden. Eine Blutung aus den Zahnfleischtaschen lässt sich im Allgemeinen nicht vermeiden und sollte kein Anlass für einen Abbruch der Behandlung sein. Nach der Zahnreinigung sollten die Zähne mit einem Gummikelch und Polierpaste mittlerer Körnung oder einer professionellen dentalen Polierpaste poliert werden, um zu verhindern, dass sich umgehend wieder Plaque festsetzt. Der Tierbesitzer sollte angewiesen werden, das Gebiss regelmäßig auf eine erneute Plaqueansammlung zu überprüfen, und nach der professionellen Zahnreinigung beginnen, die Zähne seines Hundes zu putzen. Parodontitis: Im Fall einer fortgeschrittenen Erkrankung sollten folgende Maßnahmen durchgeführt werden: • komplette Entfernung von Plaque und Zahnstein • Extraktion aller lockeren Zähne, die nicht erhalten werden können • Schienung aller lockeren Zähne, die sich erhalten lassen, mittels Ligaturdraht, Glasfasersträngen unter Verwendung der Säureätztechnik und von Composite/Acryl • parodontale Chirurgie zur Beseitigung aller tiefer Taschen Parodontale chirurgische Eingriffe werden durchgeführt, um Taschen zu beseitigen oder ihre Tiefe zu reduzieren, erkranktes subgingivales Gewebe zu entfernen und eine ungünstige Kontur des Zahnfleisches zu korrigieren. Zu den anwendbaren Maßnahmen zählen gingivale Kurettage, Gingivoplastik und verschiedene Operationstechniken des Gingivaflap. Wenngleich sich alle diese Behandlungsmethoden in der Veterinärzahnheilkunde einsetzen lassen, erfolgt neben der gingivalen Kurettage am häufigsten die Gingivektomie. Bei der Gingivektomie wird gingivales Gewebe entfernt, in der Regel mittels Skalpell, Elektrochirurgie oder einer feinen Schere. Sie dient zur: • Abtragung von überschüssigem, entzündetem oder hyperplastischem Zahnfleisch • Entfernung von Epuliden und Papillomen • Wiederherstellung der physiologischen Kontur der Gingiva • Verbesserung der Mundhygiene durch Beseitigung aller Taschen oder Pseudotaschen Den Teufelskreis durchbrechen. Die verbleibende Gingiva sollte selbstreinigend sein. So wird der Teufelskreis aus Entzündung und Knochenabbau durchbrochen. Entscheidende Bedeutung hat die Beseitigung von Taschen und die Entfernung des größten Anteils des entzündeten Gewebes. Ziel ist, einen hygienischen, zur Selbstreinigung fähigen Zahnfleischrand zu erreichen, während das kosmetische Resultat an zweiter Stelle steht. Die alleinige chirurgische Verkleinerung der pathologischen Taschen reicht jedoch nicht aus. Am allerwichtigsten: eine saubere Oberfläche der Zahn­wurzeln. Der wichtigste Aspekt der parodontalen Behandlung ist die Schaffung einer sauberen, bakterienfreien Wurzeloberfläche, die ein erneutes Attachment des Parodontiums ermöglicht. Dies wird durch sorgfältige Kurettage, ein tief reichendes Scaling, Wurzelglättung, Zahnpolitur, Spülung und Desinfektion erreicht. Alle Konkrementreste werden durch Spülung mit Wasser oder Chlorhexidinlösung, die gleichzeitig die Bakterienzahl reduziert, beseitigt. Der Effekt der Gingivektomie hängt einzig und allein davon ab, mit welcher Sorgfalt sie durchgeführt wird. Ein halbherzig vorgenommener Eingriff reduziert die Entzündung nur kurzfristig. Für die gesamte Prozedur können 1-2 Stunden erforderlich sein, vor allem weil dabei auch lockere Zähne extrahiert oder mittels Schienung verankert werden müssen. Das ist harte Arbeit, die nicht unterschätzt werden sollte. Zahnextraktion aus Sicht der Tierbesitzer. Viele Tierbesitzer betrachten die Extraktion unrettbarer lockerer Zähne sehr kritisch. Die Zahnextraktion ist jedoch eine exzellente Maßnahme, um eine chronische Infektion und eine bestehende Osteomyelitis oder andere Komplikationen zu beseitigen. Ein Hund kommt mit dem Verlust von Zähnen gut zurecht, während die Besitzer dazu neigen, die resultierende Funktionseinbuße oder sogar das kosmetische Erscheinungsbild überzubewerten. Antibiotika. In unkomplizierten Fällen einer Gingivitis im Frühstadium sind Antibiotika nicht empfehlenswert, doch sollten sie bei allen Patienten mit einer eitrigen Knocheninfektion zum Einsatz kommen. Werden sie 2-3 Tage vor der chirurgischen Therapie verabreicht, ist zum Zeitpunkt des Eingriffs bereits eine beträchtliche Zahl an Bakterien eliminiert und die Infektion weniger ausgeprägt. Das erleichtert nicht nur die Behandlung (geringere Blutung, geringere Schwellung des Weichgewebes), sondern reduziert auch die dabei erfolgende Abschwemmung pathologischer Bakterien über den Blutkreislauf (Bakteriämie), die – wie oben beschrieben – zu einer Schädigung anderer Organe führen kann.16,17,18 Abb. 5: regelmäßiges Zähneputzen ist der einzige Weg Gingivitis zu vermeiden und bekämpfen. Eine professionelle Zahnreinigung hat nur kurzfristigen Nutzen, wenn sich daran keine effektive Gebisspflege durch den Tierbesitzer anschließt. Die tatsächliche Prävention parodontaler Erkrankungen erfolgt nicht durch die professionelle Parodontalbehandlung unter Allgemeingemeinanästhesie in Kombination mit einer antimikrobiellen Therapie, sondern in Form der täglichen Pflegemaßnahmen durch den Hundebesitzer. Die wirksamste Maßnahme zur Plaqueentfernung ist das tägliche Zähneputzen mit einer geeigneten Zahnbürste und entsprechender Zahnpasta. Hunde und ihre Besitzer können mit dieser Prozedur im Welpenalter des Tieres vertraut gemacht werden, beispielsweise anlässlich der Vorstellung des Hundes zur ersten Impfung. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Zahnbürsten und -pasten für den Einsatz beim Tier. Einige Pasten nutzen gemahlenes Knochenmehl als Grundlage, andere wirken über enthaltene Enzyme bakterizid und können abgeschluckt werden. Trockennahrung und Kaustangen aus Haut ermöglichen eine gewisse Reinigung der Zahnoberflächen, stellen aber keinen Ersatz für regelmäßiges Zähneputzen dar. Immer mehr Hundebesitzer zeigen sich dieser Maßnahme gegenüber aufgeschlossen und mit ein wenig Übung ist sie sehr effektiv. Mit der Zahnpflege durch den Tierbesitzer muss im Welpen­ alter begonnen werden. Wenn der Hund als Welpe an die Zahnbürste gewöhnt wird (nach Möglichkeit schon im Alter von 6-8 Wochen, um daraus ein Ritual zu machen), bereitet das Zähneputzen keine großen Probleme. Der Welpe betrachtet die Prozedur als neues Spiel und macht in der Regel bereitwillig mit. Eine Hand fixiert den Kopf des Hundes leicht, während mit der anderen Hand die Zähne mit Bürste und Zahnpasta gereinigt werden. Zur Gewöhnung des Hundes an das Zähneputzen kann anfänglich ein Stück Gaze mit Zahnpasta um den Zeigefinger gewickelt und über die Zähne gerieben werden. Um eine optimale Wirkung zu erzielen, sollte das Zähneputzen täglich erfolgen. Zahnpasten für Menschen dürfen beim Hund keinesfalls verwendet werden, da sie sein Zahnfleisch schädigen können. Die Bedeutung der Nahrung Nahrung, die eine Ansammlung von Plaque begünstigt, sollte vermieden werden. Dazu zählen Leckerbissen zwischen den Mahlzeiten, kohlenhydratreiche Nahrung wie Tischreste, Süßigkeiten und andere für Hunde unnatürliche Nahrung. Der Speichel bewirkt beim Hund eine permanente „Spülung“ der Mundhöhle und wirkt als hervorragendes Reinigungsmittel. Die Bewegung der Zunge während und nach der Mahlzeit sowie beim Hecheln hilft, die Zähne sauber zu halten. Somit haben aktive Hunde, die viel hecheln, eher saubere Zähne als Schoßhunde. Die Zahl der Mahlzeiten spielt offensichtlich ebenfalls eine große Rolle. In der Praxis konnten wir feststellen, dass die Mundhöhle bei Arbeitshunden im Allgemeinen einen besseren gesundheitlichen Zustand aufweist als bei Schoßhunden. Wenngleich auch eine genetische Prädisposition große Bedeutung hat, ist das Zahnfleisch bei Arbeitshunden generell gesünder. Sie erhalten nur eine Mahlzeit am Tag, meist am Abend als „Belohnung“ für ihre im Verlauf des Tages geleistete Arbeit. In den folgenden 23 Stunden können Debris und in der Mundhöhle verbliebene Nahrungsreste wirksam durch die Spülfunktion des Speichels und die Bewegungen von Zunge und Backen beseitigt werden. Wenn dagegen jeden Tag mehrere Mahlzeiten, Snacks und andere „Leckerli“ gegeben werden, sammeln sich deren Reste auf den Zähnen und vor allem in den Zahnzwischenräumen an und bilden ein exzellentes Kulturmedium für Bakterien. 5| Die immens hohe Rate an parodontalen Erkrankungen bei Hunden und Katzen veranlasste die Tiernahrungsindustrie, spezielle Nahrungen zu entwickeln (Produkte speziell für die Zahngesundheit, Nahrungen mit Zusätzen für die Zähne, enthalten in allen Produkten eines Sortiments, Kaustangen), die die Plaquemenge vermindern und so Bakterienwachstum und Infektionen reduzieren sollen. Bei einigen Diäten entfalten die harten Pellets mit hohem Fasergehalt eine abrasive Wirkung, andere (vor allem Kaustangen) regen die Hunde an, darauf herumzukauen, was die Plaqueansammlung auf den Zahnflächen mechanisch vermindert und die Speichelproduktion anregt. Bei einigen Marken besitzen die Pellets einen Überzug aus Polyphosphatkristallen und wirken in zweifacher Hinsicht: Durch die knusprigen Pellets werden die Zähne mechanisch gereinigt und Plaque reduziert. Gleichzeitig verhindern die Polyphosphate, das sich durch Mineralisierung der Plaque Zahnstein bildet. Die Resultate sind erstaunlich: Die Akkumulation von Plaque und Zahnstein verringert sich um 30 bis zu 80%. Eine polnische Studie, die bei 9074 Katzen sowie 29702 Hunden den Status der Mundhöhle untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass die Fütterung einer Trockennahrung den gesundheitlichen Zustand der Mundhöhle bei beiden Tierarten positiv beeinflusst. So waren bei beiden Tierarten weniger mandibuläre Lymphadenopathien, Zahnbeläge und parodontale Erkrankungen zu verzeichnen.19 ZUSAMMENFASSUNG Parodontale Erkrankungen beruhen auf einer Infektion, die durch Besiedelung der Plaque mit anaeroben Bakterien entsteht. Sie treten sehr häufig auf, lassen sich jedoch vermeiden. Eine regelmäßige Zahnreinigung durch die Tierbesitzer und eine geeignete Nahrung in Kombination mit einer gelegentlichen professionellen parodontalen Therapie unter Allgemeinanästhesie, falls notwendig mit antimikrobieller Medikation, verhindern, dass der Hund anderweitig gesunde Zähne durch parodontale Veränderungen verliert. Bei Hunden mit schwerer Parodontalerkrankung bestehen nicht nur Funktionseinbußen und Schmerzen durch die Infektion, sondern auch das Risiko von Komplikationen, die den gesamten Organismus betreffen. Antimikrobielle Wirkstoffe sollten bei oralen Infektionen nie als Monotherapie zum Einsatz kommen und nicht zur Prophylaxe oraler Erkrankungen dienen. Der bedeutendste Einzelfaktor bei der Prävention eines Rezidivs parodontaler Erkrankungen ist – ebenso wie beim Menschen – die regelmäßige Zahnpflege. Die meisten Hunde und Katzen lassen sich die Zähne mit einer kleinen Zahnbürste und spezieller Zahnpasta für Tiere putzen. Zahnpasten für Menschen eignen sich nicht für Tiere und können sogar ihr Parodontium schädigen. Die Prävention parodontaler Erkrankungen erfordert lebenslangen Einsatz in Form einer Zahnpflege durch den Tierbesitzer, einer geeigneten Nahrung und – wenn unvermeidlich – einer tierärztlichen Behandlung. Literaturnachweis 1. Gorrel, C. Periodontal Disease. Proc. WSAVA 2003, Bangkok /Thailand 2. Gorrel C. Periodontal Disease. Veterinary Dentistry for the General Practitioner, Saunders, 2004, pp 87-106. 3. Shipp AD, Fahrenkrug P. Practitioner’s Guide to Veterinary Dentistry. Dr. Shipp’s Laboratories, Beverly Hills, CA, USA, 1992 4. Pavlica Z, Petelin M, Juntes P, Erzen D, Crossley DA, Skaleric U. Periodontal disease burden and pathological changes in organs of dogs. J Vet Dent. 2008 Jun; 25(2):97-105. 5. Bowersock TL, Wu CC, Inskeep GA, Chester ST. Prevention of bacteremia in dogs undergoing dental scaling by prior administration of oral Clindamycin or Chlorhexidine oral rinse. 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