COLLIE REVUE MÄRZ 2013 Z u c h t u n d Ve r e r b u n g Farbenspiele Teil 1 Die Weißen – Ver erbung von Eva-Mar ia Kr äm er Ein Überraschungsei! Am Anfang war alles ganz einfach! Mendel stellte im 19. Jahrhundert fest: rot gepaart mit weiß ergibt rosa. Dann kam Little 1957, sein Werk zur Farbvererbung der Hunde war die Basis aller weiteren Arbeiten und Veröffentlichungen zur Farbvererbung. Seine Annahmen waren in der Praxis stimmig, aber dann kam die Genforschung... und jetzt? Jetzt sind wir so weise wie Sokrates... und wissen, dass wir eigentlich sehr wenig wissen. Viel wurde über Farbvererbung geschrieben, aber wenig wirklich geforscht. Da sich die Autoren nicht auf einheitliche Farbbezeichnungen und Allel-Darstellungen einigen, verwirrt das Literaturstudium mehr als es Aufschluss gibt. Vieles wurde inzwischen durch Genforschung bewiesen, anderes in Frage gestellt, noch mehr kann man wissenschaftlich noch nicht beweisen. Mich wieder einmal mit der beim Collie so simplen Farbvererbung zu befassen veranlassten Collies mit „merkwürdigen“ Farben und die Diskussion um den Weißfaktor. Ich will versu- chen, die schwierige Materie in einfache Worte zu fassen. Ich danke an dieser Stelle Dr. Anna Laukner, Fellfarbenexpertin bei Laboklin, die ihre Doktorarbeit über die Farbvererbung schrieb und sich dafür ausführlich mit dem Collie befasste für ihre Hilfe und die Durchsicht des Artikels. Weißfaktor ist übrigens ein Begriff, der so in der Genetik nicht angewendet wird, der sich aber in der Colliezucht eingebürgert hat. Ein bisschen mehr Weiß an den Hinterläufen, eine etwas breitere Halskrause, weißes Bauchhaar ein wenig hinauf ins Körperfell ausgedehnt bezeichnet man als weißfaktoriert. Scheckung kommt bei vielen Haustieren vor. Erste Anzeichen der Domestikation sind kleine weiße Abzeichen an der Brust, den Pfoten, Rutenspitze usw. Scheckung gibt es auch bei Wildtieren. Entweder erweist sie sich als nützlich und es festigen sich Tarnmuster, oder die Auffälligkeit beeinträchtigt die Überlebenschance in freier Wildbahn und setzt sich nicht durch. 61 COLLIE REVUE MÄRZ 2013 Z u c h t u n d Ve r e r b u n g Allel ■S Allel aus dem Griechischen bedeutet „einander, gegenseitig“ und ist verantwortlich für die Ausprägung eines Gens, das sich an einem bestimmten Ort (Locus) auf einem Chromosom befindet. Erinnern wir uns an den Biologieunterricht: die roten, rosa und weißen Mendelschen Erbsenblüten werden von Allelen auf dem Gen für Farbe gesteuert. Solche Allele gibt es viele, die Intensität der Farbe, Maske usw. beeinflussen. Viele sind noch nicht erforscht. Da der Hund jeweils zwei Allele hat, von jedem Elternteil eines, ist er bei zwei gleichen Allelen reinerbig = homozygot, sind es zwei verschiedene, nennt man das heterozygot = mischerbig. Weißzeichnung beim Collie Weißzeichnung im FCI-Standard: „Alle vorgenannten Farben sollten mehr oder weniger die für den Collie typischen weißen Abzeichen aufweisen. Folgende Zeichnung ist vorzuziehen: weiße Halskrause, ganz oder teilweise, weiße Brust, Läufe und Pfoten, weiße Rutenspitze. Eine Blesse darf auf dem Vorgesicht oder auf dem Schädel oder an beiden Stellen vorhanden sein.“ Die neueste Ergänzung des britischen Standards „vorherrschend Weiß ist höchst unerwünscht“ ist noch nicht von der FCI übernommen worden und damit noch nicht für uns hier bindend. dominante Einfarbigkeit (Großbuchstabe für dominant) ■ si irisches Muster (Kleinbuchstaben für rezessiv) ■ sp Scheckung ungleichmäßig verteilte Farbflecken auf weißem Grund ■ sw Extremschecken – farbiger Kopf bei weißem Körperfell Einfarbige Collies und irisches Muster Ein einfarbiger Hund wäre demnach SS oder Splus Allelen für Scheckung, da S dominant ist und das rezessive Merkmal überdeckt. Mir war sofort klar, S gibt es beim Collie nicht mehr, denn ich habe in 50 Jahren noch keinen einfarbigen gesehen oder davon gehört. ABER das ist ein Irrtum, denn einfarbig bedeutet nicht die Abwesenheit weißer Abzeichen! Ein einfarbiger Hund kann durchaus weiße Abzeichen zeigen ohne die Erbanlage für Scheckung zu haben. Little nennt die Weißzeichnung beim Collie pseudo-irisches Muster bzw. spricht von unvollständiger Dominanz von S gegenüber sp, was sich in Form der weißen Abzeichen äußert (Laukner, 1997). Schmutz stellte bei genetischen Studien bei den untersuchten Collies in der Tat S für Einfarbigkeit fest und dass sp co-dominant ist, d.h. sichtbar auftritt, obwohl es rezessiv vererbt wird. Ein Collie mit Weißzeichnung kann genetisch gesehen sein: ■ einfarbig mit Weißzeichnung ohne Scheckungsgen ■ einfarbig mit Weißzeichnung mit Scheckungsgen ■ einfarbig mit Weißzeichnung aufgrund von si irischem Mus- ter Schecken Nimmt man den Standard wörtlich ist eine schöne Weißzeichnung tatsächlich wenig Weiß vorzuziehen. Nach neuester englischer Fassung dürfte ein Schecke, der nicht vorherrschend Weiß wäre, nicht benachteiligt werden. Das wird in der Praxis allerdings nicht so gehandhabt. Der amerikanische Standard erlaubt offiziell gescheckte Collies und sagt hierzu ohne auf die Farbverteilung einzugehen: „Der Weiße ist vorherrschend weiß, vorzugsweise mit sable, tricolour oder blue merle Abzeichen.“ Little unterteilt Schecken in ■ sp = piebald, das ist die ungleichmäßige Farbverteilung am Körper, also große Farbflecken auf weißem Grund und ■ sw = Extremschecken, weißes Körperfell mit farbigem Kopf und vielleicht einem kleinen Farbfleck am Rutenansatz. sw ist rezessiv zu sp. Die Möglichkeiten der Scheckung nach Little Little hat intensiv geforscht und seine These mit Zuchtversuchen zur Farbvererbung untermauert. Gentechnisch beweisen konnte er in den 1950er Jahren freilich noch nichts. Nach seiner Meinung gab es einen einzigen Genort (Locus) für die Weißzeichnung, den er S nannte sowie vier hierarchisch darunter liegende Allele. Ganz oben steht die Einfarbigkeit. Unter ihr angeordnet ist das Irische Muster, darunter liegt das so genannte Scheckungsgen (piebald) und darunter der Extremschecke. Das nächst niedrige ist rezessiv zum oberen. 62 Nach Little könnte man Collies mit dem Scheckungsgen spsp züchten, ohne jemals Extremschecken zu bekommen, weil das Allel sw von beiden Eltern beigesteuert werden muss. Das bestätigen Züchter, die lange vergeblich versuchten mit Schecken Extremschecken zu bekommen. Obwohl es im USStandard nicht so steht, gilt der Extremschecke - weiß mit farbigen Kopf und minimalen Flecken - als ideal. Leider fand Schmutz kein Allel sw, auch nicht bei Extremschecken. Aber wer weiß, was uns neue Erkenntnisse bescheren. Little kann so falsch nicht liegen, denn die Zuchtpraxis bei Rassen, in denen die Scheckung weit verbreitet ist und Extremschecken erwünscht sind, unterstützt Littles Annahme. COLLIE REVUE MÄRZ 2013 Nach Schmutz genügt das Allel sp, um in reinerbiger Form Schecken mit mehr oder weniger ausgedehnter Farbverteilung zu produzieren und es wäre dann züchterisch eher dem Zufall bzw. anderen Faktoren überlassen, ob Schecken oder Extremschecken geboren werden. Die Ausdehnung der Fellfarbe. Damit uns nicht langweilig wird ist auch hier nicht alles schwarz oder weiß... Schon Little sprach von plus und minus Modifikanten, Veränderern, wir wissen von An- und Abschaltgenen, die das Erbgut beeinflussen. Sie bestimmen, ob eine Weißzeichnung eher spärlich oder üppig ausgedehnt wird. In den letzten Jahren wird mehr und mehr daran geforscht, warum Gene wie aktiv werden und wir immer wieder mit Überraschungen und Ungereimtheiten konfrontiert werden. Auf diesem Gebiet dürfen wir noch mit sehr interessanten Ergebnissen rechnen. So viel ist sicher, dass Gene beeinflusst werden und sich verändern können. Epigenetik – äußere Beeinflussung der Gene Als das Genom des Menschen entschlüsselt war, jubelte die Wissenschaft. Man glaubte die Lösung für alle Probleme gefunden zu haben, doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Da gab es doch mehr als einfache genetische Baukästen. Heute konzentriert sich die Forschung auf den Austausch von Informationen zwischen den Zellen untereinander und dem Erbgut. Gene können ab- und angeschaltet oder verändert werden. Nur so können sich Lebewesen über kommende Generationen an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Auslöser können beispielsweise hormonell begingt durch Stress, aber auch Ernährung und Umweltgifte sein. Gäbe es dieses System nicht, wären wir längst ausgestorben. Die Forschung steht noch am Anfang und die Epigenetik ist ein faszinierendes Feld. Z u c h t u n d Ve r e r b u n g Uns interessiert die Ausdehnung der Fellfarbe. Im embryonalen Zustand bis zur Geburt, bei manchen Rassen noch danach (beim Collie verschwinden kleine weiße Fleckchen oft nach ein paar Monaten), verbreitet sich die Pigmentierung von Zentren an Kopf, Wirbelsäule und Kruppe ausgehend bis in die Zehenspitzen. Doch auf diesem Wege kann viel passieren, wenn so genannte Ab- oder Anschalter wirken. Bei einem einfarbigen Hund wird manchmal die Farbverbreitung an Brust und Pfoten unterbrochen. Deshalb findet man pigmentlose, weiße Fleckchen auf Brust und Pfoten beispielsweise gelegentlich bei roten Settern oder Neufundländern, die aber nicht bedeuten, dass irgendwo im Hintergrund ein Schecke steht. Da es beim Neufundländer eine gescheckte Variante gibt lässt sich per Gentest nachprüfen, ob ein einfarbiger Newfy das Scheckungsgen trägt. Beim Collie, bei dem die Farbverteilung aufgrund seiner Gene an bestimmten Stellen aufhört, kann dieses Abschalten so früh erfolgen, dass ein Hund ausgedehnte weiße Abzeichen hat, ohne ein Scheckungsgen zu tragen, umgekehrt kann ein Hund mit Scheckungsgen nur ganz wenig weiße Abzeichen haben, wenn das Abschalten verzögert erfolgte. Sind die Modifikatoren genetisch angelegt, kann man darauf selektieren. Werden die Vorgänge durch Umwelteinflüsse ausgelöst, erfreuen uns „Überraschungseier“. Sollte ein Schecke oder stark überzeichneter Hund in einem Wurf fallen, in dem man eigentlich kein Scheckungsgen vermutet, kann man das gentechnisch bei Laboklin überprüfen. Internet: www.laboklin.de/index.php?link=labogen/pages/html/de/fell farben/hund/hund_s-lokus_weissscheckung.html oder Telefon 0971 / 72020 Quellen: Laukner, Anna Die Fellfarbe beim Hund: Literaturstudie und Zuchtbuchauswertungen, Dissertation München 1997 Schmutz, Berryere and Dreger, MITF and White Spotting in Dogs: A Population Study, Journal of Heredity 2009 Website: http://homepage.usask.ca/~schmutz/dogcolors.html ■ Stets aktuell mit wichtigen Informationen, Terminen, Shop u.v.a.: »Collienews« unter www.collie-revue.de Der Blog – in dem Sie mitreden können! 63